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Prozess der Organisationsberatung Eine strukturationstheoretische Betrachtung
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Organisationsberatung, Organisationsentwicklung, Beratungstheorie, Strukturationstheorie, Systemtheorie
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Seitenzahl: 432
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1 Organisationsberatung als Prozess
2 Der Markt für Beratungsdienstleistungen
2.1 Das Beratungsangebot: vielfältig und unübersichtlich
2.2 Der Beratungsanlass: Organisationsberatung im Fokus der Aufmerksamkeit
2.3 Der Beratungserfolg: Konstruierte Objektivität und inszenierte Erfolge
3 Praxisrelevante Leitbilder der Organisations- beratung
3.1 Fremd-Organisation: Organisationen als zweckorientierte und extern manipulierbare Maschinen
3.2 Mit-Organisation: Planvoll-kooperative Organisationsentwicklung
3.3 Selbst-Organisation: Die Systemtheorie als Grundlage einer Beratungstheorie
4 Externe Organisationsberatung als Interorganisationsbeziehung
5 Die Theorie der Strukturation: Organisationsberatung als Reflexion reflexiver Strukturation
5.1 Zur rekursiven Beziehung von Handlung und Struktur
5.2 Das Modell personaler Akteure: Aktiv und reflektiert
5.3 Die Dialektik der Kontrolle. Zur wechselseitigen Abhängigkeit der Akteure
5.4 Strukturationstheorie als (Inter-) Organisationstheorie
6 Der Prozess der Organisationsberatung – eine strukturationstheoretische Skizze
6.1 Das Problem mit den Problemen: Zur sozialen Konstruktion der Reorganisationsproblematik
6.2 Die Konstruktion der Problemlösung: Reorganisation als extern unterstützte Strukturation
6.2.1 Organisationale Praktiken im Umbruch: Verändern
und
Bewahren
6.2.2 Interventionen externer Berater auf den drei Dimensionen des Sozialen
6.3 Metafunktionen des Beratungsprozesses
7 (Inter-) Organisationsberatung von Unternehmungsnetzwerken
7.1 Interorganisationale Kooperationsformen und Netzwerktypen
7.2 Berater als Netzwerkakteure in eigener Sache
7.3 Ausgewählte Aspekte der externen Beratung von Netzwerkunternehmen und Unternehmensnetzwerken
Literatur
„Organisieren geschieht durch Prozesse.“ (334, S. 130)
„Beratung dauert“ (218) merkt Oskar Neuberger kurz und knapp an und deutet damit darauf hin, dass im Rahmen beratender Kommunikation und Aktivität etwas vor sich geht, eine Entwicklung stattfindet und die Zeit hierbei eine wichtige Rolle spielt. Die externe Beratung von Organisationen ist kein auf einen Zeitpunkt oder beliebig kurzen Zeitraum komprimierbares Phänomen. Beratung ist in der Regel ein mehr oder weniger lang andauernder Prozess, der gekennzeichnet ist durch Kommunikation, Voran- und Zurückschreiten, perspektivische Wechsel, Verengungen und Erweiterungen sowie Veränderung und Bewahrung – und eben durch Zeitbedarf. Etwas geht zwischen Rat suchenden und Rat gebenden Akteuren vor sich, etwas wird bewegt oder bewegt sich. Und immer sind Prozess und Ergebnis einer Beratung Ko-Produktion von Berater(n) und Klient(en), das heißt gemeinsam Erarbeitetes von den, am Verlauf einer Beratung Beteiligten. Ein derart bewegtes und bewegendes (Veränderungs-) Vorhaben „ist keine punktuelle Entscheidung, es stellt immer einen Prozess dar“ (82, S. 382). Der – nicht zwangsläufig in verändernde Bewegungen versetzende – externe Rat, Hinweis oder Vorschlag kann, wie wir im Folgenden sehen werden, auf vielfältige Art und Weise in Organisationen erforderlich werden und in unterschiedlichsten Formen und Verfahren an die Frau, den Mann, das Management und/oder die Organisation gebracht – von externen Akteuren heran- und hereingetragen – werden.
Spricht man von Beratung, so bezieht man sich im Alltagsverständnis zumeist auf diejenigen kommunikativen Aktivitäten zwischen mindestens zwei Akteuren, in denen in der Regel versucht wird, Wissen zu vermittelt und zugleich immer subjektiv geprägte Erfahrungen, Ansichten, Einschätzungen, Unterscheidungen, Interpretationen und Empfehlungen transportiert bzw. weitergegeben werden. Beratung ist daher zum einen eine selbstverständliche, in zwischenmenschlichen Beziehungen tagtäglich praktizierte und in der Regel naiv durchgeführte Angelegenheit, an der jeder auf der einen oder anderen Seite einer „Berater-Klienten-Beziehung“ schon einmal teilgenommen hat. Zum anderen kann Beratung eine professionelle und oftmals hochbezahlte Tätigkeit unterschiedlicher Experten mit besonderen formalen Anforderungen und inhaltlichen, oftmals wissensintensiven – auf personales wie organisationales Lernen und Veränderung zielenden – Akzenten sein. Die alltägliche Beratung konkretisiert sich oftmals in nicht-professionellen Beratungsgesprächen, die einen Teilbereich der normalen zwischenmenschlichen Kommunikation ausmachen und einen mehr oder weniger reflexiven Umgang mit verbalen und non-verbalen Aspekten des zwischenmenschlichen Kontaktes erfordern (245, S. 29) wenn es darum geht, gute Problemlösungen und/oder richtige Entscheidungen durch (gemeinsame) Überlegung zu finden. Professionelle Beratung zielt hingegen auf die Identifikation, Konkretisierung, Reflexion und (Auf-) Lösung spezieller, in der Regel komplizierter(er) Frage- und Problemstellungen mit Blick auf die
physische und psychische Verfasstheit von Personen (u.a. medizinische, gesundheitliche, psychologische oder psychotherapeutische Einzel-Beratung),
Interaktionsprozesse zwischen zumindest zwei Akteuren – beispielsweise in Familien und (Klein-) Gruppen (Familientherapie, Gruppenberatung, Team-Supervision),
individuellen sowie gruppenspezifischen (Entwicklungs-) Potenziale in sozialen Kontexten (z.B. Einzel- und Gruppencoaching, Supervision, Personal- und Teamentwicklung),
Veränderung (und/oder Bewahrung) von Organisationen (Organisationsberatung und –entwicklung) sowie auf die
gestalt- und steuerbare Entwicklung von Politik und (Welt-) Gesellschaft (Politikberatung).
In jedem der genannten Themenfelder sind unterschiedliche Erwartungen der beteiligten Akteure an den Beratungsprozess relevant, gelten andere Ordnungsvorstellungen für den Interaktions- und Prozessverlauf, dominieren andere formelle und informelle Regeln sowie Ressourcen das Geschehen, bewegen andere Leitbilder, Orientierungen, Theorien, Interessen und Dynamiken das Handeln der Akteure und sind je spezifische Kontexte von Bedeutung. Im Besonderen der Beratungsprozess von Organisationen – hier verstanden als externe Beobachtung, Beschreibung, Analyse und Intervention durch Berater und Beraterinnen – erfordert aufgrund der hohen (Eigen-) Komplexität des Beratungsgegenstandes sowie der zu berücksichtigenden Beziehung zwischen Klienten und Beratern immer eine gegenstandsspezifische Betrachtung. Und dies auf der Basis mehr oder weniger stark ausdifferenzierter kommunikations- und organisationstheoretischer Orientierungen und (Beratungs-) Ansätze des Beraters.
Im Vordergrund der im folgenden dargelegten Überlegungen zum Prozess der Organisationsberatung stehen weder Individuen – und damit auf Personen zentrierte Beratungs- bzw. Therapieansätze – noch gruppendynamisch oder -therapeutisch geprägte Überlegungen, Methoden und (Interaktions-) Theorien, sondern Frage- und Problemstellungen, die im Kontext von zumeist organisationsintern initiierten und extern unterstützten Prozessen des (Re-) Organisierens auftauchen bzw. hierbei von Bedeutung sind. Eine Reflexion auf Reorganisation und auf den Prozess organisationaler Veränderung muss – im Besonderen wenn sie an Aspekten und Möglichkeiten externer Beratung interessiert ist – den kommunikativen und interaktiven sowie periodischen Charakter einer beratenden Begegnung berücksichtigen, der sich, auf einer persönlichen Ebene, zwischen Berater und Klient sowie, auf interorganisationaler Ebene, zwischen Beratungs- und Klientenorganisation entwickelt. Mein thematischer Schwerpunkt liegt daher auf den interorganisationalen Beziehungen zwischen einer ratgebenden und ratempfangenden Organisation sowie auf den sich hieraus ergebenden Anforderungen, Problemen, Lösungsansätzen, Spannungsverhältnissen sowie (Management-) Funktionen, die Berater und Klienten im Verlauf eines Beratungsprozesses – immer mehr oder weniger gemeinsam und kooperativ – zu bewältigen haben.
Wer nach einem externen (Re-) Organisationsberater ruft erwartet in der Regel den Rat eines Experten, das heißt er hofft auf detailliertes – im Idealfall theoretisch fundiertes – Wissen, umfangreiche (Fach-) Informationen sowie vielfältige praktische Erfahrungen im Umgang mit problematischen Fragen des (Re-) Organisierens in Unternehmen. Gesucht (und erwartet) werden zumeist klare, verständliche und in der ratsuchenden Organisation anschlussfähige Vorschläge (Interventionen) des Beraters zum Erreichen spezifischer, sich oftmals erst im Beratungsprozess konkretisierender Zielvorstellungen. Gefragt sind hierbei die Kompetenzen, Fähig- und Fertigkeiten sowie Ressourcen eines Beraters bzw. Beratungsteams in den unterschiedlichsten (Aufgaben-) Feldern. In einem Beratungs- und Reorganisationsprozess will der Ratsuchende zumeist an die Hand genommen werden und einen (für ihn) sicheren, gut begehbaren, rational nachvollziehbaren, gut vermittelbaren, gewinnbringenden sowie – letztendlich – seine (Haus-) Macht vermehrenden Weg gewiesen bekommen, der ihm – aus welchen Gründen auch immer – allein so nicht zugänglich gewesen wäre. Was er hingegen nicht erwartet ist die Platzierung in einem Labyrinth kontingenter Möglichkeiten, in welches er von dem Berater geführt wird, der sich dann durch einen der zahllosen Irrgänge entfernt.
Mit Blick auf den Prozess der Organisationsberatung sind es vor allem drei Frage- bzw. Problemstellungen, die im Folgenden detaillierter betrachtet werden. Zum einen ist die Beratung von Organisationen durch Organisationen ein Interaktionsprozess zwischen zumindest zwei Organisationen – einer Rat gebenden und einer Rat nachfragenden bzw. -empfangenden Organisation. Eine derartige Betrachtungsweise bietet sich an, da in der vielfältigen und heterogenen Literatur zur Organisationsberatung eine explizite Betrachtung der interorganisationalen Besonderheiten einer Berater-Klienten-Beziehung fast ausschließlich durch die Systemtheorie geleistet wird. Zweitens werden in der Fachdiskussion die, Beratung erforderlich machenden, Organisationsprobleme oftmals als mehr oder weniger existent und konkret beschreibbar vorausgesetzt, ihr da-sein bzw. eben-so-sein naiv unterstellt und ihr besonderer Entstehungsprozess nicht explizit zum Thema gemacht. Diverse (Re-) Organisationsprobleme sind – so wird dann unterstellt – einfach vorhanden („das sieht doch jeder“) und eben nicht –durch wen auch immer – interessiert erzeugt. Daher wird dem Prozess der Problementstehung hier ein zentrales Kapitel gewidmet. Drittens wird der (soziale) Prozess der Problemlösung und organisationalen Veränderung – die extern unterstützte Reorganisation – selten theorieorientiert und wenn doch, dann inzwischen dauerhaft und sehr exklusiv, aus der Perspektive der modernen Systemtheorie betrachtet. Mit der Strukturationstheorie von Anthony Giddens wird hier ein alternatives, auf zahlreichen Anwendungsfeldern erprobtes sozialtheoretisches Konzept auf das Thema Organisationsberatung angewendet.
Um dem Leser und der Leserin einen ersten Einblick in das Themenfeld der Organisationsberatung zu ermöglichen geht es im 2. Kapitel zunächst um eine Skizze der, in der Beratungspraxis auffindbaren Vielfalt. Dazu werden der Beratungsmarkt bzw. das Angebot an Beratungsdienstleistungen, die Anlässe für eine Beauftragung externer Organisationsberater sowie das Problem der Beratungsevaluation kurz dargestellt. Im 3. Kapitel werden dann drei zentrale, in der Beratungspraxis relevante Leitbilder vorgestellt, die das (Re-) Organisieren, das reflexivreorganisierende Handeln der Akteure mehr oder weniger bewusst anleiten und jedem Beratungsprozess (s)eine spezifische Prägung verleihen. Im Einzelnen geht es hierbei um die Leitbilder der Fremd-, Mit- und Selbstorganisation. Im 4. Kapitel wird ein erstes Resümee gezogen, welches die externe Beratung von Organisationen als spezielle Interorganisationsbeziehung charakterisiert und die besonderen Anforderungen an eine theoretische Betrachtung eines interorganisationalen Beratungsprozesses aufzeigt.
Im Anschluss wird im 5. Kapitel die Sozialtheorie von Anthony Giddens – die Theorie der Strukturation – vorgestellt, ihre Bedeutung u.a. für die (Inter-) Organisationstheorie erläutert und in Kapitel 6 für den Prozess der Organisationsberatung fruchtbar gemacht. Hierbei geht es konkret um einen strukturationstheoretisch informierten Blick auf die selbst problematischen Prozesse der sozialen Konstruktion von Problemen in und zwischen Organisationen (6.1) sowie auf den Prozess der Problemlösung – hier: der Reorganisation – sowie auf die besonderen Spannungsverhältnisse, mit denen Berater und Klienten im Verlauf eines Reorganisationsprozesses umgehen müssen (6.2). Im Anschluss werden vier Metafunktionen interorganisationaler Beratungsprozesse – die Funktionen der Selektion, Regulation, Allokation und Evaluation skizziert (6.3). Abschließend geht es im 7. Kapitel im Rahmen eines Ausblicks um das Thema „(Inter-) Organisationsberatung und Unternehmungsnetzwerke“, da sich einerseits externe Berater zunehmend in wissensintensiven Beratungsnetzwerken organisieren, andererseits nicht nur einzelne Unternehmen oder Unternehmensbereiche (wie z.B. Profit-Center oder strategische Geschäftseinheiten) Rat nachfragen, sondern ebenso miteinander vernetzte, mehr oder weniger (un-) abhängig voneinander agierende – (Netzwerk-) Organisationen im Rahmen ihrer Entstehungs- und Entwicklungsprozesse.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Die Beratungspraxis ist durch ein vielfältiges, sich zunehmend ausdifferenzierendes und in Folge unübersichtlicher werdendes Dienstleistungsangebot gekennzeichnet. Ebenso wie in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft ist auch der Differenzierungsdruck in der Beraterbranche dauerhaft intensiv. Und entsprechend der gesamten Beratungszene präsentiert sich auch der Markt für Organisationsberatung als zunehmend heterogen und umfasst unterschiedlichste Themen, Inhalte und Schwerpunkte sowie divergente Vorgehensweisen der Beratenden – z.B. hinsichtlich der zum Einsatz kommenden Analyse- und Interventionsmethoden sowie der von ihnen im Beratungsprozess eingenommenen Beraterrollen (242, S. 68; 206, S. 181; 70, S. 160 u. 209; 19, S. 22).
Die von den Beratungsunternehmen angebotenen Dienstleistungen und die von ihnen in der Regel zeitlich begrenzt übernommenen Aufgaben sind daher ebenso umfassend und komplex wie die in der Organisations- und Managementpraxis erwarteten, befürchteten oder wahrgenommenen Probleme. In Abhängigkeit von historisch unterschiedlichen Problemsituationen und/oder Management- bzw. Organisationsmoden – so beispielsweise die Debatten um Lean Production, Business Process Reengineering oder aktuell um resiliente und/oder agile Organisationen – haben sich wechselnde Nachfrageakzente gebildet, die die Beratungsinhalte ebenso wie die Vorgehensweise(n) der Berater – mithin die Ausgestaltung eines Beratungsprozesses – maßgeblich beeinflussen. Rückblickend verlief die Entwicklung – sehr verkürzt zusammengefasst – von stärker technisch und ingenieurwissenschaftlich orientierten, in der Tradition des Scientific Management stehenden Ansätzen der Produktions- und Betriebsberatung über betriebswirtschaftliche Beratungen bei Umsatz- und Ertrags-, Finanzierungs- und Bilanzierungsproblemen bis zu – damit eng verknüpften – Fragen der Beschaffung, des Absatzes und des Personals. Aktuell liegen die Beratungsschwerpunkte – in übereinstimmender Einschätzung von Beratern und Klienten – bei der ganzheitlichen Führungs- und (Re-) Organisationsberatung (Strategie- und Kulturberatung, Organisationsentwicklung, Netzwerkberatung) sowie – vor dem Hintergrund der aktuell stattfindenden 4. Industriellen Revolution – im Bereich der Digitalisierung und des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (38, S. 46; 133, 0510 S. 2; 206, S. 182f.; 269, S. 15f.). Hinter dieser unübersichtlichen Vielfalt der vorhandenen Angebote an Beratungsdienstleistungen steht zudem das zusätzlich verunsichernde, ebenfalls sehr unterschiedliche und mehr oder weniger verlässliche, vertrauenswürdige, methodisch angeleitete, theoretisch abgesicherte, praktisch erprobte und schwer zu beurteilende – Vorgehen der ratgebenden Personen im konkreten Einzelfall. Die hier angedeutete Variationsbreite und die damit einhergehende Komplexität des Beratungsangebots wie auch diejenige der konkreten Vorgehensweisen im Beratungsprozess führt zu erheblichen Unwägbarkeiten bei ratsuchenden Klienten und wird immer wieder ebenso treffend wie hilflos beklagt.
Einfalt in der VielfaltIm Gegensatz zu der – aufgrund der vorhandenen Angebotsvielfalt erwartbaren – Pluralität und kundenbezogenen Individualität von Beratungsprozessen sowie im Widerspruch zu der hier vorherrschenden „Rhetorik des Neuen“ (348, S. 5) und den immer wieder betonten Verlautbarungen der Beratenden, dass sie als Geburtshelfer und Begleiter beim Erkennen und Umsetzen von (organisationalen) Innovationen agieren, ist die Beratungspraxis eher durch einen Konservatismus gekennzeichnet, der oftmals – trotz gegenteiliger Bekundungen und durchaus mit guten Gründen – an etablierten Ideen, bewährten Konzepten und routinisierten Vorgehensweisen des (Re-) Organisierens festhält.1 Die Beratungsprojekte und die hierbei von den Beratern eingesetzten Analyse- und Interventionsmethoden zielen oftmals mehr auf eine gewollte Bewahrung und Konservierung bestehender Organisationsroutinen, Sichtweisen, Leitbilder und (Macht-) Verhältnisse als auf grundlegende organisatorische Erneuerungsprozesse (289, S. 19). Viele der angebotenen Beratungsleistungen sind daher nur bei einer flüchtigen Betrachtung und in der Rhetorik der Berater vielfältig und innovativ. Denn selten soll in Beratungsprojekten die theoretisch mögliche Variationsbreite, Flexibilität und Kreativität externer Beratung praktisch realisiert bzw. ausgereizt werden. Zwar existieren am Beratungsmarkt fundamental unterschiedliche Ansätze, die – wie wir noch genauer sehen werden – auf unterschiedlichen Leitbildern, Metaphern sowie Theorien der Organisation bzw. des (Re-) Organisierens aufbauen, aber diese können sich – schaut man genauer – in der (Beratungs-) Praxis nach wie vor nicht gleichberechtigt durchsetzen. Nach einer Einschätzung von Staehle (289, S. 4) beruhten zum damaligen Zeitpunkt etwa 95% aller Beratungsaufträge und –projekte auf einem eher konservativ-traditionellen Beratungsansatz.2
Vergleichbar und immer noch zutreffend äußern sich Ibielski/Küster/Sebode (133, 0510, S. 2; 1300, S. 2) in dem von ihnen herausgegebenen Handbuch zur Unternehmensberatung: „Bei einer Analyse verschiedener Erhebungsergebnisse überrascht jedoch die Tendenz, dass sich die Praxis überwiegend in herkömmlichen Problemkategorien beraten lässt [...]“. Die Ratsuchenden „sind nicht nur in konventionellen Grenzen gefangen, ihnen fehlen Orientierungshilfen anhand externer Daten, die mutige Entscheidungen zur Neuordnung dessen auslösen, was wirklich zur Zukunftssicherung unabdingbar ist. [...] In vielfacher Hinsicht äußert sich das Beratungsangebot in ähnlich konservativer Weise. Und dort, wo ein revolutionärer Berater auftritt [...] erleidet dieser Schiffbruch, weil seine Management-Philosophien zu hochgestochen sind. Die Modelle [...] finden [...] nicht den tragfähigen Ansatz zur Umsetzung und Anwendung im praktischen Geschehen.“ Und ebenso betonen Gabele/Hirsch (86, S. 494) in ihrer empirischen Untersuchung zur Qualität betriebswirtschaftlicher Beratungsleistungen, dass es nur einem guten Berater gelingt „aus traditionellen betriebswirtschaftlich und/oder praktischen Denkschemen herauszutreten bzw. sich von diesen zu lösen“. Daher plädieren sie für die – auch gegenwärtig noch nicht realisierten – Einführung einer Weiterbildungspflicht für Berater, die diesen die Teilnahme an entsprechenden Schulungsmaßnahmen auferlegt und ihnen „Basiswissen neuesten Stands vermittelt“ (86, S. 497).
Diese Qualifizierungsoffensive wird vermutlich in der Erwartung eingefordert, dass die Berater – wenn sie erst einmal mit dem aktuellen, notwendigen und richtigen Wissen ausgestattet sind – problemlos als externe Innovatoren in Organisationen tätig werden können. Dabei unterliegen die Qualifizierungsbefürworter aber gelegentlich der Fehleinschätzung, die Gründe für den Konservatismus der Beratung überwiegend in der Person des Beraters, das heißt in seinem mangelhaften Ausbildungsstand und/oder seinen veralteten Analyse- und Interventionsmethoden zu verorten. So vernachlässigen sie bei ihrer Einschätzung den oftmals konservierenden Einfluss des Handlungs- und Beratungskontextes, das Beharrungsvermögen organisationaler Routinen bzw. den strukturell bedingten Konservatismus von Organisationen. Sie übersehen zudem die Bedeutung der eher bremsenden machtdurch-tränkten Interaktionen zwischen den Organisationsmitgliedern einerseits, zwischen Beratern und Klienten andererseits. Diese aber müssen bei einer genaueren Untersuchung der Ursachen dieses Konservatismus berücksichtigt werden und lassen dann einseitig personifizierende Zuschreibungen als unzureichend deutlich werden. Grundsätzlich sind Organisationen, ist organisationale (soziale!) Wirklichkeit fast immer widerständig, lastend und bedrängend. Diese „ist träge auch dort, wo sie begrifflich verfasst ist – und wir haben mit ihr [auch bzw. gerade in Organisationen, A.L.] nicht nur in ihrer begrifflichen Verfasstheit zu tun“ (29, S. 34).
Mit Blick auf das ratsuchende Management stellen Ortmann et al. (227, S. 455) als ein Ergebnis ihrer mikropolitischen Analysen zur Einführung und Nutzung computergestützter Informations- und Planungssysteme fest: „Es zeigt sich nämlich, dass der Innovationsbereitschaft des oberen Managements auf technologischem Gebiet ein ausgeprägter Konservatismus bei der Umsetzung organisatorischer Innovationen gegenübersteht. Reorganisationen im Bereich der Arbeitsabläufe oder gar der Abteilungs- und Hierarchiestrukturen werden eher gemieden als gesucht und gefördert.“3
Verständlicher wird dieser Widerspruch zwischen dem oft und lautstark kommunizierten Anspruch der Beratung und der tatsächlichen Beratungspraxis dann, wenn man die Einschätzung der Ratsuchenden, was Unternehmensberatung für sie ist bzw. sein sollte sowie ihre Erwartungen an Berater und Beratungsprozess genauer betrachtet. Zum einen wird die externe Beratung von den Kunden als eine Dienstleistung angesehen die der Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft dienen soll. Die beratene Unternehmung – zumindest aber das ratsuchende und zahlende Management – möchte nach der Beratung besser darstehen als zuvor. Die dieser Orientierung entsprechenden quantitativen Beratungsziele lauten – wenig überraschend – Erhöhung des Marktanteils, Effektivitäts-, Produktivitäts-, Umsatz- und Gewinnsteigerung sowie Kostensenkung oder aber – stärker qualitativ und deutlich unbestimmter – die (Konkretisierungs-) Arbeit an eher unspezifischen Problemlagen (ausführlich hierzu Abschnitt 6.1). Entsprechend dieser Erwartungen sehen die Klienten in dem Berater nach wie vor überwiegend den aktiven Experten und Problemlöser und versprechen sich von ihm vor allem eine objektive (!) Diagnose der bestehenden (Unternehmens-) Situation sowie darauf aufbauende, kurzfristig realisierbare und erfolgreiche Therapievorschläge. Die den Beratungsmarkt dominierenden Beratungsansätze sind dementsprechend gekennzeichnet durch den Anspruch technisch-organisatorischer sowie systemischer Rationalisierung und durch Maßnahmen zur Verbesserung der (Gesamt-) Effizienz der Unternehmung.
Weitere Zielvorstellungen der ratsuchenden Klienten belegen zudem eine oftmals wenig innovationsfreundliche Orientierung. Denn die potenziellen Kunden wollen – wie bereits angedeutet – durch einen Beratungsauftrag nicht aufs Glatteis geführt werden, sondern vielmehr auf Nummer Sicher gehen. Zurückgeführt werden kann diese konservative, eher risikoaverse und sicherheitsorientierte Grundeinstellung – über die zuvor bereits genannten Gründe hinaus – auf die, bei Beratern wie Führungskräften vorherrschenden Erfahrungen und handlungsanleitenden (Alltags-) Theorien über Organisation und (Re-) Organisieren, die diese im Verlauf ihrer (Berufs-) Ausbildung und (Management-) Praxis erworben haben und die mitbestimmen, was an welchen Realitätsausschnitten oder an bearbeitungsbedürftigen Organisationsproblemen jeweils als relevant erachtet wird und wie diese in den problematisierenden Blick der Akteure geraten. Diese mehr oder weniger naiven und oftmals unreflektierten Organisations- und Verhaltensmuster bestimmen die Vorstellungen der Akteure über effizientes Funktionieren und Intervenieren, erforderliche Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen sowie extern angeleitetes Gestalten und Verändern von Organisationen aber an zentraler Stelle mit. Entsprechend ihrer konservativen Grundhaltung verstehen Klienten wie Berater ihre Arbeit zumeist als gezielte, instrumentelle Verursachung von intendierten Wirkungen und orientieren ihr Vorgehen oftmals an mechanistischen Organisationsbildern sowie einer organisationsexternen, funktionalen Rationalität (vgl. hierzu Kapitel 3). Die theoretische Grundhaltung von Beratern, Klienten und den, die Praxis bestimmenden Beratungsansätzen, die hinter der vermeintlichen Angebotsvielfalt sichtbar wird, ist oftmals gekennzeichnet durch naive Machbarkeitsvorstellungen, die Annahme einer prinzipiell beliebigen Gestaltbarkeit von Organisationen bzw. der Beeinflussbarkeit von Strukturen und Prozessen, wie auch durch die Nicht-Berücksichtigung der bestehenden – für organisationale Innovationen und Reorganisationen aber zentralen – Machtverhältnisse und (mikro-) politischen Interessenlagen der Akteure.
Zusätzlich zu diesen basalen (alltags-) theoretischen Orientierungen lassen sich weitere Ursachen für die grundsätzliche Aversion von Organisationen und Management gegen Wandel und Veränderung, Innovation und Reorganisation aufdecken. Zum einen liegen diese in – in der Vergangenheit getätigten – hohen Investitionen in spezialisierte Maschinen, Anlagen, Humanressourcen und soziale Beziehungen (Beziehungskapital) begründet. Neben diesen sunk costs behindern fehlende oder unvollständige (Markt-) Informationen über Veränderungs- und Anpassungserfordernisse, die Macht der Gewohnheit, die Trägheit etablierter Organisationsroutinen und Routinespiele sowie die Angst der Mitarbeiter vor einem Arbeitsplatz- oder Machtverlust Wandlungsprozesse in Organisationen (227, S. 464ff.; 60, S. 10).
Darüber hinaus ist die praktizierte Vorgehensweise der Berater nicht vorrangig von mehr oder weniger ausdifferenzierten und theoretisch fundierten (Beratungs-) Konzepten sowie einer darauf aufbauenden Hypothesenbildung bestimmt, sondern mitunter charakterisiert durch eine, das eigene Überleben sichernde Orientierung an der Verkäuflichkeit ihrer Beratungsangebote sowie an, die Beratungsexistenz sichernden Empfehlungen und/oder Folgeaufträgen (105, S. 127). Die hierdurch zum Ausdruck kommende materielle Abhängigkeit zumindest kleiner (Einzel-) Berater kann ein umfassend selbstbestimmtes Auftreten sowie die – via eigener (Macht-) Ressourcen gelingende – Propagierung und unkomplizierte Durchsetzung innovativer Ideen und Ansätze durch den Berater verhindern. Von Beratern und Kunden gemeinsam geteilte – hier konservative – Managementphilosophien und Organisationsbilder erleichtern zudem den einvernehmlichen Abschluss eines Unternehmensberatungsvertrages und die im Verlauf eines Beratungsprozesses notwendig werdenden Kommunikations- und Abstimmungsprozesse bzw. die inhaltliche Zusammenarbeit zwischen Beratern und Management.4
Auf der Kundenseite entspricht dieser mehr oder minder opportunistischen Orientierung der Berater an den Interessen, Erwartungen und Sichtweisen seiner Klienten5 eine – ebenfalls machttheoretisch begründbare – Orientierung weniger an den Anforderungen und Problemlagen der Unternehmen, sondern an stabilisierenden Legitimationsleistungen des Beraters zur Bestätigung bereits intern getroffener Entscheidungen sowie zur Absicherung eigener (Macht-) Positionen im Unternehmen. So ist es in der Praxis durchaus üblich, dass Unternehmen bzw. die Geschäftsführung einen Beratungsauftrag ausschließlich nach persönlichen bzw. subjektiven Gesichtspunkten vergeben (133, 0510, S. 4) und hierbei eine Instrumentalisierung der Berater bei innerbetrieblichen Machtkämpfen stattfindet (163, S. 57; 73, S. 55ff.).
Es bleibt aber prinzipiell offen und unbestimmt, wer sich im Verlauf eines Beratungsprozesses und den hier stattfindenden Interaktionen jeweils durchsetzen wird, wer diesen Prozess dominiert und wer sich an wen mehr oder weniger anpassen wird. Bedeutet die – oftmals gewünschte und immer wieder postulierte – Unabhängigkeit des Beraters von dem Ratsuchenden zugleich dessen Machtlosigkeit und sein Ausgeliefertsein im Beratungsprozess? Ist es der objektive, aktive und machtbewusste Organisationsberater, der als Unternehmensexterner dominierenden Einfluss auf den Prozess des Organisierens (334) entwickeln kann und die Entwicklungsrichtung des (Reorganisations-) Prozesses bestimmt?6 Hat der Berater ausschließlich das machtvoll vertretene Interesse der beratenen Unternehmung und des beauftragenden Managements zu wahren, dessen Problemsicht auszuloten und bruchlos bei der Ausarbeitung entsprechender Lösungsvorschläge aufzugreifen? Oder sind drittens Prozess und Ergebnis der Beratung prinzipiell kontingent, das heißt immer so und auch anders möglich7, und von den beteiligten Akteuren erst in und durch ihre sozialen Praktiken gestaltetes Produkt der Interaktionsgeschichte zwischen Berater und Klient bzw. zwischen Berater- und Klientensystem? In diesem Fall wird die Gestaltung des Beratungsprozesses mitbestimmt von den spezifischen Beratungsinteressen und Handlungsmöglichkeiten sowohl des externen Beraters als auch denjenigen des Klienten, von dem weiteren Handlungskontext und seinen strukturellen Merkmalen, soll heißen den die Beratung zugleich ermöglichenden und restringierenden Rahmenbedigungen.
Die Vielfalt der Beratungsangebote und die daraus resultierende Intransparenz des Beratungsmarktes wird – dies soll zusammenfassend festgehalten werden – durch die oftmals einseitig ausgerichteten Interessen und eine theoretisch ähnliche Grundüberzeugung der Ratsuchenden wie der Berater relativiert. Dennoch bleibt die (Beratungs-) Situation durch eine andere prinzipielle Unsicherheit – nämlich die Kontingenz des sozialen Beratungs- und Interaktionsprozesses – gekennzeichnet, die mit der expansiven Entwicklung des Beratungsmarktes und der steigenden Anzahl an Beratern und Beratungsangeboten weiter zunehmen wird. Denn die Intransparenz des Beratungsmarktes beruht nicht lediglich auf einem umfassenden Beratungsangebot, sondern ist zentral mit den generellen Eigenschaften dieser abstrakten Dienstleistung verknüpft. Das immaterielle Produkt Beratung ergibt sich erst im bzw. durch den Prozess seiner Erstellung und ist a priori schlecht spezifizierbar. Zudem ist das Beratungsergebnis oftmals nicht direkt sicht- und bemerkbar bzw. entzieht sich einer schnellen quantitativen Bewertung durch harte – möglichst eindeutige – Kriterien. Kosten und Nutzen von Beratungsprozessen bleiben oftmals unklar, da greifbare Bewährungsmerkmale der Beratung fehlen. Und die Kunden sind zumeist nicht in der Lage, die Qualität der Berater sowie die ihrer Konzepte zuverlässig ein- und abzuschätzen oder diese gar im Vorfeld einer Beratung zu identifizieren (296, S. 2; 123, S. 177; 294, S. 7f.; 335, S. 194f.). Verstärkt wird diese Ungewissheit zudem durch die fehlende Berufsordnung und Ausbildung der Berater, durch die begriffliche Unklarheit und den inflationären Gebrauch des Begriffs der Unternehmens- bzw. Organisations-beratung in Beratungspraxis und Literatur wie auch durch eine ungenügende (sozial-) theoretische Fundierung des Beratungsprozesses.
Die grundsätzliche Intransparenz und – als Folge – die problematische Steuerbarkeit eines umfassenden Beratungs- bzw. Reorganisationsprozesses erzwingen oftmals eine Orientierung der Klienten am bloßen Erfolg oder Misserfolg der Beratung: eine Ergebnisorientierung. Aber auch die jeweils realisierten Beratungs(miss)erfolge können nur schwer abgeschätzt, noch schwerer individuell zugerechnet werden, wenn auf mehr geachtet werden soll als beispielsweise auf die kurzfristige Einsparung von Beschäftigten. Erfolgsbeurteilungen sind ebenso wie die Frage nach der eigentlichen Prozessverantwortung zwischen Berater und Klient oftmals umstritten und Ergebnis eines interessiert und machtvoll geführten Zuschreibungsprozesses. Die (Miss-) Erfolgsgeschichten – und die hier festgeschriebenen (Miss-) Erfolgsanteile der jeweils beteiligten Akteure – werden eher auf der Basis (mikro-) politischer Prozesse des Absicherns und Zuweisens (227, S. 446ff.) als unter Berücksichtigung gemeinsam festgelegter (Effizienz-) Kriterien geschrieben. Der hiermit verbundene Legitimationsdruck der Berater, die sich im Prozessverlauf gegenüber ihren Klienten durchgängig als kompetente, verlässliche und vertrauensvolle Ratgeber erweisen müssen, zieht daher mitunter eine gewisse Scheinheiligkeit nach sich. Unter Legitimations- und Erwartungsdruck werden von den Beratern dann Scheinerfolge als reale präsentiert und die erwartete Sicherheit und Kompetenz der Beratung durch geschickt inszenierte Sicherheitssurrogate, Vertrauensillusionen und Erfolgsmythen substituiert (179). Ebenso gehört Bluffen, gehört das Pokern mit im Zweifelsfall nicht vorhandener Erfahrung, Beratungskompetenz und Umsetzungserfolgen – so verlautet es selbst aus dem Munde versierter Unternehmensberater — als wiederkehrender (Haupt-) Bestandteil zum Beratungsprozess und bestätigt die geäußerte Scheinheiligkeitsvermutung (134, S. 57). Wie begründet vor diesem Hintergrund die bei Rat suchenden Klienten immer wieder anzutreffenden Vorbehalte gegenüber externer Beratung und den Beratenden sind, wird nochmals deutlicher, wenn man einen Blick in die Veröffentlichungen und Stellungnahmen der Beratungsliteratur wirft. Diese zeichnen mitunter ein bedenkliches Bild der Beratungspraxis und charakterisieren diese wiederkehrend durch (134, 86; 35)
erschreckende Qualitätsmängel,
fehlende Qualifikation, arrogantes Auftreten, blinden Aktionismus und peinliche Schnitzer der Berater,
die Zerstörung von Motivation und Betriebsklima durch externe Cost-Cutter sowie eine langfristige Demoralisierung der Mitarbeiter,
trotz aller Aktivitäten der Berater keine Veränderung nachhaltig lähmender – von einzelnen Akteuren oftmals aber interessiert aufrechterhaltener – Unternehmensstrukturen,
keine Berücksichtigung der – zum Teil großen – regionalen Verantwortung der Unternehmen sowie
keine individuell angepassten Konzepte, sondern Lösungen von der Stange.
Manchen Führungskräften wird vor dem Hintergrund dieser Aussagen, aufgrund eigener Erfahrungen oder durch kritische Berichte Dritter über durchlittene Beratungsprojekte deutlich, dass auch Renommee und Reputation mancher alteingesessener oder international tätiger Beratungsunternehmung vor Irrtümern, Misserfolgen, falschem Vorgehen und fehlendem Beistand bei der Umsetzung der erarbeiteten Vorschläge nicht schützt (174, S. 49; 134, S. 56). Ein beratungsgeschädigter Kunde beschreibt denn auch seine, im Rahmen eines Beratungsprozesses gewonnenen Erfahrungen entsprechend: „Der Unternehmensberater hinterlässt eine Zusammenschrift der internationalen Managementliteratur und verabschiedet sich auf dem Höhepunkt der innerbetrieblichen Verunsicherung“ (289, S. 13).
Der Beratungsprozess geht aber nicht nur mit einer prinzipiellen, mit den besonderen Merkmalen dieser Dienstleistung verknüpften Unsicherheit einher, sondern agieren Berater in dieser Grauzone oftmals orientierungssicher als „Parasiten der Unsicherheit“ (227, S. 454) und beziehen ihre Legitimations- und Machtpotentiale vor allem aus ihrer zugleich unsicherheitserhöhenden sowie –reduzierenden Funktion für die ratsuchenden Klienten, denen die Kontingenz organisationaler Prozesse und Praktiken gelegentlich über den Kopf zu wachsen droht. Berater und Beratungsprojekte verursachen – beispielsweise bei der Beraterauswahl und der Problemdefinition – nicht nur zunächst zusätzliche Unsicherheit, sondern sie erhöhen langfristig die Sicherheit des Klienten durch innovative sicherheitsstiftende Maßnahmen und/oder sicherheitsvortäuschende Fiktionen. Derart nutzen sie zwar parasitär die Unsicherheit ihrer Klienten, aber ist ihr Beratungs-Bluff unter bestimmten Umständen durchaus sein Geld wert. Dies beispielsweise immer dann, wenn Organisationen auf externe Verstärkungsmechanismen der Absorption eigener (Entscheidungs-) Unsicherheit oder Schwäche angewiesen sind oder das Management zumindest glaubt, auf diese angewiesen zu sein. Derartige Sicherheiten, die die Berater ihren Klienten erfolgreich vorgaukeln können sind beispielsweise:
die Konstitution von Vertrauen in die unerschütterliche Kompetenz der Berater (207),
der Hinweis auf zurückliegende Beratungserfolge und auf zufriedene Referenzkunden – obwohl diese für den konkreten Einzelfall wenig aussagen,
glänzende, die Kunden beeindruckende Vor- und Zwischenpräsentationen,
akademische Titel, die vorhandene (Fach- und/oder Prozess-) Kompetenz oftmals bloß vortäuschen sowie
hohe Beraterhonorare und Tagessätze.
Trotz des in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Beratungsbooms bestehende Akzeptanzprobleme bei potentiellen Klienten werden aber nicht nur auf die bereits erfahrenen und erlittenen – nicht allein den Beratern anzulastenden – Misserfolge zurückgeführt. Ebenso wird die bei Ratsuchenden oftmals diagnostizierte Einstellung, werden die bei ihnen vorhandenen Vorurteile und Befürchtungen gegenüber Beratern und Beratungsprozessen für diese ablehnende, die Auswahlprozesse erschwerende Haltung verantwortlich gemacht. Grundsätzlich ist diese Position geprägt durch eine – wie wir bereits gesehen haben durchaus nachvollziehbare – Skepsis, die sich auf Prozess und Ergebniss der Beratung bezieht. Ursachen hierfür sind:
ein unzureichender Informationsstand der Unternehmen über Beratungsangebote und –inhalte,
die Furcht vor dem Verlust von – eigene Kernkompetenzen begründenden – Unternehmensgeheimnissen und –interna,
ein befürchteter Machtverlust der Unternehmensleitung durch die Beratungsergebnisse,
die (erwartete) Unruhe bei den Beschäftigten die in der Beauftragung eines externen Beraters ihnen gegenüber bestehendes Misstrauen der Geschäftsführung vermuten und ein zukünftig vergiftetes Unternehmensklima befürchten,
falsche Vorstellungen über die entstehenden Beratungskosten wie „Berater sind teuer und bringen nichts“ (134, S. 61),
Angst vor möglichen Autonomiebestrebungen der ratsuchenden Akteure (Personen, Abteilungen, Ressorts) oder – im Gegenteil – vor dem Festschreiben des status quo und dem Beharren auf traditionellen Verhaltensmustern sowie die
Furcht vor Image- und Prestigeverlusten bei Kunden und Geschäftspartnern.
Ursächlich für die wiederkehrend dokumentierte, skeptische Haltung der ratsuchenden Klienten – so machen einige der genannten Argumente deutlich – sind neben dem bereits erwähnten Konservatismus vor allem die, auf fehlenden Bewertungskriterien und defizitär wahrgenommenenKontrollmöglichkeiten über den Beratungsprozess aufbauenden Ängste der Manager. Diese befürchten, dass sie den Prozess bzw. seine Folgen nicht umfassend beeinflussen können, oder dass sie sich gar in die Abhängigkeit eines externen Beraters begeben (müssen). Eine empirische Studie von Roy Damary (57) hat dieses unfruchtbare und zunächst misstrauensgeprägte Verhältnis zwischen Unternehmen und Beratern dokumentiert. Als Gründe für diese wenig partnerschaftliche Zusammenarbeit nannte Damary
ein falsches Rollenverständnis und überzogene Erwartungen der Kunden an die Berater,
eine laienhafte und daher unprofessionelle Auswahlpraxis durch die Klienten sowie
die grundsätzlich fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit externen Beratern.
Und weiter führt er hierzu aus: „It seems typical of German management that it should be self-sufficient and not need any external advice” (57, S. 62). Und trotz der anhaltenden Expansion der Beratungsbranche wird diese Do-It-Yourself-Mentalität der deutschen Führungskräfte immer wieder bestätigt und bestehen nach wie vor Berührungsängste – speziell bei kleinen und mittleren Unternehmen.
Soll es aber dennoch – trotz begründeter Skepsis – zu einem Beratungsprozess kommen, muss in der ratsuchenden Organisation aufgrund spezieller Anlässe oder Problemlagen ein Beratungsbedarf erkannt, die Ursache für die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen offensichtlich werden. Warum und wie externe Berater in den Focus der Aufmerksamkeit von Unternehmen und Management gelangen können, soll im folgenden Abschnitt 2.2 skizziert werden.
1 Aktuell hierzu Ernst/Kieser (73, S. 53ff.) mit Blick auf die „commodification“ des Beraterwissens, der Beratererfahrungen und des Wissenstransfers im Beratungsprozess.
2 Auch die Interventionsverfahren der sich selbst als progressiv und innovativ verstehenden Organisationsentwicklung (vgl. ausführlich hierzu Abschnitt 3.2) sind oftmals eher konservativ und bewahren den bestehenden status quo in den Unternehmungen, da sie hier etablierte Machtverhältnisse in der Regel unangetastet lassen bzw. diese prinzipiell (methodisch!) unberücksichtigt bleiben.
3 Pfeffer/Salancik (236, S. 9f.) liefern – im Rahmen einer Untersuchung zu der Bedeutung einzelner Akteure in organisierten Kontexten – weitere Begründungen für diesen organisationalen Konservatismus. Erstens führen “both personal and organizational selection processes [...] to similarity among organizational leaders. This means that there is a restriction on the range of skills, characteristics, and behaviors of those likely to achieve positions of importance in organizations. Second, even when a relatively prominent position in the organization has been achieved, the discretion permitted to a given individual is limited. Decisions may require the approval of others in the organization; information used in formulating the decisions comes from others; and persons may be the target of influence attempts by others in their role set – these social influences further constrain the individual´s discretion.”
4 Die in diese Beratungs- und Managementphilosophien eingeschriebenen Normen und Werte sowie die Anschlussfähigkeit der Sichtweisen von Beratern und Klienten werden im Kapitel 6 als in diesem Kooperationsprozess relevante, rekursiv stabilisierte Regeln der Legitimation und Signifikation genauer untersucht.
5 Gegen diesen Opportunismusvorwurf setzen sich die Berater allerdings mit halb und halb überzeugenden, die strukturellen Besonderheiten der Interaktionsbeziehung zwischen Klienten und Beratern berücksichtigenden Argumenten zur Wehr. Beispielsweise stellt Greiner (105, S. 145) diesbezüglich fest: „Hat die antizipierte Lösung des Auftraggebers keine offensichtlich negativen Konsequenzen, so unterstützt der Unternehmensberater dessen Lösung mit sachlichen Argumenten, insbesondere durch saubere Ausarbeitung und Bewertung mehrerer Alternativen. Dies hat nichts mit Opportunismus zu tun, sondern stellt lediglich das verantwortungsbewusste Ausnutzen von Spannungsgefällen im Sinne der eigenen Ziele dar. Mit diesem Vorgehen ist sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber gedient“ (so auch 130, S. 223ff.).
6 Durch welche (Macht-) Ressourcen der intervenierende Einfluss eines externen Beraters grundsätzlich möglich wird, wird an späterer Stelle thematisiert (vgl. hieruzu Abschnitt 6.2).
7 Das Problem der Kontingenz spielt (auch) in Beratungsprozessen eine nicht unbedeutende Rolle. Begreift man Kontingenz als „Enttäuschungsgefahr und Notwendigkeit des Sicheinlassens auf Risiken“ (186, S. 31), da alles auch ganz anders möglich ist als ursprünglich erwartet wurde, so ist grundsätzlich nichts zwangsläufig notwendig, wenn (externe) Organisationsberatung stattfindet. Als „negierte Notwendigkeit“ tritt sie an vielen Stellen eines Beratungsprozesses offen zutage. Speziell wenn es um folgende Fragen geht: 1. Wie entstehen spezielle Sichtweisen von Problemen in einer Organisation? Warum und wie wird ein Problem zum Problem? 2. Warum benötigt man externe Beratung? Kann man das Problem nicht auch organisationsintern lösen? 3. Wohin bewegt bzw. entwickelt sich ein Beratungsprozess? Ist sein Ergebnis antizipierbar, steuerbar, kontrollierbar, reproduzierbar? 4. Was will der externe Berater? Worin liegt sein Eigeninteresse begründet? Was kann er bzw. wie kann er (m)einem Unternehmen (effizient) helfen? 5. Wie können Beratungsleistungen verlässlich beurteilt werden?
Die anhaltend expansive Entwicklung der Beratungsbranche ist – wenn man davon ausgeht, dass sie nicht nur auf einer Kostensteigerung der Beratungsdienstleistungen beruht – zugleich ein Beleg für die Zunahme der Ausgaben der Unternehmen für externe Beratung und dokumentiert eine zunehmende (Beratungs-) Nachfrage. Betrachtet man dieses Interesse genauer und sucht – ungeachtet der zuvor identifizierten Skepsis in den ratsuchenden Unternehmen und dem oftmals gut begründeten Misstrauen gegenüber Beratern – nach auslösenden Motiven und Anlässen externer Beratung, so deckt eine solche Ursachenforschung zum einen unternehmensextern wie -intern bedingte Problembereiche auf und lassen sich zum anderen zahlreiche Funktionen identifizieren, die die Berater wiederkehrend für das auftraggebende Management – gleichsam als externe Stabstelle (13) – übernehmen sollen. In der Beratungsliteratur werden vor allem drei unternehmensexterne Bedingungen für die Konsultation eines Beraters genannt:
Der intensive Wettbewerbsdruck: Die Unternehmen sind ständig auf der Suche nach Rationalisierungsmöglichkeiten sowie ertrags- und produktivitätssteigernden Problemlösungen (206, S. 189; 133, 0500, S. 1).
Die zunehmende Globalisierung, De- und Reregulierung sowie Dynamisierung der wirtschaftlichen, (informations-) technischen, sozio-kulturellen und politisch-administrativen Rahmenbedingungen: Demnach wird es für das Management zunehmend schwieriger, die jeweils verfügbaren und relevanten Informationen zu erkennen, zu strukturieren und in einen konsistenten Bezugsrahmen einzuordnen (Informationsbedürfnis).
9
Erhöhte Anforderungen an die Entscheidungsträger in den Unternehmen: Einerseits nimmt das Ausmaß an zu berücksichtigenden, entscheidungsrelevanten Informationen zu, andererseits werden zugleich erhöhte Ansprüche an diese gestellt (Entscheidungsfindungs- und –durchsetzungskompetenzen).
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Unternehmensintern verursachter Beratungsbedarf wird vor allem auf folgende Faktoren zurückgeführt:
Die Unternehmen haben nur begrenzte Ressourcen und Kapazitäten an Personal, Wissen, Zeit etc. um die notwendigen Veränderungsmaßnahmen einzuleiten und umzusetzen (326, S. 6f.; 123, S. 171; 206, S. 187). Es besteht ein Mangel an quantitativem Problemlösungspotential.
In den Unternehmen fehlen Know-How, Wissen, Kompetenzen und Erfahrungen, um mit neuartigen Frage- und Problemstellungen sowie innovativen gesellschaftlichen, technologischen und ökologischen Entwicklungen organisationsadäquat umzugehen. Es fehlt qualitatives Problemlösungspotential.
Die Manager legen Wert auf eine unvoreingenommene, vermeintlich objektive Situationsdiagnose, den (organisations-) fremden Blick sowie die erprobte Vorgehensweise externer Berater.
Bei der Beratungsnachfrage spielt der me-too-Effekt eine zentrale Rolle. Das heisst, es wird die Einführung einer, dem neuesten Wissensstand und/oder der aktuellen Organisationsmode entsprechenden innovativen Idee (Produktions- und Organisationsform, Technologie) durch den externen Spezialisten gewünscht (326, S. 8; 282, S. 170ff.).
Die eigene, organisationsinterne Problemlösung eines einmaligen Problems ist zu (zeit-) aufwendig, zu teuer und daher unwirtschaftlich.
Die zunehmende Publizität und ein steigender Bekanntheitsgrad durch Veröffentlichungen in der Fachpresse sowie durch Aktivitäten der Beratungsverbände haben die Reputation und Akzeptanz der Beratungsbranche insgesamt erhöht.
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Ein Blick auf die vielfach genannten und in empirischen Untersuchungen bestätigten Funktionen der Beratung verdeutlicht weitere Nachfragemotive. Demnach besteht – so beschreibt es Bartling (13, S. 12) – eine der Hauptfunktionen der Beratung darin, „dem Management von Organisationen durch die Anwendung von Spezialwissen und -methoden bei der Identifizierung und Analyse von Problemen zu helfen, notwendige Aktionen zu empfehlen und bei ihrer Implementierung unterstützend mitzuwirken.“ Neben dieser, hier von Bartling nicht genauer spezifizierten Problemidentifikations- und -lösungsfunktion können zudem konkretere Aufgabenbereiche identifiziert werden, in denen die Berater Beiträge zum Unternehmensprozess oder zur Lösung von (Führungs- und Organisations-) Problemen erbringen können:
Die Funktion der
objektiven Beobachtung und Beurteilung
(Objektivitätsfunktion): Aufgrund der Distanz des externen Beraters von der ratsuchenden Organisation und seiner, ihm zumeist unterstellten Unabhängigkeit ist er grundsätzlich, so wird erwartet, zu objektiven, von organisationsinternen Zwängen und Abhängigkeiten unbelasteten Analysen und unvoreingenommenen Stellungnahmen befähigt.
Die Funktion der
Entscheidungsvorbereitung und -hilfe
: Hier zielen die Aktivitäten der Berater auf eine Verbesserung der inter- wie intraorganisationalen Kommunikationsprozesse. Die unternehmerische Entscheidungsfindung wird als komplexer Informationsverarbeitungsprozess verstanden, der durch die Aktivitäten des Beraters verbessert werden kann. Dessen (Haupt-) Tätigkeit wird in Folge als „Informationsvermittlung sowie als Transfer von Erfahrung, Wissen und Verfahrenstechniken“ (73, S. 57ff.; 67, S. 18) skizziert.
In engem Zusammenhang hiermit steht die Funktion der
internen und/oder externen Vermittlung und Koordination
: Vermittlungsbemühungen werden von dem Berater immer dann erwartet, wenn es gilt Abteilungsegoismus und Ressorteigensinn, Unstimmigkeiten und Diskrepanzen zwischen (internen und externen) Kooperationspartnern sowie dem Unternehmensmanagement zu überwinden. Hierbei fungiert der Berater sowohl bei unternehmensinternen (Entscheidungs-) Konflikten als auch bei externen Beziehungsproblemen als neutraler Dritter, Moderator, Schlichter und/oder Schiedsrichter.
Die
Innovations-
oder
Anregungsfunktion
: Durch das Einbringen neuer, ungewöhnlicher, provokativer und verfremdender Gedanken, Einfälle und Informationen wirkt der Berater als Garant für Erneuerungen bzw. als „Innovationsstimulant“ (13, S. 62). So soll er beispielsweise für die Einführung und verhaltenswirksame Durchsetzung von neuen organisatorischen Regelungen und Verfahren sorgen (67, S. 18f.).
Die
Funktion der externen Zielorientierung
: Der Berater soll Einfluss nehmen auf die (strategische) Grundorientierung des Managements. Auf Grundlage seiner detaillierten Kenntnisse über die Unternehmensumwelt sowie seiner, in anderen Beratungsprojekten erworbenen Branchenerfahrung soll er die Situation des ratsuchenden Klienten dadurch verbessern helfen, dass er eine Berücksichtigung der zukünftig relevanten externen (Rahmen- und Branchen-) Bedingungen gewährleistet.
Die
Trainingsfunktion
: Neben unmittelbar problembezogenen Schulungs-, Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen soll der Berater in Prozessen der Personalentwicklung Hilfe zur Selbsthilfe leisten sowie dem Management Methoden- und Verfahrenskenntnisse vermitteln, die eine Bewältigung zukünftig wichtiger werdender Herausforderungen – durch dann eigene (Kern-) Kompetenzen des Unternehmen bzw. der Beschäftigten – ermöglichen.
Neben diesen – eher sachlich und problembezogen daherkommenden – Beratungsanlässen und –funktionen werden weitere Motivlagen identifiziert, die ein anderes Licht – wohl eher: Zwielicht – auf die, von den Ratsuchenden verfolgten Ziele und die von den Beratern übernommenen Aufgaben werfen. Diese Funktionen, die externe Berater für ihre Klienten immer auch übernehmen können oder sollen sind:
Die
informelle Kontaktfunktion
: Der Berater soll die formal bedingte Unnahbarkeit, Isoliertheit sowie oftmals Lebens- und Praxisferne des Managements überbrücken und stellvertretend für die Unternehmensführung den Puls der Organisation ertasten und sehen, wo es brennt und wo in der Organisation das Leben (170, S. 7) oder der Teufel (11, S. 10) tobt.
Die
Vertrauensfunktion
: Der Berater avanciert – aufgrund der fehlenden Konkurrenzsituation zwischen ihm und dem Top-Management – zum Vertrauten des Klienten. Gegenüber dem Berater kann dieser „laut denken [...] ohne sich bloßzustellen“ bzw. „ohne Maske über gewisse Probleme“ sprechen (56, S. 24f.).
Die
Verantwortungs- bzw. Alibifunktion
: Der Manager erwartet von dem Berater die Übernahme der Verantwortung für unpopuläre Vorschläge, Entscheidungen und Maßnahmen oder für bereits eingetretene Misserfolge. Der Berater wird zum Sündenbock und das Management stiehlt sich damit aus seiner (Gesamt-) Verantwortung. Es erkauft sich Unbescholtenheit und betreibt damit eine „bequeme Art des Misserfolg-Outsourcings“ (282, S. 176).
Die
Legitimationsfunktion
: Der Berater wird bei bestehenden Widerständen gegen unternehmensintern entwickelte Konzepte und Problemlösungen hinzugezogen, denen er Glaubwürdigkeit, Objektivität und Neutralität verleihen soll. Die Beratung dient dem Management als bloßes
Feigenblatt
und wird zu einer bloß „konfirmativen Beratung“ (166, S. 120).
Die
Machtressourcenfunktion
: Der Berater wird beauftragt um einer – zumeist der den Beratungsauftrag vergebenden – Partei als zusätzliche (Macht-) Ressource bei internen Auseinandersetzungen zu dienen, oder um als Durchsetzungs(ge)hilfe (Promotor) für bereits entschiedene aber intern schwer durchsetzbare Reorganisationsmaßnahmen zu agieren.
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Hierbei werden die Beratungskonzepte mitunter zur disponiblen Spielmasse der Auftraggeber.
Die
Prestigefunktion
: Auch das Streben nach Prestige und Anerkennung kann zur Beauftragung eines – international renommierten – Beraters führen. In diesem Fall soll die Beratung externen wie internen Akteuren unternehmerischen Einfluss und unternehmerische Potenz signalisieren und/oder den Führungskräften den Zugang zu „gehobenen Kreisen“ (56, S. 28), in denen der Berater vermeintlich verkehrt, ermöglichen.
Welche konkreten Ziele, individuellen Motive und persönlichen Erwartungen die Ratsuchenden jeweils mit der Beauftragung eines externen Beraters verbinden, ist allerdings eine nur empirisch beantwortbare Frage. Dass die Beratungsanlässe vielfältig und unterschiedlich motiviert sind, wird aber bereits an diesem kurzen Blick auf die Aufgabenbereiche und Funktionen externer Beratung deutlich. In Abschnitt 6.3 wird – unter der Überschrift Selektion: Praktiken der Berater- und Klientenauswahl – auf diese Problematik zurückzukommen sein und werden die, für die wechselseitige Auswahl der Prozessbeteiligten relevanten Erwartungen, Kriterien und Verfahren strukturationstheoretisch diskutiert. Im folgenden Abschnitt wird aber – dieses Kapitel abschließend – die
sich im Rahmen der Bewertung eines Beratungsaprozesses ergebende Problematik skizziert.
Der Auftrag an einen externen Organisationsberater wird immer begleitet von besonderen Erwartungen des auftraggebenden Klienten etwa hinsichtlich der Erzielung von strategischen Wettbewerbsvorteilen, einer wie auch immer ausgerichteten positiven Entwicklung der Organisation oder – wie Schein (263, S. 123) es formuliert – einer „improved organizational performance“. Stets kann davon ausgegangen werden, „dass sich die Manager von der meist kostspieligen Beratertätigkeit auch einen realen ökonomischen Erfolg versprechen“ (56, S. 29). Auch einen ökonomischen Erfolg soll heißen, dass es im Rahmen eines wissensintensiven Beratungsprozesses ebenso um eine Verbesserung der (Entscheidungs- und Handlungs-) Situation bestimmter, machtvoller Koalitionen, um die Besserstellung nur einzelner Akteure – etwa hinsichtlich ihrer mikropolitischen Einflusschancen und Durchsetzungsmöglichkeiten, um Alibileistungen für das auftraggebende Management, um die Überlebensfähigkeit der Organisation, um die Außendarstellung des Unternehmens und vieles andere mehr gehen kann. Immer stehen (vorläufige) Bewertungsversuche des Beratungserfolges sowie entsprechende Verfahren nicht erst am Ende eines Beratungsprozesses auf der Tagesordnung, sondern begleiten ihn von Beginn an. Die Akteure stehen permanent – speziell gegenüber Geldgebern, Beratungsopponenten und -kritikern – unter Erfolgs- und Legitimationsdruck. Der Berater muss sich beispielsweise gegenüber seinem Klienten, dessen Beschäftigten aber ebenso gegenüber seinen Vorgesetzten im Beratungsunternehmen, der Klient gegenüber seinen Mitarbeitern und weiteren (externen) Anspruchsgruppen (stake holder) für seine Entscheidungen sowie das gewählte Vorgehen rechtfertigen. Dass dieser Legitimationsdruck auch Scheinhaftigkeit und Scheinheiligkeit nach sich ziehen kann, dass unter Druck Erfolge bloß inszeniert, Scheinerfolge als wirkliche präsentiert und (Erfolgs-) Sicherheit durch Sicherheitssurrogate ersetzt werden können, wurde in der Organisationsforschung schon vor langem erkannt und diskutiert (227, S. 449, 338, S. 533).
Im Kontext der Beratung von Organisationen werden die Evaluationsspraktiken in der Regel durch ökonomische Kriterien dominiert. Aber trotz der immer wieder betonten Bedeutung dieser vermeintlich objektiven Bewertungsmaßstäbe existieren aktuell nur wenige Instrumente „to assist the practical evaluation of inter-organizational relations with respect to profitability, flexibility or innovativeness“ (300, S. 2361). Das Fehlen derartiger Bewertungsinstrumente ist aber nicht wirklich verwunderlich. Zum einen – so dass nach wie vor gültige Fazit der Überlegungen von Trebesch (318, S. 59) zu Fragen der Bewertung – ist die „Effizienz des OE-Prozesses [...] für mich unmittelbar an das Verhalten der Prozessbeteiligten gekoppelt: Verantwortungsbewusstsein und Offenheit als Verhaltenskriterien. Oekonomische Kriterien bleiben für mich vorerst zweifelhaft. Sie beruhigen manche Klienten, verlieren aber im Verlauf des Prozesses an Bedeutung und helfen den Prozessbeteiligten selber wenig.“ Zum anderen sind die Akteure – Berater wie Klienten – an detaillierten Bewertungsprozessen aus mikropolitischen Gründen oftmals gar nicht interessiert oder bevorzugen die Anwendung selbst – und oftmals erst ex post – definierter Erfolgskriterien. Speziell bei bereits eingetretenen Rückschlägen oder absehbaren Misserfolgen unterstützen, die nach eigener Einschätzung dafür Verantwortlichen (zu) genaue Aufklärungsprozesse nicht, forcieren eher eine mikropolitisch geschickte Verschleierung der Entwicklungen und Verklärung der Zusammenhänge: Sie gehen – (nicht nur) im Kontext von Evaluationsprozessen – auf Nummer Sicher.13
Über derartige Einreden und Zweifel erhaben – oder ihrer einfach nur ignorant – wird in der Beratungsliteratur gebetsmühlenartig der effizienzfördernde Einfluss der externen Beratung betont und mit besonderen Fähig- und Fertigkeiten des Beraters sowie seiner besonderen Stellung im und zu dem ratsuchenden Unternehmen begründet. Folgt man dieser Eigenschafts-Erklärung, so sind es die besonderen, persönlichkeitsbedingten Qualifikationsmerkmale des Beraters die es ihm ermöglichen, aufgrund fachlicher Expertise, speziellen Qualifikationen, unterschiedlichsten Erfahrungen sowie analytischer und/oder moderner, ganzheitlich-integrativer Denkansätze positiv auf die Organisation(-smitglieder) und deren Entwicklung einzuwirken (125, S. 3 u. S. 151; 106, S. 28ff.; 248, S. 131ff.; 169, S. 296f.; 152; 153).
Wie der Berater das im Einzelnen macht bzw. womit er während eines Beratungsprozesses konkret auf die Organisation und ihre Mitglieder positiv einwirkt wird allerdings an keiner Stelle explizit thematisiert. Die Vertreter dieser Sichtweise wiederholen – wie bereits Greiner/Metzger (106, S. 28) – lediglich folgendes Mantra: „As a result, the success or failure of a consulting project depends on the multi-faceted skills that a consultant brings to the client's situation. If the consultant is not perceptive, does not communicate with sensitivity, or lacks up-to-date knowledge, the client's problem will not be solved.”14 Diese ganz auf die individuellen Qualitäten eines Beraters zentrierte und zugeschnittene – seine weitere soziale Einbettung sowie strukturelle Aspekte der Berater-Klienten-Beziehung vernachlässigende – Erfolgsgeschichte erzählen stellvertretend für viele Blake/Mouton (27, S. 6) so: „In general, consultant effectiveness depends on the consultant's ability to identify correctly the focal issue, introduce the kind of intervention the situation objectively requires, and deal with the real client.” Und auch bei Holtz (131, S. 185) – dem es um richtige Auswahl und optimale Nutzung eines Beraters geht – steht nicht eine umfassende Bewertung des Beratungsprozesses im Vordergrund der Effizienzbetrachtung, sondern eine Bewertung des Beraters, die ausschließlich vor dem Hintergrund der – unstrittig? – erreichten Beratungsziele formuliert wird.15
Zum anderen – so die Organisations-Erklärung – werden die Vorteile des Beraters und sein positiver Einfluss auf Problemlösungsansätze, Lernprozesse und die organisationsinternen Abläufe in seiner organisationsexternen Position und seiner sich daraus ergebenden Distanz und Distanziertheit gesehen: „Die Präsenz des externen Experten in der Unternehmung führt zu einer spezifischen Organisationsstruktur von Arbeitsprozessen, die als effizienzfördernd eingeschätzt wird“ (152, S. 5). Entsprechend betont dieser Erklärungsansatz alle – vermeintlich effizienzwirksamen – Indikatoren, die sich aus der externen Position eines Beraters ergeben können (153, S. 106) und thematisiert damit implizit das Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz zwischen Klienten und Beratern. Als besondere Vorzüge des Externen werden u.a. identifiziert (125, S. 3; 153, S. 106; 56, S. 23ff.):
der fremde, unverstellte Blick bzw. die nicht vorhandene Betriebsblindheit,
die Fähigkeit zur objektiven und neutralen Betrachtung und Beurteilung,
die Kommunikationsfunktion des Beraters: der Berater als Kommunikator und als unvoreingenommener Treibriemen bei Informationsweitergabe und –vermittlung,
seine Ergänzungsfunktion zu bürokratischen Routinetätigkeiten bzw. seine Innovationsfunktion sowie
die interne Koordinations- und Vermittlungsfunktion als Maßnahme wider egoistisches Ressortdenken.
Das simple Fazit dieses Erklärungsansatzes lautet: Die bloße Distanz des Beraters sorgt – wie eine unsichtbare Hand – für effizienzsteigernde Effekte in der beratenen Organisation. Unbeantwortet bleibt hierbei lediglich die Frage nach dem Wie – das heißt danach, wie und wodurch der Berater eben genau diesen Effekt praktisch bewirken kann.
Drittens zielt die Informations-Erklärung auf die – allerdings wiederum von Person und Position des Beraters abhängige – quantitative Erweiterung und qualitative Verbesserung des Informationsniveaus der ratsuchenden Organisation sowie der an einem Beratungsprozess beteiligten Personen, Gruppen und/oder Abteilungen.16 „Der Beratungsvorgang wird in dieser Betrachtungsweise auch als Kommunikationsprozess interpretiert, der im Ergebnis zu einer Erhöhung des Informationsstandes der Unternehmung und damit zu (der Chance) einer verbesserten Problemlösung führt“ (153, S. 106). Ein derart verbessertes Informationsniveau der Organisation sowie das neu erworbene Know-how einzelner Organisationsmitglieder bewirkt – so wird hierbei unterstellt – automatisch und selbstverständlich eine Effizienzverbesserung organisatorischer Abläufe und interner Prozesse. Keine Beachtung findet die Möglichkeit, dass die Akteure den neu erworbenen Informationsvorsprung auch contra-effizient einsetzen könn(t)en, diesen nicht im Sinne der Organisationsziele oder der organisatorischen Abläufe verwenden, sondern gezielt zum Aufbau neuer Beziehungen und eigener (Macht-) Ressourcen nutzen. Und auch jenseits dieses individuellen Opportunismus kann es keineswegs als sicher gelten, dass ein mehr an verfügbaren Informationen und ein Wissenszuwachs zu effizienteren organisatorischen Prozessen und/oder einer größeren Steuerungsfähigkeit führt. Ohnehin argumentieren die Vertreter der oben genannten Erklärungsansätze erstaunlich einseitig, wenn sie den (Miss-) Erfolg eines Beratungsprozesses ausschließlich dem externen Berater zuschreiben und weitere erfolgswirksame Faktoren – beispielsweise die (Miss-) Erfolgsanteile des Klienten (-systems) sowie qualitative Aspekte der Austauschbeziehung – in der Regel außer acht lassen.
Positive Eigenschaften, distanzierte Positionierung und überlegene Wissensressourcen des Beraters bzw. Asymmetrien des Wissens zwischen Berater und Klient sind aber auch exakt diejenigen Faktoren, die eine Evaluation ihrer Tätigkeiten für die Klienten so problematisch machen. Wissensvorsprung und ein höheres – besser: anderes – Qualifikationsniveau bezüglich Fach- und/oder Methodenkompetenz des Beraters machen es für den Klienten schwierig dessen Vorstellung zu bewerten. Immer ist es für Klienten „difficult to assess whether the consultant is really knowledgeable or only knows how to manage impressions“ (73, S. 63).
Einen anderen Weg zur Beurteilung der Beratungsqualität haben Gabele und Hirsch (86, S. 486ff.) mit der Inhaltsanalyse von Beratungsberichten eingeschlagen. Nicht die in Befragungen erhobenen subjektiven Zufriedenheitsmaße der beratenen Klienten und/oder der Berater war ihr Ausgangsmaterial, sondern die in Schriftform vorliegenden Beratungsberichte von staatlich subventionierten Beratungen in kleinen Unternehmen. Dieses Vorgehen begründen die Autoren (86, S. 494) so: „die Qualität betriebswirtschaftlicher Beratungsleistungen nur anhand der (Zufriedenheits-) Äußerungen oder anderer, letztendlich auf subjektive Einschätzung der Beteiligten zurückzuführende Kriterien (z.B. ‚Umsatzanstieg verursacht durch Beratung’) zu beurteilen, muss – vom methodologischen Standpunkt aus gesehen – als nicht ausreichende Vorgehensweise bezeichnet werden.“ Aber auch diese Untersuchung entdeckt dann doch wieder exklusiv „die Schwachstellen im Beratungsbereich bei den die Beratung ausführenden Personen“ (86, S. 496) und konzentriert die (Verbesserungs-) Vorschläge auf Maßnahmen zur Qualifizierung der Berater, auf die Einführung einer gesetzlichen (Berufs-) Regelung des Beratungswesens, auf eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der Berater sowie auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Beratern, Unternehmen und den betriebswirtschaftlichen Forschungseinrichtungen der Hochschulen mit dem Ziel eines verbesserten Wissenstransfers.
Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Perspektive auf externe Beratung als einen zunächst einmaligen, gelegentlich wiederholten, mehrphasigen und komplexen, d.h. multilateralen, kontingenten und riskanten sowie interaktionsbasierten Prozess sollte demgegenüber bereits verdeutlicht haben, „dass der Beratungserfolg sich nicht einseitig aus den Aktivitäts- und Effizienzbeiträgen der Beratungsseite, sondern aus der erfolgreichen Interaktion und Kooperation zwischen beiden Partnern ergibt. Er stellt sich nicht als punktuelles Gesamtergebnis ein, sondern ist das Resultat vieler individueller und kooperativer Effizienzbeiträge aller Beteiligten in den Phasen des Beratungsprozesses“ (141, S. 110f).17 Derart prozessorientierte und zeitraumbezogene Bewertungsansätze sowie in diesem Zusammenhang relevante Kosten-Nutzen-Analysen stehen aber immer vor mehreren Schwierigkeiten. Gabele und Hirsch (86, S. 486) sprechen sogar von den, bei Beratungsprozessen „nicht vorhandenen Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf die Einhaltung von Qualitätsstandards“. Ähnlich skeptisch äußert sich Schein (263, S. 129), der – mit Blick auf die Prozessberatung von Organisationen – feststellt, dass „one cannot measure specific indicators, however much this might be desirable“. Dieser strukturelle Bewertungsnotstand wird von Hafner/Reineke/Dresselhaus (113) zum einen auf eine Überlagerung des Beratungsprozesses durch zahlreiche externe Einflüsse (z.B. konjunkturelle Entwicklungen und strukturelle Marktveränderungen), zum anderen auf die „kaum zu quantifizierenden psychologischen Wirkungen“ (113, S. 53) der Beratung zurückgeführt. Und auch Ibielski/Küster/Sebode betonen, dass nahezu 50% des Beratungserfolges auf psychologischen Momenten beruhen und stellen hierzu fest: „Ist ein fachkundiger Berater nicht in der Lage, seine durchaus anerkannten Empfehlungen [...] dem Auftraggeber ‚zu verkaufen’, d.h. ihn von der Notwendigkeit der Verwirklichung ausgearbeiteter Maßnahmeprogramme zu überzeugen, muss eine solche Beratungsleistung als Fehlschlag registriert werden“ (133, 1500, S. 1).
Mit dieser Anmerkung knüpfen die Autoren – sicherlich eher ungewollt – an die zuvor angedeuteten Verfahren der Erfolgsbewertung an.
Immer dann, wenn eine Beratungsleistung nicht anhand objektiver oder (mikro-) politisch unumstrittener Kriterien bewertet werden kann – und das kann sie in der Regel fast nie – kommt einer überzeugenden Darstellung und Inszenierung sowie geschickten und machtbewussten Symbolisierung der Qualität der Beratungsergebnisse eine Hauptrolle im Evaluationsprozess zu. Denn – dies soll nochmals betont werden – “the criterion of effectiveness is a subjective notion of a client as to whether he likes, or feels satisfied with, the consultant's job. [...] Accordingly, it is considered necessary to rely on essentially subjective evaluations made by key organization members of the perceived effectiveness of the consultant-assisted change effort, including the identification of organizational characteristics in which they perceive improvements” (58, S. 21).