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Regieren durch Vorbeugen E-Book

Jozef Zelinka

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Beschreibung

Im Hinblick auf die globale Krise der Mental-Health ist es unerlässlich, Burnout-Prävention als ein Regierungsproblem und Teil eines Präventionsdispositivs ins Auge zu fassen. Ausgehend von der Gouvernementalitätsperspektive zeigt Jozef Zelinka, wie die Prävention psychischer Störungen zur Sicherung der neoliberalen Leistungsgesellschaft eingesetzt wird: Subjekte werden durch kontinuierlichen Gefährdungsdruck und Risikokalkulation zur Selbstführung gedrängt. Die kritische Dispositivanalyse macht diese diskursiven, alltagspraktischen und vor allem materiellen Manifestationen der Prävention sichtbar.

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Jozef Zelinka (Dr. phil.), geb. 1988, hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Fach Politikwissenschaft promoviert und arbeitete im Forschungsprojekt »YOUNG_ADULLLT« (Vergleichende Erziehungswissenschaft). Er forscht zu Subjektivierungsprozessen an der Schnittstelle von Gesundheit, Arbeit und Bildung sowie zu Vulnerabilität und globaler Bildungsindustrie.

Jozef Zelinka

Regieren durch Vorbeugen

Eine kritische Analyse der Burnout-Prävention nach Michel Foucault

Dissertation mit dem Gesamtprädikat summa cum laude (D6) Gutachter: Prof.in Dr. Gabriele Wilde (Universität Münster) und Prof. Dr. Matthias Bohlender (Universität Osnabrück)

Meinem Vater

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial- ShareAlike 4.0 Lizenz (BY-NC-SA). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium zu nicht-kommerziellen Zwecken, sofern der neu entstandene Text unter derselben Lizenz wie das Original verbreitet wird. (Lizenz-Text: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de) Um Genehmigungen für die Wiederverwendung zu kommerziellen Zwecken einzuholen, wenden Sie sich bitte an [email protected] Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber.

© 2022 transcript Verlag, Bielefeld

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5662-6 PDF-ISBN 978-3-8394-5662-0 EPUB-ISBN 978-3-7328-5662-6https://doi.org/10.14361/9783839456620 Buchreihen-ISSN: 2702-9050 Buchreihen-eISSN: 2702-9069

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Danksagung und Widmung

Einleitung

Aktueller Forschungsstand

1   Psychologische Untersuchungen zum Burnout-Syndrom

2   Arbeitssoziologische Beobachtungen zum Burnout-Syndrom

3   Soziokultureller Blick auf das Burnout-Syndrom

4   Kulturgeschichtliche Perspektive auf die Prävention psychischen Leidens

5   Der Mehrwert bisheriger Forschungen und das bestehende Desiderat

Theoretische Grundlage: Machtanalytik Michel Foucaults

1   Geschichte des Denkens als Analyse der Problematisierungen

2   Foucaults Analyseinstrumente

3   Gouvernementalität – ein Denken über das Regieren

Methodologischer Vorgang der Dispositivanalyse

1   Das Konzept des Dispositivs bei Michel Foucault

2   Wissenschaftliche Rezeption Foucaults Dispositivbegriffs

3   Operationalisierung der Dispositivanalyse

Empirischer Teil: Kritische Analyse des Präventionsdispositivs

1   Diskurs

2   Nicht-diskursive Praktiken

3   Objektivationen/Vergegenständlichungen

4   Subjektivation/Subjektivierung

5   Gesellschaftstheoretische Kontextualisierung

6   Verknüpfungen zwischen den dispositiven Elementen

Diskussion der Ergebnisse

1   Landschaft des Präventionsdispositivs

2   Machteffekte und Widerstandspotentiale

3   Regieren durch Vorbeugen

Schluss und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schritte der Dispositivanalyse

Abbildung 2: Entwicklung des Präventionsdiskurses

Abbildung 3: Sechs leitende Schwerpunkte aus der Analyse der Selbsterfahrungsberichte von Burnout-Betroffenen

Danksagung und Widmung

Dieses Forschungsprojekt hat sich über sechs Jahre erstreckt. Während dieser Zeit haben mich zahlreiche Menschen und Organisationen unterstützt, an die ich die folgenden Worte des Dankes adressieren möchte.

Das Projekt würde undenkbar gewesen sein ohne die Zustimmung und kontinuierliche, geduldige Unterstützung von meiner Betreuerin Frau Prof.in Dr. Gabriele Wilde aus dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster. Mit ihrer Offenheit und Präzision konnte sie mir auch in den schwierigsten Phasen zuhören und den richtigen Weg für die Entwicklung meiner Thesen weisen. Der Abgleich meines Exposees mit der finalen Version des Projekts ist für ihr Engagement der beste Beweis. Gleichzeitig möchte ich mich bei meinem zweiten Betreuer, Prof. Dr. Matthias Bohlender aus dem Institut für Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück, für seine Bereitschaft bedanken, mir die Sichtweise auf die komplexe Problematik, die ich zu behandeln versuchte, um neue und frische Perspektiven zu erweitern. Nicht zuletzt konnte ich auch die intensive wissenschaftliche Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Marcelo Parreira do Amaral aus dem Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Münster während meines letzten Projektjahrs genießen und von seiner Arbeitsweise viel für meinen eigenen Forschungsstil übernehmen. All meinen Betreuern möchte ich hiermit mein tiefstes Dankgefühl ausdrücken und hoffe, ihr fachliches Renommee durch meine weitere Forschung zu bestätigen.

An der Graduate School of Politics (GraSP) des Instituts für Politikwissenschaft konnte ich vielen interessanten Mitarbeitern1 begegnen. An dieser Stelle möchte ich zuerst dem geschäftsführenden Direktor der GraSP, Herrn PD Dr. Matthias Freise, meinen Dank für seine Hilfsbereitschaft, seine ermutigende Zugangsweise und seinen korrekten Umgang mit all meinen Belangen ausdrücken. Des Weiteren möchte ich mich den Mitgliedern der Forschungsgruppe Gouvernementalität, namentlich Alexia, Antonia, Henrike, Christiane, Isabelle-Christine, Stephan, Stephanie, Tobias und Ulrich, für ihr engagiertes und konstruktives Interesse an meinem Forschungsthema bedanken und ihnen viel Erfolg in ihren wissenschaftlichen und persönlichen Bemühungen wünschen. Zudem möchte ich meine Dankesworte an die Freunde richten, mit denen ich das Projekt mitdiskutieren und mitschreiben konnte und die mich mit ihren Ansichten, Ratschlägen und Erfahrungen professionell und menschlich geprägt haben. Mein Dankeswort geht vor allem an Aditi, Andrea, Andrew, Deodatus, Elnur, Emmy, Christina, Janina, Sylwia, Tobias und Yimei.

Für die ersten zwei Jahre sowie in den schwierigen Überbrückungsphasen meines Projekts konnte ich mit der finanziellen Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) rechnen. Die Stipendien gaben mir Sicherheit und sorgten für einen festen Boden, auf dem ich wachsen und forschen konnte. Dafür möchte ich mich besonders bedanken und mit dem erfolgreichen Ende des Projekts bezeugen, welch wichtige und relevante Rolle diesem öffentlichen Dienst zukommt.

An den Wurzeln meines Forschungsinteresses und meiner ersten Schritte in Richtung Wissenschaft standen Menschen, denen ich viel zu verdanken habe. Ich denke hier an meine Familie, für die meine Entscheidung nicht einfach war und die mich trotzdem mit allen Kräften gefördert und unterstützt hat. Ich denke an meinen besten Freund Ján, der den Mut hatte, an mich zu glauben, wo ich den Glauben an mich fast verloren hatte. Ich denke hier an meine Lektorin Heike, die für meine Vorbereitung auf den deutschen Sprachkurs Unmögliches geleistet und mich für meinen Forschungsaufenthalt mit perfekten Kenntnissen ausgestattet hatte. Ich denke hier an meinen Begleiter und Freund Ludger, der mich in alle Richtungen wachsen ließ und mich in schweren Phasen immer unterstützt hat. Ich denke hier an die Mitglieder meiner Selbsthilfegruppe, die mich mit ihrer Kraft, ihrer Erfahrung und ihrer Hoffnung bereichert und mir den Mut zur Veränderung damit geschenkt haben. Ich denke hier an meine Freundin Ursula, die mir mit ihrer Gastfreundlichkeit und ihrem netten Wort beigestanden hat. Ich denke hier an Amand und Kornelia, die bereit waren, ihre Erfahrungen mit dem Burnout-Syndrom mit mir zu teilen und mich durch ihr Engagement für eine gerechtere und liebevollere Welt zu inspirieren. Ich denke hier an Frau Monika Junge-Wentrup, die sich bereiterklärt hat, die Lesekorrektur meines Forschungsprojekts mit Interesse und Neugier zu übernehmen.

Zuletzt möchte ich dieses Projekt und all die Bemühungen und Krisen, die während seiner Fertigung entstanden sind, meinem Vater widmen, von dessen plötzlichem Tod ich erfuhr, als ich die ersten Zeilen des Projektentwurfs an meine Betreuerin schrieb. Die EMail habe ich damals gelöscht und in einem Jahr erneut geschrieben. Ich konnte seinen Tod nicht vorhersehen. Und nicht vorbeugen.

Münster, 24. Mai 2019

Jozef Zelinka

1Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form mitgemeint.

Einleitung

»Ich versuche, die impliziten Systeme zu verstehen, die unsere vertrautesten Verhaltensweisen bestimmen, ohne dass wir es bemerken. Ich versuche ihre Herkunft zu klären, ihre Entstehung nachzuzeichnen und die Zwänge aufzuzeigen, die sie uns auferlegen. Ich versuche also, auf Distanz zu diesen Systemen zu gehen und zu zeigen, wie man sich ihnen entziehen könnte.«Foucault [1971] 2002: 2341

Nimmt man ein Buch zum Thema Burnout-Syndrom2 in die Hand, so erwartet man darin etwas über seine Ursachen, seinen Verlauf, seine Auswirkungen auf die Gesundheit oder einfach ein paar kluge Tipps und Ratschläge zu seiner Vorbeugung zu finden. Im vorliegenden Buch ist das nicht der Fall. Burnout, besser gesagt die Burnout-Prävention, wird hier als eine neoliberale Macht- und Regierungstechnologie nach Michel Foucaults Verständnis betrachtet und untersucht. Als eine Technologie, deren Ziel die Aufrechterhaltung und Sicherstellung der neoliberalen Leistungsgesellschaft ist. Indem die letztere nicht nur Umweltressourcen, Finanzkapital oder Produktionskräfte, sondern auch psychisches Vermögen vereinnahmt und für neoliberale Zwecke der Effektivität und Optimierung instrumentalisiert, steigt der Preis dafür mit derselben Geschwindigkeit wie die Zahl erschöpfter und burnoutleidender Individuen. Dieser Steigerungszwang führt am Ende, mit Harmut Rosa gesprochen, »zu einer problematischen, ja gestörten oder pathologischen Weltbeziehung der Subjekte und der Gesellschaft als ganzer«, die sich instruktiv »an den großen Krisentendenzen der Gegenwart« studieren lässt (Rosa 2016: 14). Zu dieser Tendenz gehört auch die globale Psycho- bzw. Mental-Health-Krise. Profisportler wie Sven Hannawald oder Sebastian Deisler, Fußballtrainer wir Ralf Ragnick oder Ottmar Hitzfeld, Popstars wir Mariah Carey, Ricky Martin oder Eminem, Fernsehstars wir Tim Mälzer oder Politiker wie Matthias Platzeck stellen die besten Beispiele hierfür. Mittlerweile belegen zahlreiche Studien der Krankenkassen, dass die Arbeitsfehlzeiten wegen psychischer Störungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. So kamen nach den Angaben der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) im Jahr 2004 auf 1.000 ihrer Mitglieder durchschnittlich 8,1 Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) aufgrund von Burnout-Erkrankungen. Im Jahr 2017 waren es bereits 116,7 AU-Tage (vgl. Statista 2019). Psychische Störungen, darunter auch das Burnout-Syndrom, führen zudem zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden. Die Produktionsausfallkosten und der Ausfall an Bruttowertschöpfung im Zusammenhang mit psychischen und Verhaltensstörungen steigen beispielsweise in Deutschland kontinuierlich jedes Jahr, von insgesamt 26,3 Mrd. € (Jahr 2015) auf 36,1 Mrd. € (Jahr 2019) (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2021). Zum Vergleich haben im Jahr 2019 zwei Ministerien, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Gesundheit, zusammen 33,4 Mrd. € erhalten (vgl. BMF 2018). Außerdem sorgen psychische Störungen für einen schnelleren Anstieg der Erwerbsminderungsrenten und belasten zusätzlich die Solidargemeinschaft und Rentenleistungen (vgl. DRV 2014). Schließlich zeigen Umfragen, dass sich jeder zweite Bundesbürger durch das Burnout-Syndrom bedroht fühlt (vgl. aerzteblatt 2018). So betrachtet wundert es keinen, dass die Vorbeugung von Burnout und ähnlichen Störungen gesellschaftlich notwendig und legitim erscheint. Jedoch, genau diese natürliche, rational begründete, unproblematisch erscheinende und fraglose Selbstverständlichkeit präventiver Maßnahmen steht im Mittelpunkt der folgenden kritischen Analyse, die ihre selektive Wirkung und innewohnenden Machtpraktiken aufzuzeigen sucht (vgl. Baele & Lemke 2008: 50). Dabei soll an erster Stelle weder die Entwicklung der Leistungsgesellschaft noch die Etablierung einer Präventionspolitik ins Auge gefasst werden, obwohl beide Bereiche in unterschiedlicher Tragweite analysiert werden. Stattdessen soll der Zusammenhang zwischen Burnout-Prävention einerseits und unseren Selbstmodi andererseits aufgezeigt werden. Was aus der Analyse dieses Zusammenhangs hervorgehen soll, ist ein veränderter Blick auf die diskursive, alltagspraktische, aber auch materielle Umgebung, in der wir leben, sowie auf die Regierungs- und Machtverhältnisse, die unsere Möglichkeiten der Selbstführung und gesellschaftlicher Partizipation durch Praktiken der Vorbeugung vorstrukturieren und determinieren.

Das Burnout-Syndrom ließe sich als Teil eines umfassenden neoliberalen Ensembles und die Burnout-Prävention als einer von vielen Versuchen, jene neoliberale Produktions- und Lebensweise zu erhalten, entschlüsseln. Sodann signalisiert die Seins-Erfahrung von Burnout-Betroffenen, d.h. ihr Kontrollverlust und ihre Ohnmacht, dass die Macht als Kernpunkt gesellschaftlicher Verhältnisse dort ersichtlich wird, wo Störungen, Brüche, Widerstände oder Fehlpassungen auftreten. Somit stellt das Burnout-Syndrom eine Systemstörung nicht nur der globalen Mental Health, sondern auch der neoliberalen Hegemonieordnung dar (vgl. Demirović 2008b; Kastrup 2013). Seine Prävention soll dagegen, ähnlich wie andere neoliberale Technologien, die Verantwortung dafür »in den Zuständigkeitsbereich von kollektiven und individuellen Subjekten (Individuen, Familien, Vereine etc.)« übertragen und zum Problem der Selbstsorge werden (Lemke 2000: 9). Mit der Analyse der Burnout-Prävention wird allerdings das Vorhandensein eines größeren Machtregimes—eines Dispositivs—angedeutet. Nach Foucault wird mit dem Dispositiv ein Netz zwischen verschiedenen zusammenwirkenden Elementen, den Diskursen, nicht-diskursiven Praktiken, Objektivationen und Subjektivierungsprozessen erstellt, um auf einen auftretenden Notstand, hier den Verfall des neoliberalen Projekts, einzuwirken. Daraus ergibt sich auch die leitende Forschungsfrage, die am Beginn des hier zusammengefassten Forschungsprojekts stand, und zwar die Frage: Inwiefern hat sich Burnout-Prävention als Teil eines neoliberalen Präventionsdispositivs etabliert (vgl. Bröckling 2012: 99; Rauer/Junk/Daase 2014 [Herv. J. Z.]) und welche Machteffekte und -wirkungen sind damit einhergegangen? Gegliedert in weitere Unterteile ließe sich dann fragen: Wie werden Burnout und seine Prävention diskursiv hervorgebracht? Welche Praktiken, Handlungen und Eingriffe in das individuelle wie kollektive Leben werden mit Verweis auf Burnout-Prävention legitim? Auf welchen rechtlichen und unternehmensbasierten Wegen wird die Prävention von Burnout und weiteren psychischen Störungen im Alltag präsent und in die Selbstwahrnehmung von Individuen integriert? Wie wird diese Regierungstechnologie in den Leben von Burnout-Betroffenen wirksam und wie verbreitet sich ihre Wirkung auf die gesamte Gesellschaft als Rationalität, Vergegenständlichung und Subjektmodus? Wie entstehen anhand der Burnout-Prävention Leitlinien, Handlungsleitfaden, Empfehlungen und Initiativen zur Selbstsorge? Wie werden durch die Prävention des Burnout-Syndroms die neoliberalen Leistungs- und Produktionsrationalitäten unhinterfragbar gemacht? Wie wird durch die Prävention regiert?

Um auf die aufgezählten Forschungsfragen einzugehen, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts folgende drei Ziele gesetzt und verfolgt:

•Zum einen sollte mit der kritischen Analyse der Burnout-Prävention untersucht werden, wie sich der Diskurs um Burnout-Prävention entwickelt hat und inwiefern sich diese Entwicklung in nicht-diskursiven Praktiken, Gegenständen und Subjektmodi vollzogen und gesellschaftlich verankert hat.

•Zum anderen bemühte sich die Analyse der Burnout-Prävention darum, die wirkenden Machteffekte sowie die unterschiedlichen Arten von Widerstandspotentialen und –optionen zu erhellen.

•Schließlich befolgte die kritische Auseinandersetzung mit der Burnout-Prävention das Ziel, die Mechanismen der hier untersuchten Regierungsart—des Regierens durch Vorbeugen—zu entschlüsseln und deren charakteristische Wesenszüge zu hinterfragen.

Die vorgeschlagene Forschungsperspektive eröffnet ein Feld möglicher Problemstellungen, die das Vorhandensein der Burnout-Prävention nach sich zieht. Problematisch erscheint in dieser Hinsicht zum einen die Tatsache, dass über die Prävention des Burnout-Syndroms Maßnahmen eingeleitet werden, die die ganze Gesellschaft fokussieren und Einfluss auf jeden Einzelnen nehmen. Indem eine berufliche Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendig ist und sie gleichzeitig auf ihre möglichen Gefährdungen für die physische und psychische Gesundheit untersucht wird, erstreckt sich die Prävention praktisch auf jedes berufstätige bzw. in soziale Versicherungs- und Rentensysteme eingebundene Individuum. Dabei bleibt allerdings unklar, welche (Neben)Effekte durch das Einleiten von Präventionsmaßnahmen entstehen und wie genau die Individuen davon betroffen sind.

Außerdem wird die Einleitung von präventiven Maßnahmen von anderen Prozessen begleitet, die nicht nur die Sphäre der Gesundheit und Arbeit betreffen, sondern auch die Art und Weise, wie gesellschaftliche und individuelle Entscheidungen getroffen werden. Dies erscheint problematisch insbesondere im Hinblick auf die Identifikation und Behandlung von relevanten Regierungsproblemen. Die Prävention richtet sich nämlich von ihrer Natur her auf zukünftige Zustände und verschiebt den Fokus in Richtung Risikokalkulation und Vorbeugung. So werden mögliche Szenarien entwickelt, die eine momentane Behandlung erfordern. Wie anhand dieser Logik Regierungsgegenstände identifiziert und ihre Regierbarkeit begründet werden, wird jedoch nicht eindeutig.

Schließlich wird dank der Dringlichkeit, mit der stressverursachte Störungen wie das Burnout-Syndrom individuelles wie gesellschaftliches Unbehagen hervorrufen, die Burnout-Prävention als ein notwendiger Bestandteil des Regierens auf verschiedenen Ebenen klassifiziert. Damit wird ein Perspektivenwechsel erzeugt, mit dem die gesellschaftlichen Probleme durch eine Schablone der Vorbeugung betrachtet werden. Statt also danach zu fragen, wie Burnout als öffentliches Thema entstanden ist und welche Machtwirkungen, Normalisierungs- und Ausschließungsprozesse mit seiner Prävention einhergehen, richtet sich der allgemeine Diskurs darauf, Burnout als handelbares Problem und seine Vorbeugung als temporale Angelegenheit darzustellen, was seine kritische Hinterfragung verunmöglicht.

Den Präventionsdispositiv zu untersuchen heißt demnach, die andere, abgewandte Seite der Burnout-Prävention zu beleuchten und zu hinterfragen:

»Lasst uns die Struktur dieses Denk- und Handlungsmusters und seine Paradoxien explizieren, lasst uns verstehen, was man tut, wenn man präventiv handelt, welche Prämissen dabei nicht selten implizit am Werke sind, wie man überhaupt dazu kommt, Ereignisse, Zustände, Entwicklungen, Prozesse etc. als unerwünscht zu definieren, welche Mechanismen und Mächte dabei eine Rolle spielen und so weiter und so fort.« (Lüders & Kappeler 2016: 91)

Mit dem Erforschen dieser komplexen Zusammenhänge und Machteinflüsse sollen gleichzeitig Erkenntnisse mit unterschiedlicher Tragweite geliefert werden:

•Erstens, die Erforschung des Präventionsdispositivs soll die Hypothese überprüfen, ob mit seiner Hilfe das Aufrechterhalten des neoliberalen Regierungsregimes gesichert und damit das Auflösen seiner Hegemonie verunmöglicht werden soll. Die Kritik des Neoliberalismus richtet sich nicht selten auf die Mechanismen, mit denen sich dieses politische Hegemonieprojekt seinen Machteinfluss sichern und sein Erlöschen verhindern möchte (vgl. Butterwegge et al. 2017). Die Forschung soll demnach erhellen, ob das Präventionsdispositiv Teil eines solchen Schutzmechanismus darstellt und gleichzeitig mit seiner Analyse verdeutlichen, wie sich dieser gegen seine Auflösung wehrt.

•Zweitens, der Mehrwert dieser Untersuchung bezieht sich darauf, den Forschungsansatz Michel Foucaults zu vertiefen und für die gegenwärtigen Analysen fruchtbar zu machen. Die analytische Ansatzweise Foucaults erfährt in den letzten Jahren eine scharfe Kritik (vgl. Preparata 2007; Zamora & Behrent 2016; Thiel 2017). Auch von den Vertretern Foucault’scher Forschungsinstrumente wird bemängelt, dass seine Konzepte eingesetzt werden, ohne dabei eine Weiterentwicklung oder Überarbeitung zu erfahren (vgl. Bröckling & Krasmann 2010: 32). Die vorliegende Forschung beabsichtigt daher, die Forschungsweise Michel Foucaults für die gegenwärtige Kritik der Regierungsverhältnisse anzuwenden und anhand der Bearbeitung eines konkreten Forschungsgegenstands—der Burnout-Prävention—den Blick auf die diese zu schärfen und ihre Kontingenz aufzuzeigen.

•Drittens, indem das Präventionsdispositiv kritisch analysiert werden soll, bemüht sich die vorliegende Forschung darum, den methodologischen Ansatz bzw. den Forschungsstil der Dispositivanalyse zu erproben. Die analytische Kategorie des Dispositivs wird in verschiedenen Zusammenhängen und Kontexten verwendet (vgl. Peter & Waldschmidt 2017; Stielike 2017; von Köppen 2017). Allerdings wird selten ein Dispositiv in seinen konkreten Dimensionen und wirkmächtigen Funktionsweisen handfest erforscht. Der Großteil dieser Untersuchung widmet sich daher einer detailreichen Analyse des Dispositivs der Prävention und versucht, diesen analytischen Vorgang mit empirischen Belegen zu unterstützen und damit die Dispositivanalyse als einen gewinnbringenden Ansatz voranzutreiben.

•Viertens, die Erfahrung des Burnouts zwingt zu einem radikalen Umdenken darüber, wie und wann ein Widerstand gegen immanente Regierungsstrukturen geleistet werden kann. Wenn die Betroffenen über Restkräfte verfügen und sich kollektiv oder individuell widersetzen können, gelingt die Formulierung eines Widerstandsentwurfs weniger problematisch. Deutlich anstrengender wird ein solcher Entwurf dann, wenn die Betroffenen derart physisch oder psychisch kraftlos sind, dass keine Handlung oder Reaktion ihrerseits möglich ist. Diese Untersuchung nimmt daher die Erfahrung der völligen Ohnmacht als Ausgangspunkt für das Nachdenken darüber, ob und wie ein Widerstand im Zustand der totalen Kraftlosigkeit geleistet werden kann.

Das Buch enthält einen konzeptuellen Teil, eine empirische Analyse des Präventionsdispositivs und eine Diskussion der gewonnenen Ergebnisse.

Innerhalb des konzeptuellen Teils werden der aktuelle Forschungsstand, der theoretische Hintergrund und der methodologische Vorgang der Dispositivanalyse vorgestellt. Im Rahmen des aktuellen Forschungsstands werden vier unterschiedliche Themenbereiche differenziert, ihre Befunde und Perspektiven beleuchtet sowie ihr wissenschaftlicher Beitrag und die bestehende Forschungslücke präsentiert. Danach wird dem Leser Michel Foucaults Machtanalytik vorgestellt, da sie den zentralen theoretischen Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung bildet. Um einen vertieften Einblick in seine analytischen Kategorien und Vorgangsweisen zu ermöglichen, werden sein Zugang zur Untersuchung einer Geschichte der Gegenwart, seine analytischen Instrumente, gruppiert um drei zentrale Forschungskategorien—Macht, Wissen, Subjekt—, sowie sein Verständnis der Regierungsverhältnisse als einer Gouvernementalität vorgestellt. Anschließend wird der Forschungsstil der Dispositivanalyse präsentiert, inclusive Foucaults Untersuchung der Dispositive, ihrer wissenschaftlichen Rezeption und der anschließenden Ableitung und Operationalisierung des hier gebrauchten Analysevorgangs. Der konzeptuelle Teil leitet die hier gebrauchten Kategorien ein und ordnet die vorgenommene Forschung in das Repertoire kritischer Studien gesellschaftlicher Verhältnisse ein. Er kann sowohl als selbstständige Anweisung zum Verständnis und Gebrauch theoretischer und methodologischer Instrumente Michel Foucaults sowie als Übergang zur Analyse des Präventionsdispositivs gelesen werden. Vor allem die Diskussion des aktuellen Forschungsstandes enthält zahlreiche Hinweise für eine weitere Erforschung psychischer Störungen und ihrer Rezeption, Prävention und Instrumentalisierung.

Die zentrale empirische Analyse wird in sechs Schritten vorgenommen. Im ersten Schritt wird der Diskurs um Prävention nach der Aufteilung Jürgen Links (2007) in Spezial, Inter- und Elementardiskurs kritisch angegangen. Dabei werden in der Spezialdiskursanalyse offizielle Dokumente zum Arbeitsschutz und zur Prävention, in der Interdiskursanalyse die Literatur zum betrieblichen Gesundheitsmanagement und zur Lebensberatung und in der Elementardiskursanalyse die Selbsterfahrungsberichte von Burnout-Betroffenen als Analysemateriale herangezogen. Der diskursive Teil bildet den Kern der Dispositivanalyse und wird daher ausführlicher als die restlichen Teile gestaltet. Im zweiten Schritt werden nicht-diskursive Praktiken analysiert, in welchen die präventive Praxis in Form von Handlungen und Verhaltensweisen vorzufinden ist und die teils akribisch und teils mithilfe von Unternehmenspraktiken abgebildet werden. Im dritten Schritt werden Objektivationen bzw. Vergegenständlichungen vom präventiven Wissen analysiert. Hierin werden Objekte und Gegenstände untersucht, die entweder ein direktes Resultat der Burnout-Prävention darstellen oder auf diese indirekt verweisen und gleichzeitig ihr diskursives Wissen enthalten und materialisieren. Im vierten Schritt werden Subjektivationen analysiert, d.h. die Art und Weise, wie sich Individuen als Subjekte der Burnout-Prävention verhalten, und gleichzeitig wird gezeigt, welche Subjektmodi im Verweis auf Burnout-Prävention entstehen und diskursiv verfestigt werden. Im fünften Schritt wird der Präventionsdispositiv gesellschaftstheoretisch kontextualisiert und mit Blick auf soziale Wandlungen in fünf Themenfeldern—Demokratie, Arbeit, Gesundheit, Risiko, Sicherheit—diskutiert. Schließlich werden im sechsten Schritt die analysierten Dispositivelemente in Zusammenhang zueinander gebracht und in ihrer Abhängigkeit voneinander und wechselseitiger Bedingtheit präsentiert. Die jeweiligen Unterteile enthalten Zwischenfazits, in denen die vorläufigen Ergebnisse zusammengefasst werden, um die Komplexität des analysierten Materials zu reduzieren und einen verbindenden Leitfaden für den Leser anzubieten. Wie im Fall des konzeptuellen Teils bietet die empirische Analyse mehrere Anhaltspunkte und kann in Bezug auf ihre jeweiligen Teile weiter untersucht und vertieft werden, ohne dabei das Präventionsdispositiv erneut rekonstruieren zu müssen.

Mit Blick auf die zentrale Forschungsfrage und die daran anknüpfenden Teilfragen werden im letzten Teil die Ergebnisse diskutiert. Dabei werden die Hauptziele der Forschung und die Zwischenfazits berücksichtigt. Abschließend bietet der Schluss einige Anhaltspunkte für weitere Forschung im Rahmen der Kritik neoliberaler Gesellschaftsverhältnisse.

Das Regieren durch Vorbeugen stellt insofern ein Problemfeld dar, als es unbeachtet eine Totalität gouvernementaler Ordnung installiert, d.h. dass das Regime der Führung zur Selbstführung—die Gouvernementalität—stiller und reibungsloser denn je den Gesellschaftskörper durchdringen kann. Unbeachtet, da die Prävention keineswegs als problematisch oder ungewollt auftritt. Dieser Tendenz zu entgegnen, die tückischen Machttechnologien neoliberaler Provenienz bloßzustellen und »zu zeigen, wie man sich ihnen entziehen könnte« (Foucault [1971] 2002: 234), soll die Aufgabe des vorliegenden Buches sein.

1In eckigen Klammern wird das Jahr der Originalausgabe des Werks zitiert, damit die Aussagen zeitgemäß verortet werden. Gerade bei Michel Foucault, dessen Denken durch einen kontinuierlichen Wandel gekennzeichnet ist, spielt der zeitliche Rahmen seiner Aussagen eine bedeutende Rolle für das Verständnis seines Werks.

2Die Wörter Burnout-Syndrom und Burnout werden im Buch, soweit nicht zitiert, synonym verwendet.

Aktueller Forschungsstand

Die Diskussion um das Burnout-Syndrom wird von verschiedenen Forschungssträngen geführt. Prominent sind dabei vor allem die psychologischen und arbeitssoziologischen Disziplinen und Erklärungsansätze vertreten, die im Burnout eine Zivilisationskrankheit der Leistungsgesellschaft erblicken (vgl. Hillert & Marwitz 2006), der »als Ursache einer eingeschränkten Lebensqualität und Leistungsfähigkeit sowie krankheitsbedingter Fehlzeiten und eines vorzeitigen Berufsausstieges (Disability), [eine] wachsende Bedeutung zu[kommt].« (Weber & Hörmann 2007: 22)1 Das Burnout-Syndrom wird auch aus der soziokulturellen Perspektive problematisiert, und zwar im Hinblick auf die Ursachen, die seine Erscheinung begleiten und damit auf grundlegende gesellschaftliche (Miss)Verhältnisse hinweisen. Schließlich ließe sich auch ein kulturgeschichtlicher Forschungsstrang identifizieren, welcher sich mit dem Thema des psychischen Leidens auseinandersetzt und seine historischen Wandlungen beschreibt. Im Folgenden wird sich daher die Diskussion um den aktuellen Forschungsstand um die vier obengenannten Perspektiven zentrieren, um deren Mehrwert und Bedeutung für diese Untersuchung, sowie die Leerstellen, die sie nicht ausfüllen, zu explizieren.

1Psychologische Untersuchungen zum Burnout-Syndrom

Die psychologischen und psychosozialen Untersuchungen des Burnout-Syndroms haben eine lange Tradition.2 Allerdings stellt »das schwerwiegendste Hindernis für eine fundierte Erforschung des Burnout-Syndroms […] zweifellos das Fehlen einer handhabbaren Definition dar, die überzeugen könnte« (Maslach 1982b zit.n. Burisch 2014: 14), was seine begriffliche Bestimmung erfordert.

1.1Bestimmung des Burnout-Syndroms

Das englische Wort to burn3 hat eine vielschichtige Bedeutung. Zuerst evoziert es ein Brennen oder Durchbrennen eines Materials oder eines Objekts. Doch es hat »auch die Bedeutung des Wünschens, voller Leidenschaft oder Gefühl, begierig oder feurig zu sein, z.B. he burns to do great things oder sexuell erregt zu werden (better marry than burn).« (Rook 1998: 100)4 In der Psychologie gehört dagegen der Begriff Burnout zu hypothetischen Konstrukten, »die sehr weit entfernt von einer sinnlich direkt erfassbaren Realität stehen« (a.a.O.: 105), was die Suche nach seiner verallgemeinernden Definition erschwert. Er ließe sich nämlich »ebenso wenig direkt erfassen, wie z.B. ›Seelenstärke‹, ›Identität‹, ›Gott‹ oder ›Kommunismus‹.« (Ebd. [Herv. i. O.])

Abgesehen von den begrifflichen Nuancen, hat sich in der Psychologie inzwischen eine mehr oder weniger feste Arbeitsdefinition seines Entstehens und seiner Begleiterscheinungen durchgesetzt. Demnach ist Burnout ein

»dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand ›normaler‹ Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung (distress), einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber lange unbemerkt bleiben.« (Schaufeli & Enzman 1998: 36 zit.n. Burisch 2014: 22 [Herv. i. O.])

Das Burnout-Syndrom, wie auch etliche andere gegenwärtige psychische Störungen, zieht den Menschen in eine Abwärtsspirale hinein, in deren Zentrum Ziele, Wünsche und Bedürfnisse stehen, »die entweder gar nicht, nicht mehr oder nur unter Hintanstellung der meisten anderen Ziele zu realisieren sind. Bei dem Versuch, das Verlangte doch noch zu erreichen oder zu sichern, werden die Anstrengungen immer verzweifelter […]. Schließlich, wenn die Kraftreserven schwinden, tritt ein Erschöpfungszustand ein. Das Aufgeben des Ziels scheint aber ebenso unmöglich zu sein wie seine Erreichung.« (Burisch 2014: 8) Zu den Faktoren, die einen solchen Zustand auslösen können, zählt auch das »Auseinanderklaffen der Erwartungen, die ein Individuum an eine gewisse Rolle geknüpft hat, und den realen Erfahrungen mit der Einnahme der Rolle.« (Lauderdale 1982 zit.n. Burisch 2014: 47)

Tatsächlich wurde die Diskrepanz zwischen den gesetzten Zielen und der erfahrenen Realität in den Anfängen der Burnout-Forschung bei vielen Autoren thematisiert (vgl. Maslach & Pines 1977; Freudenberger & Richelson 1980; Perlman & Hartman 1982). Zudem hat sich am Anfang eine Vorstellung verfestigt, dass Burnout in bestimmten Berufen, in denen ein häufiger Kontakt mit Klienten stattfindet, wie etwa Ärzte, Lehrer, Seelsorger, Krankenpfleger, Erzieher u.a., viel wahrscheinlicher auftritt. Einerseits soll das häufige Auseinandersetzen mit einem andersartigen Weltbild das eigene Weltbild in Frage stellen und dadurch das Ausbrennen bewirken. Andererseits benötigen all diese Berufe eine aktive emotionale Hinwendung, auf die sich die anderen nicht immer einlassen (können). Dadurch wird »unser Bedürfnis, zu glauben, dass unser Leben sinnvoll ist, dass die Dinge, die wir tun – und also wir selbst – von Nutzen und wertvoll sind« untergraben (Pines 1993: 33 zit.n. Burisch 2014: 71). Die daraus entstehende Diskrepanz von Hingabe und fehlender Zuwendung kann bei den Menschen zur Frustration, Aktivierung des Schutzmechanismus oder zu einer Depression führen und dadurch das Burnout-Syndrom einleiten. Über lange Zeit wurde also die Entwicklung dieser Störung gewissen Berufsarten zugeschrieben, »von denen nicht nur Hilfe im technischen Sinne erwartet wird, sondern auch emotionale Zuwendung, (also Versorgen, Beraten, Anleiten, Heilen, Schützen) die, weil professioneller Natur, beim Ausbleiben von Gegenseitigkeit nicht versiegen darf.« (Burisch 2014: 25)

Das heutige Wissen über die unterschiedlichen Berufsgruppen, die von dieser Störung betroffen sind, beweist jedoch, dass Burnout mit situationsabhängigen Nuancierungen und auslösenden Bedingungen »an jedem Arbeitsplatz, im Privatleben und auch in der Arbeitslosigkeit auftreten kann.« (a.a.O.: 241) Dem liegt die Annahme zugrunde, dass »alle oder nahezu alle Berufe bei genauerer Betrachtung ihre Schattenseiten haben« (a.a.O.: 73), d.h. den Stresssituationen ausgeliefert sind.5 Stress ist demnach das Schlüsselwort zum Verständnis des Burnout-Syndroms.

1.2Stress als Grundlage psychischer Störungen

Der Stress wird oft als Ursache vieler psychischer Störungen und Krankheiten bezeichnet. Dabei handelt es sich beim Stress um eine hybride Entität6, »die zwar endokrinologisch messbar, von der individuellen und kollektiven Wahrnehmung und Deutung jedoch nicht zu trennen ist.« (Kury 2012: 24) In den letzten Jahren hat sich auf dieser Basis ein spezifischer Bereich der Medizin ausdifferenziert, die sog. Psychoneuroimmunologie. Es handelt sich um einen Forschungszweig, der sich damit befasst,

»wie experimentell erfassbare Strukturen wie das Nervensystem, Hormone und Drüsen zusammen mit dem Immunsystem Körper, Psyche und Geist des Menschen in einem ausbalancierten Gleichgewicht halten. Man weiß heute, dass alle Systeme oder alle Ebenen, die den komplexen menschlichen Organismus ausmachen, miteinander verbunden sind. Jeder Impuls, jede Information nimmt ganz verschiedene Wege: Sie nimmt den Weg von Gedanken, sie nimmt den Weg von Hormonen und anderen Botenstoffen, die sie durch das Nervensystem weitervermitteln.« (Kübel 2000: 57)

Der Stress als »die Antwort des Organismus auf Einflüsse, die ihn aus seinem harmonischen Gleichgewicht bringen können« (a.a.O.: 58), kann sich dann entweder auf genetische Faktoren beziehen oder mit dem Stoffwechsel zusammenhängen.

Die genetischen Ursachen lassen sich laut Psychologen deutlich erkennen und identifizieren. So ist, z.B. die Depression »zu 70 Prozent genetisch bedingt […] und nur zu 30 Prozent von der Umwelt beeinflusst.« (Reuter 2016: 44) Laut einer Zwillingsstudie kommt dagegen bei dem Burnout ein Drittel auf das Konto der Gene und der Rest auf die Umwelt (vgl. Blom et al. 2012 in Reuter 2016).

Auch der Zellstoffwechsel spielt beim Entstehen des Stresses eine tragende Rolle: »Burnout ist kein ausschließliches Problem der Psyche – Burnout findet immer auch stofflich statt. Nämlich dann, wenn in Ihrem Körper, in jeder einzelnen Zelle die Energieproduktion immer mehr abnimmt.« (Eichinger & Hoffmann 2016: 12) Durch den Zellstoffwechsel gewinnt unser Körper Energie, welche sich in Mitochondrien speichert. »Im Idealfall läuft die Energiegewinnung in den Mitochondrien ständig auf Hochtouren. Die Zellen haben somit genug Energie, um ihre Leistungen zu erbringen. In einem solchen Zustand fühlen wir uns entsprechend leistungsfähig und gesund. Anders jedoch bei chronischem Energiemangel in der Zelle – ihn nehmen wir subjektiv als Müdigkeit oder auch Erschöpfung wahr.« (a.a.O.: 28) Und beim Burnout-Syndrom korreliert dann das »subjektive Gefühl von Energiemangel und Müdigkeit […] mit einer messbaren Energiestoffwechselstörung in der Zelle.« (Ebd.)

Außer den genetischen oder biologischen stressbedingten Faktoren, die das Burnout-Syndrom auslösen und fördern können, existieren auch zahlreiche exogenen Faktoren, die vor allem im Bereich der Arbeit zu identifizieren sind.

2Arbeitssoziologische Beobachtungen zum Burnout-Syndrom

Eine wesentliche Rolle bei der Erhöhung des Stressniveaus schreiben die Arbeitssoziologen zum einen den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre zu. Hier gehören Tendenzen wie der »Primat der Ökonomie, anhaltende hohe Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit, diskontinuierliche Erwerbskarrieren.« (Weber & Hörmann 2007: 22) Zum anderen erhöhen das Stressniveaus prekäre und unsichere Lebensumstände, wie »schwere körperliche Erkrankungen, pflegebedürftige Angehörige, Scheitern/Instabilität von Beziehungen.« (Ebd.) Auch arbeitsbedingte psychosoziale Belastungen, wie etwa »chronischer Stress bei defizitärer sozialer Unterstützung, Arbeitsverdichtung, Betriebsklima, Konflikte, fehlende soziale Kompetenz von Führungskräften, ständige Erreichbarkeit, gestörte Work-Life-Balance« (ebd.) tragen zur Erhöhung des Stresses bei. Damit wird die enge Verbindung »zwischen negativem chronischem beruflichem Stress und dem Auftreten psychischer Störungen, insbesondere depressiver Erkrankungen« (ebd.) und ihre Auswirkung auf die steigende Arbeitsunfähigkeit und Frühinvalidisierung auffällig (vgl. a.a.O.: 24).

2.1Fehlpassung und Übermaß an Freiheit

Aus arbeitssoziologischer Perspektive liegen die Ursachen oft auch auf der individuellen Ebene, und zwar in der »Nichtpassung zwischen den Eigenheiten der Person und den Gegebenheiten der Arbeitsaufgabe bzw. denen der Arbeitsbedingungen.« (Hofmann 2015: 3f) Demnach ist nicht nur die Arbeitsbelastung ein relevanter Grund für die Entwicklung einer psychischen Störung, sondern auch »der Grad der Selbstbestimmung, der erlebten Sinnhaftigkeit der Arbeit und die Arbeitsbedingungen.« (Ebd.) Hierin wird die (An)Passung der Tätigkeitsstruktur und der persönlichen Orientierung des Individuums hinterfragt. Die Beobachtung dessen, wie sich die Person der konkreten (Berufs)Situation anpassen oder nicht anpassen kann, wird durch das sog. Peter-Prinzip beschrieben7, welches sich auch auf die Entstehung des Burnout-Syndroms übertragen lässt. Das Burnout-Syndrom tritt demnach dann auf, wenn

»die Kombination der RIASEC-Faktoren8 der Arbeitsaufgabe nicht der Kombination der RIASEC-Faktoren der Person entspricht. Das heißt, alte Erfolgsmuster führen in der neuen Tätigkeit auf der anderen Ebene nicht mehr zu Erfolgen, die zentralen Ängste der Person werden durch die Eigenarten der Tätigkeit aktiviert, die zentralen Bedürfnisse der Person können durch die Eigenarten der Tätigkeit nicht befriedigt werden, die Vorstellungen des Teams passen nicht zu der eigenen Person, die Kultur der Organisation weicht stark von den eigenen Vorstellungen zur optimalen Kultur ab oder die Konstellation Mitarbeiter/Vorgesetzter führt absehbar zu Konflikten.« (Ebd.)

Das Individuum muss daher selbst die Stufe der Fehlpassung erkennen, auf der die ausgeübte Tätigkeit Stress erzeugt und zum Burnout-Syndrom führen kann (vgl. a.a.O.: 215).

Neben der Fehlpassung des Individuums an die Arbeitsstruktur gibt es auch einen gegensätzlichen Fall – zu viel an Arbeitsfreiheit (vgl. Glißmann & Peters 2001). Laut dem Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geben zwei Drittel der Beschäftigten an, »bei der Arbeitsplanung und -einteilung über Handlungsspielraum zu verfügen, und über die Hälfte können selbst entscheiden, wann sie Pause machen.« (Ducki 2016: 83) Die existierenden Freiheiten wirken sich jedoch nur dort positiv aus, »wo Zeit- und Materialpuffer bereitstehen« (ebd.), was je nach dem Betrieb variieren kann. Daraus können die Arbeitssoziologen folgende Feststellung machen: »Mitarbeiter in modernen Unternehmen hätten heute nicht mehr das Problem fehlender Freiheiten, sondern litten sogar unter einem Zuviel davon. Die Qual der Wahl mache den Beschäftigten mehr Druck als klare Vorgaben durch das Management.« (Ebd.) Wenn im Ergebnis der Handlungsspielraum mit Beliebigkeit verwechselt wird und wenn die etwas vage formulierten Ziele durch die Mitarbeiter selbst erreicht werden müssen, dann »entsteht kein Spielraum, sondern Überforderung.« (Ebd.) Wird dieser Überforderung nicht entgegengewirkt, erzeugt sie Stress und kann das Ausbrennen verursachen. Mit anderen Worten, wurde früher die mangelnde Gestaltung der Spielräume auf der Organisationsebene analysiert (vgl. DeMarco 2001; Tröster 2013), so wird heute das Übermaß an persönlicher Freiheit und die mangelnde Fähigkeit des Individuums, sich dieser sinnvoll zu bedienen, als Ursache der sinkenden Produktivität in dem Arbeitsprozess beschrieben. Dieser paradigmatischen Verschiebung liegt die veränderte Wahrnehmung der Organisation von Arbeit, die im Übergang von Taylorismus zum Post-Taylorismus stattgefunden hat, zugrunde.

2.2Neue Anforderungen veränderter Arbeitsorganisation

Das wesentliche Prinzip des Taylorismus bestand in der »Trennung zwischen den Arbeitenden als Subjekt und Arbeitskraft.« (Böhle 2010: 78) Dadurch wurde in den Arbeitsprozessen eine Abgrenzung zwischen Markt und Organisation geschafft: »außerhalb der Arbeit ist man ein selbstverantwortlicher, freier Bürger und in der Arbeit unterliegt man dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.« (Ebd.) Das neue Organisationsprinzip des Post-Taylorismus in dem Zeitalter der Technologisierung und Globalisierung richtet sich zum einen darauf, »die Organisation von Unternehmen zu flexibilisieren und zu verschlanken sowie zum anderen darauf, neue Rationalisierungspotenziale im Bereich qualifizierter und verantwortlicher Arbeit zu erschließen.« (a.a.O.: 85) Diese Subjektivierung der Arbeit hat neue Prinzipien in die Steuerung und Kontrolle von Arbeitsprozessen eingeführt: »An die Stelle der direkten Steuerung und Kontrolle der Arbeit – wie dies in der tayloristischen Rationalisierung der Fall war – tritt nun die indirekte Steuerung oder Kontextsteuerung« (a.a.O.: 86), deren Organisationsprinzip sich auf die Vermarktlichung dieser Steuerung bezieht. Durch die paradigmatische Veränderung der Arbeitsprozesse und durch den Fokus auf kontextuelle und indirekte Steuerung, hat sich die Arbeit subjektiviert und ökonomisiert. So sind auch die Bedrohungen und Ursachen für die Belastungen, die aus den Arbeitsprozessen resultieren, nicht sofort erkennbar:

»Die indirekte Steuerung der Arbeitsleistung durch sachliche, zeitliche und personelle Vorgaben sowie Vermarktlichung und Ökonomisierung entziehen sich als Ursache von Belastungen der unmittelbaren Erfahrung. Anders als die Gefährdung der Gesundheit durch Lärm und Hitze oder hohe und einseitige körperliche Anforderungen resultieren die Belastungen bei der Subjektivierung von Arbeit aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren in komplexen Arbeitssituationen: den Arbeitsanforderungen, den verfügbaren Ressourcen, dem internen Wettbewerb, dem Druck des Marktes usw.« (Böhle 2010: 88)9

Die indirekte Steuerung von Arbeitsprozessen prägt auch unsere Vorstellung von der Arbeit selbst. Christoph Bartmann beschreibt in diesem Zusammenhang drei Leitmotive, die für die veränderte Wahrnehmung der Arbeit kennzeichnend sind. Zum einen sind wir stets darauf bedacht, unsere Arbeit und den damit verbundenen Höhepunkt unserer Leistung auf die Zukunft hin zu richten: »Den Gipfel unserer Leistungsfähigkeit oder Performance haben wir stets noch vor uns.« (Bartmann 2012: 219) Zum anderen haben wir das Bedürfnis, auf unsere Arbeit hinweisen zu müssen, denn »wir arbeiten nicht nur […], wir zeigen oder weisen nach, während wir arbeiten, ›dass‹ wir arbeiten, und sind schon deshalb niemals selbstvergessen.« (a.a.O.: 223 [Herv. i. O.]) Schließlich werden wir in der Arbeit aufgefordert, »›glatte‹, visuell-grafische, problem- und widerspruchsfreie Formen der Präsentation« (a.a.O.: 239 [Herv. i. O.]) zu leisten, um den Anforderungen unserer Träger – im öffentlichen Dienst wie im Unternehmen – zu entsprechen. Dadurch entsteht eine Standardisierung von Arbeitsprozessen und Lebensgewohnheiten. Die omnipräsente und erforderliche Leistung (Performance), Hinweisung (Indikation) und Selbstdarstellung (Präsentation) haben das Office, den gegenwärtigen Lebensraum, in einen Ort verwandelt, in dem wir als Subjekte unsere Unterdrückung erleben und gleichzeitig unsere Befreiung realisieren (vgl. a.a.O.: 242f). Für diese neue Welt »der Präsentationen ohne Präsenz, der Performance ohne Ereignis, der Indikationen ohne Indiziertes, der großen, leeren Schau« (a.a.O.: 244) zahlen die Menschen einen hohen Preis. Gerade Burnout, die »Krankheit des positiven Denkens, der Optimierungen und der Performance« (a.a.O.: 246), soll das Resultat dieser Entwicklungen sein:

»Erst hat uns das positive Denken glauben gemacht, es gäbe für uns kein Limit, nun begegnen wir uns wieder als Performance-Junkies in der Kurklinik und üben uns, wie man jetzt immer häufiger hört, in ›Achtsamkeit‹. Die schädlichen Folgen positiven Denkens sollen offenbar durch noch mehr positives Denken behoben werden.« (a.a.O.: 265f [Herv. i. O.])

3Soziokultureller Blick auf das Burnout-Syndrom

Die gesellschaftstheoretische Kritik des Burnout-Syndroms und vergleichender psychischer Störungen, wie Boreout-Syndrom, Borderline, ADHS oder Depression, bezieht sich auf verschiedene Entwicklungen des modernen und postmodernen Zeitalters. Die soziologischen und kultursoziologischen Auslegungen fokussieren insbesondere auf die Verhältnisse, in die das Individuum eingebettet ist und die seine Subjektformen bestimmen.

3.1Die Sorgen des Arbeitssubjekts

Das Individuum als modernes Arbeitssubjekt unterliegt den Ansprüchen an die Identifikation mit der Arbeit. Diese Ansprüche werden in den gegenwärtigen Unternehmen durch eine omnipräsente Konkurrenz gestärkt, welche »die Langsameren/Schwächerern/Älteren latent unter den Erwartungsdruck der Schnelleren/Stärkeren/Jüngeren [setzt].« (Burisch 2014: 243) Daraus resultiert die Sorge eines jeden Arbeitssubjekts um die eigene Beschäftigungsfähigkeit (engl. employability), die ein ständiges Nachdenken über Risiken, Nebenwirkungen und Pläne B erfordert, sowie eine ständige Vernetzung, Flexibilität und Multifunktionalität voraussetzt (vgl. a.a.O.: 245). Die Sorge um sich führt dann nicht selten zu Identitätskrisen, die wiederum »auf veränderte gesellschaftliche Lebensbedingungen im globalisierten Netzwerkkapitalismus verweisen. Diese stellen Anforderungen an die alltägliche Identitätsarbeit dar, mit denen viele Menschen nicht mehr zu Recht kommen.« (Keupp 2010a: 45) Diese Anforderungen lassen sich an verschiedenen Erfahrungskomplexen, die für den Alltag prägend sind, verdeutlichen. Zu solchen gegenwärtigen Erfahrungen gehören z.B.

•eine Beschleunigung und Verdichtung des Alltags, die »zu den Grundgefühlen beitragen, getrieben zu sein, nichts auslassen zu dürfen, immer auf dem Sprung sein zu müssen, keine Zeit zu vergeuden und Umwege als Ressourcenvergeudung zu betrachten« (a.a.O.: 46; vgl. auch Rosa 2013);

•eine selbstunternehmerische Wahrnehmung meines Lebens, in der ich »für meine Gesundheit, für meine Fitness, für meine Passung in die Anforderungen der Wissensgesellschaft selbst zuständig [bin]« (Keupp 2010a: 46; vgl. auch Bröckling 2007);

•eine Deregulierung von Rollenschemata, die »einerseits als Gewinn an selbstbestimmter Lebensgestaltung verstanden wird, die aber andererseits in die Alltagswelten eine Unsicherheit hineinträgt, die nicht immer leicht akzeptiert und ertragen werden kann« (Keupp 2010a: 46);

•eine unabschließbare Arbeit an eigener Identität, die »die dazu erforderlichen Lebenskonzepte in einem sehr viel höheren Maße [braucht]« (a.a.O.: 47), als es für die Menschen früherer Generationen üblich war;

•eine Angst aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt zu sein, welche viele Menschen bestimmt, weshalb diese »oft bereit sind, sich an Bedingungen anzupassen, die ihnen nicht gut tun« (ebd.);

•eine Suche nach einer Sicherheitsgesellschaft, die den Anspruch hat, »alles Unberechenbare, Uneindeutige, Ambivalente, Fremde und Störende zu beseitigen« (ebd.), um eine berechenbare und eindeutig geordnete Welt zu schaffen (vgl. Beck 1986; Münkler/Bohlender/Meurer 2010);

•eine durch den kapitalistischen Wandel zur Monetarisierung, Ökonomisierung und ›Vertriebswirtschaftlichung‹ veränderte Arbeit- und Lebensqualität, die »nur noch in Geldwert ausgedrückt werden« scheint (Keupp 2010a: 48).

Auf der anderen Seite bestimmen die gesellschaftlichen Veränderungen die individuellen Ansprüche dahingehend, dass die Arbeitssubjekte diese als ihre eigenen entziffern. Dadurch erheben merkwürdigerweise wir selbst, als Arbeitssubjekte, einen Anspruch auf die Burnout-Krankheit, indem wir »an dieser neuen Welt des Change nicht nur teilnehmen, sondern teilnehmen ›wollen‹, weil wir Projekte und Ziele haben, weil wir Prozesse optimieren wollen und überhaupt einer besseren Welt entgegentaumeln.« (Bartmann 2012: 248f [Herv. i. O.]) Das Burnout-Syndrom zeichnet sich demnach durch seine positiven, erstrebenswerten und modernen Merkmale aus: »es ist eine Krankheit der neuen, storygetriebenen Bürokratie« (a.a.O.: 253), in der »nicht von Defiziten und Konflikten erzählt [wird], auch nicht von Unzulänglichkeiten und von Versagen […], sondern von einer exzessiven Leistungsfähigkeit und -bereitschaft.« (Ebd.) Im Burnout überlappen sich die Pathologie und die Gesundheit zugleich, denn es ist der »bessere, der optimierte und also überbeanspruchte Mensch der idealtypische Burnout-Fall.« (a.a.O.: 259)

3.2Das Burnout-Syndrom als gesellschaftlicher Geisteszustand

Nicht nur Pathologie und Gesundheit, sondern auch das Individuelle und das Gesellschaftliche verschmelzen im Burnout-Syndrom. Seelische Gesundheit hat in den letzten Jahrzehnten ihren sozialen Status verändert: »Sie gehört zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Haltung, sie kennzeichnet eine bestimmte Atmosphäre unserer Gesellschaften, sie ist ein ›Geisteszustand.‹« (Ehrenberg 2011: 21f [Herv. i. O.])

Im Geist der Französischen psychoanalytischen Schule betont Alan Ehrenberg, einer der bedeutendsten Soziologen, die sich mit der Problematik seelischer Störungen befassen, dass die gegenwärtigen Veränderungen und ihr Einfluss »auf den Aufbau des Subjekts und den Ausdruck des Leidens« (a.a.O.: 321) auf das »›Ende der Vertikalität‹, das Absterben der hierarchischen Gesellschaft, das vom Verfall der patriarchalischen Funktion bezeugt wird« zu verweisen sind (ebd. [Herv. i. O.]). Das Patriarchat hatte eine symbolische Funktion inne und begründete die gesellschaftliche Autorität. Die symbolische Stellung eines Vaters, einer Autorität »erfüllt seine ›normative‹ Funktion nicht mehr. Auf diesem gesellschaftlichen Defizit gedeihen die neuen Pathologien.« (Ebd. [Herv. i. O.])

Das Ende der Vertikalität führte zum Ende der Unterwerfung unter die gesellschaftliche Pflicht. Dadurch verlor der Mensch »das Rückgrat, das ihn in der Gesellschaft verankerte und seine Begehrlichkeiten mäßigte. Der Verfall der Autorität der Gesellschaft lässt sich in der Ersetzung der alten Zwangshierarchien durch ›ein horizontales und gleichberechtigtes Schema der gesellschaftlichen und politischen Identifikation‹ (Schneider 2002: 183) erkennen« (a.a.O.: 325f). Und man kann sich nicht, so Ehrenberg, »von der Vertikalität befreien, ohne ganz konkret einen affektiven Preis dafür zu zahlen.« (a.a.O.: 322) Der Preis dafür sind die neuen Pathologien des Ideals, »jene Charakterneurosen, die die Unglücksfälle der Horizontalität sind, wie die Übertragungsneurosen die Pathologien der Vertikalität waren.« (a.a.O.: 322f) Wie er weiter in Bezug auf Michel Schneiders Big Mother (2002) betont, folgten auf »die ›Krankheiten des Vaters‹ (Zwangsneurose, Hysterie, Paranoia) […] im großen Maß die ›Krankheiten der Mutter‹ (Grenzzustände, Schizophrenien, Depressionen).« (Schneider 2002: 112 zit.n. Ehrenberg 2011: 323) Diese Pathologien »betreffen das Ideal in dem Sinne, dass sie durch einen ›wirklichen‹ Verfall der väterlichen Imago in der Gesellschaft verursacht werden und somit durch den Verfall von Institution, Symbol, Transzendenz, Hierarchie, Grenze, die eine Begriffsfamilie bilden.« (Ehrenberg 2011: 323 [Herv. i. O.])10

Des Weiteren hat die Entwicklung von Charakterneurosen (Krankheiten der Mutter), welche das vorherige Interesse an Übertragungsneurosen (Krankheiten des Vaters) ersetzt hat, neue Formen des Ausdrucks von Gefühlen mit sich gebracht und die Transformation der individuellen Neurosen in gesellschaftliche Probleme bewirkt (vgl. a.a.O.: 498).11 Und diese Art von Problemen charakterisiert unser Zeitalter, das, pathologisch gesehen, »weder bakteriell noch viral, sondern neuronal bestimmt« ist (Han 2010: 5). Das heißt, dass die neuronalen Erkrankungen wie Depression, Burnout oder ADHS »keine Infektionen [sind], sondern Infarkte, die nicht durch die ›Negativität‹ des immunologisch Anderen, sondern durch ein Übermaß an ›Positivität‹ bedingt sind.« (ebd. [Herv. i. O.])

Anstelle der durch die Negativität bestimmten Gesellschaftskonstellation der Andersheit und Fremdheit, tritt nämlich das Paradigma der durch das Übermaß an Positivität erzeugten Differenz. Diese ruft keine Immunreaktion hervor. »Die postimmunologische, ja postmoderne Differenz macht nicht mehr krank. Auf der immunologischen Ebene ist sie das ›Gleiche‹. Der Differenz fehlt gleichsam der Stachel der Fremdheit, der eine heftige Immunreaktion auslösen würde.« (a.a.O.: 7 [Herv. i. O.]) Richtete sich die immunologische Abwehr des Organismus »immer gegen das Andere oder das Fremde im emphatischen Sinne« (a.a.O.: 11), so sind Erschöpfung und Ermüdung »Erscheinungen einer ›neuronalen Gewalt‹, die insofern nicht viral ist, als sie auf keine immunologische Negativität zurückzuführen ist« (a.a.O.: 12 [Herv. i. O.]), sondern eher auf das »›Zuviel am Gleichen‹, [an das] Übermaß an Positivität.« (ebd. [Herv. i. O.])

In Kritik an Foucaults Disziplinargesellschaft zeigt der Kulturphilosoph Buyung Chul Han, dass das heutige Leistungssubjekt »Herr und Souverän seiner Selbst ist.« (a.a.O.: 22) Jedoch führt dieser Wegfall von der Herrschaftsinstanz nicht zu mehr Freiheit für das Individuum. Vielmehr lässt er »Freiheit und Zwang zusammenfallen. So überlässt sich das Leistungssubjekt der ›zwingenden Freiheit‹ oder dem ›freien Zwang‹ zur Maximierung der Leistung.« (ebd. [Herv. i. O.]) Wobei die Freiheit im eigentlichen Sinne »an die Negativität gebunden ist. Sie ist immer eine Freiheit vom Zwang, der vom immunologisch Anderen ausgeht. Wo die Negativität dem Übermaß an Positivität weicht, verschwindet auch die Emphase der Freiheit, die dialektisch der Negation der Negation entspringt.« (Ebd.) Aus dieser paradoxen Freiheit ließen sich dann die psychischen Krankheiten als pathologische Manifestationen ausdeuten (vgl. a.a.O.: 23). Es ist das Zusammenfallen der Freiheit und des Zwangs, des Herrn und des Knechts, des Gefangenen und des Aufsehers seines Selbst, die zu einer Art freiwilliger Ausbeutung führt (vgl. a.a.O.: 35f), welche »auch ohne Herrschaft möglich [ist].« (a.a.O.: 36)

3.3Das Burnout-Syndrom – eine Modeerscheinung?

Inwiefern es sich beim Burnout-Syndrom tatsächlich um eine Krankheit handelt und was darunter im Licht seiner medialen Darstellung (vgl. Hillebrand 2013) und seinen historischen Parallelen (vgl. Becker 2017) eigentlich zu verstehen ist, fragt sich Frieder Vogelmann und behauptet vier Nichtexistenzweisen dieser psychischen Störung: »Burnout ist keine ›individuelle Krankheit‹, weil es (1) keine ›Krankheit‹ beziehungsweise (2) keine ›individuelle‹ Krankheit ist, weil Burnout (3) verschiedene ›andere‹ Krankheiten bezeichnet oder weil Burnout (4) ›mehr‹ als eine Krankheit ist.« (Vogelmann 2013: 149 [Herv. i. O.])

•Der ersten Nichtexistenzbehauptung liegt einerseits die Tatsache zugrunde, dass Burnout bis zum heutigen Tag offiziell nicht als eine Krankheit deklariert wurde; so in den internationalen auch als in nationalen Klassifikationen.12 Andererseits handelt es sich nicht um eine Krankheit, weil es »nicht als solche klassifiziert ›ist‹, sondern weil sie nicht als solche klassifiziert werden ›sollte‹.« (ebd. [Herv. i. O.]) Als Grund nennt Vogelmann die Beobachtung, laut welcher »ein Mensch, der an seiner Arbeit ausbrennt, […] in unserer Gesellschaft vielleicht ein kostbares und sensibles Barometer der kaputten gesellschaftlichen Bedingungen und der damit korrelierten kaputten Arbeitsverhältnisse [ist] – der einzige, der gesund reagiert auf kranke Verhältnisse: leidend.« (Rösing 2003: 239 zit.n. Vogelmann 2013: 150)

•Was die zweite Behauptung angeht, so stellt er fest, dass Burnout »keine ›individuelle‹, sondern ›soziale‹ Krankheit ist.« (Vogelmann 2013: 150 [Herv. i. O.]) Ausgehend von der Marx’schen Theorie, in welcher Burnout »die Vergegenständlichung der Produktionsmittel des Sozialarbeiters [ist]« (Karger 1981: 275 zit.n. Vogelmann 2013: 151), wo die Fähigkeiten des Arbeiters »zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, […] zu einer handelbaren Ware [werden]« (ebd.) und wo die Distanzierung des Sozialarbeiters von seinem Klienten zu einer Verdinglichung führt, »die den Arbeiter von der authentischen Ausübung seiner Fähigkeiten entfremdet« (ebd.), bezeichnet er das Burnout als eine »Entfremdung und daher keine individuelle Krankheit, sondern eine soziale Pathologie.« (Vogelmann 2013: 151)

•Die dritte Nichtexistenzbehauptung legt nahe, dass Burnout wegen seiner mangelnden Abgrenzung »›eigentlich‹ verschiedene ›andere‹, nicht unter einen einzigen Oberbegriff zu fassende Krankheiten bezeichnet.« (ebd. [Herv. i. O.]) Eine differentialdiagnostische Beurteilung zeigt nämlich, dass »Burnout als Phänomen ›nebulös und vielfältig‹ wirkt, weil ›unscharf definiert [ist], was Burnout eigentlich ist – und differentialdiagnostisch bedeutsam: was Burnout nicht ist‹.« (Korczak/Kister/Huber 2012: 99 zit.n. Vogelmann 2013: 151)

•Letztens ist Burnout mehr als Krankheit, eine sog. sprechende Krankheit. Es stellt ein »sprachliches Vehikel [dar], das geeignet ist, persönliches Leiden des Individuums, vornehmlich in und an der Arbeitswelt, zum Ausdruck zu bringen.« (Hillert & Marwitz 2006: 282 zit.n. Vogelmann 2013: 151)

Demgegenüber hält Ulrich Bröckling das Burnout-Syndrom für eine Krankheit unserer Zeit, die neben anderen Zivilisationskrankheiten zu verorten ist. Solche Krankheiten zeichnen sich für ihn »nicht nur durch gehäuftes Auftreten, sondern vor allem dadurch aus, dass ihre Symptome den Zeitgenossen einen Spiegel vorhalten. Sie reflektieren, was diese fürchten, worunter sie leiden und woran sie scheitern – und zeigen dadurch zugleich ›ex negativo‹ die Fluchtpunkte gegenwärtiger Lebensführung, die Vorstellungen darüber, wie die Einzelnen sich heute selbst begreifen, wie sie an sich arbeiten und für sich sorgen sollen.« (Bröckling 2013: 181 [Herv. i. O.]) Mit Blick auf die Sinnbilder, welche mit dem Burnout-Syndrom evoziert werden, lassen sich seine Konturen in drei Bildern konkreter aufzeichnen:

•Das Ausgebranntsein erinnert zuerst an das Bild des Feuers, welches aufgrund seines Nutzens aber auch seiner Gefahr ambivalenter Natur ist (vgl. a.a.O.: 182). Der Brennprozess mit seiner entzündeten Flamme und der am Ende übrig gebliebenen Asche ermöglicht der Feuer-Metapher »gleichermaßen auf die vergangene Verausgabung wie auf die Unfähigkeit, sie fortzusetzen« (ebd.) zu verweisen.

•Eine weitere Metapher, »eng verwandt mit dem Bild der individuellen Leistungs- beziehungsweise Lebensflamme, die brennt oder eben erloschen ist, ist der Topos des Burnouts als einer ›persönlichen Energiekrise‹, die auf einer Dysbalance zwischen Kraftzufuhr und -verbrauch beruht.« (a.a.O.: 185 [Herv. i. O.]) Diese Metapher einer Menschenmaschine »impliziert die Vorstellung eines Subjekts, das sich aufspaltet, einerseits in eine technische Apparatur, andererseits in eine Instanz, die diese beobachtet und sie entweder zu optimieren sucht oder ihren Rückbau zu einem fühlenden Wesen einleitet.« (a.a.O.: 188)

•Schließlich verweist die Metapher des Hamsterrads (vgl. a.a.O.: 189) auf das asymmetrische Gleichgewicht zwischen Stress und Entspannung. In dem Diskurs um Burnout wird einerseits »ein zivilisationskritisch-pessimistisches Bild der Gegenwart gezeichnet, wie es düsterer kaum ausfallen könnte. Weil das aber kaum zu ertragen wäre und in Fatalismus münden müsste, wechselt man andererseits das Register, sobald es um präventive und therapeutische Maßnahmen geht, und propagiert einen pragmatischen Aktivismus. Der changiert zwischen verhältnis- und verhaltensbezogenen Konzepten und landet am Ende – wen wundert’s? – bei der Forderung nach einem integrativen Ansatz, der sowohl die Belastungen reduzieren wie die Belastbarkeit steigern und gesellschaftliche Anforderungen und persönliche Ressourcen wieder ins Gleichgewicht bringen soll.« (a.a.O.: 193) Und ein Gleichgewicht herrscht erst dann, »wenn gegenstrebige Kräfte – in diesem Fall: Anspannung und Entspannung, Motivationssystem und Stresssystem, Arbeitsansprüche und Ressourcen, Leistung und Wertschätzung – einander neutralisieren.« (a.a.O.: 195f)

Alle drei Bilder umschreiben das Burnout-Syndrom in seiner gesellschaftlichen Wahrnehmung. Ob das Burnout-Syndrom als eine Krankheit bzw. Störung empfunden wird oder nicht, ändert nichts an seinen Auswirkungen, die sowohl auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene zu erheblichen Schäden führen.

4Kulturgeschichtliche Perspektive auf die Prävention psychischen Leidens

Die Gesundheit wird als gesellschaftliches Gut und individuelle Disposition in unterschiedlichen Zusammenhängen thematisiert. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive lässt sich erkennen, welchen Stellenwert und welche Wandelformen die Gesundheit in den westlichen industriellen Gesellschaften erfahren und wie sie das gegenwärtige Verständnis vom gesunden oder kranken Leben geprägt hat. Im Folgenden werden drei Perspektiven aufgezeichnet, die die unterschiedlichen Aspekte des Regiert-Werdens durch Prävention diskutieren.

4.1Prävention als Kulturtechnik

Die im Rahmen des Forschungsverbundes Präventives Selbst – Interdisziplinäre Untersuchung einer emergenten Lebensform entstandenen Beiträge liefern wichtige Erkenntnisse zur »Entwicklung moderner Praktiken der Gesundheitsprävention.« (Lengwiler & Madarász 2010: 9) Zwar hat laut der Autoren des Bandes »das Thema der Gesundheitsprävention in den letzten Jahren politisch und gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen« (a.a.O.: 12), doch ihre Geschichte sei »noch weitgehend ungeschrieben« (a.a.O.: 11). Diesem Zustand haftet gleichzeitig etwas Unwirkliches und Unauffälliges an:

»Unwirklich, weil Prävention einen Schaden antizipiert, der meist gar nicht eintritt, weil er vorsorglich verhindert werden soll. Und unauffällig, weil Prävention meist die Ebene unspektakulärer Alltagsverhaltens (Essen und Trinken, Rauchen, Bewegung etc.) betrifft und dabei oft in wenig sichtbaren Infrastrukturbereichen ansetzt, etwa bei der Nahrungsmittelhygiene, der Fabrikinspektion oder allgemein der Hygienisierung des öffentlichen Raumes.« (a.a.O.: 11f)

In den gesammelten Untersuchungen wird die Prävention als eine Kulturtechnik zum Gegenstand der Analyse gemacht. Als solche wurde nämlich Prävention schon im 19. Jahrhundert zum Leitmotiv »der sozialwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung und der davon ausgehenden sozialpolitischen Interventionen« (a.a.O.: 13) herausgestellt. In den späteren Theoriedebatten wurde sie dann laut Autoren als eine »auf rationalem Kalkül beruhende Zukunftsbeherrschung« (a.a.O.: 14), wie bei Reinhart Kosseleck und Lucian Hölscher bzw. als eine »wissenschaftlich-technologisch fundierte, mit wirkungsmächtigen Rationalitätsansprüchen auftretende Form der Sozial- und Bevölkerungspolitik« (ebd.), wie bei Niklas Rose und Ulrich Bröckling (im Rückgriff auf Michel Foucault), gedacht.

Kulturgeschichtlich lassen sich auf der Ebene der Akteure vier Gruppen unterscheiden, bei welchen das präventive Verhalten untersucht werden kann. So war es erstens das Anliegen des Staates seine »Bevölkerung – als ökonomische und militärische Ressource – möglichst effizient und nachhaltig zu mobilisieren.« (a.a.O.: 15) Sodann haben auch die privatwirtschaftlichen Akteure, wie etwa private Spitäler, Versicherungs- oder Pharmaindustrie, für »die Propagierung präventiver Verhaltensnormen und in Verbindung damit [für, J. Z.] eine ›Ökonomisierung‹ der Präventionsdiskurse« (ebd. [Herv. i. O.]) gesorgt. Außerdem forderten die zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, »etwa die Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts oder alternativ-medizinische Kreise des 20. Jahrhunderts […] eine stärker ›lebensweltlich‹ verankerte[…] ›Präventionskultur‹.« (a.a.O.: 15f [Herv. i. O.]) Schließlich hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Subjektivierung der präventiven Verantwortung vollzogen, in der die individuellen Akteure bzw. »das ›präventive Selbst‹, jenes rationale, krankheitsminimierend agierende Subjekt« (a.a.O.: 16 [Herv. i. O.]) selbst für seine Gesundheit verantwortlich geworden ist. Diese Analyseeintrittspunkte ermöglichen es, die »Paradoxien präventiver Verhaltensdispositionen« (ebd.) aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. So ließe sich einerseits der beobachtete »Widerspruch zwischen wissenschaftlichem Präventionsanspruch und alltäglichen Präventionspraktiken« (ebd.) erhellen, andererseits die durch den modernen Präventionsdiskurs entstandene »nicht-intendierte[…] Vermehrung von Unsicherheit« (ebd.) problematisieren.

Die hier pointierte Spannung zwischen den auf die Bevölkerung gerichteten wissenschaftlichen Präventionsmodellen sowie den individuellen alltagspraktischen Erfahrungen auf der einen Seite, und der äußeren (Umweltfaktoren, Lebensbedingungen) wie inneren (körperliche Zustände, Lebensstille) Natur der Präventionsmaßnahmen auf der anderen Seite umfangen den Bereich der Regierungstechnologien, wie sie von Michel Foucault gedeutet und beschrieben wurden (vgl. Foucault [1984] 2005b: 900) und bilden somit das Objekt analytischer Bemühungen der Gouvernementalitäts-Studien. Demnach entsteht hier die Frage, inwieweit die Einrichtung präventiver Maßnahmen das alltägliche Verhalten prädisponiert oder aber wie die Problematisierung der Lebensbedingungen den individuellen Lebensstil prägt und anleitet. Die Führung zur Selbstführung wird in dem Ineinandergreifen des öffentlichen und privaten Lebens beobachtbar und analysierbar. Eben der Raum dieses Ineinandergreifens wird durch die Prävention als Kulturtechnik kolonisiert.

4.2Gesundheit als Zielscheibe der Prävention

Aus geschichtlicher Perspektive lassen sich mehrere Versuche feststellen, wie die Gesundheit zur Zielscheibe präventiver, vorbeugender Maßnahmen erhoben wurde. Vor allem im 19. und 20. Jahrhundert avancierte allmählich die »Vorsorge von einem Projekt einzelner Schichten zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.« (Thießen 2013: 354) Diese Vorsorge kristallisierte sich in dem Versuch, »in gesellschaftliche Prozesse wie Pauperismus, Industrialisierung und Städtewachstum und die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren im Sinne einer Demokratisierung der Gesellschaft formend einzugreifen« (Stöckel & Walter 2002: 11) und hygienische, prophylaktische und präventive Vorsorgemaßnahmen einzuleiten. Mit den verschiedenen Eingriffen in die Gesundheit des Einzelnen und der ganzen Gesellschaft entwickelten sich dann schrittweise Verfahren, »durch die die Menschen zu einem bestimmten gesundheitsbezogenen Verhalten angeleitet und Regierungen zu bestimmten gesundheitspolitischen Strategien motiviert und für diese legitimiert wurden.« (Poczka 2017: 421) Dadurch konnten gesundheitspolitische Maßnahmen »auf den Schutz des ganzen ›Volkskörpers‹, auf die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit sowie auf die Minimierung kollektiver Risiken im Dienste des ›öffentlichen Interesses‹« abzielen (Thießen 2013: 354 [Herv. i. O.]) und gleichzeitig »Einfluss auf Alltagspraktiken, auf Vorstellungen und Formen der Lebens- und Familienplanung, auf den Umgang mit Gesundheit und Sexualität« nehmen (a.a.O.: 358). Diese umfassende Einwirkung präventiver Eingriffe in alle privaten wie öffentlichen Lebensbereiche entwickelte sich in dem Maße, wie die Prävention gesellschaftlich verankert und normalisiert wurde.

Der Normalisierung von Prävention hat ein paradigmatischer Wechsel geholfen, welcher sich im Zusammenhang mit der Umdeutung der Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1946 vollzogen hat. Der durch die WHO neu generalisierte Gesundheitsbegriff definierte die Gesundheit »nicht mehr als Abwesenheit von Krankheit, sondern aufgrund positiver Qualitäten wie körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens« (Lengwiller & Madarász 2010: 21), womit ein Grundstein »für eine schrittweise Auflösung der Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit« gelegt wurde (ebd.). Indessen richtete sich auch die Prävention nicht mehr auf die Krankheitsverhinderung, sondern vor allem auf die Gesundheitssicherung (vgl. ebd.).13 Krankheit und Gesundheit wurden somit nicht nur neu problematisiert, sondern haben sich »als soziale und zugleich diskursive Konfliktfelder« (Poczka 2017: 17) in eine allgemeine Geschichte der Prävention integriert und die bisher nicht ausreichend beantwortete Frage nach ihrer Regierbarkeit aufs Neue gestellt: »Wie hat unsere Gesellschaft gelernt, zukünftige Erkrankungen, die noch nicht eingetroffen sind und von denen sich im Einzelfall nicht wissen lässt, ob sie jemals eintreten werden, als reale Probleme zu behandeln?« (Leanza 2017: 16) Damit hat die Prävention eine Arbeit an dem Virtuellen begonnen, die darauf abzielt, »das Werden in seiner Ereignishaftigkeit zu lenken, um drohenden Gefahren auszuweichen.« (a.a.O.: 12) Diese Arbeit am Virtuellen formiert das Zukünftige und konstituiert dessen mögliche Horizonte, weshalb sie »geschichtlich wandelbar und auf soziale Zusammenhänge angewiesen [ist], in denen sie angewandt, verbreitet und tradiert wird.« (a.a.O.: 19f)14 Zur Untersuchung der Prävention und ihrer zeitlichen Formen wurden einige Versuche bereits unternommen, die sich auf ihre Genealogie im Foucault’schen Sinne konzentriert (vgl. a.a.O.: 21) bzw. einen vergleichenden Blick auf ihre institutionelle wie gesellschaftliche Verankerung geworfen haben (vgl. Hähner-Rombach 2015). Offen und bisweilen unerforscht bleibt, welche konkreten Praktiken mit der Prävention entstanden sind und inwiefern sie zu einem »Modus der Selbstvergewisserung« geworden sind (Thießen 2013: 365).

4.3Ein kulturgeschichtlicher Blick auf Leiden und Unbehagen

Die Wahrnehmung und Behandlung des Leidens gehört zu den Kernelementen jeder Kultur. Leidensausdrücke widerspiegeln nicht nur die Sensitivität für menschliche Erfahrungen, sondern bilden zugleich Kontrapunkte zu grundlegenden Werten und Normen, zu dem, was die Kultur für (überlebens)wichtig hält. Diese Leidenserfahrungen lassen sich auf drei Ebenen unterscheiden – als individuelle, kollektive und globale Erfahrungen.

In der westlichen Kultur, geprägt neben vielen anderen auch von der jüdisch-christlichen geistigen Tradition, wird das Leiden des Individuums in den alttestamentlichen Büchern und Psalmen umfangreich beschrieben. Ihre Mikroexegese zeigt, dass die niederdrückenden Gefühle einerseits durch Körperhaltung (hebr. qādar – niedergedrückt sein, schwarz werden, sich verfinstern – als Gegensatz zur Aufhellung von Antlitz Gottes; šhh (schachar) – sich bücken, beugen, niedergebeugt sein) und -Bewegung (hebr. ndd (nadad) – rastlos, ziellos fliehen, fern machen; nedudîm – Unrast, Schlaflosigkeit; rwd (rûd) – umherirren) ausgedrückt werden, andererseits sich in der (Un)Fähigkeit äußern, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten (das Fliehen von und die Rückkehr zur Gemeinschaft umrahmen die Leidensgeschichte des Individuums im Alten Testament, etwa im Hiobbuch) (vgl. Janowski 2015). Gleichzeitig wird das Leiden in unterschiedlichen Bildern ausgedrückt – etwa mit dem Gesicht zwischen den Knien, was zugleich Konzentration und den Blick in sich selbst darstellt – oder in dem Spiel der Farben umschrieben – etwa Licht und Finsternis, sehr anschaulich in Julia Kristevas Bild der schwarzen Sonne enthalten (vgl. Kristeva [1987] 2007). Das moderne Individuum des 20. und 21. Jahrhunderts ist im Vergleich zum alttestamentlichen Menschen, der in den Psalmen sein Leiden äußert und es vor Gott als der höchsten Heilsinstanz ausbreitet, mit den leitenden Narrativen des selbsterzeugten Erfolgs und Glücks konfrontiert (vgl. Kleiner & Suter 2018: 12). Ein Burnout-Leidender wird einerseits mit der Schattenseite gegenwärtiger Gesellschaft konfrontiert, »in der das selbstverschuldete Scheitern und der drohende soziale Abstieg überall lauern können« (a.a.O.: 10), andererseits »wird dieser Chronik individuellen Scheiterns eine gelingende Variante der Selbstfindung, ein erfolgreicher ›pursuit of happiness‹ hinzugefügt.« (ebd. [Herv. i. O.]) Diese doppelte Bewegung bewirkt eine Transformation in »eine Art ›totales Subjekt‹« (a.a.O.: 11 [Herv. i. O.]), das die Misere seines Lebens erkennen und die Potentiale seiner Optimierung aktivieren kann. Somit schwinden die Grenzen »zwischen Glück und Erfolg, Leistung und Versagen, Anpassung und Selbsterlösung« (a.a.O.: 12), denn jede Leidenserfahrung birgt in sich die Chance auf Neuentdeckung bisher unbekannter und nicht geforderter Fähigkeiten. Die neuen individuellen Pathologien markieren indessen »den Einsatzpunkt einer wirksamen Intervention von außen und einer gelingenden Selbstintervention« (ebd.), woran Therapie, Begleitung und Prävention ansetzen können. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer Ratgeber-Industrie, die einerseits ein Psychoideal des modernen Individuums verkündet, das jedoch andererseits von den Ratgebern selbst nicht verkörpert werden kann (vgl. Lütz 2011: 16:57 min.)

Eine semantische Abgrenzung ließe sich auch auf die kollektive Wahrnehmung des Leidens übertragen. Hartmut Böhme unterscheidet in dieser Hinsicht zwei Achsen:

»die ›vertikale Bewegung‹ von oben nach unten, der Gravitation folgend, worin die Schwere des Körpers leitend wird und vom Lebensgefühl temporär (episodisch) oder dauerhaft (rezidivierend) Besitz ergreift – im Gegensatz zu jenen leiblichen, ebenfalls vertikal ausgerichteten Gestimmtheiten, in denen Fröhlichkeit, Liebe, Erhabenheit, Ekstase anti-grav wirken, nämlich Gefühle des Leichten, aufwärts Drängenden, ja Schwerelosen wecken. Der Ermüdete oder Erschöpfte spürt dagegen ein unwiderstehliches Niedersinken, ein Drängen in die horizontale Lagerung, gegen das schon die aufrechte Haltung, die uns als ›homo erectus‹ auszeichnet, eine fast zu große Anstrengung bedeutet. Mensch zu sein bedeutet, sich aufrecht halten, was eine Spannung und Anstrengung erfordert, doch darin auch eine Selbstmächtigkeit ausdrückt.« (Böhme 2018: 41 [Herv. i. O.])

Gleichzeitig entspricht die zweite Achse dem Zustand der Spannung im Gegensatz zum Zustand der Entspannung:

»Aus der älteren Nerven- und Muskelforschung ist der Zustand der Spannung derjenige, aus dem heraus mentale Aufmerksamkeit und physische Arbeit erfolgt. Spannung heißt, voller Antrieb zu sein und über bereite Kraft zu verfügen, ja einen ›drive‹, eine Spannkraft zur Tätigkeit zu spüren. Der ganze Mensch ›spannt‹, so wie – bei de Sade – der Phallus ›spannt‹, also ›potentia‹, ›dynamis