Rack - Geheimprojekt 25: Episode 3 - Ann-Kathrin Karschnick - E-Book

Rack - Geheimprojekt 25: Episode 3 E-Book

Ann-Kathrin Karschnick

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Beschreibung

19. Jahrhundert Victoria in Großbritannien Bei der Observation eines Offiziers aus "The Sticks" Privatarmee gelangt Rack an erste Informationen zu den Plänen seines bisher noch unbekannten Gegners. Rack und seine Bande wollen verhindern, dass ein Wissenschaftler für "The Stick" arbeitet. Doch um das zu verhindern, müssen sie ihr bisheriges Versteck verlassen und sich offen gegen "The Stick" stellen. Band 3 des Steampunk-Thrillers schweißt die Außenseiter noch näher zusammen. Doch kann es gutgehen, wenn fünf Einzelgänger zusammenarbeiten? Und haben sie gegen die Übermacht von "The Sticks" Ressourcen überhaupt eine Chance?

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RACK

Geheimprojekt 25

Episode 3

 

 

 

Ann-Kathrin Karschnick

 

 

 

 

 

Weitere Fantasyromane der Autorin:

 

Stollenbruch

Phoenix – Aschegeboren (Teslapunk-Dystopie-Krimi, Band 1)

Phoenix – Flammenmeer (Teslapunk-Dystopie-Krimi, Band 2)

Phoenix – Himmelsbrand (Teslapunk-Dystopie-Krimi, Band 3)

Feuerritter – Lauernde Mächte (High Fantasy)

Feuerritter – Kampf um Teinemaa (High Fantasy)

Ein alter Hut (phantastisches Jugendbuch)

Weltenamulett – Das Erbe der Trägerin (Urban/Portal Fantasy)

Weltenamulett – Geister der Vergangenheit (Urban/Portal Fantasy)

Weltenamulett – Gezeitenwinter (Urban/Portal Fantasy)

Splittermond – Jenseits der Seidenstraße (Rollenspielroman)

Assassin’s Wood – Bürokratie kann tödlich sein (FUNtasy)

Im Namen des Ordens – Staffel 1-5 (Paranormal Crime, Hörbuch)

 

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Rack

Kapitel 2 – Theo

Kapitel 3 – Rack

Kapitel 4 – Theo

Kapitel 5 – Rack

Kapitel 6 – Theo

Kapitel 7 – Rack

Kapitel 8 – Theo

Kapitel 9 – Rack

Kapitel 10 – Theo

Kapitel 11 – Rack

Kapitel 12 - Theo

Kapitel 13 - Rack

Epilog - Jean

 

Kapitel 1 - Rack

 

Der Streit vom Vorabend mit Lady C steckte mir noch in den Knochen. Sie musste mich ja auf meine Medizin ansprechen. Dabei war die bei weitem nicht das größte Problem, das vor uns lag.

Ich saß schon die halbe Nacht vor dem Koffer, den Marcus und ich aus dem Lagerhaus gestohlen hatten. Das Öffnen des Schlosses war ein Klacks gewesen. Der Sicherheitsmechanismus im Innern hingegen war weiter entwickelt als alles, was mir bis dahin untergekommen war. Hauchdünne Messer glitten in unregelmäßigen Abständen über den Gegenstand, der in einer Art blickdichtem Kautschuk lag. Die rotierenden Klingen machten es mir völlig unmöglich, genau zu erkennen, was sich unter ihnen befand. Der Koffer war nicht höher, als mein Oberarm dick ist. Der Großteil im Innern war mit Stoff überzogen und nur ein runder Ausschnitt von etwa zehn Zentimetern bot Platz für … Ja, was?

»Guten Morgen, Rack.« Theo stand vor mir, streckte sich und schaute auf das Uhrwerk an der Wand. Gleich nach meiner Ankunft hatte ich es mit meiner Taschenuhr abgestimmt, so dass wir stets wussten, wie spät es war.

»Theo«, entgegnete ich. Es wurmte mich, dass mir keine Lösung für diesen Mechanismus einfiel. Ich fand keine geheimen Druckknöpfe, weder außen, noch innen. Es gab kein Schlüsselloch, um den Mechanismus auszuschalten, und keinen Hebel, der alles stoppte. Doch jedes Mal, wenn ich den Deckel zuklappte, verstummten die Messer. Schnitten sie vorher noch durch den Stoff oder schlugen aneinander, wurde es totenstill, sobald ich ihn zuklappte.

»Rack?«, fragte Theo und stand vor mir.

»Was ist?«

»Alles okay? Ich habe dich was gefragt.«

Ich hob den Kopf und löste mich von dem Rätsel, das ich nicht lösen konnte. »Nichts mitbekommen.«

»Das habe ich gemerkt. Ich habe dich gefragt, ob du geschlafen hast. Aber wenn ich mir deine blutunterlaufenen Augen anschaue, kenne ich die Antwort bereits.«

»Dieser Koffer …« Ich schlug den Deckel zu und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Du hast also noch nichts herausgefunden?«, fragte Theo und stellte mir einen Becher auf den Koffer, aus dem heißer Dampf aufstieg.

Für einen kostbaren Moment glaubte ich, dass er noch einen Rest Tee gefunden hatte. Als ich an dem Becher roch, legte sich jedoch der Geruch von Zitronen auf meine Zunge.

»Kommt darauf an, wie du es siehst. Herausgefunden habe ich sieben Möglichkeiten, wie man den Mechanismus nicht stoppen kann. Ein Fortschritt ist es also. Irgendwie. Mir fehlt nur der richtige Gedanke.« Ich wedelte mit der Hand in der Luft, unter anderem, um den stechenden Geruch nach Zitrone aus meiner Nase zu bekommen. »Brabbel bitte wie immer vor dich her. Manchmal kommt was Sinnvolles dabei heraus.«

»Ich freue mich, dass dir meine Intelligenz eine solche Hilfe ist.« Theo stand auf und lief über die Brücke. Das hatte er schon beim ersten Besuch getan, aber diesmal blieben ihm mehr als ein paar Minuten, um seine Umgebung zu untersuchen. Vermutlich hatte er die ganze Nacht wach gelegen und das Schiff erkundet. Zumindest konnte ich mir nicht vorstellen, dass mein aeronautenvernarrter Assistent sich diese Gelegenheit entgehen ließ und sich der Banalität des Schlafes hingab.

»Wissen wir, welches Schiff das ist?«, fragte er nach einer Weile, als er seinen Rundgang über die Brücke beendet hatte.

»Ich habe nirgendwo Aufzeichnungen gefunden, in denen der Name des Schiffs aufgeführt wird.«

Ich lehnte mich zurück und massierte meine Schläfen. Der Schlafmangel schlug auf meinen Verstand ein, als ob er in der Lage war, einen Hammer zu benutzen.

»Hast du im Essbereich nachgeschaut? Manchmal wurden die Namen der Schiffe über dem Ausgang eingraviert. Sollte Glück bringen.«

Ich schüttelte den Kopf, während Theo an mir vorbei in Richtung Ausgang stürmte.

»Oder auf dem Steuerrad.«

Ich schüttelte den Kopf, noch bevor er enttäuscht die Luft aus seinen Wangen blasen konnte.

Ich deutete auf eine der Holzpanelle im linken Bereich neben der Fensterfront. Sofort sprang Theo dort hin und untersuchte das Holz.

»Sieht aus, als ob da einst ein Name gestanden hätte, den man aber ausgekratzt hat.« Theo richtete sich auf, drehte sich zu mir und kratzte sich am Kinn. »Irgendwem hat es wohl nicht gereicht, das Luftschiff auf dem Müll zu entsorgen.«

Ich erhob mich, als Jean durch die Tür kam. Tatsächlich war ich überrascht, dass sie noch da war. Bei ihr hätte ich am ehesten vermutet, dass sie verschwindet. Trotz aller Absprachen.

»Ein Rätsel zu seiner Zeit, Theo. Eines zu seiner Zeit.«

Jean warf sich in den erstbesten Stuhl, den sie fand und legte ihren verletzten Fuß auf den Tisch. »Wann gibt es Frühstück?«

»Für dein Rätsel hattest du aber schon einige Jahre Zeit«, sagte Theo und stellte sich direkt neben Jean, ohne ihre Frage zu beantworten. »Da hättest du ruhig herausfinden können, welches Luftschiff das ist.«

»Hätte es mich interessiert, vermutlich ja. Aber so hatte ich besseres zu tun.«

»Wie zum Beispiel?« Theo nahm einen verstaubten Brieföffner in die Hand und spielte damit herum.

»Fälle lösen und neumalkluge Fragen eines kleinen Burschen beantworten.« Ich wandte mich an Jean, um die Namensdebatte nicht weiter ausarten zu lassen. »Frühstück gibt es hier keines, es sei denn, jemand geht freiwillig einkaufen. Die Vorräte hier reichen normalerweise für eine Woche bei zwei Personen. Wir sind fünf Personen und ohne es zu wissen, glaube ich, dass wir länger als eine Woche hier bleiben.«

»Eine Woche?« Jean bewegte ihren Fuß und verzog das Gesicht. »Bis dahin ist mein Fuß wieder einsatzbereit.«

Ich stand auf und ging zu dem Schrank, den ich für die Vorräte vorgesehen hatte. Die Hefter, die zuvor darin gestanden hatten, hatte ich vor einigen Jahren vor die Tür zum Nebenraum gestellt. Inzwischen stapelten sich dort die Hefter, so dass man den Knauf der Tür kaum erkennen konnte. Ich wusste nicht, wofür der Nebenraum diente, denn es war der einzige Raum des Luftschiffs, den ich nicht öffnen konnte. Egal, wie oft ich es versucht hatte. Eintreten war ebenfalls keine Lösung gewesen. Ich hatte mir nur den Knöchel verstaucht, woraufhin ich nach Hause humpeln musste.

Ich öffnete die schmale Tür zu dem tiefen Schrank, der sich optisch perfekt an die Umgebung angepasst hatte. Hätte der Knauf nicht darauf hingedeutet, dass es dort etwas zu öffnen gab, wäre ich daran vorbei gelaufen.

Mit einer Handvoll Trockenfleisch und einem luftdicht verpackten Gemüsebrei kehrte ich zurück an den Tisch und legte die Sachen vor Jean ab.

Jean saß genau vor dieser Tür. Und sie wäre vermutlich dazu in der Lage gewesen, sie zu öffnen. Sollte ich nach Abschluss dieses Falls wieder Lust darauf haben, etwas Neues zu erkunden, dann konnte ich sie immer noch fragen oder mich selbst im Öffnen von komplizierten Schlössern versuchen. Genau wie bei dem Mechanismus dieses Koffers. Es konnte doch nicht so schwer sein, herauszufinden, wie man den Mechanismus stoppte.

Marcus und Lady C traten gleichzeitig ein. Was für ein Bild. Die Gefängniskleidung des ehemaligen Generals im Kontrast zu dem grünen Seidenkleid der hochwohlgeborenen Lady. Noch stärker wäre der Kontrast nur gewesen, wenn Marcus nackt gewesen wäre.

»Guten Morgen.« Marcus hielt Lady C die Tür auf und begrüßte uns alle. Seine Gesichtsfarbe hatte sich eindeutig verbessert, auch wenn er den verletzten Arm immer noch nicht vollständig nutzte. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie lange ein normaler Mensch brauchte, um sich von einer Schussverletzung zu erholen. Irgendwo hatte ich gehört, dass ein Bekannter aus Saintgate vier Wochen gebraucht hatte.

Ich schob den Gedanken beiseite. Bei mir dauerte es keine vier Tage. Der Schlüsselbeinbruch war inzwischen verheilt. Vermutlich auch dank meiner völligen Entspannung durch die Medizin am Vortag.

»Guten Morgen ihr beiden. Gut geschlafen?«, fragte ich.

Lady C bedachte mich nicht einmal mit einem Kopfnicken. Stattdessen schritt sie über die Brücke, als ob sie ihr gehören würde.

Jeans Schmatzen begleitete ihre Schritte. Sie hatte sich inzwischen über das Trockenfleisch hergemacht. Noch während sie kaute, versuchte sie den luftdichten Verschluss für den Brei zu öffnen.

Marcus nickte. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mal in einem Luftschiff schlafen würde.« Er schnaubte und setzte sich zu Jean.

»Lieber so, als draußen an der frischen Luft«, murmelte Jean und stopfte sich das nächste Stück Fleisch in den Mund. Für ihre zierliche Figur besaß sie einen gesunden Appetit.

»Lieber draußen, als so«, erwiderte Marcus leise und drehte sich auf der Brücke, als ob er einen Geist gesehen hätte. »Wie sieht der Plan aus? Gestern Abend wolltest du ihn noch nicht mit uns teilen - meintest, du bräuchtest eine Nacht. Die hattest du.«

Ich bat Theo und Lady C Platz zu nehmen und stellte mich an den Kopf des Tisches. Eine gewisse Aufregung erfasste mein Herz und fing an, damit zu tanzen. Ich schlug einen langsamen Tanz vor, aber mein Herz wählte einen Wiener Walzer als Taktschritt. Warum? Gute Frage. Ich war nicht aufgeregter als sonst. Einen Plan zu schmieden und ihn auszuführen, bildete einen eigenen Reiz für sich. Doch normalerweise hingen nicht so viele Leben von mir ab. Diesmal war es nicht nur Theo, der mir jedes Jahr aufs Neue schwor, dass er mich bedingungslos unterstützte. Es war ein Ritual, das ich vier Jahre zuvor eingeführt hatte. Vorher hatte Theo nur im Büro geholfen und beim Haushalt unterstützt. Inzwischen jedoch begleitete er mich bei den Außeneinsätzen. Da ich seinem Vater versprochen hatte auf ihn aufzupassen, fragte ich ihn jedes Jahr an seinem Geburtstag, ob er etwas anderes machen wolle. Er antwortete dann stets mit: »Nein, ich bin genau dort, wo ich sein soll.« Seine Antwort würde sich mit Sicherheit erst ändern, sofern er je an der Aeronautenschule angenommen werden würde.

Ich klopfte auf den Tisch, zog so die Aufmerksamkeit dieser außergewöhnlichen Mischung an Menschen auf mich.

»Gut, der Plan ist relativ simpel.« Ich atmete tief ein. »Marcus war so freundlich, uns den Namen eines hochrangigen Offiziers zu verraten. Den werden wir ausspionieren. Wir werden ihn belagern, ihn belauschen und keine Sekunde aus den Augen lassen. Alles, was er sagt – und sei es noch so bedeutungslos –, notieren wir und werten es hier in unserer Zentrale aus. Wir finden heraus, mit wem er verkehrt, von wem er Aufträge erhält und wer noch zu seiner Organisation gehört.«

Jeans Hand ging nach oben. Zwischen ihren Fingern hing ein Stück Trockenfleisch.

Überrascht über eine Frage noch während der Erklärung, nickte ich ihr zu. »Müssen wir es Zentrale nennen?«

»Wie bitte?«

»Müssen wir es Zentrale nennen. Der Name ist dämlich.«

»Da hat sie recht.« Theo nickte. »Vielleicht sollten wir es Mittelpunkt, Einsatzort oder Kern nennen.«

Lady C mischte sich mit ein. »Kern ist ein wenig negativ behaftet, wenn man bedenkt, dass so das Erstinvasionsschiff der Franzosen hieß. Kein gutes Omen für eine Zentrale. Was spricht gegen Zentrale?«

»Zentrale ist so altmodisch«, winkte Jean ab. »Wir brauchen etwas Außergewöhnliches, etwas Modernes. Sowas wie Fuchsbau oder Tenne.«

»Ist es nicht egal, wie es heißt?«, warf Marcus ein. »Es ist ein Luftschiff und zufällig unser Stützpunkt.«

»Da, Stützpunkt klingt doch super«, sagte Theo und wedelte mit der Hand in Richtung Marcus.

»Stützpunkt ist ein militärischer Ausdruck. Und ich bin kein Soldat.« Jean verschränkte die Hände vor der Brust und warf sich auf ihrem Stuhl zurück.

Ich starrte alle mit offenem Mund an. »Diskutiert ihr jetzt ernsthaft über den Namen, statt über den Plan?«

Alle verstummten für einen Moment.

»Ein Name ist wichtig.« Lady C brach als Erste die Stille. »Das hilft, den Teamgeist zu fördern.«

»Und ihr glaubt, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, um das hier und jetzt auszudiskutieren? Während wir versuchen, einen der größten Unterweltbosse von Victoria zu fangen?«

»Wenn nicht jetzt, wann sonst?« Lady C’s Stimme war so eisig, dass ich glaubte jeden Augenblick Eiskristalle aus ihren Fingerspitzen wachsen zu sehen. »Wenn wir The Stick besiegt haben, gibt es für einen Namen keinen Grund mehr.«

»Brücke!«, entfuhr es Jean und sie grinste bis über beide Ohren. Ein beängstigender Anblick. Auch wenn sie erst einige Tage bei uns war, hatte sie noch nie gelächelt. »Wir nennen es Brücke. Und falls wir sagen müssen, wo wir uns treffen, vermutet jeder, dass es eine der Brücken über dem Fluss gemeint ist.«

»Das ist ein guter Vorschlag. Gefällt mir«, stimmte Theo zu.

Auch Lady C nickte. Der einzige, der sich an dieser Diskussion nicht beteiligte, war Marcus. Er saß unbeteiligt da, als ob er keine eigene Meinung hatte.

»Meinetwegen«, gab ich schließlich nach, um voranzukommen. »Dann heißt unser Treffpunkt ab sofort Brücke.«

Jean schaute wie ein kleines Kind, das den ersten Kuchen aus Schlamm gebaut hatte und ihn nun stolz ihren Eltern präsentierte.

»Können wir dann weitermachen?«, bat ich und konnte den genervten Unterton nicht aus meiner Stimme verbannen.

»Wir warten nur auf dich.«

Ich atmete durch und begann noch einmal von vorne. »… auf unserer Brücke auswerten. Sobald wir wissen, wer mit ihm zusammenarbeitet, können wir gegen sie vorgehen. Wie und wann genau, müssen wir sehen, aber zunächst müssen wir Informationen sammeln. Jede Menge Informationen. Denn alles, was wir bisher wissen, lässt sich auf meiner Handfläche notieren.«

Marcus hob die Hand. »Haben wir Papier, auf dem wir alles notieren können?«

»Die Rückseiten der Papiere aus dem Luftschiff. Liegen gestapelt hinter dir. Nehmt euch, was ihr braucht.«

Theo öffnete den Mund, während seine Augen weit aufgerissen waren. Ich stoppte ihn mit einer Handbewegung. »Nein, es liegt auf dem Müll, niemand will es mehr haben. Also können wir es benutzen.«

Marcus stand auf und ging an mir vorbei zur Treppenstufe, die zum Absatz des Steuerrads hinaufführte.

»Was machst du da?«, fragte ich.

»Es gibt auf jedem Luftschiff einen Schlachtplan.«

Irritiert runzelte ich die Stirn. »Einen was?«

Marcus lief zum linken Fenster, das etwa die Breite seiner Armlänge besaß, und drückte auf eine Stelle direkt am geschwungenen Rahmen. Augenblicklich schob sich das Holz des Rahmens nach oben und im Innern war ein aufgerolltes Stück Papier zu erkennen.

»Jetzt bräuchte ich deine Hilfe, Rack.« Er deutete mit dem Kopf zu der Schnur, die aus dem offenen Bereich herauslugte. Mit seiner verletzten Schulter konnte er den Arm nicht heben. Er nahm den anderen, um damit einige Hebel auf der Steuerkonsole zu bedienen. Über uns ging ein Licht an.

Ich zog an der Schnur und im Innern des Rahmens begann ein Uhrwerk zu arbeiten und das Papier rollte nach und nach ab, bis es die gesamte Innenseite des Fensters einnahm. Es war eine Landkarte, die wirkte, als ob sie erst ein paar Tage zuvor hergestellt worden war. Weißes Papier, klare, schwarze Landesgrenzen von Europa und detaillierte Positionen der Luftschiffbunker des Feindes und von uns. Außerdem waren alle Städte eingezeichnet.

»Oh mein Gott, das ist Wahnsinn«, rief Theo aus und sprang auf, um zu mir zu rennen. »Das habe ich bisher nicht gewusst.«

»So sollte es auch sein und bleiben. Diese Informationen sollten nicht in Feindeshand gelangen.« Marcus blieb neben der Karte stehen.

»Und wie soll uns dieser Schlachtplan weiterhelfen?«, fragte ich und wunderte mich über diverse rote Punkte in meiner Heimatstadt. Es gab keine Erklärung zu den verschiedenfarbigen Punkten. Rote, braune, grüne und gelbe, überall über die Karte verteilt. »Wir wollen nicht außerhalb von Victoria agieren.«

»Nein, aber wir können hier die Informationen sammeln. Diese Karte ist leicht magnetisch, so dass wir mit kleineren Schrauben oder Zahnrädern die Notizen anbringen und sortieren können.«

»Gute Idee«, lobte ich Marcus. Sein Aufenthalt in diesem Luftschiff war für ihn vielleicht wenig angenehm, aber für unser Vorhaben war er sicher der richtige Mann. »Okay, noch weitere Fragen?«

 

Kapitel 2 – Theo

 

Ich hob meine Hand. »Wo genau finden wir diesen Offizier?«

Marcus schob sich an mir vorbei und setzte sich an den Tisch. »Er wohnt zusammen mit seiner Familie in einem Haus in Lovehome. Aber dort werden wir nichts herausfinden. So, wie ich es verstanden habe, weiß seine Familie nichts von seinen Machenschaften. Wir müssen den Bereich um seine Basis beobachten.«

Schweren Herzens wandte ich mich von der Karte ab und drehte mich erneut den anderen zu. Ich musste aufpassen, sofern ich den Anschluss nicht verpassen wollte. Die Karte konnte ich mir auch später noch einprägen.

»Und die ist wo?«, fragte Lady Leonora und schob den Brieföffner, den ich auf dem Tisch abgelegt hatte von links nach rechts und zurück.

»Gar nicht so weit von hier im südwestlichen Bereich von Watergate, auf der Freemanstreet um genau zu sein.«

Ich schnaubte und zog damit die Blicke der anderen auf mich. Wie jeder wusste, war der Name der Straße entstanden, nachdem sich mehrere dunkelhäutige Einwohner Victorias gegen ihre Arbeitgeber aufgelehnt und für mehr Rechte gekämpft hatten. Der Aufstand war in dieser Seitengasse entstanden und ebenso einige Monate später erneut beendet worden. Die Männer, die dort den Aufstand geprobt hatten, waren seitdem nicht mehr gesehen worden.

---ENDE DER LESEPROBE---