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Beschreibung

"Prüft alles" - Die Jahreslosung 2025 fordert uns auf, die Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern uns ein eigenes Urteil zu bilden: Auch bei großen Lebensvorbildern kritisch die Schattenseiten sehen. Eigene Lebenserfahrungen "prüfen", um sie für sich einordnen zu können. Als Politiker Entscheidungen kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Und nicht zuletzt: den eigenen Glauben prüfen - Was hat es mit Gott und der Bibel auf sich? Was trägt im Leben wirklich? Die Geschichten sind so unterschiedlich wie die Lebenserfahrungen der Autorinnen und Autoren. Bewegende Lebenszeugnisse und inspirierende Impulse zum Schmökern und Vorlesen lassen dieses Buch zum Begleiter durch das Jahr werden, das den eigenen Glauben stärkt, die Spiritualität vertieft und zum kritischen Nachdenken anregt. Das Jahreslosungsbild von Eberhard Münch macht es zu einem wertvollen Geschenk. Im Lesebuch zur ökumenischen Jahreslosung 2025, "Prüft alles und behaltet das Gute!", erzählen rund 40 Autoren, bekannt aus Kirche und Gesellschaft, ihre persönliche Geschichte mit der Jahreslosung. Mit Beiträgen von Thomas Rachel, Iris Völlnagel, Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, Johannes Holmer, Peter Zimmerling, Christoph Zehendner und vielen anderen.

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Seitenzahl: 194

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Christoph Morgner (Hrsg.)

Prüft alles und behaltet das Gute

Das Lesebuch zur Jahreslosung 2025

Der Vers zur Jahreslosung wird abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB), Berlin.

Bibelzitate folgen, wo nicht anders angegeben, der Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Sonst der BasisBibel. Das Neue Testament und die Psalmen (BB), © 2012 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

© 2024 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Lektorat: Uwe Bertelmann

Umschlagabbildung: Eberhard Münch, Jahreslosung 2025, Mischtechnik, © 2024 by bene! Verlag, in der Verlagsgruppe Droemer Knaur, München.

Umschlaggestaltung: bene!

Satz: DTP Brunnen

ISBN 978-3-7655-3610-6

ISBN E-book 978-3-7655-7863-2

www.brunnen-verlag.de

Dieses Buch ist drei Theologen gewidmet, die den evangelischen Raum durch ihre Theologie und Verkündigung maßgeblich geprägt haben und die im Jahr 2024 heimgerufen wurden:

Konrad Eißler, Hülben

Dr. h. c. Siegfried Kettling, Schwäbisch Gmünd

Dr. Fritz Laubach, Solingen

„Gedenkt an eure Lehrer,die euch das Wort Gottes gesagt haben;ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach.“

(Hebräer 13,7)

Inhalt

Christoph Morgner (Hrsg.)

Vorwort

Hans Joachim Eckstein

Bildbetrachtung zum Motiv der Jahreslosung 2025

Veronika Ambrosch

Jeder Tag ist ein guter Tag, neu anzufangen!

Matthias Clausen

So kann Gemeinde sein

Gero Cochlovius

Unterwegs im bunten Orient-Basar

Klaus Jürgen Diehl

Nicht weniger als alles

Tobias Eißler

Welches Auto passt? Und welches Evangelium?

Friedmann Eißler

Gott traut es dir zu!

Volker Gäckle

Den Geist Gottes nicht herausfiltern

Ernst-Wilhelm Gohl

Prüfen und dem Bösen Widerstand leisten – meine Großeltern in der NS-Zeit

Klaus Göttler

Fördert oder hindert es das Leben?

Frank Heinrich

Waypointer

Eva Hobrack

„Eine gute Zukunft braucht eine klare Erinnerung“

Johannes Holmer

Nicht mein, sondern sein Wille geschehe

Josip Juratovic

Lass uns reden

Jörg Kailus

Was wir behalten

Albrecht Kaul

#meinspring

Steffen Kern

Freie Bahn für das Gute

Ursula Koch

Das Gute behaltet

Thomas Kröck

Dankbar für die Vielfalt in Gottes Garten

Gerhard Krömer

Eine Predigt beurteilen

Martin Landmesser

Der Busfahrer Abu Ali und die blinden Kinder

Cornelia Mack

Negative Selbstbeurteilungen prüfen

Konstantin Mascher

Unterscheide und entscheide

Jürgen Mette

Wer prüft eigentlich die Prüfer?

Christoph Morgner

Von Pilzen und anderen Gefährdungen

Luitgardis Parasie

Liebesbriefe und dicke Ordner

Ulrich Parzany

Leichter gesagt als getan?

Thomas Rachel

Das Wort Gottes – der rechte Kompass im Marschgepäck

Ralf Richter

Man muss alles mal probiert haben …

Margitta Rosenbaum

Wenn alles auf den Prüfstand kommt

Maike Sachs

Aussortiert

Martin Scheuermann

Die Jesus-Ökumene

Sibylle Seib

Entscheidung für Gutes und Schönes

Manfred Siebald

… das muss der Bauer unbedingt kennenlernen

Gerdi Stoll

Du stellst meine Füße auf weiten Raum

Silke Traub

Prüfungssonntag

Iris Völlnagel

„Prüfen, aber wie?“

Gerold Vorländer

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder!

Ernst Günther Wenzler

„Land of the unexpected“

Elke Werner

Geprüft und gelebt

Bärbel Wilde

What would Jesus do?

Birgit Winterhoff

Wegweiser

Christoph Zehendner

Gletscherlektion

Peter Zimmerling

Verantwortliches Leben

Vorwort

Das habe ich mir beim Start im Jahr 2010 nicht vorstellen können: Bereits zum fünfzehnten Mal geht jetzt das Buch zur jeweiligen Jahreslosung durchs Land. Jedes Mal findet es ein erfreuliches Echo. Einige Male war es bereits kurz nach Jahresbeginn ausverkauft.

Das wird im Jahr 2025 – so hoffe und bete ich – nicht anders sein. Denn die Jahreslosung erweist sich als nötiger denn je. Was „gut“ ist, das versteht sich nicht von selbst. Verschiedene Gruppen in unserer Gesellschaft vertreten eigene, oft sehr spezielle, ja gegensätzliche Ansichten. Um zu einem Konsens zu kommen, muss man sich zusammenraufen – wenn das überhaupt möglich ist. Manchmal scheint es aussichtslos zu sein. So erlebe ich das derzeit. Ich schreibe das in den Wochen, in denen die israelischen Soldaten auf den grässlichen Angriff der Hamas reagieren.

Was ist „gut“? Wer verhält sich richtig? Da gehen die Meinungen weit auseinander. Das äußert sich derzeit auch in lautstarken Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Unsere Gesellschaft droht in unterschiedliche Interessengruppen auseinanderzufallen. Feindseligkeit liegt in der Luft und vergiftet das Klima. Nicht weniger als unsere freiheitliche Demokratie steht auf dem Spiel.

Hier kommt uns als Christen eine besondere Aufgabe zu – allerdings nicht, weil wir alles besser wissen und uns überlegen dünken. Schließlich stammt das „Gute“, das wir anstreben, nicht von uns, sondern es ist uns vorgegeben. Gottes Offenbarung in der Heiligen Schrift steckt uns Lichter auf. Jesus und seine Apostel lenken unsere Gedanken und Handlungen auf den richtigen Kurs. Das „Gute“, das sie uns einschärfen, ist nicht nur für jeden persönlich heilsam, sondern greift weit über den Einzelnen hinaus. Es dient unserem Land und der gesamten Welt.

In diesem Buch blättern die Verfasser und Verfasserinnen in ihren Erlebnissen und Erfahrungen. Ich danke allen, die mit ihren Beiträgen zum Gelingen dieses Buchs beigetragen haben. Mein ausdrücklicher Dank gilt Dr. Uwe Bertelmann vom Verlag, der alle Artikel sorgfältig lektoriert hat. Des Weiteren danke ich meiner Frau Elfriede, die – wie jedes Jahr – alle Artikel gründlich nach Rechtschreib- oder Grammatikfehlern durchgesehen hat.

Dr. Christoph Morgner, Garbsen

Hans Joachim Eckstein

Bildbetrachtung zum Motiv der Jahreslosung 2025

Wie weise!

Es gibt Lebensweisheiten, denen kann man nicht widersprechen, weil sie vernünftige Lebensweisen beschreiben und Wege zu einem erfüllenden Leben weisen. Dies gilt umso mehr, wenn sie nicht moralisierend daherkommen, aber ihre Moral überzeugt.

„Prüft alles und behaltet das Gute!“, ist ein Ratschlag, der schon im praktischen Alltag hilft. Vor allem erscheint er für die eigene Persönlichkeitsentfaltung wie in jeder Form des Zusammenlebens als lebensfördernd und beziehungsstärkend.

Leichter gesagt als getan

Allerdings vermögen wir das, was wir als gut und lebenszuträglich erkennen, nicht immer ohne Weiteres in unserem Leben umzusetzen. Sind wir doch offensichtlich von unserem vernünftigen Urteil und unserer bewussten Willensentscheidung in unserem Verhalten weniger bestimmt, als wir vorgeben und selbst glauben wollen. So verwundert es nicht, dass der Apostel Paulus zunächst dazu auffordert, sich selbst und seine eigenen Beweggründe, das eigene Urteil und Verhalten bewusst wahrzunehmen und kritisch zu prüfen (1. Korinther 11,28; Galater 6,4).

Angesichts der menschlichen Neigung zur Anpassung an die Mehrheitsmeinung ermutigt Paulus sogar zu einer grundlegenden Erneuerung und bewussten Umwandlung der eigenen Gesinnung, um das wirklich Gute und Zielführende überhaupt prüfend erkennen zu können (Römer 12,2). So preist er diejenigen glücklich, die nach Prüfung ihrer selbst und ihrer Motive in Verantwortung vor Gott und den Menschen ihre Glaubensüberzeugung wahrhaftig und gewiss leben (Römer 14,22–23).

Offen für Neues und bereit für andere

Bereit für Veränderungen sind wir, wenn wir uns gehalten wissen und deshalb Altes loslassen können, um etwas Neues zu ergreifen. Offen für andere werden wir, wenn wir uns selbst wahrgenommen und wertgeschätzt wissen und deshalb unsere Energie nicht nur für unsere Selbstbehauptung benötigen.

Wer hingegen mit sich selbst und seinem Wertgefühl genug zu tun hat, der sucht eher die Bestätigung seiner bestehenden Überzeugungen. Er hält das Gewohnte – selbst wenn es ihm schadet – als solches schon für „das Gute“. Dann wird das noch Unvertraute an sich schon als bedrohlich empfunden und die andere Sichtweise als Infragestellung der eigenen Person. Sosehr Gewissheit und Vertrauen für die offene Suche nach dem für uns Guten befähigen, sosehr erschweren Angst und eigene Unsicherheit eine vorurteilsfreie Prüfung. In Wahrheit gefährden nicht die Glaubensüberzeugung und die Selbstgewissheit unsere Offenheit und Gesprächsbereitschaft, sondern vielmehr der Mangel an Beziehungsgewissheit und Selbstbewusstsein.

Lebendig oder ruhelos? Offen oder unverbindlich?

Führen die Überprüfung von allem und das Drängen auf Änderung nicht auch zu Verunsicherung und Ungewissheit? Kann der dauernde Ruf nach Neuorientierung nicht auch Ausdruck einer Ruhelosigkeit und Unverbindlichkeit sein? Gewiss gibt es als gegensätzliche Gefahr auch die angstbedingte Flucht in die Veränderung. Dass jedem Anfang ein „Zauber“ innewohnen soll, bedeutet noch nicht, dass auf jeder beliebigen Umgestaltung ein „Segen“ liegt.

Im Text der Jahreslosung geht es keineswegs um Rastlosigkeit und Wechselhaftigkeit. Nicht um uns zu entfremden, sollen wir alles prüfen, sondern um mit der Verheißung, derer wir gewiss sein dürfen, noch vertrauter zu werden. Nicht um Erprobtes hinter uns zu lassen, wollen wir uns auf Neues einlassen, sondern um das als gut Befundene in den gegenwärtigen Herausforderungen zu bewähren. Wir „behalten das Gute“ gerade dadurch, dass wir es auch auf unsere neuen Lebensbedingungen anzuwenden wissen.

Wahrnehmen, ansehen und hinhören

Wie Eberhard Münch in seiner künstlerischen Darstellung der Jahreslosung eindrücklich vor Augen malt, äußerst sich diese lebensoffene und beziehungsorientierte prüfende Haltung vor allem in der Fähigkeit der persönlichen Wahrnehmung. Wer nicht ängstlich in sich verschlossen ist und unsicher am Bekannten festklammert, kann andere wirklich wahrnehmen, sie als sie selbst ansehen und ihnen Gehör schenken. Das offene Ohr steht für ein echtes Interesse am Gegenüber. Der zugewandte Blick sucht nicht die eigene Bestätigung, sondern vermittelt Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein ist Theologe, Autor, Referent, Musiker und Poet.

Veronika Ambrosch

Jeder Tag ist ein guter Tag, neu anzufangen!

Angekommen in der mittleren Lebenshälfte merke ich als Mensch, aber auch als Pfarrerin einer sich weit erstreckenden großen Landgemeinde in Oberkärnten/Österreich mehr und mehr, was für mich in meinem Leben konstant ist und Bestand hat oder mir Halt gibt. Aber auch, was bei Belastung oder Beanspruchung von außen wie ein Kartenhaus zusammenfällt, zuweilen erwartet, manchmal aber auch völlig überraschend. Ich glaube: Das nennt man das Leben. Das Leben, das wir, das ich zu leben haben.

Und immer wieder ist dabei zu prüfen, wo ich es selbst lebe und wo ich vielmehr gelebt werde.

Prüfen – dieses Wort kommt aus dem mittelhochdeutschen prüeven, brüeven und meint so viel wie nachdenken, erwägen, beweisen, wahrnehmen, berechnen, erwägend hervorbringen, anstiften, bewirken.

Ich nehme an mir selbst, aber auch als Seelsorgerin wahr, dass vermeintlich Beständiges so manches Mal exakt dann an Wert verliert, wenn ich daran den Maßstab Jesu anlege.

Während in unserer Gesellschaft selbst in Zeiten von Multikrisen und Kriegen oft nur das „Größer!“, „Schneller!“, „Höher!“, „Weiter!“, „Reicher!“, „Erfolg-Reicher!“, … gilt, geht es Jesus allein um die Größe und Weite des Herzens. Er setzt auf menschliche Größe, die sich in der Zuwendung zum Mitmenschen zeigt und die dort zur Entfaltung kommt. Dass wir in diesem Sinne danach streben, „groß“ zu sein und „groß“ zu werden, das ist das Anliegen Jesu und eben die Messlatte, an der wir Christen uns und unseren Umgang miteinander zu prüfen haben! Nach welchen Maßstäben handelt nun Jesus? Was für eine Ethik lebt er selbst? Er hat kein geschlossenes ethisches System entfaltet, sondern an ganz konkreten, einleuchtenden Einzelfällen jeweils einen grundsätzlichen Horizont eröffnet. Maßstab für das Handeln der Menschen nach seiner Ethik ist Gott als Schöpfer (Matthäus 5,43-48). Damit stellt Jesus das Gerechtigkeitsverständnis der Welt fundamental infrage (Matthäus 20,1-15). Gerecht ist ihm zufolge, wer kompromisslos gütig und barmherzig handelt (Lukas 10,30-35). So handeln kann nur, wer wie Jesus sein Vertrauen ganz auf Gott, den er liebevoll Abba (Markus 14,36), mein Papa, nennt, und seine anbrechende Herrschaft setzt.

Als Pfarrerin begegne ich seit mehr als 22 Jahren auch Mitschwestern und -brüdern im Amt; ich habe schon viele Kolleginnen und Kollegen verschiedener Konfessionen (besser) kennenlernen und mit ihnen zusammenarbeiten dürfen, und wir sind einander in kollegialer Beratung und Seelsorge zur Seite gestanden: Sei es auf gemeinsamen Exkursionen und Reisen, bei der Vorbereitung ökumenischer Gottesdienste oder in Pfarrkonferenzen. Von der Lebensgeschichte eines römischkatholischen Kollegen will ich heute erzählen:

Aufgewachsen in einer katholischen Familie erlernte er nach der Pflichtschulzeit im Alter von 15 Jahren den Beruf des Maschinenschlossers und war dann 31 Jahre lang als Lokführer beschäftigt. Er lebte, wie er mir erzählte, ein „weltliches Leben, ganz ohne Glaube“, ohne sein Leben groß zu hinterfragen oder es gar auf den Prüfstand zu stellen. Er trat im Alter von 18 Jahren beherzt und überzeugt aus der Kirche aus. Er war 27 Jahre lang (standesamtlich) verheiratet, hat ein Eigenheim gebaut und lebte 20 Jahre mit seiner Familie, mit seinem Sohn und seiner Stieftochter. Ein einschneidendes Erlebnis war jedoch der Tod seines Vaters, als er Mitte 40 war. „Damals habe ich mir drei Sinnfragen gestellt: Woher kommen wir, wohin gehen wir und warum sind wir hier?“ Insgesamt zehn Jahre beschäftigt ihn daraufhin die Suche nach „der Wahrheit“: „Prüft alles und behaltet das Gute.“ Er stellt sein Leben radikal, im wahrsten Sinne des Wortes von der Wurzel her, auf den Prüfstand und hinterfragt es erbarmungs- und kompromisslos. 2003 pilgert er auf dem Jakobsweg, auf dem er sich selbst auch die Frage stellt, was denn er im Leben falsch mache: „Prüft alles und behaltet das Gute. Nach drei Wochen Gehzeit habe ich das Berufungserlebnis gespürt.“ Das war der Start in sein neues Leben, inklusive Wiedereintritt in die Kirche. Eine Wallfahrt nach Medjugorje hat dann ihr Weiteres dazu beigetragen und ihn in seiner Antwort auf seine Berufung bestärkt: Er, der damals bereits 54 Jahre alt war, machte daraufhin die Studienberechtigungsprüfung und ging ins Priesterseminar in Graz und begann somit mutig, aber auch demütig die achtjährige Priesterausbildung. Er schloss sein Theologiestudium an der Hochschule Heiligenkreuz ab. Es wurde für ihn eine lange Zeit der Prüfung mit vielen Höhen und Tiefen – Prüft alles und behaltet dasGute: „Das Theologiestudium ist eines der letzten wirklichen Abenteuer unserer Zeit. Es führt an die äußersten Grenzen des menschlichen Lebens: Auf den tiefsten Grund unserer Kraft und an den weitesten Horizont unserer Sehnsucht.“ (Christian Bauer*). Mein Kollege wurde schließlich mit 60 Jahren zum Priester geweiht und arbeitet nun schon seit einigen Jahren als Priester und Seelsorger.

Wenn einer „alles geprüft“ und am Ende „das Gute“ für sich „behalten“ hat, dann ist dies in meinen Augen dieser mein Kollege, weil es für ihn sein Lebensweg war und ist. Er sagt: „Ich habe mein Leben für mich persönlich und für meine Nächsten zum Positiven verändert.“ Was ich aus dieser Begegnung und durch meine enge Zusammenarbeit mit ihm gelernt habe? Sehr viel. Unendlich viel. Es ist nie zu spät, neu zu beginnen. Jeder Tag ist ein guter Tag, neu anzufangen. Und dabei das Gute, das sich ohne Zweifel im Vergangenen befindet, zu bewahren und zu behalten. „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,21).

Veronika Ambrosch ist evangelische Pfarrerin im Oberen Gail- und Lesachtal in Oberkärnten/Österreich.

*

Prof. Dr. Christian Bauer, er lehrt Praktische Theologie an der Universität Innsbruck.

Matthias Clausen

So kann Gemeinde sein

„Es ist fast beängstigend“, schrieb ich einem Freund, „ich habe noch keinen Fehler gefunden.“ Gemeint war die Gemeinde, in der ich während meines Auslandsjahrs im Studium in London ein Zuhause auf Zeit gefunden hatte. Davon schrieb ich in meinem Brief (damals, Ende des letzten Jahrtausends, machte man das noch, Briefe auf Papier schreiben).

Eine anglikanische Gemeinde im Stadtzentrum, gut besucht, mit viel „jungem Volk“, aber nicht nur. Es gab sie natürlich, die trendigen jungen Erwachsenen ohne Geldsorgen, mit interessanten Studienfächern und sorgfältig verstrubbelten Haaren. Aber nicht nur. Es gab auch Alte und Arme, es gab Obdachlose und ein besonderes ministry (Arbeitszweig) für Drogenabhängige. Die mehreren Gottesdienste pro Sonntag waren lebhaft und in der Regel ausgebucht. Es gab aber keinen „Starprediger“, wie sie sonst in großen Städten verbreitet sind, und auch keine Star-Musiker.

(„Schau mal, das ist ein berühmter Lobpreis-Leiter“, hatte mir eine Mitstudentin einmal zugeflüstert, als wir eine andere große Gemeinde besuchten. Das fand ich merkwürdig, denn beim Lobpreis geht es ja um den Ruhm Gottes und nicht den von Menschen. Da hätte mir besagter Lobpreis-Leiter sicher zugestimmt.)

Viele Menschen also, unterschiedlich und mit Freude bei der Sache. Und nicht nur das: Predigten ohne Allüren, menschlich entspannt und geistlich bei der Sache, theologisch informiert, mit Liebe zum Wort Gottes und der Erwartung, dass Gott heute zu uns spricht. Ein Gottesdienstablauf, der das Beste beider Welten verband: die Liturgie der anglikanischen Kirche und die Lebendigkeit der charismatischen Bewegung. E-Gitarre und schöner Kirchenraum, moderner worship und die über Jahrhunderte gereiften Texte der Tradition, manchmal auch beides direkt verbunden. Am Ende Vaterunser und Segen, zuvor die Offenheit auch für ein besonderes Reden des Geistes.

Und wieder passierte das alles zugleich entspannt und ernsthaft, ohne jeden pressure (Druck), gefühlsmäßige Höchstleistungen zu vollbringen. Man hatte das Recht zu schweigen, auch das Recht sitzen zu bleiben. Der Geist wurde aber auch nicht „gedeckelt“. Einmal pro Gottesdienst kam ein Abgeordneter des Gemeinde-Gebetsteams nach vorne und gab weiter, welche Eindrücke man im gemeinsamen Gebet vor dem Gottesdienst gesammelt hatte. Wo unabhängig voneinander mehrere den gleichen Eindruck gehabt hatten, hatte dies besonderes Gewicht. Und es klang auch so (ohne dass ich so etwas genauer beurteilen könnte): keine nur rätselhaften Bilder oder geistlichen Allgemeinplätze, sondern teils sehr konkrete Ermutigungen, in etwa so: „Wir haben den Eindruck, Gott möchte den Arbeitslosen in der Gemeinde Folgendes sagen …“

Selbstverständlich konnte man sie dann doch entdecken, die Fehler. Jede Gemeinde hat sie und hätte eine gar keine, wäre sie nicht Gemeinde, weil Gemeinde aus fehlbaren Menschen besteht. Natürlich gab es also auch hier Missverständnisse und Konflikte, Unzufriedenheit und Unvollkommenheit. Und natürlich wirkt manches auch in der Rückschau auf ein spannendes Auslandsjahr besonders golden.

Trotzdem ist es kein Zufall, dass mir diese Gemeinde schnell einfällt, wenn ich über den Vers aus 1. Thessalonicher nachdenke: „Prüft alles und behaltet das Gute“. Das hat man hier versucht: aus dem großen Schatz der christlichen Tradition das Beste zu heben und es für Gemeinde heute fruchtbar zu machen. Nicht als Konsumenten, die sich auf das Angenehme und Einfache beschränken – schließlich konnte man in dieser Gemeinde auch sehr herausfordernde Predigten hören. Schon gar nicht „von oben herab“, als stünde man an einem Buffet und könnte sich aussuchen, was dem eigenen Geschmack entspricht – es gab eben klare lehrmäßige Leitplanken, allen voran die Autorität der Bibel und der Bekenntnistexte, die alle Christen verbinden.

Prüfen und das Gute behalten heißt also gerade nicht „rauspicken“, sondern funktioniert am besten in Demut, mit fast kindlicher Neugier und dem Zutrauen, dass Gott in der ganzen Christenheit aktiv ist und dass wir daher von Christen aller Kulturen und aller Zeitalter lernen können.

Matthias Clausen ist Professor für Systematische Theologie und Praktische Theologie an der Evangelischen Hochschule Tabor.

Gero Cochlovius

Unterwegs im bunten Orient-Basar

Was für ein atemberaubendes Gemisch aus Farbenpracht, Gerüchen und Geräuschen! Ich schlendere auf den gewundenen Gassen der Jerusalemer Altstadt durch den orientalischen Basar, den „Souk“. Ein schillerndes Kaleidoskop von Waren aller Art. Farbenfrohe Stände, die sich bizarr aneinanderreihen. Goldene Lampen mit filigranen Verzierungen, exotische Gewürze, eine halbe Ziege am Fleischerhaken, direkt daneben glitzernder Schmuck, pinke Puppen und Plastikspielzeug für die Kleinsten, Uhren, Radios. Dann ein Fischstand, hübsch garniert mit Schuhen und Lederarmbändern. Der köstliche Geruch von frisch gebackenem Fladenbrot verbindet sich auf abenteuerliche Weise mit dem intensiven Aroma der offensichtlich nicht mehr ganz so frischen Fische und dem erdigen Hauch von Kurkuma und schwarzem Pfeffer, dazu eine kräftige Duftnote Menschenschweiß. Ein lautstarkes Stimmengewirr: Händler preisen ihre Ware an, Touristen feilschen um jeden Schekel, Kindergekreische und das Rufen des Muezzins, das sich in unbekümmerter Dissonanz in das Glockengeläut der Grabeskirche mischt.

Ich tauche gebannt ein in eine Welt wie aus Tausendundeiner Nacht. Eine schier endlose Vielfalt an Eindrücken, die fasziniert und verwirrt zugleich. Bei näherem Hinsehen gibt es einiges, was mich irritiert. Da ist das große Sortiment an Spielzeug-Maschinenpistolen und Panzern – zwischen Flummis und Teddybären! In einer Region voller Gewalt und Terrorismus sollen etwa schon die Kinder im Spiel das Töten lernen? Und dann die unzähligen Markenfälschungen: Sonnenbrillen von Ray-Ban, Adidas-Turnschuhe und Rolex-Uhren – auf den ersten Blick tolle Schnäppchen, bei näherem Hinsehen nur billige Plagiate. Auch beim Kunsthandwerk ist mancher wertlose Ramsch dabei. Doch wer mit prüfendem Blick genau hinschaut, der kann in diesem Basar großartige Stücke finden. Prüft alles und entdeckt das Gute und Echte!

Im Basar der Meinungen und Glaubensprägungen

Szenenwechsel. Nach meinem Bummel durch den Jerusalemer Souk saß ich wieder in meinem Zimmer in der Dormitio-Abtei auf dem Mount Zion, nur ein paar Hundert Meter entfernt. Als junger Theologiestudent nahm ich seinerzeit an einem ökumenischen Studienjahr in Jerusalem teil. Ich schrieb Tagebuch, um die vielen Eindrücke zu sortieren, die Tag für Tag auf mich einprasselten. Eindrücke, die mich zugleich faszinierten und verwirrten. Nicht nur diese beeindruckende Stadt, sondern dazu eine bunte Vielfalt von vielen verschiedenen Meinungen, Glaubensprägungen und Überzeugungen – ein schönes und spannendes Durcheinander wie dieser Orient-Basar, aus dem ich gerade gekommen war. Im Studienjahr waren wir ein bunter Haufen von Katholiken, evangelischen Landeskirchlern und Freikirchlern. Viele waren sehr liberal und bibelkritisch geprägt, andere charismatisch, während ich im Pietismus großgeworden war. Und dann noch die vielen anderen Konfessionen in Jerusalem: die Griechisch-Orthodoxen, die Syrisch-Orthodoxen, die Kopten, Armenier, Äthiopier … und obendrein noch die anderen Religionen wie Judentum und Islam.

Vor diesem Studienjahr war meine Glaubenswelt sehr geordnet und einfach. Ich war mir recht schnell sicher, was richtig und falsch ist, wer gläubig und ungläubig ist. Ich konnte mir beispielsweise kaum vorstellen, dass man als gläubiger Christ Katholik sein konnte! Doch auf einmal erlebte ich, dass ich mich mit katholischen Christen im Glauben an unsern gemeinsamen Herrn Jesus Christus wunderbar geschwisterlich verbunden wusste und dass ich viel von ihnen lernen konnte. Ich staunte, als ich plötzlich bei der mir bis dato völlig fremden orthodoxen Glaubensrichtung viel Gutes entdeckte. Und auch in Begegnungen mit Juden und Moslems merkte ich: Von ihnen kann man einiges lernen! Ich spürte nun, wie bereichernd die bunte Vielfalt von Glaubensprägungen sein kann. Doch zugleich erkannte ich bei näherem Hinsehen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt! Nicht alles ist gut und hilfreich für Glauben und Leben. Und mir kam damals der Bibelvers in den Sinn, der 2025 Jahreslosung werden sollte: „Prüft alles und behaltet das Gute!“

Auch die Welt hier bei uns gleicht einem Orient-Basar, bei dem wir ständig einem unübersichtlichen Gemisch von Einflüssen, Meinungen, religiösen Angeboten und Trends ausgesetzt sind. Gelingt es uns, das Gute und Wahre und vor allem die gute Stimme unseres Herrn Jesus Christus aus dem Wirrwarr von tausendundeiner Stimme herauszuhören? Gelingt es uns, bei Glaubensdingen das Echte zu unterscheiden von wertlosem Ramsch und billigen Plagiaten? „Prüft alles und behaltet das Gute!“

Was ist das Kriterium?

Aber was ist das Kriterium für diese Prüfung? An anderer Stelle drückt Paulus es sehr klar aus, worum es beim „Prüfen“ geht: „[…] damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist“ (Römer 12,2). Dies ist das entscheidende Kriterium: Was entspricht Gottes Willen? Es geht nicht darum, was wir Menschen gerade als „gut“ empfinden, was Zeitgeist und Mainstream als „gut“ definieren, was wir selbst aus unserer eigenen Tradition als „gut“ bewerten, oder ob wir uns selbst „gut“ dabei fühlen – es geht allein um den Willen Gottes. Und den finden wir in seinem Wort, der Bibel: Es ist Gottes Wille, dass Menschen zu Jesus Christus finden und gerettet werden (vgl. 1. Timotheus 2,4-6). In diesem Willen drückt sich Gottes unendliche Liebe aus. Was diesem Liebesziel förderlich ist, würde Paulus „gut“ nennen.

Das Paulus-Motto „Prüft alles und behaltet das Gute!“