Recipe on Tour - Heidi Arnau - E-Book

Recipe on Tour E-Book

Heidi Arnau

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Beschreibung

Heidi und Micha brechen 2023 mit ihrem Motorboot Recipe zu einer Reise auf eigenem Kiel von der Mecklenburgischen Seenplatte ans Ijsselmeer in die Niederlande auf. Sie entdecken im heimischen Revier die Potsdamer Kulturlandschaft neu, folgen der Havel über Brandenburg bis auf die nach Westen führende Wasserstraße, den Mittellandkanal, teilen sich den Dortmund-Ems-Kanal Richtung Süden mit Frachtschiffen und entdecken im nördlichen Abschnitt des Dortmund-Ems-Kanals den natürlichen Verlauf der Ems. Ab Haren an der Ems passieren sie über den Haren-Rütenbrock-Kanal die deutsch-niederländische Grenze. Historische Kanalverbindungen bringen sie durch die niederländische Provinzen Groningen, Friesland, Flevoland, Overijssel und Drenthe, auf den Spuren der ehemaligen Torfbauern, die für Land- und Energiegewinnung hart arbeiteten. Einen würdigen Abschied dieser Rundreise bietet der Besuch des Freilichtmuseums Veenpark. Entdeckungen, Erlebnisse und Gedanken sind als persönliches Reisetagebuch gestaltet. Viele Fotos und Informationen zu einzelnen Strecken zeugen vom Perspektivwechsel, den der Blick vom Wasser aus erlaubt. Entstanden ist eine Dokumentation, die ein Mitreisen ermöglicht. Interessierte finden Anregungen für eigene Tourenplanungen.

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Recipe on Tour

Reisetagebuch 2023

Mit dem Motorboot Recipe von Mecklenburg-Vorpommern in den Norden der Niederlande

Unser Traum, eine lange Zeit mit dem Boot unterwegs zu sein, ging mit dieser Tour in Erfüllung. Unterschiedliche Fahrwasser brachten abwechslungsreiche Tage, viele Eindrücke und Begegnungen. Wir lernten viel über die Entstehung der Kanäle und über die Ereignisse früherer Zeiten rechts und links der Wasserwege sowie über die Bemühungen heutiger Generationen, Gegenwart und Zukunft ihrer Heimat zu gestalten.

Und für uns zwei ganz persönlich hat sich (wieder einmal) bestätigt, dass wir auch über eine längere Zeit sehr gut mit uns und dem doch beschränkten Raum zurechtkommen.

Grundlage dieses Reisetagebuchs sind unsere Aufzeichnungen aus dem Logbuch, persönliche Notizen zu Begebenheiten und Recherchen zu Hintergründen sowie zu unseren Gedanken, denen wir während der Fahrten so herrlich nachhängen können.

Ihr seid herzlich eingeladen, uns auf dieser Reise zu begleiten.

Falls Ihr neugierig auf die Tour oder auch auf uns geworden seid: Ihr könnt uns auch auf unserem YouTube-Kanal erleben. (https://www.youtube.com/c/Minimax581).

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte dieses Tagebuchs

Rückblick und Ausblick

Wir starten!

Das UNESCO-Welterbe: die Potsdamer Kulturlandschaft

Der Mittellandkanal (MLK

)

Der Dortmund-Ems-Kanal (DEK

)

Der Datteln-Hamm-Kanal (DHK

)

Willkommen in den Niederlanden

Provinz Groningen

Provinz Friesland

Provinz Flevoland

Provinz Overijssel (Start der Torfroute

)

Provinz Drenthe (Torfroute und Veenvaart

)

Zurück gen Osten

Dortmund-Ems-Kanal

Mittellandkanal

Elbe-Havel-Kanal

Brandenburger Gewässer

Obere-Havel-Wasserstraße

Müritz-Havel-Wasserstraße

Saisonende

Resümee

Quellenangaben

Übersichten

Die Tour

Bild 1: Übersicht über die gefahrene Strecke

Das Boot und die Crew

Bild 2: Kent 28 Launch: Recipe in Emmeloord (2023)

Bild 3: Heidi & Micha, Eigner seit 2017

Vorgeschichte dieses Tagebuchs

Durch das Schreiben von Reiseberichten für das Magazin Seenland zu unseren Touren entstand die Idee, unsere Erlebnisse beim Bootfahren als Tagebuch niederzuschreiben und so eine Ergänzung zu den Reisevideos zu schaffen. Dadurch werden wir keinen Törnführer erstellen, sondern schlicht und einfach unsere persönlichen Eindrücke und Erfahrungen, Wahrnehmungen und Bewertungen wiedergeben und das unterwegs Gelernte mitteilen. „Recipe on Tour“ so ist der Titel des Reisetagebuchs und unter diesem Namen veröffentlichen wir die Reisevideos auf unserem YouTube-Kanal „Minimax“.

Für das Jahr 2021 gibt es „Recipe on Tour“ als Reisetagebuch, in dem unsere Motivation für das Bootfahren und für das Dokumentieren unserer Touren sowohl als Videos als auch in niedergeschriebener Form dargestellt wird. Nun kann ich ja nicht davon ausgehen, dass jeder, der den vorliegenden Bericht liest, auch den Inhalt des ersten Reisetagebuchs kennt oder sich daran erinnert. Insofern komme ich nicht umhin, doch das eine und das andere über uns, unser Bootfahren und unsere Recipe zu beschreiben – auch auf die Gefahr hin, dass es als Wiederholung wahrgenommen wird. Der geneigte Leser mag im gegebenen Fall diesen Abschnitt einfach überspringen. Nur der Vollständigkeit halber: für 2022 gibt es kein Reisetagebuch, da wir wegen widriger Umstände unsere Reisepläne ändern mussten. Doch eins nach dem anderen.

Wir und Bootfahren

Heidi

Am Rhein aufgewachsen, habe ich als Kind die Rheinschifffahrt beobachten können und dabei ziemlich romantische Vorstellungen über das Leben der Binnenschiffer entwickelt. Zu gemütlich sah es vom Ufer gesehen aus, wenn Frauen an Deck entgegen der Fahrtrichtung des Schiffes herumliefen, um mit Kindern und Hund zu spielen oder die Wäsche aufzuhängen. Es musste doch schön sein, herumzufahren, Strecke zu machen und seinen Alltag mit wenig Drumherum zu gestalten. Von der schweren Arbeit, dem Zeitdruck, der Sorge um Fracht, Pünktlichkeit, Folgeauftrag und dergleichen hatte ich damals noch keine Ahnung.

Ebenso romantisch fand ich die Ansicht einsam über Felder ziehender Trecker. Ein so ruhiges, beschauliches Bild. Trecker und Fahrer fast meditativ Feld für Feld, Furche für Furche abzufahren, jenseits der Hektik, die auf Straßen, Baustellen und anderen Arbeitsfeldern wirkte.

Ich wurde weder Binnenschifferin noch Bäuerin und Ruhe fand ich beim Wandern und beim Laufen. Mit beiden Beinen auf festem Boden oder so ähnlich.

Am Wasser war ich immer gern, im Wasser eher nicht. Meine Erfahrungen auf dem Wasser machte ich bei Paddeltouren mit dem Faltboot auf der Lahn, bei denen es, nicht zuletzt wegen mitfahrender kleiner Kinder, recht beschaulich und gemütlich zuging. Wesentlich wagemutiger war ich Jahre zuvor, als es mit schnittigen Einerkajaks die Ardèche in Frankreich herunterging und Stromschnelle um Stromschnelle todesmutig genommen wurde.

Fahrten zur Wanderregion in Lappland beinhalteten auch die Überfahrt mit der Oslo-Fähre, vor der ich Respekt hatte. Zur Recht, wie sich zeigen sollte: bei einer dieser Überfahrten war so starker Seegang, dass hoch oben auf dem Restaurantdeck alles zu Bruch ging, was zerbrechen konnte und ein gefahrloser Gang über eine Treppe so gut wie unmöglich war. Von seekranken Menschen und Sorge um die eigene Gesundheit ganz zu schweigen.

Mit Micha trat das Bootsfahren in mein Leben und mit der Idee, gemeinsam mit einem Charterboot in Elsass-Lothringen Urlaub zu machen, begann eine neue Zeit mit neuen Erfahrungen. Mit Vertrauen in Micha, der „schon länger“ Boot gefahren war, willigte ich ein. Und siehe da, es war gar nicht schlimm. Für mich war die Reise ein Test mit dem Boot, für Micha wohl eher der Test auf meine Tauglichkeit an Bord, für uns beide sicher ein Test, ob und wie wir es auf kleinstem Raum eine Zeitlang miteinander aushalten würden. Unterm Strich wurden alle Tests bestanden.

Mein Spaß am Bootfahren wuchs. Ich machte den Bootsführerschein Binnen und See und den „Funkschein“. Sogar an den Segelschein wagte ich mich, scheiterte jedoch in der praktischen Prüfung, weil einfach zu viel Wind im engen Kanal blies. Hier war eher Intuition als Nachdenken gefordert. Ich war unsicher und ängstlich. Ich gab einfach auf. War schon ein blödes Gefühl, etwas nicht geschafft zu haben. Ich musste wohl damit leben, dass Segeln wohl dann doch nicht so mein Ding war.

Micha

Ich bin in Berlin, damals noch Berlin (West), aufgewachsen. Mit den vielen Gewässern dort hatte ich, abgesehen von einigen Schlauchboot-Paddel-Ausflügen, aber nicht viele Berührungen. Das änderte sich erst, nachdem ich als junger Erwachsener im Dänemark-Urlaub einen Windsurfkurs absolvierte. Erst dann wurde mir bewusst, welch tolles Revier wir mitten in der Stadt hatten. Ein eigenes Surfbrett musste her und ich lernte es in den darauffolgenden Jahren mehr schlecht als recht zu benutzen. Das Surfbrett zog dann 1992 mit mir in den Taunus nach Hessen um. Mangels geeigneter Surfmöglichkeiten stieg ich hier auf das Jollensegeln um.

Meine beiden damals noch sehr kleinen Kinder fanden Segeln auf der Jolle nicht so prickelnd, so dass ich mit meinem Bruder und beiden Kindern die erste Motorbooterfahrung auf einem Chartertörn in Mecklenburg sammelte. Ich dachte zu der Zeit, ich beherrsche das Motorbootfahren ein wenig, hatte ich doch gerade erst den Sportbootführerschein Binnen und See absolviert. Und doch fuhren wir zunächst im Zick-Zack durch die Kanäle und standen bei den ersten Schleusenmanövern irgendwann immer diagonal in der Schleusenkammer. So ein neun Tonnen Stahlboot mit starrer Welle fährt sich dann doch anders als ein Kajütboot mit Außenborder. Bugstrahl gab es damals weder für die Segelyachten noch für unser Chartermotorboot. Nach den zwei Wochen Charterurlaub gelangen die Manöver dann so halbwegs.

Die eigene kleine Jolle hatte zwar viel Spaß gemacht, auch hat mich der Charterurlaub in Mecklenburg angefixt, ich wollte aber auch „richtig“ segeln. Auf einem zweiwöchigen SKS-Ausbildungs-Törn in der Adria hat mich sofort der Fahrtensegelvirus infiziert.

Ab dann ging es mit der Bootsfahrerei für mich richtig los. Die kommenden Jahre begannen stets mit einem Skipper-Training im April in Holland und wurden dann mit je einem Segel- und einem Motorboottörn fortgesetzt.

Nach Heidis und meinem ersten gemeinsamen Bootstörn gestalteten wir unsere Urlaube zusammen sowohl auf Motor- als auch auf Segelbooten. Wir charterten Plattbodenschiffe in Friesland, Segelboote auf dem Ijsselmeer, Motorboote und Segelboote auf der Mecklenburgischen Seenplatte und machten Segeltörns in der Adria. Beim Segeln allerdings unterschied sich unsere Begeisterung. Wenn es mir so richtig Spaß machte, klinkte Heidi sich aus. Zuviel Schräglage, zu viel Wind machten ihr offensichtlich Angst. 2020 verabschiedete ich mich mit einem sehr schönen Helgolandtörn von der Seglerei und wir blieben letztlich beim Motorbootfahren.

An ein eigenes Schiff dachten wir erstmalig nach zwei Segeltörns mit einer Vollenhovense Bol, einem friesischen urigen 9 Meter Plattbodensegler (Bild 4). Allein die Entfernung zu den geeigneten Gewässern für solch ein Schiff hielt uns ab. Deshalb blieben wir erst einmal beim Chartern, denn Bootsurlaub musste sein.

Wir und die Recipe

Zwei Jahre hintereinander (2016 und 2017) charterten wir an der Dahme das Boot „Anna Blume“, eine Kent 28 (Bild 5). Mit ihr fuhren wir durch die Berliner Gewässer, bis hinauf zur Müritz. Und wir überlegten, dass wir ungefähr so ein Boot haben wollten, wenn wir einmal eins kaufen würden. Das „einmal“ war wohl der Zeitpunkt, zu dem wir in der Nähe von Wasser wohnen würden, denn seinerzeit – im Taunus, später auf der Schwäbischen Alb – waren sowohl der Arbeits- als auch Wohnort nicht wirklich geeignet, sich ein Boot zu kaufen, das dann meilenweit weg von uns seinen Liegeplatz finden würde und wir wirklich nur zu Urlauben Zeit darauf verbringen könnten.

Doch dann kam alles ganz anders und ganz schnell: nach dem zweiten Urlaub auf und mit der Anna Blume ergab eine Recherche, dass in der Nähe von Regensburg an der Donau eine Kent 28, namens Recipe, zum Verkauf anstand. Micha hatte seinen Arbeitsplatz in Ingolstadt – an der Donau. Er konnte ja mal gucken! Und wie es mit dem Gucken so ist: Er war begeistert, hatte doch diese Launch-Variante der Kent 28 mit ihrem Aufbau und der Raumaufteilung genau die Verbesserungen, die wir uns auf der Anna Blume schon überlegt hatten: Fahrer- und Beifahrersitz nebeneinander auf gleicher Höhe, der gesamte Bereich ab Fahrerstand offen (mit Persenning überspannt), ein riesengroßes Raumgefühl.

Das Vorbesitzer-Ehepaar wollte ihre Recipe in gute Hände und in ein gutes Revier geben. Wir bewarben uns in gemeinsamen Gesprächen um das Boot und konnten es schließlich im Sommer 2017 erwerben.

Der Rumpf der Kent 28 stammt aus England, dort wurden diese Bootstypen als Lotsenschiffe im Hafen eingesetzt. Sie sind also sehr robust, mit hohem Bug, stabiler Reling und zweifachem Rundumfender aus dicker Gummileiste. Zum Sportboot ausgebaut wurden sie in den Niederlanden. Dort hatte ein Apotheker sich die Recipe bauen lassen und ihr diesen Namen gegeben, da er die Erfahrung gemacht hatte, dass es Menschen, die mit einem „Rezept“ (=Verordnung) in seine Apotheke kamen, hinterher einfach nur gut und besser ging. Sein Boot, die Recipe, war sein Rezept für ein gutes Lebensgefühl. Doch es stellte sich heraus, dass die Gattin des Apothekers auf dem Boot nicht schlafen konnte. Damit war der Traum von und mit dem eigenen Boot ausgeträumt. Der Apotheker verkaufte das Boot an das Ehepaar aus Regensburg.

Und so lag die Recipe an der Donau neben den hochmotorisierten Motoryachten mit Klimaanlage & Co. Bei unseren ersten Ausflügen auf der Donau bestätigte sich, dass dieses Gewässer für die Recipe nicht optimal war. Dennoch stand eine Tour nach Schlögen in Österreich an: Der Vorbesitzer der Recipe hatte dort im Vorjahr eine neue Persenning (das ist sozusagen das Zeltdach über dem offenen Cockpit) für den hinteren Teil des Bootes beauftragt. Wir mussten sie nur noch abholen. Wir beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und die gesamte Persenning neu zu gestalten. Der Termin wurde ausgemacht. Unsere Reise auf der Donau zu Tal lief gut, wir erreichten pünktlich den Hafen in Schlögen.

Bild 4: Bolleke im Hafen (2012)

Bild 5: Anna Blume im Hafen Havelbaude (2018)

Die Sattlerin kam mit ihrer mobilen Werkstatt an den Hafen, nahm Maß, schnitt zu, nähte, passte an und stand uns bei unseren Vorstellungen von Ausschnitten für Fenster mit ihren Ideen zur praktischen Umsetzung und zur späteren Handhabung hilfreich zur Seite. Es war spannend, ihr bei dem Handwerk zuzusehen: eine relativ kleine Person, die mit so viel gespanntem Stoff und den Arbeitsbedingungen auf einem Boot und in einer mobilen Werkstatt so professionell, schnell und sauber zu Werke ging. Sie bekam unseren absoluten Respekt und Dank. Wir erhielten im Gegenzug eine neue Persenning nach unseren Wünschen: Fenster, die hochgerollt und mit Schlaufen über Druckknöpfe befestigt werden. Das große Heckfenster, die großen Flächen an Steuer- und Backbord sowie das Fenster über dem Niedergang können wir so öffnen und haben das Gefühl, ganz im Freien zu stehen. Neben unseren Sitzplätzen können wir kleinere Fenster spaltbreit öffnen, so dass Frischluft durchziehen kann und die Kommunikation zwischen innen und außen funktioniert. Rein theoretisch könnten wir die gesamte Persenningfront über dem Steuerstand öffnen, jedoch bieten die Teile rechts und links neben dem Fenster über dem Niedergang angenehmen Sonnenschutz. Ach ja, um uns vor zu starker Sonneneinstrahlung oder zu neugieriger Nachbarschaft zu schützen, hat die Sattlerin ein Persenningtuch genäht, dass wir per Klettverschlüssen über das große Heckfenster spannen können – einfach genial!

Die Rückfahrt auf der Donau zu Berg dauerte vier Tage, also einen Tag länger als die Hinfahrt und brachte so manchen Schweißtropfen auf unsere Stirne, da wir an Einmündungen von Isar und Inn kaum gegen die Strömung anfahren konnten. Mütter mit Kinderwagen überholten uns an Land und so manche grüne Tonne wollte einfach nicht näherkommen.

Im Gegensatz zu uns kann die Recipe mit technischen Daten aufweisen, die auch zeigen, warum sie als typischer Verdränger kein Boot für stark strömende Gewässer wie Donau oder auch Rhein ist.

Bootstyp

Kent 28 Launch

Baujahr

2004

Länge - Breite – Tiefgang Durchfahrtshöhe

8,50m – 3,5 0m - 0,90m 3,40m (mit Funkantenne)

Motorisierung

Volvo Penta D2, 55 PS

Ausrüstung

Bugstrahl, elektrische Ankerwinsch, Kartenplotter, Funk

Rumpfgeschwindigkeit

13 km/h

Die technischen Daten der Recipe

Wir und die Recipe in Mecklenburg

Ein Jahr später (2018) stand eine andere Entscheidung an: Der nahende Ausstieg aus dem Berufsleben und die damit verbundene Überlegung, wo wir denn so wohnen wollten. Zeit unseres Berufslebens sind wir der Arbeit hinterher gezogen. Nun wollten wir da wohnen, wo es schön ist. Und dass die große Region der Mecklenburgischen Seenplatte wunderschön ist, hatten wir in vielen Urlauben erfahren. Es bieten sich nicht nur unzählige Möglichkeiten für Erkundungen der Region, sondern sie ist auch idealer Startpunkt für Bootstouren in weit darüber hinaus reichende Reviere. Und ganz wesentlich: diese Region ist ein ideales Revier für die Recipe. Somit zog die Recipe im Sommer 2018 nach Waren an der Müritz. Wir erwarteten im Warener Hafen den Schwertransporter, der unsere Recipe von der Donau ans Mecklenburger Wasser bringen sollte. Pünktlich kam sie an und gelang sicher ins Wasser (Bild 6).

Wir machten Urlaub mit der Recipe auf der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Schriftzug am Heck „Regensburg“, der den Heimathafen angibt, sorgte für regen Gesprächsbedarf. Wissbegierige Bootsfahrende wollten wissen, wie genau wir mit dem Boot von der Donau in die Mecklenburgischen Gewässer gekommen sind. Über welche Kanäle, welche Flüsse, über den Rhein? Die Wahrheit enttäuschte sie ein wenig, jedoch verstanden sie, dass dieses Boot mit Gewässern wie zum Beispiel dem Rhein nicht wirklich klarkommt. Nachvollziehen konnten sie auch, dass uns die Zeit, die eine Überführung auf dem Wasserweg beansprucht hätte, einfach fehlte. Nach diesem Urlaub ging die Recipe direkt ins Winterlager in Waren. Während dieser Zeit wurde die Angabe des Heimathafens auf Malchow geändert.

Wir fuhren hunderte Kilometer von ihr fort nach Hause. Im Folgejahr 2019 im Spätfrühling fand schließlich unser Umzug in den hohen Norden und in den sogenannten Ruhestand statt. Wir hatten uns nach einigen Erkundungstouren für Neustrelitz entschieden und fühlen uns hier richtig wohl und zu Hause angekommen.

Die Recipe fand ihren Sommerliegeplatz in Malchow. Der Stadthafen in Neustrelitz vergibt keine festen Liegeplätze und letztlich hatten wir wegen des niedrigen Wasserstandes Bedenken, uns um einen Liegeplatz in den anderen kleineren Bootsanlegern zu kümmern. Der Zierker See ist sehr flach, einzig die ausgetonnte Zufahrt zum Neustrelitzer Hafen sowie der Hafen selbst bietet genügend Wasser unter dem Kiel. Neustrelitz am Zierker See liegt am Ende der Oberen Havel-Wasserstraße und bildet für Motorboote eine Sackgasse. Zu jeder Tour hat man also eine längere Anfahrt über den Zierker See, den Kammerkanal mit zwei Schleusen, bevor man bei Priepert den Zugang zu den Kleinseen und die Havel hat. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund entschieden wir uns für den Liegeplatz am Alten Fischerhof in Malchow am Recken, der Verbindung zwischen dem Malchower See und dem Petersdorfer See; eine gute Dreiviertelstunde Autofahrt von unserer Wohnung in Neustrelitz entfernt.

Bild 6: Ankunft der Recipe in Waren an der Müritz (2018)

Der Traum, im Ruhestand mit dem Boot lange Zeit unterwegs sein zu können, ohne Termine, ohne Zwang von a nach b und c und zurück war zunächst nicht so wirklich umzusetzen. Es blieb bis heute bei zwei- bis maximal vierwöchigen Touren und vielen Kurztrips. Es gab mehrere Gründe dafür:

Im Juni 2019 waren wir nach Neustrelitz umgezogen. Zuerst wollte die neue Wohnung fertig eingerichtet und alle Kisten wollten ausgepackt werden. Die defekte Schleuse in Zaren, eine defekte Hubbrücke im Störkanal und fehlendes Wasser in Elde und Elbe hinderten uns zudem daran, die Seenplatte zu verlassen. In vielen Kurztrips konnten wir dafür ausgiebig unser neues Heimatrevier erkunden.

Zu Beginn des Jahres 2020 verbreitete sich das Corona-Virus und sorgte für Aufmerksamkeit der ganz besonderen Art. Auch wir hatten Sorgen und waren mit der Umsetzung von Aktivitäten und Reisen sehr zurückhaltend. Zur Hochzeit einer unserer Töchter konnten wir anreisen und erst danach starteten wir im Juni zu einer 3-wöchigen Tour nach Brandenburg an der Havel. Den Rest des Sommers verbrachten wir dann wieder mit der Erkundung des heimischen Reviers. Für den Winter brachten wir die Recipe nach Lärz in ihren Winterschlaf und ergatterten auch einen festen Liegeplatz im Yachthafen Rechlin als Sommerlager. Der Yachthafen hat gegenüber dem Liegeplatz in Malchow einen unschlagbaren Vorteil, denn es findet tatsächlich Hafenleben mit vorhandener Infrastruktur statt: Zwei Restaurants liegen am Hafengelände, Sanitärgebäude und Tankstelle gehören auch dazu. Wir können ein- und auslaufende Boote beobachten, haben Austausch mit Stegnachbarn, die an ihren Booten arbeiten oder nur ein Wochenende auf ihnen verbringen. Das alles gab es am Anleger in Malchow nicht. Ein weiterer kleinerer Vorteil besteht auch darin, dass wir eine kürzere Anfahrtszeit von unserer Wohnung aus nach Rechlin als nach Malchow haben.

Die Bezeichnung für den Heimathafen Malchow änderten wir nicht wieder, da so eine Änderung mit einigem formalen Aufwand verbunden ist. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie möchte in einem solchen Fall das Flaggenzertifikat erneuert wissen. Ordentlich ausgefüllte Formulare, neue Fotos vom Schiff müssten versendet und eine entsprechende Bearbeitungsgebühr entrichtet werden.

Skipper und Crew

Wir sind ein eingespieltes Team (nicht nur auf dem Boot) und haben die Rollen Skipper und Crew nach dem Motto „jeder das, was er wie am besten kann“ schon recht früh verteilt. Micha ist am Steuer, ich löse ihn ab und zu ab, wenn er mit der Kamera etwas aufnehmen will oder mal kurz im Bad verschwinden muss. Anlegen, egal wo, ist sein Ding. Da bin ich sicher, dass mit dem Boot nichts passiert und wir tatsächlich dort landen, wo wir landen wollen. Vor allem hat er ein gutes Gefühl für das Boot, er weiß, was die Recipe kann und was nicht, wie sich Recipe bei Rückwärtsfahren verhält und hat großen Ehrgeiz beim Manövrieren mit der Maschine. Wo immer es stressfrei geht, ohne Einsatz des Bugstrahlruders. Ich bewundere seine große Ruhe bei komplizierteren Anlegemanövern in engen Räumen, auch wenn ich bei so manchem Anlegemanöver durchaus Geduld haben muss. Die Leinenarbeit an Deck ist mein Ding; dafür habe ich mich seit Plattbodenzeiten erwärmt. Mir ist es wichtig, dass die Leinen griffbereit sind, ein Wooling nicht erst entwirrt werden muss. Daher hänge ich sie an der Reling auf. Sie liegen dann nicht auf Deck, ich gerate nicht in die Situation, auf ihnen auszurutschen und besonders wichtig: sie bieten den Spinnen keine Möglichkeiten zum Nestbau! Ich mag Spinnen gar nicht, sie sind mir ein Graus. Auch die Heckleinen, die während der Fahrt auf den Sitzen liegen, haben ihre Ordnung. Sie werden außen um die Persenning herumgeführt und liegen in wohl geordneten Buchten auf dem Polster. Sie müssen dann nur noch hochgenommen werden und sind einsatzbereit.

Als Profis würde ich uns nicht bezeichnen. Wir haben zwar schon etliche Erfahrungen mit Bootfahren gemacht, lernen aber auch noch immer dazu. Eingespielt sind wir, das stimmt. Micha weiß, was ich mir zutraue und was nicht und bringt mich nicht in Situationen, in denen ich mich unwohl fühlen würde. Das wirkt sich auf viele Abläufe aus. Ich weiß, welche Arbeiten Micha nicht so gerne macht, bzw. er nicht so macht, wie ich denke, dass sie gemacht werden sollten. Und so ergänzen wir uns prima, mein allzu großes Appellohr ist dabei auch hilfreich.

Rückblick und Ausblick

Unser erster Reisebericht – „Recipe on Tour – Reisetagebuch 2021“ – endete mit:

„Zu Hause erwartet uns die Nachbereitung unserer Saison: Sichten und Schneiden des Videomaterials, Erstellen eines Reiseberichtes „Finowkanal“ für das Seenland-Journal. Und natürlich gilt unser nächster Blick auch schon der nächsten Saison. Es soll Richtung Westen gehen, bis nach Holland. Und wir hoffen, dass nichts und niemand uns diesen Plan verdirbt.“

Nun ist bereits die Saison 2022 zu Ende, heute ist Silvester, der letzte Tag im Jahr. Und wie immer geht an diesem Tag der Blick zurück.

Unser Jahr 2022 verlief nun mal ganz anders als geplant. Aus unserer schon lang geplanten Bootstour Richtung Westen wurde nichts. Der Skipper hatte sich bei Saisonbeginn das Knie gebrochen. Recipe war gerade mal eine Woche im Wasser an ihrem Liegeplatz im Yachthafen Rechlin. Ein befreundetes Paar aus Schleswig-Holstein kam mit seinem Charterboot zu Besuch. Abends saßen wir auf deren Boot zusammen und tauschten uns aus. Als wir dann im Dunkeln das Boot über die Treppe, die auf die Badeplattform führte verließen, wähnte Micha noch eine Stufe mehr und landete im Teich, stieß sich dabei das Knie an (es war kein Alkohol im Spiel – nur der Vollständigkeit halber erwähnt). In der Folge war er drei Monate ruhiggestellt und durfte das Bein nicht belasten. Dabei blieb er ganz erstaunlich geduldig.

Letztlich war alles wieder heil und es kam tatsächlich noch zu einer dreiwöchigen Bootstour im Spätsommer – von Rechlin aus zu den Residenzstädten Neustrelitz und Rheinsberg samt Abstecher in anliegende Gewässer. Wir fanden Antworten auf die Frage, wie und warum im ländlichen Mecklenburg und Brandenburg Europas größtes zusammenhängendes Wassersportrevier entstand. Schließlich lieferte diese Reise den Stoff für einen Tourbericht für die Ausgabe 2023 des Magazins Seenland.

Bild 7: Bericht im „Seenland 2023“

Doch zurück zu heute, zum Silvesterabend 2022. Wir gestalten diesen Abend wie in den letzten Jahren zu zweit und unser Ritual besteht aus einem Raclette-Essen, bei dem wir uns regelmäßig übernehmen. Wir machen nach einem ersten Sättigungsgefühl eine Pause und nehmen uns vor, später noch das eine oder andere Pfännchen zu backen, jedoch tun wir das nie. Einmal satt bedeutet offensichtlich satt. Es folgt unser Music-Battle: jeder von uns stellt einen Song in die gemeinsame Playlist – und wer dabei schneller ist, hört seinen Song zuerst. Man kann auch schummeln, indem man die Option: „nach dem nächsten Lied abspielen“ anklickt und seinen gewählten Song nicht brav ans Ende der Liste stellt.

Auf diese Weise gelangen wir auch zu den Songs von Santiano. Beide mögen wir diese Band und ihre Songs von Freiheit, Seefahrt, Abenteuer, Freundschaft. Und da wir uns in der letzten Zeit nicht wirklich um Neuerscheinungen von Santiano gekümmert haben, wird schnell mal recherchiert und siehe da: im Mai 2023 starten sie doch tatsächlich ihre Jubiläumstour anlässlich „10 Jahre Santiano“ und beginnen diese Tour im Schlosspark Schwerin! Das klingt wie ein Volltreffer: Was könnte ein besserer Start in unsere Saison sein als mit dem Boot nach Schwerin zu fahren, unweit des Schlossparks anzulegen und das Konzert zu besuchen? Derart beseelt von dieser Vorstellung sind die Tickets ruckzuck gekauft und wir hören weiter die Lieder von der Weite des Meeres und rutschen erwartungsfroh in das Jahr 2023.

2023 soll uns die lang ersehnte lange Bootstour bringen: über den Mittellandkanal Richtung Westen, nach Friesland bis nach Lemmer ans IJsselmeer. Wir sind früher oft rund ums IJsselmeer gefahren, haben Segelboote und Motorboote gechartert und uns vorgenommen: „Wenn wir jemals ein eigenes Boot haben, fahren wir mit dem eigenen Boot genau hierhin.“

Unsere Recipe haben wir bereits 2018 an die Seenplatte verlegt bzw. verlegen lassen. Sie gelangte als Schwertransport von der Donau bei Regensburg nach Waren an der Müritz. Ein Jahr später sind wir ihr mit den Umzugswagen gefolgt und wohnen seitdem im Kreis Mecklenburgische Seenplatte. 2020 wollten wir die Reise in die Niederlande wagen. Der im Sommer erfolgte Umzug und alle damit verbundene Aktivitäten waren beendet. Wir hatten uns mittlerweile an das „Leben ohne Arbeit“ gewöhnt und registriert, dass wir nun alle Zeit der Welt ins Bootfahren investieren konnten.

Allerdings machte – und das nicht nur uns – ein Virus namens Corona alle Reisepläne in 2020 zunichte. In 2021 konnten wir wegen eines Inverterbrandes und der damit verbundenen Reparatur und Großreinigung des Bootes auch erst spät auf Tour gehen. Immerhin waren wir bis dahin erneut geimpft und konnten sicher sein, dass auch die Infrastruktur rund um das Wasser wieder geöffnet hatte. Tja, 2022 hatte ja, wie bereits beschrieben - auch andere Pläne mit uns. Aber in diesem Jahr brechen wir auf – komme was wolle!

Das Santiano-Konzert im Schweriner Schlosspark im Mai besuchen wir nicht mit der Recipe, sondern mit Max, unserem VW-Bus. Im Störkanal ist die Schleuse Banzkow funktionsunfähig, mit dem Boot ist es für uns also wieder einmal nicht möglich, nach Schwerin zu gelangen. „Schwerin mag uns nicht“, meint mein Skipper. Und irgendwie kann ich diese Einschätzung teilen: Den ersten Versuch, Schwerin zu erreichen, starteten wir spät der Saison 2019 – zum einen, weil wir noch mit Ankommen und Einrichten beschäftigt waren, zum anderen auch, weil die Möglichkeiten von Fahrrouten sehr eingeschränkt waren. Der Weg von der Seenplatte herunter war gesperrt: über die Elbe konnte man nicht, da bei Dömitz der Wasserstand zu niedrig war, über die Havel in den Süden nach Berlin und Brandenburg ging es auch nicht, da die Reparatur der Schleuse Zaren als Tor in die Brandenburger und Berliner Gewässer nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte. Also planten wir die Tour nach Schwerin, gelangten jedoch auch nur bis Lübz. Die Hubbrücke im Störkanal war kaputt, jemand hatte offenbar nicht abwarten können, bis die Brücke gehoben war und ist mit seinem Boot dagegen gefahren.

Im Jahr darauf (2020) bestimmte Corona mehr oder weniger das Leben, da haben wir uns mit wenigen Ausflügen auf unserer Seenplatte begnügt. 2021 hatten wir andere Ziele (siehe Reisetagebuch 2021) und 2022 haben wir unsere späte Tour Richtung Schwerin letztlich wegen Kälte bereits in Malchow abgebrochen und die Saison für beendet erklärt. Na, und dieses Jahr geht es ja auch nicht mit dem Boot nach Schwerin, jedenfalls nicht zu der Zeit, zu der wir starten wollen. Irgendetwas ist ja immer.

Das Santiano-Konzert ist prima. Wir sitzen auf Steinbänken, der Abend ist fast lau, wir haben eine gute Sicht auf das Freilichttheater-Rund und die Bühne, genießen die Stimmung und können fast alle Songs mitsingen, jedenfalls manche von uns. Die Übernachtung in unserem VW-Bus mit Namen Max auf dem Parkplatz auf einem ausgewiesenen Wohnmobilstellplatz direkt am Schlosspark ist auch problemlos und störungsfrei möglich (Bilder 8 +9).

Auf der Recipe gehen die Vorbereitungen weiter: im Bad werden Kistchen aufgehängt, das heißt angeklebt, denn wir wollen keine Löcher ins GFK bohren. Zahnputzzubehör, Waschlappen, Taschentücher etc. finden dort Platz. Bislang fand Vieles Platz auf der Ablage in der Kajüte. Doch die wird nun, da wir etwas mehr Ausrüstung mitnehmen, für anderes gebraucht.

Zuhause harren wir weiterhin aus, das Wetter ist sozusagen unterirdisch: einfach kalt und nass und lädt nicht wirklich zum Aufenthalt auf dem Wasser ein. Also kümmern wir uns um andere wichtige Dinge, zum Beispiel um das Navigationsgerät im Auto. Wir überlegen: Wir benötigen das Navi Anfang Oktober, wenn wir in die Nähe von Kassel zum Familientreffen fahren. Je nachdem, wann wir von unserer Bootstour zurückkommen, könnte es mit einem Termin für einen Austausch des aktuell defekten Gerätes eng werden. Wir haben Glück - Max geht in die Werkstatt und erhält ein neues Navigationsgerät. Es hat ein größeres Display, einen verbesserten Radiosendungsempfang, ach, überhaupt ist bei diesem Teil alles schöner und besser, davon ist mein persönlicher Chauffeur überzeugt.

Bild 8: Schweriner Schloss

Bild 9: Santiano in Action auf der Bühne im Schweriner Schlosspark

Eine kurze Ausfahrt auf die Müritz mit Recipe zeigt: alles in Ordnung. Wir drehen ein kurzes Video, in dem wir unsere Törnplanung vorstellen (Bild 10).

Es gibt zwei Optionen: Die nördliche Route über die Müritz-Elde-Wasserstraße bis Dömitz an der Elbe, die Elbe hinunter bis zum Abzweig des Elbe-Seiten-Kanals und diesem Kanal folgend bis zu seiner Einmündung in den Mittellandkanal westlich von Wolfsburg. Der mündet am Nassen Dreieck im den Dortmund-Ems-Kanal. Kritisch an dieser Variante ist der Wasserstand der Elbe. Den müssen wir noch besonders im Auge behalten, denn in der letzten Woche ist der Pegel dort um einen Meter gefallen. Mein Skipper verfolgt den Wasserstand akribisch. Schließlich brauchen wir eine Woche, um nach Dömitz zu gelangen – und dann wegen fehlenden Wassers unter dem Kiel wieder umkehren zu müssen, fänden wir beide nicht so toll.

Also schauen wir mal, wir haben ja auch eine weitere Option: Die südliche Variante folgt der Müritz-Havel-Wasserstraße bis Priepert, ab da geht die Fahrt über die Havelgewässer – entweder hinter Hennigsdorf in den Havelkanal (um die Berliner Strecke zu umgehen) oder doch um Berlin herum bis Brandenburg an der Havel. Ab Brandenburg führt uns der Elbe-Havel-Kanal in den Mittellandkanal.

Den fahren wir tatsächlich der Gänze lang hindurch bis zu seiner Mündung am Nassen Dreieck in den Dortmund-Ems-Kanal. Dort geht es dann zu einem Abstecher in den Süden Richtung Münster und Dortmund (Besuche und Treffen mit Freunden und unseren Kindern stehen an), zurück wieder auf dem Dortmund-Ems-Kanal gen Norden bis nach Haren an der Ems und dem Abzweig des Haren-Rütenbrock-Kanals, der uns über die Grenze in die Niederlande bringt.

Den genauen weiteren Verlauf der Fahrt in den Niederlanden haben wir noch nicht so ganz vor Augen; auf jeden Fall geht es erst einmal nach Friesland, genauer gesagt, nach Lemmer ans IJsselmeer.

Bild 10: Unsere grobe Planung der Tour

Tags darauf telefonieren wir mit einem Bootsfreund, der seinen Heimathafen in Idensen am Mittellandkanal hat und erhalten hilfreiche Informationen über die Liegeplatz- und Tanksituation am Mittellandkanal, zumindest westlich von Hannover, den östlichen Abschnitt kennt er noch nicht so gut. Der Tank der Recipe fasst rund hundert Liter, Recipe verbraucht grob 2,5 Liter pro Stunde, eher weniger, wenn wir langsam auf Kanälen unterwegs sind. Nach Möglichkeit wollen wir keine große Dieselreserve in Kanistern spazieren fahren, zumal das Tanken aus Kanistern auch nicht überall erlaubt ist. Also sollten wir sicher sein, ohne große Not bis Hannover zu gelangen. Zudem nehmen wir an einem Online-Kurs vom „Stegfunk“ teil. Stegfunk ist eine deutschsprachige Webseite für Wassersportler in den Niederlanden. Den Tipp zu Stegfunk haben wir von einem unserer YouTube-Follower erhalten.

Und so geht es bei diesem Online Kurs um die Besonderheiten bei Bootsfahrten in diesem Land: wir erfahren zum Beispiel, dass wir den „Water Almanak 1“ an Bord haben müssen. Er enthält alle gesetzlichen Vorschriften der niederländischen und belgischen Binnenschifffahrtspolizeiverordnung (BPR), die für den Wassersport wichtig sind, sowie das Handbuch für Binnenfunk (Marifonie). Der „Water-Almanak 2“ ist ein Revierhandbuch und nautisches Nachschlagewerk für die Fahrt in den Niederlanden und Belgien. Es enthält ein Verzeichnis der niederländischen und belgischen Häfen, sowie alle notwendigen Informationen zu Bedienungszeiten und Anrufmöglichkeiten von Schleusen und Brücken sowie praktische Angaben zu Anlegeplätzen, Gebühren und Versorgungsmöglichkeiten. Kleiner Nachteil dabei: beide Standardwerke sind in niederländischer Sprache verfasst. Darüber hinaus erhalten wir bei dem Online-Kurs Empfehlungen für digitales Kartenmaterial, Apps usw. Das ist sehr hilfreich und der Stegfunk ist wirklich sehr empfehlenswert!

Mitte Mai findet in unserem Heimathafen ein Hafenfest statt, das auch wir gern besuchen, weil es einfach eine schöne Stimmung erzeugt und Unterhaltung bietet. Ein handbetriebenes Kettenkarussell für die Kleinsten dreht sich, Rundfahrten mit dem Wikingerschiff werden angeboten und man kann sich im Weitwerfen mit der großen Steinschleuder üben (Bild 11). Essen und Trinken, Live-Auftritte im Kinderprogramm und Musik für die Erwachsenen kann man an gemütlichen Biertischgarnituren genießen.

Zuhause wird geputzt und gepackt, alles fühlt sich nach Umzugsarbeiten an. Letztlich ist es ja auch ein kleiner wenn auch zeitlich begrenzter Umzug von der Wohnung aufs Boot. Das Video zum Saisonauftakt geht online und in der Folge erhalten wir viele Kommentare mit Infos rund um unsere Tour. Letzte Aktionen zu Hause: Wäsche waschen, packen, Emails schreiben, Kommentare auf das Video beantworten.

Wir hinterlegen Schlüssel und Kontaktdaten bei der Nachbarin. Auch Pflanztöpfe von unserer Terrasse ziehen um – auf die Terrasse der Nachbarn. Wir schauen Videos von Opa Jens zur Reise von Plau nach Friesland und steigern so unsere Vorfreude.

Bild 11: Attraktionen beim Hafenfest in Rechlin.

Am 24.05.2023 geht es nun zur Recipe. Auf dem Weg zum Hafen kaufen wir Lebensmittel ein. Das technische Equipment landet an Bord. Das doppelseitige Klebeband hat die Kistchen im Bad nicht gehalten; wir ersetzen das Klebeband durch Power-Strips und siehe da, das funktioniert offensichtlich. Der zweite Bootsschlüssel, der beim Hafenmeister deponiert ist, wird gegen unseren Autoschlüssel getauscht. Für den Fall, dass auf dem Parkplatz irgendwelche Arbeiten, wie Baumschnitt, anfallen und Max im Wege steht, soll der Hafenmeister unseren Max fortbewegen. Und da der Hafenmeister auf seinem Nachhauseweg am Parkplatz vorbeiläuft, wird er auch ab und dann ein Auge auf Max werfen.

Abends auf dem Boot stelle ich fest, dass ich meine Regenjacke zu Hause vergessen habe. Wir verschieben unsere Abreise um einen Tag, fahren stattdessen kurz nach Hause, um meine Regenjacke doch noch zu holen, ebenso wird noch eine Einkaufstasche mitgenommen. Wir erstehen weitere Power-Strips und einen Zeichenblock (Strichmännchen sollen geübt werden). Zurück an Bord wird gekärchert, die Persenning ist über und über mit gelben Pollen bedeckt. Das Teakdeck wird gereinigt, die Scheiben geputzt. Nun steht einem Start nichts mehr im Wege.

Wir starten!

Letzte Aktionen am Steg: Der 10-Liter-Wasserkanister wird mit Trinkwasser für das Kaffeekochen gefüllt. Leere 1,5 Liter Wasserflaschen kennzeichnen wir mit einem „W“. Sie stehen für das Nachfüllen von Trinkwasser bereit und werden direkt hinter der Kaffeemaschine deponiert. So wissen sie (und wir), was ihrem Inhalt bevorsteht.

Der erste Eintrag für unsere Tour in 2023 gelangt ins Logbuch:

Freitag, 26. Mai 2023

Tag 1: Yachthafen Rechlin – Yachthafen Priepert

Zum Abschied winken wir dem Hafen zu, wir werden ihn ja erst später im Jahr wiedersehen. Es ist kalt, der Wind ist frisch. Der Aufbau des Videoequipments dauert. Neu ist, dass auch an der Steuerbordseite eine GoPro hängt, was ich prompt vergesse, so dass sie zunächst eine ganze Weile nur meinen entzückenden Rücken aufgenommen hat. Wir befahren unsere Hausstrecke: über die kleine Müritz folgen wir dem Tonnenstrich und an der ersten Kreuzung biegen wir nicht rechts in die Müritz-Elde-Wasserstraße, sondern nach links in die Müritz-Havel-Wasserstraße ein. Der Wasserstand der Elbe und eine wichtige Familiensache entscheiden darüber, dass wir nach Süden schippern, um in Berlin Station machen zu können. Wie biegen also ein in den Mirower Kanal, in dem sich viele Gänse mit ihren Jungen tummeln. Es geht durch den Sumpfsee. Ein dickes „Le Boat“ Charterboot fährt mit schäumender Bugwelle bis auf wenige Meter auf uns auf. Der Skipper weist sie verbal und nonverbal erbost darauf hin, was er von einem solchen Verhalten hält: es ist rücksichtslos und gefährlich. Mindestens eine Bootslänge Abstand sei geboten. Vom Skipper des Le Boat kommt keine Reaktion. Stattdessen überholt er uns schließlich, erfährt noch, dass es eine Höchstgeschwindigkeit von 9 km/h für den Kanal gibt und meint dann achselzuckend: „Kannste ja machen“, bevor er davoneilt. Mein Skipper beruhigt sich nur langsam. Die Vorstellung, dass, hätten wir zum Beispiel nach rechts in den Lärzer Hafen abbiegen wollen oder aus irgendeinem Grund aufstoppen müssen, das Le Boat uns in voller Fahrt gerammt hätte, macht ihn stinksauer. Mit Blick auf unsere doch lange Tour und damit sicherlich verbundener weiterer Aufreger besinnt er sich und regt sich ab. Eine sinnvolle Entscheidung, auch mit dieser Art der Ressourcen sparsam hauszuhalten. Es geht vorbei am Lärzer Hafen, zur Schleuse Mirow. An der Sportbootwartestelle holen wir die Le Boat Chartercrew wieder ein und dürfen, nachdem wir hinter ihnen in der Schleuse festgemacht haben, deren Anlegeübungen beobachten. Nach dem Schleusen passieren wir den Abzweig in den Mirower See. Wir folgen der Wasserstraße geradeaus. Am Ufer liegen Ferienhäuser und Bootshäuser, so dass Sog- und Wellenschlag vermeidend gefahren werden muss. Alles ganz beschaulich, alles ganz frisch grün am Ufer, ganz im Gegensatz zur herbstlichen Stimmung im letzten Jahr, als wir erst sehr spät in der Saison zu unserer Tour aufbrechen konnten.

Der Kanal führt in den Zotzensee. Wie auf fast allen Mecklenburgischen Kleinseen findet man hier gute Ankerplätze. Am Mössensee liegt ein Naturcampingplatz, der gern von Paddelboot- und Kanufahrenden genutzt wird. Entsprechend ist auf den Seen mit vielen dieser muskelbetriebenen Boote zu rechnen und besondere Rücksichtnahme gefordert. Der Vilzsee wartet mit einer Untiefe auf, die kurz vor der Ausfahrt aus dem See mit Kardinaltonnen gekennzeichnet ist. Dieses Gebiet kann entweder direkt unter Land umfahren werden (die Untiefe liegt dann an Steuerbord) oder auf dem See, so dass die Untiefe an Backbord passiert wird. Wir nehmen den kürzeren Weg direkt unter Land und gelangen an die Schleuse Diemitz. Der Mann mit dem schönen Hut hat heute leider keinen Dienst. Meinem Skipper gelingt ein eher katastrophaler Anleger, bei dem die Fender jedoch zuverlässig ihren Job erledigen und somit kein Schaden entsteht. Der Skipper scheint wohl noch aus der Übung. Doch er wird Zeit und Gelegenheiten genug haben, um wieder so richtig in Fahrt zu kommen.

Nach der Schleusung geht es durch den Labussee. Viele, sehr viele Paddler sind hier unterwegs. Es folgt die Fahrt über den Canower See, den kleinen Pälitzsee hin zur Schleuse Strasen. Während des Schleusungsvorgangs sticht ein Insekt gemeinerweise durch die Hose in meinen Oberschenkel. Es zeigt sich später eine große rote Quaddel, der meine volle Aufmerksamkeit und eine entsprechende Salbe braucht.

Im Yachthafen Priepert finden wir als Gastlieger Platz an der Außensteganlage. Hier ist es wie immer sehr windig. Und wir merken uns erneut (obwohl wir es uns schon einmal vorgenommen haben): in Priepert nur noch vorwärts anlegen!

Der Skipper zeigt sich noch unzufrieden mit seinem Equipment. Die GoPro an Steuerbord lässt sich nicht mit der Fernbedienung steuern. Also muss er immer dorthin sprinten um zu kontrollieren, ob sie aufnimmt oder nicht. Ich finde es äußerst nervig! Doch nun stellt er fest, dass die Kamera durchaus mit der Fernbedienung kontrollierbar ist, wenn, ja wenn die Powerbank, die die Kamera mit Strom versorgt, „on“ ist! Aber so richtig entspannt wirkt mein Skipper noch nicht.

Gegen Abend genießen wir ein herrliches Vogelstimmenkonzert. Als tonangebend identifizieren wir den Drosselrohrsänger. Eine Amsel sitzt auf einem nahen Baum und singt ebenfalls unaufhörlich. Das Le Boat von vormittags liegt auch hier im Hafen und die Crew verbreitet eine laute Stimmung an Deck. Es ist allerdings oft so, finde ich, dass Männerrunden in freier Natur und in Feierlaune kein Gespür für mehr oder weniger romantische Abendstimmung haben und auch selbst nicht bemerken, wie laut ihre Stimmen durch einen idyllischen Hafen im Sonnenuntergang hallen. Micha mag nicht, dass ich das so verallgemeinere, schließlich gehöre er ja auch zu der Gattung männlicher Mensch und bei der aktuell zu hörenden Crew wären doch auch weibliche Stimmen zu vernehmen. Darüber hinaus würde er in einer Männerrunde sicher nicht derjenige sein, den man im gesamten Hafenrund hören würde. Dem kann ich nur zustimmen, denn als mehr oder weniger grölenden Stimmungsmacher habe ich ihn noch nie erlebt und so kann ich ihn mir auch nicht vorstellen. Dennoch: würde er, vorausgesetzt, er würde mit einer Männercrew unterwegs sein, in der Lage und willens sein, die Runde zu mäßigen oder sie dazu bringen, unter Deck ihrer Feierlaune nachzugehen? Micha meint, die Wahl einer Männercrew, mit der er unterwegs sein wäre, würde ein lautstarkes Feiern am Abend von vornherein ausschließen. Das sei ja schließlich auch eine Frage des Typs, der Einstellung. Na gut, dem kann ich zustimmen. Zudem muss ich ja auch zugeben, dass so ein Verhalten, also eine laute Feierlaune und das offensichtliche Ignorieren einer gewissen ruhigen Abendstimmung in einem Hafen, durchaus auch bei Frauen beobachtbar ist. Und dass Jugendliche ihre Bedürfnisse in Bezug auf Feiern über alle Bedürfnisse der jeweils Anwesenden stellen, kennen wir Erwachsene ja auch (übrigens auch aus eigener Geschichte). Egal wie, diese Crew frönt hier und heute halt ihrem eigenen Verständnis von Feierabend, ohne sich darum zu scheren, ob andere Hafenlieger eventuell etwas mehr Ruhe bevorzugen würden.

Wir kümmern uns um das Logbuch und um die Bilanz des Tages:

Die gefahrenen Tageskilometer ergeben sich aus der Karte. Die Zeit, die wir unterwegs waren, errechnet sich aus der Differenz „Zeit des Motorstarts bei Leinen los bei der Abfahrt“ und „Zeit des Motorstopps nach dem Festmachen“. Da wir auch mitschreiben, wann der Motor während Warte- oder Schleusungszeiten aus- und wann er wieder eingeschaltet wird, ergibt sich die Dauer der „Wartezeit“ während unseres Unterwegsseins. Und dann ist es nicht mehr schwer, die reine Fahrzeit zu dokumentieren, die den Betriebsstunden des Motors entspricht. Letztlich dient das Mitschreiben der Motor-Betriebsstunden dem Thema Wartungsarbeiten, ist allerdings auch für uns bezüglich des Dieselverbrauchs unerlässlich, denn die Anzeige der Betriebsstunden auf dem Armaturenbrett zeigt sich nur völlig unberechenbar ab und zu, das heißt, so zweimal pro Saison blitzt die Anzeige tatsächlich auf. Ebenso unzuverlässig ist die Tankanzeige, die ganz lange auf „halbvoll“ verweilt und dann plötzlich im freien Fall auf „Reserve“ sinkt. So ist das mit den Anzeigen, auch sie führen ein Eigenleben.

Tagesbilanz: 43 km, 4:37 unterwegs, 4 Schleusen

Samstag; 27. Mai 2023

Tag 2: Yachthafen Priepert – Bootshaus Bredereiche

Am Morgen tönt erneut lautstarkes Vogelkonzert aus dem Schilf. Die LeBoat-Crew ankert, und wir hoffen, dass sie unserer Route nicht weiterhin folgt. Gegen 10:15 Uhr legen wir ab. Die Schilfgürtel rund um die Wasserflächen zeigen ein kräftig-grünes Band: das nachwachsende Schilf schiebt sich von unten zwischen die gelbbraunen Blütenstände des Vorjahres gen Himmel empor – einfach schön anzuschauen (Bild 12)! Und eine ebenfalls schöne Beobachtung: das Le Boat-Boot fährt nicht hinter uns her!

An der Schleuse Steinhavel herrscht noch Baustellentätigkeit. Die Schleuse wurde neu gemacht und ist erst seit diesem Frühjahr wieder in Funktion. Prompt funktioniert die Anforderung der Schleuse nicht, es gibt keinen Laut, als ich den grünen Hebel ziehe. Doch eine Laufschrift auf der Informationstafel am Schleuseneingang gibt die Erklärung: „Die Bedienung der Schleuse erfolgt in der Testphase durch das WSA!“ (WSA=Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt). Wir sind erleichtert. An der Sportbootwartestelle liegt ein Boot mit dem Namen „Lümmel“ hinter uns. Es hat seit diesem Jahr seinen Liegeplatz in Rechlin. Das Ehepaar hat ein großes Boot gegen das kleinere getauscht. Lümmel wurde auf der Ostsee als Anglerboot genutzt und dient nun der Erkundung der Mecklenburgischen Seenplatte. Nach der Gegenschleusung erspähen wir auch den Mitarbeiter des WSA am Schleusenrand. Er hat ein Fernbedienungstool in den Händen, mit dem er den Schleusungsvorgang steuern und überprüfen kann, ob alle Informationen auf den Bildschirmen wie vorgesehen erscheinen, ob die vorgegebenen Sicherheitszeiträume zwischen Ein- und Ausfahrten, Öffnen und Schließen der Tore usw. eingehalten werden. Alles klappt – soweit für uns sichtbar und relevant – reibungslos.

Zwischen dem Stolpsee und Bredereiche zeigt die Havel ihr naturbelassenes Gesicht (Bild 13): rechts und links säumt Mischwald die Ufer, das Wasser schimmert grün, der Fluss windet sich um viele Kurven.

An der Schleuse Fürstenberg wird Schleusenkino veranstaltet, sicher auch nicht freiwillig. Ein anderes Le Boat-Team hat heute seinen ersten Tag an Bord. Das An- und Ablegemanöver am Wartesteig gestaltet sich ziemlich planlos. Doch letztlich geht alles gut, auch die Einfahrt und das Festmachen klappen. Mit einigem Abstand folgen wir und die nachfolgenden Boote dem Boot in die Schleuse. Dort werden hilfreiche Hinweise für den Ablauf bei der Schleusung gegeben: zum Beispiel den, dass sich alle Mitglieder der Crew an Bord befinden sollten, insbesondere dann, wenn zu Tal geschleust wird; dass die Leinen nicht festgemacht, sondern in der Hand gehalten werden usw. Etliche Skipper bekunden lautstark ihr Mitgefühl für die Charterer, die offenbar keine taugliche Einweisung bei Übernahme des Bootes erhalten haben. Das ist durchaus eine Erkenntnis, die wir mit unseren Erfahrungen teilen können. Wir können nur hoffen, dass die Crew trotzdem ihr Abenteuer Bootfahren genießen kann.