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Aus Alltagsstrukturen ausbrechen! Sich aus Verhaltensmustern, aus unliebsamen Verpflichtungen lösen, aus dem ganzen Sollen und Müssen! Doch während einem der frische Wind einer beginnenden Freiheit schon entgegenweht, entdeckt man, dass trotz leichten Handgepäcks die schwere Last der alten Ängste, Konflikte und Gewohnheiten noch da ist. An den fremden, Freiheit versprechenden Orten toben sie sich umso unverhoffter und wilder aus. Manchmal sind es gar nicht Reisen, sondern Begegnungen mit Menschen, in deren Nonchalance man die Freiheit eines ganz anderen Lebens wittert. Und manchmal, wenn man es am wenigsten erwartet, verändert die Fremde einen wirklich – und man kommt bei sich selber an. Tove Jansson erfrischt in diesen kleinen literarischen Meisterwerken mit ihrem unverwechselbaren Blick und klaren Stil.
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Seitenzahl: 232
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Tove Jansson
REISEN mit leichtem GEPÄCK
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Urachhaus
Briefwechsel
Der achtzigste Geburtstag
Das Ferienkind
Fremde Stadt
Die Frau mit den geliehenen Erinnerungen
Reise mit leichtem Gepäck
Der Lustgarten
Shopping
Der Wald
Der Tod des Sportlehrers
Die Möwen
Das Gewächshaus
Impressum
Dear Jansson san
Ich bin ein Mädchen aus Japan.
Ich bin dreizehn Jahre und zwei Monate alt.
Am achten Januar werde ich vierzehn.
Ich habe eine Mutter und zwei kleine Schwestern.
Ich habe alles gelesen, was Sie geschrieben haben.
Wenn ich es gelesen habe, lese ich es noch einmal.
Dann denke ich an Schnee und daran, dass man allein sein darf.
Tokio ist eine sehr große Stadt.
Ich lerne Englisch und studiere sehr ernsthaft. Ich liebe Sie.
Ich habe einen Traum: so alt zu werden wie Sie und so klug wie Sie.
Ich habe viele Träume.
Es gibt ein japanisches Gedicht, das heißt Haiku.
Ich schicke Ihnen ein Haiku auf Japanisch.
Es handelt von Kirschblüten.
Wohnen Sie in einem großen Wald?
Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen schreibe.
Ich wünsche Ihnen eine gute Gesundheit und ein langes Leben.
Tamiko Atsumi
Dear Jansson san
Mein neuer Geburtstag heute ist sehr wichtig.
Ihr Geschenk ist mir sehr wichtig.
Alle bewundern Ihr Geschenk und das Bild einer kleinen Insel, wo Sie wohnen.
Es hängt über meinem Bett.
Wie viele einsame Inseln gibt es in Finnland?
Darf jeder, der will, dort wohnen?
Ich will auf einer Insel wohnen.
Ich liebe einsame Inseln und ich liebe Blumen und Schnee.
Aber so schreiben, wie die sind, kann ich nicht.
Ich studiere sehr ernsthaft.
Ich lese Ihre Bücher auf Englisch.
Auf Japanisch sind Ihre Bücher nicht genauso.
Warum ist da ein Unterschied?
Ich glaube, dass Sie glücklich sind.
Passen Sie sehr gut auf Ihre Gesundheit auf.
Ein langes Leben wünscht Ihnen
Tamiko Atsumi
Dear Jansson san
Eine lange Zeit ist vergangen, fünf Monate und neun Tage sind vergangen, in denen Sie mir nicht geschrieben haben.
Haben Sie meine Briefe bekommen?
Haben Sie die Geschenke bekommen?
Ich habe Sehnsucht nach Ihnen.
Sie müssen verstehen, dass ich sehr ernsthaft studiere.
Jetzt erzähle ich Ihnen von meinem Traum.
Es ist mein Traum, in andere Länder zu reisen und die Sprachen der anderen Länder zu sprechen und sie zu verstehen.
Ich will mit Ihnen reden können.
Ich will, dass Sie mit mir reden.
Sie sollen mir sagen, wie man beschreibt, dass keine anderen Häuser zu sehen sind und dass niemand auf der Straße kommt.
Ich will verstehen, wie man über den Schnee schreibt.
Ich will zu Ihren Füßen sitzen, um zu lernen.
Jetzt schicke ich ein neues Haiku.
Es handelt von einer sehr alten Frau, die in weiter Ferne blaue Berge sieht.
Als sie jung war, hat sie die Berge nicht gesehen.
Jetzt hat sie keine Kraft, um dorthin zu kommen.
Es ist ein schönes Haiku.
Ich bitte Sie, vorsichtig zu sein.
Tamiko
Dear Jansson san,
Sie wollten eine große, lange Reise machen, jetzt sind Sie mehr als sechs Monate gereist.
Ich glaube, Sie sind wieder zurückgekommen.
Wohin sind Sie gereist, meine Jansson san, und was haben Sie auf Ihrer Reise gelernt?
Vielleicht haben Sie Ihren Kimono mitgenommen.
Er hat die gleichen Farben wie der Herbst und der Herbst ist die Zeit für Reisen.
Aber Sie haben so oft darüber geredet, dass die Zeit kurz wird.
Meine Zeit wird lang, während ich an Sie denke.
Ich will genauso alt werden wie Sie und ausschließlich große, kluge Gedanken haben.
Ihre Briefe bewahre ich an einem geheimen Ort in einem sehr schönen Kästchen auf.
Bei Sonnenuntergang lese ich sie aufs Neue.
Tamiko
Dear Jansson san,
Einmal, als Sie mir geschrieben haben, war es in Finnland Sommer und Sie haben auf der einsamen Insel gewohnt.
Sie haben mir erzählt, dass Sie auf Ihrer Insel sehr selten Post bekommen.
Dann bekommen Sie wohl viele Briefe von mir auf einmal?
Sie sagen, dass Sie es gut finden, wenn die Schiffe vorbeifahren und nicht anhalten.
Aber jetzt wird es Winter in Finnland.
Sie haben ein Buch über Winter geschrieben, Sie haben meinen Traum beschrieben.
Ich möchte eine Geschichte so schreiben, dass jeder seinen eigenen Traum versteht und wiedererkennt.
Wie alt muss man sein, um eine Geschichte zu schreiben?
Aber ohne Sie kann ich sie nicht schreiben.
Jeder Tag ist ein Tag des Wartens.
Sie haben gesagt, Sie sind so müde.
Sie arbeiten, und es gibt zu viele Menschen.
Aber ich will der Mensch sein, der Sie tröstet und Ihre Einsamkeit beschützt.
Das hier ist ein trauriges Haiku von einem, der zu lange auf seine Liebste wartete.
Sie sehen, was das für ein Ende nahm!
Aber es ist nicht sehr gut übersetzt.
Ist mein Englisch nicht besser geworden?
Für ewig Tamiko
Geliebte Jansson san, danke!
Ja, so ist es, man braucht nicht alt genug zu werden,
man fängt einfach an, eine Geschichte zu schreiben,
weil man muss, über das, was man weiß und kennt, oder
auch über das, wonach man sich sehnt,
über den eigenen Traum, das Unbekannte.
Oh geliebte Jansson san. Dass man sich nicht darum
kümmern soll, was die anderen meinen und verstehen.
Während man erzählt, hat es nämlich nur mit der Erzählung
und einem selbst zu tun. Dann ist man auf die richtige
Art einsam.
Jetzt gerade weiß ich alles darüber, wie es ist, eine Person
zu lieben, die weit weg ist, und ich werde schnell
darüber schreiben, bevor sie sich nähert.
Ich schicke wieder ein Haiku, es handelt von einem
kleinen Bach, der im Frühling so fröhlich wird, dass alle
zuhören und Lust bekommen. Ich habe keine Zeit,
es zu übersetzen.
Hör mir zu, Jansson san, und schreibe mir, wann ich
kommen soll. Ich habe Geld gesammelt und ich glaube,
ich kriege ein Reisestipendium. Welcher Monat ist der beste
und schönste für unsere Begegnung?
Tamiko
Dear Jansson san
Vielen Dank für Ihren sehr klugen Brief.
Ich verstehe, dass der Wald in Finnland groß ist, und das Meer ist auch groß, aber Ihr Haus ist sehr klein.
Es ist ein schöner Gedanke, dass man einem Schriftsteller nur in seinen Büchern begegnen sollte.
Ich lerne immerzu etwas.
Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und ein langes Leben.
Ihre Tamiko Atsumi
Meine Jansson san
Es hat den ganzen Tag geschneit.
Ich werde über den Schnee schreiben können.
Heute ist meine Mutter gestorben.
Wenn man in Japan die Älteste in einer Familie geworden ist, kann man nicht fortreisen, und das will man auch nicht.
Ich hoffe, Sie verstehen mich.
Ich danke Ihnen.
Das Gedicht ist von Lang Shih Yian, der einst ein großer Dichter in China war.
Es wurde von Hwang Tsu-Yii und Alf Henriksson in Ihre Sprache übersetzt.
»Der Wildgänse Schreie sind schrill,
hergetragen von dumpfen Winden.
Viel Schnee bringt der Morgen und
das Wetter ist wolkig und kalt.
Nichts in meiner Armut habe ich,
dir zum Abschied zu schenken
als die blauen Berge, die dir überall folgen.«
Tamiko
I
Als wir ankamen und Jonne die großen Limousinen vor Großmutters Treppe sah, sagte er sofort, dunkler Anzug wäre angebracht gewesen.
»Stell dich nicht an, Schatz«, sagte ich. »Bleib ganz ruhig. Großmutter ist nicht so. Die Leute, die hierherkommen, die haben Samthosen an und was weiß ich nicht alles, Bohemiens gefallen ihr.«
»Das ist es ja gerade«, sagte Jonne, »ich bin kein Bohemien, ich bin ganz normal, ich habe kein Recht, an einem Achtzigsten Samthosen zu tragen. Und ich treffe deine Großmutter heute zum ersten Mal.«
Ich sagte: »Wir packen es aus, bevor wir reingehen, das ist höflicher. Großmutter packt nur an Weihnachten gern selbst Pakete aus.«
Das mit dem Geschenk war nicht ganz einfach gewesen. Großmutter hatte angerufen und gesagt: »Kindchen, du bringst doch hoffentlich deinen Jüngling mit, damit ich ihn mir anschauen kann, aber besorg jetzt bitte kein unnötiges teures Geschenk. Mittlerweile habe ich das meiste und außerdem einen besseren Geschmack als die Mehrzahl meiner Nachfahren. Und wenn ich sterbe, möchte ich kein allzu großes Chaos hinterlassen. Überlegt euch nur etwas ganz Schlichtes, Liebevolles. Und versucht ja nicht, etwas zu finden, das mit Kunst zu tun hat, denn das schafft ihr nicht.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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