Rainer Maria Rilke - Rainer Maria Rilke - E-Book

Rainer Maria Rilke E-Book

Rainer Maria Rilke

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NEU: Mit alphabetischem Index Über 500 Werke auf 2187 Seiten Das Marien-Leben Sonette an Orpheus Das Stundenbuch Mädchenmelancholie Duineser Elegien Archaischer Torso Apollos Geschichten vom lieben Gott Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge August Rodin Russische Kunst Thomas Manns ›Buddenbrooks‹ Jakob Wassermann – ›Der Moloch‹ Worpswede u.a. Rainer Maria Rilke (Geboren 4.12.1875 in Prag) gilt mit seinen von der bildenden Kunst beeinflussten Versen als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne. Er verfasste Erzählungen, einen Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen aus dem Französischen. Ursprünglich von seinem Vater für die Militärlaufbahn vorgesehen, bereitete sich Rilke lieber auf das Abitur vor und studierte anschließend Literatur und Kunstgeschichte in Prag, Berlin und München. Auf ausgedehnten Reisen nach Russland – bei denen er unter anderem auch Tolstoi traf - lernte Rilke die "russische Seele" kennen. 1900 ließ er sich in der Künstlerkolonie Worpswede nieder und heirate eine Bildhauerin von der er sich aber 1902 wieder scheiden ließ. 1905 wurde er für einige Zeit der Sekretär von Rodin in Paris. Nach einem unerfreulichen Intermezzo der Zwangsrekrutierung für den 1. Weltkrieg um 1916, wurde er aus Gesundheitsgründen aus dem Militärdienst entlassen. Die Erlebnisse dort müssen für Rilke traumatisch gewesen sein, blieb doch sein Werk ab da für lange Zeit dünn. In einer intensiven Schaffenszeit vollendete Rilke innerhalb weniger Wochen im Februar 1922 die Duineser Elegien. In unmittelbarer zeitlicher Nähe entstanden auch die beiden Teile des Gedichtzyklus Sonette an Orpheus. Beide Dichtungen zählen zu den Höhepunkten in Rilkes Werk. Lange Zeit mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen kämpfend starb Rilke 1926 in einem Schweizer Sanatorium an Leukämie. Null Papier Verlag

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Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke

Gesammelte Werke

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke

Gesammelte Werke

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Jürgen Schulze 3. Auflage, ISBN 978-3-954186-44-0

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Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Ly­rik

Das Ma­ri­en-Le­ben

So­net­te an Or­pheus –– 1. Teil

So­net­te an Or­pheus –– 2. Teil

Das Stun­den­buch

Das Buch der Bil­der

Dui­ne­ser Ele­gi­en

To­ten-Tanz

Del­phi­ne

Die Grei­sin

Kre­ti­sches Ar­te­mis

Der Sty­lit

Der Tod der Ge­lieb­ten

Die Lau­te

Nächt­li­che Fahrt

Sa­mu­els Er­schei­nung von Saul

Pa­pa­gei­en-Park

Schlaf­mohn

Don Ju­ans Aus­wahl

Die Brand­stät­te

Der Kä­fer­stein

Trös­tung des Elia

Mo­ham­meds Be­ru­fung

Der Re­li­qui­en­schrein

Ve­ne­zia­ni­scher Mor­gen

Lied vom Meer

Eva

Der Aben­teue­rer

Vor-Os­tern

Bud­dha in der Glo­rie

Archai­scher Tor­so Apol­los

Ein Pro­phet

Der Hund

Der Ap­fel­gar­ten

Don Ju­ans Kind­heit

Das Gold

Kreu­zi­gung

Le­gen­de von den drei Le­ben­di­gen und den drei To­ten

Schlan­gen-Be­schwö­rung

Das Ro­sen-In­ne­re

Leda

Ein Doge

Der Au­fer­stan­de­ne

Per­si­sches He­lio­trop

Der Ein­sa­me

Be­geg­nung in der Kas­ta­ni­en-Al­lee

Aus dem Le­ben ei­nes Hei­li­gen

Kla­ge um An­ti­nous

Der Berg

Die Ent­füh­rung

Rö­mi­sche Cam­pa­gna

Ab­sa­loms Ab­fall

Fal­ken-Bei­ze

Aus­wan­de­rer-Schiff

Der Blin­de

Das Kind

Land­schaft

Dame vor dem Spie­gel

Die Lie­ben­de

Je­re­mia

Die Ir­ren

Spät­herbst in Ve­ne­dig

Schlaf­lied

Der Al­chi­mist

Die Par­ke

Der Le­ser

Cor­ri­da

Die Schwes­tern

San Mar­co

Rosa Hor­ten­sie

Eine von den Al­ten

Abend­mahl

Das Jüngs­te Ge­richt

Das Wap­pen

Das Bett

Die Grup­pe

Die ägyp­ti­sche Ma­ria

Adam

Kla­ge um Jo­na­than

Der Kö­nig von Müns­ter

Die Son­nen­uhr

Eine Wel­ke

Der Pa­vil­lon

Die In­sel der Si­re­nen

Der Ball

Übung am Kla­vier

Der Frem­de

Irre im Gar­ten

Die Fla­min­gos

Der Bal­kon

Die Ver­su­chung

Dame auf ei­nem Bal­kon

Esther

Die Bett­ler

Ma­g­ni­fi­cat

Bild­nis

Der aus­sät­zi­ge Kö­nig

Da­men-Bild­nis aus den Acht­zi­ger-Jah­ren

Sankt Ge­org

Eine Si­byl­le

Der Jung­ge­sel­le

Die An­fahrt

Lei­chen­wä­sche

Frem­de Fa­mi­lie

Re­quiem

Re­quiem

Ta­na­gra

Rö­mi­sche Sar­ko­pha­ge

Die Er­blin­den­de

O La­cri­mo­sa, II

Das Ka­rus­sell –– Jar­din du Lu­xem­bourg

Mäd­chen­kla­ge

Der Turm

Op­fer

Der Stif­ter

Der Schwan

To­des-Er­fah­rung

Fe­der und Schwert

Das Christ­kind

Pier­re Du­mont

Die Nä­he­rin

Die gol­de­ne Kis­te

Mohn ...

Ein Cha­rak­ter

Und doch in den Tod

Das Er­eig­nis

Der Ster­be­tag

Die Flucht

Wei­ßes Glück

Die Stim­me

Eine Tote

Der Apos­tel

Ihr Op­fer

Im Vor­gärt­chen

Sonn­tag

Hei­li­ger Früh­ling

Das Fa­mi­li­en­fest

Das Ge­heim­nis

Grei­se

Kis­mét

Alle in Ei­ner

Ei­nig

Kö­nig Bo­husch

Die Ge­schwis­ter

Ewald Tragy

Mas­ken

Fern­sich­ten

Lei­se Beglei­tung

Ge­ne­ra­tio­nen

Im Le­ben

Teu­felss­puk

Im Ge­spräch

Der Lie­ben­de

Die Letz­ten

Das La­chen des Pên Mrêz

Wla­di­mir, der Wol­ken­ma­ler

*Auf­zeich­nung*

*Ein Aben­d*

Ein Mor­gen

Der Kar­di­nal

Re­fle­xe

Das Haus

Vi­ta­li er­wach­te ...

Aus ei­nem Mäd­chen­brief

Zwei Frag­men­te

Al­brecht Os­ter­mann

Der Drachen­tö­ter

Der To­ten­grä­ber

Die Turn­stun­de

Die Wei­se von Lie­be und Tod des Cor­nets Chri­stoph Ril­ke

Frau Bla­has Magd

Klei­ne Schrif­ten

Er­leb­nis (I)

(II)

(Auf­zeich­nung)

Erin­ne­rung

Ur-Geräusch

Kunst­wer­ke

Ge­schich­ten vom lie­ben Gott

Der Brief des jun­gen Ar­bei­ters

Er­zäh­lun­gen aus dem Nach­laß

Die Auf­zeich­nun­gen des Mal­te Lau­rids Brig­ge

Auf­sät­ze und Re­zen­sio­nen

Au­gust Ro­din –– Ers­ter Teil

Au­gust Ro­din –– Zwei­ter Teil

Von Kunst-Din­gen –– Kri­ti­sche Schrif­ten –– Dich­te­ri­sche Be­kennt­nis­se

Worps­we­de

In­dex

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Ru­dyard Kip­ling - Ge­sam­mel­te Wer­ke

Ril­ke - Ge­sam­mel­te Wer­ke

und wei­te­re …

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Das Buch

Rai­ner Ma­ria Ril­ke (Ge­bo­ren 4.12.1875 in Prag) gilt mit sei­nen von der bil­den­den Kunst be­ein­fluss­ten Ver­sen als ei­ner der be­deu­tends­ten Dich­ter der li­te­ra­ri­schen Mo­der­ne.

Er ver­fass­te Er­zäh­lun­gen, einen Ro­man und Auf­sät­ze zu Kunst und Kul­tur so­wie zahl­rei­che Über­set­zun­gen aus dem Fran­zö­si­schen.

Ur­sprüng­lich von sei­nem Va­ter für die Mi­li­tär­lauf­bahn vor­ge­se­hen, be­rei­te­te sich Ril­ke lie­ber auf das Abi­tur vor und stu­dier­te an­schlie­ßend Li­te­ra­tur und Kunst­ge­schich­te in Prag, Ber­lin und Mün­chen. Auf aus­ge­dehn­ten Rei­sen nach Russ­land –– bei de­nen er un­ter an­de­rem auch Tol­stoi traf –– lern­te Ril­ke die »rus­si­sche See­le« ken­nen. 1900 ließ er sich in der Künst­ler­ko­lo­nie Worps­we­de nie­der und hei­ra­te eine Bild­haue­rin von der er sich aber 1902 wie­der schei­den ließ. 1905 wur­de er für ei­ni­ge Zeit der Se­kre­tär von Ro­din in Pa­ris. Nach ei­nem un­er­freu­li­chen In­ter­mez­zo der Zwangs­re­kru­tie­rung für den 1. Welt­krieg um 1916, wur­de er aus Ge­sund­heits­grün­den aus dem Mi­li­tär­dienst ent­las­sen. Die Er­leb­nis­se dort müs­sen für Ril­ke trau­ma­tisch ge­we­sen sein, blieb doch sein Werk ab da für lan­ge Zeit dünn.

In ei­ner in­ten­si­ven Schaf­fens­zeit vollen­de­te Ril­ke in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen im Fe­bru­ar 1922 die Dui­ne­ser Ele­gien. In un­mit­tel­ba­rer zeit­li­cher Nähe ent­stan­den auch die bei­den Tei­le des Ge­dicht­zy­klus So­net­te an Or­pheus. Bei­de Dich­tun­gen zäh­len zu den Hö­he­punk­ten in Ril­kes Werk.

Lan­ge Zeit mit ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen kämp­fend starb Ril­ke 1926 in ei­nem Schwei­zer Sa­na­to­ri­um an Leuk­ämie.

Was wirst du tun, Gott, wenn ich st­er­be? Ich bin dein Krug (wenn ich zer­scher­be?) Ich bin dein Trank (wenn ich ver­der­be?) Bin dein Ge­wand und dein Ge­wer­be, mit mir ver­lierst du dei­nen Sinn.

*

Lyrik

Das Marien-Leben

Geburt Mariae

O was muß es die En­gel ge­kos­tet ha­ben, nicht auf­zu­sin­gen plötz­lich, wie man auf­weint, da sie doch wuß­ten: in die­ser Nacht wird dem Kna­ben die Mut­ter ge­bo­ren, dem Ei­nen, der bald er­scheint. Schwin­gend ver­schwie­gen sie sich und zeig­ten die Rich­tung, wo, al­lein, das Ge­höft lag des Joa­chim, ach, sie fühl­ten in sich und im Raum die rei­ne Ver­dich­tung, aber es durf­te kei­ner nie­der zu ihm. Denn die bei­den wa­ren schon so au­ßer sich vor Ge­tue. Eine Nach­ba­rin kam und klug­te und wuß­te nicht wie, und der Alte, vor­sich­tig, ging und ver­hielt das Gem­u­he ei­ner dun­ke­len Kuh. Denn so war es noch nie.

Die Darstellung Mariae im Tempel

Um zu be­grei­fen, wie sie da­mals war, mußt du dich erst an eine Stel­le ru­fen, wo Säu­len in dir wir­ken; wo du Stu­fen nach­füh­len kannst; wo Bo­gen voll Ge­fahr den Ab­grund ei­nes Rau­mes über­brücken, der in dir blieb, weil er aus sol­chen Stücken ge­türmt war, daß du sie nicht mehr aus dir aus­he­ben kannst: du ris­sest dich denn ein. Bist du so weit, ist al­les in dir Stein, Wand, Auf­gang, Durch­blick, Wöl­bung ––, so pro­bier den großen Vor­hang, den du vor dir hast, ein we­nig weg­zu­zerrn mit bei­den Hän­den: da glänzt es von ganz ho­hen Ge­gen­stän­den und über­trifft dir Atem und Ge­tast. Hin­auf, hin­ab, Palast steht auf Palast, Ge­län­der strö­men brei­ter aus Ge­län­dern und tau­chen oben auf an sol­chen Rän­dern, daß dich, wie du sie siehst, der Schwin­del faßt. Da­bei macht ein Ge­wölk aus Räu­cher­stän­dern die Nähe trüb; aber das Ferns­te zielt in dich hin­ein mit sei­nen gra­den Strah­len ––, und wenn jetzt Schein aus kla­ren Flam­men­scha­len auf lang­sam na­hen­den Ge­wän­dern spielt: wie hältst du’s aus? Sie aber kam und hob den Blick, um die­ses al­les an­zu­schau­en. (Ein Kind, ein klei­nes Mäd­chen zwi­schen Frau­en.) Dann stieg sie ru­hig, vol­ler Selbst­ver­trau­en, dem Auf­wand zu, der sich ver­wöhnt ver­schob: So sehr war al­les, was die Men­schen bau­en, schon über­wo­gen von dem Lob in ih­rem Her­zen. Von der Lust sich hin­zu­ge­ben an die in­nern Zei­chen: Die El­tern mein­ten, sie hin­auf­zu­rei­chen, der Dro­hen­de mit der Ju­we­len­brust emp­fing sie schein­bar: Doch sie ging durch alle, klein wie sie war, aus je­der Hand hin­aus und in ihr Los, das, hö­her als die Hal­le, schon fer­tig war, und schwe­rer als das Haus.

Mariae Verkündigung

NICHT daß ein En­gel ein­trat (das er­kenn), er­schreck­te sie. So­we­nig and­re, wenn ein Son­nen­strahl oder der Mond bei Nacht in ih­rem Zim­mer sich zu schaf­fen macht, auf­fah­ren ––, pfleg­te sie an der Ge­stalt, in der ein En­gel ging, sich zu ent­rüs­ten; sie ahn­te kaum, daß die­ser Auf­ent­halt müh­sam für En­gel ist. (O wenn wir wüß­ten, wie rein sie war. Hat eine Hirsch­kuh nicht, die, lie­gend, ein­mal sie im Wald er­äug­te, sich so in sie ver­sehn, daß sich in ihr, ganz ohne Paa­ri­gen, das Ein­horn zeug­te, das Tier aus Licht, das rei­ne Tier ––,) Nicht, daß er ein­trat, aber daß er dicht, der En­gel, ei­nes Jüng­lings An­ge­sicht so zu ihr neig­te; daß sein Blick und der, mit dem sie auf­sah, so zu­sam­menschlu­gen als wäre drau­ßen plötz­lich al­les leer und, was Mil­lio­nen schau­ten, trie­ben, tru­gen, hin­ein­ge­drängt in sie: nur sie und er; Schaun und Ge­schau­tes, Aug und Au­gen­wei­de sonst nir­gends als an die­ser Stel­le ––: sieh, die­ses er­schreckt. Und sie er­schra­ken bei­de. Dann sang der En­gel sei­ne Me­lo­die.

Mariae Heimsuchung

NOCH er­ging sie’s leicht im An­be­gin­ne, doch im Stei­gen manch­mal ward sie schon ih­res wun­der­ba­ren Lei­bes inne, –– und dann stand sie, at­mend, auf den hohn Ju­den­ber­gen. Aber nicht das Land, ihre Fül­le war um sie ge­brei­tet; ge­hend fühl­te sie: man über­schrei­tet nie die Grö­ße, die sie jetzt emp­fand. Und es dräng­te sie, die Hand zu le­gen auf den an­dern Leib, der wei­ter war. Und die Frau­en schwank­ten sich ent­ge­gen und be­rühr­ten sich Ge­wand und Haar. Jede, voll von ih­rem Hei­lig­tu­me, schütz­te sich mit der Ge­vat­te­rin. Ach der Hei­land in ihr war noch Blu­me, doch den Täu­fer in dem Schlooß der Muh­me riß die Freu­de schon zum Hüp­fen hin.

Argwohn Josephs

UND der En­gel sprach und gab sich Müh an dem Mann, der sei­ne Fäus­te ball­te: Aber siehst du nicht an je­der Fal­te, daß sie kühl ist wie die Got­tes­früh. Doch der and­re sah ihn fins­ter an, mur­melnd nur: Was hat sie so ver­wan­delt? Doch da schrie der En­gel: Zim­mer­mann, merkst du’s noch nicht, daß der Herr­gott han­delt? Weil du Bret­ter machst, in dei­nem Stol­ze, willst du wirk­lich den zu Rede stelln, der be­schei­den aus dem glei­chen Hol­ze Blät­ter trei­ben macht und Knos­pen schwelln? Er be­griff. Und wie er jetzt die Bli­cke, recht er­schro­cken, zu dem En­gel hob, war der fort. Da schob er sei­ne di­cke Müt­ze lang­sam ab. Dann sang er lob.

Verkündigung über den Hirten

SEHT auf, ihr Män­ner. Män­ner dort am Feu­er, die ihr den gren­zen­lo­sen Him­mel kennt, Stern­deu­ter, hier­her! Seht, ich bin ein neu­er stei­gen­der Stern. Mein gan­zes We­sen brennt und strahlt so stark und ist so un­ge­heu­er voll Licht, daß mir das tie­fe Fir­ma­ment nicht mehr ge­nügt. Laßt mei­nen Glanz hin­ein in euer Da­sein –– Oh, die dunklen Bli­cke, die dunklen Her­zen, näch­ti­ge Ge­schi­cke die euch er­fül­len. Hir­ten, wie al­lein bin ich in euch. Auf ein­mal wird mir Raum. Staun­tet ihr nich: der große Brot­frucht­baum warf einen Schat­ten. Ja, das kam von mir. Ihr Uner­schro­cke­nen, o wüß­tet ihr, wie jetzt auf eu­rem schau­en­den Ge­sich­te die Zu­kunft scheint. In die­sem star­ken Lich­te wird viel ge­sche­hen. Euch ver­trau ichs, denn ihr seid ver­schwie­gen; euch Grad­gläu­bi­gen re­det hier al­les. Glut und Re­gen spricht, der Vö­gel Zug, der Wind und was ihr seid, keins über­wiegt und wächst zur Ei­tel­keit sich mä­s­tend an. Ihr hal­tet nicht die Din­ge auf im Zwi­schen­raum der Brust um sie zu quä­len. So wie sei­ne Lust durch einen En­gel strömt, so treibt durch euch das Ir­di­sche. Und wenn ein Dorn­ge­sträuch auf­flamm­te plötz­lich, dürf­te noch aus ihm der Ewi­ge euch ru­fen, Che­ru­bim, wenn sie ge­ruh­ten ne­ben eu­rer Her­de ein­her­zu­schrei­ten, wun­der­ten euch nicht: ihr stürz­tet euch auf euer An­ge­sicht, be­te­tet an und nenn­tet dies die Erde. Doch die­ses war. Nun soll ein Neu­es sein, von dem der Erd­kreis rin­gen­der sich wei­tet. Was ist ein Dör­nicht uns: Gott fühlt sich ein in ei­ner Jung­frau Schoß. Ich bin der Schein von ih­rer In­nig­keit, der euch ge­lei­tet.

Geburt Christi

HÄTTEST du der Ein­falt nicht, wie soll­te dir ge­schehn, was jetzt die Nacht er­hellt? Sieh, der Gott, der über Völ­kern groll­te, macht sich mild und kommt in dir zur Welt. Hast du dir ihn grö­ßer vor­ge­stellt? Was ist Grö­ße? Quer durch alle Maße, die er durch­streicht, geht sein gra­des Los. Selbst ein Stern hat kei­ne sol­che Stra­ße. Siehst du, die­se Kö­ni­ge sind groß, und sie schlep­pen dir vor dei­nen Schoß Schät­ze, die sie für die größ­ten hal­ten, und du staunst viel­leicht bei die­ser Gift ––: aber schau in dei­nes Tu­ches Fal­ten, wie er jetzt schon al­les über­trifft. Al­ler Am­ber, den man weit ver­schifft, je­der Gold­schmuck und das Luft­ge­wür­ze, das sich trü­bend in die Sin­ne streut: al­les die­ses war von ra­scher Kür­ze, und am Ende hat man es be­reut. Aber (du wirst se­hen): Er er­freut.

Rast auf der Flucht in Aegypten

DIESE, die noch eben atem­los flo­hen mit­ten aus dem Kin­der­mor­den: o wie wa­ren sie un­merk­lich groß über ih­rer Wan­der­schaft ge­wor­den. Kaum noch daß im scheu­en Rück­wärts­schau­en ih­res Schre­ckens Not zer­gan­gen war, und schon brach­ten sie auf ih­rem grau­en Maul­tier gan­ze Städ­te in Ge­fahr; denn so wie sie, klein im großen Land, –– fast ein Nichts –– den star­ken Tem­peln nah­ten, platz­ten alle Göt­zen wie ver­ra­ten und ver­lo­ren völ­lig den Ver­stand. Ist es denk­bar, daß von ih­rem Gan­ge al­les so ver­zwei­felt sich er­bost? und sie wur­den vor sich sel­ber ban­ge, nur das Kind war na­men­los ge­trost. Im­mer­hin, sie muß­ten sich dar­über eine Wei­le set­zen. Doch da ging –– sieh: der Baum, der still sie über­hing, wie ein Die­nen­der zu ih­nen über: er ver­neig­te sich. Der­sel­be Baum, des­sen Krän­ze to­ten Pha­rao­nen für das Ewi­ge die Stir­nen scho­nen, neig­te sich. Er fühl­te neue Kro­nen blü­hen. Und sie sa­ßen wie im Traum.

Von der Hochzeit zu Kana

KONNTE sie denn an­ders, als auf ihn stolz sein, der ihr Sch­lich­tes­tes ver­schön­te? War nicht selbst die hohe, groß­ge­wöhn­te Nacht wie au­ßer sich, da er er­schi­en? Ging nicht auch, daß er sich einst ver­lo­ren, un­er­hört zu sei­ner Glo­rie aus? Hat­ten nicht die Wei­ses­ten die Ohren mit dem Mund ver­tauscht? Und war das Haus nicht wie neu von sei­ner Stim­me? Ach si­cher hat­te sie zu hun­dert Ma­len ihre Freu­de an ihm aus­zu­strah­len sich ver­wehrt. Sie ging ihm stau­nend nach. Aber da bei je­nem Hoch­zeits­fes­te, als es un­ver­sehns an Wein ge­brach, –– sah sie hin und bat um eine Ges­te und be­griff nicht, daß er wi­der­sprach. Und dann tat er’s. Sie ver­stand es spä­ter, wie sie ihn in sei­nen Weg ge­drängt: denn jetzt war er wirk­lich Wun­der­tä­ter, und das gan­ze Op­fer war ver­hängt, un­auf­halt­sam. Ja, es stand ge­schrie­ben. Aber war es da­mals schon be­reit? Sie: sie hat­te es her­bei­ge­trie­ben in der Blind­heit ih­rer Ei­tel­keit. An dem Tisch voll Früch­ten und Ge­mü­sen freu­te sie sich mit und sah nicht ein, daß das Was­ser ih­rer Trä­nen­drü­sen Blut ge­wor­den war mit die­sem Wein.

Vor der Passion

O HAST du dies ge­wollt, du hät­test nicht durch ei­nes Wei­bes Leib ent­sprin­gen dür­fen: Hei­lan­de muß man in den Ber­gen schür­fen, wo man das Har­te aus dem Har­ten bricht. Tut dirs nicht sel­ber leid, dein lie­bes Tal so zu ver­wüs­ten? Sie­he mei­ne Schwä­che; ich habe nichts als Milch- und Trä­nen­bä­che, und du warst im­mer in der Über­zahl. Mit sol­chem Auf­wand wardst du mir ver­hei­ßen. Was tratst du nicht gleich wild aus mir hin­aus? Wenn du nur Ti­ger brauchst, dich zu zer­rei­ßen, warum er­zog man mich im Frau­en­haus, ein wei­ches rei­nes Kleid für dich zu we­ben, dar­in nicht ein­mal die ge­rings­te Spur von Naht dich drückt ––: so war mein gan­zes Le­ben, und jetzt ver­kehrst du plötz­lich die Na­tur.

Pietà

JETZT wird mein Elend voll, und na­men­los er­füllt es mich. Ich star­re wie des Steins In­ne­res starrt. Hart wie ich bin, weiß ich nur Eins : Du wur­dest groß –– ...... und wur­dest groß, um als zu großer Schmerz ganz über mei­nes Her­zens Fas­sung hin­aus­zu­stehn. Jetzt liegst du quer durch mei­nen Schoß, jetzt kann ich dich nicht mehr ge­bä­ren.

Stillung Mariae mit dem Auferstandenen

WAS sie da­mals emp­fan­den: ist es nicht vor al­len Ge­heim­nis­sen süß und im­mer noch ir­disch: da er, ein we­nig blaß noch vom Grab, er­leich­tert zu ihr trat: an al­len Stel­len er­stan­den. O zu ihr zu­erst. Wie wa­ren sie da un­aus­sprech­lich in Hei­lung. Ja sie heil­ten, das war’s. Sie hat­ten nicht nö­tig, sich stark zu be­rüh­ren. Er leg­te ihr eine Se­kun­de kaum sei­ne nächs­tens ewi­ge Hand an die frau­li­che Schul­ter. Und sie be­gan­nen still wie die Bäu­me im Früh­ling, un­end­lich zu­gleich, die­se Jah­res­zeit ih­res äu­ßers­ten Um­gangs.

Vom Tode Mariae

(Drei Stücke)

I

DERSELBE große En­gel, wel­cher einst ihr der Ge­bä­rung Bot­schaft nie­der­brach­te, stand da, ab­war­tend daß sie ihn be­ach­te, und sprach: Jetzt wird es Zeit, daß du er­scheinst. Und sie er­schrak wie da­mals und er­wies sich wie­der als die Magd, ihn tief be­ja­hend. Er aber strahl­te und, un­end­lich na­hend, schwand er wie in ihr An­ge­sicht –– und hieß die weit­hin aus­ge­gan­ge­nen Be­keh­rer zu­sam­men­kom­men in das Haus am Hang, das Haus des Abend­mahls. Sie ka­men schwe­rer und tra­ten ban­ge ein: Da lag, ent­lang die schma­le Bett­statt, die in Un­ter­gang und Au­ser­wäh­lung rät­sel­haft Ge­tauch­te, ganz un­ver­sehrt, wie eine Un­ge­brauch­te, und ach­te­te auf eng­li­schen Ge­sang. Nun da sie alle hin­ter ih­ren Ker­zen ab­war­ten sah, riß sie vom Über­maß der Stim­men sich und schenk­te noch von Her­zen die bei­den Klei­der fort, die sie be­saß, und hob ihr Ant­litz auf zu dem und dem... (O Ur­sprung na­men­lo­ser Trä­nen-Bä­che). Sie aber leg­te sich in ihre Schwä­che und zog die Him­mel an Je­ru­sa­lem so nah her­an, daß ihre See­le nur, aus­tre­tend, sich ein we­nig stre­cken muß­te: schon hob er sie, der al­les von ihr wuß­te, hin­ein in ihre gött­li­che Na­tur.

II

WER hat be­dacht, daß bis zu ih­rem Kom­men der vie­le Him­mel un­voll­stän­dig war? Der Au­fer­stand­ne hat­te Platz ge­nom­men, doch ne­ben ihm, durch vier­und­zwan­zig Jahr, war leer der Sitz. Und sie be­gan­nen schon sich an die rei­ne Lücke zu ge­wöh­nen, die wie ver­heilt war, denn mit sei­nem schö­nen Hin­über­schei­nen füll­te sie der Sohn. So ging auch sie, die in die Him­mel trat, nicht auf ihn zu, so sehr es sie ver­lang­te; dort war kein Platz, nur Er war dort und prang­te mit ei­ner Strah­lung, die ihr wehe tat. Doch da sie jetzt, die rüh­ren­de Ge­stalt, sich zu den neu­en Se­li­gen ge­sell­te und un­auf­fäl­lig, licht zu licht, sich stell­te, da brach aus ih­rem Sein ein Hin­ter­halt von sol­chem Glanz, daß der von ihr er­hell­te En­gel ge­blen­det auf­schrie: Wer ist die? Ein Stau­nen war. Dann sahn sie alle, wie Gott-Va­ter oben un­sern Herrn ver­hielt, so daß, von mil­der Däm­me­rung um­spielt, die lee­re Stel­le wie ein we­nig Leid sich zeig­te, eine Spur von Ein­sam­keit, wie et­was, was er noch er­trug, ein Rest ir­di­scher Zeit, ein tro­ckenes Ge­brest ––. Man sah nach ihr; sie schau­te ängst­lich hin, weit vor­ge­neigt, als fühl­te sie: ich bin sein längs­ter Schmerz ––: und stürz­te plötz­lich vor. Die En­gel aber nah­men sie zu sich und stütz­ten sie und san­gen se­lig­lich und tru­gen sie das letz­te Stück em­por.

III

DOCH vor dem Apos­tel Tho­mas, der kam, da es zu spät war, trat der schnel­le längst dar­auf ge­faß­te En­gel her und be­fahl an der Be­gräb­nis­s­tel­le. Dräng den Stein bei­sei­te. Willst du wis­sen, wo die ist, die dir das Herz be­wegt: Sieh: sie ward wie ein La­ven­del­kis­sen eine Wei­le da hin­ein­ge­legt, daß die Erde künf­tig nach ihr rie­che in den Fal­ten wie ein fei­nes Tuch. Al­les Tote (fühlst du), al­les Sie­che ist be­täubt von ih­rem Wohl-Ge­ruch. Schau den Lein­wand: wo ist eine Blei­che, wo er blen­dend wird und geht nicht ein? Die­ses Licht aus die­ser rei­nen Lei­che War ihm klä­ren­der als Son­nen­schein. Staunst du nicht, wie sanft sie ihm ent­ging? Fast als wär sie’s noch, nichts ist ver­scho­ben. Doch die Him­mel sind er­schüt­tert oben: Mann, knie hin und sieh mir nach und sing.

Sonette an Orpheus –– 1. Teil

Sonett 1

Da stieg ein Baum. O rei­ne Über­stei­gung! O Or­pheus singt! O ho­her Baum im Ohr! Und al­les schwieg. Doch selbst in der Ver­schwei­gung ging neu­er An­fang, Wink und Wand­lung vor. Tie­re aus Stil­le dran­gen aus dem kla­ren ge­lös­ten Wald von La­ger und Ge­nist; und da er­gab sich, daß sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so lei­se wa­ren, son­dern aus Hö­ren. Brül­len, Schrei, Ge­röhr schi­en klein in ih­ren Her­zen. Und wo eben kaum eine Hüt­te war, dies zu emp­fan­gen, ein Un­ter­schlupf aus dun­kels­tem Ver­lan­gen mit ei­nem Zu­gang, des­sen Pfos­ten be­ben, –– da schufst du ih­nen Tem­pel im Ge­hör.

Sonett 2

Und fast ein Mäd­chen wars und ging her­vor aus die­sem ei­ni­gen Glück von Sang und Lei­er und glänz­te klar durch ihre Früh­lings­schlei­er und mach­te sich ein Bett in mei­nem Ohr. Und schlief in mir. Und al­les war ihr Schlaf. Die Bäu­me, die ich je be­wun­dert, die­se fühl­bar Fer­ne, die ge­fühl­te Wie­se und je­des Stau­nen, das mich selbst be­traf. Sie schlief die Welt. Sin­gen­der Gott, wie hast du sie vollen­det, daß sie nicht be­gehr­te, erst wach zu sein? Sieh, sie er­stand und schlief. Wo ist ihr Tod? O wirst du dies Mo­tiv er­fin­den noch, eh sich dein Lied ver­zehr­te? –– Wo sinkt sie hin aus mir? ... Ein Mäd­chen fast ...

Sonett 3

Ein Gott ver­mags. Wie aber, sag mir, soll ein Mann ihm fol­gen durch die schma­le Lei­er? Sein Sinn ist Zwie­spalt. An der Kreu­zung zwei­er Herz­we­ge steht kein Tem­pel für Apoll. Ge­sang, wie du ihn lehrst, ist nicht Be­gehr, nicht Wer­bung um ein end­lich noch Er­reich­tes ; Ge­sang ist Da­sein. Für den Gott ein Leich­tes. Wann aber sin­d wir? Und wann wen­det er an un­ser Sein die Erde und die Ster­ne? Dies ist­s nicht, Jüng­ling, daß du liebst, wenn auch die Stim­me dann den Mund dir auf­stößt, –– ler­ne ver­ges­sen, daß du auf­sangst. Das ver­rinnt. In Wahr­heit sin­gen, ist ein and­rer Hauch. Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind.

Sonett 4

O ihr Zärt­li­chen, tre­tet zu­wei­len in den Atem, der euch nicht meint, laßt ihn an eue­ren Wan­gen sich tei­len, hin­ter zit­tert er, wie­der ver­eint. O ihr Se­li­gen o ihr Hei­len, die ihr der An­fang der Her­zen scheint. Bo­gen der Pfei­le und Zie­le von Pfei­len, ewi­ger glänzt euer Lä­cheln ver­weint. Fürch­tet Euch nicht zu lei­den, die Schwe­re, gebt sie zu­rück an der Erde Ge­wicht; schwer sind die Ber­ge, schwer sind die Mee­re. Selbst die als Kin­der ihr pflanz­tet, die Bäu­me, wur­den zu schwer längst; ihr trügt sie nicht. Aber die Lüf­te... aber die Räu­me...

Sonett 5

Er­rich­tet kei­nen Denk­stein. Laßt die Rose nur je­des Jahr zu sei­nen Guns­ten blühn. Denn Or­pheus ists. Sei­ne Me­ta­mor­pho­se in dem und dem. Wir sol­len uns nicht mühn um and­re Na­men. Ein für alle Male ists Or­pheus, wenn es singt. Er kommt und geht. Ists nicht schon viel, wenn er die Ro­sen­scha­le um ein paar Tage manch­mal über­steht? O wie er schwin­den muß, daß ihrs be­grifft! Und wenn ihm selbst auch bang­te, daß er schwän­de. In­dem sein Wort das Hier­sein über­trifft, ist er schon dort, wo­hin ihrs nicht be­glei­tet. Der Lei­er Git­ter zwängt ihm nicht die Hän­de. Und er ge­horcht, in­dem er über­schrei­tet.

Sonett 6

Ist er ein Hie­si­ger? Nein, aus bei­den Rei­chen er­wuchs sei­ne wei­te Na­tur. Kun­di­ger böge die Zwei­ge der Wei­den, wer die Wur­zeln der Wei­den er­fuhr. Geht ihr zu Bet­te, so laßt auf dem Ti­sche Brot nicht und Milch nicht; die To­ten ziehts ––. Aber er, der Be­schwö­ren­de mi­sche un­ter der Mil­de des Au­gen­lids ihre Er­schei­nung in al­les Ge­schau­te; und der Zau­ber von Erd­reich und Rau­te sei ihm so wahr wie der klars­te Be­zug. Nichts kann das gül­ti­ge Bild ihm ver­schlim­mern; sei es aus Grä­bern, sei aus Zim­mern, rüh­me er Fin­ger­ring, Span­ge und Krug.

Sonett 7

Rüh­men, das ists! Ein zum Rüh­men Be­stell­ter, ging er her­vor wie das Erz aus des Steins Schwei­gen. Sein Herz, o ver­gäng­li­che Kel­ter ei­nes den Men­schen un­end­li­chen Weins. Nie ver­sagt ihm die Stim­me am Stau­be, wenn ihn das gött­li­che Bei­spiel er­greift. Al­les wird Wein­berg, al­les wird Trau­be, in sei­nem füh­len­den Sü­den ge­reift. Nicht in den Grüf­ten der Kö­ni­ge Mo­der straft ihm die Rüh­mung Lü­gen, oder daß von den Göt­tern ein Schat­ten fällt. Er ist ei­ner der blei­ben­den Bo­ten, der noch weit in die Tü­ren der To­ten Scha­len mit rühm­li­chen Früch­ten hält.

Sonett 8

Nur im Raum der Rüh­mung darf die Kla­ge ge­hen, die Nym­phe des ge­wein­ten Quells, wa­chend über un­serm Nie­der­schla­ge, daß er klar sei an dem­sel­ben Fels, der die Tore trägt und die Al­tä­re. –– Sieh, um ihre stil­len Schul­tern früht das Ge­fühl, daß sie die jüngs­te wäre un­ter den Ge­schwis­tern im Ge­müt. Ju­bel weiß und Sehn­sucht ist ge­stän­dig, –– nur die Kla­ge lernt noch; mäd­chen­hän­dig zählt sie näch­te­lang das alte Schlim­me. Aber plötz­lich, schräg und un­ge­übt, hält sie doch ein Stern­bild un­se­rer Stim­me in den Him­mel, den ihr Hauch nicht trübt.

Sonett 9

Nur wer die Lei­er schon hob auch un­ter Schat­ten, darf das un­end­li­che Lob ah­nend er­stat­ten. Nur wer mit To­ten vom Mohn aß, von dem ih­ren, wird nicht den lei­ses­ten Ton wie­der ver­lie­ren. Mag auch die Spieg­lung im Teich oft uns ver­schwim­men: Wis­se das Bild. Erst in dem Dop­pel­be­reich wer­den die Stim­men ewig und mild.

Sonett 10

Euch, die ihr nie mein Ge­fühl ver­ließt, grüß ich, an­ti­ki­sche Sar­ko­pha­ge, die das fröh­li­che Was­ser rö­mi­scher Tage als ein wan­deln­des Lied durch­fließt. Oder jene so of­fe­nen, wie das Aug ei­nes fro­hen er­wa­chen­den Hir­ten, –– in­nen voll Stil­le und Bie­nensaug –– de­nen ent­zück­te Fal­ter ent­schwirr­ten; alle, die man dem Zwei­fel ent­reißt, grüß ich, die wie­der­ge­öff­ne­ten Mun­de, die schon wuß­ten, was schwei­gen heißt. Wis­sen wirs, Freun­de, wis­sens wir nicht? Bei­des bil­det die zö­gern­de Stun­de in dem mensch­li­chen An­ge­sicht.

Sonett 11

Sieh den Him­mel. Heißt kein Stern­bild Rei­ter? Denn dies ist uns selt­sam ein­ge­prägt: die­ser Stolz aus Erde. Und ein Zwei­ter, der ihn treibt und hält und den er trägt. Ist nicht so, ge­jagt und dann ge­bän­digt, die­se seh­ni­ge Na­tur des Seins? Weg und Wen­dung. Doch ein Druck ver­stän­digt. Neue Wei­te. Und die zwei sind eins. Aber sin­d sie’s? Oder mei­nen bei­de nicht den Weg, den sie zu­sam­men tun? Na­men­los schon trennt sie Tisch und Wei­de. Auch die ster­ni­sche Ver­bin­dung trügt. Doch uns freue eine Wei­le nun der Fi­gur zu glau­ben. Das ge­nügt.

Sonett 12

Heil dem Geist, der uns ver­bin­den mag; denn wir le­ben wahr­haft in Fi­gu­ren. Und mit klei­nen Schrit­ten ge­hen die Uhren ne­ben un­serm ei­gent­li­chen Tag. Ohne un­sern wah­ren Platz zu ken­nen, han­deln wir aus wirk­li­chem Be­zug. Die An­ten­nen füh­len die An­ten­nen, und die lee­re Fer­ne trug ... Rei­ne Span­nung. O Mu­sik der Kräf­te! Ist nicht durch die läß­li­chen Ge­schäf­te jede Stö­rung von dir ab­ge­lenkt? Selbst wenn sich der Bau­er sorgt und han­delt, wo die Saat in Som­mer sich ver­wan­delt, reicht er nie­mals hin. Die Erde schenk­t.

Sonett 13

Vol­ler Ap­fel, Bir­ne und Bana­ne, Sta­chel­bee­re ... Al­les die­ses spricht Tod und Le­ben in den Mund ... Ich ahne ... Lest es ei­nem Kind vom An­ge­sicht, wenn es sie er­schmeckt. Dies kommt von weit. Wird euch lang­sam na­men­los im Mun­de? Wo sonst Wor­te wa­ren, flie­ßen Fun­de, aus dem Frucht­fleisch über­rascht be­freit. Wagt zu sa­gen, was ihr Ap­fel nennt. Die­se Süße, die sich erst ver­dich­tet, um, im Schme­cken lei­se auf­ge­rich­tet, klar zu wer­den, wach und trans­pa­rent, dop­pel­deu­tig, son­nig, er­dig, hie­sig ––: O Er­fah­rung, Füh­lung, Freu­de ––, rie­sig!

Sonett 14

Wir ge­hen um mit Blu­me, Wein­blatt, Frucht. Sie spre­chen nicht die Spra­che nur des Jah­res. Aus Dun­kel steigt ein bun­tes Of­fen­ba­res und hat viel­leicht den Glanz der Ei­fer­sucht der To­ten an sich, die die Erde stär­ken. Was wis­sen wir von ih­ren Teil an dem? Es ist seit lan­gem ihre Art, den Lehm mit ih­rem frei­em Mar­ke zu durch­mär­ken. Nun fragt sich nur : tun sie es gern? ... Drängt die­se Frucht, ein Werk von schwe­ren Skla­ven, ge­ballt zu uns em­por, zu ih­ren Herrn? Sind sie die Her­ren, die bei den Wur­zel schla­fen, und gön­nen uns aus ih­ren Über­flüs­sen dies Zwi­schen­ding aus stum­mer Kraft und Küs­sen?

Sonett 15

War­tet ..., das schmeckt ... Schon ists auf der Flucht. ... We­nig Mu­sik nur, ein Stamp­fen, ein Sum­men ––: Mäd­chen, ihr war­men, Mäd­chen, ihr stum­men, tanzt den Ge­schmack der er­fah­re­nen Frucht! Tanzt die Oran­ge. Wer kann sie ver­ges­sen, wie sie, er­trin­kend in sich, sich wehrt wi­der ihr Süß­sein. Ihr habt sie be­ses­sen. Sie hat sich köst­lich zu euch be­kehrt. Tanzt die Oran­ge. Die wär­me­re Land­schaft, werft sie aus euch, daß die rei­fe er­strah­le in Lüf­ten der Hei­mat! Er­glüh­te, ent­hüllt Düf­te um Düf­te. Schafft die Ver­wandt­schaft mit der rei­nen, sich wei­gern­den Scha­le, mit dem Saft, der die glück­li­che füllt!

Sonett 16

Du, mein Freund, bist ein­sam, weil...Wir ma­chen mit Wor­ten und Fin­ger­zei­gen uns all­mäh­lich die Welt zu ei­gen, viel­leicht ih­ren schwächs­ten, ge­fähr­lichs­ten Teil. Wer zeigt mit den Fin­gern auf einen Ge­ruch? –– Doch von den Kräf­ten, die uns be­droh­ten, fühlst du vie­le ... Du kennst die To­ten, und du erschrickst vor dem Zau­ber­spruch. Sieh, nun heißt es zu­sam­men er­tra­gen Stück­werk und Tei­le, als sei es das Gan­ze. Dir hel­fen wird schwer sein. Vor al­lem: pflan­ze mich nicht in dein Herz. Ich wüch­se zu schnell. Doch mei­nes Her­ren Hand will ich füh­ren und sa­gen: Hier. Das ist Esau in sei­nem Fell.

Sonett 17

Zu un­terst der Alte, ver­worrn, all der Er­bau­ten Wur­zel, ver­bor­ge­ner Born, den sie nie schau­ten. Sturm­helm und Jä­ger­horn, Spruch von Er­grau­ten, Män­ner im Bru­der­zorn, Frau­en wie Lau­ten ... Drän­gen­der Zweig an Zweig, nir­gends ein frei­er ... Ei­ner! o steig ... o steig ... Aber sie bre­chen noch. Die­ser erst oben doch biegt sich zur Lei­er.

Sonett 18

Hörst du das Neue, Herr, dröh­nen und be­ben? Kom­men Ver­kün­di­ger, die es er­he­ben. Zwar ist kein Hö­ren heil in dem Durchtobt­sein. doch der Ma­schi­nen­teil will jetzt ge­lobt sein. Sieh, die Ma­schi­ne: wie sie sich wälzt und rächt und uns ent­stellt und schwächt. Hat sie aus uns auch Kraft, sie, ohne Lei­den­schaft, trei­be und die­ne.

Sonett 19

Wan­delt sich rasch auch die Welt wie Wol­ken­ge­stal­ten, al­les Vol­len­de­te fällt heim zum Ural­ten. Über dem Wan­del und Gang, wei­ter und frei­er, währt noch dein Vor-Ge­sang, Gott mit der Lei­er. Nicht sind die Lei­den er­kannt, nicht ist die Lie­be ge­lernt, und was im Tod uns ent­fernt, ist nicht ent­schlei­ert. Ein­zig das Lied überm Land hei­ligt und fei­ert.

Sonett 20

Dir aber, Herr, o was weih ich dir, sag, der das Ohr den Ge­schöp­fen ge­lehrt? –– Mein Erin­nern an einen Früh­lings­tag, sei­nen Abend, in Ruß­land ––, ein Pferd... Her­über vom Dorf kam der Schim­mel al­lein, an der vor­de­ren Fes­sel den Pflock, um die Nacht auf den Wie­sen al­lein zu sein; wie schlug der Mäh­ne Ge­lock an dem Hals im Tak­te des Über­muts, bei dem grob ge­hemm­ten Ga­lopp. Wie spran­gen die Quel­len des Ros­se­bluts! Der fühl­te die Wei­ten, und ob! Der sang und der hör­te ––, dein Sa­gen­kreis war in ihm ge­schlos­sen. Sein Bild: ich weih’s.

Sonett 21

Früh­ling ist wie­der­ge­kom­men. Die Erde ist wie ein Kind, das Ge­dich­te weiß; vie­le, o vie­le ... Für die Be­schwer­de lan­gen Ler­nens be­kommt sie den Preis. Streng war ihr Leh­rer. Wir moch­ten das Wei­ße an dem Bar­te des al­ten Manns. Nun, wie das Grü­ne, das Blaue hei­ße, dür­fen wir fra­gen: sie kanns, sie kanns! Erde, die frei hat, du glück­li­che, spie­le nun mit den Kin­dern. Wir wol­len dich fan­gen, fröh­li­che Erde. Dem Frohs­ten ge­lingts. O, was der Leh­rer sie lehr­te, das Vie­le, und was ge­druckt steht in Wur­zeln und lan­gen schwie­ri­gen Stäm­men : sie singts, sie singts.

Sonett 22

Wir sind die Trei­ben­den. Aber den Schritt der Zeit, nehmt in als Klei­nig­keit im im­mer Blei­ben­den. Alle das Ei­len­de wird schon vor­über sein; denn da Ver­wei­len­de erst weiht uns ein. Kna­ben o werft den Mut nicht in die Schnel­lig­keit, nicht in den Flug­ver­such. Al­les ist aus­ge­ruht. Dun­kel und Hel­lig­keit Blu­me und Buch.

Sonett 23

O erst dann, wenn der Flug nicht mehr um sei­net­wil­len wird in die Him­mel­stil­len stei­gen, sich sel­ber ge­nug, um in lich­ten Pro­fi­len, als das Gerät, das ge­lang, Lieb­ling der Win­de zu spie­len, si­cher schwen­kend und schlank, –– erst wenn ein rei­nes Wo­hin wach­sen­der Ap­pa­ra­te Kna­ben­stolz über­wiegt, wird, über­stürzt von Ge­winn, je­ner den Fer­nen Ge­nah­tesein, was er ein­sam er­fliegt.

Sonett 24

Sol­len wir un­se­re ur­al­te Freund­schaft, die großen nie­mals wer­ben­den Göt­ter, weil sie der har­te Stahl, den wir streng er­zo­gen, nicht ken­nen, ver­sto­ßen oder sie plötz­lich su­chen auf ei­ner Kar­te? Die­se ge­wal­ti­gen Freun­de, die uns die To­ten neh­men, rüh­ren nir­gends an un­se­re Rä­der. Un­se­re Gast­mäh­ler ha­ben wir weit ––, un­se­re Bä­der, fort­ge­rückt, und ihre uns lang schon zu lang­sa­men Bo­ten über­ho­len wir im­mer. Ein­sa­mer nun auf­ein­an­der ganz an­ge­wie­sen, ohne ein­an­der zu ken­nen, füh­ren wir nicht mehr die Pfa­de als schö­ne Mä­an­der, son­dern als Gra­de. Nur noch in Dampf­kes­seln bren­nen die eins­ti­gen Feu­er und he­ben die Häm­mer, die im­mer grö­ßern. Wir aber neh­men an Kraft ab, wie Schwim­mer.

Sonett 25

Dich aber will ich nun, Dich, die ich kann­te wie eine Blu­me, von ich den Na­men nicht weiß, noch ein Mal er­in­nern und ih­nen zei­gen, Ent­wand­te, schö­ne Ge­spie­lin, des un­über­wind­li­chen Schrei’s. Tän­ze­rin erst, die plötz­lich, den Kör­per voll Zö­gern an­hielt, als göß man ihr Jung­s­ein in Erz; trau­ernd und lau­schend ––. Da, von den ho­hen Ver­mö­gern fiel ihr Mu­sik in das ver­än­der­te Herz. Nah war die Krank­heit. Schon von den Schat­ten be­mäch­tigt, dräng­te ver­dun­kelt das Blut, doch, wie flüch­tig ver­däch­tigt, trieb es in sei­nen na­tür­li­chen Früh­ling her­vor. Wie­der und wie­der, von Dun­kel und Sturz un­ter­bro­chen, glänz­te es ir­disch. Bis es nach schreck­li­chem Po­chen trat in das trost­los of­fe­ne Tor.

Sonett 26

Du aber, Gött­li­cher, du, bis zu­letzt noch Er­tö­ner, da ihn der Schwarm der ver­schmäh­ten Mä­na­den be­fiel, hast ihr Ge­schrei über­tönt mit Ord­nung, du Schö­ner, aus den Zer­stö­ren­den stieg dein er­bau­en­des Spiel. Kei­ne war da, daß sie Haupt dir und Lei­er zer­stör. Wie sie auch ran­gen und ras­ten, und alle die schar­fen Stei­ne, die sie nach dei­nem Her­zen war­fen, wur­den zu Sanf­ten an dir und be­gabt mit Ge­hör. Schließ­lich zer­schlu­gen sie dich, von der Ra­che ge­hetzt, wäh­rend dein Klang noch in Lö­wen und Fel­sen ver­weil­te und in den Bäu­men und Vö­geln. Dort singst du noch jetzt. O du ver­lo­re­ner Gott! Du un­end­li­che Spur! Nur weil dich rei­ßend zu­letzt die Feind­schaft ver­teil­te, sind wir die Hö­ren­den jetzt und ein Mund der Na­tur.

Sonette an Orpheus –– 2. Teil

Sonett 1

At­men, du un­sicht­ba­res Ge­dicht! Im­mer­fort um das eig­ne Sein rein ein­ge­tausch­ter Wel­traum. Ge­gen­ge­wicht, in dem ich mich rhyth­misch er­eig­ne. Ein­zi­ge Wel­le, de­ren all­mäh­li­ches Meer ich bin; spar­sams­tes du von al­len mög­li­chen Mee­ren, –– Raum­ge­winn. Wie­vie­le von die­sen Stel­len der Räu­me wa­ren schon in­nen in mir. Man­che Win­de sind wie mein Sohn. Er­kennst du mich, Luft, du, voll noch einst mei­ni­ger Orte? Du, ein­mal glat­te Rin­de, Run­dung und Blatt mei­ner Wor­te.

Sonett 2

So wie dem Meis­ter manch­mal das ei­lig nä­he­re Blatt den wirk­li­chen Strich ab­nimmt: so neh­men oft Spie­gel das hei­lig ein­zi­ge Lä­cheln der Mäd­chen in sich, wenn sie den Mor­gen er­pro­ben, al­lein, –– oder im Glan­ze der die­nen­den Lich­ter. Und in das At­men der ech­ten Ge­sich­ter, spä­ter, fällt nur ein Wi­der­schein.Was ha­ben Au­gen einst ins um­ruß­te lan­ge Ver­glühn der Ka­mi­ne ge­schaut: Bli­cke des Le­bens, für im­mer ver­lor­ne. Ach, der Erde, wer kennt die Ver­lus­te? Nur, wer mit den­noch prei­sen­dem Laut sän­ge das Herz, das ins Gan­ze ge­bor­ne.

Sonett 3

Spie­gel: noch nie hat man wis­send be­schrie­ben, was ihr in eu­e­rem We­sen seid. Ihr, wie mit lau­ter Lö­chern von Sie­ben er­füll­ten Zwi­schen­räu­me der Zeit. Ihr, noch des lee­ren Saa­l­es Ver­schwen­der ––, wenn es däm­mert, wie Wäl­der weit ... Und der Lüs­ter geht wie ein Sech­zehn-En­der durch eure Un­be­tret­bar­keit. Manch­mal seid ihr voll Ma­le­rei. Ei­ni­ge schei­nen in euch ge­gan­gen ––, an­de­re schick­tet ihr scheu vor­bei. Aber die Schöns­te wird blei­ben, bis drü­ben in ihre ent­hal­te­nen Wan­gen ein­drang der kla­re ge­lös­te Nar­ziß.

Sonett 4

O die­ses ist das Tier, das es nicht gibt. Sie wuß­tens nicht und ha­bens je­den Falls –– sein Wan­deln, sei­ne Hal­tung, sei­nen Hals, bis in des stil­len Blickes Licht –– ge­liebt. Zwar war es nicht. Doch weil sie’s lieb­ten, ward ein rei­nes Tier. Sie lie­ßen im­mer Raum. Und in dem Rau­me, klar und aus­ge­spart er­hob es leicht sein Haupt und brauch­te kaum zu sein. Sie nähr­ten es mit kei­nem Korn, nur im­mer mit der Mög­lich­keit, es sei. Und die gab sol­che Stär­ke an das Tier, daß es aus sich ein Stirn­horn trieb. Ein Horn. Zu ei­ner Jung­frau kam es weiß her­bei –– und war im Sil­ber-Spie­gel und in ihr.

Sonett 5

Blu­men­mus­kel, der der Ane­mo­ne Wie­sen­mor­gen nach und nach er­schließt, bis in ih­ren Schoß das po­ly­pho­ne Licht der lau­ten Him­mel sich er­gießt, in den stil­len Blü­tens­tern ge­spann­ter Mus­kel des un­end­li­chen Empfangs, manch­mal so von Fül­le über­mann­ter, daß der Ru­he­wink des Un­ter­gangs kaum ver­mag die weit­zu­rück­ge­schnell­ten Blät­ter­rän­der dir zu­rück­zu­ge­ben: du, Ent­schluß und Kraft von wieviel Wel­ten! Wir, Ge­walt­sa­men, wir wäh­ren län­ger. Aber wann, in wel­chem al­ler Le­ben, sind wir end­lich of­fen und Emp­fän­ger?

Sonett 6

Rose, du thro­nen­de, de­nen im Al­ter­tum warst du ein Kelch mit ein­fa­chem Rand.Uns aber bist du die vol­le zahl­lo­se Blu­me, der un­er­schöpf­li­che Ge­gen­stand. In dei­nem Reich­tum scheinst du wie Klei­dung um Klei­dung um einen Leib aus nichts als Glanz; aber dein ein­zel­nes Blatt ist zu­gleich die Ver­mei­dung und die Ver­leug­nung je­des Ge­wands. Seit Jahr­hun­der­ten ruft uns dein Duft sei­nen sü­ßes­ten Na­men her­über; plötz­lich liegt er wie Ruhm in der Luft. Den­noch wir wis­sen ihn nicht zu nen­nen, wir ra­ten... Und Erin­ne­rung geht zu ihm über, die wir von ruf­ba­ren Stun­den er­ba­ten.

Sonett 7

Blu­men, ihr schließ­lich den ord­nen­den Hän­den ver­wand­te, (Hän­den der Mäd­chen von einst und jetzt), die auf dem Gar­ten­tisch oft von Kan­te zu Kan­te la­gen, er­mat­tet und sanft ver­letzt, war­tend des Was­sers, das sie noch ein­mal er­ho­le aus dem be­gon­ne­nen Tod ––, und nun wie­der er­ho­be­ne zwi­schen die strö­men­den Pole füh­len­der Fin­ger, die wohl­zu­tun mehr noch ver­mö­gen, als ihr ahn­tet, ihr leich­ten, wenn ihr euch wie­der­fan­det im Krug, lang­sam er­küh­lend und War­mes der Mäd­chen, wie Beich­ten, von euch ge­bend, wie trü­be er­mü­den­de Sün­den, die das Ge­pflückt­sein be­ging, als Be­zug wie­der zu ih­nen, die sich euch blü­hend ver­bün­den.

Sonett 8

We­ni­ge ihr, der eins­ti­gen Kind­heit Ge­spie­len in den zer­streu­ten Gär­ten der Stadt: wie wir uns fan­den und uns zö­gernd ge­fie­len und, wie das Lamm mit dem re­den­den Blatt, spra­chen als Schwei­gen­de. Wenn wir uns ein­mal freu­ten, kei­nem ge­hör­te es. Wes­sen wars? Und wie zer­gings un­ter al­len den ge­hen­den Leu­ten und im Ban­gen des lan­gen Jahrs. Wa­gen um­roll­ten uns fremd, vor­über­ge­zo­gen, Häu­ser um­stan­den uns stark, aber un­wahr, –– und kei­nes kann­te uns je. Was war wirk­lich im All? Nichts. Nur die Bäl­le, ihre herr­li­chen Bo­gen. Auch nicht die Kin­der ... Aber manch­mal trat ei­nes, ach ein ver­ge­hen­des, un­ter den fal­len­den Ball.(In me­mo­riam Egon von Ril­ke)

Sonett 9

Rühmt euch, ihr Rich­ten­den, nicht der ent­behr­li­chen Fol­ter und daß das Ei­sen nicht län­ger an Häl­sen sperrt. Keins ist ge­stei­gert, kein Herz ––, weil ein ge­woll­ter Krampf der Mil­de euch zar­ter ver­zerrt. Was es durch Zei­ten be­kam, das schenkt das Scha­fott wie­der zu­rück, wie Kin­der ihr Spiel­zeug vom vo­rig al­ten Ge­burts­tag. Ins rei­ne, ins hohe, ins to­rig of­fe­ne Herz trä­te er an­ders, der Gott wirk­li­cher Mil­de. Er käme ge­wal­tig und grif­fe strah­len­der um sich, wie Gött­li­che sind.Mehr als ein Wind für die großen ge­si­cher­ten Schif­fe. We­ni­ger nicht, als die heim­li­che lei­se Ge­wah­rung, die uns im In­nern schwei­gend ge­winnt wie ein still spie­len­des Kind aus un­end­li­cher Paa­rung.

Sonett 10

Al­les Er­wor­be­ne be­droht die Ma­schi­ne, so­lan­ge sie sich er­dreis­tet, im Geist, statt im Ge­hor­chen, zu sein. Daß nicht der herr­li­chen Hand schö­ne­res Zö­gern mehr pran­ge, zu dem ent­schlos­se­nern Bau schnei­det sie stei­fer den Stein. Nir­gends bleibt sie zu­rück, daß wir ihr ein Mal ent­rön­nen und sie in stil­ler Fa­brik ölend sich sel­ber ge­hört. Sie ist das Le­ben, –– sie meint es am bes­ten zu kön­nen, die mit dem glei­chen Ent­schluß ord­net und schafft und zer­stört. Aber noch ist uns das Da­sein ver­zau­bert; an hun­dert Stel­len ist es noch Ur­sprung. Ein Spie­len von rei­nen Kräf­ten, die kei­ner be­rührt, der nicht kniet und be­wun­dert. Wor­te ge­hen noch zart am Un­säg­li­chen aus ... Und die Mu­sik, im­mer neu, aus den be­bends­ten Stei­nen, baut im un­brauch­ba­ren Raum ihr ver­gött­lich­tes Haus.

Sonett 11

Man­che, des To­des, ent­stand ru­hig ge­ord­ne­te Re­gel, wei­ter­be­zwin­gen­der Mensch, seit du im Ja­gen be­harrst; mehr doch als Fal­le und Netz, weiß ich dich, Strei­fen von Se­gel, den man hin­un­ter­ge­hängt in den höh­li­gen Karst. Lei­se ließ man dich ein, als wärst du ein Zei­chen, Frie­den zu fei­ern. Doch dann : rang dich am Ran­de der Knecht, –– und aus den Höh­len, die Nacht warf eine Hand­voll von blei­chen tau­meln­den Tau­ben ans Licht... Aber auch das ist im Recht. Fern von dem Schau­en­den sie jeg­li­cher Hauch des Be­dau­erns, nicht nur vom Jä­ger al­lein, der, was sich zei­tig er­weist, wach­sam und han­delnd voll­zieht.Tö­ten ist eine Ge­stalt un­se­res wan­dern­den Trau­erns ... Rein ist im hei­te­ren Geist, was an uns sel­ber ge­schieht.

Sonett 12

Wol­le die Wand­lung. O sei für die Flam­me be­geis­tert, drin sich ein Ding dir ent­zieht, das mit Ver­wand­lun­gen prunkt; je­ner ent­wer­fen­de Geist, wel­cher das Ir­di­sche meis­tert, liebt in dem Schwung der Fi­gur nichts wie den wen­den­den Punkt. Was sich ins Blei­ben ver­schließt, schon ist­s das Er­starr­te; wähnt es sich si­cher im Schutz des un­schein­ba­ren Grau’s? War­te, ein Här­tes­tes warnt aus der Fer­ne das Har­te. Wehe ––: ab­we­sen­der Ham­mer holt aus! Wer sich als Quel­le er­gießt, den er­kennt die Er­ken­nung; und sie führt ihn ent­zückt durch das hei­ter Ge­schaff­ne, das mit An­fang oft schließt und mit Ende be­ginnt. Je­der glück­li­che Raum ist Kind oder En­kel von Tren­nung, den sie stau­nend durch­gehn. Und die ver­wan­del­te Daph­ne will, seit sie lor­beern fühlt, daß du dich wan­delst in Wind.

Sonett 13

Sei al­lem Ab­schied vor­an, als wäre er hin­ter dir, wie der Win­ter, der eben geht. Denn un­ter Win­tern ist ei­ner so end­lich Win­ter, daß, über­win­ternd, Dein Herz über­haupt wi­der­steht. Sei im­mer tot in Eu­ry­di­ke ––, sin­gen­der stei­ge, prei­sen­der stei­ge zu­rück in den rei­nen Be­zug. Hier, un­ter Schwin­den­den, sei, im Rei­che der Nei­ge, sei ein klin­gen­des Glas, das sich im Klang schon zer­schlug. Sei –– und wis­se zu­gleich des Nicht-Seins Be­din­gung, den un­end­li­chen Grund dei­ner in­ni­gen Schwin­gung, daß du sie völ­lig voll­ziehst die­ses ein­zi­ge Mal. Zu dem ge­brauch­ten so­wohl, wie zum dump­fen und stum­men Vor­rat der vol­len Na­tur, den un­säg­li­chen Sum­men, zäh­le dich ju­belnd hin­zu und ver­nich­te die Zahl.

Sonett 14

Sie­he die Blu­men, die­se dem Ir­di­schen treu­en, de­nen wir Schick­sal vom Ran­de des Schick­sals leihn, –– aber wer weiß es! Wenn sie ihr Wel­ken be­reu­en, ist es an uns, ihre Reue zu sein. Al­les will schwe­ben. Da gehn wir um­her wie Be­schwe­rer, le­gen auf al­les uns selbst, vom Ge­wich­te ent­zückt; o was sind wir den Din­gen für zeh­ren­de Leh­rer, weil ih­nen ewi­ge Kind­heit glückt. Näh­me sie ei­ner ins in­ni­ge Schla­fen und schlie­fe tief mit den Din­gen ––: o wie käme er leicht, an­ders zum an­de­ren Tag, aus der ge­mein­sa­men Tie­fe. Oder er blie­be viel­leicht; und sie blüh­ten und prie­sen ihn, den Be­kehr­ten, der nun den Ih­ri­gen gleicht, al­len den stil­len Ge­schwis­tern im Win­de der Wie­sen.

Sonett 15

O Brun­nen-Mund, du ge­ben­der, du Mund, der un­er­schöpf­lich Ei­nes, Rei­nes spricht, –– du, vor des Was­sers flie­ßen­dem Ge­sicht, mar­mor­ne Mas­ke. Und im Hin­ter­grund der Aquä­duk­te Her­kunft. Wei­ter an Grä­bern vor­bei, vom Hang des Apenn­ins tra­gen sie dir dein Sa­gen zu, das dann am schwar­zen Al­tern dei­nes Kinns vor­über­fällt in das Ge­fäß da­vor. Dies ist das schla­fend hin­ge­leg­te Ohr, das Mar­mo­rohr, in das du im­mer sprichst. Ein Ohr der Erde. Nur mit sich al­lein re­det sie also. Schiebt ein Krug sich ein, so scheint es ihr, daß du sie un­ter­brichst.

Sonett 16

Im­mer wie­der von uns auf­ge­ris­sen, ist der Gott die Stel­le, wel­che heilt. Wir sind Schar­fe, denn wir wol­len wis­sen, aber er ist hei­ter und ver­teilt. Selbst die rei­ne, die ge­weih­te Spen­de nimmt er an­ders nicht in sei­ne Welt, als in­dem er sich dem frei­en Ende un­be­wegt ent­ge­gen­stellt. Nur der Tote trinkt aus der hier von uns ge­hör­ten Quel­le, wenn der Gott ihm schwei­gend winkt, dem To­ten.Uns wird nur das Lär­men an­ge­bo­ten. Und das Lamm er­bit­tet sei­ne Schel­le aus dem stil­le­ren In­stinkt.

Sonett 17

Wo, in wel­chen im­mer se­lig be­wäs­ser­ten Gär­ten, an wel­chen Bäu­men, aus wel­chen zärt­lich ent­blät­ter­ten Blü­ten-Kel­chen rei­fen die fremd­ar­ti­gen Früch­te der Trös­tung? Die­se köst­li­chen, de­ren du eine viel­leicht in der zer­tre­te­nen Wie­se dei­ner Ar­mut fin­dest. Von ei­nem zum an­de­ren Male wun­derst du dich über die Grö­ße der Frucht, über ihr Heil­sein, über die Sanft­heit der Scha­le und daß sie der Leicht­sinn des Vo­gels dir nicht vor­weg­nahm und nicht die Ei­fer­sucht un­ten des Wurms. Gibt es denn Bäu­me, von En­geln be­flo­gen, und von ver­bor­ge­nen lang­sa­men Gärt­nern so selt­sam ge­zo­gen, daß sie uns tra­gen ohne uns zu ge­hö­ren? Ha­ben wir nie­mals ver­mocht, wir Schat­ten und Sche­men, durch un­ser vor­ei­lig rei­fes und wie­der wel­kes Be­neh­men je­ner ge­las­se­nen Som­mer Gleich­mut zu stö­ren?

Sonett 18

Tän­ze­rin: o du Ver­le­gung al­les Ver­ge­hens in Gang: Wie brach­test du’s dar. Und die­ser Wir­bel am Schluß, die­ser Baum aus Be­we­gung, nahm er nicht ganz in Be­sitz das er­schwun­ge­ne Jahr? Blüh­te nicht, daß ihn dein Schwin­gen von vor­hin um­schwär­me, plötz­lich sein Wip­fel voll Stil­le? Und über ihr, war sie nicht Son­ne, war sie nicht Som­mer, die Wär­me die­se un­zäh­li­ge Wär­me aus dir? Aber er trug auch, er trug, dein Baum der Ek­sta­se. Sind sie nicht sei­ne ru­hi­gen Früch­te : Der Krug, rei­fend ge­streift, und die ge­reif­te­re Vase? Und in den Bil­dern: ist nicht die Zeich­nung ge­blie­ben, die dei­ner Braue dunk­ler Zug rasch an die Wan­dung der ei­ge­nen Wen­dung ge­schrie­ben?

Sonett 19

Ir­gend­wo wohnt das Gold in der ver­wöh­nen­den Bank und mit Tau­sen­den tut es ver­trau­lich. Doch je­ner Blin­de, der Bett­ler, ist selbst dem kup­fer­nern Zeh­ner, wie ein ver­lo­re­ner Ort, wie das stau­bi­ge Eck un­term Schrank. In den Ge­schäf­ten ent­lang ist das Geld wie zu­hau­se und ver­klei­det sich schein­bar in Sei­de, Nel­ken und Pelz. Er, der Schwei­gen­de, steht in der Atem­pau­se al­les des wach oder schla­fend at­men­den Gelds. O wie mag sie sich schlie­ßen bei Nacht, die­se im­mer of­fe­ne Hand. Mor­gen holt sie das Schick­sal wie­der, und täg­lich hält es sie hin: hell, elend, un­end­lich zer­stör­bar. Daß doch ei­ner, ein Schau­en­der, end­lich ih­ren lan­gen Be­stand stau­nend be­grif­fe und rühm­te. Nur dem Auf­sin­gen­den säg­lich. Nur dem Gött­li­chen hör­bar.

Sonett 20

Zwi­schen den Ster­nen, wie weit; und doch, um wie­vie­les noch wei­ter, was man am Hie­si­gen lernt. Ei­ner, zum Bei­spiel ein Kind... und ein Nächs­ter, ein Zwei­ter ––, o wie un­faß­lich ent­fernt. Schick­sal, es mißt uns viel­leicht mit des Sei­en­den Span­ne, daß es uns fremd er­scheint; denk, wie­viel Span­nen al­lein vom Mäd­chen zum Man­ne, wenn es ihn mei­det und meint. Al­les ist weit ––, und nir­gends schließt sich der Kreis. Sieh in der Schüs­sel, auf hei­ter be­rei­te­tem Ti­sche selt­sam der Fi­sche Ge­sicht Fi­sche sind stumm ..., mein­te man ein­mal. Wer weiß? Aber ist nicht am Ende ein Ort, wo man das, was der Fi­sche Spra­che wäre, oh­ne sie spricht?

Sonett 21

Sin­ge die Gär­ten, mein Herz, die du nicht kennst; wie in Glas ein­ge­gos­se­ne Gär­ten, klar, un­er­reich­bar, Was­ser und Ro­sen von Is­phahan oder Schi­ras, sin­ge sie se­lig, prei­se sie, kei­nem ver­gleich­bar. Zei­ge, mein Herz, daß du sie nie­mals ent­behrst. Daß sie dich mei­nen, ihre rei­fen­den Fei­gen. Daß du mit ih­ren, zwi­schen den blü­hen­den Zwei­gen wie zum Ge­sicht ge­stei­ger­ten Lüf­ten ver­kehrst. Mei­de den Irr­tum, daß es Ent­beh­run­gen gebe für den ge­scheh­nen Ent­schluß, die­sen: zu sein! Sei­de­ner Fa­den, kamst du hin­ein ins Ge­we­be. Wel­chem der Bil­der du auch im In­nern ge­eint bist (sei es selbst ein Mo­ment aus dem Le­ben der Pein), fühl, daß der gan­ze, rühm­li­che Tep­pich ge­meint ist.

Sonett 22

O trotz Schick­sal: die herr­li­chen Über­flüs­se un­se­res Da­seins, in Par­ken über­ge­schäumt, –– oder als stei­ner­ne Män­ner ne­ben die Schlüs­se ho­her Por­ta­le, un­ter Bal­ko­ne ge­bäumt! O die eher­ne Glo­cke, die ihre Keu­le täg­lich wi­der den stump­fen All­tag hebt. Oder die ei­ne, in Kar­nak, die Säu­le, die Säu­le, die fast ewi­ge Tem­pel über­lebt. Heu­te stür­zen die Über­schüs­se, die­sel­ben, nur noch als Eile vor­bei, aus dem waag­rech­ten gel­ben Tag in die blen­dend mit Licht über­trie­be­ne Nacht. Aber das Ra­sen zer­geht und läßt kei­ne Spu­ren. Kur­ven des Flugs durch die Luft und die, die sie fuh­ren, kei­ne viel­leicht ist um­sonst. Doch nur wie ge­dacht.

Sonett 23

Rufe mich zu je­ner Dei­ner Stun­den, die dir un­auf­hör­lich wi­der­steht: fle­hend nah, wie das Ge­sicht von Hun­den, aber im­mer wie­der weg­ge­dreht, wenn du end­lich meinst, sie zu er­fas­sen. So Ent­zo­gnes ist am meis­ten dein. Wir sind frei. Wir wur­den dort ent­las­sen wo wir mein­ten erst be­grüßt zu sein. Bang ver­lan­gen wir nach ei­nem Hal­te, wir zu Jun­gen manch­mal für das Alte und zu alt für das, was nie­mals war. Wir, ge­recht nur, wo wir den­noch prei­sen, weil wir, ach, der Ast sind und das Ei­sen und das Süße rei­fen­der Ge­fahr.

Sonett 24

O die­se Lust, im­mer neu, aus ge­lo­cker­tem Lehm! Nie­mand bei­nah hat den frü­he­s­ten Wa­gern ge­hol­fen. Städ­te ent­stan­den trotz­dem an be­se­lig­ten Gol­fen, Was­ser und Öl füll­ten die Krü­ge trotz­dem. Göt­ter, wir pla­nen sie erst in er­kühn­ten Ent­wür­fen, die uns das mür­ri­sche Schick­sal wie­der zer­stört. Aber sie sind die Uns­terb­li­chen. Se­het, wir dür­fen je­nen er­hor­chen, der uns am Ende er­hört. Wir, ein Ge­schlecht durch Jahr­tau­sen­de: Müt­ter und Vä­ter, im­mer er­füll­ter von dem künf­ti­gen Kind, daß es uns einst, über­stei­gend, er­schüt­tere, spä­ter. Wir, wir un­end­lich Ge­wag­ten, was ha­ben wir Zeit! Und nur der schweig­sa­me Tod, der weiß, was wir sind und was er im­mer ge­winnt, wenn er uns leiht.

Sonett 25

Schon, horch, hörst du der ers­ten Har­ken Ar­beit; wie­der den mensch­li­chen Takt in der ver­hal­te­nen Stil­le der star­ken Vor­früh­lings­er­de. Un­ab­ge­schmackt scheint dir das Kom­men­de. Je­nes so oft dir schon Ge­kom­me­ne scheint dir zu kom­men wie­der wie Neu­es. Im­mer er­hofft nahmst du es nie­mals. Es hat dich ge­nom­men. Selbst die Blät­ter durch­win­ter­ter Ei­chen schei­nen im Abend ein künf­ti­ges Braun Manch­mal ge­ben sich Lüf­te ein Zei­chen. Schwarz sind die Sträu­cher. Doch Hau­fen von Dün­ger la­gern als sat­te­res Schwarz in den Aun. Jede Stun­de, die hin­geht, wird jün­ger.

Sonett 26

Wie er­greift uns der Vo­gel­schrei... Ir­gend­ein ein­mal er­schaf­fe­nes Schrei­en. Selbst die Kin­der schon, spie­lend im Frei­en, schrei­en am wirk­li­chen Schrei­en vor­bei. Schrei­en den Zu­fall. In Zwi­schen­räu­me die­ses, des Wel­traums, (in wel­chen der hei­le Vo­gel­schrei ein­geht, wie Men­schen in Träu­me ––) trei­ben sie ihre, des Krei­schens, Kei­le. Wehe, wo sind wir? Im­mer noch frei­er wie die los­ge­ris­se­nen Dra­chen ja­gen wir halb­hoch, mit Rän­dern von La­chen, win­dig zer­fetz­ten. –– Ord­ne die Schrei­er, sin­gen­der Gott! daß sie rau­schend er­wa­chen, tra­gend als Strö­mung das Haupt und die Lei­er.

Sonett 27

Gibt es wirk­lich die Zeit, die zer­stö­ren­de? Wann, auf dem ru­hen­den Berg, zer­bricht sie die Burg? Die­ses Herz, das un­end­lich den Göt­tern ge­hö­ren­de, wann ver­ge­wal­tigts der De­mi­urg? Sind wir wirk­lich so ängst­lich Zer­brech­li­che, wie das Schick­sal uns wahr ma­chen will? Ist die Kind­heit, die tie­fe ver­sprech­li­che, in den Wur­zeln –– spä­ter –– still? Ach, das Ge­s­penst des Ver­gäng­li­chen, durch den arg­los Emp­fäng­li­chen geht es, als wär es ein Rauch. Als die, die wir sind, als die Trei­ben­den, gel­ten wir doch bei blei­ben­den Kräf­ten als gött­li­cher Brauch.

Sonett 28

O komm und geh. Du, fast noch Kind, er­gän­ze für einen Au­gen­blick die Tanz­fi­gur zum rei­nem Stern­bild ei­nes je­ner Tän­ze, dar­in wir die dumpf ord­nen­de Na­tur ver­gäng­lich über­tref­fen. Denn sie reg­te sich völ­lig hö­rend nur, da Or­pheus sang. Du warst noch die von da­mals her Be­weg­te und leicht be­frem­det, wenn ein Baum sich lang be­sann, mit dir nach dem Ge­hör zu ge­hen. Du wuß­test noch die Stel­le, wo die Lei­er sich tö­nend hob ––; die un­er­hör­te Mit­te. Für sie ver­such­test du die schö­nen Schrit­te und hoff­test, ein­mal zu der hei­len Fei­er des Freun­des Gang und Ant­litz hin­zu­drehn.

Sonett 29

Stil­ler Freund der vie­len Fer­nen, füh­le, wie dein Atem noch den Raum ver­mehrt. Im Ge­bälk der fins­te­ren Glo­cken­stüh­le laß dich läu­ten. Das, was an dir zehrt, wird ein Star­kes über die­ser Nah­rung. Geh in der Ver­wand­lung aus und ein. Was ist dei­ne lei­dends­te Er­fah­rung? Ist dir Trin­ken bit­ter, wer­de Wein. Sei in die­ser Nacht aus Über­maß Zau­ber­kraft am Kreuz­weg Dei­ner Sin­ne, ih­rer selt­sa­men Be­geg­nung Sinn. Und wenn dich das Ir­di­sche ver­gaß, zu der stil­len Erde sag: Ich rin­ne. Zu dem ra­schen Was­ser sprich: Ich bin.

Das Stundenbuch

Ge­legt in die Hän­de von Lou

Das Buch vom mönchischen Leben

(1899)

Da neigt sich die Stunde und rührt mich an

Da neigt sich die Stun­de und rührt mich an mit kla­rem, me­tal­le­nem Schlag: mir zit­tern die Sin­ne. Ich füh­le: ich kann –– und ich fas­se den plas­ti­schen Tag. Nichts war noch vollen­det, eh ich es er­schaut, ein je­des Wer­den stand still. Mei­ne Bli­cke sind reif, und wie eine Braut kommt je­dem das Ding, das er will. Nichts ist mir zu klein und ich lieb es trotz­dem und mal es auf Gold­grund und groß, und hal­te es hoch, und ich weiß nicht wem löst es die See­le los...

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Le­ben in wach­sen­den Rin­gen, die sich über die Din­ge ziehn. Ich wer­de den letz­ten viel­leicht nicht voll­brin­gen, aber ver­su­chen will ich ihn. Ich krei­se um Gott, um den ur­al­ten Turm, und ich krei­se jahr­tau­sen­de­lang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Fal­ke, ein Sturm oder ein großer Ge­sang.

Ich habe viele Brüder in Sutanen

Ich habe vie­le Brü­der in Su­ta­nen im Sü­den, wo in Klös­tern Lor­beer steht. Ich weiß, wie mensch­lich sie Ma­don­nen pla­nen, und träu­me oft von jun­gen Ti­zia­nen, durch die der Gott in Glu­ten geht. Doch wie ich mich auch in mich sel­ber nei­ge:Mein Gott ist dun­kel und wie ein Ge­we­be von hun­dert Wur­zeln, wel­che schweig­sam trin­ken. Nur, daß ich mich aus sei­ner Wär­me hebe, mehr weiß ich nicht, weil alle mei­ne Zwei­ge tief un­ten ruhn und nur im Win­de win­ken.

Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen

Wir dür­fen dich nicht ei­gen­mäch­tig ma­len, du Däm­mern­de, aus der der Mor­gen stieg. Wir ho­len aus den al­ten Far­ben­scha­len die glei­chen Stri­che und die glei­chen Strah­len, mit de­nen dich der Hei­li­ge ver­schwieg. Wir bau­en Bil­der vor dir auf wie Wän­de; so daß schon tau­send Mau­ern um dich stehn. Denn dich ver­hül­len uns­re from­men Hän­de, so­oft dich uns­re Her­zen of­fen sehn.

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden

Ich lie­be mei­nes We­sens Dun­kel­stun­den, in wel­chen mei­ne Sin­ne sich ver­tie­fen; in ih­nen hab ich, wie in al­ten Brie­fen, mein täg­lich Le­ben schon ge­lebt ge­fun­den und wie Le­gen­de weit und über­wun­den. Aus ih­nen kommt mir Wis­sen, daß ich Raum zu ei­nem zwei­ten zeit­los brei­ten Le­ben habe. Und manch­mal bin ich wie der Baum, der, reif und rau­schend, über ei­nem Gra­be den Traum er­füllt, den der ver­gang­ne Kna­be (um den sich sei­ne war­men Wur­zeln drän­gen) ver­lor in Trau­rig­kei­ten und Ge­sän­gen.

Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal

Du, Nach­bar Gott, wenn ich dich man­ches­mal in lan­ger Nacht mit har­tem Klop­fen stö­re, so ists, weil ich dich sel­ten at­men höre und weiß: Du bist al­lein im Saal. Und wenn du et­was brauchst, ist kei­ner da, um dei­nem Tas­ten einen Trank zu rei­chen: Ich hor­che im­mer. Gib ein klei­nes Zei­chen. Ich bin ganz nah. Nur eine schma­le Wand ist zwi­schen uns, durch Zu­fall; denn es könn­te sein: ein Ru­fen dei­nes oder mei­nes Munds –– und sie bricht ein ganz ohne Lärm und Laut. Aus dei­nen Bil­dern ist sie auf­ge­baut. Und dei­ne Bil­der stehn vor dir wie Na­men. Und wenn ein­mal das Licht in mir ent­brennt, mit wel­chem mei­ne Tie­fe dich er­kennt, ver­geu­det sichs als Glanz auf ih­ren Rah­men. Und mei­ne Sin­ne, wel­che schnell er­lah­men, sind ohne Hei­mat und von dir ge­trennt.

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre

Wenn es nur ein­mal so ganz stil­le wäre. Wenn das Zu­fäl­li­ge und Un­ge­fäh­re ver­stumm­te und das nach­bar­li­che La­chen, wenn das Geräusch, das mei­ne Sin­ne ma­chen, mich nicht so sehr ver­hin­der­te am Wa­chen ––: Dann könn­te ich in ei­nem tau­send­fa­chen Ge­dan­ken bis an dei­nen Rand dich den­ken und dich be­sit­zen (nur ein Lä­cheln lang), um dich an al­les Le­ben zu ver­schen­ken wie einen Dank.

Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht

Ich lebe grad, da das Jahr­hun­dert geht. Man fühlt den Wind von ei­nem großen Blatt, das Gott und du und ich be­schrie­ben hat und das sich hoch in frem­den Hän­den dreht. Man fühlt den Glanz von ei­ner neu­en Sei­te, auf der noch Al­les wer­den kann. Die stil­len Kräf­te prü­fen ihre Brei­te und sehn ein­an­der dun­kel an.

Ich lese es heraus aus deinem Wort

Ich lese es her­aus aus dei­nem Wort, aus der Ge­schich­te der Ge­bär­den, mit wel­chen dei­ne Hän­de um das Wer­den sich run­de­ten, be­gren­zend, warm und wei­se. Du sag­test le­ben laut und ster­ben lei­se und wie­der­hol­test im­mer wie­der: Sein. Doch vor dem ers­ten Tode kam der Mord. Da ging ein Riß durch dei­ne rei­fen Krei­se und ging ein Schrein und riß die Stim­men fort, die eben erst sich sam­mel­ten um dich zu sa­gen, um dich zu tra­gen al­les Ab­grunds Brücke –– Und was sie seit­her stam­mel­ten, sind Stücke dei­nes al­ten Na­mens.

Der blasse Adelknabe spricht

Der blas­se Adel­kna­be spricht: Ich bin nicht. Der Bru­der hat mir was ge­tan, was mei­ne Au­gen nicht sahn. Er hat mir das Licht ver­hängt. Er hat mein Ge­sicht ver­drängt mit sei­nem Ge­sicht. Er ist jetzt al­lein. Ich den­ke, er muß noch sein. Denn ihm tut nie­mand, wie er mir ge­tan. Es gin­gen alle mei­ne Bahn, kom­men alle vor sei­nen Zorn, ge­hen alle an ihm ver­lo­ren. Ich glau­be, mein großer Bru­der wacht wie ein Ge­richt. An mich hat die Nacht ge­dacht; an ihn nicht.

Du Dunkelheit, aus der ich stamme

Du Dun­kel­heit, aus der ich stam­me, ich lie­be dich mehr als die Flam­me, wel­che die Welt be­grenzt, in­dem sie glänzt für ir­gend einen Kreis, aus dem her­aus kein We­sen von ihr weiß. Aber die Dun­kel­heit hält al­les an sich: Ge­stal­ten und Flam­men, Tie­re und mich, wie sie’s er­rafft, Men­schen und Mäch­te –– Und es kann sein: eine große Kraft rührt sich in mei­ner Nach­bar­schaft. Ich glau­be an Näch­te.

Ich glaube an Alles noch nie Gesagte

Ich glau­be an Al­les noch nie Ge­sag­te. Ich will mei­ne frömms­ten Ge­füh­le be­frein. Was noch kei­ner zu wol­len wag­te, wird mir ein­mal un­will­kür­lich sein. Ist das ver­mes­sen, mein Gott, ver­gib. Aber ich will dir da­mit nur sa­gen: Mei­ne bes­te Kraft soll sein wie ein Trieb, so ohne Zür­nen und ohne Za­gen; so ha­ben dich ja die Kin­der lieb. Mit die­sem Hin­flu­ten, mit die­sem Mün­den in brei­ten Ar­men ins of­fe­ne Meer, mit die­ser wach­sen­den Wie­der­kehr will ich dich be­ken­nen, will ich dich ver­kün­den wie kei­ner vor­her. Und ist das Hof­fahrt, so laß mich hof­fähr­tig sein für mein Ge­bet, das so ernst und al­lein vor dei­ner wol­ki­gen Stir­ne steht.

Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug

Ich bin auf der Welt zu al­lein und doch nicht al­lein ge­nug, um jede Stun­de zu weihn. Ich bin auf der Welt zu ge­ring und doch nicht klein ge­nug, um vor dir zu sein wie ein Ding, dun­kel und klug. Ich will mei­nen Wil­len und will mei­nen Wil­len be­glei­ten die Wege zur Tat; und will in stil­len, ir­gend­wie zö­gern­den Zei­ten, wenn et­was naht, un­ter den Wis­sen­den sein oder al­lein. Ich will dich im­mer spie­geln in gan­zer Ge­stalt, und will nie­mals blind sein oder zu alt um dein schwe­res schwan­ken­des Bild zu hal­ten. Ich will mich ent­fal­ten. Nir­gends will ich ge­bo­gen blei­ben, denn dort bin ich ge­lo­gen, wo ich ge­bo­gen bin. Und ich will mei­nen Sinn wahr vor dir. Ich will mich be­schrei­ben wie ein Bild das ich sah, lan­ge und nah, wie ein Wort, das ich be­griff, wie mei­nen täg­li­chen Krug, wie mei­ner Mut­ter Ge­sicht, wie ein Schiff, das mich trug durch den töd­lichs­ten Sturm.

Du siehst, ich will viel

Du siehst, ich will viel. Vi­el­leicht will ich Al­les: das Dun­kel je­des un­end­li­chen Fal­les und je­des Stei­gens licht­zit­tern­des Spiel. Es le­ben so vie­le und wol­len nichts, und sind durch ih­res leich­ten Ge­richts glat­te Ge­füh­le ge­fürs­tet. Aber du freust dich je­des Ge­sichts, das dient und dürs­tet. Du freust dich Al­ler, die dich ge­brau­chen wie ein Gerät. Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät, in dei­ne wer­den­den Tie­fen zu tau­chen, wo sich das Le­ben ru­hig ver­rät.

Wir bauen an dir mit zitternden Händen

Wir bau­en an dir mit zit­tern­den Hän­den und wir tür­men Atom auf Atom. Aber wer kann dich vollen­den, du Dom. Was ist Rom? Es zer­fällt. Was ist die Welt? Sie wird zer­schla­gen eh dei­ne Tür­me Kup­peln tra­gen, eh aus Mei­len von Mo­sa­ik dei­ne strah­len­de Stir­ne stieg. Aber manch­mal im Traum kann ich dei­nen Raum über­schaun, tief vom Be­gin­ne bis zu des Da­ches gol­de­nem Gra­te. Und ich seh: mei­ne Sin­ne bil­den und baun die letz­ten Zie­ra­te.

Daraus, daß Einer dich einmal gewollt hat

Daraus, daß Ei­ner dich ein­mal ge­wollt hat, weiß ich, daß wir dich wol­len dür­fen. Wenn wir auch alle Tie­fen ver­wür­fen: wenn ein Ge­bir­ge Gold hat und kei­ner mehr es er­gra­ben mag, trägt es ein­mal der Fluß zu­tag, der in die Stil­le der Stei­ne greift, der vol­len. Auch wenn wir nicht wol­len:Gott reift.

Wer seines Lebens viele Widersinne

Wer sei­nes Le­bens vie­le Wi­der­sin­ne ver­söhnt und dank­bar in ein Sinn­bild faßt, der drängt die Lär­men­den aus dem Palast, wird an­der­s fest­lich, und du bist der Gast, den er an sanf­ten Aben­den emp­fängt. Du bist der Zwei­te sei­ner Ein­sam­keit, die ru­hi­ge Mit­te sei­nen Mo­no­lo­gen; und je­der Kreis, um dich ge­zo­gen, spannt ihm den Zir­kel aus der Zeit.

Was irren meine Hände in den Pinseln?

Was ir­ren mei­ne Hän­de in den Pin­seln? Wenn ich dich ma­le, Gott, du merkst es kaum. Ich füh­le dich. An mei­ner Sin­ne Saum be­ginnst du zö­gernd, wie mit vie­len In­seln, und dei­nen Au­gen, wel­che nie­mals blin­seln,