Reiche Ernte durch professionelle Bestäubung - Friedhelm Kemmeter - E-Book

Reiche Ernte durch professionelle Bestäubung E-Book

Friedhelm Kemmeter

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Beschreibung

Bis zu 40 % mehr Ernte bei Stein-, Kern- und Beerenobst, Raps, Kürbis oder Zucchini? Bei gleichzeitigem Rückgang vieler Insektenarten? Mit Hilfe der Bestäubungsimkerei ist dies möglich! Bestäubungsimker stellen gezielt Honigbienen-, Wildbienen- oder Hummelvölker in landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen auf, um eine optimale Bestäubung zu gewährleisten. Alle wichtigen Fragen rund um die Bestäubungsimkerei, die Bestäubungsinsekten und die zu bestäubenden Kulturen werden beantwortet: Wie arbeiten Bestäubungsimker, was haben Landwirte/Gärtner davon? Wie sollte die optimale Zusammenarbeit zwischen Imker und Landwirt/Gärtner gestaltet sein? Mit Steckbriefen der wichtigsten Kulturen.

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Seitenzahl: 242

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Friedhelm Kemmeter

REICHE ERNTE DURCH PROFESSIONELLE BESTÄUBUNG

Praxisbuch für Imker, Landwirte und Gärtner

Inhalt

Vorwort

Reiche Ernte durch gezielte Bestäubung – Ein Blick zurück

Veränderungen in Landwirtschaft und Natur

Maßnahmen und Konsequenzen für Imker

Maßnahmen und Konsequenzen für den Landwirt

Umsetzung naturschutzrechtlicher Vorgaben

Bestäubungsdienstleistungen benötigen fachkundiges Personal

WICHTIGES GRUNDLAGENWISSEN

Bestäubungsinsekten in der Landwirtschaft

In landwirtschaftlichen Kulturen eingesetzte Bestäubungsinsekten

Lebenszyklen der relevanten Bestäubungsinsekten

Wie kann der Landwirt zum Bestäubungserfolg beitragen?

GRUNDLAGEN FÜR EINE ERFOLGREICHE BESTÄUBUNG

Bestäuberbiologie, Boden und Nährstoffe, Pflanzenanatomie

Räumliche Orientierung – Wo bin ich, wie finde ich mein Ziel

Die Welt der Düfte – Riechen aufs Molekül genau

Die Welt der Farben – Farbwahrnehmung auch im ultravioletten Bereich

Verhalten während der Bestäubungsphase

Anatomische Strukturen und ihre Funktion

Boden und Pflanzenernährung

Funktionelle Pflanzenanatomie

Blütenökologie

Formen der Vermehrung

Formen der Bestäubung

Befruchtung

Genetische Vielfalt als Ziel

Zoophilie und die Zwittrigkeit der Blüten

BESTÄUBUNGSDIENSTLEISTUNG IN DER PRAXIS

Der Imker als Dienstleister

Kontaktaufnahme: Das erste Gespräch

Benötigte Anzahl der Bestäubungsinsekten je Hektar

Der Stellplan

Der geeignete Stellplatz

Vorbereitung der Bestäubungsinsekten

Vorbereitung der Kultur bzw. Kulturfläche

Praktische Umsetzung

Aufstellen und Versorgen der Insekten

Wasserversorgung und Hitzeschutz

Futterkontrolle

Erholungsflächen

Verhalten der Insekten in der Kultur

Kontrolle des Bestäubungs- bzw. Befruchtungserfolges

Was tun bei unerwarteten Ereignissen

… bei plötzlich eintretender Frostperiode

… wenn Bienen und Hummeln im Gewächshaus oder Folientunnel nicht fliegen

… wenn Bienen und Hummeln im Freiland nicht fliegen

… bei Verdacht auf Faulbrut während der Bestäubungsphase

… bei einer Erkrankung oder einem Unfall

… wenn Absprachen nicht eingehalten werden

… bei Diebstahl oder Vandalismus

… bei undichten Zuchteinheiten in der Saatgutzüchtung

Imkern anhand des phänologischen Kalenders

Koordination von Bestäubungsaufträgen anhand phänologischer Beobachtungen

Zucht der Wildbienen Osmia cornuta und Osmia bicornis

Geeignetes Zuchtmaterial

Zuchtablauf

Rechtliche Situation

PFLANZENSTECKBRIEFE

Apfel

Süßkirsche

Sauerkirsche

Erdbeere

Himbeere

Johannisbeeren

Kulturheidelbeere

Pfirsich

Pflaume

Raps

Speisekürbis / Zucchini

SERVICE

Quellenverzeichnis

Über den Autor

Dank

Vorwort

Jeder kennt es sicherlich – viele Ideen müssen erst reifen, und es bedarf eines Funkens, um sie letztlich zu zünden und auf den Weg zu bringen. Nach 15 Jahren Praxis in der Bestäubungsimkerei und damit einhergehend vielen Gesprächen mit Imkern und Landwirten wurde offensichtlich, dass es an deutscher Literatur zu diesem Thema fehlt. Mit jedem Vortrag, in sämtlichen Lehrgängen und Schulungen wurde dies noch deutlicher: Es muss ein Buch geschrieben werden.

Das Thema Bestäubungsimkerei spricht vor allem die Imker in unterschiedlicher Weise an. Die einen halten sie für überflüssig und sind der Meinung, allein durch das Vorhandensein der Bienen eine ausreichende Bestäubung zu ermöglichen. Die anderen erkennen, dass das übliche Aufstellen von Bienenvölkern nicht ausreicht, um dem Landwirt eine Ertragssicherheit zu gewährleisten. Sie wollen sich mit diesem Thema intensiver auseinandersetzen.

Den meisten Landwirten ist schon eher bewusst, dass ihre Ertragserfolge insbesondere im Obstbau in unmittelbarer Abhängigkeit zu einer funktionierenden Bestäubung stehen. Die sich verändernde Vorgehensweise in der Landwirtschaft, das Wagnis mit Sonderkulturen, aber auch neuartige Schadorganismen und -erreger bedeuten eine Verunsicherung und fordern ein schnelles Umdenken. Folientunnel und Unter-Glas-Anbau sind der neue Trend. Viele Landwirte wollen daher aktiv werden, fragen nach imkerlichen Dienstleistungen und entsprechender Literatur.

Mein Anspruch an solch eine Fachliteratur ist, sowohl Imker als auch Landwirte anzusprechen und die Praxis mit der notwendigen Theorie zu verbinden, ähnlich wie es Ley Hensels in niederländischer Sprache mit seinem Praxisbuch getan hat.

Ohne Mithilfe wäre dieses Buch nicht so vollständig und mit diesem Themenspektrum ausgestattet, wie es nun vorliegt. Daher danke ich allen, die mich mit Anregungen und Bildmaterial unterstützt haben. Hervorheben möchte ich hierbei Dr. Jürgen Lorenz, der mit seiner Einschätzung zur Entwicklung im Obstbau wesentlich zu diesem Themenkomplex beigetragen hat. Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Frau Karin Fuchs, die geduldig meine Entwürfe gelesen und bearbeitet hat.

Zu guter Letzt hoffe ich, dass der Leser dieselbe Freude beim Lesen hat wie ich beim Schreiben.

Reiche Ernte durch gezielte Bestäubung – Ein Blick zurück

Genius im Palast von Ashurnasirpal II, ca. 883–859 v. Chr.

Honig und Wachs sind seit der Frühsteinzeit wichtige vom Menschen genutzte Bienenprodukte. Einer der ältesten Belege hierfür findet sich in den Cuevas de La Araña, einer Gruppe von Höhlen in der Nähe von Valencia, Spanien. Dort ist eine circa 6000–10.000 Jahre alte Höhlenzeichnung zu sehen, auf der eine Honigsammlerin bei der Honigernte abgebildet ist.

Wenig belegt ist der weit bedeutendere Nutzen von Insekten, insbesondere der Bienen, zur Steigerung des Ernteertrags. Ein Grund hierfür kann mangelnde Kenntnis der Zusammenhänge einer Blüte, von deren Bestäubung und Befruchtung und des dann folgenden Fruchtertrages sein. Zudem war die Notwendigkeit, sich mit diesem Thema zu befassen, wahrscheinlich nicht gegeben, da es in vielen bäuerlichen Haushalten üblich war, Bienen für den Eigenbedarf an Honig und Wachs zu halten. Somit waren zugleich ausreichend Bestäuber vorhanden.

Eines der ältesten Zeugnisse einer gezielten Bestäubung bzw. Befruchtung ist auf einem rund 3000 Jahre alten assyrischen Steinrelief zu finden (Abb. oben links). Dargestellt wird die künstliche Bestäubung der heiligen Dattelpalme durch einen geflügelten Genius im Palast von König Ashurnasirpal II.

Erst sehr viel später gibt es Hinweise, dass auch die Bestäubungsleistungen von Insekten als wichtig erachtet wurden. Ein Bild aus dem 15. Jahrhundert zeigt eine Person in Imkerkleidung, die eine übergroße Bohnenhülse in der Hand hält. Im Hintergrund befinden sich mehrere Bienenvölker (Abb. oben rechts). Interpretieren lässt sich diese symbolische Darstellung in dreifacher Weise: Wenn Bienenvölker in der Nähe von Kulturpflanzen stehen, ist die Erntemenge (Hülsenanzahl) deutlich erhöht. Die Fruchtqualität (Hülsengröße) wird gesteigert. Und letztendlich liegt der Ernteerfolg in der Hand des Imkers.

Rudolf Jacob Camerarius, Botaniker und Professor für Medizin (1665–1721), erbrachte in seiner 1694 erschienenen Veröffentlichung „De sexu plantarum epistola“ den Nachweis, dass reife Samen nur dann gebildet werden, wenn die Pflanzen-Narben durch Pollen bestäubt werden. Daraus folgerte er, dass Pflanzen sich sexuell fortpflanzen.

Dieses Thema griff der deutsche Botanikprofessor Joseph Gottlieb Kölreuter (1733–1806) auf und bestätigte durch zahlreiche Kreuzungsversuche die Sexualität der Pflanzen. Auch bewies er durch die Herstellung von Bastarden die effektive Rolle des Pollens als Überträger von Eigenschaften der Vaterpflanze.

In seinem Buch „Vorläufige Nachrichten von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen und Beobachtungen“ unterschied er drei Möglichkeiten der Bestäubung:

• „Ohne fremde oder äußerliche Beyhülfe“,

• „Durch den Wind …“,

• „Durch Insekten beim Nektarsaugen an den Blüten“.

Damit stellte er als erster Wissenschaftler die bedeutende Rolle von Insekten zur Bestäubung von Blütenpflanzen als wichtig heraus.

Ernteerfolg in imkerlicher Hand.

„Die Blumenwelt hat sich in ihrer Entwicklung nicht für den Menschen so herausgeputzt, sondern für ihre Bestäuber.“ Pflanze und Insekt – beide profitieren voneinander, beide passen sich in ihrer Entwicklung (Co-Evolution) einander an. Diesen Zusammenhang stellte erstmals Christian Konrad Sprengel (1750–1816), ein Gymnasialdirektor in Berlin, 1793 in der wissenschaftlichen Publikation „Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und der Befruchtung der Blumen“ fest. Zitat: „Drittens haben die meisten Zwitterblumen eine solche Struktur, daß sie, auch im vollkommensten Zustande ihrer Geschlechtsteile, schlechterdings nicht anders befruchtet werden können, also von den Bienen und anderen Insekten. Dieses werde ich in der Folge durch so viele Beyspiele, und auf eine solche Art beweisen, daß auch der hartnäckigste Zweifler nicht ferner daran wird zweifeln können“ (1). Mit seinen Erkenntnissen gilt Sprengel als Begründer der Blütenökologie.

In einem weiteren Buch – „Die Nützlichkeit der Bienen und die Notwendigkeit der Bienenzucht, von einer neuen Seite dargestellt“ aus dem Jahr 1811 – geht Sprengel auf die Notwendigkeit ein, landwirtschaftlichen Anbau mit Bienenzucht zu kombinieren, um so den Ernteertrag zu sichern beziehungsweise ihn zu steigern, also das volle Potenzial zu nutzen. Zitat am Beispiel Buchweizen: „… denn eben deswegen, weil die Blumen nur eine kurze Zeit geblühet haben, konnten nicht alle Blumen von den Bienen, und, da der Bienen nur sehr wenige waren, nur die allerwenigsten von denselben besucht und befruchtet werden …“ (2).

Etwa 50 Jahre nach Sprengels Tod machte der bekannte englische Gelehrte Charles Robert Darwin auf die wissenschaftliche Bedeutung des Buches aufmerksam. Neben seinen berühmten Forschungen zur Evolution der Arten führte er in Anlehnung an die Beschreibungen von Sprengel erfolgreich Kreuzungsversuche an Orchideen durch. In seiner 1862 erschienenen Erstausgabe „Die verschiedenen Einrichtungen durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden“ vertiefte er die Beobachtungen von Christian Konrad Sprengel.

Bei seinen Forschungen bekam er auch eine neu entdeckte und in England kultivierte madagassische Orchidee, Angraecum sesquipedale, auch Stern von Madagaskar genannt, zu sehen. Diese nachts stark duftende Pflanze hat als Besonderheit einen bis zu 40 cm langen Sporn, an dessen Ende sich der Nektar befindet. Charles Darwin postulierte, dass es für diese Orchideenart mit Sicherheit einen spezialisierten Bestäuber geben müsse. Er nahm an, dass es sich um einen Nachtschwärmer mit einem entsprechend langen Rüssel handle. Erst 1903 wurde der Nachtschwärmer Xanthopan morgani praedicta beschrieben und noch viel später, nämlich 1997, konnte das Bestäubungsverhalten fotografisch dokumentiert werden.

Anders als Gottlieb Kölreuter führte der Priester und Abt Gregor Mendel (1822–1884) Kreuzungsversuche mit reinerbigen Pflanzenarten durch. Er stellte fest, dass durch gezielte Fremdbestäubung von Pflanzen deren Eigenschaften miteinander kombinierbar sind. Außerdem fand er heraus, dass durch gezielte Auslese explizit die gewünschten Eigenschaften selektiert und weiter vermehrt werden können. Mit seinen Publikationen zur Vererbungslehre aus dem Jahr 1866 ebnete er den Weg zur modernen Pflanzenzucht.

Hummelvölker in Zucht zu nehmen, wurde aus wissenschaftlichem Interesse bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts begonnen. In den darauf folgenden 60 Jahren gelang es, Hummelvölker einen kompletten Entwicklungszyklus lang unter künstlichen Bedingungen zu halten. Besonders eine Zucht der Dunklen Erdhummel Bombus terrestris erwies sich als stabil reproduzierbar.

Der Beginn der kommerziellen Hummelzucht geht auf die Entdeckung des belgischen Tierarztes Roland De Jonghe zurück. 1985 setzte er ein Hummelvolk in einem Gewächshaus ein, in dem Tomaten angebaut wurden. Er beobachtete, dass das Hummelvolk keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch die künstliche Gewächshausumgebung erfuhr. Wichtiger jedoch war die weitere Beobachtung der überaus erfolgreichen Bestäubung der Tomatenblüten. Zudem waren die hieraus hervorgegangenen Früchte qualitativ hochwertiger. Diese Entdeckung war eine Sensation, denn bisher musste jede einzelne Blüte der sich selbst bestäubenden Tomatenpflanze durch ein Vibrationsgerät in Schwingung gebracht werden, damit die Antheren (die Staubbeutel) aufplatzten und der Pollen auf die Narbe fiel.

1987 gründete De Jonghe die Firma Biobest mit dem Ziel, gezüchtete Hummelvölker zur kommerziellen Bestäubung zu vermarkten. Nach nun rund 30 Jahren werden heute weltweit jährlich mehr als 1,5 Mio. Hummelvölker zu Bestäubungszwecken eingesetzt.

Heute beträgt der ökonomische Wert beziehungsweise Mehrwert der gesamten Bestäubungsleistung an Kulturpflanzen weltweit etwa 200 Mrd. Euro, in Deutschland circa 1,2 Mrd. Euro. Der ökonomische Wert der Bestäubungsleistung von Honigbienen wird heutzutage um das 10- bis 15fache höher bewertet als die gesamten produzierten Bienenprodukte (3). Nicht umsonst stehen die Bienen an dritter Stelle der landwirtschaftlichen Nutztiere (nach Rind und Schwein).

Veränderungen in Landwirtschaft und Natur

Leben bedeutet ständige Anpassung und Wandel. Dabei laufen Veränderungen meist kontinuierlich und schleichend ab – oder aber plötzlich mit einem klaren Schnitt und den damit verbundenen Verwerfungen. Auch die Landwirtschaft unterliegt diesem System und verändert sich stetig. Die Ursachen für betriebliche Entscheidungen können vielfältig sein, Auswirkungen von Entscheidungen dabei auch auf das Umfeld eine weite Strahlkraft haben. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, eine umfassende Entwicklungsgeschichte darzustellen. Dennoch sollen einzelne Aspekte genannt werden, um deutlich zu machen, warum die Landwirtschaft ihr heutiges Bild zeigt.

PRODUKTIONSFAKTOREN Neben der Arbeitskraft ist der Faktor Boden das wichtigste Gut in der landwirtschaftlichen Urproduktion. Durch andere Nutzungsformen wie Baugebiete, Straßenbau und sonstige Flächennutzung werden der landwirtschaftlichen Nutzung kontinuierlich Flächen entzogen. Boden ist daher ein abnehmendes Gut, denn er ist nicht vermehrbar. Man kann davon ausgehen, dass jeder Landwirt bestrebt ist, die Qualität und Leistungsfähigkeit seines Bodens möglichst zu erhalten oder gar zu verbessern, um diesen Produktionsfaktor gut an die Nachkommen zu übergeben. Den Sinnspruch vor Augen „Wir haben die Erde nur geliehen!“ wird eine entsprechende Sensibilität vorausgesetzt.

RENTABILITÄT Wirtschaftende Betriebe müssen sich immer an aktuelle Rahmenbedingungen anpassen, wenn sie denn erfolgreich sein und langfristig bestehen wollen. Verkauft werden können nur Produkte, die am Markt nachgefragt werden und im Preis konkurrenzfähig sind oder dem Kunden einen besonderen Mehrwert bieten. Auch die heimische Landwirtschaft ist einem globalen Markt ausgesetzt und konkurriert bei vielen Produkten weltweit. Dem Handel, aber auch dem Verbraucher ist es häufig egal, woher das Lebensmittel kommt, wenn denn der Preis günstig ist. Für den Produzenten kann das aber bedeuten, dass eine Kultur unter den aktuellen Marktbedingungen in Deutschland nicht mehr angebaut werden kann.

Landwirtschaftliche Betriebe sind in Deutschland in der Regel Familienbetriebe, die zum Leben ein entsprechendes Einkommen erwirtschaften müssen. Dazu ist eine gewisse Größe und Flächenausstattung oder aber die Kultur von Erzeugnissen mit einem hohen Deckungsbeitrag und optimaler Vermarktungsmöglichkeit erforderlich. Entsprechend wuchsen die Betriebe in den letzten Jahren kontinuierlich. Bleibende Betriebe übernahmen die Flächen der Betriebe, die aufgegeben wurden. Als Beispiel sei der Obstbau in Rheinland-Pfalz, einem typischen Gebiet mit Realteilung in der Erbfolge, aufgezeigt. Lag beispielsweise die Baumobstfläche je Betrieb im Jahr 1987 im Mittel bei 1,3 ha, war der Wert 2017 im Mittel bereits bei 7,2 ha angelangt (Statistisches Landesamt RLP). Entsprechend reduzierte sich die Anzahl der Betriebe im Land um circa 80 %. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Tendenzen.

Mit zunehmender Industrialisierung insbesondere im 20. Jahrhundert hat sich auch die Landwirtschaft in Deutschland verändert. Neben der erforderlichen Erhöhung der Einkünfte in Konkurrenz zur Arbeit im Gewerbe fand neben einer Mechanisierung meist auch eine Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe in Viehhaltung, Ackerbau oder Sonderkulturen statt.

QUALITÄTSSICHERUNG Heute unterliegen alle Lebensmittelproduzenten einem Qualitätssicherungssystem oder anderen Zertifizierungen, wie z. B. Öko-Anbau. Durch Qualitätssicherung sollen Risiken in der Produktion möglichst ausgeschlossen, hohe einheitliche Standards erfüllt und garantiert werden. In der Konsequenz gelten heimische Produkte im Lebensmitteleinzelhandel als sehr sicher. Da der Kontrollaufwand jedoch hoch ist und finanziert werden muss, stehen Aufwand und Ertrag bei kleineren Betrieben oftmals nicht im gesunden Verhältnis. Die Konsequenz ist dann insbesondere im Generationswechsel eine Produktionsaufgabe. Auch dies führt zu einer weiteren Konzentration und größeren Betrieben. Die Alternative „Direktvermarktung“ von Obst und Gemüse kann einzelbetrieblich sinnvoll sein, ist im gesamten Anbau aber nur als eine Nische zu sehen. Die hier abfließenden Mengen liegen im unteren einstelligen Prozentbereich des produzierten Angebots und sind in Schwerpunktregionen des Anbaus nur sehr begrenzt umzusetzen.

Insbesondere Obst und Gemüse soll über einen langen Zeitraum verfügbar sein, darf weder Fehler noch Rückstände von Pestiziden haben und muss beim Kunden lange halten. Diese Forderungen können oftmals nur mit einer geschützten Kultur, also einem Anbau in Gewächshaus oder Folientunnel, erfüllt werden. Diese Anbauform hat auf vielen Ebenen Vorteile, insbesondere die Qualität der Produkte ist in der Regel besser. Der Infektionsdruck durch Pilze ist ohne Regeneinfluss deutlich geringer; das spart direkt verschiedene Pflanzenschutzmitteleinsätze und trägt zu geringeren Rückstandswerten im Ernteprodukt bei. Die Düngung kann perfekt gesteuert werden und minimiert die Auswaschung von Nährstoffen in Boden und Grundwasser. Die Früchte bleiben sauber und gesund. Das Mikroklima im geschützten Bereich sorgt für eine frühere Ernte, um beispielsweise Erdbeeren bereits Anfang Mai aus heimischer Produktion anbieten zu können. Die Ernte kann witterungsunabhängig stattfinden und dadurch Lieferverpflichtungen eingehalten werden. Die geschützten Kulturen sind allerdings für natürlich vorkommende Bestäuberinsekten weniger attraktiv, so dass hier gezielt mit einem passenden Konzept bestäubt werden muss. Dieser Anbau ist aufwendig und teuer, wird vom Konsumenten durch sein Handeln aber gefordert.

AUSWIRKUNGEN AUF DIE NATUR Hohe Löhne und niedrige Preise führen zu einer Steigerung der Mechanisierung und damit verbunden größeren Bewirtschaftungseinheiten. Flurbereinigungsverfahren schaffen einheitliche und effektiv nutzbare Flächen. Der Anteil an Saumstruktur wird dadurch reduziert. Unrentable Flächen geringer Güte werden nicht mehr genutzt, verbrachen und verarmen langfristig in ihrer Artenvielfalt. Die früher allein durch die Vielzahl der Bewirtschafter typische und intensive Mosaikpflege der Landschaft ist vielfach verloren, Rückzugsbereiche fehlen. Nach täglichem Bedarf genutzte Futterflächen für die Versorgung der Tiere im Betrieb sind mit Aufgabe der Viehhaltung in vielen Betrieben weggefallen. Damit fehlt das artenreiche Grünland, Kleegras oder Luzerne in der Flächennutzung zahlreicher Regionen. Typische Kulturen im Ackerbau sind heute Getreide, Mais, Raps und teilweise Zuckerrüben, letztere stark abnehmend, weil im Weltmarkt nicht konkurrenzfähig.

Für Insekten nicht ausreichend: Blühstrukturen nur im Randbereich, zudem auf das Frühjahr begrenzt.

Agrarförderprogramme geben in der Regel früheste oder späteste Mahdtermine vor. In der Folge wird zu einem Termin eine ganze Landschaft durch das Mähen extrem verändert. Auch hier fehlt ein natürliches Nutzungsmosaik, das für eine kontinuierliche Nahrungsversorgung von Insekten und anderen Tieren wichtig wäre. Den Landwirt trifft hier keine Schuld; er arbeitet regelkonform und hält sich an die Vorgaben des Gesetzgebers. Da viele Lebewesen sich seit Jahrhunderten an eine Bewirtschaftung von Naturraum angepasst haben beziehungsweise gerade durch die Bewirtschaftung geeignete Habitate für diese Tiere geschaffen werden, nimmt eine Nutzungsaufgabe diesen Tieren den erforderlichen Lebensraum. Fest steht: Natur ist ständige Veränderung und lässt sich nicht konservieren.

MASSNAHMEN UND KONSEQUENZEN FÜR IMKER

Durch die Veränderungen in der Landnutzung sowie die fehlenden Nutzungsmosaike mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien ist eine kontinuierliche Tracht nicht immer gegeben. Im landwirtschaftlich genutzten Bereich der Landschaft wechseln sich Phasen mit einem sehr üppigen Trachtangebot durch Raps, Obstblüte oder Sonnenblume mit Phasen ohne auskömmliche Trachten ab. Immer öfter bekommt das traditionelle Trachtfließband Lücken. Der Klimawandel mit trocken-heißen Phasen oder Extremniederschlägen schafft zusätzliche Lücken, da auch Trachtquellen wie Linde oder Robinie unter Umständen keinen Nektar bilden. Inwieweit Nadelwald als Tracht bei Klimaextremen in Frage kommen kann, wird sich rückblickend zeigen. Auch der öffentliche Raum, wie z. B. kommunale Flächen oder Straßenbegleitgrün, könnten zur Tracht für zahlreiche Insekten beitragen, wenn die Nutzungskonzepte angepasst werden. Hierzu hat die FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.) 2020 einen „Fachbericht Bienenweide“ veröffentlicht. Insgesamt fehlt eine Trachtkontinuität durch großflächige, schnelle und umfangreiche Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen wie oben beschrieben.

Auf der einen Seite besteht für zu bestäubende Kulturen wie Raps, Obst, Sonnenblume ein Bedarf an Bestäubern in großer Zahl, auf der anderen Seite arbeiten nur etwa 2 % der Imker als Berufsimker und maximal 7 % als Nebenerwerbsimker mit größeren Völkerzahlen. Hobbyimker halten im Schnitt acht Bienenvölker. Damit könnte ein Hobbyimker etwa 2 ha Süßkirsche bestäuben. Entsprechend müssten größere Betriebe mit fünf bis zehn Imkern mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen auf einem Obstbaubetrieb zusammenarbeiten. Das macht ein professionelles Arbeiten auf Augenhöhe nicht einfach. Ein Ausweg kann die Dienstleistung des Bestäubungsimkers sein, der die Bedürfnisse des Landnutzers kennt und als erster Ansprechpartner entsprechend reagieren kann. Denkbar ist dabei natürlich auch, in Zusammenarbeit mit Hobbyimkern deren Bienenvölker in die Bestäubungsleistung zu integrieren.

MASSNAHMEN UND KONSEQUENZEN FÜR DEN LANDWIRT

Ein Ziel der Landwirtschaft ist überwiegend die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung durch die sogenannte Urproduktion. Verarbeiter und Verbraucher erwarten saubere und sichere Produkte in einer hohen und einheitlichen Qualität. Diese lässt sich in der Regel durch eine gute Kulturführung erzeugen. Gesetzliche Vorgaben definieren den zulässigen Aktionsspielraum. Zusätzlich erheben Handel und andere Akteursgruppen Forderungen, was sie vom Landbewirtschafter erwarten. Diese Erwartungen sind unter fachlichen Aspekten oftmals nicht nachhaltig und tragen so nicht zwingend zu einer Verbesserung der Situation bei. Zwei Beispiele machen die Konflikte deutlich. Gerade in den Dauerkulturen Baumobst und Weinbau könnten sehr große Flächenanteile in Form von blühenden Fahrgassen Trachtangebot liefern. Im Obstbau lässt dies die Bienenschutzverordnung nicht zu, da in seltenen Fällen die Notwendigkeit bestehen kann, ein als bienengefährlich eingestuftes Pflanzenschutzmittel einsetzen zu müssen. Im Weinbau ist dies in der Regel nicht nötig, da es weniger relevante Schadinsekten gibt und diese in geschlossenen Anbaugebieten mit Duftstoffen verwirrt werden können. Nun monieren einzelne Imker, dass im Pollenbrot minimale, aber nachweisbare Rückstände von zugelassenen und als bienenungefährlich geltenden Stoffen wie beispielsweise Fungizide gefunden werden und dies aus ihrer Sicht nicht sein dürfe. Die Konsequenzen sind klar und nachvollziehbar: Wenn bei den Imkern trotz Einhaltung aller gesetzlicher Vorgaben durch die Winzer eine Null-Toleranz besteht, reagiert der Flächennutzer, indem die Rebgassen mit Gras statt mit blühenden Strukturen eingesät werden. Wir reden in Deutschland von einer Rebfläche von circa 100.000 ha, die ein Nahrungsangebot für zahlreiche Insekten liefern könnte. Dieses Beispiel zeigt, dass durch eine offene und konstruktive Diskussion und Akzeptanz der Bedürfnisse aller Flächennutzer sehr viel zum allseitigen Nutzen optimiert werden kann. Diese Veröffentlichung will einen Beitrag dazu leisten.

Neben der Qualität der Produkte muss immer auch die Marktnachfrage und Wirtschaftlichkeit für die erzeugten Produkte gegeben sein. Märkte können teilweise geschaffen werden. Kaum ein Landwirt wird sich einer auskömmlichen Kultur verschließen, wenn diese in seinen Anbauplan passt.

Als letzter Punkt sei der gesellschaftliche Aspekt erwähnt. Sofern Leistungen von Landwirten eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben, wäre diese auskömmlich zu honorieren. Der Flächennutzer wäre in diesem Fall Dienstleister für die Gesellschaft.

Als Bestäubungsimker steht man in engem Kontakt zu den anfragenden Landnutzern. Auf beiden Seiten geht es um Bedürfnisse für die jeweilige Kultur. Hier ist der Imker Dienstleister. Bei einem kollegialen Verhältnis ist mancher Landnutzer sicher nach seinen Möglichkeiten bereit, an Lösungen zur Verbesserung des Trachtangebots außerhalb der zu bestäubenden Kultur beizutragen. Gemeinsame Lösungen erscheinen immer besser als einseitige Forderungen.

UMSETZUNG NATURSCHUTZRECHTLICHER VORGABEN

Auch hier wird es nicht gelingen, den Sachverhalt umfassend darzustellen. Zu vielfältig und umfangreich ist das Thema. Möglicherweise wird dieser Punkt sogar die stärkste Diskussion verursachen, da die Autoren einzelne Punkte herausgreifen und andere unberücksichtigt lassen müssen. Jede Entscheidung birgt Vor- und Nachteile. Jedes Handeln zeigt Vorzüge und verursacht Schäden. Manchmal kann eine Störung auch von Vorteil sein. Es gilt daher immer unvoreingenommen abzuwägen, welche Auswirkungen das jeweilige Handeln hat, und nach deren Bewertung bestmöglich zu entscheiden.

Unstrittig ist, dass der Umgang mit der Natur so schonend wie möglich stattfinden soll. Landnutzung bedeutet aber immer auch einen Eingriff in ein sich entwickelndes System. Durch die Eingriffe kann ein Zustand erhalten werden, der durch natürliche Sukzession wegfallen würde. Mit der Sukzession verschwinden die Arten, die auf den bisherigen Lebensraum angewiesen sind. Andere Arten können die entstehende Nische besetzen, die angestammten Arten verschwinden, werden aber wieder auftreten, wenn der Lebensraum ihren Bedürfnissen entspricht. Natur hat eine hohe natürliche Resilienz.

Aus diesem Grund sollte Naturschutz nicht dogmatisch gesehen werden. Wenn Lebensraum geeignet ist, wird dieser genutzt werden. Jede Art hat ihre Nische, durch landwirtschaftliche Kulturführung können wir Nischen schaffen, aber auch zerstören. Der Erwerbsobstbau zeigt als Dauerkultur mit gleichzeitig bestehenden unterschiedlichsten Strukturen auf einer Fläche eine hohe Biodiversität und damit auch eine gute Ökosystemdienstleistung. Häufig finden sich seltene Arten auf den Flächen. Die Empfehlung lautet dann, die Bewirtschaftung genauso weiterzuführen wie bisher, da die betreffenden Arten genau diesen Lebensraum benötigen. Jede Veränderung würde zum Verlust dieser Arten führen.

ARBEITEN IN DER RECHTLICHEN GRAUZONE

Das Bundesnaturschutzgesetz regelt den Umgang mit Natur und Landschaft. Es regelt unter anderem den Umgang mit wild lebenden Tieren, lässt aber ausdrücklich eine landwirtschaftliche Nutzung von Flächen, die bisher genutzt wurden, als unschädlich zu (§14 (2)). §39 (1) BNatSchG definiert den Umgang mit Wildtieren: „Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen, ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten.“ Die Aussage ist klar und eindeutig, gleichwohl bietet jeder Gesetzestext Spielraum für Interpretation. Wild lebende Tiere sind zu schützen. Mit einem vernünftigen Grund dürfen sie gefangen und sogar getötet werden.

Hier geht es natürlich nicht um das Töten von Tieren, sondern um den Einsatz wilder Tiere als Bestäuber in landwirtschaftlichen Kulturen. Bei Honigbienen ist es einfach. Das sind Kulturvölker, die ohne die Pflege des Imkers nicht (mehr) dauerhaft überleben könnten. Bei Hummeln wird es schon schwieriger. Zu Bestäubungszwecken kann man komplette Völker in großer Zahl käuflich erwerben. Hummeln kommen auch in der Natur vor. Die kommerziellen Völker sind allesamt aus Vermehrungslinien der Züchter entstanden. Also auch keine klassischen Wildtiere. Zuchtlinien sind alleine wegen der erforderlichen Vitalität möglichst gesund und frei von Parasiten gehalten. Jedes Einbringen von wilden Tieren würde eine Gefahr von Krankheiten für die Zuchtstämme bedeuten, was in der Zucht natürlich vermieden werden soll. Da die abgegebenen Völker zum Ende ihrer Entwicklung auch Königinnen produzieren, können diese in die Natur gelangen und im Folgejahr eigene Völker aufbauen. Hier wird teilweise eine Gefahr gesehen, dass die Bombus-terrestris-Jungköniginnen aus den kommerziellen Völkern bei Auswilderung natürlich vorhandene Bestände verdrängen könnten, weil sie einen begrenzten Lebensraum besetzen. Dazu sollte man wissen, dass nur wenige Jungköniginnen den Winter überleben und im Frühjahr ein eigenes Volk aufbauen können. Zum anderen diskutieren wir über einen Insektenrückgang in der Natur. Durch die Jungköniginnen können wir gezielt Insekten auswildern und den Rückgang etwas abmildern. Dabei wäre in Kauf zu nehmen, dass vitale Tiere einer heimischen Art die Natur bereichern.

Schwieriger wird es bei den zur Bestäubung eingesetzten Mauerbienen Osmia cornuta und Osmia bicornis. Beide Arten sind ubiquitär in Deutschland vorkommend und gelten als heimisch. Sie eignen sich sehr gut als Bestäuber im Obstbau, da sie leicht zu vermehren sind, mit einer Generation im Jahr vorkommen und genau zur Obstblüte von Stein- und Kernobst ihren Aktivitätsschwerpunkt haben. Sie sind gut zu managen, da der Schlupfzeitpunkt durch Lagerung der Kokons bei niedrigen Temperaturen unschädlich beeinflusst werden kann. Die Art ist züchterisch nicht bearbeitet, von daher sind sie als Wildtiere anzusehen. Dürfen wir die Nachkommen aus den gezielt in die Obstanlage ausgebrachten Nisthilfen der Natur entnehmen und zu Bestäubungszwecken wieder aussetzen? Mauerbienenkokons werden von Züchtern zum Kauf angeboten. Das ist möglich, wenn eine Genehmigung dazu vorliegt. Die Entscheidung trifft individuell die zuständige Naturschutzbehörde.

Zu diskutieren wäre, inwieweit ein Einsatz, eine Vermehrung und das Managen der gewonnenen Mauerbienenkokons zu Bestäubungszwecken zulässig oder aber strafbewehrt ist. Die Einschätzungen der Naturschutzbehörden sind diesbezüglich sehr unterschiedlich von grundsätzlich ablehnend bis akzeptierend, da die Art nicht aus der Natur entnommen wird, sondern durch die Nistangebote vermehrt und in der Fläche verbreitet wird. Tatsächlich sind alle Entscheidungen diesbezüglich Einzelfallentscheidungen. Eine eindeutige Regelung wäre wünschenswert.

BESTÄUBUNGSDIENSTLEISTUNGEN BENÖTIGEN FACHKUNDIGES PERSONAL

Eine Bestäubungsdienstleistung ist mehr als einfach nur Bienenvölker an den Rand einer Pflanzung zu stellen. Durch die Dienstleistung soll der Fruchtertrag der zu bestäubenden Kultur möglichst perfekt gewährleistet werden. Dies unabhängig von der Blütezeit und dem Kulturverfahren im Anbau. Hier macht es einen Unterschied, ob es sich um eine Freilandkultur oder geschützten Anbau handelt. Ob die Blüte bereits vor der eigentlichen Aktivitätszeit der Insekten zu bestäuben ist und die Völker speziell darauf vorbereitet werden müssen. Es stellt sich die Frage, welche Insekten für diese Kultur geeignet sind und ob besser eine Kombination verschiedener Arten eingesetzt werden sollte. Die geeignete Zahl der Völker ist zu bestimmen, um den Erfolg zu gewährleisten, die Kosten aber zu minimieren. Letztendlich geht es auch um Tierschutz, da durch einen fachgerechten Einsatz Tierverluste reduziert werden können. Die Vereinigung der Bestäubungsimker in Deutschland e. V. bietet regelmäßig Ausbildungen und Weiterbildungen zum Thema an. Ohne entsprechende Kenntnisse können schnell Enttäuschung und Überforderung Raum greifen.

WICHTIGES GRUNDLAGENWISSEN

Bestäubungsinsekten in der Landwirtschaft

Es wird gemeinhin angenommen, dass die Bestäubung von Blütenpflanzen in Abhängigkeit der Art durch Insekten, Vögel oder Wind erfolgt. Dies mag für Mitteleuropa zutreffen, für andere Kontinente zeigt sich, dass nahezu alle Tierarten an der Bestäubung von Blütenpflanzen beteiligt sind.

In Mitteleuropa gelten Insekten als die Hauptbestäuber. In den letzten Jahren beobachtet man jedoch eine deutliche Abnahme der Insekten in der Landschaft, so dass allgemein von einem Insektensterben gesprochen wird. Über die zugrundeliegenden Ursachen wird diskutiert, vermutlich sind sie multikausal und lassen sich nicht auf einen Aspekt reduzieren. Eine natürliche Bestäubung von weitläufigen Flächenkulturen, die auf Insektenbestäubung angewiesen sind, erscheint kaum mehr möglich. Für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere im Obstbau, ist ein hoher Befruchtungserfolg aber ein wichtiger Aspekt für die Wirtschaftlichkeit.

Neben der Ertragssicherheit soll die Ernte zudem hohe Qualitätsmerkmale erfüllen wie z. B. ansprechende Fruchtform, geeignetes Zucker-Säure-Verhältnis und gute Lagerfähigkeit. Durch einen möglichst einheitlichen Reifezeitpunkt können die Erntekosten reduziert werden, eventuell notwendige Behandlungsmaßnahmen der Kulturen sind früher möglich. Um diesen Zielen gerecht zu werden, ist ein Einsatz von Bestäubern zum richtigen Zeitpunkt in den Anbaukulturen notwendig.

Die passenden Bestäubungsinsekten für die unterschiedlichen Kulturen zu finden, deren Entwicklungszyklus zu berücksichtigen, rechtzeitig notwendige Maßnahmen einzuleiten, um die Tiere zu fördern bzw. sie vor Schäden zu schützen – mit diesen und anderen Fragen ist der Landwirt nun neben seiner Kulturführung konfrontiert.

IN LANDWIRTSCHAFTLICHEN KULTUREN EINGESETZTE BESTÄUBUNGSINSEKTEN

Lediglich sieben Insektenarten werden bei Bestäubungsdienstleistungen in Mitteleuropa eingesetzt. Der Hauptgrund für diese geringe Zahl liegt in der Komplexität einer gut funktionierenden Zucht von Bestäubern und der Möglichkeit, große Mengen an Zuchteinheiten den inzwischen ganzjährigen Kulturbedingungen individuell anpassen zu können.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die in Mitteleuropa vorwiegend verwendeten Bestäubungsinsekten.

Insekt

Trivial-name

wissenschaft-licher Name

Nahrung

Pollen-über-tragung

Einsatz-gebiet

Schmeiß- fliegen (Callipho- ridae)

Goldfliege (Pinkey)

Lucilia sericata

Kot und/oder sich zersetzende organische Substrate im Larven- stadium, Pollen und Nektar als adulte Fliege

Pollen- übertragung durch Pollen im Kopfhaar

Saatgut- züchtung in Gewächs- haus, Folien- tunneln und Kleinst- zelten

Blaue Schmeiß- fliege (Asticom)

Calliphora vomitoria, Calliphora vicina

Aas, Kot und/oder sich zersetzende organische Substrate im Larven- stadium, Pollen und Nektar als adulte Fliege

Pollen- übertragung durch Pollen im Kopfhaar

Saatgut- züchtung in Gewächs- haus, Folien- tunneln und Kleinst- zelten

Hummeln

Erdhummel

Bombus terrestris

Nektar und Pollen

Pollen-Beinsammler Pollen- übertragung durch Pollen im Haarkleid

Saatgut- züchtung (Kleinstzelte bis Folien- tunnel), Freiland, Gewächs- haus insbesondere zur Tomaten- bestäubung

Hummel- drohnen

Erdhummel

Bombus terrestris

Nektar und Pollen

Pollen- übertragung durch Pollen im Haarkleid

Saatgut- züchtung in Kleinst- zelte (1×1 m; 3×3 m)

Bienen

Honigbiene

Apis mellifera

Nektar und Pollen

Pollen-Beinsammler Pollen- übertragung durch Pollen im Haarkleid

Saatgut- und Erwerb- sanbau, Freiland, Gewächshaus und Folien- tunnel nach vorheriger Volksvor- bereitung

Gehörnte Mauerbiene

Osmia cornuta

Nektar (adult) Pollen für die Brutent- wicklung

Pollen-Bauchsammler Sehr effektive Pollen- übertragung durch Pollen- vorrat an der Bauchseite

Saatgut- und Erwerbsanbau, vorwiegend Freiland, auch Einsatz in Gewächs- haus und Folientunnel

Rostrote Mauerbiene

Osmia bicornis

Nektar (adult) Pollen für die Brut- entwicklung

Pollen-Bauchsammler Sehr effektive Pollen- übertragung durch Pollen- vorrat an der Bauchseite