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Moskau nach dem Zerfall der Sowjetunion: Die Oligarchen sichern sich die Pfründe und machen ein Vermögen. Der Amerikaner Bill Browder nutzt die Gunst der Stunde und investiert in aufstrebende Unternehmen. Doch dann kommt er Putin und seiner Politik in die Quere: Er wird erpresst, verfolgt und bedroht. In einem Rechtsstaat kann man sich dagegen wehren. Aber nicht in einem Russland, wo Willkür und Tyrannei herrschen. Browders Anwalt Sergej Magnitski wird unter fadenscheinigen Vorwänden inhaftiert, gefoltert und schließlich im Gefängnis erschlagen. Aber Bill Browder gibt nicht auf. Als Menschenrechtsaktivist macht er international Druck auf Putin. Eine wahre Geschichte – packend geschrieben wie ein Thriller.
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Seitenzahl: 627
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Bill Browder
Aus dem Englischen von Hans Freundl und Sigrid Schmid
Titel der Originalausgabe:
Red Notice. How I Became Putin’s No. 1 Enemy.
London, Bantam Press (an Imprint of Transworld Publishers) 2014
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Copyright © Hermitage Media Limited 2014
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© 2015 Carl Hanser Verlag München
Internet: http://www.hanser-literaturverlage.de
Lektorat: Martin Janik
Herstellung: Andrea Reffke
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
unter Verwendung eines Fotos von © Charlie Bibby/FT-REA/laif
Datenkonvertierung E-Book: Kösel Media, Krugzell
ISBN 978-3-446-44303-7
E-Book-ISBN 978-3-446-44319-8
Für Sergej Magnitski, den mutigsten Mann, den ich je getroffen habe
Die Geschichte, die in diesem Buch erzählt wird, ist zwar wahr, sie wird dennoch sicher ein paar sehr mächtige und gefährliche Leute ärgern. Zum Schutz der Unschuldigen wurden einige Namen und Orte geändert.
Neutrum, auch »Rote Notiz«, eine von Interpol herausgegebene Mitteilung mit dem Ersuchen einer Festnahme und Auslieferung. Eine »Rote Notiz« von Interpol entspricht praktisch einem internationalen Haftbefehl.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
13. November 2005
Ich bin ein Zahlenmensch, deshalb nenne ich die wichtigsten Zahlen gleich am Anfang: 260, 1 und 4,5 Milliarden.
Die Zahlen bedeuten Folgendes: Jedes zweite Wochenende reiste ich von Moskau, der Stadt, in der ich lebte und arbeitete, in meine Heimatstadt London. In den vergangenen zehn Jahren hatte ich diese Reise 260-mal gemacht. Der Hauptgrund war mein Sohn David, damals acht Jahre alt, die Nummer eins in meinem Leben, der bei meiner Exfrau in Hampstead lebte. Bei der Scheidung hatte ich mich verpflichtet, ihn jedes zweite Wochenende zu besuchen, komme, was wolle. Ich hatte mein Versprechen nie gebrochen.
Für meine regelmäßige Rückkehr nach Moskau gab es 4,5 Milliarden Gründe. Das war der Gesamtwert des Vermögens in Dollar, das meine Investmentfirma Hermitage Capital verwaltete. Ich war ihr Gründer und CEO und hatte in den vergangenen zehn Jahren das Vermögen vieler Anleger gewaltig vermehrt. Im Jahr 2000 war Hermitage Capital zum Emerging-Markets-Fonds mit der besten Performance gekürt worden. Wir hatten für Anleger, die seit unserer Gründung 1996 mit von der Partie waren, Renditen von 1500 Prozent erzielt. Der Erfolg meiner Firma hatte selbst meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Russland bot nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einige der spektakulärsten Investitionsmöglichkeiten in der Geschichte der Finanzmärkte, allerdings war die Arbeit dort ebenso abenteuerlich (und gelegentlich auch gefährlich) wie lukrativ. Langweilig war sie auf jeden Fall nie.
Ich war schon so oft von London nach Moskau geflogen, dass ich den Ablauf in- und auswendig kannte: Wie lange man für die Sicherheitskontrollen in Heathrow benötigte; wie lange das Boarding der Aeroflot-Maschine dauerte; wie lange es brauchte, bis das Flugzeug in der Luft war und Kurs nach Osten in Richtung eines Landes nahm, wo es bereits Nacht war und wo Mitte November ein weiterer kalter Winter mit großen Schritten nahte. Die Flugzeit betrug 270 Minuten. Das genügte, um durch die Financial Times, den Sunday Telegraph, das Forbes Magazine und das Wall Street Journal zu blättern und wichtige E-Mails und Dokumente zu lesen.
Als das Flugzeug an Höhe gewann, öffnete ich meine Aktentasche und nahm meine Tageslektüre heraus. Neben den Akten, Zeitungen und Zeitschriften befand sich auch eine kleine Ledermappe in der Tasche. Darin waren 7500 Dollar in 100-Dollar-Noten. Sie verschafften mir bessere Chancen bei einer Flucht aus Moskau, beim sprichwörtlichen letzten Flug – wie damals denjenigen, die gerade noch rechtzeitig aus Phnom Penh oder Saigon herausgekommen waren, bevor das jeweilige Land im Chaos versank.
Aber ich floh nicht aus Moskau, ich kam zurück. Ich kehrte zurück an meine Arbeit. Und deshalb wollte ich mich über die neuesten Nachrichten vom Wochenende informieren.
Gegen Ende des Flugs stieß ich im Forbes Magazine auf einen Artikel, der mir zu denken gab. Es ging um einen Geschäftsmann, der wie ich seinen MBA in Stanford gemacht hatte. Er hieß Jude Shao, ein chinesischstämmiger Amerikaner, der ein paar Jahre nach mir studiert hatte. Ich kannte ihn nicht, aber er machte wie ich erfolgreich Geschäfte in einem fremden Land, in seinem Fall in China.
Er hatte sich mit einigen korrupten chinesischen Funktionären angelegt und im April 1998 wurde Shao verhaftet, nachdem er sich geweigert hatte, einem Steuereintreiber in Schanghai 60 000 Dollar Bestechungsgeld zu zahlen. Shao wurde schließlich aufgrund erfundener Anklagen zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Einige ehemalige Studenten von Stanford hatten eine Kampagne zu seiner Befreiung organisiert, aber nichts erreicht. Als ich von Shaos Schicksal erfuhr, versauerte er gerade in einem elenden chinesischen Gefängnis.
Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. China war zehnmal so sicher wie Russland, wenn es um Geschäfte ging. Beim Landeanflug auf den Flughafen Moskau-Scheremetjewo fragte ich mich, ob ich vielleicht doch ein bisschen leichtsinnig war. Jahrelang war ich beim Investieren dem Ansatz gefolgt, die Interessen der Aktionäre in den Vordergrund zu rücken. In Russland hieß das, die Korruption der Oligarchen infrage zu stellen, der etwa 20 Männer, die Berichten zufolge nach dem Sturz des Kommunismus 39 Prozent des Landes an sich gebracht hatten und über Nacht Milliardäre geworden waren. Den Oligarchen gehörte die Mehrheit der russischen börsennotierten Unternehmen, die sie oft regelrecht ausplünderten. Bei meinem Kampf gegen die Oligarchen hatte ich mich meistens durchgesetzt. Doch diese Strategie hatte zwar meinem Fonds großen Erfolg beschert, mir aber auch viele Feinde eingebracht.
Nachdem ich den Artikel über Shao gelesen hatte, dachte ich: Vielleicht sollte ich damit aufhören. Ich habe so viel, wofür es sich zu leben lohnt. Ich hatte nicht nur David, sondern auch eine neue Frau in London. Elena war Russin, wunderschön, unglaublich intelligent und derzeit schwanger mit unserem ersten Kind. Vielleicht sollte ich ein bisschen kürzertreten.
Aber dann setzten die Räder auf der Landebahn auf, und ich legte die Zeitschriften weg, schaltete meinen BlackBerry ein und schloss die Aktentasche. Ich sah nach meinen E-Mails und konzentrierte mich wieder darauf, was ich während des Fluges verpasst hatte. Jude Shao und die Oligarchen waren vergessen. Ich musste durch den Zoll, danach zu meinem Wagen und dann in meine Wohnung.
Scheremetjewo ist ein seltsamer Flughafen. Der Terminal, wo ich mich am besten auskannte, Scheremetjewo 2, war für die Olympischen Sommerspiele 1980 errichtet worden. Damals hatte das Gebäude sicher sehr beeindruckend gewirkt, aber im Jahr 2005 war alles ziemlich heruntergekommen. Es roch nach Schweiß und billigem Tabak. Die Decke war mit reihenförmig angeordneten Metallzylindern dekoriert, die aussahen wie rostige Konservendosen. An der Passkontrolle gab es keine geordnete Warteschlange, sondern man musste sich ins Gedränge stürzen und aufpassen, dass sich niemand an einem vorbeidrängelte. Und wer eine Tasche dabeihatte, war ohnehin verloren. Dann musste man, auch wenn der Pass längst gestempelt war, mindestens noch eine Stunde auf das Gepäck warten. Nach einem über vierstündigen Flug war die Einreise nach Russland kein Spaß, vor allem nicht, wenn sich die Prozedur wie in meinem Fall jedes zweite Wochenende wiederholte.
Seit 1996 pendelte ich nach Moskau, aber erst im Jahr 2000 hatte mir ein Freund vom sogenannten VIP-Service erzählt. Gegen eine kleine Gebühr sparte man etwa eine Stunde, manchmal auch zwei. Das war zwar keineswegs luxuriös, aber jeden Penny wert.
Ich ging vom Flugzeug direkt zur VIP-Lounge. Die Wände und die Decke waren in einem fahlen Erbsengrün gestrichen. Der Linoleumboden war bräunlich. Die Sitzgelegenheiten in der Lounge waren mit einem braunroten Leder aufgepolstert worden und einigermaßen bequem. Beim Warten wurde einem dünner Kaffee oder Tee serviert, der zu lange gezogen hatte. Ich entschied mich für einen Tee mit einer Scheibe Zitrone und reichte dem Grenzbeamten meinen Pass. Dann vertiefte ich mich in die E-Mails auf meinem BlackBerry.
Ich merkte kaum, dass mein Fahrer Alexej, der eine Genehmigung für den Lounge-Bereich hatte, kam und mit dem Grenzbeamten plauderte. Alexej war 41 Jahre alt wie ich, aber im Gegensatz zu mir war er 1,95 Meter groß und wog 110 Kilo, hatte blonde Haare und markante Gesichtszüge. Er war früher bei der Moskauer Verkehrspolizei gewesen und sprach kein Wort Englisch. Er war immer pünktlich – bei kleineren Staus konnte er seine ehemaligen Kollegen überreden, ihn durchzulassen.
Ich beachtete das Gespräch nicht weiter, sondern beantwortete stattdessen meine E-Mails und trank den lauwarmen Tee. Nach einer Weile verkündete eine Lautsprecherdurchsage, dass das Gepäck von meinem Flug am Gepäckband abgeholt werden könne.
Da schaute ich auf und dachte: Bin ich schon seit einer Stunde hier?
Ich sah auf die Uhr. Tatsächlich, ich war seit einer Stunde hier. Das Flugzeug war um 19.30 Uhr gelandet, jetzt war es 20.32 Uhr. Meine Mitpassagiere in der VIP-Lounge waren schon lange weg. Ich sah Alexej an, er schaute zurück und gab mir zu verstehen: Ich kümmere mich darum.
Während er mit dem Beamten redete, rief ich Elena an. In London war es erst 17.32 Uhr, um die Zeit war sie daheim. Während unseres Gesprächs hielt ich den Blick auf Alexej und den Grenzbeamten gerichtet. Aus dem Gespräch wurde rasch eine hitzige Diskussion. Alexej trommelte ungeduldig auf den Schalter, während ihn der Grenzbeamte nur mit starrem Blick ansah. »Irgendetwas stimmt da nicht«, sagte ich zu Elena. Ich stand auf und ging zum Schalter, eher irritiert als beunruhigt, und fragte, was los sei.
Allmählich dämmerte mir, dass da etwas gewaltig schieflief. Ich schaltete Elena auf Lautsprecher, damit sie für mich übersetzen konnte. Sprachen sind nicht mein Ding – selbst nach zehn Jahren konnte ich mich auf Russisch gerade einmal mit dem Taxifahrer verständigen.
Das Gespräch ging hin und her. Ich stand daneben wie ein Zuschauer bei einem Tennismatch und drehte den Kopf hin und her. Elena sagte irgendwann: »Ich glaube, es hat etwas mit deinem Visum zu tun, aber der Beamte rückt nicht damit heraus.« In dem Moment tauchten zwei uniformierte Beamte in der Lounge auf. Der eine zeigte auf mein Telefon, der andere auf meine Taschen.
Ich sagte zu Elena: »Da sind zwei Beamte gekommen, ich soll auflegen und mitkommen. Ich rufe wieder an, sobald ich kann.«
Ich legte auf. Der eine Beamte nahm meine Taschen. Der andere sammelte meinen Pass und die Einwanderungspapiere ein. Ich schaute zu Alexej. Er ließ die Schultern hängen und senkte den Blick, der Mund stand leicht offen. Er war ratlos. Er wusste, wenn etwas in Russland schieflief, dann lief es normalerweise gleich so richtig schief.
Ich folgte den Beamten durch die verborgenen Korridore von Scheremetjewo 2 zum größeren, regulären Einreisebereich. Ich stellte ihnen in meinem schlechten Russisch Fragen, doch sie reagierten nicht, sondern führten mich wortlos in einen grell beleuchteten Arrestraum. Die Stühle dort hatten Plastikschalensitze und waren in Reihen am Boden festgeschraubt. Das Beige an den Wänden blätterte an manchen Stellen ab. Ein paar andere Passagiere, die ebenfalls festgehalten wurden, saßen herum und wirkten verärgert. Niemand sprach. Alle rauchten.
Die Beamten gingen wieder. An einem Schalter hinter einer Glasscheibe am anderen Ende des Raums saßen mehrere weitere Beamte. Ich wählte einen Platz in ihrer Nähe und versuchte, eine Erklärung für das Geschehene zu finden.
Aus irgendeinem Grund hatte ich meine Sachen behalten dürfen, auch mein Handy. Und ich hatte sogar Empfang. Das wertete ich als gutes Zeichen. Ich versuchte, mich zu beruhigen, aber dann fiel mir der Artikel über Jude Shao wieder ein.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr: 20.45 Uhr.
Ich rief Elena an. Sie war nicht übermäßig beunruhigt. Sie sagte mir, sie schreibe gerade ein Fax für die britische Botschaft in Moskau, um die Mitarbeiter über meine Situation zu informieren, und würde es so schnell wie möglich abschicken.
Ich rief einen Mitarbeiter meiner Firma an, Ariel Bouzada. Er war Israeli, ehemaliger Mossad-Agent und arbeitete jetzt als Sicherheitsberater für uns in Moskau. Er galt als einer der besten im Land, daher war ich zuversichtlich, dass er das Problem lösen könnte.
Ariel war sehr überrascht, als ich ihm alles erzählte. Er sagte, er werde ein paar Anrufe tätigen und sich dann wieder bei mir melden.
Gegen halb elf rief ich die britische Botschaft an. Ich sprach mit einem Mann namens Chris Bowers aus der Konsularabteilung. Er hatte Elenas Fax bereits erhalten und war also informiert, zumindest wusste er so viel wie ich. Er überprüfte noch einmal sämtliche Angaben – Geburtsdatum, Passnummer, Ausstellungsdatum des Visums, alles. Er sagte, da es Sonntagabend sei, könne er wahrscheinlich nicht viel tun, aber er würde es versuchen.
Bevor er auflegte, fragte er noch: »Mr. Browder, hat man Ihnen etwas zu essen oder zu trinken gegeben?« »Nein«, sagte ich, woraufhin er unbestimmt brummte. Ich dankte ihm, und wir verabschiedeten uns.
Ich versuchte, es mir auf dem Plastiksitz gemütlich zu machen, schaffte es aber nicht. Die Zeit kroch dahin. Ich stand auf und ging in einer Wolke aus Zigarettenqualm auf und ab. Ich mied den leeren Blick der anderen, die ebenfalls hier festgehalten wurden. Ich sah nach meinen E-Mails. Ich rief Ariel an, aber er ging nicht dran. Ich ging zur Glasscheibe und versuchte, in meinem schlechten Russisch mit den Beamten zu reden. Sie ignorierten mich. Ich war für sie ein Niemand. Schlimmer, ich war bereits ein Häftling.
Man sollte vielleicht erwähnen, dass der Einzelne in Russland nichts zählt. Bürgerrechte sind Makulatur. Menschen werden den Bedürfnissen des Staates geopfert, sie werden als lebende Schutzschilde, Handelsware oder schlicht Kanonenfutter betrachtet. Wenn nötig, kann man jeden loswerden. Es gibt einen berühmten Ausspruch von Stalin, der das auf den Punkt bringt: »Ein Mensch – ein Problem, kein Mensch – kein Problem.«
Und da ließ sich der Gedanke an Jude Shao und den Forbes-Artikel nicht länger verdrängen. Hätte ich in der Vergangenheit vorsichtiger sein sollen? Ich hatte mich so daran gewöhnt, gegen die Oligarchen und korrupte russische Beamte anzugehen, dass ich mich damit abgefunden hatte, dass auch ich einfach verschwinden konnte, wenn jemand das unbedingt wollte.
Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken an Shao loszuwerden. Ich wandte mich wieder an die Beamten, um sie zu irgendeiner Reaktion zu bewegen, aber es war sinnlos. Ich setzte mich wieder hin. Ich rief noch einmal Ariel an. Dieses Mal hob er immerhin ab.
»Ariel, was ist da los?«
»Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, aber keiner will etwas sagen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, dass alle dichtmachen. Tut mir leid, Bill, aber ich brauche mehr Zeit. Es ist Sonntagabend. Da erreicht man niemanden.«
»Okay. Melden Sie sich, sobald Sie etwas hören.«
»Auf jeden Fall.«
Wir legten auf. Ich rief noch einmal bei der Botschaft an. Auch dort gab es keine Fortschritte. Entweder mauerten die Gesprächspartner oder ich war noch nicht im System oder beides. Bevor Chris Bowers auflegte, fragte er erneut: »Hat man Ihnen etwas zu essen oder zu trinken gegeben?«
»Nein«, wiederholte ich. Das schien mir völlig bedeutungslos, aber Bowers war da eindeutig anderer Ansicht. Anscheinend hatte er Erfahrung mit solchen Situationen, und bei näherem Überlegen erschien es mir wie eine typisch russische Taktik, weder Essen noch Trinken anzubieten.
Nach Mitternacht füllte sich der Raum mit weiteren Verhafteten. Alle männlich, und alle sahen so aus, als ob sie aus ehemaligen Sowjetrepubliken stammten. Georgier, Aserbaidschaner, Kasachen, Armenier. Ihr Gepäck, wenn sie denn welches hatten, bestand aus einfachen Stoffsäcken oder übergroßen Nyloneinkaufstaschen, die mit Klebeband verschnürt waren. Alle rauchten ununterbrochen. Manche unterhielten sich im Flüsterton. Keiner zeigte irgendwelche Emotionen oder Anzeichen von Beunruhigung. Sie schenkten mir ebenso wenig Beachtung wie die Beamten, obwohl ich hier eindeutig herausstach: nervös, im dunkelblauen Blazer, mit BlackBerry und schwarzem Rollkoffer.
Ich rief noch einmal Elena an: »Bei dir was Neues?«
Sie seufzte: »Nein. Und bei dir?«
»Nichts.«
Sie hörte die Anspannung in meiner Stimme. »Das wird schon, Bill. Morgen bist du wieder hier und kannst alles klären. Da bin ich mir sicher.« Ihre Gelassenheit beruhigte mich etwas.
»Ich weiß.« Ich sah auf die Uhr. In England war es 22.30 Uhr. »Leg dich schlafen, Schatz. Du und das Baby brauchen Ruhe.«
»Okay. Ich ruf sofort an, wenn ich etwas Neues höre.«
»Ich auch.«
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht. Ich liebe dich«, fügte ich hinzu, aber sie hatte schon aufgelegt.
In mir regten sich leise Zweifel: Was, wenn es gar nicht um das Visum ging? Würde ich Elena je wiedersehen? Würde ich je unser ungeborenes Kind kennenlernen? Würde ich meinen Sohn David wiedersehen?
Ich versuchte, gegen diese düsteren Gedanken anzukämpfen und es mir auf dem harten Plastikstuhl bequem zu machen, wobei ich meine Jacke als Kopfkissen benutzte, aber auf den Stühlen sollte man offensichtlich nicht schlafen. Ganz abgesehen davon, dass um mich herum lauter bedrohlich aussehende Männer saßen. Wie sollte ich da abschalten?
Ich konnte es nicht.
Also tippte ich auf meinem BlackBerry herum und erstellte eine Liste mit all den Leuten, die ich im Laufe der Jahre in Russland, England und Amerika kennengelernt hatte und die mir vielleicht helfen konnten: Politiker, Geschäftsleute, Journalisten.
Chris Bowers rief ein letztes Mal an, bevor seine Schicht in der Botschaft endete. Er versicherte mir, dass sein Kollege, der nun übernahm, umfassend informiert sei. Er wollte immer noch wissen, ob man mir Essen oder Wasser angeboten hatte. Nein. Er entschuldigte sich dafür bei mir, obwohl er überhaupt nichts damit zu tun hatte. Er führte eindeutig Buch über meine schlechte Behandlung, falls das je von Belang sein sollte. Nach dem Gespräch dachte ich: Shit.
Inzwischen war es 2.00 oder 3.00 Uhr morgens. Ich schaltete meinen BlackBerry aus, um den Akku zu schonen, und versuchte es noch einmal mit etwas Schlaf. Ich legte mir ein Hemd aus meiner Tasche übers Gesicht. Ich schluckte zwei Ibuprofen ohne Wasser, weil ich Kopfschmerzen bekam. Ich versuchte, alles zu vergessen. Ich versuchte, mir einzureden, dass ich morgen wieder hier raus wäre. Es ging nur um ein Problem mit dem Visum. So oder so würde ich Russland verlassen.
Nach einer Weile döste ich ein.
Gegen 6.30 Uhr wachte ich wieder auf, als weitere Verhaftete in den Arrestraum kamen. Die gleichen Typen wie die bereits Anwesenden. Kein einziger wie ich. Mehr Zigaretten, mehr Geflüster. Der Schweißgestank nahm deutlich zu. Ich hatte einen furchtbaren Geschmack im Mund und merkte zum ersten Mal, wie durstig ich war. Chris Bowers hatte recht gehabt mit seiner Frage nach Essen und Trinken. Es gab zwar Zugang zu einer übel riechenden Toilette, aber diese Mistkerle hätten uns auch etwas zu essen und zu trinken geben müssen.
Dennoch hatte ich ein besseres Gefühl als in der Nacht und glaubte, dass es sich um ein bürokratisches Missverständnis handeln musste. Ich rief Ariel an. Er hatte immer noch nicht herausgefunden, was los war, sagte mir aber, dass der nächste Flug nach London um 11.15 Uhr ging. Für mich gab es nur zwei Alternativen: Ich würde entweder verhaftet oder deportiert, also redete ich mir ein, dass ich in dem Flugzeug sitzen würde.
Ich beschäftigte mich, so gut es ging. Ich beantwortete E-Mails wie an einem normalen Arbeitstag. Ich rief noch mal bei der Botschaft an. Der neue diensthabende Konsularbeamte versicherte mir, sobald die Ämter geöffnet hätten, würde man sich um meinen Fall kümmern. Ich packte meine Sachen zusammen und versuchte erneut, mit den Beamten hinter der Glasscheibe zu reden. Ich fragte nach meinem Pass, aber sie ignorierten mich weiterhin. Anscheinend war das ihre einzige Aufgabe: hinter der Scheibe sitzen und alle Anwesenden ignorieren.
Ich ging auf und ab. 9.00 Uhr. 9.15 Uhr. 9.24 Uhr. 9.37 Uhr. Ich wurde immer nervöser. Ich wollte Elena anrufen, aber in London war es noch zu früh am Morgen. Ich rief Ariel an, doch er hatte immer noch nichts für mich. Ich stellte alle Anrufe ein.
Um 10.30 Uhr schlug ich gegen die Scheibe, aber die Beamten ignorierten mich immer noch. Sie waren Profis.
Elena rief an. Dieses Mal konnte sie mich nicht beruhigen. Sie versprach mir, wir würden eine Erklärung finden, aber so langsam hatte ich das Gefühl, als würde das gar keine Rolle spielen: Ich musste jetzt dauernd an Jude Shao denken.
Um 10.45 Uhr bekam ich richtig Panik.
10.51 Uhr. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte sich ein Durchschnittstyp aus Süd-Chicago einbilden, er käme damit durch, einem russischen Oligarchen nach dem anderen das Geschäft zu vermasseln?
10.58 Uhr. Dumm, dumm, dumm! ARROGANT UND DUMM, BILL! ARROGANT UND EINFACH HIRNVERBRANNT!
11.02 Uhr. Ich komme in ein russisches Gefängnis. Ich komme in ein russisches Gefängnis. Ich komme in ein russisches Gefängnis.
11.05 Uhr. Zwei brutal aussehende Beamte stürmten herein und gingen schnurstracks auf mich zu. Sie packten mich am Arm, griffen sich meine Sachen und zogen mich nach draußen. Sie führten mich durch mehrere Gänge und eine Treppe hinauf. Das war’s. Sie würden mich in einen Gefängnistransporter werfen und wegkarren.
Aber dann traten sie mit den Füßen eine Tür auf, und wir standen im Abflugterminal, den wir im Eilschritt durchquerten. Mein Herz machte einen Sprung, als wir an den Gates und glotzenden Passagieren vorbeimarschierten. Und dann standen wir am Gate für den Flug um 11.15 Uhr nach London und schritten durch die Fluggastbrücke, stiegen ins Flugzeug und gingen durch die Businessclass, bis ich schließlich auf einen Platz in der Mitte einer Dreierreihe in der Economyclass geschoben wurde. Die Beamten sagten kein Wort. Sie hievten meine Tasche ins Gepäckfach und gingen, ohne mir meinen Pass zu geben.
Die übrigen Passagiere im Flugzeug bemühten sich, mich nicht allzu auffällig anzustarren. Ihre Neugier war verständlich. Ich ignorierte sie. Ich war gottfroh, dass ich nicht in einem russischen Gefängnis gelandet war.
Ich schickte Elena eine SMS, dass ich auf dem Weg nach Hause war und sie bald sehen würde. Ich schrieb auch, dass ich sie liebte.
Wir hoben ab. Als die Räder einklappten, spürte ich ein ungeheures Gefühl der Erleichterung, das ich so noch nie erlebt hatte. Hunderte Millionen Dollar zu verdienen oder zu verlieren war nichts dagegen.
Wir erreichten unsere Reisehöhe, und die Bordmahlzeit wurde serviert. Ich hatte seit über 24 Stunden nichts mehr gegessen. Es gab ein schreckliches Bœuf Stroganoff, aber für mich war es das Beste, was ich je gegessen hatte. Ich nahm noch drei Extrabrötchen. Außerdem trank ich vier Flaschen Wasser. Und dann schlief ich ein.
Ich wachte erst wieder auf, als das Flugzeug in England landete. Während wir zu unserer Parkposition rollten, machte ich mir im Geist eine Liste mit all den Dingen, die ich erledigen musste. Zuallererst musste ich irgendwie ohne Pass durch den britischen Zoll. Aber das sollte eigentlich kein Problem sein. England war meine Heimat, seit ich in den späten 1990ern die britische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Das größere Problem war nach wie vor Russland. Wie sollte ich aus dem Schlamassel wieder rauskommen? Wer steckte dahinter? Wen sollte ich in Russland anrufen? Wen im Westen?
Das Flugzeug kam zum Stehen, das Anschnallsignal erlosch, und alle schnallten sich ab. Ich wartete, bis ich an der Reihe war, dann stand ich auf und ging Richtung Ausgang. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich den Piloten gar nicht bemerkte, der neben der Tür stand und den Passagieren beim Aussteigen zusah. Als ich an ihm vorbeiging, streckte er die Hand aus. Ich schaute auf seine Hand. Er hielt mir meinen britischen Pass entgegen. Ich nahm ihn wortlos an mich.
Die Zollkontrolle war nach fünf Minuten erledigt. Ich fuhr mit dem Taxi zu meiner Londoner Wohnung. Dort umarmte ich Elena. Wir hielten uns lange in den Armen. Noch nie war ich für die Umarmung eines anderen Menschen so dankbar gewesen.
Ich sagte ihr, wie sehr ich sie liebte. Sie lächelte mich mit großen Rehaugen an. Wir sprachen über meine missliche Lage und gingen Hand in Hand in unser gemeinsames Büro. Wir setzten uns an den Schreibtisch, schalteten den Computer an, griffen nach unseren Telefonen und machten uns an die Arbeit.
Ich musste einen Weg finden, wie ich wieder zurück nach Russland konnte.
Wenn man mich sprechen hört, könnte man sich fragen: »Wie hat es dieser Kerl mit einem amerikanischen Akzent und einem britischen Pass bloß hingekriegt, zum größten Investor in Russland zu werden, nur um dann aus dem Land geworfen zu werden?«
Das ist eine lange Geschichte, und sie beginnt in Amerika, in einer ungewöhnlichen amerikanischen Familie. Mein Großvater, Earl Browder, war ein Gewerkschaftsfunktionär aus Wichita, Kansas. Er machte seine Arbeit so gut, dass die Kommunisten auf ihn aufmerksam wurden und ihn 1926 in die Sowjetunion einluden. Kurz nach seiner Ankunft tat er, was die meisten heißblütigen Amerikaner in Moskau tun: Er lernte ein hübsches russisches Mädchen kennen. Ihr Name war Raissa Berkman, und sie war eine der ersten Rechtsanwältinnen in Russland. Sie verliebten sich, heirateten und bekamen drei Söhne: Der erste, mein Vater Felix, kam im Juli 1927 in der russischen Hauptstadt zur Welt.
Im Jahr 1932 kehrte Earl mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten zurück. Sie zogen nach Yonkers, New York, und Earl wurde Vorsitzender der Kommunistischen Partei der USA. Zweimal trat er als Kandidat der Kommunisten zur US-Präsidentschaftswahl an, 1936 und 1940. Er bekam bei den Wahlen zwar nur jeweils 80 000 Stimmen, aber Earls Kandidatur lenkte die Aufmerksamkeit in den von der Wirtschaftskrise gebeutelten Vereinigten Staaten auf die Schwächen des Mainstream-Kapitalismus und führte dazu, dass alle politischen Akteure ihre Politik weiter links ausrichteten. Als »Genosse Earl Browder« schaffte er es im Jahr 1938 sogar auf die Titelseite des Time-Magazins.
Doch ebenso erfolgreich zog er den Zorn von Präsident Franklin D. Roosevelt auf sich. Im Jahr 1941 wurde mein Großvater verhaftet, wegen »Verstößen gegen das Passgesetz« verurteilt und trat daraufhin eine vierjährige Haftstrafe im Bundesgefängnis von Atlanta in Georgia an. Glücklicherweise waren die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg Verbündete, und so wurde Earl ein Jahr später begnadigt.
Nach Kriegsende verbrachte Earl die nächsten Jahre in der politischen Wüste – bis Senator Joseph McCarthy seine berüchtigte Hexenjagd begann mit dem Ziel, das Land vollständig von Kommunisten zu säubern. Die 1950er-Jahre waren in den Vereinigten Staaten eine paranoide Zeit, und es war völlig gleich, ob man ein guter oder ein schlechter Kommunist war. Es zählte nur, dass man Kommunist war. Earl wurde vorgeladen und über Monate vom Komitee für unamerikanische Umtriebe verhört.
Die politischen Überzeugungen und die Verfolgung meines Großvaters belasteten den Rest der Familie schwer. Meine Großmutter war eine russisch-jüdische Intellektuelle und wollte nicht, dass auch ihre Söhne ins schmutzige politische Geschäft einstiegen. Sie träumte von einer akademischen Karriere für ihre Söhne, am liebsten in Naturwissenschaft oder Mathematik. Felix, mein Vater, erfüllte pflichtbewusst ihre Erwartungen, übertraf sie gar, als er mit 16 Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studierte. Er schaffte seinen Bachelor-Abschluss in nur zwei Jahren, schrieb sich in Princeton für Mathematik ein und hatte mit 20 Jahren einen Doktortitel.
Mein Vater war einer der besten jungen Mathematiker in Amerika, doch er war auch immer noch der Sohn von Earl Browder. Als Präsident Harry S. Truman nach dem Zweiten Weltkrieg die Wehrpflicht in Friedenszeiten einführte, bat Felix um eine Zurückstellung, aber sein Arbeitgeber, das Institute for Advanced Study in Princeton, weigerte sich, eine Bescheinigung für ihn auszustellen. Keiner seiner Vorgesetzten wollte sich offiziell für den Sohn eines bekannten Kommunisten einsetzen. Ohne Zurückstellung wurde Felix umgehend eingezogen und trat 1953 seinen Militärdienst in der Armee an.
Nach der Grundausbildung wurde mein Vater einer Einheit im Nachrichtendienst der Armee in Fort Monmouth, New Jersey, zugeteilt und arbeitete dort einige Wochen, bis einem befehlshabenden Offizier sein Nachname auffiel. Dann ging alles sehr schnell. Eines Nachts wurde Felix aus seinem Bett gezerrt, in einen Militärtransporter geworfen und nach Fort Bragg, North Carolina, gebracht. Dort durfte er die nächsten zwei Jahre an einer Tankstelle am Rand der Basis als Tankwart arbeiten.
Nach seiner Entlassung im Jahr 1955 bewarb er sich für die erste wissenschaftliche Stelle, die er fand: eine Juniorprofessur an der Brandeis University. Dort konnte man kaum fassen, dass sich ein Topmathematiker aus Princeton für den Job bewarb. Die Fakultät sprach eine Empfehlung gegenüber dem Kuratorium aus, doch das Kuratorium schreckte vor dem Gedanken zurück, den Sohn des ehemaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der USA zu unterstützen.
Zu jener Zeit war Eleanor Roosevelt Vorsitzende des Kuratoriums, und obwohl ihr Mann für die Verhaftung meines Großvaters verantwortlich gewesen war, argumentierte sie, es sei »äußerst unamerikanisch, einem großartigen Wissenschaftler die Ausübung seines Berufs zu verweigern, nur weil er der Sohn seines Vaters ist«. Felix bekam schließlich den Job, der ihm nachfolgende Anstellungen in Yale, Princeton und an der University of Chicago ermöglichte, und in Chicago wurde er sogar Dekan der Fakultät für Mathematik. Er hatte eine lange und erfolgreiche Karriere, und im Jahr 1999 zeichnete Präsident Bill Clinton ihn mit der National Medal of Science aus, der höchsten Auszeichnung für Mathematik im Land.
Die Geschichte meiner Mutter ist ebenso bemerkenswert. Eva kam in Wien 1929 als Tochter einer unverheirateten jüdischen Mutter zur Welt. Im Jahr 1938 war klar, dass die Nazis es auf die Juden abgesehen hatten, und jeder Jude, der die Möglichkeit dazu hatte, verließ Europa. Doch weil so viele Menschen flohen, war es fast unmöglich, ein US-Visum zu bekommen. Daher traf meine Großmutter die herzzerreißende Entscheidung, meine Mutter zur Adoption freizugeben, damit zumindest sie die Chance auf ein besseres Leben in Amerika bekam.
Die Applebaums, eine nette jüdische Familie aus Belmont, Massachusetts, nahmen Eva auf. Im Alter von neun Jahren durchquerte sie Europa allein mit dem Zug, bestieg ein Dampfschiff und segelte nach Amerika zu ihrer neuen Familie. Bei ihrer Ankunft war meine Mutter erstaunt, einen solchen Zufluchtsort gefunden zu haben. In den folgenden Jahren hatte meine Mutter ein eigenes Zimmer in einem gemütlichen Haus mit einem Cockerspaniel und gepflegtem Rasen, fern von Völkermord und Krieg.
Während Eva sich in ihrem neuen Leben einrichtete, gelang meiner Großmutter, Erna, die Flucht aus Österreich. Sie schaffte es bis nach Großbritannien. Die Trennung von ihrer Tochter war für Erna unerträglich, und sie bemühte sich jeden Tag um ein US-Visum, um wieder bei ihrer Eva sein zu können. Nach drei Jahren bekam sie endlich das Visum. Sie fuhr von England nach Boston und stand in Erwartung eines freudigen Wiedersehens vor der Tür der Applebaums in Belmont. Doch meine Großmutter traf dort auf ein Kind, das sie kaum noch erkannte, ein amerikanisches Mädchen, das sich bei den Applebaums wohlfühlte und bei ihnen bleiben wollte. Meine Großmutter gewann den traumatisierenden Kampf, und die beiden zogen in eine Ein-Zimmer-Wohnung in Brookline, Massachusetts. Meine Großmutter arbeitete 80 Stunden die Woche als Näherin, um sie beide durchzubringen, aber sie waren trotzdem so arm, dass sie sich als größten Luxus einmal die Woche zu zweit eine Portion Roastbeef mit Stampfkartoffeln im Schnellrestaurant um die Ecke gönnten. Der Wechsel aus der Armut in den Wohlstand und zurück in die Armut war für meine Mutter so traumatisch, dass sie bis heute in Restaurants die Zuckerpäckchen mitnimmt und Brötchen aus dem Brotkorb in die Handtasche steckt. Trotz ihres ärmlichen Lebens als Teenager brachte meine Mutter in der Schule hervorragende Leistungen und erhielt ein volles Stipendium fürs MIT. Dort lernte sie 1948 Felix kennen, und wenige Monate später waren sie verheiratet.
Ich wurde im Jahr 1964 in diese seltsame, linkspolitische Akademikerfamilie hineingeboren. In dieser Familie wurde beim Abendessen vor allem über mathematische Theoreme gesprochen und über betrügerische Geschäftsmänner, die die Welt zugrunde richteten. Mein älterer Bruder Thomas trat in die Fußstapfen meines Vaters und studierte bereits mit 15 Jahren an der University of Chicago. Er machte seinen Abschluss in Physik (summa cum laude natürlich). Direkt im Anschluss begann er im Alter von 19 Jahren mit seiner Doktorarbeit und ist heute ein weltweit anerkannter Teilchenphysiker.
Ich selbst bewegte mich am anderen Ende des akademischen Spektrums. Als ich zwölf war, verkündeten meine Eltern, sie wollten ein Sabbatjahr einlegen. Ich durfte wählen, ob ich sie begleiten wollte oder lieber auf ein Internat ging. Ich entschied mich für das Internat.
Meine Mutter hatte Schuldgefühle und überließ daher mir die Wahl der Schule. Am Lernen war ich nicht besonders interessiert, aber am Skifahren. Daher suchte ich nach Schulen in der Nähe von Skigebieten und fand die winzige Whiteman School in Steamboat Springs, Colorado.
Meine Eltern waren so mit ihrer eigenen akademischen Welt beschäftigt, dass sie keine genauen Erkundigungen über die Schule einzogen. Hätten sie das getan, wäre ihnen aufgefallen, dass es in Whiteman damals keinerlei Aufnahmebeschränkungen gab und die Schule daher von vielen Problemschülern besucht wurde: Schüler, die anderswo der Schule verwiesen worden waren oder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren.
Um auf dieses Internat gehen zu können, musste ich die achte Klasse überspringen. Daher war ich mit meinen 13 Jahren bei meiner Ankunft in der Whiteman School der jüngste und kleinste Schüler dort. Die anderen Schüler sahen in dem dürren Jungen im blauen Blazer sofort ein Opfer. In meiner ersten Nacht kamen einige meiner Mitschüler in mein Zimmer, durchwühlten die Schubladen und nahmen sich, was ihnen gefiel. Ich sagte ihnen, sie sollten das lassen, doch sie warfen sich auf mich, hielten mich fest und sangen immer wieder: »Zeit für eine Abreibung, Billy Browder! Zeit für eine Abreibung!«
Diese Szene wiederholte sich in den ersten Wochen jede Nacht. Ich hatte blaue Flecken, fühlte mich gedemütigt, und jede Nacht, wenn das Licht ausging, hatte ich Angst vor dem, was meine Mitschüler mir in dieser Nacht antun würden.
Anfang Oktober kam meine Mutter zu Besuch. Aus Stolz hatte ich ihr nichts von dem erzählt, was an der Schule vor sich ging. Ich hasste alles an dieser Schule, aber ich dachte, ich würde es aushalten.
Doch im Auto meiner Mutter auf dem Weg zum Abendessen brach ich zusammen.
Erschrocken fragte sie, was los sei.
»Ich finde es furchtbar hier!«, schrie ich unter Tränen. »Es ist grauenhaft!«
Ich erzählte ihr nicht, dass ich jede Nacht geschlagen wurde. Ich wusste nicht, ob sie irgendetwas davon ahnte, aber sie sagte: »Billy, wenn du nicht hier bleiben willst, musst du es nur sagen. Dann nehme ich dich mit nach Europa.«
Ich dachte darüber nach, gab ihr aber nicht gleich eine Antwort. Als wir uns dem Restaurant näherten, beschloss ich, dass ich Whiteman nicht als Verlierer verlassen wollte, so verlockend die Aussicht auch war, in die warmen Arme meiner Mutter zurückzukehren.
Wir setzten uns im Restaurant an den Tisch und bestellten. Beim Essen beruhigte ich mich etwas, und nach etwa der Hälfte der Mahlzeit sah ich meine Mutter an und sagte: »Weißt du was? Ich bleibe. Ich krieg das irgendwie hin.«
Wir verbrachten das Wochenende gemeinsam außerhalb der Schule, und sie brachte mich am Sonntagabend zurück. Wir verabschiedeten uns, und ich ging zu meinem Zimmer. Als ich an den Betten der älteren Schüler vorbeikam, hörte ich zwei Jungs zischen: »Abreibung für BB, Abreibung für BB.«
Ich ging schneller, aber zwei Jungs standen auf und folgten mir. Ich war so wütend und fühlte mich so gedemütigt, dass ich kurz vor der Abzweigung zu meinem Zimmer herumwirbelte und mich auf den kleineren der beiden Jungen stürzte. Ich traf ihn voll auf die Nase, und er fiel rückwärts. Ich warf mich sofort auf ihn und schlug ihn immer wieder, bis sein Gesicht blutbespritzt war und sein Freund mich an der Schulter packte und zur Seite warf. Ich bezog noch heftige Prügel von den beiden, bis der Internatsleiter auftauchte und den Kampf beendete.
Aber von jenem Tag an wagte niemand auf der Whiteman School mehr, mich anzufassen.
Ich blieb das ganze Jahr dort und lernte viel Neues. Ich begann mit dem Rauchen, schlich mich nachts hinaus und kam mit Hochprozentigem zurück in den Schlaftrakt. Am Ende des Jahres flog ich von der Schule, weil ich so viel angestellt hatte. Ich kehrte zu meiner Familie nach Chicago zurück, aber ich war nicht mehr derselbe.
In meiner Familie hatte man nur als Wunderkind eine Daseinsberechtigung, und ich war dermaßen aus der Art geschlagen, dass meine Eltern nicht wussten, was sie mit mir anfangen sollten. Sie schickten mich zu zahlreichen Psychiatern, Psychologen und Ärzten, die herausfinden sollten, wie man mich »in Ordnung bringen« konnte. Je mehr sie dafür taten, umso stärker rebellierte ich. Mich gegen die Schule aufzulehnen war ein guter Anfang, aber wenn ich meine Eltern wirklich ärgern wollte, dann musste ich mir etwas anderes überlegen.
Gegen Ende meiner Schulzeit hatte ich die zündende Idee. Ich würde einen Anzug mit Krawatte anziehen und Kapitalist werden. Damit würde ich meine Familie richtig treffen.
Mein Problem war nur, dass mich alle Universitäten, bei denen ich mich bewarb, wegen meiner schlechten Noten ablehnten. Erst als sich der Berufsberater der Schule einschaltete, bekam ich einen Studienplatz an der University of Colorado in Boulder. Dass ich es nur knapp in Boulder hineingeschafft hatte, war erniedrigend. Aber ich kam schnell darüber hinweg, als ich herausfand, dass die Zeitschrift Playboy die Universität zur besten Party-Uni im Land gekürt hatte.
Ich hatte zahllose Male Ich glaub’, mich tritt ein Pferd gesehen und beschloss daher, wenn ich schon auf eine Party-Uni ging, dass ich es dann auch gleich richtig machen und in eine Studentenverbindung eintreten konnte. Ich entschied mich für Delta Upsilon und wurde nach dem unvermeidbaren Aufnahmeritual als Mitglied aufgenommen. Jeder dort hatte einen Spitznamen – Sparky, Whiff, Doorstep, Slim – und meiner war Brillo, wegen meiner lockigen schwarzen Haare.
Das Leben als Brillo war toll, aber nach ein paar Monaten mit zu viel Bier, Mädchenjagd, lächerlichen Streichen und unzähligen Stunden Sport im Fernsehen begann mir zu dämmern, dass aus mir, wenn ich so weitermachte, bestenfalls die Art von Kapitalist wurde, die Trinkgelder als Parkplatzwächter einsammelt. Die Situation spitzte sich zu, als ein Student aus der Verbindung, den ich bewunderte, bei einem Überfall auf die United Bank of Boulder erwischt wurde, durch den er seinen außer Kontrolle geratenen Kokainkonsum finanzieren wollte. Er wurde zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt, und das öffnete mir die Augen. Ich erkannte, dass ich als Einziger unter meiner Rebellion leiden würde, wenn ich so weitermachte.
Von diesem Moment an ging ich zu keiner Party mehr. Stattdessen verbrachte ich jeden Abend in der Bibliothek und bekam nur noch Einser. Am Ende meines zweiten Jahres bewarb ich mich bei Topuniversitäten im ganzen Land und erhielt einen Studienplatz an der University of Chicago.
In Chicago arbeitete ich noch härter und wurde immer ehrgeiziger. Vor meinem Abschluss wollte ich unbedingt herausfinden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Wie sollte mein Kapitalistendasein aussehen? Ich grübelte hin und her. Da stieß ich eines Tages auf eine Vortragsankündigung des Dekans der Wirtschaftsfakultät. Ich plante, in irgendeiner Form in der Wirtschaft zu arbeiten, daher beschloss ich, hinzugehen. In der Rede ging es um die Karrierewege von Wirtschaftsabsolventen aus Chicago, die anscheinend allesamt wichtige Dinge taten und dafür gut bezahlt wurden. Offensichtlich war ein Wirtschaftsstudium mein nächster Schritt.
Nach Ansicht des Dekans hatte man die besten Aussichten auf einen Studienplatz an einer führenden Wirtschaftshochschule, wenn man vorher zwei Jahre bei McKinsey, Goldman Sachs oder einer der 25 anderen Firmen mit einem ähnlichen Profil arbeitete. Ich bombardierte sie alle mit Briefen und Telefonanrufen. Aber natürlich war es nicht so einfach, einen solchen Job zu bekommen, weil jeder Student mit ähnlichen Ambitionen genau dasselbe wollte. Am Ende hatte ich 24 Absagen und ein einziges Jobangebot von Bain & Company in Boston bekommen, eine der landesweit besten Unternehmensberatungen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es durch das Auswahlverfahren geschafft hatte, aber irgendwie hatte ich es geschafft, und ich ergriff die Gelegenheit mit beiden Händen.
Bain holte sich Studenten mit Topabschlüssen von guten Hochschulen, die bereit waren, zwei Jahre lang an sieben Tagen pro Woche 16 Stunden am Tag zu arbeiten. Im Gegenzug versprach das Unternehmen einen Studienplatz an einer der Topwirtschaftshochschulen. Doch in jenem Jahr gab es einen kleinen Haken bei der Sache. Die Geschäfte von Bain liefen so gut, dass das Unternehmen 120 »Studentensklaven« statt der 20 Studenten einstellte, die alle anderen Firmen mit einem vorbereitenden MBA-Programm annahmen. Leider war damit der stillschweigende Deal hinfällig, den Bain mit den Wirtschaftshochschulen hatte. An diesen Schulen nahm man tatsächlich gern junge Berater von Bain, ebenso wie von McKinsey, der Boston Consulting Group, Morgan Stanley, Goldman Sachs und einigen weiteren Ausbeuterbetrieben für ehrgeizige junge Kapitalisten. Im besten Fall konnten diese Schulen also höchstens 20 Leuten von Bain einen Studienplatz geben, nicht allen 120. Das lief darauf hinaus, dass Bain den Studenten die Chance bot, sich für 28 000 Dollar pro Jahr die Finger wund zu arbeiten, und als Belohnung eine bestenfalls 16-prozentige Chance auf einen Studienplatz in Harvard oder Stanford versprach.
Der daraus resultierende Bewerbungsprozess an den Wirtschaftshochschulen löste bei uns allen bei Bain eine Krise aus. Wir beäugten einander wochenlang misstrauisch und überlegten, wie wir uns von den anderen abheben konnten. Ich war ganz sicher nicht besser als meine Kommilitonen. Viele hatten in Harvard, Princeton oder Yale studiert, und viele bekamen bessere Leistungsbeurteilungen von Bain als ich.
Doch dann hatte ich die zündende Idee. Meine Kommilitonen hatten vielleicht bessere Zeugnisse, aber wie viele von ihnen waren der Enkel des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der USA? Keiner.
Ich bewarb mich an zwei Hochschulen, Harvard und Stanford, und erzählte die Geschichte meines Großvaters. Von Harvard erhielt ich umgehend eine Absage, aber aus Stanford kam überraschenderweise eine Zusage. In jenem Jahr bekamen nur drei Mitarbeiter von Bain einen Studienplatz in Stanford, und ich war einer von ihnen.
Ende August 1987 belud ich meinen Toyota Tercel und fuhr einmal quer durchs Land nach Kalifornien. Bei meiner Ankunft in Palo Alto bog ich vom El Camino Real auf den Palm Drive ab, der direkt zum Hauptcampus von Stanford führte. Die Straße war beidseitig von Palmen gesäumt, und die Gebäude waren im spanischen Stil erbaut und hatten Terrakottadächer. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel. Das war Kalifornien, und ich hatte das Gefühl, im Himmel angekommen zu sein.
Ich fand bald heraus, dass dies tatsächlich der Himmel war. Die Luft war sauber, der Himmel strahlend blau, und jeder Tag war für mich ein Tag im Paradies. Jeder hier hatte 80 Stunden die Woche in Ausbeuterbetrieben wie Bain geschuftet, über Tabellenkalkulationen gebrütet, war am Schreibtisch eingeschlafen und hatte jeden Spaß auf dem Altar des Erfolgs geopfert. Wir waren alle Streber, die gegeneinander um das Recht gekämpft hatten, hierherkommen zu dürfen, aber als wir das geschafft hatten, waren die Grundvoraussetzungen völlig andere. Stanford verbot den Studenten, potenziellen Arbeitgebern ihre Noten zu zeigen. Alle Personalentscheidungen wurden nur auf Grundlage von Gesprächen und Berufserfahrung getroffen. Das führte dazu, dass an dieser Hochschule statt des üblichen Wettbewerbs etwas völlig Unerwartetes vorherrschte: Zusammenarbeit, Kameradschaft und Freundschaft. Ich merkte bald, dass man für Erfolg in Stanford keine guten Noten brauchte. Der Erfolg bestand ganz einfach darin, dass man dort war. Alles andere war nur Zuckerguss. Ich und all meine Kommilitonen verbrachten dort die zwei besten Jahre unseres Lebens.
Neben der Freude an dieser Erfahrung bestand der andere Zweck eines Studiums in Stanford darin, herauszufinden, was man nach dem Abschluss tun wollte. Vom ersten Tag an gingen meine Kommilitonen und ich fast täglich zu Informationsveranstaltungen von Unternehmen, Abendempfängen, Vorstellungsgesprächen und nahmen Einladungen zum Mittag- oder Abendessen an, um herauszufinden, welcher Job von den vielen Tausenden im Angebot der richtige war.
Ich ging zu einer gut besuchten Mittagsveranstaltung von Procter & Gamble, wo drei weibliche Marketing-Nachwuchsführungskräfte in blauen Faltenröcken und weißen Blusen mit Schleife sich im Unternehmensjargon begeistert über die vielen fantastischen Möglichkeiten ausließen, wie sie Seife verkauften.
Ich ging zu einem Cocktailempfang von Trammell Crow. Dort fühlte ich mich so fehl am Platz, dass sich mir die Zehen in den Schuhen aufstellten, während sich redegewandte, gut aussehende Texaner gegenseitig auf die Schulter klopften und über Baseball, das große Geld und Immobilienentwicklung (die Branche, in der Trammell Crow arbeitete) tratschten.
Beim Empfang von Drexel Burnham Lambert schlief ich fast ein, während ein paar Anleihehändler mit Glatze und schicken Anzügen endlos von der aufregenden Welt des Hochzinsanleihehandels in ihrem Büro in Beverly Hills schwärmten.
Und ich dachte nur: Nein, nein und nein danke.
Je mehr Veranstaltungen dieser Art ich besuchte, umso deplatzierter fühlte ich mich, und bei einem Vorstellungsgespräch wurde das ganz besonders deutlich. Es ging dabei um einen Ferienjob bei JP Morgan. Ich war nicht besonders scharf auf den Job, aber wie hätte ich nicht zu einem Vorstellungsgespräch bei JP Morgan gehen können, einer der Spitzenfirmen an der Wall Street?
Ich betrat einen kleinen Raum im Karrierecenter, wo mich zwei große, breitschultrige Männer mit kantigen Gesichtszügen um die 30 begrüßten. Einer war blond, der andere hatte braune Haare. Beide trugen Hemden mit Monogramm, dunkle Brooks-Brothers-Anzüge und rote Hosenträger. Der Blonde reichte mir die Hand, und ich sah an seinem Handgelenk eine teuer aussehende Rolex. Sie gaben mir jeweils eine Visitenkarte von einem kleinen Stapel auf dem Tisch. Sie hießen Jake Chip Brant III und Winthrop Higgins IV oder so ähnlich.
Sie eröffneten das Gespräch mit der absoluten Standardfrage: »Warum wollen Sie bei JP Morgan arbeiten?« Am liebsten hätte ich geantwortet: Weil Sie mich eingeladen haben und ich einen Ferienjob brauche. Aber ich wusste genau, dass ich das besser nicht sagen sollte. Stattdessen antwortete ich: »Weil JP Morgan die besten Merkmale einer Investment- und einer Geschäftsbank auf sich vereint und ich diese Kombination für die aussichtsreichste Erfolgsformel an der Wall Street halte.«
Hatte ich das wirklich gerade gesagt? Was zum Teufel bedeutete das überhaupt?
Chip und Winthrop gefiel meine Antwort auch nicht. Sie stellten mir noch ein paar weitere Standardfragen, die ich ähnlich einfallslos beantwortete. Zum Schluss stellte Winthrop noch eine harmlose Frage, ein letzter Versuch, doch noch einen gemeinsamen Nenner zu finden. »Bill, welchen Sport haben Sie am College betrieben?«
Das war eine einfache Frage – ich hatte am College gar keinen Sport gemacht. Ich war ein solcher Nerd, dass ich kaum Zeit zum Essen oder zum Aufs-Klo-Gehen hatte, von Sport ganz zu schweigen. »Gar keinen«, antwortete ich rundheraus. »Aber ich mag Skifahren und Wandern«, fügte ich hinzu, in der Hoffnung, diese Sportarten wären cool genug für die beiden.
Sie waren es nicht. Chip und Winthrop sagten kein Wort mehr und sahen nicht einmal mehr von dem Stapel Lebensläufe auf. Das Gespräch war zu Ende.
Beim Verlassen des Gebäudes wurde mir klar, dass diesen Typen völlig egal war, was ich gesagt hatte. Sie hatten nur herausfinden wollen, ob ich zur Unternehmenskultur von JP Morgan »passte«. Ganz offensichtlich tat ich das nicht, und das war mir ganz recht so.
Ich fühlte mich unbehaglich und machte mich niedergeschlagen auf den Weg in die Cafeteria. Dort stellte ich mich in die Warteschlange, bekam etwas zu essen, setzte mich an einen Tisch und aß geistesabwesend. Ich schluckte gerade den letzten Bissen meines Sandwichs, als mein bester Freund, Ken Hersh, hereinkam. Er trug einen Anzug, was bedeutete, dass er gerade ein Vorstellungsgespräch gehabt hatte.
»Hey Ken. Wo warst du?«, wollte ich wissen.
Er zog sich einen Stuhl heran. »Hab’ mich gerade bei JP Morgan vorgestellt.«
»Echt? Hast du auch Chip und Winthrop getroffen? Wie lief’s?«
Ken lachte über meine Spitznamen und zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht genau. Es lief nicht besonders, bis ich Chip anbot, er könne meine Polopferde im Klub in den Hamptons benutzen. Danach wurde es richtig nett.« Ken grinste. Ken war ein kleiner Jude aus der Mittelschicht von Dallas in Texas, und Polopferde hatte er höchstens einmal im Logo von Ralph Lauren im Galleria-Einkaufszentrum in Dallas gesehen. »Und bei dir?«1
»Hey, dann werden wir ja Kollegen! Ich bekomme den Job auf jeden Fall, weil ich Winthrop angeboten habe, er könne sich mein Segelschiff im Jachtklub von Kennebunkport ausleihen.«
Weder Ken noch ich bekamen ein Jobangebot, aber von diesem Tag an nannte Ken mich Chip, und ich nannte ihn Winthrop.
Nach dem JP-Morgan-Erlebnis fragte ich mich immer wieder, warum ich mir die Zurückweisungen der Chips und Winthrops dieser Welt antat. Ich war nicht wie sie, und ich wollte nicht für sie arbeiten. Ich hatte diese Richtung in meinem Leben als Reaktion auf meine Eltern und meine Erziehung eingeschlagen, aber ich war dennoch ein Browder, daran ließ sich nicht rütteln.
Nach dieser Erkenntnis suchte ich nach Jobs, die irgendeine persönliche Bedeutung für mich hatten. Ich besuchte einen Vortrag des Chefs der Industriegewerkschaft United Steelworkers und war begeistert. Ich hörte die Stimme meines Großvaters, einem weißhaarigen Mann mit Schnurrbart, den ich in der Erinnerung in seinem Arbeitszimmer sitzen sah, umgeben von Büchern und dem alles durchdringenden süßlichen Duft von Pfeifentabak. Nach der Veranstaltung ging ich auf den Redner zu und fragte, ob er mich für die Verhandlungen der Gewerkschaft mit ausbeuterischen Arbeitgeberfirmen einstellen würde. Er dankte für mein Interesse, sagte aber, in der Hauptverwaltung der Gewerkschaft würden nur Stahlarbeiter beschäftigt.
Davon ließ ich mich aber nicht entmutigen, sondern suchte nach anderen Aspekten im Leben meines Großvaters, die ich nachahmen konnte, und stieß dabei auf Osteuropa. Er hatte einen wichtigen Teil seines Lebens im Ostblock verbracht, und diese Erfahrung hatte ihm globale Bedeutung verschafft. Wenn mein Großvater dort seine Nische gefunden hatte, dann konnte ich das vielleicht auch.
Neben meiner Sinnsuche hatte ich auch noch einige echte Jobangebote eingesammelt für den Fall, dass meine Suche nach Utopia sich als fruchtlos erwies. Unter anderem hatte ich ein Jobangebot vom Hauptstandort der Boston Consulting Group für den Mittleren Westen in Chicago. Ich stammte aus Chicago und hatte dort bei Bain im Consulting gearbeitet, was bedeutete, dass ich alle Voraussetzungen für deren offene Stellen mitbrachte.
Aber ich wollte gar nicht zurück nach Chicago. Ich wollte die große weite Welt sehen – und vor allem wollte ich in der großen weiten Welt arbeiten (tatsächlich wollte ich Mel Gibson in Ein Jahr in der Hölle sein, meinem Lieblingsfilm). Die BCG lud mich und einige weitere Bewerber sogar zu einem »Verkaufstag« nach Chicago ein, um mich zur Annahme des Jobangebots zu überreden. Wir mussten ein Meeting mit strahlenden Consultants im ersten oder zweiten Jahr nach dem anderen über uns ergehen lassen, und sie alle schwärmten uns von ihrem aufregenden Leben bei der BCG vor. Es war nett, aber ich glaubte ihnen kein Wort.
Mein letztes Meeting hatte ich mit dem Niederlassungsleiter, Carl Stern. Das sollte der große Abschluss des Tages sein, der Punkt, an dem ich dem großen Chef die Hand gab, ihm überschwänglich dankte und »Ja« sagte.
Er begrüßte mich herzlich, als ich sein Büro betrat: »Nun, Bill, wie hat es Ihnen gefallen? Werden Sie bei uns anfangen? Jeder hier mag Sie.«
Ich fühlte mich geschmeichelt, konnte den Job aber auf keinen Fall annehmen. »Es tut mir wirklich leid. Ich habe mich hier sehr willkommen gefühlt, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, in Chicago zu leben und zu arbeiten.«
Er war ein wenig verwirrt, weil ich bei den bisherigen Gesprächen keinerlei Vorbehalte gegen Chicago geäußert hatte. »Dann wird es also nicht die BCG?«
»Nein, nicht wirklich.«
Er beugte sich vor. »In diesem Fall würde mich doch interessieren – wo würden Sie denn arbeiten wollen?«
Das war meine Chance. Wenn ich wirklich überallhin konnte, dann konnte ich genauso gut ehrlich sein. »Osteuropa.«
»Oh.« Das hatte er offensichtlich nicht erwartet. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte an die Zimmerdecke. »Lassen Sie mich nachdenken. Ja. Sie wissen sicherlich, dass wir keine Zweigstellen in Osteuropa haben, aber es gibt jemanden in unserer Niederlassung in London, der sich auf diese Region spezialisiert hat. Er heißt John Lindquist. Wir könnten für Sie ein Treffen mit ihm arrangieren, wenn das Ihre Meinung ändern würde.«
»Das wäre möglich.«
»Großartig. Ich finde heraus, wann er Zeit hat, und wir werden das für Sie arrangieren.«
Zwei Wochen später war ich auf dem Weg nach London.
Die Büroräume der BCG in London lagen direkt über der U-Bahn-Station Green Park auf der U-Bahn-Linie Piccadilly im Herzen des Stadtteils Mayfair. Ich meldete mich am Empfang und wurde in John Lindquists Eckbüro geführt, das aussah, als gehöre es einem zerstreuten Professor. Überall lagen Bücher und Papiere.
Ich sah auf den ersten Blick, dass John ein ungewöhnlicher Mensch war. Er war Amerikaner und sah in seinem Savile-Row-Anzug mit Hermès-Krawatte und Hornbrille aus wie eine kultivierte Version von Chip oder Winthrop. Aber er hatte auch etwas von der Unbeholfenheit eines Büchergelehrten. Doch anders als die Blaublüter bei JP Morgan hatte John eine sanfte, fast flüsternde Stimme und stellte nie direkten Blickkontakt her.
Wir machten es uns in seinem Büro bequem, und er sagte: »Die Kollegen aus Chicago haben erzählt, dass Sie in Osteuropa arbeiten wollen? Ich habe bei der BCG noch nie jemanden getroffen, der dort arbeiten wollte.«
»Ja – schwer zu glauben, aber genau das will ich.«
»Warum?«
Ich erzählte ihm die Geschichte meines Großvaters, von seiner Zeit in Moskau, dem Präsidentschaftswahlkampf nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten und wie er zum Gesicht des amerikanischen Kommunismus geworden war. »Ich möchte etwas ebenso Interessantes tun wie er. Etwas, das eine Bedeutung für mich als Mensch hat.«
»Einen Kommunisten hatten wir bei der BCG auf jeden Fall noch nie«, scherzte er und zwinkerte mir zu. Dann richtete er sich auf. »Im Moment führen wir keine Geschäfte in Osteuropa, aber ich sage Ihnen etwas. Wenn Sie bei der BCG anfangen, dann verspreche ich Ihnen, dass der erste Auftrag aus Osteuropa Ihnen gehört. Okay?« Ich merkte schnell, dass er am Ende fast jedes Satzes okay sagte, als wäre es ein Tick von ihm.
Ich konnte nicht sagen, warum, aber ich mochte John. Ich nahm sein Angebot sofort an und wurde so zum ersten Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Osteuropa bei der BCG.
Im August 1989 zog ich nach London und mietete mit zwei Kommilitonen aus Stanford, die ebenfalls Stellen in London antraten, ein kleines Haus in Chelsea. Am ersten Montag im September stieg ich mit Schmetterlingen im Bauch in eine Bahn der Piccadilly-Linie. Ich konnte es kaum erwarten, die Osteuropa-Aufträge für die BCG zu übernehmen.
Nur leider gab es keine Aufträge aus Osteuropa – noch nicht.
Doch eines Tages saß ich mit meinen Stanford-Kumpeln in unserem winzigen Wohnzimmer vor dem Fernseher, als die Welt sich mit einem Schlag veränderte. Es war der 10. November desselben Jahres, und die Berliner Mauer war gerade gefallen. Deutsche aus Ost und West waren mit Vorschlaghämmern und Meißeln ausgerückt und trugen die Mauer Stück für Stück ab. Wir waren Zeugen eines historischen Ereignisses. Wenige Wochen später erfasste die Samtene Revolution die Tschechoslowakei und auch hier stürzte das kommunistische Regime.
Ein Dominostein nach dem anderen fiel, bald würde ganz Osteuropa frei sein. Mein Großvater war der größte Kommunist in Amerika gewesen, und als ich die Geschehnisse beobachtete, nahm ich mir vor, der größte Kapitalist in Osteuropa zu werden.
Die erste Möglichkeit ergab sich im Juni 1990. John schaute in meinem Büro vorbei und sagte: »Hey, Bill. Sie wollten doch nach Osteuropa, oder?« Ich nickte. »Wunderbar. Die Weltbank sucht nach einem Berater für Restrukturierungsmaßnahmen in Polen – erarbeiten Sie einen Sanierungsplan für ein strauchelndes polnisches Busunternehmen dort, okay?«
»Okay, aber ich habe noch nie so einen Plan erarbeitet. Wie fange ich das an?«
»Gehen Sie zu Wolfgang. Der wird Ihnen sagen, was Sie tun müssen.«
Wolfgang. Wolfgang Schmidt. Schon bei dem Namen schauderte ich.
Wolfgang war ein Manager bei der BCG, der tagtäglich mehrere Arbeitsgruppen leitete. Für ihn zu arbeiten galt im Londoner Büro als besonders schwierig. Er war Österreicher, in den 30ern, schrie gern, zwang seine Mitarbeiter zu Nachtschichten, und er genoss es, junge Berater nach Strich und Faden fertigzumachen. Niemand wollte für ihn arbeiten.
Aber wenn ich wirklich nach Polen wollte, dann musste ich genau das tun. Sein Büro hatte ich noch nie betreten, aber ich wusste, wo es war. Jeder wusste das, wenn auch nur, um nicht aus Versehen daran vorbeizugehen.
Ich ging hin und fand eine furchtbare Unordnung vor – das Büro war übersät mit leeren Pizzaschachteln, zerknülltem Papier und stapelweise Berichten. Wolfgang saß über einen dicken Ordner gebeugt und ließ den Finger über die Seite gleiten. Auf seiner Stirn schimmerte Schweiß im Licht der Leuchtstoffröhren, und sein ungekämmtes Haar stand in verschiedenen Richtungen ab. Sein teures maßgeschneidertes Hemd hing aus der Hose, und sein nackter runder Bauch lugte an einer Seite heraus.
Ich räusperte mich.
Er neigte den Kopf in meine Richtung. »Wer sind Sie?«
»Bill Browder.«
»Und was wollen Sie? Ich bin beschäftigt.«
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass er lieber den Saustall aufräumen sollte, den er als Büro bezeichnete. »Ich muss einen Restrukturierungsplan für ein polnisches Busunternehmen erstellen. John Lindquist hat mich zu Ihnen geschickt.«
»Na toll«, murrte er. »Okay, Browner, suchen Sie erst mal nach Berichten von BCG-Beratern, die Erfahrung mit Lkw-, Bus- oder Autofirmen haben – alles, was Sie für relevant halten. So viel Sie finden.«
»Soll ich die dann Ihnen bringen …«
»Machen Sie’s einfach!« Er wandte sich wieder seinem Ordner zu und las weiter.
Ich verließ sein Büro und ging in die Bibliothek. Beim Durchblättern der Berichte wurde mir klar, warum die BCG international einen hervorragenden Ruf hatte. Im Unternehmen gab es für jede Branche und jeden Teil der Welt einen Experten mit Erfahrung. Ein Beraterteam im Büro in Cleveland bestand aus Experten für die Automobilherstellung; eine Gruppe in Tokio arbeitete an der Umsetzung von fertigungssynchronem Bestandsmanagement für japanische Autofirmen; und einige Berater in Los Angeles hatten sich auf Unternehmensforschung spezialisiert. Ich fotokopierte diese Berichte und kehrte schnell zu Wolfgangs Büro zurück.
»Schon wieder da, Brower?«
»Browder. Ich heiße eigent …«
»Ja, ja. Es gibt noch ein paar andere polnische Aufträge – die Typen, die dafür die Angebote erstellen, werden Ihnen sagen, was Sie tun müssen. Ich habe dafür keine Zeit. Und jetzt verschwinden Sie.« Wolfgang wedelte mit der Hand Richtung Tür, um mir klarzumachen, dass ich gehen sollte.
Ich fand die anderen Berater, und sie waren glücklicherweise mehr als bereit, mir zu helfen. In den folgenden Wochen stellten wir Zeit- und Arbeitspläne auf und trugen weitere Informationen darüber zusammen, was für ein großartiges Unternehmen die BCG war. Am Ende waren die Präsentationen eine derart perfekte und runde Sache, dass wir damit den Auftrag einfach kriegen mussten. Wir übergaben sie John Lindquist. Er reichte sie bei der Weltbank ein, und wir warteten.
Zwei Monate später kam Wolfgang in mein Büro. Er sah ungewöhnlich fröhlich und ordentlich aus. »Bill, packen Sie Ihre Koffer. Sie fliegen nach Polen.«
»Wir haben den Auftrag?«
»Allerdings. Aber jetzt fängt die eigentliche Arbeit erst an.«
Das war aufregend. »Soll ich die Experten anrufen, die wir im Angebot genannt haben, damit sie auch nach Polen kommen?«
Wolfgang runzelte die Stirn. »Wovon reden Sie denn da? Selbstverständlich nicht. Sie werden allein fliegen und den Fall bearbeiten.« Er schlug mit der Hand an den Türrahmen, drehte sich um und stampfte von dannen.
Ich konnte es nicht fassen. In dem Angebot hatte ich all diese beeindruckenden Leute genannt, und die Polen bekamen nur mich? Ein Anfänger im ersten Jahr, der nicht die geringste Ahnung von Bussen oder vom Wirtschaftsleben hatte? Ich war entsetzt, behielt meine Bedenken aber für mich. Das war mein Traumjob. Ich musste mir einfach auf die Zunge beißen und dafür sorgen, dass es funktionierte.