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Pest, Cholera, Grippe und Corona: Pandemien schreckten die Menschen immer wieder. Multiresistente Keime sind ein zusätzliches Problem. Was wäre, gäbe es ein Antidot aus dem Mittelalter dagegen? Im vierten Teil des Fantasy-Abenteuers Rabenherz sitzen Margarethe, Seraina und Rudy im Lockdown fest und überlegen, wie sie mithelfen könnten, die aktuelle Pandemie buchstäblich im Keim zu ersticken. Dabei gerät Margarethe doppelt in einen Strudel: erstens verliebt sie sich zum ersten Mal Hals über Kopf; zweitens landet sie wie schon oft mit ihren Freunden und ihrem klugen Raben in einer gefahrvollen Vergangenheit. Rudy erkrankt dabei schwer. Nun gilt es erst recht, das geheimnisvolle Gegenmittel aus dem Mittelalter zu finden. Tatkräftige Unterstützung erhalten die Freunde von Leon, Margarethes Schwarm. Doch gegen den finsteren Londoner Hexer Pandemios scheint kein Kraut gewachsen. Mit Rabe und Schwert stellen sie sich ihm mutig in den Weg.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Prolog
1 Lockdown
2 Eine tödliche Kombination
3 Der Plan
4 Liebe in Zeiten der Pandemie
5 Vom Ursprung der Quarantäne
6 Ein Schwert ohne Griff und Klinge
7 Venedig sehen und sterben
8 Leon Löwenherz
9 Gefangen
10 Türmen will gelernt sein
11 Ein Panda zu viel, ein Plonk zu wenig
12 Die Spuren sind kalt
13 Zurück in der Zukunft?
14 Rabe, Spuk und Sprung
15 Ab ins Kloster
16 Eine Lektion in Kräuterkunde
17 Zündende Idee verzweifelt gesucht
18 Pandemios’ Grande Finale
Epilog
Anhang (Dank, Autorinnen-Portrait, Literaturverzeichnis)
für meine tapfere Tochter Désirée und meine wackeren Patenkinder Jasmin und Florin, die auch gerne in anderen Zeiten für die Rettung der Welt kämpfen, von Mama/Gotti
für die mitfiebernde Lisa, die schneller lesen will als ich schreiben kann, von deinem Gotti
«Acqua!», röchelt die Frau, aber niemand beachtet sie in dem turbulenten Treiben. Stöhnen und trockener Husten erfüllen den Raum, welcher vollgestopft mit Menschen ist; unangenehmer Geruch nach Krankheit und Fäulnis liegt in der Luft. «Acqua!», keucht die Kranke erneut, mit immer schwächer werdender Stimme. Auf einem wackligen Tisch steht ein angeschlagener Tonkrug, um welchen Fliegen kreisen. Aus der Kochnische mit ihrer Feuerstelle, über welcher ein Kessel an einer Kette hängt, riecht es russig und säuerlich. Die Türe knarrt in ihren Scharnieren. Eine seltsame Silhouette, die an einen Geier erinnert, erscheint im Eingang und wirft einen Schatten an die schmutzige, unverputzte Mauer gegenüber, an welcher sich Lumpen und Gegenstände türmen. Gejammer erfüllt das Zimmer und wird lauter. Eine Gestalt mit einer langschnäbligen Maske betritt den Raum, sich vorsichtig umsehend, darauf bedacht, den am Boden und auf dreckigen Tüchern liegenden Menschen nicht zu nahe zu treten. Hände versuchen nach dem Besucher zu greifen, Hände von überallher. Leute liegen am Boden, auf Bettstätten, sitzen auf Stühlen und Hockern. Alle sehen elend und verzweifelt aus, manche haben dunkle Male im bleichgelben Gesicht und violette Ränder unter ihren Augen. «Venite, dottore!», ruft eine Frau, die ein Tuch um Gesicht und Kopf geschlungen hat, so dass die Augen nur durch schmale Schlitze sehen. Sie kniet neben einem behelfsmässigen Bett, auf welchem ein Mädchen liegt, welches offensichtlich Fieber hat und hustet. Der Schnabelträger nähert sich, ergreift das Handgelenk des Kindes und verharrt einen Augenblick regungslos. Dann schüttelt er den Kopf. Die Frau bricht in Tränen aus. Der seltsame Vogelmensch hebt die Hand, wie ein Stoppsignal, als warte er auf etwas. Erneut knarrt die Türe, welche wie von Geisterhand wieder ins Schloss gefallen war. Eine weitere Vogelkopfsilhouette wird sichtbar, aber diesmal weisen der lange Umhang und der bodenlange Rock auf eine Frau hin. Man sieht ihr wallendes Haar unter der Maske. Sie tritt zu der weinenden Frau neben dem Kind, kramt in ihrer Umhängetasche und entnimmt ihr einen Tiegel. Sie murmelt ein paar Worte zu der Mutter. Diese deutet eine Verbeugung an und nimmt den Behälter entgegen. Die Vogelfrau blickt sich im Raum um, welcher ein Bild des Jammers bietet. Etwas Kleines bewegt sich, raschelt durch verschmutzte Lumpen. «Ah!», ruft die Medizinerin, dann greift sie erneut in ihre Tasche und fischt einen Beutel oder ein Bündel heraus, welches einen starken Geruch verströmt. Sie öffnet die Türe, welche sich wieder geschlossen hat, nimmt mit den Fingerspitzen etwas aus dem Bündel und wirft es direkt vor die Türe. Mit Gefiepe huschen mehrere mäuseähnliche, aber deutlich grössere Wesen mit Schwänzen, die an Schlangen erinnern, aus dem Schmutz und aus den Lumpen am Boden auf das verdorbene Fleisch zu. Offenbar befriedigt von der Reaktion, nimmt die Vogelfrau einen weiteren Brocken hervor und wirft ihn etwas weiter hinaus auf die Strasse. Weitere Ratten kriechen aus ihren Verstecken und stürzen auf den Leckerbissen zu. «Basta la malattia!», ruft die Frau, dazu ein paar Grussworte auf Italienisch, bevor sie wieder hinausgeht. Die Ratten halten einen Festschmaus, und manche folgen der Gönnerin, welche bereits einen weiteren Happen bereit macht und sich zum Gehen wendet. «La pazza», flüstert ein alter Mann, der sich kaum aufrecht halten kann, seinem Nachbarn zu, welcher im Fieberrausch kaum noch reagiert. «Nix pazza, das ist sogar sehr schlau!», ruft ein junger Mann, der eine Brille trägt und mit Schweisstropfen auf der Stirne an der Wand lehnt. «Sie lockt die Ratten weg. Und die Ratten verbreiten die Krankheit.» – «Non capisco!», winkt der Alte ab. Der Junge stöhnt und versucht sich aufzurichten, aber seine Kräfte lassen nach. Der Mediziner mit der Schnabelmaske würdigt ihn keines Blickes, während er seine Runde macht, umgeben von Geschrei. «Aiuto!» «Signore, pietà!»
Da erkennt der Junge im schummrigen Licht der Baracke eine junge Frau, die ihr Gesicht nicht geschützt hat. «Raina! Bist du wahnsinnig?», ruft der junge Mann. – «Rudy, endlich habe ich dich gefunden!» Mit besorgtem Gesicht beugt sich die hübsche Frau mit ihren langen, dunklen Haaren über den Kranken. «Hat es dich auch erwischt?» – «Schütze dein Gesicht, du brauchst eine Maske!», ermahnt er sie mit schwacher Stimme, «Wo ist Mäggy?» – «Ich hoffe, sie ist wohlauf, sie ist verschwunden. Ich verstehe das nicht.» – «Ich habe Angst um sie! Der diabolische Kerl hat angedroht, uns krank zu machen, und bei mir hat er es bereits geschafft. Ich hoffe, sie haben Mäggy nicht gefangengenommen und mit der Pest infiziert!» – «Mal den Teufel nicht an die Wand! Ich habe dich gefunden, und wir werden Mäggy finden – oder sie uns! Plonk ist – glaube ich zumindest – bei ihr!», spricht Seraina zuversichtlich. «Ich habe die Frau mit der Maske gesehen; sie hat die Ratten fortgelockt!» – «Fantastisch! Ich sagte doch, das ist das Einzige, was hilft!» – «Jetzt brauchen wir aber eine Medizin, und zwar dringend – für dich, du Armer!» Rudy lächelt schwach: «Wir werden sie finden! Aber nicht hier in Venedig im Jahre 1348, sondern in London, drei Jahrhunderte früher. Diese Medizin wird nicht nur mich retten, sondern auch unsere Welt im Jahr 2021!»
«Das ist ja nicht auszuhalten!», jammert Margarethe. «Mama ist total hysterisch! Sie will mich zuhause einsperren!» – «Das ist ja furchtbar!», reagiert Seraina mit echtem Entsetzen. «Du Arme! Meine Tante ist auch beunruhigt, aber sie nimmt das noch relativ cool. Wie es Rudy wohl geht?» – «Rufst du ihn an, oder soll ich?» – «Ich mach das schon, aber lass uns doch möglichst bald treffen, so richtig, am See, vielleicht ist es das letzte Mal für ziemlich lange!» Margarethe findet den Vorschlag ihrer besten Freundin ausgezeichnet. Sie fühlt sich nämlich schon beim blossen Gedanken, bald nicht mehr ins Freie zu dürfen, wie ein Tiger im Käfig. Eingesperrt sein, nicht hinaus dürfen, das findet die freiheitsliebende Naturfreundin, die gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist und den Wald liebt, unerträglich. Sie vermisst Plonk und macht sich Sorgen um ihren Raben.
Wie konnte es nur so weit kommen? Es hatte so harmlos angefangen, mit Nachrichten aus dem fernen Asien von einem Virus, welches eine ungewohnt heftige Grippe auslöste. Dann wurde es ernster, die ersten Toten waren zu beklagen – zwar ebenfalls noch weit weit weg, aber das Damoklesschwert einer Pandemie war geschmiedet. In Europa und Amerika wurden die Menschen immer unruhiger, Politik und Wissenschaft kamen nun richtig in Fahrt. Die Virologen stritten sich mit den Bakteriologen. Letztere behaupteten, das Virus sei nur der Wegbereiter für eine Superinfektion mit gefährlichen Bakterien. Erst diese machten die Krankheit lebensbedrohlich. Die Virologen konterten, die Bakterien seien ja nur Trittbrettfahrer, und wer schon schwer mit den Viren zu kämpfen hatte, dem gaben die Bakterien lediglich den Rest. In der Politik hatte man erst zögerlich von Massnahmen wie Lockdown, Ausgangssperre und Grenzschliessungen gesprochen, aus Angst, die Wirtschaft zu lähmen. Doch bald mehrten sich die Stimmen vom linken bis zum rechten Parteien-Spektrum, die drastische Massnahmen forderten, um Menschenleben zu schützen.
Die Krankheit war zwar beunruhigend, aber noch so fern, dass sich die Schweizer, die keinen Kontakt nach Asien hatten, noch nicht besonders ängstigten. Aber dann kam die Seuche näher, nach Italien, und breitete sich dort mit furchterregender Geschwindigkeit aus. Die Medien taten das Ihrige, um Besorgnis auszulösen, die bald schon in Panik mündete, als die ersten Krankheitsfälle in der Schweiz auftraten. Und es wurden immer mehr. Als die täglichen Neuinfektionen drohten, vom drei- in den vierstelligen Bereich zu wechseln, dann ging es blitzschnell: Grossanlässe wurden verboten, darunter die Basler Fasnacht und das Zürcher Sechseläuten, das die Nachkommen der Zünfter in Zürich zum Frühlingsanfang feierten; Konzerte wurden abgesagt und dann innert kürzester Zeit die Schulen geschlossen, ebenso die Museen, Schwimmbäder und alle Läden, die keine Lebensmittel vertrieben. Die Bundesräte liessen jeden Tag neue Empfehlungen verlauten und sprachen gar von einer Ausgangssperre, wie sie bereits in anderen Länder verhängt worden war. Vorläufig wurden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger angehalten, zuhause zu bleiben – als Empfehlung, nicht als Befehl. Margarethe, Seraina und Rudy hatten kopfschüttelnd auf die ausbrechende Panik reagiert.
Der «Lockdown» stand also kurz bevor, alles sollte dichtgemacht werden. Das war wohl die letzte Gelegenheit, noch einmal ihre Freunde zu treffen. Per Nachrichten-App verabredeten sie sich beim Arboretum. Wegen des kalten Wetters finden sich alle drei noch in Winterjacken ein, dennoch kaufen sie sich ein Eis bei der immer gut gelaunten Eisverkäuferin Tina, die ihren Stand direkt am See und eine Riesenauswahl von Getränken und Glacé hat.
Sie plaudern mit Tina und lassen sich dann auf einer Bank mit Blick auf das Seebecken nieder. Die ersten Segelschiffe sind schon bereit; die Kursschiffe haben noch Winterfahrplan, daher ist der Seespiegel an jenem Tag ungetrübt. Rudy ergreift als Erster das Wort: «Na, was haltet ihr von der ganzen Sache?» – «Reichlich viel Panikmache», erwidert Seraina. «Wenn du Radio hörst oder Zeitung liest, denkst du, du seist in einem Katastrophenfilm gelandet.» – «Das magst du doch, oder, Rudy?», neckt ihn Margarethe. «Diese apokalyptischen Filme. Jetzt stecken wir mittendrin!» Rudy schüttelt den Kopf und hat den Blick auf sein Smartiefon gerichtet, auf welchem er die Nachrichten verfolgt: «Ach was, die überreagieren völlig! Typisch Medien! Hauptsache, es klingt nach einer Sensation, das brauchen die Leute halt!» Margarethe wird nachdenklich: «Aber könnte nicht etwas dran sein? Ich meine, so ein Virus ist doch nicht aus der Luft gegriffen!» – «Das ist doch ein abgekartetes Spiel!», ruft Seraina empört. – «Aber warum?», fragt Margarethe, «Wer gewinnt etwas, wenn die Läden geschlossen und die Restaurants dicht sind? Da verlieren so viele Menschen ihre Arbeitsplätze!» – «Eben! Das ist eine Katastrophe für die Wirtschaft!», regt sich Rudy auf. «Ein Krankheitserreger sollte kein Grund zur Panik sein!» – «Moment mal, es geht doch um Menschenleben, und es heisst, besonders ältere Leute könnten ganz schlimm erkranken und sterben. Wie das in Asien passiert ist und jetzt in Italien. Das müssen wir schon ernst nehmen!», wendet Margarethe ein. Seraina braust auf: «Eben, genau das ist das Problem! Gewisse Kreise gaukeln uns vor, es wäre furchtbar schlimm, und nutzen das aus, um uns zu gängeln! Das ist der Beginn einer Diktatur!» – Margarethe schaut ihre Freundin entgeistert an und ist noch verwunderter, als Rudy Seraina beipflichtet: «Ja, in der Tat, so fangen Diktaturen an!»
«Worüber regt ihr euch denn so auf?», hören sie eine wohlbekannte Stimme und drehen sich um. Hinter ihnen steht Gerhard Ulstein, genannt «Gul» oder «Gerry», der früher als Margarethes Peiniger Furore gemacht hat, nach einem unfreiwilligen gemeinsamen Abenteuer auf Mäggys Seite wechselte und seither sehr nett zu ihr ist. Meist ist er in Begleitung von zwei «Bodyguards», wie es das Trio um Margarethe nennt, zwei kräftigen Kerlen, die aber grundsätzlich freundlich sind. Margarethe vermutet aber, je nach Situation können sie auch anders. An jenem Tag sind die friedlich, als sie, jeder mit einem Eis bewaffnet, zu dem Grüppchen auf dem Bänkchen am See stossen. «Hallo Gerry», begrüsst ihn Margarethe. Sie ist sich nicht sicher, ob sie ihn nett finden sollte oder etwas aufdringlich. Seit sie eng mit Seraina und Rudy befreundet ist, lässt er sie ihn Ruhe, obwohl sie in die gleiche Klasse gehen. Aber ihre Interessen sind sehr unterschiedlich. Er schickt ihr einen tiefen Blick, und seine Stimme trieft vor liebevoller Ironie, als er sie anspricht: «Liebste Mäggy, es freut mich so, dich zu sehen! Aber worüber regt sich denn dein kleiner Freund auf?» Damit spielt er auf Rudys Körpergrösse an, welche auch mit sechzehn Jahren noch ziemlich klein für sein Alter ist. Gerry dagegen ist schon immer ein kräftiger Kerl gewesen und in letzter Zeit stark gewachsen. Da Margarethe und Seraina auch eher gross gewachsen sind, sieht es für andere vielleicht komisch aus, wenn der kleine Rudy mit den grossen, schlaksigen Mädchen unterwegs ist, was meistens der Fall ist. Rudy schickt Gerry einen bösen Blick, und Seraina antwortet für ihn: «Wir sprechen über die neue Diktatur in der Schweiz!» – «Tja, ich hatte immer schon geträumt, als Diktator Karriere zu machen», spottet Gerry. «Wobei die Geschichte schon mehrfach gezeigt hat, dass Diktatoren meist kleinwüchsig sind.» Rudy springt auf, und seine Freundinnen wollen ihn zurückhalten: «Willst du Ärger, du hirnloser Schrank?» – «Gerne, du halbe Portion; ich habe heute noch keinen Zwerg verdroschen!», grinst Gerry, worauf Seraina sich hoch aufrichtet und ihm einen strafenden Blick sendet: «Du bescheuerter Macho, halt die Schnauze!» – «Oh, die Dame verfügt aber über ein undamenhaft loses Mundwerk!», quittiert er ihre Einmischung. «Als weiblicher Bodyguard gehört sich das wohl so. Rudy, ich beneide dich um deinen Harem!» Margarethe versucht, sich nicht provozieren zu lassen, aber die Atmosphäre ist aufgeladen.
In diesem Moment räuspert sich jemand laut. Die sechs Teenager wenden ihre Köpfe der Quelle des Geräusches zu und gewahren drei Polizisten, die mit in die Hüfte gestützten Händen dastehen, in voller Montur und bewaffnet, und die Jugendlichen mustern. Gerry zuckt zusammen: «Was ist? Wir haben nichts verbrochen!» – «Habt ihr keinen Newsticker auf euren Smartiephones?», fragt die Beamtin, die mit zwei Kollegen auf Patrouille ist. – «Wer tickt nicht richtig?», prustet Gerrys Kollege heraus, und die drei Jungs grölen. – «Etwas Anstand, bitte, sonst nehmen wir euch mit auf den Polizeiposten!», droht die Polizistin. Jetzt werden die Jungs nervös. Einer der Beamten spricht: «Laut offizieller Verlautbarung der Behörden sind Versammlungen von mehr als fünf Personen in der Öffentlichkeit verboten. Entweder ihr teilt euch auf, oder wir müssen euch eine Busse verteilen.» – «Okay, okay, wir gehen ja schon!», beschwichtigt Gerry die Beamten und wendet sich zum Gehen. «Kommt, Männer, Abmarsch! Tschüss, Mäggy!» Er winkt Margarethe und ignoriert Seraina und Rudy geflissentlich. Die Beamten sehen ihm kopfschüttelnd nach und wenden sich dann an das Trio auf der Bank: «Euch dreien raten wir, mehr Abstand zu halten. Zwei Meter sind Vorschrift. Wegen der Ansteckungsgefahr. Es ist zu eurem Besten!»
Als die Polizistentruppe ausser Hörweite ist, murmelt Rudy: «Da seht ihr’s: Wir haben schon den reinsten Polizeistaat!» – «Dazu kommt, dass immer mehr Leute Masken tragen», bemerkt Seraina. «Ich glaube, das ist eine Verschwörung von religiösen Fundamentalisten, welche die Frauen zwingen wollen, sich zu verschleiern!» Rudy und Margarethe sehen sie fragend an: «Machst du jetzt Witze, Raina, oder meinst du das im Ernst?» Alle drei sind verunsichert.
Da klingelt Margarethes Smartiefon, ein grosses «Mama» pulsiert auf dem Bildschirm. Sie nimmt ab und vernimmt die vertraute Stimme ihrer Mutter, die sehr angespannt wirkt: «Mäggy, komm sofort heim, da draussen holst du dir noch die Seuche! Dein Vater hat angerufen, er ist sehr besorgt, er hat mit einem befreundeten Ärzte-Paar gesprochen, das gerade die neusten Studien gelesen hat. Das ist keine normale Grippe, die da grassiert, die Kombination von Virus und Bakterium kann tödlich enden!» – «Okay, Mama, mach dir keine Sorgen, ich bin hier nur mit Rudy und Raina, es sind kaum andere Leute da, ich verabschiede mich noch und komme gleich heim, versprochen.» – Und mit bleichem Gesicht dreht sie sich zu ihren Freunden und sagt: «Mein Papa hat gehört, dass Forscher rausgefunden haben, dass die Kombination von Virus und Bakterium ziemlich tödlich ist.» – «Ziemlich tödlich? Also ziemlich tot zu sein ist schwierig anzustellen… tot ist tot, Klappe zu, aus die Maus», frotzelt Rudy, Seraina grinst. Margarethe seufzt. Sie begreift nicht ganz, dass sich ihre besten Freunde so sarkastisch äussern können, da es um Menschenleben geht. Zudem machen die Polizisten ja nur ihren Job, von wegen Diktatur.