Reiche Kunden killt man nicht – Ein Fall für Abel - Fred Breinersdorfer - E-Book

Reiche Kunden killt man nicht – Ein Fall für Abel E-Book

Fred Breinersdorfer

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Beschreibung

Die Polizei ist hinter dem Privatdetektiv Jean Abel her. Die Großfahndung läuft. Er soll einen Klienten umgebracht haben; die Indizien sprechen gegen ihn, und er hat kein Alibi.
Vor allem aber passt ein Privatdetektiv in schmutzigen Jeans, mit abgebrochenem Jurastudium, Schulden und starkem Alkoholverbrauch als Mörder vorzüglich in das Weltbild von Hauptkommissar Schuster… Nein, Schuster ist kein mieser Bulle. Er ist eher ein Mann mit Grundsätzen, mit sehr viel Erfahrung und wenig Fantasie. Und wenn da nicht nur ein Alibi fehlt und die Indizien eindeutig sind, sondern auch ein klares Motiv erkennbar wird, da hat der alte Praktiker nicht mit Zweifeln zu kämpfen.
Aber mit Abel.

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Fred Breinersdorfer

 

 

Reiche Kunden killt man nicht

 

 

Ein Fall für Abel

 

 

Ein Kriminalroman

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv

Cover: © by Christian Dörge mit Bärenklau Exklusiv, 2023

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Reiche Kunden killt man nicht 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

27. Kapitel 

28. Kapitel 

29. Kapitel 

30. Kapitel 

31. Kapitel 

32. Kapitel 

33. Kapitel 

34. Kapitel 

35. Kapitel 

36. Kapitel 

37. Kapitel 

38. Kapitel 

Der Autor Fred Breinersdorfer 

Folgende Romane des Autors Fred Breinersdorfer sind ebenfalls erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung 

 

Das Buch

 

 

 

Die Polizei ist hinter dem Privatdetektiv Jean Abel her. Die Großfahndung läuft. Er soll einen Klienten umgebracht haben; die Indizien sprechen gegen ihn, und er hat kein Alibi.

Vor allem aber passt ein Privatdetektiv in schmutzigen Jeans, mit abgebrochenem Jurastudium, Schulden und starkem Alkoholverbrauch als Mörder vorzüglich in das Weltbild von Hauptkommissar Schuster… Nein, Schuster ist kein mieser Bulle. Er ist eher ein Mann mit Grundsätzen, mit sehr viel Erfahrung und wenig Fantasie. Und wenn da nicht nur ein Alibi fehlt und die Indizien eindeutig sind, sondern auch ein klares Motiv erkennbar wird, da hat der alte Praktiker nicht mit Zweifeln zu kämpfen.

Aber mit Abel.

 

*

 

Fred Breinersdorfer ist einer der renommiertesten deutschen Krimi- und Drehbuchautoren. Der Berliner Anwalt schuf die Abel-Reihe im ZDF, basierend auf seinen Romanen, die nun in digitaler Form vorliegen. Sie sind Klassiker des modernen deutschen Krimis. Er schrieb für die ARD über fünfzehn Tatort-Drehbücher.

 

 

***

 

 

Reiche Kunden killt man nicht

 

 

1. Kapitel

 

 

»Tach«, sagte der Mann, der Paloff auf der Treppe entgegenkam.

»Grüß Gott«, antwortete Paloff in reinstem Schwäbisch. Er stieg langsam die Stufen durch das alte Treppenhaus hinauf. Oben unter dem Dach gab es drei Türen. An der mittleren klebte ein Zettel.

JEAN ABEL

Privatdetektiv telef. Voranmeldung erforderlich

Paloff klopfte. Nichts. Er klopfte noch einmal, lauter.

»Oho, Alter, das ist aber mal ’ne Überraschung.« Abel hielt die Tür mit der linken Hand, sein rechter Arm fuhr in einer weiten Geste hinauf zum Türbalken. Dann packte er Paloff mit beiden Händen an den Schultern und zog ihn zu sich herein.

»A Freid is es.« Abel lachte und imitierte Wienerisch. Die Tür bekam einen Fußtritt und schlug krachend zu. Der Detektiv zerrte Paloff den Mantel von den Schultern und schob ihn vor sich her zu einem breiten Ohrensessel. Paloff setzte sich in die zerschlissenen Polster und legte sein Pfeifenetui sorgfältig vor sich auf den Schreibtisch.

»Ich habe Arbeit für dich«, sagte er beiläufig.

»Was?«

»Arbeit, einen Auftrag.«

Abel angelte nach dem Stuhl hinter dem Schreibtisch und zog ihn herüber. Er setzte sich rittlings und legte das Kinn auf die Lehne.

Paloff klappte sein Etui wie ein Buch auseinander, wählte eine Pfeife aus und begann sie sorgfältig zu stopfen.

»Worum geht’s denn da?«

»Dein Klient kommt gleich, er wird dir alles genau erzählen. Es handelt sich, soviel ich weiß, um eine Erbschaftsgeschichte.« Paloff paffte dicke Qualmwölkchen vor sich hin.

»Und was ist das für ein Mann?«

»Ein Kollege aus Südamerika«, sagte Paloff stolz.

»Ich werd verrückt.« Abel spielte großes Erstaunen und ließ sich rücklings fast vom Stuhl fallen. Paloff war Philologe, seine Spezialität war Althochdeutsch. Abel hatte zu dieser Wissenschaft keine Beziehung, aber ihren Vertretern traute er nichts zu. Er kannte ja Paloff.

»Kann der überhaupt ein Auto vom Rasenmäher unterscheiden?« Besorgt zog er die Augenbrauen hoch.

»Ich kann ja wieder gehen und ihm Bescheid sagen …«

»Quatsch, man wird ja noch mal fragen dürfen.« Abel lachte. Er zwinkerte zu Paloff hinüber.

»Einen Kaffee zur Friedenspfeife?« Er schob seinen Stuhl zurück und ging in den zweiten Raum seiner Dachwohnung hinüber, um am Waschbecken einen Topf mit Wasser zu füllen und auf die elektrische Platte zu stellen.

Die beiden Männer saßen sich gegenüber unter dem Lichtkreis der Schreibtischlampe. Abel hatte einen starken, heißen Kaffee gebraut. Die Henkelbecher hinterließen kleine Kreise auf der Lederunterlage. Der Rauch von Paloffs Pfeife schwebte in dünnen Schwaden im Raum und schimmerte matt. Ein fahler Herbstabend lag draußen vor dem Fenster, wo der Sprühregen wie Nebel um die Lichter der Laternen hing. Im Zimmer knisterte das Holz im Kanonenofen.

Abels breites Gesicht glühte jetzt vor Interesse. Er kratzte sich am Bart, rieb über die borstigen Haare, wenn er nachdachte, und versuchte, einen Namen aus einer Gedächtnisschublade zu kramen. Die beiden tratschten. Paloff hatte eine frühere Freundin von Abel getroffen. Dort hatte er dies und jenes über die ehemaligen Kommilitonen erfahren, Kleinigkeiten, aber immerhin, Abel war gespannt, er schwadronierte und lästerte und hatte fast alles schon vorher gewusst.

»Das war doch klar, dass die sich blitzschnell einen sucht, einen mit Kies meine ich.« Abel war aufgestanden und kramte im Nebenzimmer nach einer Schnapsflasche. »Und dann ist nix mehr mit in die Schule gehen, anderer Leute Kinder erziehen. Jetzt gibt’s nur noch Porsche fahren und auf Parties und Vernissagen rumrennen.«

»Bessere Kreise.« Paloff zuckte mit den Schultern, er gehörte selbst dazu.

»Bessere Kreise, bessere Kreise, da scheiß ich drauf«, Abel kam mit einer Flasche zurück.

»Ob dein Freund noch kommt?«

»Er ist sonst immer pünktlich«, Paloff schaute auf seine Uhr.

»Er kommt bestimmt.«

»Hoffentlich.«

»Bestimmt, wenn ich’s sage«, beharrte Paloff, »er ist aus Südamerika, er kennt hier niemanden.«

Abel trank ächzend einen Schluck hellen Schnaps aus dem Wasserglas, das vor ihm stand; die beiden schwiegen. Im Ofen fuhr krachend ein Holzscheit auseinander. Unten auf der Straße brummte der Abendverkehr.

Da knarrten die Stufen vor der Tür unter unsicheren Schritten. Abel hob den Kopf. Paloff legte die Pfeife aus der Hand. Die Schritte verharrten in der Nähe der Tür. Bevor wieder der Lärm von der Straße heraufdrang und die letzten Geräusche hier überdeckte, klopfte jemand behutsam an die Tür.

Der Mann, der den Raum betrat, war klein und untersetzt. Seine stämmige Erscheinung passte nicht zu den vorsichtigen Schritten.

Abel hatte das Deckenlicht angeschaltet, er stand hinter dem Fremden, sodass er nicht sehen konnte, wie dessen Miene sich aufhellte. Paloff und der Mann begrüßten sich freundschaftlich.

»Das ist der Mann, den ich Ihnen empfohlen habe, Herr Kollege«, sagte Paloff und deutete auf Abel.

»Aha, schön«, sagte der Mann und säuberte seine beschlagene Brille sorgfältig mit einem Taschentuch. Er hatte sich umgedreht.

»Abel«, stellte sich der Detektiv vor.

»Sehr angenehm, Reißler.« Der Fremde drückte die Hand des Detektivs fest zusammen, »Sie wissen sicher, dass Herr Paloff und ich Kollegen sind, wir kennen uns von Kongressen, Ihr Freund ist eine wissenschaftliche Autorität, daher mein Vertrauen, seinen privaten Ratschlag zu befolgen.«

Reißlers Gesicht zeigte dennoch Skepsis. Sein Blick wanderte flüchtig durch den matt erleuchteten, kleinen Raum. Paloff lächelte entschuldigend.

»In Amerika residieren Privatdetektive sicher fürstlicher«, sagte Abel.

Mit einer weiten Geste des rechten Arms wies er auf einen zweiten Stuhl, den er herangezogen hatte.

»Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

»Danke«, sagte Reißler und setzte sich zögernd auf die Stuhlkante. Abel verschwand im hinteren Zimmer und kehrte mit einem Glas zurück. Er stellte es direkt vor Reißler und zog aus der Tasche ein Päckchen Zigaretten, das er in die Mitte des Schreibtisches legte.

»Trinken Sie auch ein Glas?«, fragte Abel und näherte sich mit der Flasche.

»Schnaps?«, fragte Reißler.

»Ja, Obstschnaps.«

Abel hielt die Flasche kurz über das Glas.

»Ja, gerne«, sagte der Mann und nickte. Abel vergaß vor Erstaunen fast das Einschenken. Ein Philologe, der Schnaps trinkt, passte nicht in sein Weltbild. Reißler kippte den Obstler hinunter und zog die Schultern hoch. Abel beobachtete den Vorgang ungläubig, dann trank er selbst.

»Noch einen?«

»Ja gerne, das wärmt.«

Die drei Männer saßen um den Tisch und sahen sich an. Hätte auch Paloff getrunken, es wäre fast gemütlich gewesen. Nachdem Reißler sich eine von Abels »Anbietzigaretten« angezündet hatte – Abel selbst rauchte nicht – fragte Abel geschäftsmäßig, wo der Schuh denn drücke. Reißler saß aufrecht und starr auf dem Stuhl und schaute Abel aufmerksam an.

»Mein Problem ist privater Natur, eine alte Geschichte. Ich selbst kann es nicht lösen. Ich bin daher auf fremde Hilfe angewiesen. Es geht um Ermittlungen, die Sie für mich durchführen sollen.«

»Das ist mein Beruf.« Abel trank ein Schlückchen.

»Ich komme aus Venezuela«, fuhr Reißler fort, »und bin dort an der Universität tätig, geboren bin ich aber in Stuttgart. Nach dem Krieg – ich war Mitte Zwanzig – bin ich zusammen mit meinem Vater nach Südamerika. Es gab dafür private, na ja, sagen wir politische Gründe. Die einen sind damals geflüchtet und haben im Ausland ihren Weg gemacht, die anderen sind hier in der Heimat geblieben. Und um die – soweit sie aus meiner Familie sind – geht es.«

Abel nickte und begann auf einem Block Notizen zu machen.

»Unsere Familie ist verhältnismäßig wohlhabend. Mein Großvater hat das Vermögen zusammengebracht, wie, weiß heute keiner mehr. Weder mein Vater noch ich ahnten etwas über die Höhe, es gab nur Schätzungen. Bis zu seinem Tod hat mein Vater immer wieder davon gesprochen, dass wir ausgesorgt haben würden, wenn der Erbfall eintreten würde.«

»Hat Ihr Vater diesen Erbfall noch erlebt?«, fragte Abel, ohne von seinem Block aufzusehen.

»Nein, mein Vater ist vorher gestorben.« Reißlers Miene blieb unbeweglich. »Der ›Erbfall‹, das war meine Großmutter. Sie hieß Haussmann und war so was wie eine Stammesfürstin. Sie war geizig, verschlagen und zäh, sie ist erst nach meinem Vater gestorben. Trotz allem war sie nicht ohne Gerechtigkeitssinn, wenn es die Familie betraf. Mein Vater hat das immer wieder betont und fest daran geglaubt, dass wir in Südamerika nicht betrogen werden würden.«

»Und hat sich Ihr Vater getäuscht?«

»Ja.« Reißler drehte das Schnapsglas zwischen seinen Fingern. »Als die Großmutter 1964 starb, hier ist der Totenschein« Reißler reichte ein verschlissenes Blatt über den Tisch – »bin ich nach Deutschland gekommen, um das Erbe anzutreten. Die Verwandten haben mich sehr distanziert behandelt, mit dem Tenor: ›Du hast dich nie um deine Großmutter gekümmert, jetzt, wenn es ums Geld geht, bist du da!‹ Ich bin mir damals ziemlich schäbig vorgekommen, so, als wollte ich die anderen bestehlen.«

»Es war aber eher umgekehrt«, warf Paloff dazwischen, der die Geschichte Reißlers schon kannte. Er zog heftig an seiner Pfeife.

»Damals habe ich mich mit dem Nachlassgericht in Verbindung gesetzt«, fuhr Reißler fort, »und dort einen Erbschein erhalten, der auf ein Drittel der vorhandenen Erbmasse lautet. Das stand mir auch zu, denn mein Vater hatte zwar drei Geschwister, aber ein Bruder ist kinderlos im Krieg geblieben, sodass außer meinem Vater noch zwei bzw. deren Kinder je ein Drittel erbten; sozusagen zwei weitere Äste des Stammbaumes, außer unserem.«

Abel grinste, denn die gesetzliche Erbfolge kannte er. Immerhin hatte er sein erstes juristisches Examen, wenn auch mit unsäglichem Glück, bestanden.

»Das Merkwürdige war nur, dass mein Anteil verhältnismäßig mager ausfiel. Alles zusammen am Schluss nur knapp zehntausend Mark. Dabei war eine Gießerei vorhanden, mit zwei Verarbeitungsbetrieben. Das Grundstück, auf dem die Gebäude der Firmen standen, soll früher uns gehört haben und dann in den fünziger Jahren verkauft worden sein. Neben einer großen Villa am Killesberg hier in Stuttgart, eine sehr gute Gegend, wie Sie wahrscheinlich wissen, muss es noch Mietshäuser in der Stadt und Grundstücke auf dem Land gegeben haben.«

»Eine ganze Menge.« Abel war beeindruckt. »Da hätte sich das Erben gelohnt.«

»Von allem war angeblich nichts mehr da.« Reißler fuhr mit einer knappen Bewegung der Hand durch die Luft. »Die Grundstücke und Häuser sollen nach dem Krieg von den Alliierten konfisziert worden sein – ohne Abfindung, hieß es. Und die Firmen waren notleidend, hieß es. Man hat mir damals ein Gutachten von zwei Wirtschaftsprüfern vorgelegt, aus denen hervorging, dass der Wert des gesamten Unternehmens praktisch gleich Null war und nur die Betriebsgrundstücke – abzüglich hoher Belastungen – noch knapp 300.000 Mark bringen würden.«

Paloff schüttelte ungläubig den Kopf, obwohl er die Vorfälle kannte. Er beobachtete, wie der Detektiv nun eifriger schrieb.

»Dreihunderttausend muss das heißen«, er zeigte mit dem Finger auf das Notizpapier.

»Heißt es auch«, knurrte Abel.

»Damals war ich schon skeptisch und habe mir einen Rechtsanwalt genommen«, fuhr Reißler fort, »der hatte jedoch nur wenig Zeit auf die Prüfung der Unterlagen verwendet und mir schließlich geraten, aus den Firmen, deren Teilhaber ich als Erbe war, auszuscheiden und meinen Anteil zu realisieren, bevor ein Konkurs kommen würde. Ich habe diesen Rat – wenn auch mit großen Bedenken – befolgt, da die Vorgänge plausibel dargestellt waren und ich befürchten musste, schließlich noch alles zu verlieren.«

»Wie hieß der Mann?«, fragte Abel dazwischen, ohne aufzublicken.

»Wer?«

»Der Anwalt, den Sie hatten.«

»Kuhlmann«, antwortete Reißler. Nach einer versonnenen Pause sprach er weiter: »Später erst habe ich mich gewundert, woher die anderen Erben so schnell das Geld aufgetrieben haben, um mich auszuzahlen, wenn alles tatsächlich so marode war, wie es aussah. Ganz besonders deshalb, weil die Familie ihre Einkünfte ohne Ausnahme aus den Firmen bezog. Keiner von denen war in der Lage, durch seiner Hände Arbeit etwas zu verdienen. Keiner hatte etwas Richtiges gelernt. Ich habe in Venezuela dann immer die Wirtschaftspresse über Deutschland verfolgt. Dabei bin ich schließlich vor knapp drei Wochen auf eine Notiz gestoßen, aus der hervorging, dass die Haussmann Metallverarbeitungsgesellschaft mbH in Stuttgart eine Dachgesellschaft für einen Preis von über dreißig Millionen Mark mit einem Großunternehmen fusioniert hat und dass die bisherigen Inhaber, Kurt Haussmann und Ina Haussmann-Nasch entsprechend ausbezahlt wurden. Nebenbei bemerkt, das sind mein Vetter und meine Cousine, die armen Miterben von damals.« Reißler schob einen Zeitungsausschnitt über den Tisch.

»Eigenartig, was der deutsche Unternehmergeist aus konkursreifen Firmen alles macht.« Abel drehte den Zeitungsausschnitt mit dem spanischen Text unschlüssig in der Hand.

»Ja, da ist mir schließlich klargeworden, dass man mich damals betrogen hat«, sagte Reißler bitter, »und jetzt bin ich gekommen, mein Recht zu suchen.«

Er lehnte sich zurück und drehte das leere Schnapsglas in den Händen.

»Eines ist mir nicht klar«, sagte Abel langsam und fuhr mit dem Bleistiftstummel an seinen Notizen entlang. »Sie heißen Reißler, folglich hieß auch Ihr Vater so, wie sind Sie genau mit der Familie Haussmann verwandt?«

»Ganz einfach: Meine Mutter war eine geborene Haussmann und stammte aus Stuttgart.«

»Gut, aber dann hätte Ihr Vater nicht geerbt, nur Sie persönlich«, Abel sah Reißler an.

»Richtig, mein Vater hätte zwar unter Umständen auch selbst erben können – das lassen wir beiseite -, er hat aber die wenigen Kontakte nach Deutschland immer aufrecht erhalten und hat quasi als Sachwalter meiner Mutter gearbeitet. Aus diesem Grund konnte er – aus einer Art Überidentifikation heraus – von ›unserem‹ Erbe sprechen; das war für ihn nichts Ungewöhnliches. Schließlich wäre ich auf alle Fälle bedacht worden, und mein Verhältnis zu meinem Vater war ausgezeichnet.«

»Wird akzeptiert«, sagte Abel trocken und schenkte nach.

Reißler schob einen kleinen Stoß Papier zu Abel hinüber und sagte: »Das sind die Unterlagen, die ich habe, vielleicht werden Sie klug daraus. Ihre Bemerkung zeigt mir, dass Sie zumindest ein guter Beobachter, oder besser, Zuhörer sind.«

Paloff sah von der Pfeife auf, die er gerade reinigte. »Was soll Herr Abel jetzt für Sie unternehmen, Herr Reißler?«

»Er soll klären, ob und – wenn ja – wie ich übers Ohr gehauen worden bin«, antwortete Reißler knapp. Er sah Abel an und beobachtete, wie dieser noch einmal seine Notizen durchging. Er hatte Vertrauen gefasst. In gemächlichen Schlucken trank er Abels Schnaps.

Die Männer schwiegen. Der Detektiv hatte sich zu dem Auftrag noch nicht geäußert; er war in seine Notizen vertieft. Dann fragte er, ohne von seinen Blättern aufzusehen, wo genau die Villa am Killesberg liege.

Reißler nannte die Adresse und gab dann noch Auskunft über die mutmaßliche Lage der anderen Häuser und Grundstücke. Abel schrieb alles auf. Dann gingen sie zusammen die auf dem Tisch liegenden Dokumente durch.

»Ja«, sagte der Detektiv schließlich und sah Reißler ins Gesicht, »eine interessante Sache, ich nehme den Auftrag an.«

Reißler nickte erleichtert. Er konnte nicht wissen, dass Abel infolge chronischer Finanzschwäche kaum etwas anderes übrigblieb.

Paloff erhob sich als erster. Er packte seine Pfeifen behutsam zusammen. Reißler war noch unschlüssig, er sah zu Abel hinüber und fragte:

»Wie stehen unsere Aussichten?«

»Eine schwierige Frage«, murmelte Abel. »Für den Erfolg kann ich Ihnen nicht garantieren. Die Sache ist dafür zu kompliziert.« Er legte die Papiere auf den alten breiten Schreibtisch und kam auf Reißler zu. »Wenn Sie eine Erfolgsgarantie wollen, dann kann ich nichts für Sie tun. Ich versichere Ihnen aber, dass ich mich bemühen werde.«

»Mehr wollte ich nicht wissen«, sagte Reißler zufrieden und stand auch auf; er kam auf Abel zu und gab dem Detektiv die Hand: »Sie werden es schon schaffen, davon bin ich überzeugt.«

Abel nickte. Es schien einen Augenblick, als wollte er sich wichtig tun, doch der Eindruck war nur flüchtig.

»Mein Honorar beträgt zweihundertfünfzig Mark am Tag plus Spesen«, sagte er, als Paloff und Reißler im Begriff waren, das Zimmer zu verlassen. Paloff schien nichts gehört zu haben. Seit seiner frühen Jugend waren ihm Gespräche über Geld in persönlichem Zusammenhang peinlich.

Reißler drehte sich um und lächelte. Er griff in die Tasche seines Jacketts und zog seine Brieftasche heraus.

»Sie brauchen sicher einen Vorschuss, Herr Abel«, sagte er mit leiser Ironie und schaute an Abel vorbei in das hintere Zimmer, dann fuhr er versöhnlich fort: »Reichen tausend Mark für die ersten Tage?«

Er streckte die Hand aus und gab Abel ein paar Geldscheine. Abel antwortete nicht und nahm das Geld.

»Quittung?«, fragte er dann.

»Nein, danke, ich vertraue Ihnen«, sagte Reißler und winkte mit der Linken ab, während er die Brieftasche zurücksteckte.

Abel nickte und griff hinter sich. Aus einem ungeordneten Berg mit Papieren zog er einige Formulare hervor, die er umdrehte und auf den Tisch schob.

»Bitte noch die Vollmachten …« sagte er geschäftsmäßig zu Reißler, der schon wieder fast an der Tür war.

»Wofür?« Reißler betrachtete die Papiere skeptisch. Paloff zog die Brauen hoch.

»Ich muss mich bei Behörden für Sie legimitieren können«, erklärte Abel sachlich, obwohl er bemerkt hatte, dass Misstrauen aufkam. Reißler nickte und unterschrieb, nachdem er die Texte gelesen hatte.

»Damit Sie mich erreichen können …« Abel gab dem Mann mit einer leichten Verbeugung seine Karte.

»Aha, danke.« Reißler steckte die Visitenkarte in die kleine Brusttasche außen am Jackett.

 

 

 

2. Kapitel

 

 

Der nächste Morgen war aschgrau.

---ENDE DER LESEPROBE---