Rauhes Land - U.H. Wilken - E-Book

Rauhes Land E-Book

U. H. Wilken

3,0

Beschreibung

Die neuen großen Western Die neuen großen Western sind von unverwechselbarer Action und Spannung. Sie handeln von den großen Gestalten, die für Freiheit und Gerechtigkeit kämpften, von legendären Revolverhelden, die nicht bereit waren, sich dem Bösen zu beugen – und die den Outlaw vernichteten, der Dörfer und ganze Gegenden tyrannisierte. Diese Westernhelden sind hart, unbezwingbar und in den Waffenarsenalen jener Pionierzeit ganz zu Hause. Was erst heute mit voller Schärfe entdeckt wurde: Diese charismatischen Gunmen haben die Wehrlosen und Schwachen beispielhaft beschützt! »Mann, ist das ein Weib! Da bleibt mir die Spucke weg! Mit der möchte ich mal allein sein, Dean.« »Du glotzt wie ein abgestochenes Kalb, Ricky. Paß auf, daß dir nicht die Augen rausfallen!« Im verräucherten Saloon war es brechend voll. Zwei junge Männer standen unter all den Trappern, Bootsleuten und Jägern, starrten zum langen Tresen hinüber und beobachteten die langbeinige Tänzerin, die mit rauchiger Stimme von Old Virginia sang. Mit erregenden Bewegungen glitt sie über die Theke. Ein schönes, aber knappes Kostüm offenbarte ihre weiblichen Reize. Sie lachte und hob die Hände. Die festen Brüste sprengten fast das Kostüm. Der Beifallssturm der Männer ließ den Saloon erzittern. Derbe Stiefel stampften wie verrückt auf dem Boden, und harte Hände klatschten. Laut schallte das Gegröle aus dem Saloon über die nächtliche Straße. Trunken schwankte ein Mann draußen vorbei, ruderte mit den Armen und kippte gegen die Bretterwand des Nebenhauses. Er bemerkte nicht die schattenhaften Gestalten, die ihm folgten und sich drüben hinter den Häusern und Hütten verbargen. Ächzend stieß er sich ab und folgte der zum Missouri abfallenden Straße. Abseits des Forts Union und der Häuser loderten die Flammen eines großen Feuers in den dunklen Himmel empor. Dort hatten sich die Trapper zu ihrem Rendezvous getroffen, johlten und soffen wie Irre. Betrunkene Indianer taumelten dazwischen umher.

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Leseprobe: Pulverrauch in Abilene

Es war an einem Mittag im April. Der Himmel war basaltfarben und mit düsteren Wolken verhangen. Sonst erstreckte sich in dieser Jahreszeit über Kansas ein strahlendblauer Himmel. Aber in diesem Jahr war es anders. Der Frühling kam nur träge über das Land, über die Sandsteppen, über die Weite der Prärie. Das Büffelgras auf der Weide war noch genauso grau und verwaschen wie die tiefhängenden Wolken. Die Rinder ließen ihre Köpfe hängen. Die Cowboys saßen mit eingezogenen Schultern in den Sätteln. Es waren vier Männer, die an den Korrals vorbei auf die Stadt zuritten. Die Cowboys blickten auf und sahen zu den Reitern hinüber. Cass Hoxter war der erste. Viehagent nannte sich der Bandit neuerdings. Niemand wußte genau, wie er an die kleine Herde gekommen war, die er vor wenigen Tagen drüben in Topeka verkauft hatte. Sie hatten Bucks in den Taschen, die Männer, die zu seiner Crew zählten. Cass Hoxter mochte vierzig Jahre sein. Er war ein grobknochiger, hagerer Mann. Sein Gesicht war durch eine brandrote Narbe seltsam verzerrt. Ein Siouxindianer hatte ihm vor Jahren das Gesicht buchstäblich mit einem Messer in zwei Hälften gespalten. Die Narbe zog sich vom rechten Augenwinkel unter der vorspringenden Nase vorbei bis zur Kinnspitze. Aber auch ohne diese schauerliche Narbe wäre Cass Hoxters Gesicht abschreckend gewesen.

Die neuen großen Western – 5 –

Rauhes Land

U. H. Wilken

»Mann, ist das ein Weib! Da bleibt mir die Spucke weg! Mit der möchte ich mal allein sein, Dean.«

»Du glotzt wie ein abgestochenes Kalb, Ricky. Paß auf, daß dir nicht die Augen rausfallen!«

Im verräucherten Saloon war es brechend voll. Zwei junge Männer standen unter all den Trappern, Bootsleuten und Jägern, starrten zum langen Tresen hinüber und beobachteten die langbeinige Tänzerin, die mit rauchiger Stimme von Old Virginia sang.

Mit erregenden Bewegungen glitt sie über die Theke. Ein schönes, aber knappes Kostüm offenbarte ihre weiblichen Reize.

Sie lachte und hob die Hände. Die festen Brüste sprengten fast das Kostüm.

Der Beifallssturm der Männer ließ den Saloon erzittern. Derbe Stiefel stampften wie verrückt auf dem Boden, und harte Hände klatschten. Laut schallte das Gegröle aus dem Saloon über die nächtliche Straße.

Trunken schwankte ein Mann draußen vorbei, ruderte mit den Armen und kippte gegen die Bretterwand des Nebenhauses.

Er bemerkte nicht die schattenhaften Gestalten, die ihm folgten und sich drüben hinter den Häusern und Hütten verbargen. Ächzend stieß er sich ab und folgte der zum Missouri abfallenden Straße.

Abseits des Forts Union und der Häuser loderten die Flammen eines großen Feuers in den dunklen Himmel empor. Dort hatten sich die Trapper zu ihrem Rendezvous getroffen, johlten und soffen wie Irre. Betrunkene Indianer taumelten dazwischen umher.

Der Mann grinste und starrte zum Feuer hinüber.

Hinter ihm glitten die Gestalten hervor und beobachteten ihn. Schwarz hob er sich vor dem Flammenschein ab.

Hell funkelten die Wasser des Missouri im Sternenlicht, das durch die Wolken sickerte. Ein Schaufelraddampfer lag vertäut am Steg. Flat Boats schwankten in der schwachen Strömung. Lichter geisterten am Ufer entlang. Auf dem Dach eines Hausboots hockte ein Mann und trank sich den Bauch voll.

Lärm dröhnte aus dem Saloon. Rauchschwaden zogen durch die offene Tür ins Freie. Ein Betrunkener stürzte hervor, stolperte und landete fluchend auf der Straße. Animiermädchen kreischten. Die Klänge eines Klaviers gingen im Lärm unter.

Der Mann torkelte auf das große Feuer der Trapper zu. Er hörte nicht die Schritte hinter sich. Urplötzlich umschlang ihn von hinten ein Mann. Er röchelte auf und wollte sich aus der tödlichen Umarmung lösen – da bohrte sich ein Messer tief in seine Brust. Er kippte vornüber und fiel schlaff zu Boden.

»Dean…«

Der Name seines Sohnes kam wie ein Hauch über seine Lippen und verwehte. Tot lag er vor seinem Mörder. Männer hasteten heran. Hände durchwühlten seine Taschen, zerrten die Lederbeutel mit Gold und Dollars hervor.

»Der ist hin«, flüsterte einer der Männer. »Los, kommt!«

Sie ließen ihn einfach liegen und entfernten sich schnell, verschwanden wieder hinter den Hütten und trennten sich. Einzeln kehrten sie zum Saloon zurück, trafen sich auf dem Hinterhof und drangen in das Haus ein.

In einem der hinteren Räume saß ein gutgekleideter Mann. Blaue Augen blickten die eintretenden Männer kalt und fragend an. Kein Muskel bewegte sich in dem knochigen groben Gesicht.

»Habt ihr es?«

»Ja, Boß. War ein Kinderspiel. Roberts war ziemlich besoffen.«

»Gut gemacht, Jungs. Geht jetzt in den Saloon, aber nehmt den Vordereingang. Roberts’ Sohn muß noch im Saloon sein. Er steht neben seinem Freund, so einem schwarzen Burschen. Laßt die beiden in Ruhe. Sie können uns nicht gefährlich werden.«

»In Ordnung, Boß.«

Nacheinander verließen sie den Raum. Wenig später betraten sie von der Straße her einzeln und in zeitlichem Abstand den Saloon und mischten sich unter die Gäste.

McCraw zog eine Kassette aus dem Tisch und warf die Lederbeutel hinein, verschloß sie und öffnete eine Tür zu einem Spalt. Laut schlug der Lärm herein. Er sah, wie die Tänzerin über den Tresen wirbelte. Männer belagerten die Theke und versuchten, nach den schlanken Beinen der Lady zu greifen.

»Diese Angie-Ann ist Gold wert«, murmelte McCraw vor sich hin. »Wenn die mir mal stiften geht, dann ist der Saloon nur noch halb so voll.«

Mit traumwandlerischer Sicherheit tanzte Angie-Ann um die Gläser und Flaschen herum, erreichte das Kopfende der Theke und ließ sich hinabgleiten.

Einer der Männer wollte sie umarmen. Sie legte die Hand auf sein Gesicht und stieß ihn zurück.

»Hau ab, du bist besoffen, mein Junge!«

Die Männer lachten wie verrückt. Sie bahnte sich einen Weg um die Tische. Vor ihr standen die beiden jungen Männer. Mit flackernden Augen blickte der Schwarzhaarige sie an.

»Wie heißt du?« fragte sie mit sanftem Lächeln und tätschelte seine glühende Wange.

»Ricky«, sagte er mit belegter Stimme. »Und du, Blonder?«

»Dean Roberts, Ma’am.«

»Vielleicht könnt ihr was für mich tun!« flüsterte sie. »Ihr würdet es nicht bereuen. Wartet am Fluß auf mich…«

Schon glitt sie weiter und verschwand im Hinterraum.

Ein Trapper stieß in diesen Sekunden die Vordertür auf und schrie, daß ein Toter auf der Straße zum Fluß hin läge. Polternd drängten alle hinaus. Heftig schlugen die Türflügel. Der Klavierspieler nahm die Hände von den Tasten und drehte sich auf dem Hocker halb herum.

»Wo nur Dad bleibt?« flüsterte Dean. »Er hat doch bestimmt längst schon die Felle verkauft…«

Sie hasteten hinaus.

Lässig kam McCraw in seinen Sa­loon und blickte zum Tisch im Hintergrund. Dort saß allein ein schwarzhaariger Mann und ließ die Pokerkarten durch die schlanken Hände gleiten.

»Kein Geschäft heute zu machen, Hudson?«

Doug Hudson blickte auf und verzog kaum das Gesicht.

»Nein. Die meisten Kerle sind besoffen. Wenn sie so weitermachen, dann haben sie in ein paar Tagen ihr ganzes Geld versoffen. Und dafür sind sie ein ganzes Jahr lang in der Wildnis gewesen.«

»Man muß ihnen eben zuvorkommen, Hudson.« Lächelnd lehnte McCraw sich an die Theke und ließ sich vom Keeper ein Glas Whisky geben…

Viele Männer hatten sich um den Toten zusammengerottet. Flüche schallten über die Straße. Drüben am Feuer lärmten die Trapper, verstummten plötzlich und kamen näher.

Mühsam schob Ricky sich durch den Kreis der Männer. Endlich konnte er einen Blick auf den Toten werfen. Er wurde plötzlich grau im Gesicht.

»Dean!« schrie er. »Dein Vater…!«

Die Männer wichen zur Seite und starrten Dean an. Sie hatten eine Gasse für ihn freigemacht. Er starrte durch diese Gasse und schrie dumpf auf. Langsam und mit flachen Schritten ging er in den Kreis der Männer und kniete neben seinem Vater nieder.

»Dad«, stöhnte er, »großer Gott – warum, Dad?«

Er zitterte auf einmal. Tränen liefen über das blasse Gesicht. Die Lippen bebten. Schluchzend sank er mit dem Oberkörper auf seinen Vater und legte die flatternden Hände an das Gesicht des Toten.

Ricky stand neben ihm.

»Sie haben ihn erstochen«, sagte er mit klangloser Stimme. »Er war ein guter Mensch.«

Bedrückt blickten die rauhen Männer auf den Toten und auf dessen Sohn. Einer krächzte: »Das ist nun schon der neunte Mann, der umgebracht und beraubt wurde! Welche Schweine stecken dahinter?! Wenn ich das wüßte – ich würde sie mit bloßen Händen erwürgen, diese dreimal verfluchten Sauhunde!«

Ohnmächtige Wut erfaßte die Männer. Sie drängten zurück und ließen Dean und Ricky bei dem Toten allein zurück. Diese Männer waren rauh und hart. Ein Jahr lang hatten sie Pelztiere gejagt. Jetzt, zur Sommerzeit, da die Biber ihre Haare verloren, hatten die langen Wochen des Müßigseins begonnen. In dieser Zeit gehörte den Indianern wieder das ganze Land allein. Keine Büchse knallte und zerriß die tiefe Stille der Wälder.

Behutsam legte Ricky die Hand auf Deans Schulter.

»Wir werden die Halunken nie finden, Dean. Laß uns deinen Vater begraben.«

Der blonde Dean starrte ins Leere. Im Gesicht zuckte es. Der Blick hatte sich in der nächtlichen Ferne verloren.

»Dafür hatte Dad ein ganzes Jahr lang geschuftet, Ricky«, flüsterte er klanglos. »Und in den letzten Wochen hat er immer von Fort Union gesprochen, von der schönen Zeit… Ich will hier nicht länger bleiben, ich geh in die Wildnis zurück, Ricky.«

»Und ich komm mit.«

Sie hoben den Toten an und trugen ihn abseits der Häuser und Wege. Während Dean bei seinem Vater kniete, holte Ricky eine Schaufel. Sie begruben Roberts in der Nähe des Missouri.

Dean betete vor dem Grab.

Ricky starrte umher. Der Lärm tönte herüber.

Langsam wandte Dean sich ab.

»Hol bitte die Pferde, Ricky – ich warte am Fluß…«

Ricky nickte und blickte ihm nach, wie er gebeugt und mit schlurfenden Schritten zum Fluß hinunterging. Dann lief er nach den Häusern und Hütten zurück. Auf dem Hinterhof der Pelzhandelsgesellschaft American Fur Company standen im Stall die drei Pferde. Ricky zog sie heraus, saß auf und ritt davon, zog die beiden Pferde hinter sich her und erreichte das Ufer. Hier unter den Bäumen hatte Dean sich niedergelassen.

»Wer kann das getan haben, Ricky?« stöhnte er. »Sie haben ihm ein Messer ins Herz gestoßen und die Taschen durchwühlt. Die Lederbeutel sind weg – alles ist weg. Diese Schweine! Wenn ich nur wüßte, wer das getan hat – ich würde ihn einfach über den Haufen schießen!«

Ernst und bitter blickte Ricky auf seinen Freund. Jetzt waren sie beide elternlos. Vor zwei Jahren war Ricky zu Dean und dessen Vater gestoßen.

»Jeder kann das getan haben, Dean«, antwortete er dunkel und gepreßt. »Viele Kerle haben doch deinen Vater gesehen, als er die kostbaren Felle zur Agentur brachte. Jeder konnte sich ausrechnen, wieviel Gold und Dollars dein Vater dafür bekommen hatte. Und als er getrunken hatte und unterwegs zum Feuer der Trapper war, da waren sie über ihn hergefallen wie wilde Tiere.«

Dean nickte kaum merklich. Er hörte die Stimmen herüberwehen und den Lärm in den Häusern und Hütten.

»Komm, Dean«, flüsterte Ricky. »Reiten wir flußaufwärts. Irgendein Boot wird uns schon übersetzen.«

Dean nickte und fuhr mit flatternder Hand über die Augen, atmete tief ein und erhob sich.

Das Leben ging weiter.

Er zog sich in den Sattel und nahm den Zügel des ledigen Pferdes, das sonst immer seinen Vater getragen hatte.

In diesen Sekunden stieß Ricky einen leisen Pfiff aus. Sie verhielten und horchten angespannt. Irgendwer näherte sich ihnen, drückte die Zweige des Unterholzes weg und drängte sich am Geäst vorbei.

Eine schlanke Gestalt stand plötzlich vor ihnen. Sie trug derbe Wildlederkleidung und ein Bündel auf dem Rücken.

»Hallo«, sagte sie atemlos. »Gut, daß ihr gewartet habt. Ich hab gehört, was geschehen ist. Nehmt ihr mich mit? Ihr habt ein lediges Pferd.«

»Ma’am«, flüsterte Dean, »Sie wollen mit uns?« Überrascht sah er die Tänzerin an.

»Ja – warum nicht?« erwiderte sie und lächelte ernst. »In Fort Union hält mich nichts mehr. Wenn hier brave Männer umgebracht werden, dann ist es höchste Zeit für mich, diesen Platz für immer zu verlassen.«

»Aber wir wollen zum Yellowstone, Ma’am!« sagte Ricky leise. »Dort gibt es keine Stadt, kein Fort – nur Wälder und Felsen. Da treffen Sie auf keinen Menschen – nur auf Bären, Biber und Wölfe.«

»Und Indianer«, fügte sie gelassen hinzu. »Ich weiß, Jungs. Trotzdem will ich weg von hier.«

Sie waren völlig überrascht. Sie glaubten, zu träumen. Vor ihnen stand diese junge schöne Frau, für die andere Männer sterben würden.

»Überlegt es euch nicht zu lange«, sagte sie und horchte zurück. »Ich muß verschwinden! Mein Vertrag bei McCraw ist noch lange nicht abgelaufen. Wenn er merkt, daß ich abgehauen bin, dann wird er vor Wut kotzen!«

Ricky grinste auf einmal. Sie sprach schon manchmal wie die Männer im Saloon. Wie ein Engel war sie ihnen im rauchigen Saloon erschienen – und jetzt trug sie nicht mehr dieses enge Kostüm, stand in derber Kleidung vor ihnen und blickte sie fragend an.

»Sie sind in Ordnung, Ma’am«, sagte er. »Was meinst du, Dean?«

Dean schluckte trocken.

»Wissen Sie denn, wie es in der Wildnis ist, Ma’am? Die Blackfoot-Indianer würden sich die Füße wundlaufen nach Ihrem schönen Skalp!«

»Na, wenn schon, Jungs. Und sagt nicht Ma’am zu mir. Ich bin noch keine alte Schachtel, savvy? Für euch bin ich Angie-Ann, verstanden?«

Sie trat an das ledige Pferd heran und befestigte das Bündel am Sattelhorn. Geschmeidig saß sie auf und packte den Zügel.

»Worauf warten wir noch, Jungs? Auf zum Yellowstone River!«

»Aber warum nehmen Sie nicht ein Boot flußabwärts, Angie-Ann?« Ricky zeigte zum Steg, wo die flachen Boote lagen. »In zwei oder drei Wochen könnten Sie in St. Louis sein.«

In ihrem schönen Gesicht zuckte es. Wieder sah sie nach den Lichtern hinüber.

»Ich will nicht nach St. Louis. Das Gebiet am Yellowstone ist genau richtig für mich. Ich werde euch Geld geben, wenn ihr mich später nach Südwesten bringt. Man hört doch immer wieder von Wagenkarawanen, die nach Kalifornien ziehen! Eines Tages will ich in San Francisco sein…«

»Alle Achtung, Sie haben Mut, Angie-Ann.« Ricky ritt langsam an. »Nehmen wir sie mit, Dean?«

Dean blickte die junge Tänzerin ernst an. In ihren braunen Augen war der Ausdruck des Bittens. Sie schien unruhig zu sein, als wäre jemand hinter ihr her.

»Ja!« antwortete er. »Wir reiten zusammen!«

»Ihr seid großartig, Jungs«, strahlte Angie-Ann. »Ihr werdet es nicht bereuen!«

Sie trieben die Pferde am Missouri entlang und folgten einem Knüppelweg. Dumpf schlugen die Hufe über die Luftwurzeln der Bäume hinweg. Flußnebel wallten heran und hüllten sie ein.

Sie verschwanden in der Nacht…

*

Im Hinterraum des Saloons schrie McCraw überrascht und voller Wut auf. Heftig riß er die Schubladen aus dem Tisch. Das Licht der blakenden Lampe flackerte durch den Raum. Im Saloon lärmten die Männer. Animiermädchen lachten schrill. Tabakrauch zog durch die Bretterwände. Das Klavier klimperte durch den Lärm. Immer wieder riefen Männer nach Angie-Ann…

Ein Mann mit einem Narbengesicht betrat den Hinterraum. Schwarzes Haar fiel ungepflegt unter dem Hut hervor.

»Boß, die Kerle wollen Angie-Ann sehen.«

»Das hab ich schon gehört!« fauchte McCraw und trat gegen eine Schublade. »Das ist mir im Moment scheiß­egal! Ich bin beraubt worden, Russian Bill! Die Kassette ist verschwunden! Mein ganzes Geld ist weg!«

Der gebürtige Russe stieß den Atem pfeifend aus und trat an den Tisch heran, starrte auf die Schubladen am Boden und schüttelte den Kopf.

»Beraubt? Sie, Boß?«

»Ja, zum Teufel! Irgendein Schwein war hiergewesen, als ich im Saloon mit dem Spieler Doug Hudson sprach!«

»Dann hat der Kerl also das geraubte Geld gestohlen, Boß?«

»Ja, du einfältiger Narr! Hol die Jungs zusammen! Wir müssen sofort nach der Kassette suchen!«

Russian Bill verließ den Raum, und McCraw sank in den Stuhl zurück. Starr sah er vor sich hin. Er ballte die Hände zu Fäusten und zitterte vor Wut.

Nacheinander kamen die bewaffneten Männer herein: der blonde Medford, der schwarzhaarige Darkins, der blaßgesichtige, krankhaft aussehende Ray Silver und der Franzose, den sie Frenchman nannten. Russian Bill schloß die Tür hinter sich.

»Ihr müßt den Kerl mit meiner Kassette finden!« fauchte McCraw. »Er kann nicht so einfach damit verschwinden! Los, verschwindet! Sucht überall!«

Die Männer verließen ihn und machten sich auf die Suche – fünf gefährliche, skrupellose Männer, die nicht vor Morden zurückschreckten, die skrupellos Menschenleben auslöschten und McCraw wie gutdressierte Hunde gehorchten.

Ächzend stand McCraw im Raum, als es klopfte. Der Spieler Doug Hudson trat ein.

»Pardon«, sagte er, »aber die Männer schreien nach Angie-Ann. Ich wollte sie holen.«

»Verflucht! Wo bleibt sie denn? Warum arbeitet sie nicht?« McCraw rannte aus seinem Zimmer, und Hudson folgte ihm. Sie erreichten das kleine Zimmer, in dem die Tänzerin untergebracht war, stießen die Tür auf und blieben wie festgenagelt stehen.

Wilde Unordnung herrschte im Zimmer. Das Kostüm und die Kleider lagen am Boden, daneben zwei Hutschachteln. Das Bett war zerwühlt.

»Wo ist sie denn nur?« dehnte Doug Hudson. »Sie wollte zu mir an den Tisch kommen.«

McCraw stieß Kleider und Schachteln beiseite und beugte sich aus dem kleinen Fenster. In seinem groben Gesicht grub sich ein bösartiger Ausdruck ein.

Er hörte den Lärm im Saloon und den Spieler, der im Zimmer suchte.

Auf einmal klapperte es metallisch. McCraw fuhr herum und sah, wie der Spieler eine aufgebrochene Kassette unter dem Bett hervorzog.

McCraws Augen weiteten sich. Steif ging er zu Hudson und riß ihm die Kassette aus den Händen.

Sie war leer…

»Dieses Biest!« flüsterte er mit zersprungener Stimme. »Sie hat sich mit dem Geld davongemacht! Alles hat sie mir genommen. Sie flüchtet mit meinem Vermögen. Ich hatte ihr vertraut. Das soll sie mir büßen!«

»Ich kann es nicht glauben«, antwortete Doug Hudson dumpf. »Sie wollte doch mit mir später nach San Francisco!«

»Sie hat dich belogen, Hudson!« fauchte McCraw. »Sie hat uns allen was vorgemacht. Sie hat wie ein Engel getan – dabei ist sie ein verfluchtes Luder! Wenn ich sie erwische, drehe ich ihr den Hals um!«

Er schleuderte die Kassette weg und stürzte aus dem Zimmer. Doug Hudson blieb noch im Raum. Langsam setzte er sich auf die Bettkante und starrte auf die Kleider.