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Als Grundprinzipien professioneller Pflege sind Prophylaxen mit Beginn der Ausbildung fester Bestandteil der täglichen Berufspraxis. Praxisorientiert und leicht verständlich werden in diesem Buch Prophylaxen in Bezug auf Dekubitus, Soor und Parotitis, Aspiration, Pneumonie, Thrombose, Kontrakturen, Sturz, Infektionen, Zystitis, Intertrigo, Mangelernährung, Obstipation, Dehydratation, Desorientierung, Deprivation, Gewalt und Demenz beschrieben. Das überarbeitete Buch versammelt die aktuellsten medizinischen und pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse zur Prophylaxe in der Pflege. Ein unverzichtbares Lern- und Arbeitsmittel für Pflegende in Ausbildung und Praxis!
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Seitenzahl: 283
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Ulrich Kamphausen, Hohenstein, ist Krankenpfleger und Lehrer für Pflegeberufe.
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10., aktualisierte Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035912-3
E-Book-Formate:
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Hinweise
1 Einführung
1.1 Grundlagen
1.2 Erweiterung der Fachkompetenz
2 Dekubitusprophylaxe
2.1 Entstehung von Dekubitalulzera
2.2 Erkennen gefährdeter Patienten
2.3 Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe
2.3.1 Kenntnisse aktualisieren
2.3.2 Patienten informieren und motivieren
2.3.3 Auf die Psyche einwirken
2.3.4 Mobilität erhalten und fördern
2.3.5 Geeignete Lagerungen anwenden
2.3.6 Lagerung des sitzenden Patienten
2.3.7 Hautpflege optimieren
2.3.8 Ernährung anpassen
2.3.9 Dekubitus-Beauftragten ernennen
3 Soor- und Parotitisprophylaxe
3.1 Entstehung von Soor und Parotitis
3.2 Erkennen gefährdeter Patienten
3.3 Maßnahmen zur Soor- und Parotitisprophylaxe
3.3.1 Kenntnisse aktualisieren
3.3.2 Patienten informieren und motivieren
3.3.3 Auf die Psyche einwirken
3.3.4 Gute Zahn- und Prothesenpflege sicherstellen
3.3.5 Effektive Mundpflege durchführen
3.3.6 Speichelsekretion anregen
4 Aspirationsprophylaxe
4.1 Entstehung und gefährdete Patienten
4.2 Maßnahmen zur Aspirationsprophylaxe
4.2.1 Kenntnisse aktualisieren
4.2.2 Patienten informieren und motivieren
4.2.3 Basal stimulierende Übungen und Schlucktraining durchführen
4.2.4 Aufmerksamkeit bei allen Pflegemaßnahmen
5 Pneumonieprophylaxe
5.1 Entstehung von Pneumonien
5.2 Erkennen gefährdeter Patienten
5.3 Maßnahmen zur Pneumonieprophylaxe
5.3.1 Kenntnisse aktualisieren
5.3.2 Patienten informieren und motivieren
5.3.3 Auf die Psyche einwirken
5.3.4 Mundhygiene verbessern und Aspiration vermeiden
5.3.5 Mobilität erhalten und fördern
5.3.6 Belüftung der Lunge verbessern
5.3.7 Sekretfluss verbessern
5.3.8 Sekret fördern
6 Thromboseprophylaxe
6.1 Entstehung von Thrombosen
6.2 Erkennen gefährdeter Patienten
6.3 Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
6.3.1 Kenntnisse aktualisieren
6.3.2 Patienten informieren und motivieren
6.3.3 Mobilität und venösen Rückfluss erhalten und fördern
6.3.4 Unterstützende Lagerungen durchführen
6.3.5 Venen ausstreichen
6.3.6 Venen komprimieren
6.3.7 Verordnungen durchführen – Wirkungen prüfen
6.3.8 Gesundheitserziehung umsetzen
7 Kontrakturenprophylaxe
7.1 Entstehung von Kontrakturen
7.2 Erkennen gefährdeter Patienten
7.3 Maßnahmen zur Kontrakturenprophylaxe
7.3.1 Kenntnisse aktualisieren
7.3.2 Patienten informieren und motivieren
7.3.3 Auf die Psyche einwirken
7.3.4 Mobilität erhalten und fördern
8 Sturzprophylaxe
8.1 Sturzursachen und gefährdete Patienten
8.2 Erkennen gefährdeter Patienten
8.3 Maßnahmen zur Sturzprophylaxe
8.3.1 Kenntnisse aktualisieren
8.3.2 Sturzgefährdung in den Aufnahme- und Informationsprozess integrieren
8.3.3 Patienten informieren und motivieren
8.3.4 Mobilität erhalten
8.3.5 Mobilität wiederherstellen
8.3.6 Hilfsmittel einsetzen
8.3.7 Umgebungsbedingungen verbessern
8.3.8 Medikamentenauswahl und -dosierung planen
8.3.9 Bodenpflege als Sturzprävention
8.3.10 Passive Schutzmaßnahmen
8.3.11 Dokumentieren und Analysieren von Stürzen
9 Infektionsprophylaxe
9.1 Übersicht und Begriffsbestimmung
9.2 Infektionswege unterbrechen
9.2.1 Hygienisches Verhalten
9.2.2 Sauberkeit und Reinigung
9.2.3 Desinfektion
9.2.4 Sterilisation
9.2.5 Isolation
9.3 Die Abwehrkraft der Patienten stärken
9.3.1 Ernährung
9.3.2 Mobilisation
9.3.3 Psychische Unterstützung
10 Zystitisprophylaxe
10.1 Entstehung einer Zystitis
10.2 Erkennen gefährdeter Patienten
10.3 Maßnahmen zur Zystitisprophylaxe
10.3.1 Kenntnisse aktualisieren
10.3.2 Patienten informieren und motivieren
10.3.3 Flüssigkeitszufuhr steigern, Urinausscheidung anregen und Harn ansäuern
10.3.4 Intimhygiene verbessern
10.3.5 Den Einsatz von urinableitenden Systemen infektionsarm gestalten
10.4 Kontinenztraining
11 Intertrigoprophylaxe
11.1 Entstehung und gefährdete Patienten
11.2 Maßnahmen zur Intertrigoprophylaxe
11.2.1 Kenntnisse aktualisieren
11.2.2 Patienten informieren und motivieren
11.2.3 Mobilität erhalten und fördern
11.2.4 Hautatmung ermöglichen
11.2.5 Hautpflege optimieren
12 Malnutritionsprophylaxe
12.1 Entstehung von Unterernährung
12.2 Erkennen gefährdeter Patienten
12.3 Maßnahmen zur Prophylaxe der Unterernährung
12.3.1 Kenntnisse aktualisieren
12.3.2 Patienten informieren und motivieren
12.3.3 Gefahr der Unterernährung frühzeitig erkennen
12.3.4 Pflegerische Interventionen
12.3.5 Den Patienten richtig ernähren
13 Obstipationsprophylaxe
13.1 Entstehung und gefährdete Patienten
13.2 Maßnahmen zur Obstipationsprophylaxe
13.2.1 Kenntnisse aktualisieren
13.2.2 Patienten informieren und motivieren
13.2.3 Mobilität erhalten und fördern
13.2.4 Darmmotorik und Verdauungsvorgänge unterstützen – Ernährung
13.2.5 Darmmotorik fördern – Massage
13.2.6 Defäkation mechanisch herbeiführen
13.2.7 Obstipationsfördernde Bedingungen beseitigen
14 Dehydratationsprophylaxe
14.1 Entstehung einer Dehydratation
14.2 Erkennen gefährdeter Patienten
14.3 Maßnahmen zur Dehydratationsprophylaxe
14.3.1 Kenntnisse aktualisieren
14.3.2 Patienten informieren und motivieren
14.3.3 Institutions- und krankheitsbedingte Dehydratation ausschließen bzw. vermindern
14.3.4 Flüssigkeitsangebot verbessern und den individuellen Bedürfnissen anpassen
14.3.5 Flüssigkeitsaufnahme optimieren
14.3.6 Infusionen
15 Desorientierungsprophylaxe
15.1 Entstehung von Desorientiertheit
15.2 Erkennen gefährdeter Patienten
15.3 Maßnahmen zur Desorientierungsprophylaxe
15.3.1 Kenntnisse aktualisieren
15.3.2 Patienten informieren und motivieren
15.3.3 Krisenmanagement
15.3.4 Krisenintervention
15.3.5 Krankheitsbedingte Risikofaktoren ausschließen bzw. vermindern
15.3.6 Orientierendes Verhalten umsetzen
16 Deprivationsprophylaxe
16.1 Entstehung einer Deprivation
Klinische Erscheinungsbilder
Das Deprivationssyndrom fördernde Umstände
Risikogruppen
16.2 Erkennen gefährdeter Patienten
16.3 Maßnahmen zur Deprivationsprophylaxe
Zielsetzung
16.3.1 Kenntnisse aktualisieren
16.3.2 Patienten informieren und motivieren
16.3.3 Seh- und Hörfähigkeit optimieren
16.3.4 Sinneswahrnehmungen trainieren
16.3.5 Kognitive Aktivitäten fördern
16.3.6 Soziale Kontakte fördern
16.3.7 Emotionalität zulassen und fördern
16.3.8 Umgebungs- und Milieugestaltung
17 Demenzprophylaxe
17.1 Demenzen, Ursachen, Gefährdung und klinisches Erscheinungsbild
17.1.1 Demenzformen
17.1.2 Klinisches Erscheinungsbild
17.2 Erkennen, dass jeder gefährdet ist
17.3 Maßnahmen zur Demenzprophylaxe
17.3.1 Kenntnisse aktualisieren
17.3.2 Alle Beteiligten informieren und motivieren
17.3.3 Selbstbestimmtes Leben fördern
17.3.4 Zweisprachigkeit nutzen
17.3.5 Den Patienten/Bewohner zur Bewegung anhalten
17.3.6 Bildung auf allen Ebenen ermöglichen und anbieten
17.3.7 Soziale Einbindungen schaffen und fördern
17.3.8 Gesund ernähren
17.3.9 Schädliches meiden
18 Gewaltprophylaxe
18.1 Entstehung von Gewalt
18.2 Maßnahmen zur Gewaltprophylaxe
18.2.1 Kenntnisse erwerben oder aktualisieren
18.2.2 Das Stationsteam zur aktiven Mitarbeit motivieren
18.2.3 Aggression und Gewalt und deren Eskalation durch Professionalität vermeiden
18.2.4 Milieugestaltung
18.2.5 Selbstpflege – Psychohygiene
Anhang
1. Skalen zur Dekubitusprophylaxe
2. Skalen zur Pneumonieprophylaxe
3. Skalen zur Thromboseprophylaxe
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Piktogramme
Achtung
Definition
Empfehlungen
Merke
Abdruck der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Physiotherapie bei Cystischer Fibrose (www.cf-physio.ch) (Abb. 5.10), der CEGLA GmbH & Co KG (Abb. 5.11), der Salzmann AG (Abb. 6.2), der Paul Hartmann AG (Abb. 6.3), der Völker GmbH (Abb. 8.2) sowie der Bode Chemie GmbH & Co., Hamburg (Abb. 9.2).
Aus Gründen der Übersichtlichkeit bzw. der besseren Lesbarkeit wird fast ausschließlich von »Patienten« gesprochen. Klienten in der ambulanten Pflege sowie Bewohner von Altenhilfeeinrichtungen sind selbstverständlich stets mit angesprochen. Ebenso sind bei der Nennung eines Geschlechts immer alle Geschlechter gemeint.
Terminologie und Definition
Prophylaxe (Vorbeugung, Verhütung): Das Wort besteht aus dem lateinischen Anteil »pro« mit der Bedeutung vor, bevor, und einem griechischen Anteil »phylattein« mit der Bedeutung behüten, beschützen. In der Pflege und Medizin wird der Begriff als Sammelbezeichnung für alle Maßnahmen verwendet, die geeignet sind, Krankheiten und Komplikationen vorzubeugen.
Prophylaxen zum Nutzen des Patienten anzuwenden ist eine große pflegerische Kunst. Es ist nicht ausreichend, vorbeugend wirksame Maßnahmen aufzulisten und unreflektiert am Patienten anzuwenden. Falsch verstandene Prophylaxen können überflüssig sein und dadurch Zeit und Arbeitskraft der Pflegepersonen verschwenden. Für den Patienten sind sie dann störend, oftmals belastend und unter Umständen auch schädlich. Häufig haben sie Alibifunktion: »Wir haben doch alles getan!«
Richtig angewendet müssen Prophylaxen auf die Bedürfnisse und die spezielle Situation des Patienten bezogen und mit den Maßnahmen der anderen Mitglieder des therapeutischen Teams abgestimmt sein.
Dies verlangt von der Pflegeperson die Fähigkeit, die spezielle Gefährdung des Patienten zu erkennen und ihr Ausmaß einschätzen zu können. Aus einem großen Fundus an möglichen prophylaktischen Maßnahmen muss die Pflegeperson die Maßnahmen auswählen, die einerseits für den Patienten geeignet sind, und andererseits mit dem therapeutischen Konzept von Arzt, Physiotherapeuten, Masseuren und Ergotherapeuten harmonieren. In Gesprächen mit den Mitgliedern des therapeutischen Teams muss die Pflegekraft ihr Prophylaxen-Konzept erläutern und begründen können. Sie muss dem Patienten die ausgewählten Prophylaxen erklären, ihn zur Mitarbeit motivieren und befähigen. Ggf. müssen auch Angehörige einbezogen werden. Weiter ist es Aufgabe der Pflegeperson, alle Prophylaxen in den Pflegeplan zu integrieren, die beteiligten Pflegepersonen zu informieren und Pflegehilfskräfte und Schüler in die Durchführung der Prophylaxen einzuweisen. Zum Schluss ist es ihre Aufgabe, die Wirkung der Prophylaxen zu überprüfen und die Ergebnisse mit ihren ursprünglichen Zielvorstellungen zu vergleichen.
• spezielle Gefährdungen des Patienten erkennen,
• das Ausmaß der Gefährdung einschätzen,
• geeignete prophylaktische Maßnahmen auswählen,
• mit den Mitgliedern des therapeutischen Teams die Prophylaxen absprechen,
• dem Patienten die Prophylaxen erklären und ihn zur Mitarbeit motivieren,
• für die ordnungsgemäße Durchführung der Prophylaxen sorgen,
• die Wirkung der Prophylaxen überprüfen.
Die einzelnen prophylaktischen Maßnahmen müssen so ausgewählt werden, dass sie die Grundursachen der Gefährdungen beseitigen. Es ist z. B. bei einer Dekubitusgefährdung sinnlos, die Hautdurchblutung anregen zu wollen, wenn der Auflagedruck nicht verringert wird. Ebenso zwecklos ist es, einen pneumoniegefährdeten Patienten inhalieren zu lassen, wenn nicht gleichzeitig die Lungenbelüftung verbessert wird.
So wie es generell sinnvoll ist, Pflegemaßnahmen zu planen, so ist es unumgänglich, die Gefährdungen des Patienten und die darauf basierenden Pflegeziele sowie die prophylaktischen Maßnahmen in die Pflegeplanung einzubeziehen. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei auf die Problemformulierung gelegt werden, damit die eigentliche Ursache der Gefährdung von vornherein ins Auge gefasst wird. Eine Formulierung wie »Der Patient ist pneumoniegefährdet«, ist wenig hilfreich. Eine geeignetere, ursachenbezogene Formulierung ist: »Der Patient hat wegen postoperativer Schmerzen im Bereich der Bauchwunde Schonatmung.«
Dort, wo es üblich ist, die Pflegeplanung nach LA, AEDL oder ATL zu ordnen, können auch die Prophylaxen auf diese Weise geordnet werden.
Es ist sinnvoll, die Zeit für ein Informations- und Motivationsgespräch fest in den Tagesablauf einzuplanen. Ein Gespräch zwischen Tür und Angel bleibt für alle Beteiligten unbefriedigend und uneffektiv. Um die Zeit ökonomisch zu nutzen, kann, wenn es der Allgemeinzustand der Patienten zulässt, eine Gesprächsrunde mit mehreren Patienten durchgeführt werden. Der Normalfall wird allerdings, besonders wenn intimere Details angesprochen werden müssen, das Einzelgespräch mit dem Patienten sein. Es kann notwendig sein, auch Angehörige mit einzubeziehen. Der Patient muss dazu seine Zustimmung geben.
Wichtig ist die patientengerechte Information. Fachausdrücke sollen vermieden werden. Hilfreich sind bebilderte Informationsschriften, die der Patient nach dem Informationsgespräch noch einmal in Ruhe studieren kann. Die Pflegeperson muss dann allerdings daran denken, dass sich noch Fragen ergeben können, die geklärt werden müssen. Eine Info-Broschüre darf nicht dazu benutzt werden, das Gespräch zu umgehen.
Die für den Patienten geplanten und im Gespräch vorgestellten prophylaktischen Maßnahmen können schon während des Gesprächs mit dem Patienten praktisch durchgeführt werden. So erhält er eine Vorstellung davon, was konkret von ihm erwartet wird, und die Pflegeperson erhält erste Hinweise, inwieweit der Patient in der Lage ist mitzumachen.
Auf operativen Abteilungen werden viele Prophylaxen erst postoperativ aktuell. Hier muss die Pflegeperson Weitsicht beweisen und die zu erwartenden Prophylaxen schon vor der Operation planen, also z. B. mit dem therapeutischen Team und dem Patienten besprechen. Der Patient erhält bereits vor der Operation die Gelegenheit, die postoperativ erforderlichen prophylaktischen Maßnahmen auszuprobieren und zu üben.
Ist ein Patient z. B. dekubitusgefährdet, dann ist er 24 Std. am Tag und sieben Tage die Woche gefährdet. Die Gefährdung lässt nicht nach, nur weil Sonntag ist. Das heißt, richtig verstandene und korrekt durchgeführte Prophylaxen müssen grundsätzlich kontinuierlich, rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen, sichergestellt werden. Besondere Schwierigkeiten bereitet es, diese Prämisse einzuhalten, wenn andere Berufsgruppen des therapeutischen Teams in die Durchführung einbezogen sind, z. B. Krankengymnasten bei der Kontrakturenprophylaxe. Wochenend- und Nachtdienst müssen auch von den anderen therapeutischen Berufsgruppen gefordert werden. Die Notwendigkeit der Prophylaxen muss dem Arzt notfalls deutlich gemacht werden.
Das bedeutet aber nicht, dass nicht, insbesondere während der Nacht, ein anderes Pflegeintervall geplant werden könnte. Hier muss eine Abwägung der Vor- und Nachteile stattfinden. »Was ist für den Patienten in seiner momentanen Situation vorrangig, ein paar Stunden ungestörter Schlaf oder kontinuierliche Durchführung der Prophylaxen?«
Es ist ein Gebot der Ökonomie, nicht jede pflegerische Maßnahme gesondert durchzuführen. Effektiver, das heißt, zeitsparender und für den Patienten schonender ist es, mehrere Pflegemaßnahmen zu einer sinnvollen Pflegeverrichtung zu kombinieren. Dies gilt auch für die Prophylaxen. Wenn sie auch häufig in bestimmten Intervallen durchgeführt werden müssen, kann es einer geschickten Pflegeperson dennoch gelingen, prophylaktische Maßnahmen und andere pflegerische Tätigkeiten so zu bündeln und zu verteilen, dass ein sinnvolles Ganzes daraus wird. Ein Funktionspflegesystem erschwert ein solches Vorhaben allerdings ungemein.
Einmal geplante prophylaktische Maßnahmen müssen kontinuierlich überprüft werden. Prüfkriterien sind:
• die Tolerierung durch den Patienten,
• die Effektivität: »Wird das geplante Ziel erreicht?«,
• das Auftreten von Kontraindikationen,
• der Zustand und das Allgemeinbefinden des Patienten: »Verträgt der Patient die prophylaktischen Maßnahmen noch?«
MerkeProphylaxen müssen:
• die Ursachen bekämpfen,
• geplant werden,
• den Patienten einbeziehen,
• kontinuierlich durchgeführt werden,
• in die übrigen Pflegemaßnahmen integriert werden,
• kritisch überprüft werden.
Die Aneignung und Auffrischung von Kenntnissen ist eine Aufgabe, die die Pflegeperson nicht erst dann erledigen kann, wenn prophylaktische Maßnahmen akut geworden sind. Diese Aufgabe muss ein Teil der Fortbildung sein, die von der Pflegeperson gefordert werden muss: entweder im Eigenstudium, z. B. mithilfe von Fachzeitschriften und Büchern, oder durch den Besuch spezieller Fortbildungsseminare.
Die Pflegeperson sollte ein großes Spektrum an geeigneten prophylaktischen Maßnahmen beherrschen. Nur dann kann sie aus dem Vollen schöpfen und immer die für den Patienten beste Maßnahme auswählen.
So wichtig es ist, die Standardprophylaxen zu beherrschen, so notwendig ist es zu wissen, dass es darüber hinaus unendlich viele weitere Prophylaxen gibt. Jeglicher Bedrohung kann mit einer Gegenmaßnahme, einer Prophylaxe, begegnet werden, z. B.:
• Der Patient, der die Orientierung zu verlieren droht, benötigt eine Prophylaxe gegen die Desorientiertheit.
• Der Patient, der zu vereinsamen droht, benötigt eine Prophylaxe gegen Vereinsamung.
• Der Patient, der Ängste zu entwickeln droht, benötigt eine Prophylaxe gegen Angst.
• Der Patient, der sich in Stress zu versetzen droht, benötigt eine Prophylaxe gegen Stress.
• Der Patient, der den Mut zu verlieren droht, benötigt eine Prophylaxe gegen Mutlosigkeit.
Viele prophylaktische Maßnahmen beruhen auch heute noch auf unreflektiert übernommenem Wissen. Erfahrung ist wertvoll, aber unkritisch weitergegebene Erfahrungswerte können für den Patienten unnötige Leiden und für die Pflegepersonen Frustration bedeuten. So wurde z. B. lange Zeit die Dekubitusprophylaxe mit Eisen und Föhnen betrieben.
Nicht zu entschuldigen ist das Festhalten an alten Handlungsmustern, obwohl deren Unwirksamkeit oder sogar Gefährlichkeit nachgewiesen und veröffentlicht wurde. Für alle Pflegepersonen ist es deshalb unabdingbar, im Bereich der Pflegeentwicklung auf dem Laufenden zu bleiben.
Seit mehreren Jahren wird auch in Deutschland Pflegeforschung betrieben. Es haben sich bereits mehrere Pflegeforschungsinstitute etabliert, die sich mit der Qualität und Effektivität von Pflegemaßnahmen beschäftigten. Die Forschungsergebnisse werden regelmäßig veröffentlicht und können auch abonniert werden.
Seit 1992 gibt es das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), das sich auch mit der Entwicklung, Konsentierung und Implementierung von evidenzbasierten Expertenstandards zu einzelnen Prophylaxen befasst (www.dnqp.de).
Fort- und Weiterbildungsinstitute haben reagiert und bieten Seminare an, die die neuen Erkenntnisse vermitteln. Die Pflegedienstleitungen bekommen verschiedene Pflegefachzeitschriften, meist im Abonnement. Um einen Umlauf der Zeitschriften über die Stationen zu organisieren, bedarf es oft nur einer Anregung. Das eigene Abonnement einer Fachzeitschrift sollte für eine Pflegeperson aber ebenso möglich sein (Auswahl an Fachzeitschriften s. u.).
Im Zeitalter des Computers kann auch das Internet als Informations- und Weiterbildungsquelle genutzt werden.
Achtung
Die z. B. im überarbeiteten Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe (2010) zu erkennende Abwendung von empirischem Pflegewissen, nur weil es noch nicht wissenschaftlich bewiesen werden kann, sollte kritisch gesehen werden.
Empfehlungen
Pflegezeitschrift
Springer Medizin Verlag GmbH, 14197 Berlin
E-Mail: [email protected]
www.pflegezeitschrift.de
Die Schwester/Der Pfleger
Pflege Ambulant; Kontinenz aktuell; PflegeIntensiv; Angehörige pflegen
Postfach 1150, 34201 Melsungen
E-Mail: [email protected]
www.bibliomed.de
Krankenpflege journal
Am Schwarzenberg 28, 97078 Würzburg
E-Mail: [email protected]
www.krankenpflege-journal.com
Altenpflege
Häusliche Pflege; Pflege Partner
Vinzentz Network GmbH & Co.KG
Verlagsbereich Altenhilfe
Plathnerstr. 4 c, 30175 Hannover
E-Mail: [email protected]
www.vincentz.net
Heilberufe
Urban & Vogel GmbH
Redaktion Heilberufe
Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin
www.heilberufe-online.de
E-Mail: [email protected]
Psych. Pflege Heute
Georg Thieme Verlag KG
Postfach 301120, 70451 Stuttgart
www.thieme.de
E-Mail: kundenservice@thieme
MagSi® Magazin Stoma, Kontinenz und Wunde
Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde e. V.
Postfach 1351, 59371 Selm
www.fgskw.org
E-Mail: [email protected]
Pflegewissenschaft
Hpsmedia GmbH
Raun 21, 63667 Nidda
www.pflege-wissenschaft.info
E-Mail: [email protected]
Pflege; NOVAcura
Verlag Hans Huber Hofgrefe AG
Länggass-Straße 76, 3000 Bern 9
www.verlag-hanshuber.com
E-Mail: [email protected]
Mit einer guten Pflegeplanung können auch prophylaktische Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Jedes Pflegeteam kann mit dem Mittel der Pflegeplanung selbst Pflegeforschung betreiben. Voraussetzung dafür ist eine konsequente und sachliche Evaluation der Pflegeergebnisse sowie die Dokumentation.
Die Planung und Evaluation der zu überprüfenden prophylaktischen Maßnahme muss gesondert und anonymisiert dokumentiert werden, damit die Ergebnisse besser mit parallel laufenden Planungen verglichen werden können. Außerdem bleiben die Ergebnisse auf der Station erhalten, auch nachdem der Patient entlassen wurde.
Terminologie und DefinitionDekubitus–Druckgeschwür: Der Begriff stammt aus dem Lateinischen: decumbere ≅ sich niederlegen. Es handelt sich um einen lokal begrenzten Gewebedefekt infolge länger anhaltender Druckeinwirkung und/oder Scherkräften mit unterschiedlicher Ausprägung, von der Ischämie bis zur Nekrose und zum offenen Geschwür.
Mehrere Faktoren spielen bei der Dekubitusentstehung eine Rolle:
1. der Druck, der auf einen Haut-/Gewebebezirk einwirkt;
2. die Zeitdauer, während der der Druck einwirkt;
3. Scher- und Reibekräfte, die auf die Haut einwirken;
4. die Disposition, die durch das Vorhandensein von Risikofaktoren bestimmt wird.
Kurze intensive Druckeinwirkung sowie geringe Druckeinwirkung über einen längeren Zeitraum können Ursache für die Entstehung eines Dekubitus sein. Durch anhaltenden Auflagedruck insbesondere über Knochenvorsprüngen werden die Gefäße des Kapillarsystems komprimiert. Der komprimierte Gewebebezirk wird von der arteriellen Versorgung abgeschnitten. Es entsteht eine Ischämie. Aber auch der venöse Schenkel des Kapillarsystems wird komprimiert. Dadurch kommt es zu einem venösen Abflussstau. Giftige Stoffwechselprodukte können nicht abtransportiert werden, dadurch entwickelt sich eine lokal begrenzte Gewebeazidose mit nachfolgender Ödembildung. Das Gewebe versumpft, Zellen sterben ab. Der Dekubitus entsteht also von unten her (Bottom-Up-Theorie). Erst danach werden nach außen, an der Haut, die ersten Zeichen eines Dekubitus sichtbar: Hautrötung und ödematös aufgetriebenes Gewebe.
Der Druckeinwirkung wird heute nicht mehr die gleiche Bedeutung bei der Entstehung eines Dekubitus beigemessen wie bisher, vielmehr wird in den Risikofaktoren, besonders, wenn sie sich addieren, die Hauptursache für die Dekubitusentstehung gesehen. Für den Dekubitus Grad II werden heute vorwiegend Reibungskräfte (Scherkräfte) verantwortlich gemacht.
In der Neufassung des Expertenstandards (2010) beschränkt sich das DNQP leider auf Empfehlungen zur Druckverteilung durch Lagerung und Druckentlastung durch Bewegung.
Als Risikofaktoren kommen infrage:
• vorgeschädigte Haut und vorgeschädigtes Gewebe
– durch Feuchtigkeit: Feuchte Haut weicht auf (mazeriert) und wird dadurch anfälliger für Infektionen.
– durch Fieber: Es kommt zu Flüssigkeitsverlust. Dadurch ist die Thrombosegefahr im Kapillarsystem erhöht. Durch den erhöhten Stoffwechsel ist der Sauerstoffbedarf im Gewebe erhöht, eine Ischämie führt dann besonders schnell zu Schäden.
– durch Inkontinenz: Die Haut wird durch Feuchtigkeit und zusätzlich durch den sauren pH-Wert des Urins und ggf. durch Bakterien belastet. Es kann zu Ödemen, Erosionen und Sekundärinfekten im Anal- und Genitalbereich kommen.
– durch Adipositas: Adipöse Patienten schwitzen oft stark, die Haut ist feucht. Die Haut und das subkutane Gewebe sind schlecht durchblutet, bereits ein geringer Druck kann die Durchblutung vollends unterbinden. Das auf dem Gewebe lastende Gewicht ist groß.
• Verminderte Haut - und Gewebedurchblutung
– bei Anämie: Die Sauerstofftransportkapazität des Blutes ist vermindert, Haut und Gewebe sind ischämisch.
– bei Herzinsuffizienz: Bei Linksherzinsuffizienz ist der arterielle Kapillardruck vermindert, bereits ein geringer Druck führt zur Ischämie. Bei Rechtsherzinsuffizienz ist der venöse Rückfluss vermindert, Ödeme sind die Folge.
– bei Diabetes mellitus: Durch Angiopathien ist die Durchblutung von Haut und Gewebe stark vermindert. Auch ohne Druckeinwirkung können bereits Nekrosen entstehen.
– bei arterieller Verschlusskrankheit: Durch Lumenverringerung aufgrund von Arteriosklerose ist die Durchblutung von Haut und Gewebe stark vermindert. Auch ohne Druckeinwirkung können bereits Nekrosen entstehen.
• weitere Störungen
– reduzierter Allgemeinzustand: Kachexie, Exsikkose und besonders Mangelzustände, z. B. Eiweiß-, Zink- und Vitaminmangel, machen Haut und Gewebe anfällig für Dekubitalulzera und vermindern die Regenerationsfähigkeit.
– Immobilität: Z. B. bei Bettlägerigkeit, Lähmungen oder therapeutischer Ruhigstellung ist es dem Patienten nicht möglich, den Auflagedruck durch Lagewechsel zu verringern.
– Sensibilitätsstörungen: Z. B. bei Querschnittslähmungen, Hemiparesen, Neuropathien empfindet der Patient keinen Auflagedruck und nimmt deshalb keine entlastende Lageänderung vor.
Generell sind alle Körperregionen gefährdet, mit denen der Körper in Rücken-, Seiten- und Bauchlage sowie im Sitzen aufliegt. Die Erfahrung zeigt, dass besonders dort, wo Gewebe zwischen der Auflage und oberflächlich verlaufenden knöchernen Strukturen komprimiert wird, sehr schnell ein Dekubitus entsteht.
Ein Dekubitus wird je nach Ausprägung in vier Kategorien eingeteilt:
• Kategorie 1An einer zuvor druckexponierten Hautregion zeigt sich eine umschriebene Hautrötung, die auch nach Druckentlastung nicht zurückgeht und mit dem »Fingertest« nicht wegdrückbar ist. In diesem Stadium wird die Gewebeschädigung erstmals nach außen an der Haut sichtbar. Die unter »Druck und Zeit« beschriebenen Mechanismen sind bereits abgelaufen.
• Kategorie 2In diesem Stadium kommt es zum oberflächlichen Hautdefekt, z. B. zu Blasenbildung, Hautabschürfung oder flachem Ulkus ohne Beläge. Die Epidermis ist geschädigt, die Subkutis intakt.
• Kategorie 3In diesem Stadium kommt es zu Schädigungen, auch Nekrosen aller Hautschichten und der Subkutis. Die Schädigung geht nicht über die Unterhautfaszie hinaus.
• Kategorie 4Tiefgreifender Haut- und Gewebedefekt auch mit Nekrosen. Muskeln, Knochen, Sehnen und Kapseln können betroffen sein.
Angelehnt an die Klassifikation vom Nationalen Dekubitus Ausschuss der USA (NPAUP) und des Europäischen Dekubitus Ausschusses (EPUAP).
Merke
Für die Prophylaxe ist der Dekubitus Kategorie 1 von großer Bedeutung, weist er doch auf die oben beschriebenen Veränderungen in der Tiefe des Gewebes hin. Sein Fernbleiben bescheinigt dem Pflegepersonal eine erfolgreiche Dekubitusprophylaxe. Sein Auftreten hingegen bedeutet höchste Alarmstufe! In diesem Fall ist die Prophylaxe unzureichend und muss sofort optimiert werden. Ein frühzeitig erkannter Dekubitus Kategorie 1 kann noch relativ schnell, allein durch prophylaktische Maßnahmen, therapiert werden.
Aus der Beschreibung des Dekubitus Kategorie 1 ist zu ersehen, dass das erste Anzeichen des Dekubitus, nämlich die umschriebene Hautrötung, erst sichtbar wird, wenn tief im Gewebe bereits Störungen durch Ischämie und Azidose aufgetreten sind.
Das Bestreben des Pflegepersonals muss daher sein, bei Patienten mit Risikofaktoren so frühzeitig mit prophylaktischen Maßnahmen zu beginnen, dass eine Druckbelastung – und damit Ischämie und Azidose – verhindert wird. Erst nach dem Auftreten einer Hautrötung mit den prophylaktischen Maßnahmen zu beginnen wäre fahrlässig.
Erfahrenes Personal wird bei der Aufnahme eines dekubitusgefährdeten Patienten sogleich die Risikofaktoren erkennen und entsprechende Prophylaxen einleiten. Voraussetzung dafür ist, dass ein Erstgespräch oder die Pflegevisite unmittelbar nach der Aufnahme des Patienten stattfindet.
Für die laufende, objektive Dokumentation hat sich die Einschätzung der Dekubitusgefährdung anhand von Skalen bewährt.
Zwei Skalen werden im deutschsprachigen Raum bevorzugt angewandt:
• Norton-Skala, modifiziert von C. Bienstein u. a. (Anhang),
• Braden -Skala (Anhang).
Obwohl keine der bekannten Skalen zur Einschätzung der Dekubitusgefahr ihren Zweck optimal erfüllt, wurde mit deren Einführung in den Pflegealltag das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Dekubitusprophylaxe geschärft.
Achtung
Das DNQP verzichtet im aktuellen Expertenstandard (2010, Aktualisierung 2017) darauf, die Benutzung von Skalen zur Dekubitus Risikoeinschätzung zu empfehlen. Es hat sich gezeigt, dass die Ergebnisse, die mithilfe von Skalen erzielt werden nicht besser sind als die Einschätzungen durch qualifizierte erfahrene Pflegepersonen.
Der Autor empfiehlt jeder Pflegeeinrichtung jedoch weiterhin, ihr eingespieltes Assessmentverfahren, auch mithilfe der Skalen, beizubehalten. Auch ohne Gebrauch von Skalen wäre eine strukturierte und objektive Erfassung, sowie Dokumentation bei der Risikoeinschätzung notwendig, wie sie bei Benutzung der Assessmentskalen automatisch gegeben ist. Zudem geben die Skalen den noch nicht ganz »sattelfesten« Kollegen eine praktische Leitlinie an die Hand.
Allen Skalen liegt das gleiche Anwendungsprinzip zugrunde: Sie sind in mehrere Kategorien eingeteilt, in denen in abgestufter Form Risikopotenziale aufgelistet und mit Punkten versehen sind.
Die Pflegeperson vergleicht die Informationen, die sie über den Patienten hat, mit den in der Skala aufgeführten Einstufungen. Die jeweils angegebenen Punktzahlen werden addiert. Die Summe der Punkte ergibt den Gefährdungsgrad (siehe Beispiel).
Wird die Einschätzung der Dekubitusgefährdung in regelmäßigen Abständen, (z. B. 1–2-mal pro Woche) wiederholt, kann anhand der Punkte leicht abgelesen werden, wie groß die aktuelle Dekubitusgefahr ist und in welche Richtung sich die Gefährdung entwickelt.
Wird die Einstufung von verschiedenen Pflegepersonen durchgeführt, können sich Unterschiede in der Einschätzung der Beurteilungskriterien ergeben. Das Ergebnis sind unterschiedliche Punktzahlen. Dieses Problem sollte aber nicht überbewertet werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Abweichungen meist nicht erheblich sind.
Werden in einem Pflegeteam die Skalen anfänglich gemeinsam ausgefüllt, kommt es sehr bald zu einer Angleichung der Bewertungen. In der Bezugs- oder Bereichspflege tritt dieses Problem gar nicht erst auf, da die Anwendung der Skala immer von der gleichen Person durchgeführt werden kann.
Erleichternd und zeiteinsparend kann sich die Benutzung von EDV-gestützten Dokumentations- und Erfassungssystemen auswirken.
Sie betreuen eine 70-jährige Patientin. Sie hat einen Diabetes mellitus mit fortgeschrittenen Mikroangiopathien und glaubt nicht mehr an eine Genesung. Meistens ist sie depressiv gestimmt, steht nicht aus dem Bett auf, bewegt sich kaum und brütet teilnahmslos vor sich hin. Sie hat eine gepflegte Haut, ist nicht inkontinent, und ihr körperlicher Zustand ist gut.
Nach der Norton-Skala (Anhang) ergibt sich folgende Punkteverteilung:
Die Norton-Skala signalisiert in diesem Fall also eine Dekubitusgefährdung und veranlasst Sie, mit prophylaktischen Maßnahmen zu beginnen.
• Die Dekubitusgefahr wird frühzeitig erkannt.
• Der Patient ist über die Entstehungsmechanismen eines Dekubitus informiert.
• Der Patient ist motiviert, im Rahmen seiner Fähigkeiten aktiv an der Vermeidung eines Dekubitus mitzuarbeiten.
• Dekubitusgefährdete Körperregionen sind frei von andauernden Druckbelastungen.
• Risikofaktoren sind ausgeschaltet oder minimiert.
Aus dieser Zielsetzung ergibt sich für das Pflegepersonal ein Maßnahmenkatalog (Kap. 2.3.1–2.3.7).
Je nach Allgemeinzustand des Patienten und Ausprägung der Risikofaktoren müssen Maßnahmen zu einzelnen oder zu allen Punkten des Maßnahmenkatalogs durchgeführt werden. Auswahl und Durchführung all dieser Maßnahmen liegen in der Verantwortung des Pflegepersonals.
Für das Pflegepersonal ist es also unabdingbar, seine Kenntnisse laufend zu aktualisieren. Einerseits wird der Markt der Pflegehilfsmittel von Tag zu Tag unüberschaubarer, und nicht alles, was propagiert wird, ist auch sinnvoll und gut. Andererseits werden durch die Pflegeforschung viele lieb gewonnene Pflegemaßnahmen in Frage gestellt und neue Ansätze entwickelt. Um seiner Aufgabe gerecht zu werden, muss das Pflegepersonal diese Entwicklungen kritisch verfolgen und motiviert bleiben, überzeugende Neuerungen in das Repertoire der Dekubitusprophylaxen aufzunehmen und Überholtes über Bord zu werfen.
Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) hat einen Standard für die stationäre und ambulante Pflege erstellt (Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege: Entwicklung – Konsentierung – Implementierung, hrsg. vom DNQP, 2010). Dieser Expertenstandard ist inzwischen als allgemeine Richtlinie anerkannt und dient als Grundlage zur Erstellung von Gutachten für Gerichtsverhandlungen, bei der Überprüfung von Pflegeeinrichtungen durch die Heimaufsicht und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
Informationen über das DNQP und die Expertenstandards finden Sie im Internet unter: www.dnqp.de
Merke
Über den DNQP-Standard hinausgehende Pflegemaßnahmen wie z. B. Maßnahmen zur Verringerung von Risikofaktoren können durchaus weiterhin sinnvoll sein.
Im September 2014 haben drei Verbände1 gemeinsam die »Internationale Dekubitusleitlinie« in aktualisierter Form herausgegeben. In der Leitlinie werden 575 konkrete Empfehlungen zur Dekubitusprophylaxe und -behandlung aufgeführt. Für jede Empfehlung ist 1. eine Evidenzstärke angegeben, also die Wertigkeit der zugrundeliegenden Studienergebnisse, und 2. eine Empfehlungsstärke, die angibt, mit welcher Dringlichkeit die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahme den Pflegenden in der Praxis empfohlen wird. Eine Kurzfassung der Leitlinie finden Sie im Internet unter: www.epuap.org/guidelines.
Gesprächsinhalte
• Was ist ein Dekubitus?
• Wodurch entsteht ein Dekubitus?
• Welches Verhalten fördert die Entstehung eines Dekubitus?
• Welche Maßnahmen können die Entstehung eines Dekubitus verhindern?
• Welche Maßnahmen sind für diesen speziellen Patienten sinnvoll?
• Welche Maßnahmen kann der Patient selbstständig durchführen?
• Was ist eine Dekubitus-Skala, wie kann der Patient die Ermittlung der Dekubitusgefährdung unterstützen?
Es gilt heute als erwiesen, dass auch die psychische Verfassung eines Menschen bei der Dekubitusentstehung eine Rolle spielt.
Pflegende in der Ambulanten Pflege machen häufig die Beobachtung, dass Patienten, die für lange Zeit bettlägerig und damit geradezu prädisponiert sind, einen Dekubitus zu entwickeln, eine absolut intakte Haut aufweisen, solange sie sich in ihrer gewohnten Umgebung geborgen und von der Familie umsorgt fühlen. Müssen diese Patienten aber ins Krankenhaus oder in ein Heim eingewiesen werden, entwickeln sie dort oft sehr schnell einen Dekubitus.
Häufig wird diesen Einrichtungen deshalb mangelnde Pflege nachgesagt, obwohl die Patienten dort gewiss nach Lagerungsplan gelagert und auf Spezialmatratzen gebettet werden.
Der Grund für die Dekubitusentstehung ist hier offensichtlich der Bezugsverlust und die Angst machende, fremde Umgebung. Diese psychischen Belastungen können sich auch in Symptomen wie Verwirrtheit, Depression und Regression äußern, was wiederum der Entstehung des Dekubitus Vorschub leistet.
Empfehlungen
• Patientenzugewandte Pflegesystemeverwirklichen, z. B.
– Bezugspflege: Jede Pflegeperson einer Station ist primär für die Pflege und Betreuung bestimmter, ihr zugeteilter Patienten zuständig.
– Zimmerpflege: Jede Pflegeperson einer Station ist primär für die Pflege und Betreuung der Patienten in einem oder mehreren ihr zugeteilten Zimmern zuständig.
– Bereichs- oder Gruppenpflege: Ähnlich der Zimmerpflege. Die Station wird in mehrere Bereiche aufgeteilt, die dann jeweils von einem kleinen Pflegeteam betreut werden.
– Primary Nursing: Ähnlich der Bezugspflege. Eine Pflegeperson ist als Primary Nurse verantwortlich für die Pflege und Betreuung mehrerer, ihr zugeteilter Patienten. Gleichzeitig versorgt sie als Assistent Nurse die Patienten einer zweiten Primary Nurse in deren Abwesenheit. Diese wiederum versorgt als Assistent Nurse die Patienten der 1. Primary Nurse in deren Abwesenheit.
• Angehörigein die Betreuung einbeziehen
– Besuchszeit nicht reglementieren
– Bezugspersonen (z. B. Ehepartner, Kinder) zu regelmäßigen und längeren Besuchen motivieren
– den Angehörigen kleine Aufgaben nahebringen: z. B. aus einer Zeitung/einem Buch vorlesen, bei der Nahrungsaufnahme unterstützen, Hautpflege durchführen, die Mobilisation unterstützen, mit dem Rollstuhl ausfahren.
• Patienten in seiner Situation annehmen
– dem Patienten Gesprächsbereitschaft signalisieren, keine Gespräche aufzwingen
– dem Patienten Gelegenheiten zum Gespräch bieten, abgesprochene Termine einhalten
– den Patienten in seiner momentanen Stimmung und Haltung akzeptieren. Falsch sind Motivationsversuche durch Schwarzmalerei, Appelle an das Verantwortungsgefühl des Patienten und moralische Vorhaltungen oder Vorwürfe.
• Für positive Lebenserfahrungen sorgen
– die Umgebung des Patienten freundlich gestalten, z. B. Zimmer in Südlage, Fensterplatz, Blumenschmuck, Bilder nach dem Geschmack des Patienten
– Bemühungen des Patienten anerkennen
– positives Körpergefühl vermitteln, z. B. durch Massagen, kinästhetische Streichungen, Gymnastik, Atemübungen, basale Stimulation, Wickel und Auflagen, Aromatherapie usw.
– nichtdepressives Verhalten loben, depressives Verhalten ignorieren.
Der Sinn der Mobilisation zur Dekubitusprophylaxe ist, den Auflagedruck nicht über einen kritischen Zeitraum auf eine dekubitusgefährdete Körperpartie einwirken zu lassen. Was ein kritischer Zeitraum ist, muss individuell für den Patienten bestimmt werden. Risikofaktoren verringern den Zeitraum, Restmobilität verlängert ihn. Das heute noch häufig praktizierte zweistündige Umlagern kann zu häufig oder auch zu selten sein.
MerkePatienten, die nicht oder nicht ausreichend mobil sind, müssen durch das Pflegepersonal druckentlastend gelagert werden (Kap. 2.3.5).
Patienten mit einer Restbeweglichkeit müssen im Sinne der Selbstpflege lernen, durch gezielte Umlagerung eine Druckentlastung herbeizuführen.
• Verlagern des Körpergewichtes von einer Körperseite auf die andere
– mithilfe des Patientenaufrichters: Der Patient hebt Gesäß und Oberkörper leicht an und verlagert sein Gewicht z. B. auf die rechte Körperseite. Dies geht am besten, wenn das Kopfteil flachgestellt ist und der Patient die Bewegung mit angewinkelten Knien und aufgestellten Füßen unterstützt. Wenn der Patient anschließend die angewinkelten Beine nach rechts legt und gleichzeitig den linken Arm über den Oberkörper nach rechts legt und auch den Kopf in diese Richtung dreht, wird der entlastende Effekt auf der linken Körperhälfte noch größer.
Achtung
Nicht anwenden bei Patienten mit Apoplex oder Spastiken.
• durch Ziehen am Bettgitter: Der Patient fasst z. B. mit der linken Hand das rechte Bettgitter und zieht sein Körpergewicht auf seine rechte Körperhälfte. Dies geht am besten, wenn das Kopfteil flachgestellt ist und der Patient seine angewinkelten Knie nach rechts legt.
Achtung
Nicht anwenden bei Patienten mit Apoplex oder Spastiken.
• durch Verlagerung des Körperschwerpunktes (Abb. 2.1): Der Patient streckt in Rückenlage seine Arme hoch, faltet die Hände, winkelt die Beine an und stellt die Füße auf. Dann wendet er den Kopf z. B. nach rechts und führt gleichzeitig die gestreckten Arme und die Knie mit leichtem Schwung nach rechts. Dies geht am besten, wenn das Kopfteil flach gestellt ist.
• Entlastung derFersen
– durch Beugen der Knie und Aufstellen der Füße auf die Fußsohle, – durch Innen- bzw. Außenrotation der Füße/Beine, –durch Seitenlage, – durch Aufstellen des Knieknicks am Bett.
Abb. 2.1: Drehen durch Verlagerung des Körperschwerpunktes
MerkeUm die Eigenbeweglichkeit des Patienten zu erhalten, dürfen Lagerungshilfsmittel nur sparsam eingesetzt werden. Jede Weichlagerung erschwert die Beweglichkeit des Patienten. Jede allgemeine Aktivierung des Patienten ist gleichzeitig auch Unterstützung der Dekubitusprophylaxe. Deshalb sollte die Pflegeperson z. B. bei der Waschung, bei der Lagerung, bei Bewegungsübungen usw. jede Möglichkeit zur aktivierenden Pflege nutzen.