Regenbogenwolken - Alice Gabathuler - E-Book

Regenbogenwolken E-Book

Alice Gabathuler

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Beschreibung

Vor dreizehn Jahren ist Pippas Vater zu einem Klassentreffen gefahren - und nie zurückgekommen. Und jetzt ist da dieser Brief von einem Unbekannten. »Ich weiss, wo dein Vater ist.« Nur dieser eine Satz. Zusammen mit einer Mailadresse. »Was willst du?«, antwortet Pippa. »Dir sagen, wo dein Vater ist.« »Das kannst du mir auch schreiben.« »Nein, ich will es dir erklären.« »Wer bist du?« »Du wirst mich erkennen, wenn wir uns sehen.« Pippa reist in die alte Heimat ihres Vaters. Mitten hinein ins Auge eines Sturms. Dorthin, wo die Wahrheit über das Verschwinden ihres Vaters liegt. Und das Geheimnis der Regenbogenwolken.

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Seitenzahl: 22

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Ihr Vater hatte ihr von gelben Postautos erzählt, von grantigen Fahrern mit zerfurchten Gesichtern, unzimperlich in der Wortwahl, harsch im Umgang. Sie fuhren nicht nach Geschwindigkeitslimiten, sondern nach Gefühl, wie sie sich auch sonst auf ihr Gefühl, ihren gesunden Menschenverstand und sich selbst verließen. Von denen da oben hatte ihnen auf jeden Fall keiner etwas zu sagen. Man hatte seinen Stolz, seinen sturen Grind und den Föhn, bei ihnen im Rheintal.

Das Postauto, in das Pippa an diesem heißen Sommertag steigt, ist nicht gelb, und es ist auch nicht wirklich ein Postauto, sondern ein blau-weißer Linienbus. Der Fahrer jedoch ist genauso wortkarg wie in den Schilderungen ihres Vaters, aber die wenigen Satzfetzen, die er von sich gibt, deuten auf eine österreichische Herkunft hin. Und die Frauenstimme, die die Haltestellen ab Band ankündigt, klingt so unbeteiligt und neutral wie überall in der Schweiz. Statt eines Billetts mit dem Namen einer Haltestation gibt es eins mit Zonen. Ob das schon vor dreizehn Jahren so gewesen war, damals, als ihr Vater seine alte Heimat besucht hatte?

Pippa hat es nie erfahren, denn ihr Vater ist nicht zurückgekommen. Sie hat gewartet. Tag für Tag, Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr. In ihrer kindlichen Pantasie sah sie ihn am Fenster eines gelben Postautos, wie er zu ihr hinausschaute und ihr winkte. Ein wenig traurig, als wüsste er, dass es ein Abschied für immer war.

Pippas Mutter hat ihr nie erklärt, warum ihr Vater weggeblieben ist, aber sie las ihr jeden Monat aus seinen Briefen vor, die er aus den verschiedensten Ecken der Welt schickte. Darin schilderte er die Orte in den buntesten Farben – nur ein Ort blieb schwarz. Der, in dem die Antwort wohnte, warum jemand, der ihr versprochen hatte, die Sterne vom Himmel zu holen, die Ecken dieser Welt seinem Stern zu Hause vorzog.

Als Pippa in die Oberstufe kam, kappte ihr Vater die Verbindung ganz. Du bist jetzt alt genug, dir die Sterne selber vom Himmel zu holen, schrieb er. An jenem Tag schloss sie ihren Kuschelbär, an dem so viele Erinnerungen hingen, für immer in einer großen Truhe im Estrich weg.

Pippa setzt sich auf einen der hinteren Plätze. Ihr scheint, der Bus rase etwas zu schnell durch die Dörfer, fast wie in den Erzählungen ihres Vaters. An den Haltestellen bremst der Fahrer so hart ab, dass sie auf dem Sitz nach vorne rutscht. Bei der Post steigen zwei ältere Frauen ein. Während die eine die Billette bezahlt, mustert die andere Pippa unverhohlen. Die beiden haben noch nicht Platz genommen, als der Bus mit einem heftigen Ruck anfährt.