Reden an den Feind - Stefan Heym - E-Book

Reden an den Feind E-Book

Stefan Heym

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Beschreibung

Während der Normandie-Invasion hat Stefan Heym für die Propaganda-Sender der Befreiungsarmee (außerdem für Flugblätter und Zeitungen) Hunderte von Texten verfaßt. Siebzig davon sind unverändert in diesem Band versammelt und geben Auskunft darüber, wie sich der Zusammenbruch des Dritten Reichs von außen betrachtet ausnahm. Diese Arbeiten sind Zeitdokumente ersten Ranges. Unter anderem ist darin die Rede von den befreiten KZs Auschwitz und Buchenwald, von deren Existenz im Reich niemand etwas gewußt haben wollte. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 478

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Stefan Heym

Reden an den Feind

Herausgegeben von Peter Mallwitz

FISCHER Digital

Inhalt

Reden an den FeindHayingen – HayengeAufruf an die Soldaten von MetzHubert Herpers aus AachenWo ist die 16. deutsche Infanterie-Division?Joe Jones stellt sich vorDie ScheuklappenfabrikDas letzte AufgebotHinter den LinienDer kluge Mann baut vorRede an den FeindDie letzten Stunden von AachenDer Yankee sprichtBotschaft an die FrauenWer sich evakuieren läßt, flieht in den KriegAachen ist eine WarnungStimmen der GefangenenDie Briefe der Maria BrandDie tote StadtIn GefangenschaftKriegsdienstuntauglichHinter dem Rücken des LandsersDie Geschichte der 716. Infanterie-DivisionGötz von BerlichingenAlte BekannteTotengedenkfeierDie Zeche Karl AlexanderDer NS-FührungsoffizierVolksgrenadier-DivisionenEiner gegen neunDas Regiment von FritschenDie WahlDer Volkssturm von MetzErinnerung an den 7. Dezember 1941Der VersprechergeneralUnd Manstein fiel dochDer Stollen von EnsdorfUnternehmen GreifMit dem Arsch an der WandWas sagen die Generale?»Quatsch«Was ist das – T.S.A.?Die Windhund-DivisionWenn die Rote Armee in Berlin stündeWie ich in Gefangenschaft gerietCol. Thompson und Tom JonesWann wird der Krieg enden?Englisch für den LandserDer russische »Finger-Angriff«Der tolle TolsdorfDie Befehle des Major WeißRound-Table-ConferenceNur noch eine FrontEin Landser antwortet HitlerWas soll der Offizier tun?Mit Kindern gewinnt man keinen KriegMit Greisen gewinnt man keinen KriegHalbtaub – halbblindAus den Geheimakten des Kreisleiters EichlerDas Kampftagebuch des 89. Armee-KorpsWer die Jugend hatObersturmführer HassenkampGoldfasane werden ausgehobenKarl-Eduard von Sachsen-Coburg-GothaIm Konzentrationslager Auschwitz»Ich bin nur ein kleiner Mann!«Städte, die sich ergebenBuchenwaldNachbemerkung

Reden an den Feind

Der Zweite Weltkrieg brachte die Entwicklung einer neuartigen Waffe: Ideen. Wer damit umzugehen wußte, konnte, wenn er Glück hatte und die Umstände günstig waren, erreichen, daß Menschenleben nicht vernichtet wurden, wie im Krieg üblich, sondern erhalten blieben. Mir war es beschieden, mit dieser Waffe umzugehen. Unter welchen Bedingungen und bei welcher Gelegenheit ich dies tat, wie ich mich meines Auftrages entledigte und was damit erreicht wurde, davon handelt das Buch Reden an den Feind.

Natürlich stand ich dabei nicht allein. Schon um ein einfaches Flugblatt im tatsächlichen Sinne des Wortes an den Mann zu bringen, brauchte man ein ganzes Team von Leuten: Drucker, Granatenfüller, Artilleristen, Piloten, von denen, die das Material für den Text zu liefern oder diesen zu billigen hatten, zu schweigen. Wie dann erst bei einer Rundfunksendung, die den totalen Einsatz eines großen Senders, Luxemburg zum Beispiel, erforderte! Dennoch war man einsam im Moment, da man die Sache schrieb; der Einfall, auf dem alles beruhte, mußte aus dem Hirn des Autors kommen oder, wenn man so will, aus seinem Herzen. Das Ganze hieß Psychological Warfare und war, ich wußte es damals und sage es heute noch, etwas unerhört Aufregendes. Selten haben Schriftsteller – der Sergeant Hans Burger, der Sergeant Jules Bond, der Sergeant Peter Weidenreich, der Sergeant Heym, der Lieutenant Habe – die Ressourcen einer ganzen Armee zwecks Verbreitung ihres Wortes zur Verfügung gehabt; selten aber war auch die Verantwortung so groß, die der Schriftsteller auf sich nahm: jede falsche Wendung, jeder falsche Ton mochte zur Folge haben, daß der Gegner, statt sein Gewehr wegzuwerfen, es in Anschlag brachte.

Ein wenig von dem Atem jener Zeit weht, glaube ich, noch heute durch diese Seiten, und sicherlich läßt sich aus ihnen das Schicksal ablesen nicht nur der militärischen Einheiten, an welche die Appelle gerichtet waren, oder der Stadt, die das Ultimatum erhielt – das Schicksal eines ganzen Volkes wird lebendig, das in den Monaten, um die es hier geht, auf die Katastrophe zutrieb, die der Autor zu verhindern suchte, indem er zum Widerstand gegen das Regime aufrief.

Armeen, im Wesen bürokratische Institutionen, haben die Eigenheit, ihre Leute nach Vorschrift, das heißt willkürlich und unökonomisch, einzusetzen. In meiner Ausbildungskompanie saß in der Schreibstube ein Korporal, der jedesmal aufseufzte, wenn vor dem Fenster ein Lastauto vorbeiratterte. »Ich bin Motorschlosser«, erklärte er mir, »ich kann von meinem Schreibtisch aus hören, was mit dem Ding da draußen nicht in Ordnung ist, und ich könnt’s in einer Viertelstunde repariert haben. Aber mein verdammter Intelligenz-Quotient ist zu hoch, und so muß ich hier sitzen und Listen schreiben.«

In meinem Falle schien der I.Q. mit meinen Eignungen jedoch übereinzustimmen, oder es traten andere Gesichtspunkte auf seiten höherer Instanzen hinzu, meine Kenntnis der deutschen Sprache etwa, die dazu führten, daß ich aus Neosho im Staate Missouri, aus dem Signal Corps, nach Camp Ritchie in Maryland beordert wurde, der Hohen Schule der Military Intelligence, aus der sich das Personal der G-2-Abteilungen der Stäbe rekrutierte. In Camp Ritchie wimmelte es von Immigranten verschiedenster Art und von Intellektuellen, die die aus amerikanischen Berufssoldaten bestehenden Kader zur Verzweiflung trieben; dementsprechend herrschte im Lager ein wohltuend unmilitärischer Ton. In einem zwei Monate währenden Kursus wurde einem dort beigebracht, wie man Informationen über den Feind erhielt, aus eroberten Kriegskarten etwa, aus Briefen und Befehlen, oder von der Zivilbevölkerung, und hauptsächlich von Kriegsgefangenen, die bei unseren Übungen auch wirklich in Wehrmachtsuniform auftraten; man lernte, wie man diese Informationen auswertete, wie man Liaison hielt mit angrenzenden verbündeten Einheiten, wie man sich hinter den feindlichen Linien bewegte, und ähnliches mehr, welch alles in der rauhen Wirklichkeit dann ganz anders aussah. Der Kursus endete mit einem glorreichen Nachtmarsch, auf dem wir uns, im Dunkel der Blue Ridge Mountains, mit Hilfe angeblich erbeuteter deutscher Karten zurechtfinden mußten, und einem ebenso glorreichen Theaterstück am nächsten Tag auf der Freilichtbühne im Camp. In dem Stück, inszeniert von dem Sergeanten Burger, ehemals vom Prager Deutschen Theater, kamen so ziemlich alle Situationen vor, in die, nach Meinung der Oberen von Camp Ritchie, ein G-2 im Felde hineingeraten mochte: von der Begegnung mit einem Offizier der französischen Fremdenlegion, der schneidig salutierend ins Stabszelt trat, bis zu dem listenreichen Gespräch mit einem alten Bauernweiblein, das dem neugierigen Amerikaner die gegnerischen Stellungen darlegen sollte. Dann war man fertig ausgebildet und erhielt vier bis sechs Streifen auf den Ärmel, je nachdem, und konnte in den Einsatz gehen.

Ich aber geriet zunächst nach Gettysburg, auf den Friedhof, wo die Toten der großen Schlacht des Bürgerkriegs liegen, in eine hölzerne Baracke, einst Eigentum des Civilian Conversation Corps, das den Friedhof als Krisennotstands-Projekt restauriert hatte; in dieser Baracke wurde jetzt die 2nd Mobile Broadcasting Company organisiert, deren erster Zug aus Schriftstellern, Journalisten, Rundfunksprechern, Theaterleuten und dergleichen bestand, allesamt deutschsprachig. In Gettysburg tauchte auch, aus Nordafrika kommend, als Instrukteur jener Lieutenant Hans Habe auf, gleichfalls Schriftsteller von Beruf, mit dem ich dann in Frankreich, in Luxemburg und in Deutschland zusammenarbeiten sollte.

 

Die 2nd Mobile Broadcasting Company war eine Prachteinheit, ein Produkt amerikanischen Erfindergeistes und Organisationstalents. Ausgerüstet mit Lautsprecherwagen und transportablen Radiosendern, ach, was waren das für praktische zerlegbare Masten, mit Setzmaschinen und Druckerpressen, die sich von Ort zu Ort fahren und, wenn’s not tat, auf offenem Felde aufstellen ließen, und eingegliedert in ihre Reihen das für die Handhabung all der Maschinerie notwendige technische Personal, war sie der Stolz von General Bradleys 1. U.S.-Armee; nur taugte sie leider nicht ganz für die Zwecke, für die sie vorgesehen war. Die Lautsprecher auf ihren schweren Militärlastkraftwagen trugen, wenn’s hoch kam, dreihundert Meter, und die Kommandanten in der Frontlinie weigerten sich, die Trumms in der Nähe ihrer Leute auffahren zu lassen, denn sie zogen sofort das feindliche Feuer auf sich; die Reichweite der eleganten Sender war minimal, und wo waren, in den Schützenlöchern des Feindes und hinter den Hecken, in deren Schutz er sich eingegraben hatte, die Empfänger, die unsere Sendungen hätten auffangen können? Und die Druckerpressen waren so kleinformatig, und so langsam, und so abhängig von gewissen Papiersorten, daß größere Massen von Flugblättern oder gar Zeitungen darauf nicht hergestellt werden konnten.

Die Kompanie blieb denn auch nur in den ersten Wochen nach der Invasion beisammen, im Schloß Colombières in der Normandie. Wir borgten uns Lautsprecherwagen von den Engländern, deren Gerät bis zu einem Kilometer weit schallte, wir schrieben und druckten eine Anzahl von Flugblättern, über deren Wirkung wenig zu erfahren war, und lauschten, neiderfüllt, dem mächtigen Soldatensender Calais, den der unnachahmliche Sefton Delmer vom Süden Englands aus machte, maskiert als ein Sender aufmüpfiger Wehrmachtsangehöriger.

Dann, nach der Durchbruchsschlacht von Avranches, als alles aus der Normandie und der Halbinsel Cotentin herausquoll und auf Paris zuströmte, löste die Kompanie sich praktisch auf; nur das Küchenpersonal, die Schreibstube und ein Teil der Techniker blieben beisammen, die andern wurden, in Grüppchen oder einzeln, dorthin befohlen, wo man annahm, daß sie gebraucht würden. Ich fuhr in einem Jeep, den Karabiner schußfertig im Arm, mitten durch nächtliches Feindgebiet nach Rennes in der Bretagne, das der Maquis soeben befreit hatte. Als einer von nur etwa einem halben Dutzend Amerikanern in der Stadt, beschlagnahmte ich eine Druckerei mitsamt ihren Papiervorräten, quartierte mich im Nebenhaus ein, und begann, mit Manuskripten, die Habe mir durch Kurier zukommen ließ, und nach seinem beigefügten Lay-out, die ersten Nummern der »Frontpost« zu drucken, jener etwa briefbogengroßen Zeitung für den deutschen Landser, die zwei- oder dreimal wöchentlich erschien, mit letzten Nachrichten von den Kriegsschauplätzen und mit Informationen über die Zustände in der Heimat und in den verschiedensten Wehrmachtseinheiten, und deren Exemplare per Artilleriegranaten und Flugzeugbomben, besonders konstruierte, über den Köpfen ihrer Leser abgeliefert wurden.

Von Rennes wurde ich noch einmal in die Normandie zurückberufen, um ein besonderes Flugblatt, gerichtet an die Besatzung der Felseninsel Cézembre im Hafenbecken von St. Malo, zu schreiben; hier ließ sich endlich einmal die Wirkung eines solchen Flugblattes testen; nach dem Abwurf zwang die Besatzung ihre Offiziere tatsächlich, die als uneinnehmbar geltende Insel mit all ihren Bunkern und Befestigungen zu übergeben, und der Hafen von St. Malo war frei. Und dann saß ich wieder auf einsamem Posten in einer Druckerei, diesmal schon viel weiter östlich, in Le Mans, und druckte wieder die »Frontpost«, während das Gros der Armee vorwärtsrollte und Habe, in Begleitung des Sergeanten Burger, sich in Paris feiern ließ. Ich saß fest, während Pattons Panzer, Paris umgehend, weiter vorstießen und ganz Ostfrankreich befreiten und Luxemburg dazu, und ich dachte schon, man hätte mich vergessen und ich würde den Rest des Krieges in Le Mans, der mit Abstand langweiligsten Stadt Frankreichs, zu verbringen haben, da kam, zusammen mit der Routinesendung von druckfertigen Manuskripten, die Order: Report to Luxemburg.

In Luxemburg, im Erdgeschoß des Senders, in einem wenn auch nicht luxuriös, so doch recht großzügig ausgestatteten Büro, empfing mich Lieutenant Habe, als sei ich sein langvermißter bester Freund.

 

Und er hatte weiß Gott genug Arbeit für mich.

Denn gegen alle Erwartungen funktionierte der Sender. Die Nazis, wohl in der Hoffnung, daß sie noch einmal nach Luxemburg zurückkehren würden, hatten die riesigen Sendemasten bei Junglinster stehen lassen; aber sie hatten die große Senderöhre, für die es nur in Deutschland Ersatz gab, zerschossen. Da meldete sich bei den Amerikanern einer der Ingenieure des Senders, Felten hieß er, und teilte mit, er hätte vor längerer Zeit schon in Voraussicht der kommenden Dinge eine solche Röhre beiseitegebracht und vergraben, und wenn wir wollten, könnten wir morgen anfangen auszustrahlen.

Man kann sich vorstellen, mit welcher Wonne die verschiedenen Hauptquartiere, die alle inzwischen Psychological Warfare entdeckt und unter sich aufgeteilt hatten, sich auf die neue Möglichkeit stürzten. SHAEF, Eisenhowers Supreme Headquarters, das sich die sogenannte strategische Seite der Sache vorbehalten hatte und von London aus die Deutschen mit nicht sehr wirkungsvollen Ermahnungen beharkte, verlangte seinen Anteil am Kuchen, und die 12. Armeegruppe, bestehend aus der 1. und der 3. U.S.-Armee, die jetzt gemeinsam General Bradley unterstanden, machte geltend, daß sie für taktische Propaganda zuständig und interessiert daran war, daß sich möglichst viele deutsche Soldaten möglichst bald ergaben, weshalb sie den Sender, schon wegen seiner Frontnähe, in erster Linie bräuchte; und schließlich waren da auch noch die braven Letzeburger, wie die Luxemburger sich nannten, deren Sender es eigentlich war und die sich danach sehnten, endlich auch wieder ihre heimatlichen Töne im Radio zu vernehmen. Bradleys Mann für Psychological Warfare war Oberst Powell, ein sehr anständiger, gerecht denkender Mensch, im Zivilleben Anwalt im Staate New Jersey, und Powells Mann für das doch recht trickreiche Geschäft der Einflußnahme auf die Deutschen war Lieutenant Hans Habe, den er dann auch bald zum Captain befördern ließ.

Habe hatte einen kleinen Trupp von Leuten um sich gesammelt, die zusammen mit ihm mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen hatten. Die »Frontpost« erschien ja weiter, und in ständig wachsender Auflage; sie hatte jetzt einen eigenen Graphiker, der die eindruckvollsten Karten zeichnete, auf denen die Richtung des alliierten Vormarschs mit dicken Pfeilen angezeigt war. Dazu kam die »Feldpost«, in halber Größe der »Frontpost« und nur zur Verteilung durch Artilleriegranaten bestimmt; die »Feldpost« war das spezielle Baby des jungen Sergeanten Weidenreich. Und schließlich hatten wir die erste Zeitung der amerikanischen Armee für die Zivilbevölkerung in den von uns eroberten deutschen Gebieten zu machen; das Blatt hieß erst »Neue Zeitung« und von der zweiten Nummer an, da SHAEF eigentlich nur Anordnungen der Militärregierung veröffentlicht sehen wollte, kurz und schlicht »Mitteilungen«. All das wurde in der Druckerei des »Letzeburger Wort«, der örtlichen Tageszeitung, hergestellt, und noch heute erinnere ich mich des Gefühls in meinem Magen, als ich, neben dem Metteur stehend, den Umbruch der »Mitteilungen« überwachte, während anderthalb Kilometer entfernt die SS-Panzer durch die nördlichen Teile von Luxemburg-Stadt nach Westen rollten: Rundstedts Ardennenoffensive hatte begonnen.

Doch war das nur ein Teil der Arbeit, und zwar der geringere. Tag um Tag mußte die Sendezeit gefüllt werden, die der 12. Armeegruppe zugeteilt worden war, mußte Stoff herangeschafft, mußten Berichte, Briefe, Verhöre ausgewertet, Reportagen geschrieben, Platten besprochen, und das ganze Material funkgerecht aufbereitet werden, in großer Eile meistens, denn wir waren nur wenige, und weder die Ereignisse noch der Sender ließen uns Zeit. Auch hatte keiner von uns, ich schon gar nicht, irgendwelche Rundfunkerfahrung; man wußte, daß man mit mehreren Stimmen arbeiten und Musik und Geräusche benutzen konnte, wollte man eine Sache lebendig machen; den Rest mußte die Praxis uns lehren. Kein Wunder also, daß meine Skripts, und ich hatte sehr viel für den Sender zu schreiben, nicht immer große Kunstwerke wurden; mitunter läßt die Sprache sogar erkennen, wie gehetzt wir waren; aber an Themen und wirkungsvollen Pointen mangelte es nicht, dafür sorgte der Krieg.

Wir hatten zwei regelmäßige Sendungen, die Story of the Day, so nannten wir sie, und die Frontpost-Show, in der wir dasselbe Material benutzten, das auch in der »Frontpost« erschien; dazu kamen Sondersendungen, wie im Zusammenhang mit dem Ultimatum an Aachen und den Funden in den Konzentrationslagern. Ich weiß nicht, wer es war, der den Korporal Tom Jones erfand, wahrscheinlich Habe; es mag aber auch Richard Hanser gewesen sein, ein Theologe aus Wisconsin, den wir seines dicken amerikanischen Akzents und seiner vertrauenerweckenden Stimme wegen als Sprecher benutzten. Tom Jones sprach als GI zu dem gegenüberliegenden Landser und erzählte ihm, was Sache war; zum Schluß mußte er dann immer mit einem Witz herausrücken; was haben uns diese Witze für Kopfzerbrechen gemacht! Tom Jones gesellte sich bald ein Oberst Thompson hinzu; in Wirklichkeit hieß er Maurice Bishop und war Professor für romanische Sprachen an der Universität Cornell. Morrie Bishop brachte den ruhig autoritativen Ton mit, leicht amerikanisch gefärbt, um als höherer U.S.-Offizier den deutschen Offizieren drüben die für sie gewöhnlich recht ungünstige militärische Lage glaubhaft zu erläutern. Habe, der sich insgeheim für einen großen Strategen hielt, schrieb den Oberst Thompson meistens selber, aber ein paarmal durfte auch ich mich an ihm versuchen.

Durchschläge meiner Skripts, auf lappigem, grün oder rosa getöntem Papier, das wir im Sender vorfanden, habe ich mir, ordentlicher Mensch, der ich bin, aufgehoben und habe sie, immer wenn sich die Gelegenheit ergab, gebündelt nach New York geschickt. Von dort aus, in einen Karton geschichtet, kamen sie mit mir nach Berlin und ruhten im Keller meines Grünauer Hauses, bis der Regen da unten eindrang und ich sie auf den Dachboden verlagern mußte. Dort endlich, als ich eine Art Archiv einrichtete, fielen sie meinem Freunde Mallwitz in die Hand und er schlug vor, das Wichtigste davon auszuwählen und zu einem Buch zusammenzufügen.

S.H.

Hayingen – Hayenge

Story of the Day, 28. September 1944

ANSAGER

Die amerikanische Armee bringt Ihnen jetzt über den Sender Luxemburg einen Tatsachenbericht über eine Stadt – eine Stadt, die zu neuem Leben erwacht ist. Es ist keine sehr große Stadt. So wie diese Stadt gibt es viele Hunderte in Europa. Und doch ist diese Stadt in gewissem Sinne merkwürdig.

ZWEITE STIMME

Wenn man in diese Stadt kommt, glaubt man im ersten Augenblick, in Deutschland zu sein. Die Aufschriften auf den Geschäften sind deutsch, Restaurant heißt Wirtschaft, und Dentist heißt Zahnarzt.

DRITTE STIMME

Dann ist es also eine deutsche Stadt?

ANSAGER

Nein – nur eine Stadt, die durch die Jahre der deutschen Besetzung eine deutsche Tünche erhalten hatte – eine lothringische Stadt, mit Namen Hayingen.

DRITTE STIMME

Ja, ich erinnere mich – Hayingen. War das nicht die Stadt, deren Minen und Hochöfen und Industrieanlagen von Hermann Göring eingesteckt wurden? Hermann-Göring-Werke war der Name für die Raubzugaktion, und die Profite gingen in die Tasche des »Reichsjägermeisters«.

ZWEITE STIMME

Wenn man sich so vorstellt, was der schon durch die Invasion verloren hat!

ANSAGER

Hayingen, oder wie die Stadt wirklich heißt, Hayenge, ist eine französische Stadt. Derjenige Teil der Bevölkerung, der in der Stadt geboren ist oder dort aus der Gegend stammt, zieht es vor, französisch zu sprechen. Die Nazis versuchten, das zu ändern. Sie gaben Befehle:

ZWEITE STIMME

Deutsch ist die alleinige Amtssprache! Auf den Straßen und in der Öffentlichkeit darf nur deutsch gesprochen werden. In den Schulen darf nur deutsch unterrichtet werden!

ANSAGER

Aber kaum hatte die Schulglocke geläutet, kaum waren die Kinder aus der Schule heraus, da sprachen sie wieder französisch.

ZWEITE STIMME

Der Vater eines achtjährigen Jungen berichtet:

DRITTE STIMME

Der Bub hätte sich lieber totschlagen lassen – aber sich den Mund verbieten lassen? Nein. Und das konnten die Nazi-Lehrer ja auch nicht – so viele Kinder, so viele Sprachen.

ZWEITE STIMME

Es gibt nämlich nicht nur Franzosen in Hayingen, sondern auch Russen, Polen, Italiener, Holländer, Serben, Ungarn … Sie wurden aus allen Ecken Europas, aus allen Ländern in das lothringische Erzbecken verschleppt. Sie konnten sich ja nicht wehren. Sie waren wie Gefangene. Nicht nur Kriegsgefangene – nein, in der Mehrzahl arme Zivilisten, die die Gestapo von Haus und Herd riß und in die Arbeitslager steckte und in die Sklavenarbeit verschickte, wo sie für ein paar Pfennige und paar Stück schlechtes Brot und Wassersuppe helfen mußten, die Taschen des »Reichsjägermeisters« zum Platzen zu füllen.

ANSAGER

Das war die nationalsozialistische Neuordnung Europas in Hayingen. Und wie im Großen, so im Kleinen. Wenn Hermann Göring die Minen und Hochöfen stahl, so stahlen die kleinen Nazi-Bonzen die besten Geschäfte und Wohnungen der kleinen Stadt. Die Menschen, denen diese Geschäfte und Wohnungen und Möbel und Bilder früher gehört hatten, wurden verhaftet und erschossen, oder in die Konzentrationslager gesteckt, oder, wie das so schön hieß, »umgesiedelt«.

ZWEITE STIMME

Aber es ist schwer, ganze Städte mit der Wurzel auszureißen und zu verpflanzen. Mit Terror kann man äußerlichen Gehorsam erzwingen, aber keine loyale Mitarbeit gewinnen.

ANSAGER

Vier Jahre lang lebte Hayingen unter dem Alpdruck der deutschen Besetzung. Aber dann, über dem tagtäglich gewohnten Lärm der Hochöfen und Fabriken erhob sich aus dem Westen ein neuer Lärm, der die Menschen aufhorchen ließ –

Sound (Slowly swelling thunder of cannon – cut)

ZWEITE STIMME

Die Amerikaner!

DRITTE STIMME

Nein, unmöglich – im deutschen Rundfunk hat es doch geheißen – und in der Zeitung hat doch gestanden –

VIERTE STIMME

Ach, was – deutscher Rundfunk – deutsche Zeitung – hörst du denn nicht?

Sound (Cannon thunder, much closer – cut)

ANSAGER

In den Erzbergwerken hörten sie auf, für Göring zu schaffen. Vor den Lagern der ausländischen Sklavenarbeiter verschwanden die Nazi-Wachen. Und in den feinen Geschäften auf der Hauptstraße, die von den kleinen Nazi-Bonzen übernommen worden waren, und in dem »Braunen Haus« an der Ecke der Metzer Straße wurde man nervös.

ZWEITE STIMME

Aber Elisabeth! Hast du denn den Koffer noch nicht gepackt? Du immer mit deinen Kleidern. Willst du, daß ich wegen deinem Grünseidenen von den Amerikanern geschnappt werde?

FEMALE VOICE

Du hast gut reden! Du hast deine Uniform schon lange weggepackt! Aber mir sagst du natürlich nicht rechtzeitig Bescheid!

ZWEITE STIMME

Ich hab’s doch selber nicht gewußt! Der Ortsgruppenleiter ist schon gestern weg, und gesagt hat er mir gar nichts. Die Großen denken immer nur an sich selber. Aber wir Kleinen können den Dreck ausfressen!

FEMALE VOICE

Setz dich doch wenigstens auf den Koffer! Dann kann ich ihn vielleicht zukriegen!

ANSAGER

Und der Koffer ging ins Schloß, und wurde hastig ins Auto geworden – und dann waren sie weg, Richtung Deutschland. Zweihundert Nazis, die sich schuldig wußten, ließen die Stadt Hayingen, wo sie so lange geherrscht hatten, im Stich. Und dann wartete die Stadt.

DRITTE STIMME

Sie mußte nicht lange warten. Auf der Straße von Briey –

Sound (Tanks and trucks rolling, Fade out. Fade in noise of crowd shouting – increasing to tremendous applause and Hurrah shouting. Cut)

ANSAGER

Den Menschen, die so lange Zeit nicht frei hatten reden dürfen, löste sich die Zunge. Sie drückten den fremden Soldaten, die so weit hergekommen waren, um sie zu befreien, die Hände. Blumen wurden auf die Tanks geworfen. Und von den Tanks flogen Schokolade und Bonbons in die Hände der Kinder, die so etwas in ihrem Leben vielleicht noch nie gekostet hatten. Vor dem Rathaus aber, wo der amerikanische Kommandant haltgemacht hatte, fanden sich die Vertreter der Bevölkerung von Hayingen ein. Die Führer der französischen Widerstandsbewegung –

ZWEITE STIMME

Dr. Dupont.

ANSAGER

Ein russischer Matrose, unter dem sich die Fremdarbeiter in den Bergwerken und Hochöfen zusammengeschlossen hatten.

DRITTE STIMME

Michail Ivanovitch Kavalov.

ANSAGER

Und eine alte Frau, deren Sohn zum Dienst in der deutschen Wehrmacht gepreßt worden war, und die eigentlich nur gekommen war, um zu sagen:

FEMALE VOICE

Major, mein Sohn heißt Jean Thiel. Die Nazis haben ihn mir weggenommen und in ihre Armee gesteckt. Ich weiß, daß er nicht gegen die Amerikaner kämpfen will. Er hat es selbst gesagt. So, bitte, Major, wenn er sich Ihnen ergibt – Sie werden ihm doch nichts zuleide tun?

ANSAGER

Der amerikanische Major, der in diesen ersten Stunden in Hayingen wahrhaftig viel zu tun hatte, Befehle zu geben, und Berichte entgegenzunehmen, und Entscheidungen zu treffen – und der der alten Frau schließlich nicht erklären konnte, daß es doch Tausende solcher Jean Thiels gibt, die im deutschen Heer nur widerwillig dienen und bei erster Gelegenheit zu den Amerikanern zu kommen suchen – der amerikanische Major nahm sich aber doch die Zeit, der alten Frau zu sagen:

VIERTE STIMME

Darüber müssen sie sich keine Sorge machen. Wenn mir Ihr Sohn, Jean Thiel, begegnet, werde ich dafür sorgen, daß er gut behandelt wird. Und im übrigen müssen Sie wissen, Frau Thiel, daß alle unsere Gefangenen gut behandelt werden. Sie werden sofort aus der Kampfzone entfernt. Sie bekommen das gleiche Essen und die gleiche ärztliche Pflege wie unsere eigenen Soldaten, und nach dem Kriege kommen sie so schnell wie möglich zu ihren Frauen und Müttern nach Hause zurück.

ANSAGER

Nachdem er die alte Frau beruhigt hatte, nahm der Major die Berichte des russischen Matrosen Kavalov und des Leiters der französischen Widerstandsbewegung entgegen.

ZWEITE STIMME

Mein Name ist Dupont. Ich bin Arzt. Nachdem die Nazis in Hayingen einmarschiert waren, begannen wir den Widerstand zu organisieren. Wir wußten, daß wir Franzosen eine schwere Schlacht verloren hatten, aber wir wußten auch, daß der Krieg weitergeht. Wir wußten, daß die Gestapo mit allen Mitteln versuchen würde, uns zu unterdrücken. Denn die Industrie unserer Stadt war wichtig für die Kriegsmaschine und die Eroberungspläne Hitlers. Und so war es unsere Aufgabe, die Nazis nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Dauernd mußten sie das Gefühl haben, unter Feinden zu sein, keine Minute durften sie ruhig sein, keinen Wachsoldaten durften sie abziehen. Denn jeder deutsche Polizist, jeder deutsche Soldat, der hier festgehalten war, fiel an der Front aus. Wir versteckten unsere Fahnen, aber die paar Waffen, die wir behalten hatten, hielten wir in Bereitschaft. Hier und da verschwanden einzelne deutsche Soldaten und Patrouillen. Eisenbahnunfälle vermehrten sich. Vorräte verschwanden aus deutschen Lagern. Und schließlich, als die amerikanische Armee herankam, gingen wir in die Wälder, um den Rückzug der Deutschen zu stören und wenn möglich, aufzuhalten. Es ist uns auch teilweise gelungen. Wir haben gestern 47 Gefangene gemacht, obwohl wir nicht einmal ein Maschinengewehr hatten.

ANSAGER

Das war der Bericht von Dr. Dupont. Dann sprach der russische Matrose Kavalov zu dem amerikanischen Major:

DRITTE STIMME

Ich heiße Kavalov. Ich bin Matrose der russischen Flotte. Ich war von den Deutschen bei Leningrad gefangengenommen und hierher zur Zwangsarbeit verschickt worden. Hier traf ich viele Leidensgenossen, und russische Zivilisten, und Polen und Italiener und Menschen anderer Völker, Männer und Frauen. Wir sprachen aber alle eine gemeinsame Sprache: die Sprache der Unterdrückten. Und wir hatten alle ein Ziel: beizutragen zur Niederlage der Nazis. Denn nur diese Niederlage kann uns unsere Freiheit wiederbringen und es uns ermöglichen, in unsere Heimat zurückzukehren. Und so organisierten wir, daß die Produktion in den Minen und Hochöfen stockte. Maschinen setzten plötzlich aus. Es wurde langsam gearbeitet. In meiner Gruppe arbeiteten wir überhaupt nur auf dem Papier. Und so viele Aufseher, wie die Nazis gebraucht hätten, um uns alle zu überwachen, konnten sie sich nicht leisten. So sieht es auch in Deutschland aus. Unter den zwölf Millionen Fremdarbeitern befinden sich viele, die mit der Organisation des offenen und versteckten Kampfes gegen die Nazis begonnen haben. Für die Deutschen steht der Feind überall, sogar tief im eigenen Lande.

ANSAGER

Nachdem diese Berichte gegeben waren, mußte der amerikanische Major das Rathaus verlassen, denn er hatte versprochen, mit einer Abteilung seiner Truppen an der Befreiungsparade von Hayingen teilzunehmen. Die Parade begann am Ende der Hauptstraße, vor dem ehemaligen »Braunen Haus«. Aus allen Häusern, sogar aus dem von den Alliierten übernommenen »Braunen Haus«, hingen jetzt die Fahnen – blau-weiß-rot –, lustig im Winde flatternd. Niemand hatte den Befehl zur Beflaggung geben müssen. In einem befreiten Land kommen die Fahnen von allein heraus. An der Spitze der Parade marschierten die bewaffneten Männer der Widerstandsbewegung. Dann folgten Frauen und Kinder in lothringischem Nationalkostüm, und hinter ihnen eine Abteilung amerikanischer Soldaten, und danach alles, was in der Stadt laufen konnte. Sie zogen zu der alten Kirche –

Sound (Fade in. Bells ringing. Fade out)

ANSAGER

von deren Turm die Trikolore flatterte. Und mit dem Klang der Freiheitsglocken mischte sich die trotzige Melodie der Marseillaise.

Sound (Fade in. Marseillaise – stronger gradually)

ANSAGER

Hayingen ist frei!

Sound (Marseillaise Crescendo – cut)

ANSAGER

Sie hörten soeben einen Tatsachenbericht über den Kampf und die Befreiung der Stadt Hayingen in Lothringen.

Wir bringen ihnen morgen um dieselbe Zeit einen anderen Tatsachenbericht über Vorgänge, die der deutschen Öffentlichkeit von der Naziführung vorenthalten werden. Sie hören uns morgen auf Welle … um … über den Sender Luxemburg.

Aufruf an die Soldaten von Metz

Leaflet Broadcast, 30. September 1944

FIRST VOICE

Hier spricht die amerikanische Armee über den Sender Luxemburg.

Wir bringen Ihnen jetzt einen Aufruf, den die amerikanische Armee an die deutschen Offiziere und Soldaten von Metz gerichtet hat. Dieser Aufruf wurde in Zehntausenden von Flugblättern über der deutschen Besatzung von Metz abgeworfen. Da er aber nicht nur für die Garnison von Metz Gültigkeit hat, sondern für alle deutschen Soldaten, die sich in einer Lage befinden, die der der Garnison von Metz ähnlich ist, und da es möglich ist, daß nicht alle deutschen Soldaten und Offiziere in Metz das Flugblatt erhalten haben, verlesen wir jetzt den Aufruf:

SECOND VOICE

Deutsche Offiziere und Soldaten von Metz! Ihr wißt, daß Metz nicht gehalten werden kann. Warum? Amerikanische Truppen sind auf deutschem Boden. Sie haben den Westwall an drei Stellen durchbrochen, in der Nähe von Trier, Prüm und Stolberg, und die Stadt Düren, 35 Kilometer von Köln, liegt bereits unter alliiertem Artilleriebeschuß.

Die Engländer haben die Reichsgrenze bei Nijmwegen überschritten. Belgien und Luxemburg werden von den deutschen Truppen aufgegeben. Eine weitere amerikanische Armee steht an der Südwestgrenze des Reiches. Metz selbst steht vor der Umzingelung durch alliierte Truppen.

Amerikanische Panzer und Infanterie haben die Mosel an zahlreichen Stellen überquert und befinden sich östlich von Nancy. Ihr werdet den Befehl bekommen, Metz trotzdem zu halten, selbst wenn Ihr keinen Nachschub, keine Verstärkungen und keine Unterstützung von der Luftwaffe erhaltet. Warum? Damit Eure Nazi-Bonzen zu Hause ihr Leben noch um einige Wochen verlängern können. Damit die Parteiführer die Vorbereitung für ihre Flucht weiter treffen können. Berichten aus Spanien zufolge sind bereits Hunderte von Parteiführern auf dem Wege nach Argentinien dort eingetroffen. Besondere Flugzeuge haben ihr Gepäck befördert. Aus der Schweiz stammen Berichte, daß Hunderte von Gestapo-Beamten versucht haben, von Frankreich aus die Schweizer Grenze zu überschreiten, daß sie aber von der Schweizer Bundesregierung abgewiesen wurden. Aber Metz wird fallen, ebenso wie St. Malo, Brest, Boulogne und Le Havre gefallen sind … Es gibt einen Ausweg, wenn Ihr Euer Leben nicht sinnlos opfern wollt: Folgt dem Beispiel der zwanzig deutschen Generale und der mehr als einer halben Million deutscher Offiziere und Soldaten, die sich den Alliierten an der Westfront ergeben haben. Sie werden nach Hause zurückkehren.

FIRST VOICE

Hier endet der Aufruf. In nüchternen Worten hat er eine für den deutschen Soldaten und Offizier hochwichtige Feststellung gemacht:

SECOND VOICE

Metz wird fallen, ebenso wie St. Malo, Brest, Boulogne und Le Havre gefallen sind …

FIRST VOICE

Der Vergleich zwischen Metz und St. Malo, Brest, Boulogne und Le Havre ist nicht müßig. Er hätte weitergeführt werden können. Erinnerungen aus dem Osten steigen auf: Stalingrad – Tscherkassy – überall das gleiche taktische und strategische Bild. Deutsche Truppen gewissenlos in unhaltbarer Stellung geopfert. Immer die gleichen, sinnlosen Befehle!

THIRD VOICE

Aushalten bis zum letzten Mann! Aushalten bis zur letzten Patrone!

FIRST VOICE

Immer die gleichen, unerfüllbaren Versprechen:

THIRD VOICE

Wir schicken Euch Panzer! Wir schicken Euch die Luftwaffe! Wir schicken Euch Entsatz! Wir schicken Euch Lebensmittel, Munition, Waffen!

FIRST VOICE

Aber nichts kam. Nichts konnte kommen, denn es war ja nichts da, und die Versprechen waren gegeben worden, obwohl man genau wußte, daß sie nicht gehalten werden konnten. Aber warum?

SECOND VOICE

Der Grund ist einfach. Während die eingeschlossenen, verzweifelten Garnisonen vom Trommelfeuer der alliierten Artillerie zerrieben wurden, während sie unter den Bombenteppichen der alliierten Flugwaffe erstickt wurden, schrie in München der »Völkische Beobachter«:

FOURTH VOICE (Newsboy)

Brest ergibt sich nicht!

SECOND VOICE

Und in Berlin der »Angriff«:

FOURTH VOICE

St. Malo folgt dem Führerbefehl!

SECOND VOICE

Das waren schöne, rot unterstrichene Überschriften. Das machte sich gut aus. Das konnte in den Büros des Dr. Goebbels als Propagandaerfolg gewertet werden. Die Unterstreichungen der fetten Überschriften in der Goebbels-Presse waren rot – rot: die Farbe des zwecklos vergossenen Blutes deutscher Soldaten und Offiziere.

FIRST VOICE

Es läßt sich heute nicht mehr feststellen, an welchem Zeitpunkt die Leitung der deutschen Armee von Propagandastrategen übernommen wurde. Aber es ist jedermann bekannt, daß die Generäle und Militärfachleute immer wieder gewarnt und zu rechtzeitigen Rückzügen gemahnt haben. Doch ihre mahnenden Worte wurden in den Wind geschlagen.

Hitler brauchte Siege. Und wenn ihm die Wehrmacht die Siege nicht liefern konnte, dann mußte er sie wenigstens auf dem Papier haben.

FOURTH VOICE (Newsboy)

Die Sowjet-Armee vollkommen vernichtet!

FIRST VOICE

Die Sowjet-Armee steht in Ostpreußen.

FOURTH VOICE

Sollen die Amerikaner nur ihre Invasion versuchen! Keine neun Stunden werden sie an Land bleiben!

FIRST VOICE

Die Amerikaner stehen auf deutschem Boden.

SECOND VOICE

Und als auch beim besten Willen keine Siege selbst aus dem geduldigen Zeitungspapier herauszuholen waren, dann mußten es wenigstens Abwehrerfolge sein. Abwehrerfolge, die nach unsäglichen, nutzlosen Opfern immer wieder damit endeten, daß der deutsche kommandierende General erklärte:

THIRD VOICE

Wir ergeben uns.

FIRST VOICE

Bedingungslos?!

THIRD VOICE

Bedingungslos.

SECOND VOICE

Keine beneidenswerte Lage, in die diese deutschen Generale, Offiziere und Soldaten von ihren Propagandastrategen versetzt worden waren. Was waren diese eingeschlossenen, abgeschnittenen, erledigten Garnisonen denn anderes als –

THIRD VOICE

Propaganda-Garnisonen!

SECOND VOICE

Die Methode ist leicht zu durchschauen. Der deutschen Bevölkerung wird vorgemacht, daß vorne alles in Ordnung ist –

FOURTH VOICE (Newsboy)

Die Front steht! Die Front hält aus! Laßt die Front nicht im Stich!

SECOND VOICE

Und damit hofft man, daß im Hinterland vielleicht doch noch die sinkende Hoffnung gestützt werden kann und daß das kriegsmüde Volk sich nicht zu der entscheidenden Tat aufrafft, zur Beseitigung der ganzen Naziherrschaft. Und der Front erzählt man –

FOURTH VOICE

Die Heimat bleibt fest! Die Heimat blickt auf euch! Verteidigt die Heimat.

THIRD VOICE

Als ob die in Brest die Heimat verteidigt hätten. Eine Propagandalüge haben sie verteidigt. Wie in St. Malo. Wie in Boulogne. Wie in Tscherkassy. Wie in Stalingrad. Wie in Metz.

FIRST VOICE

Ein wechselseitiger Selbstbetrug, und nicht einmal geschickt aufgezogen. Damit in Deutschland den Nazis noch eine Galgenfrist gewährt wird, müssen die Propagandagarnisonen geopfert werden. Und damit sich immer wieder neue Propagandagarnisonen finden, muß die Heimat in der Illusion gehalten werden, daß die Wehrmacht den Krieg noch unbegrenzte Zeit fortsetzen kann, und daß sie allen selbstmörderischen Befehlen der Propagandastrategen folgt.

SECOND VOICE

Aber all das hat natürlich seine Grenzen. Auch der geschickteste Goebbelsdreh, auch der feinste Propagandaplan muß an harten militärischen Tatsachen zerschellen. In einem wohl organisierten Heer werden Befehle automatisch ausgeführt, weil sie auf dem Dienstwege von oben kommen, und weil jede Instanz die Möglichkeit ihrer Durchführung erwogen hat und gutheißt. Und die Befehle werden von der Obersten Kriegsführung beschlossen, weil diese, auf dem umgekehrten Dienstwege, korrekte Berichte über die Lage und die Möglichkeiten selbst der kleinsten Einheit erhalten hat und weiß, daß die Befehle durchführbar sind.

THIRD VOICE

Aber die Propagandastrategen haben damit nichts zu tun. Sie sind nicht von militärischen, sondern von reinen Prestige-Erwägungen geleitet. Sie schreien:

FOURTH VOICE

Durchhalten! –

THIRD VOICE

Ob der Befehl durchführbar ist oder nicht. Und dazu kommt, daß die Organisation des deutschen Heeres selbst infolge der Niederlagen, hastigen Rückzüge und katastrophalen Verluste in die Brüche gegangen ist. Statt Divisionen gibt es hastig zusammengewürfelte Kampfgruppen und Fußmarschgruppen und Einsatzgruppen. Marine, Infanterie, Todt-Arbeiter, Fallschirmjäger werden provisorisch zusammengefaßt und den fest organisierten, zahlenmäßig und materialmäßig weit überlegenen Einheiten der Alliierten entgegengeworfen. Kaum geheilte Verwundete, Hitlerjungen, Ausländer – ein wilder Mischmasch.

SECOND VOICE

Vor allem weiß aber keiner, wo eigentlich die Befehle herkommen. Von Armee zu Korps, von Korps zu Division, von Division zu Regiment – wo sind die Verbindungen? Wer kommandiert? Wer ist General? Ist der General von Hitler erschossen worden, oder hat er sich den Amerikanern ergeben, oder sitzt er in irgendeinem Hauptquartier ohne Telephon- und Radioverbindung? Unter diesen Umständen fällt die Verantwortung für das Leben des einzelnen Soldaten auf die Schultern der Kompanie- und Bataillonskommandanten, ja, oft auf die Unteroffiziere und die Mannschaften selbst. Sie müssen entscheiden, ob sie sich und ihre Leute weiter in der Propagandamühle des Dr. Goebbels vermahlen lassen wollen.

FIRST VOICE

Das ist die Entscheidung, die auch die deutschen Offiziere und Soldaten in Metz treffen müssen. Je eher sie sich entscheiden, die undankbare Rolle als Propagandagarnison aufzugeben, desto mehr von ihnen werden den Krieg überleben und nach dem Krieg ihre Lieben und ihre Heimat gesund wiedersehen.

SECOND VOICE

Wenn sie einmal diese Entscheidung getroffen haben, ist ihr weiteres Verhalten nicht schwer. Das Flugblatt, das den Aufruf enthält, enthält auf seiner Rückseite einen Passierschein. Dieser Passierschein besagt:

THIRD VOICE

An die amerikanischen Vorposten: Der deutsche Soldat, der diesen Passierschein vorzeigt, benutzt ihn als Zeichen seines ehrlichen Willens, sich zu ergeben. Er ist zu entwaffnen. Er muß gut behandelt werden. Er hat Anspruch auf Verpflegung und, wenn nötig, ärztliche Behandlung. Er ist so bald wie möglich aus der Gefahrenzone zu entfernen. Dieser Passierschein genügt auch für Gruppen.

FIRST VOICE

Ja, was geschieht aber, wenn ein deutscher Soldat, oder ein deutscher Offizier und seine Einheit sich entschließen, mit dem Hitlerkrieg Schluß zu machen und zufällig keinen solchen Passierschein bei sich haben?

SECOND VOICE

Sie werden selbstverständlich genauso behandelt wie deutsche Soldaten, die sich mit dem Passierschein in Gefangenschaft begeben. Alles, was der Passierschein in bezug auf Gefangenenbehandlung anführt, trifft auf alle Kriegsgefangenen zu. Der Passierschein, der übrigens auch eine englische Übersetzung seines Wortlauts enthält, dient nur dazu, den ehrlichen Willen des deutschen Soldaten, der sich ergeben will, dem amerikanischen Soldaten ganz klar zu machen. Daher ist auch an der Spitze des Passierscheins das große Staatssiegel der Vereinigten Staaten abgedruckt.

THIRD VOICE

Allein an der Westfront haben die Alliierten 544000 Deutsche seit dem Tage der Invasion gefangengenommen. Ein beträchtlicher Teil von ihnen hat sich des Passierscheins bedient und ist heute in Sicherheit –

SECOND VOICE

In Sicherheit vor Tod, Leiden, sinnlosem Opfer, und in Sicherheit vor den Propagandastrategen.

FIRST VOICE

Dies beschließt die Sendung »Aufruf an die deutschen Offiziere und Soldaten vor Metz«.

Sie hören jeden Tag um … die Stimme der amerikanischen Armee über den Sender Luxemburg. Wir bringen um diese Zeit täglich wichtige Botschaften an das deutsche Volk und an Angehörige der Wehrmacht. Diese Sendungen sprechen zu jenen Deutschen und jenen Wehrmachtsangehörigen, die unsere Flugblätter nicht erreichten. Schalten Sie morgen um … wieder ein. Auf Wiederhören!

Hubert Herpers aus Aachen

Leaflet Broadcast, 1. Oktober 1944

ANSAGER

Hier spricht die amerikanische Armee über den freien Sender Luxemburg. Um diese Zeit bringen wir Ihnen gewöhnlich einen Aufruf, den die amerikanische Armee an die Soldaten und Offiziere der Wehrmacht, und an die deutsche Zivilbevölkerung richtet. Für den heutigen Aufruf aber stellt die amerikanische Armee nur die Mittel zur Übertragung bereit. Denn heute bringen wir Ihnen nicht einen amerikanischen Aufruf an Deutsche, sondern den Appell eines jungen Deutschen an die deutsche Wehrmacht und das deutsche Volk. Und damit hängt eine Geschichte zusammen. Am Morgen des 18. September 1944 überbrachte der Ordonnanzoffizier des Kommandierenden Generals der amerikanischen Truppen in Holland diesem einen Brief …

Sound (Opening and closing of door. Steps.)

GENERAL

Yes, Lieutenant?

LIEUTENANT

Sir, a letter was just delivered. Personal.

GENERAL

Thank you, Lieutenant.

ANSAGER

Der General öffnete den Brief, dessen Adresse in sauberer deutscher Handschrift geschrieben war. Der Brief war datiert: Kaalheide, in Holland, den 17. September 1944, und lautete:

HERPERS

An den Herrn Kommandanten der amerikanischen Truppen in Holland. Unterzeichneter bittet, die in der Anlage befindlichen Schriftstücke einem alliierten Rundfunksender zustellen zu wollen. Ich denke, daß ich auf diese Weise meinem Vaterland besser diene, als ich es als Soldat im deutschen Heere tun könnte. Ich bin auch bereit, persönlich im Rundfunk bekanntzugeben, daß ich diesen Aufruf aus freiem Willen selbst verfaßt und niedergeschrieben habe. Achtungsvoll – Hubert Herpers, Kaalheide, Rozenstraat 26.

ANSAGER

Wer ist nun Hubert Herpers, was hat ihn veranlaßt, sich an die amerikanische Armee zu wenden? Unter den Anlagen zu Herpers’ Brief fand der amerikanische General den kurz geschriebenen Lebenslauf des jungen Mannes.

HERPERS

Ich bin am 4. Mai 1914 in Aachen als Sohn des Schwerkriegsbeschädigten Kornelius Herpers geboren. Vor meiner Militärdienstzeit war ich als Packereileiter bei der Firma Kurt Hertzog & Co. tätig. Nach meiner Entlassung vom Militär war ich bei der deutschen Reichsbahn als Bürokraft angestellt. Am 25. August 1941 wurde ich von der Reichsbahn nach Poltawa in Rußland abgeordnet, und von dort am 18. August 1944 nach der Heimat zurückversetzt. Am 11. April 1944 wurde ich in Aachen total ausgebombt, und bin daher seitdem in Kaalheide in Holland, Rozenstraat 26, wohnhaft.

ANSAGER

Es ist nichts Besonderes am Lebenslauf dieses jungen Deutschen. Er arbeitete hart, wie jeder andere, er verlor sein Hab und Gut, wie so viele andere auch, und nachdem der amerikanische General den Aufruf Herpers’ an das deutsche Volk gelesen hatte, erhob sich für ihn die Frage:

LIEUTENANT

Es ist schließlich nicht die Aufgabe der amerikanischen Armee, das deutsche Volk zu erziehen und zur Besinnung bringen zu helfen.

GENERAL

Warum nicht? Wir versuchen, den Krieg, der uns durch die Expansionslust der Nazis aufgezwungen wurde, so human wie möglich zu führen. Wir führen Krieg gegen die Nazi-Kriegsverbrecher. Wir führen nicht Krieg gegen das deutsche Volk, sobald dieses zur Besinnung kommt und aufhört, die Nazis zu unterstützen. Und hier spricht ein Deutscher, der zur Besinnung gekommen ist. Schicken wir das Manuskript an Radio Luxemburg.

ANSAGER

Und so erhielten wir den Aufruf des Deutschen Hubert Herpers. Und dies ist es, was er seinem Volk zu sagen hat:

HERPERS

Deutsches Volk, zu dem ich gehöre! Ich weiß, daß ich im Sinne vieler Deutscher spreche, wenn ich sage: Die Zeit der falschen Versprechungen unserer Führung, die Zeit der Siegesverheißungen ist vorbei! Eine neue Zeit ist gekommen – eine Zeit, wo wir wieder nüchtern und logisch denken müssen. Es ist doch für jeden deutschen Menschen klar, daß durch die Ereignisse der letzten Monate Tatsachen herbeigeführt wurden, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Aus den gewaltigen Niederlagen läßt sich kein Sieg für Deutschland mehr machen. Der Krieg ist verloren. Ihn fortzusetzen, führt das deutsche Volk in seinen Untergang. Unsere Führung hat selbst anerkannt, daß unsere Gegner uns an Waffen und Menschenzahl weit überlegen sind. Aber sie vertröstet uns immer wieder auf noch in Konstruktion befindliche geheime Waffen, erklärt aber gleichzeitig, daß man einen Einfluß der geheimen Waffen auf die Kriegsentscheidung nicht garantieren kann. Bis diese Geheimwaffen endlich fertig werden, wenn sie je fertig werden, sollen nun Tausende und Abertausende deutscher Frauen und Kinder durch die Bombardierung unserer Städte zugrunde gehen. Der wahre Grund für die immer wiederholten Versprechungen der Führung, von denen eine nach der andern sich als hohl und unwahr erwiesen hat, ist aber der: Hitler und seine gewissenlosen Kumpane möchten ihr eigenes jämmerliches Leben verlängern und Zeit gewinnen, um ihre Flucht gut vorzubereiten und einen sicheren Zufluchtsort zu finden. Und da dreschen sie immer wieder die Phrasen von der großen Geschichte Deutschlands! Ja, wenn es ihnen gelingt, die deutsche Armee bis zum letzten Bataillon und das deutsche Volk bis zum letzten Mann zu opfern, so wird das das traurigste Kapitel der deutschen Geschichte sein – das traurigste, und gleichzeitig das letzte Kapitel … Deutsches Volk! Hitler und die Nazi-Partei sehen ihr eigenes Ende herannahen. Sie möchten, daß ihr Ende auch das Ende des deutschen Volkes wird. Darum ist es die heilige Pflicht jedes deutschen Menschen, diesem wahnsinnigen Treiben der Kriegsverlängerung Einhalt zu gebieten. Wer den Kriegsverlängerern hilft, kann niemals ein wahrer Deutscher sein. Die deutsche Geschichte verlangt das Leben des deutschen Volkes, nicht aber seinen blutigen Untergang und Tod. Wenn jeder Zoll deutschen Bodens auf Hitlersche Art verteidigt werden sollte, dann werden auf diesem deutschen Boden nur noch Ruinen stehen. Die Nazis, um den Krieg zu verlängern, behaupten, daß dem deutschen Volke großes Elend bevorsteht, wenn die Wehrmacht aus ihren Niederlagen die Konsequenzen zieht und Schluß macht. Die Nazis behaupten, daß unsere Gegner das deutsche Volk drangsalieren und quälen werden. Inzwischen haben aber schon viele Deutsche in den vom Gegner besetzten Grenzstädten am eigenen Leibe erfahren, daß die amerikanische Armee Ruhe und Ordnung und Frieden bringt. Deutsche Männer! Deutsche Frauen! Wenn der Gegner vor den Toren Eurer Stadt oder Eures Dorfes steht, laßt Euch nicht ins Innere Deutschlands verfrachten, denn der Ring, der um Deutschland gelegt ist, wird immer enger, die Wirkung der Waffen des Gegners wird immer konzentrierter, und es gibt kein Entkommen! Versucht, das Ende dieses unseligen Krieges herbeizuführen, damit unserem deutschen Volke weiteres unnützes Blutvergießen erspart bleibt, und damit es noch ein deutsches Volk gibt für die Zeit des Friedens und des Wiederaufbaus Deutschlands.

ANSAGER

Sie hörten soeben den Aufruf von Hubert Herpers aus Aachen, derzeit wohnhaft in Kaalheide, Holland, an das deutsche Volk.

ANSAGER (Continued)

Dieser Aufruf ist von besonderer Bedeutung nicht nur, weil er von einem jungen Deutschen kommt – zweifellos gibt es eine ganze Anzahl Deutscher, die so denken wie er –, sondern vor allem weil Herpers aus Aachen stammt.

ZWEITE STIMME

Und Aachen ist von alliierten Truppen umzingelt. Für die deutschen Truppen in Aachen und für die Bevölkerung der Stadt sieht die nächste Zukunft düster aus, wenn sie sich die Warnung ihres Mitbürgers nicht zu Herzen nehmen. Sie können dem ganzen deutschen Volk zeigen, daß es nicht schwer ist, auf eigene Faust Frieden zu schließen. Hitler und seinen Spießgesellen kommt es auf die Stadt Aachen und auf die dort eingeschlossenen Menschen so wenig an, wie auf das Haus des schwerkriegsverletzten Vaters von Herpers, das am 11. April 1944 ausgebombt wurde. Die Nazis werden eine deutsche Stadt nach der andern zugrunde gehen lassen, wenn es ihnen nur noch ein paar Tage, noch ein paar Wochen Galgenfrist verschafft. Aber die Menschen, die in den Städten ihr Heim haben, und die Soldaten, deren Frauen, Kinder und Mütter in den Städten leben – kann es denen so gleichgültig sein?

ANSAGER

Die Fragen, die der junge Deutsche Herpers aufgeworfen hat, stehen vor jedem deutschen Menschen. Und heute, da Deutschland zum Kriegsschauplatz geworden ist, drängt die Entscheidung. Soll Deutschland, nur damit die Nazi-Clique noch ein Weilchen an der Macht bleiben kann, zum völligen Ruin gebracht werden – oder, wie der Aufruf sagt:

HERPERS

Versucht, das Ende dieses unseligen Krieges herbeizuführen, damit unserem deutschen Volke weiteres unnützes Blutvergießen erspart bleibt, und damit es noch ein deutsches Volk gibt für die Zeit des Friedens und des Wiederaufbaus Deutschlands.

ANSAGER

Dies beschließt die Sendung »Aufruf an das Deutsche Volk.« Sie hören jeden Tag um … die Stimme der amerikanischen Armee über den freien Sender Luxemburg. Wir bringen um diese Zeit täglich wichtige Botschaften an das deutsche Volk und die Angehörigen der Wehrmacht.

Während diese Aufrufe sonst von der amerikanischen Armee kommen, haben wir heute unser Programm für den Aufruf eines jungen Deutschen, Hubert Herpers aus Aachen, derzeit Kaalheide in Holland, zur Verfügung gestellt. Schalten Sie morgen um … wieder ein.

Auf Wiederhören!

Wo ist die 16. deutsche Infanterie-Division?

Story of the Day, 2. Oktober 1944

ANSAGER

Die amerikanische Armee bringt Ihnen heute einen Tatsachenbericht, der, in seinen nüchternen Einzelheiten, bezeichnend ist nicht nur für die Einheit, von der wir berichten, sondern für viele andere deutsche Truppeneinheiten auch. Es handelt sich um die 16. deutsche Infanterie-Division –

ERSTE STIMME

Wo ist die Division jetzt?

ANSAGER

Tja, davon handelt unser Bericht ja gerade. Und da diese Dinge vor dem deutschen Volke und den anderen Einheiten der deutschen Armee natürlich geheimgehalten werden, sollten wir die Information eigentlich nicht vorwegnehmen.

ERSTE STIMME

Aber bedenken Sie doch – die zahllosen Mütter und Frauen in Deutschland, deren Söhne, deren Männer in dieser Division waren …

ANSAGER

Gut, ich verstehe schon. Wir können die Angehörigen der Mannschaften der 16. Division insofern beruhigen, als sich ein großer Teil dieser Mannschaften unter Führung ihrer Offiziere in Sicherheit und wohlbehalten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befindet. Aber die Division als solche existiert nicht mehr. Sie hat das Schicksal der deutschen Divisionen geteilt, die in der Normandie und in Nordfrankreich vergeblich versuchten, sich dem Ansturm der alliierten Macht entgegenzustellen, und so aufgerieben wurden. Es ist immer dieselbe Geschichte –

ZWEITE STIMME

Sie wurden stückweise eingesetzt, gegen einen zahlenmäßig überlegenen Feind, ohne ausreichende Artillerie, ohne ausreichende Beförderungsmittel, ohne ausreichende Munition –

ERSTE STIMME

Und wo war die Luftwaffe?

ZWEITE STIMME

Sie war nicht da.

ANSAGER

Der rasche Austausch von Oberbefehlshabern – von Rundstedt zu Kluge zu Model und wieder zurück zu Rundstedt – konnte auch nichts an den Tatsachen ändern. Auch der geschickteste General ist kein Zaubermeister, und militärische Gegebenheiten sind militärische Gegebenheiten. Der Zusammenbruch der 16. Division fand dicht vor der deutschen Grenze statt.

ZWEITE STIMME

In den ersten Wochen des September gab der Kommandierende General der 16. Division, Generalleutnant Häckel, den altbekannten Befehl:

DRITTE STIMME

Die Stellungen müssen unter allen Umständen gehalten werden. Bis zur letzten Patrone! Bis zum letzten Grenadier!

ANSAGER

Jeder deutsche Soldat weiß, was so ein Befehl bedeutet: Die Stellungen sind unhaltbar. Und die Offiziere im Stab des Generals wußten es auch. Einer von ihnen hatte den Mut zu sagen:

VIERTE STIMME

Exzellenz müssen schon verzeihen, wenn ich ums Wort bitte. Aber ein Blick auf die Landkarte genügt, um klar zu sehen: Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ist es unmöglich, irgendeine Stellung zu halten, geschweige denn eine so schwierige wie unsere. Gegen jedes unserer Regimenter steht eine ganze Division. Unsere Nachschublinien sind verzweifelt lang, und wir haben weder die Mannschaften noch die Fahrzeuge, um auch nur das Allernötigste heranzuschaffen. Reserven sind uns versprochen worden – zum x-ten Male. Aber Sie wissen selber, Herr Generalleutnant, daß sie nicht kommen können – weil es sie ja gar nicht gibt!

ANSAGER

General Häckel sprang auf, rot im Gesicht. Er konnte dem Offizier nicht gut widersprechen, denn er wußte, nur zu gut, wie recht der Offizier hatte. Und dann, war es General Häckels Schuld, daß er in diese Lage geraten war? So sagte er:

DRITTE STIMME

Der Befehl kommt von allerhöchster Stelle! Von allerhöchster Stelle, sage ich! Aushalten bis zum letzten Mann! Und was Sie, meine Herren vom Stabe, betrifft – so machen Sie sich keine zu großen Sorgen. Noch heute werden wir unser Hauptquartier nach hinten verlegen. Siegreiche Absetzbewegung, sozusagen!

STIMMEN (Gelächter)

Absetzbewegung! Sehr gut gesagt! Janz jroßartig! Planmäßig durchjeführt! Der Herr Generalleutnant ist doch ein witziger Kopf!

ANSAGER

Inzwischen wurde die Lage an der Front immer schwieriger. Amerikanische Panzertruppen, amerikanische Artillerie, amerikanische Flieger, amerikanische Infanterie drängten vorwärts. Immer ausgedünnter wurden die Reihen der 16. Division. Regimenter schmolzen zu Bataillonstärke, Bataillone zu Kompaniestärke zusammen.

Viele Offiziere fielen aus, und mit ihnen alle geregelte Befehlsführung. Und so entschloß man sich zu einer hastigen Umgruppierung. Die halb oder dreiviertel zerschossenen Einheiten, die Versprengten, die Köche und Kompanieschreiber – alles wurde noch einmal zusammengerafft und neu eingegliedert. Aber nun gab es keine Regimenter und Bataillone mehr – jetzt hieß es: Kampfgruppen!

ERSTE STIMME

Kampfgruppe Welzel!

ZWEITE STIMME

Kampfgruppe Weber!

DRITTE STIMME

Kampfgruppe Adam!

VIERTE STIMME

Kampfgruppe Haas!

ANSAGER

Die Namen waren die Namen der noch überlebenden Offiziere, die das Kommando übernahmen. Aber viel half das nicht. Die Umgruppierung unter dem Druck der Amerikaner trug noch dazu bei, die Verwirrung zu vergrößern. Viele der Mannschaften wußten nicht, wo sie hingehörten. Und sobald sie hörten, daß sie nun in einer Kampfgruppe waren, wußten sie, wieviel es geschlagen hatte.

ERSTE STIMME

Kampfgruppe … Das heißt, die Truppe ist kaputt.

ZWEITE STIMME

Wenn wir schon mit Regimentern die Amerikaner nicht zurückhalten konnten – mit Kampftruppen geht’s erst recht nicht.

DRITTE STIMME

Und weißt du, wo die Munitionslager sind? Ganz weit hinten. Da kann man jetzt gar nicht hin, wo die amerikanischen Jabos immer herumgeistern. Und die Fahrzeuge haben wir auch nicht. Nee, ich sage dir, es ist aus.

VIERTE STIMME

Und zu essen? Zu essen haben wir auch nichts. Kommt ja nichts nach vorn.

ANSAGER

Noch einmal ging der Kommandierende Offizier einer der Kampfgruppen nach hinten, wo General Häckel es sich in Sicherheit häuslich eingerichtet hatte. Und er verlangte von dem General:

ERSTE STIMME

Wir brauchen Reserven, wir brauchen Artillerie, wir brauchen Panzerschutz, wir brauchen Munition, wir brauchen Essen. Es ist doch da! Warum schicken Sie uns nicht, was wir brauchen? Wie sollen wir die HKL halten? Mit unseren nackten Händen gegen das Material und die Menschen der Amerikaner?

DRITTE STIMME

Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, Herr Hauptmann, daß Sie alles bekommen werden! Ich verspreche es Ihnen noch einmal. Halten Sie nur aus. Halten Sie nur aus (Fade out).

Sound (Fade in – music – chaotic – crescendo – cut)

ANSAGER

Und dann war es vorbei. An organisierten Widerstand war nicht mehr zu denken. Unter dem amerikanischen Ansturm brachen alle Verbindungen zusammen. Kein Offizier wußte mehr, ob die Nachbareinheit noch existierte, ob sie noch kämpfte, oder ob sie sich zurückzog. Unteroffiziere und Leutnants führten Einheiten, die früher einmal den stolzen Namen Bataillon oder Regiment getragen hatten. Jetzt waren es ja eigentlich nur noch Züge und Gruppen. Befehle gab es nicht mehr. Es war dem einzelnen Offizier oder Unteroffizier überlassen, die Entscheidung zu treffen.

ERSTE STIMME

Weiterer, sinnloser Widerstand – Tod –

ANSAGER

Oder –

ZWEITE STIMME

Ehrenvolle Übergabe – Leben!

ANSAGER

Eine Kampfgruppe versuchte, sich nach hinten abzusetzen und die amerikanische Einkreisung zu durchbrechen. Dabei fielen 80 Prozent der Soldaten dieser Kampfgruppe. Vier Mann von fünf – tot, sinnlos gestorben. Menschen, die bei einem Wiederaufbau Deutschland vielleicht noch Nützliches hätten leisten können.

ERSTE STIMME

Aber die Mehrzahl der Kampfgruppen der ehemaligen 16. deutschen Infanterie-Division zog es vor, zu leben. Unter Führung ihrer Offiziere marschierten sie in die Kriegsgefangenschaft. Sie leben. Sie sind in Sicherheit. In Sicherheit vor der überlegenen Macht der alliierten Waffen, und in Sicherheit vor den Propaganda-Strategen in Berlin, die die 16. Division bis zur völligen Vernichtung kämpfen lassen wollten. Einer der höchsten Offiziere in einer Kampfgruppe der 16. Devision erklärte:

VIERTE STIMME

Ich hatte die Möglichkeit zu versuchen, mich sechzig Kilometer zurückzuschlagen, oder mich mit meinen Leuten in den Wäldern zu verstecken und als Heckenschütze auf den Feind zu schießen. Ich war vollkommen umzingelt, hatte keine Luftwaffe oder Panzer, und nicht einmal eine Kanone. Ich bin selbst nach vorne gegangen und habe mich überzeugt.

DRITTE STIMME

Aber hatten Sie nicht den Befehl, bis zur letzten Patrone auszuhalten?

VIERTE STIMME

Wenn ich diesen Krieg als heiliges Vermächtnis angesehen hätte, hätte ich anders gehandelt. Ich hätte meine Leute zurückgebracht oder bis zur letzten Patrone gekämpft. Aber es ist ein Wahnsinn, jetzt noch weiterzukämpfen, wenn man nicht die Sicherheit hat, daß noch etwas da ist. Am Endergebnis wird ja doch nichts geändert werden. Warum sieht denn die Führung nicht ein, daß wir das Blutopfer nur vergrößern, auch wenn wir den Krieg noch drei oder sechs Monate hinausziehen können. Die meisten meiner Leute waren ältere Männer, die froh waren, als es vorüber war, und daß sie sich auf Befehl ergeben durften. Wenn man einem stärkeren Gegner nach ehrlichem Kampf unterliegt, ist es nicht unehrenhaft, zu kapitulieren. Ich wollte zuerst meine Leute übergeben und mir dann eine Kugel durch den Kopf schießen. Aber dann dachte ich mir, nach einer schlaflosen Nacht, vielleicht kann ich am Wiederaufbau Deutschlands mitwirken – und aufhängen kann ich mich ja immer noch.

ANSAGER

So sprach einer der höchsten Offiziere der 16. Division. Wir geben seinen Namen nicht bekannt, weil zu befürchten ist, daß die Gestapo sich sonst an seiner Familie vergreift. Die deutschen Offiziere sind verbittert gegen die Gestapo, nachdem so viele Mitglieder des Offizierskorps von der Gestapo umgebracht worden sind. Verschiedene Offiziere der 16. Division äußerten sich:

ERSTE STIMME

Und nicht mal einen ehrlichen Tod hat man ihnen gegönnt! Erhängt hat man sie, nicht erschossen!

ZWEITE STIMME

Aber die SS-Truppen werden ins Reich zurückgezogen, während die Wehrmacht sich hier aufopfern lassen muß.

DRITTE STIMME

Und nur damit die Parteibonzen sich noch ein bißchen länger an der Macht halten können!

VIERTE STIMME

Ja, was sollen sie denn tun? Es gibt doch kein Land, wohin sie flüchten können! Kein Land, das sie aufnehmen wird!

ERSTE STIMME

Dann sollen sie gefälligst mal selber an die Front kommen!

STIMMEN(Allgemeines Gelächter)

ANSAGER

Diese Unterhaltung fand zwischen Offizieren der 16. Division statt. Sie wußten, wovon sie sprachen. Sie hatten auf Befehl dieser Führer so viele ihrer Kameraden und ihrer Mannschaften fallen sehen … Und dann sahen sie ein, was einer ihrer Kommandeure so treffend ausdrückte:

VIERTE STIMME

Am Endergebnis wird ja doch nichts geändert werden. Es ist ein Wahnsinn, jetzt noch weiter zu kämpfen.

ANSAGER

Sie hörten einen Tatsachenbericht über das Ende der Kampfgruppen der 16. deutschen Infanterie-Division. Hier spricht der freie Sender Luxemburg.

(Follows regular lead-out)

Joe Jones stellt sich vor

Leaflet Broadcast, 3. Oktober 1944

ANSAGER

Hier spricht die amerikanische Armee über den freien Sender Luxemburg. Um diese Zeit bringen wir Ihnen gewöhnlich einen Aufruf, den die amerikanische Armee an die Soldaten und Offiziere der Wehrmacht und an die deutsche Zivilbevölkerung richtet. Unser heutiger Aufruf aber ist kein Aufruf im Sinne des Wortes. Vielmehr wollen wir unseren Hörern heute jemanden vorstellen – einen Mann, den viele von Ihnen bereits getroffen haben, ohne seinen Namen, seine Vergangenheit, und seinen Charakter näher zu kennen. Er war in der Normandie und ist am 6. Juni mit den ersten Truppen der Alliierten an Land gegangen, er hat geholfen, den Atlantikwall in Stücke zu hauen, er war dabei, als die 17. SS-Division »Götz von Berlichingen« und die 3. Fallschirmjäger-Division der deutschen Luftwaffe aus den Hecken der Normandie, wo sie sich eingenistet hatten, vertrieben wurden. Später nahm er an der Durchbruchsschlacht von Avranches teil, und trieb dann, immer an der Spitze seines Zuges, die geschlagenen deutschen Einheiten vor sich her. Er half, Paris zu befreien und Verdun. Dort besuchte er das Grab seines Vaters, der im Ersten Weltkrieg da gekämpft hatte und gefallen war. Und der Sohn versprach seinem toten Vater:

JONES

Ich werde dafür sorgen, daß mein Junge nicht wieder in 25 Jahren hierher zurückkommen und Krieg führen muß. Zweimal Krieg in einer Generation ist genug. Ich verspreche es dir, mein toter Vater. Diesmal werden wir gründlich Ordnung schaffen und einen dauernden Frieden bauen.

ANSAGER

Und heute steht dieser Mann auf deutschem Boden. Es ist daher Zeit, daß er sich richtig vorstellt. Wie heißen Sie?

JONES

Jones, Joseph R. Jones. Meine Freunde nennen mich Joe.

ANSAGER

Joe Jones … Erzählen Sie uns mal ein bißchen. Wer Sie sind, woher Sie kommen, was Sie gemacht haben, und was Ihre Absichten sind.

JONES

Ich weiß nicht … Ich bin ja schließlich nicht so wichtig. Wie mich gibt es viele – Tausende, Millionen in unserer Armee. Warum haben Sie mich gerade ausgesucht?

ANSAGER

Vielleicht gerade deshalb. Vielleicht gerade weil es so viele gibt, die so sind wie Sie. Es sind die Joe Jones, die im Krieg entscheiden – und im Frieden auch …

JONES

Mein Name ist Joe Jones. Ich bin ein amerikanischer Soldat. Ich komme aus Steubenville im Staate Ohio. Meine Kameraden und ich haben eine weite Reise gemacht, um hierher zu kommen. Unser Volk hat uns das beste und das wirkungsvollste Kriegsmaterial aller Armeen der Welt zur Verfügung gestellt. Wir glauben nicht an Wunder. Wir glauben an Flugzeuge, Kanonen, Granaten, Panzer und Maschinen. In wenigen Monaten haben wir die deutschen Armeen des Westens überrannt und vernichtet. Was wir uns vornehmen, das führen wir durch. Wir wollen Frieden, Ruhe und Ordnung. Und nicht nur für 25