Reisefieber - Eine Reise zu mir selbst - Katharina von Meyenburg - E-Book

Reisefieber - Eine Reise zu mir selbst E-Book

Katharina von Meyenburg

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Beschreibung

In dem Moment, als die Autorin den Mut fasst, für ein Jahr auf Weltreise zu gehen, trifft sie die Diagnose "Akute myeloische Leukämie" wie ein Hammer. Statt eines Reiseberichts über ihre Weltumrundung veröffentlicht sie während der ganzen Dauer ihrer Behandlung einen Blog. Diese spontanen Einträge im Internet hat sie nun ergänzt mit einigen persönlichen Gedanken und Erlebnissen in dieser Zeit. Herausgekommen ist kein Ratgeber, sondern ein leicht zu lesendes Buch, das Zuversicht und Optimismus verströmt.

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Seitenzahl: 140

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Katharina von Meyenburg wurde 1957 in Zürich geboren und 2013 nach einer Stammzelltransplantation wiedergeboren. Ihre 4 Kinder sind erwachsen und sie lebt und arbeitet in einer kleinen Landgemeinde.

Wenn sie nebst ihrem Beruf als Heilpädagogin Zeit findet, begibt sie sich auf Reisen. Fremde Länder und Kulturen faszinieren sie. Ihre Schere reist immer mit, damit Ideen gleich in einem Scherenschnitt festgehalten werden können.

So entstanden auch die Illustrationen zum Buch.

Sämtliche Namen im Buch wurden geändert

Titelbild: Scherenschnitt von K.v. Meyenburg

Inhaltsverzeichnis:

Prolog

Teil 1

Das wars!

Schlag auf Schlag

Professor Murge

Spitaleintritt

Tagesablauf

Ich hab die Haare schön!

Weihnachtsmorgen

Winterschlaf

Eine heisse Nacht

Neujahr in Dubai

Und täglich grüsst das Murmeltier

Schwanger oder nicht?

Schwarz, rot oder blond?

Neujahrsparty im Spital

Leukozyten

Schwach

Haare weg

Alles doof und trotzdem glücklich

Wer bin ich?

Ein bisschen abgehoben

Gut behütet

Bild: Behütet

In fiebriger Erwartung

Nach Hause

Teil 2

Zu Hause

Eine haarige Sache

Abschied vom Alltag

2. Chemozyklus

Biopsie

Gesund ist auch nicht lustig

Rausschmiss

Alltag

Wieder zurück

Rosa

Unpassende Schwestern

Nun nicht ans Essen denken

Wie wäscht man Haarstoppeln?

Badeferien

Aufregung für Professor Murge

Scherenschnitt

Bild: Der Tod muss warten

Ich sehne mich nach meinem Leben

Gölä und ich

Stammzelltransplantation

Raus aus dem Zimmer

Der letzte Tag

Teil 3

Warten auf den Spender

Ski heil

Schwere Entscheidung

Entschieden!

Richtige Ernährung

Ich bin ein Glückspilz

Vielleicht heisse ich Frederik?

Positiver Stress

Loslassen

Biopsieergebnis

Besuch bei Rosa

Oben ohne

Angst und Träume

Der Countdown läuft

Wozu ein Schloss?

Happy birthday lieber Blog

Teil 4

Eintritt

Jetzt geht es richtig los

Bild: Tanz in ein neues Leben

Hinterhofgedanken

Besuch

Ich bin auch ein Kaninchen

Götter statt Karotten

Tag -2

Bild: Abgestürzt

Tag 0

Einsam

Klösterliches Leben

Blutsverwandte gesucht

Schlafmangel

Ausgeschlafen und unbeschwert

Haariges

Zum ersten und zum zweiten Mal

Kindertreffen

Aus dem Jammertag wird ein Glückstag

Frei

Wie riecht Freiheit?

Endlich

Teil 5

Müde

Schattendasein

Abhängigkeit

Virtuelles Einkaufen

Kosten-/ Nutzengrechnung

Halbzeit!

Lebenspuzzle

Unterwegs mit Tarnkappe

Zweidritteltag

Abschied von Rosa

Patientenverfügung

100 Tage

Epilog

Bild: Aufbruch

Fachbegriffe

Prolog

Was war das für ein tolles Jahr!

Diesen Sommer genoss ich mehrere Wochen Urlaub, da ich in der Schule, bei der ich angestellt war, als

Dienstaltergeschenk 5 zusätzliche Wochen Ferien bekam.

Diese benützte ich für eine lange Reise quer durch China und Australien.

Wie ich das Reisen liebte!

Während der ganzen Zeit schrieb ich einen Blog mit dem Titel „Reisefieber“. So konnten alle Daheimgebliebenen verfolgen, was ich unterwegs erlebte.

Kaum zu Hause plante ich schon die nächsten Ferien.

Schon im Herbst packte mich das Reisefieber wieder und ich reiste während 2 Wochen quer durch Kuba.

Mit Fieber und starken Gliederschmerzen kam ich von dieser Reise zurück. Eine Woche war nicht ans Arbeiten zu denken, doch nach und nach ging es mir wieder besser.

Nun hatte mich das Reisefieber endgültig gepackt:

Ich plante, meine Stelle aufzugeben und das ganze nächste Jahr rund um die Welt zu reisen. Es gab noch soviel zu entdecken, was ich noch nie gesehen hatte:

Alaska, Kanada, die Galapagosinseln, Patagonien- oder sogar Neuseeland?

Ich konnte es kaum erwarten mit dem Reisebüro die ersten Daten zu fixieren, doch erst musste ich den lange vorher abgemachten Termin zur Blutspende wahrnehmen. Auf Grund meiner grippeartigen Erkrankung musste er immer wieder verschoben werden.

Nun war es endlich soweit. Ich fühlte mich gesund und vital und sass endlich in der Blutspendezentrale des Spitals. Dort wurde mein Blut routinemässig abgezapft. Doch mittendrin kam ein Telefon vom Labor: Sofort aufhörendie Blutwerte entsprechen nicht der Norm!

Etwas unwillig liess ich mich wieder abnadeln. Ich war sauer, dass ich meine eigene Zeit und die des Personals wegen dieser Kleinigkeit vertrödelt hatte.

Ich bekam einen Zettel mit meinen Blutwerten und wurde angewiesen, bald einmal meinen Hausarzt zu konsultieren.

Das Papier landete zu Hause in einer Ecke des Schreibtisches. Erst einige Tage danach erinnerte ich mich daran.

So entschloss ich mich, meinen Hausarzt anzurufen und bekam einen Termin für den nächsten Tag.

Er sah sich den Zettel an und beruhigte mich damit, dass im Labor oft Fehler geschehen.

Wiederum wurde mir Blut genommen und mit einem neuen Termin bei ihm verliess ich nach kurzer Zeit die Praxis.

Beim nächsten Besuch war eine mögliche Erklärung gefunden: Anscheinend war meine grippeartige Erkrankung im Herbst ein Denguefieber, das ich aus Kuba eingeschleppt hatte.

Na also. Ich fühlte mich wohl und gesund. Jetzt brauchte es nur noch etwas Geduld, bis sich der Infekt im Blut beruhigt hätte.

Die Adventszeit nahte, ich begann das Wohnzimmer zu dekorieren und mich um die Weihnachtsgeschenke zu kümmern.

Immer wieder musste ich zur Blutkontrolle, doch die Werte wurden nicht besser.

Nun sollte ich zur Sicherheit im Spital eine Knochenmarkbiopsie machen lassen, um Gewissheit zu haben. Gewissheit worüber? Mein Arzt zählte mir verschiedene Befürchtungen auf, von denen keine zu mir vordrang. Ich hatte keine Zeit, mich krank zu fühlen. In der Schule wurde für den Weihnachtsanlass geübt und ich war voll im Adventsstress.

Mein Biopsietermin nahte. Nach einer örtlichen Betäubung wurde eine lange Kanüle durch den Knochen gestossen um Flüssigkeit zu entnehmen. Nachdem ich die unangenehme und schmerzhafte Prozedur hinter mich gebracht hatte, fuhr ich nach Hause. Das Wochenende stand bevor und in einer Woche würde ich das Ergebnis der Untersuchung erhalten.

Kaum zu Hause nahm ich leicht irritiert einen Telefonanruf des Spitals entgegen: Das Gespräch werde auf den Montag vorverschoben.

Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich meiner. Was das wohl zu bedeuten hatte? Am Telefon wollten sie mir nicht näher Auskunft geben.

Also blieb mir nichts weiter übrig, als das Wochenende zu überstehen.

Das fiel mir nicht schwer, denn das grosse Weihnachtsessen mit all meinen Arbeitskollegen stand bevor. Es war ein selten lustiger Abend. Wir lachten viel und ausgelassen. Hätte ich gewusst, was mir bevorsteht, wäre mir das Lachen längst vergangen. Aber zum Glück wusste ich damals nicht, dass es mehrere Monate dauern würde, bis ich mich in dieser Runde wiederfinden würde.

Teil 1

Das wars

17. Dezember

Montagmorgen. Statt im Schulzimmer sitze ich zusammen mit meinem Ehemann im Wartezimmer des Kantonspitals.

Ich bin froh, nicht alleine zu sein, und wer eignet sich besser als Begleitung als jemand, der mich seit 30 Jahren kennt?

Obwohl wir seit 2 Jahren getrennt leben, verstehen wir uns zum Glück immer noch gut und haben viel Kontakt zueinander.

Gerade vorhin im Auto haben wir zusammen überlegt, was für eine Nachricht mich hier wohl erwartet. Aids, ein Tumor, eine schlimme Infektionskrankheit? Nein, das tönt mir alles zu krass. Ausserdem fühle ich mich gesund und vital, also kann es sich nur um eine vorübergehende Störung handeln.

Bald sitzen wir im ersten kleinen Sprechzimmer. Ich bin angespannt und meine Blicke wandern durch das Zimmer. Seltsame Details fallen mir auf: dass die Wände kahl sind, die Bilder auf dem Schrank stehen und noch aufs Aufhängen warten.

Endlich erscheint ein Arzt. Anscheinend ist dies ein Vorbereitungsgespräch. Er erklärt uns die Testresultate sorgfältig. Viel verstehe ich nicht, ausser dass er betont, dass es eine schlimme Krankheit ist. Den Namen der Krankheit nennt er nicht, den werde mir der Oberarzt mitteilen.

Nun erst werden wir zum zuständigen Oberarzt geführt.

Unterdessen fühle ich mich nicht mehr so gut, verstecke mich jedoch hinter einer gefassten Mine. Den ersten Arzt verabschiede ich mit der unsinnigen Empfehlung: „Und wenn ich das nächste Mal zu ihnen komme, haben sie hoffentlich alle Bilder aufgehängt!“

Das sollte wohl witzig gemeint sein, aber natürlich würde ich nie mehr einen Schritt in seine Räume machen. Sobald ich erfahren hätte, was mir fehlte, würde ich allenfalls die nötigen Medikamente mitnehmen und gerade noch rechtzeitig zur 10- Uhr Pause in der Schule sein – denke ich trotzig.

Nun sitzt der Oberarzt uns gegenüber und spricht mit ernster Mine von meiner Erkrankung.

Ich höre zum erstenmal den Namen „Akute myeloische Leukämie“… 3- 6 Monate Arbeitsausfall…Bett im Uni- Spital für morgen bereits reserviert.

Ich schaue auf meine Hände, die sich ineinander verknotet haben. Ich denke nichts, höre nur das Echo seiner Worte. Ich will nichts verstehen, nichts hören. Will, dass alles so bleibt wie bisher.

Doch eines weiss ich: Ich kann unmöglich morgen ins Spital einrücken. In der Schule muss ich alle informieren, meine eigenen vier Kinder müssen benachrichtigt werden, eine für Neujahr gebuchte Reise muss storniert werden. Ja, und was ist mit Weihnachten?

Der Arzt verabschiedet sich von mir und drückt mir einige Beruhigungstabletten in die Hand mit der Empfehlung eine davon zu nehmen, wenn ich es für nötig halte.

Wir fahren zu mir nach Hause.

Dort erst breche ich vollständig zusammen. Ich, die bisher alles im Griff hatte. Ich liege auf meinem Bett und kann nicht mehr aufhören zu schreien und zu jammern. Immer, immer wieder schreie ich: „Ich sterbe, ich sterbe…“ Kein anderer Gedanke hat mehr Platz. Dabei wollte ich doch noch soviel unternehmen!

Jetzt, wo die vier Kinder erwachsen sind, hatte ich Pläne und Träume für 5 volle Leben. Ich war immer gesund, hatte viel geleistet. Jahrelang war ich nebst der Arbeit noch für Familie, Haus und Garten zuständig, hatte nie ausufernd gelebt. War angepasst, fleissig, pflichtbewusst, hatte nie geraucht, nie zuviel getrunken, mich sportlich betätigt. Ist das die Belohnung dafür?

Schlag auf Schlag

Meine beiden jüngeren Töchter wissen sofort Bescheid, als sie mich bei der Rückkehr aus der Schule mit verweinten Augen antreffen.

Ich sage ihnen in kurzen Worten, wie es um mich steht, betone aber auch, dass durchaus Heilungschancen bestünden. Sie tun mir leid. Die eine sollte ihre Maturaarbeit abschliessen und beide haben eine harte Zeit vor sich bis zu den Abschlussprüfungen im nächsten Sommer. Die anderen beiden Kinder erreiche ich nur per Telefon.

Auch keine leichte Aufgabe für sie, obwohl sie nicht mehr zu Hause wohnen.

Nun kann ich auch meine Gedanken wieder ordnen und organisieren: wer muss informiert werden? Was ist vor dem Spitaleintritt alles Dringendes zu erledigen? Was muss ich für den Krankenhausaufenthalt einpacken?

Mitten in meiner Organisation ruft eine Berufskollegin an.

Sie gibt mir den Rat, mich noch bei einem ihr bekannten Professor in einer Zürcher Klinik zu melden, bevor ich mich für das Uni- Spital entscheide. Ich soll ihn sofort anrufen.

Noch am selben Tag melde ich mich bei ihm und schildere meinen Fall. Schon während des Gesprächs fühle ich mich verstanden und gut aufgehoben. Sein väterlicher, ruhiger Ton stimmt mich zuversichtlich. Schon für den nächsten Tag bekomme ich einen Termin.

Schon um einiges zuversichtlicher schaue ich dem nächsten Morgen entgegen.

Professor Murge

18. Dezember

Da stehe ich nun in der Praxis von Professor Murge. Er ist um die 70 Jahre alt, klein, hat schalkhaft blitzende Augen und eine beruhigende Ausstrahlung.

Im Vorzimmer steht seine Frau, die mich begrüsst wie eine alte Bekannte. Sofort fühle ich mich wohl.

Geduldig beantwortet er meine Fragen, beseitigt Zweifel, beschönigt aber nichts.

Mir stehen 2 Chemotherapien bevor, die einen stationären Spitalaufenthalt von je ca. 4 Wochen bedingen.

Ich kann ein Zimmer seiner Klinik besichtigen, das mir eher wie ein Hotelzimmer erscheint, wären da nicht die Apparaturen und das Spitalbett.

Sofort ist mir klar: Ich werde das Zimmer im Univeritätsspital absagen und mich Professor Murge anvertrauen.

Da ich noch ganz fit bin und die Blutwerte es zulassen würden, schlägt er mir vor, erst nach Weihnachten in die Klinik einzutreten.

Für mich kommt dies nicht in Frage!

Wie denkt er sich das nur? Ich wäre im Stress mit Weihnachtsvorbereitungen, Geschenken kaufen, Essen kochen. Genau so wie es immer war. Da meine Stimmung dabei ganz sicher keine weihnächtliche wäre, stelle ich mir das Fest ganz schlimm vor.

Und überhaupt: Jetzt wo ich weiss, dass eine Chemotherapie unabänderlich ist, will ich auch sofort damit beginnen. Je schneller ich damit starte, umso schneller bin ich wieder zu Hause.

Also los!

Spitaleintritt

21. Dezember

Bei meiner Sommerreise nach China und Australien hatte ich für die Daheimgebliebenen einen Blog mit dem Titel „Reisefieber“ geschrieben.

Statt während des Spitalaufenthaltes meine Familie und die besorgten Freundinnen und Bekannten über mein Befinden einzeln informieren zu müssen, nehme ich mir deshalb vor, meinen alten Blog wieder zu aktivieren. Ob der alte Blogtitel "Reisefieber" noch passt?

Ja natürlich, ausgezeichnet! Ich gehe jetzt auch auf eine lange Reise. Sozusagen: "Last Minute" gebucht. Am Montag davon erfahren, am Freitag schon unterwegs.

So seltsam es klingt: Ich fühle mich am Morgen vor dem Spitaleintritt genau so wie vor einer langen Reise. Dieselbe Tasche ist gepackt wie vor meiner China-Australien Reise. Nur noch etwas erweitert: Laptop, Scherenschnittsachen, Stricknadeln und Wolle sind im Zusatzgepäck.

Diese Sachen sollen mich motivieren, aktiv zu bleiben, so gut es geht.

Der erste Tag geht schnell vorbei: Viele Untersuchungen, Röntgen, Ultraschall, dazu einen Zentralvenenkatheter für alle Infusionen legen und wieder eine Knochenmarkpunktion. Der Narkosearzt behauptet, dass ich während der Narkose "südländische Lieder" gesungen hätte. Da ich im wachen Zustand keine nur annähernd südländischen Lieder kenne, war dies sicher eine Qual für die Ärzte!

Zurück im Zimmer werde ich bald an die erste Chemo gehängt. Je schneller ich anfange, umso schneller ist das Ganze vorbei. So tröpfelt die Chemie vom Beutel am Infusionsständer direkt durch meinen fix installierten Katheter in mich hinein.

Mein Zimmer ist sehr schön. Ich habe Seeblick gewünscht. Wenn ich schon nach Zürich umziehen muss, dann wenigstens mit Seeblick!

Ich bin darauf eingestellt, dass es mir schon bald schlechter gehen wird. Aber ich habe grosses Vertrauen in die Ärzte hier und weiss mich begleitet von vielen lieben Gedanken meiner Familie, meiner Verwandten und all meiner lieben Freundinnen.

Tagesablauf

22.Dezember

Morgens um 6.30 werde ich schon begrüsst und mit medizinischen Massnahmen eingedeckt. Draussen ist es noch dunkel, als mein Frühstück gebracht wird.

Langsam erscheinen in der Ferne die Churfirsten in den ersten Morgenstrahlen der Sonne.

Wollte ich nicht zu dieser Zeit auf der anderen Seite der Berge sein und Ski fahren? Mein Skiabonnement wird sich diesen Winter wohl nicht lohnen.

Nach dem Frühstück ist Zeit für die Körperpflege.

Das Duschen ist eine echte Herausforderung. Ich hänge Tag und Nacht an meinem Infusionsständer mit den blinkenden Lichtern. So muss ich zuerst hinters Bett kriechen, Stecker rausziehen, mit dem Ständer im Schlepptau zum Badezimmer wackeln und dort versuchen mich zu duschen, ohne die Apparate nass zu machen. Mit vielen Verrenkungen ziehe ich mich an und gehe wieder ins Zimmer. Und alles immer in Begleitung meines „Infusions-Christbaumes“

Bis um 9 Uhr sollte dies alles erledigt sein, denn dann öffnet sich die Türe und eine fröhliche Frauenstimme ruft:

„Duene igg Bode buss“ und schon wird mit Wischer und Lappen hantiert.

Gegen Mittag kommt Professor Murge.

Er wird ab jetzt jeden Tag an meinem Bett stehen, mich über den Verlauf der Behandlung aufklären und mich über mein Befinden befragen. Er lässt sich viel Zeit und ich werde seine täglichen Besuche noch zu schätzen wissen.

Ich frage viel, bin immer gespannt, was mich da erwartet und will gewappnet sein gegen alle Nebenwirkungen.

Was ich weiss, macht mir weniger Angst. Damit kann ich mich auseinandersetzen, nach Lösungen suchen.

Bis jetzt fühle ich mich noch recht wohl. Ich beschliesse, jedem Tag eine Struktur zu geben. Am Morgen ist „Bürozeit“. Da sitze ich mit meinem Computer am Fenster, beantworte Mails und schreibe meinen Blog.

Am Nachmittag arbeite ich an einem grossen Scherenschnittbild. Scherenschneiden ist nebst dem Reisen mein grösstes Hobby. Ich habe mir vorgenommen, zwei meiner Bilder für die grosse Schweizerische Ausstellung einzureichen. Falls sie die kritische Jurierung bestehen, werden sie zur Ausstellung zugelassen.

Durch meine Krankheit bin ich ins Hintertreffen geraten.

Ich bin in grossem Zeitdruck.

Ich denke, dass es kaum je eine Patientin gab, die Scherenschnitte machte, während dem die Chemo in sie hineintröpfelte.

Bestimmt liegen schlussendlich so viele Papierschnipsel am Boden wie Flüssigkeit in mich getröpfelt ist.

Ich hab die Haare schön!

23. Dezember

Die Nächte in der Klinik sind sehr lang. Die Apparaturen am Infusionsständer leuchten hell, ticken und oft pfeifen sie, wenn es Luftblasen in der Flüssigkeit hat. Dann muss ich klingeln und eine Pflegerin kommt um alles zu richten.

Da ich immer noch empfindsame Mutter - Ohren habe, bemerke ich jedes Öffnen der Türe. Herein kommt aber nicht eine verspätet heimkehrende Tochter, sondern eine Pflegefachfrau, die nur mal schnell schaut, wie es mir geht, oder Blutdruck oder Fieber misst. Danach bin ich natürlich jeweils hellwach.