Reiterferien auf Ponyhof Mühlental - Sammelband 3 in 1 - Sarah Bosse - E-Book

Reiterferien auf Ponyhof Mühlental - Sammelband 3 in 1 E-Book

Sarah Bosse

4,6

Beschreibung

Für alle Pferdefans: Der Ponyhof Mühlental Sammelband Anna ist aus dem Häuschen, als ihre Eltern einen Hof im Münsterland kaufen. Und wie schön, dass Luisa, die Tochter der Tierärztin, Pferde genauso liebt wie sie! Gemeinsam mit ihrer neuen Freundin erkundet Anna das Leben auf Ponyhof Mühlental. Doch schon bald wird ihre ausgelassene Stimmung gedämpft, denn es tauchen die ersten Probleme in der Schule auf. Ob Anna die Situation meistern kann? Das eBook beinhaltet die folgenden Bände: Band 1: Du schaffst das, Anna! Band 2: Fass dir ein Herz, Anna Band 3: Anna gibt nicht auf.

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ISBN 978-3-649-61803-4 (eBook)

eBook © 2013 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Hafenweg 30, 48155 Münster

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise

eBook Produktion: book2look Publishing 2013

ISBN 978-3-649-61504-0 (Buch)

© 2013 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Hafenweg 30, 48155 Münster

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise

Text: Sarah Bosse

Illustrationen: Stephan Baumann

www.coppenrath.de

Da war es wieder. Anna spürte ganz deutlich dieses merkwürdige Kribbeln im Bauch. Wenn sie das Robert, ihrem älteren Bruder, anvertrauen würde, hätte der sicher nur ein spöttisches Grinsen für sie übrig. Vielleicht spürt Robert das Kribbeln ebenso, dachte Anna, schließlich ist für ihn auch alles neu. Aber das würde er natürlich niemals zugeben. Jungs in dem Alter sind so. Die sind immer einfach nur abgebrüht und cool. Außerdem hatte Robert sowieso nur seine Musik im Kopf. Was kümmerte ihn da, was um ihn herum geschah?

Natürlich, den Hof im Mühlental kannte Anna ja schon lange, denn er gehörte früher Mamas Bruder Martin, dem Maler, dem es im Münsterland zu kalt war. Deshalb hatte er seiner Schwester den elterlichen Hof vor einigen Monaten überlassen und war nach Gran Canaria gezogen, um dort Bilder mit viel Sonne drin zu malen.

Schon bei ihren früheren Besuchen hatten Anna und Robert jeden Winkel des Gehöfts erkundet. Hier kannten sie sich gut aus. Aber jetzt selbst auf diesem Hof zu leben, das war etwas ganz anderes! Auch wenn Anna mit ihrer Familie bereits seit zwei Wochen hier wohnte, war doch immer noch alles rund um sie herum neu, vor allem die Gerüche und die Geräusche. Daher das Kribbeln.

Doch wenn Anna ganz ehrlich zu sich selbst war, dann gab es heute noch einen anderen Grund dafür, dass das Kribbeln wieder stärker wurde. Der Grund hieß Luisa.

Luisas Mutter Adelheid war Tierärztin und eine gute Freundin von Annas Mutter Isabel. Als Annas Familie sich entschloss den Hof im Mühlental zu übernehmen, war die Idee gewachsen, den alten Kornspeicher zu renovieren. Adelheid wollte dort eine Tierarztpraxis eröffnen.

Nun war es so weit. Das Werk war vollbracht. Das alte Backsteinhaus mit seiner Fachwerkfassade erstrahlte in neuem Glanz. Mit dem Haupthaus, den Stallungen und der alten Scheune, die nun zur Reithalle umfunktioniert worden war, schmiegte es sich zwischen die sanften Hügel der Baumberge.

Heute würde Adelheid einziehen und mit ihr Luisa. Anna und Luisa hatten sich früher einige Male gesehen. Anna musste zugeben, dass sie sich gut verstanden hatten, und deshalb freute sie sich zuerst auch, als sie hörte, dass Luisa in den alten Speicher ein ziehen würde.

Doch jetzt, da der Tag gekommen war, beschlich sie ein sonderbares Gefühl. Sie würden zusammen auf einem Hof leben und das bedeutete, dass sie zukünftig viel Zeit miteinander verbrachten. Wer wusste schon, ob sie sich auch dann noch gut verstanden, wenn sie sich ständig sahen? Anna war sich nicht im Klaren, ob sie sich freuen oder fürchten sollte. Vielleicht tat sie beides zugleich.

Als der große Umzugstransporter die abschüssige Zufahrt ins Mühlental herabgerumpelt kam, verschwand Anna im Haus. Lieber wollte sie sich erst einmal alles aus der Ferne angucken.

Die Seitenwände des Lkw streiften die Bäume, die rechts und links des Weges wuchsen, und Blätter flogen wild durch die Luft. Auch ein dunkelbraunes Huhn, das am Wegesrand nach Würmern gepickt hatte, flatterte aufgeregt davon.

Wie ein Wirbelwind kommt sie in unser Tal gesaust, dachte Anna und wartete auf den Moment, da Luisa aus dem Kombi steigen würde, der dem Lastwagen vorausfuhr.

Ihre Eltern standen natürlich längst im Hof, um Adelheid und ihre Tochter zu begrüßen. Auch Robert hatte sich breitschlagen lassen, seine Gitarre wegzulegen und beim Möbelschleppen zu helfen. Die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, stand er etwas gelangweilt neben seinen Eltern. Inzwischen wurde das Kribbeln beinahe unerträglich.

Anna zwirbelte sich nervös den Gardinenzipfel um den Finger, als Luisa endlich aus dem Wagen sprang und den Eltern fröhlich entgegenhüpfte. Sie redeten kurz miteinander, dann zeigte Annas Mutter zum Haus. Bestimmt hatte Luisa nach ihr gefragt!

Kribbeln hin, Kribbeln her, jetzt muss ich rausgehen!, schoss es Anna durch den Kopf. Bevor sie aus der Haustür trat, holte sie noch einmal tief Luft.

„Da ist sie ja!“, hörte sie ihre Mutter sagen und bemerkte, wie alle zu ihr hinübersahen. Jetzt fühlte sich das Kribbeln an wie das Rattern eines Presslufthammers. Möglichst lässig versuchte Anna die drei Stufen zum Hof hinunterzuschlendern und stolperte prompt über Fridolin. Der schwarze Kater kreischte kurz auf und suchte dann mit einem Riesensatz das Weite.

Anna spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. Was für ein saublöder Start! Hauptsache, sie lachen mich jetzt nicht aus!

Plötzlich stand Luisa neben ihr und reichte ihr die Hand, um ihr auf die Füße zu helfen. „Na, das war aber nicht nötig, dass du vor mir auf die Knie fällst“, sagte sie und grinste breit. „Ein einfaches ‚Hallo, Luisa' hätte auch genügt. Du hast dir doch nicht wehgetan?“

Anna klopfte sich mit beiden Händen den Staub von den Jeans. „Nix passiert. Die Hose ist auch noch heil. Hoffentlich hat Fridolin nichts abgekriegt.“ Luisa winkte ab. „Mach dir mal um den keine Sorgen. So Katzen sind hart im Nehmen.“

Anna zuckte die Schultern. „Ich hab ihn sowieso im Verdacht, dass er mir manchmal absichtlich in den Weg läuft, um mich zu ärgern.“

Luisa lachte. „Siehst du, dann ist er selber schuld.“

„Anna, Luisa, kommt, es geht los!“, rief Rolf, Annas Vater. „Wir wollen doch heute fertig werden!“

Luisa verdrehte die Augen. „Dass die Erwachsenen immer solch einen Stress machen müssen! Hilfst du mir mein Zimmer einzuräumen?“

„Klar!“, rief Anna.

„Aber zuerst musst du mir dein Pony zeigen“, sagte Luisa. „Ich bin so gespannt.“

Anna seufzte. „Wenn ich das könnte, dann wäre ich echt froh.“

Luisa zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Wie meinst du das?“

„Fee kommt erst am Wochenende zusammen mit Mamas Digger und zwei anderen Pferden“, erklärte Anna. Es war ihr anzusehen, dass sie traurig darüber war, dass ihre Stute noch nicht bei ihr sein konnte.

„Aber warum?“, hakte Luisa nach. „Ihr seid doch schon eine Weile hier.“

Anna nickte. „Zwei Wochen, um genau zu sein. Aber die Weidezäune mussten erneuert werden – mein Onkel hatte in all den Jahren, in denen er hier allein gelebt hat, nichts dran gemacht – und in den Ställen war auch noch einiges zu tun. Außerdem meinte Mama, es sei besser, die Pferde kommen erst, wenn im Haus alles so weit klar Schiff ist, damit wir genug Zeit haben, uns um die Tiere zu kümmern. Also bleiben sie eben noch ein Weilchen im alten Reitstall, dem Waldhof.“

„Dort, wo deine Mum auch Reitstunden gegeben hat?“ Luisa zuckte die Schultern. „Wie schade. Ich hatte so gehofft, wir könnten heute schon ein bisschen reiten.“

Anna grinste. „Ich glaube, da wären die Erwachsenen ziemlich sauer, wenn wir uns verkrümeln würden und ihnen die Arbeit überließen. Schau, wie sie uns ansehen, nur weil sie schon schuften und wir noch quatschen.“

Also stiefelten die beiden Mädchen über den Hof auf den Umzugswagen zu.

Luisa war ein kleines bisschen größer als Anna und hatte dieselbe schlanke, aber kräftige Figur wie ihre Mutter. Wie es sich für eine Tierärztin gehört, dachte Anna und schmunzelte dabei über sich selbst. Luisa hatte ihre dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jedem Schritt lustig auf dem Rücken wippte.

Adelheids Händedruck war kräftig. „Hallo, Anna. Na, bist du auch so aufgeregt, weil du uns verrückte Hühner jetzt als Nachbarn kriegst?“

Anna fühlte sich ertappt und lächelte verlegen. „Iwo.“

„Also, Luisa hat fast die ganze Nacht nicht geschlafen“, rief Adelheid und warf lachend den Kopf in den Nacken. „Vor allem, weil sie sich ganz viele Gedanken darüber gemacht hat, wie es mit euch beiden so laufen wird.“

Plock!

Luisa hatte ihrer Mutter gegen die Schulter geboxt.

„Mensch, Mama, du musst doch nicht immer alles ausplappern! Dir kann man auch gar nichts anvertrauen!“

Adelheid tat so, als habe der Schlag wehgetan, und rieb sich mit schmerzverzerrter Miene die Schulter. „Also, wenn du zu viel Kraft hast, dann fang lieber an Möbel zu schleppen.“

Auf dieses Stichwort hin räusperte sich einer der Möbel packer. „Ich will ja nichts sagen, aber ihr steht hier ein bisschen im Weg, Mädels. Entweder mithelfen oder zur Seite gehen.“

Und schon sah sich Anna mit einer Klappbox voller Krempel die Stufen hinaufsteigen. Eifrig schleppten die Mädchen Kartons, einen Teppich, einen Stuhl und kleinere Möbel teile in Luisas Zimmer. Die schwereren Sachen überließen sie den Möbelpackern. Den Schreibtisch und die Matratze trugen Robert und Rolf die Treppe hinauf.

Als Robert Luisas Zimmer verließ, klopfte er an den Türrahmen. „Viel Spaß im Chaos!“

Die Mädchen sahen sich in dem Zimmer um. Robert hatte recht: Alles stand wie Kraut und Rüben durcheinander.

Anna kratzte sich am Kopf. „Oje, wir sind das Ganze wohl ziemlich konzeptlos angegangen, was? Hast du denn überhaupt schon eine Idee, wie du die Möbel stellen willst?“

Luisa zuckte die Schultern. „Wenn ich ehrlich bin, nein.“

Anna hockte sich auf den Schreibtisch. „Komm, wir überlegen mal.“

„Das Wichtigste ist das Bett“, stellte Luisa fest. „Genau gegenüber vom Fenster soll es stehen. Genau so, dass ich morgens von den Sonnenstrahlen geweckt werde. Darauf bestehe ich. Komm, wir probieren es mal selbst.“

Eifrig machten sich die Mädchen an die Arbeit. Mit dem Inbusschlüssel war der verschnörkelte Metallbettrahmen schnell zusammengeschraubt. Schließlich hockten Anna und Luisa auf der Matratze und verschnauften. „War gar nicht so schwer“, stellte Luisa stolz fest.

„Sag mal, warst du wirklich so aufgeregt?“, traute sich Anna nach einer Weile zu fragen. „Ich meine, weil wir jetzt zusammen auf dem Hof hier leben und so?“

Luisa lachte. „Das ist doch wohl klar! Schließlich gehen wir uns jetzt jeden Tag gegenseitig auf den Geist. Jeden Tag! Richtig gekribbelt hat das, sag ich dir.“

Anna war sehr erstaunt, dass Luisa das so ehrlich zugab. „Gekribbelt? Das kenn ich. Im Bauch, nicht wahr?“

Luisa schüttelte kichernd die Hände. „Ja, und in den Handflächen.“

Jetzt musste Anna laut lachen. „Sogar unter den Fußsohlen!“

„Wenn ich euer Gegacker mal kurz unterbrechen dürfte ...“

Adelheid stand im Türrahmen. „Unten gibt es was zu trinken und Kuchen und belegte Brote. Kommt ihr?“

Das ließen sich die Mädchen nicht zweimal sagen und stürmten die Treppe hinab. Diesmal passte Anna auf, dass ihr keine Katze in die Quere kam. Die Luft war rein. Kein Stubentiger war in der Nähe. Also nahm sie die letzten drei Stufen in einem Satz ... und flog einem der Möbelpacker, der gerade um die Ecke kam, direkt in die Arme.

„Hoppla!“, rief er lachend. „Hast wohl zu viel Fallobst gegessen!“

Da packte Luisa sie am Arm und reichte ihr ein Glas Apfelschorle. „Was du brauchst, ist eine Stärkung. Das viele Schleppen und so, das zehrt an den Kräften, da versagen einem schon mal die Beine. Komm, hier steht ein erstklassiger Kirschkuchen.“

„Na hör mal!“, rief Anna gespielt empört. „Natürlich ist der Kuchen erstklassig. Den habe ich schließlich selbst gebacken!“

„Ups!“, machte Luisa und grinste. „Da bin ich aber mal gespannt, wie viele Kirschkerne ich finde!“

Doch bevor die Mädchen sich von dem Kuchen nehmen konnten, drängelte Robert sich vor, schaufelte sich zwei der größten Stücke auf einen Teller und verschwand damit wortlos.

Anna zeigte mit dem Daumen über die Schulter. „Was ist denn mit dem los?“

Annas Mutter grinste. „Er meint, er hat genug geschleppt und jetzt will er sich um seinen Probenraum kümmern.“

Anna riss die Augen auf. „Hab ich richtig gehört? Probenraum?“

Die Mutter nickte. „Wir haben ihm erlaubt in dem alten Schweinestall einen Probenraum einzurichten.“

Anna schwante Böses. „Hoffen wir, dass er an einen vernünftigen Schallschutz denkt ...“

Den Rest des Tages und des Abends brachten die Mädchen damit zu, Luisas Zimmer in ein gemütliches Lager zu verwandeln, denn es war nicht zu übersehen, dass Luisa für Indianer schwärmte. So zierte ein bunter Indianerschmuck, den ihr ein Freund von Adelheid aus Amerika mitgebracht hatte, die Wand über ihrem Bett, auf dem eine Tagesdecke mit indianischen Motiven lag.

„Und was ist das?“ Anna hielt ein flaches, rundes Ding mit Perlen und Federn in die Höhe.

„Das ist ein Traumfänger“, erklärte Luisa. „Die Indianer sagen, dass er angeblich die guten Träume einfängt und die schlechten abwehrt. Der kommt natürlich genau über mein Bett.“

Als der bunte Flickenteppich auf dem Holzboden ausgerollt war und die Pferdeposter ihren Platz an den Wänden gefunden hatten, zündeten die Mädchen ein Räucherstäbchen und ein kleines Windlicht an und machten es sich im Schneidersitz auf dem Bett gemütlich, um zu plaudern.

„Ich sag dir, du wirst begeistert sein von Fee“, sagte Anna. „Sie sieht ungemein rassig und sportlich aus, weißt du, sie ist nämlich ein Arabermischling. Sie hat sogar den typischen Araberknick.“

„Du meinst die leicht nach oben gebogene Nase?“, fragte Luisa. „Na, ich hoffe doch, dass sie am Ende nicht noch hochnäsig ist?“

„Nein!“, rief Anna und lachte. „Sie ist das allerbeste und liebste Pony auf der ganzen Welt. Ihr Fell hat die Farbe von schwarzem Kaffee mit einem ganz kleinen Schuss Milch drin und wenn die Sonne sich darin bricht, dann schimmert es wie Kupfer.“

Luisa kicherte leise. „Na, da bin ich aber wirklich gespannt auf dein schimmerndes Pony.“

Als Annas Eltern am Abend heraufkamen, um ihre Tochter mit ins Gutshaus hinüberzunehmen, waren beide Mädchen eingeschlafen.

Noch bevor die Sonnenstrahlen die Mädchen wecken konnten, hallte ein wohlbekanntes Geräusch über den Hof. Sofort waren beide hellwach.

„Hat da tatsächlich ein Pferd gewiehert?“, rief Luisa. Mit einem Satz war sie ans Fenster gesprungen. „Anna, die Ponys sind da!“

Anna schüttelte sich wie ein nasser Hund, um richtig wach zu werden. „Welche Ponys? Und warum jetzt? Fee und die Pferde kommen doch erst am Wochenende. Haben wir etwa so lange geschlafen?“

Luisa zeigte Anna einen Vogel und dann aus dem Fenster. „Da sind aber lauter Shettys.“

„Shetland-Ponys?“ Jetzt kam auch Anna zum Fenster gehuscht.

Unten stand ein dunkelgrüner Geländewagen mit einem großen Pferdeanhänger. Rolf und ein fremder Mann mit einer Lodenjacke waren dabei, zwei kleine Ponys aus dem Anhänger zu führen. Eins war gescheckt, das andere dunkelbraun.

Neben dem Anhänger stand Isabel mit einem Führstrick in der Hand und winkte den Mädchen zu. „Guten Morgen, ihr Schlafmützen. Überraschung!“ Dann verschwand auch sie in dem Anhänger und kam gleich darauf mit einem dritten Pony heraus.

Verschlafen warf Anna einen Blick auf die Uhr. „Schlafmützen! Die ist gut. Es ist gerade mal halb sieben. Träum ich etwa noch?“

Luisa boxte ihr lachend gegen die Schultern. „Nein. Und wenn du mich fragst, dann schau ich mir jetzt die neuen Zossen an.“

„Sag mal, boxt du eigentlich jeden gegen die Schulter, der dir in die Quere kommt?“, fragte Anna und gähnte.

„Sorry, ist eine blöde Angewohnheit von mir“, entschuldigte sich Luisa grinsend. „Wie praktisch, dass wir von gestern Abend noch unsere Klamotten anhaben. Das spart Zeit.“

Anna zog eine Grimasse. „Also, die Zähne werde ich mir wenigstens putzen.“ Sie eilte hinter Luisa die Treppe hinunter und ertappte sich dabei, wie sie die letzten Stufen ganz vorsichtig eine nach der anderen nahm, sodass ja nicht wieder ein Unfall passierte. Doch unten angekommen fuhr sie vor Schreck zusammen. Neben ihr stand ein Gespenst!

„Nicht erschrecken, ihr zwei, ich bin's nur. Ich wohne hier neuerdings“, sagte Adelheid im altmodischen Leinennachthemd.

„Mama, musst du dich immer so anschleichen?“, schimpfte Luisa.

„Ich wollte raus und gucken“, erklärte Adelheid unschuldig. „Ich glaube, die Shetland-Ponys sind gekommen.“

Ich glaube, die Shetland-Ponys sind gekommen, wiederholte Anna in Gedanken. Hier schienen wohl alle über diese Ponys Bescheid zu wissen, nur sie selbst nicht!

Als sie auf den Hof traten, war der Mann mit dem Geländewagen gerade im Begriff zu fahren.

Isabel hielt einen grauen Shetty am Führstrick und winkte dem Mann nach. Dann drehte sie sich zu ihrer Tochter um und strahlte über das ganze Gesicht. „Die Überraschung ist offenbar gelungen. Du müsstest mal dein Gesicht sehen!“

Anna strubbelte dem Pony liebevoll durch die Mähne. „Mama, kannst du mir vielleicht mal sagen, was das für Ponys sind?“

„Sicher“, sagte Isabel. „Also, diese Rasse nennt man Shetland-Ponys. Sie zeichnen sich durch eine geringe Körperhöhe von etwa einem Meter Stockmaß aus sowie durch kleine Köpfe und kluge Augen ...“

„Mama, ich kenn die Rasse!“, unterbrach Anna sie ärgerlich. „Jetzt vergackeire mich doch nicht. Du weißt genau, was ich wissen will!“

Isabel lachte. „Schon gut, war ja nur ein Spaß. Die beiden, die Rolf gerade zur Weide bringt, heißen Tim und Struppi.

Na ja, laut Papieren heißen sie anders, aber sie wurden schon immer so genannt, was ich auch viel witziger finde. Sie waren bislang die Reitponys der Töchter von Herrn Kintrup.“

„Ist das der Mann, der sie gebracht hat?“, fragte Luisa.

Isabel nickte. „Seine Töchter sind den Tieren längst entwachsen und wohnen auch mittlerweile nicht mehr zu Hause, deshalb hat Herr Kintrup sie verkauft. Sie sind sehr gut ausgebildete Reitponys, alle beide. Ideal für unsere Anfänger-Reitkurse für die Kleinen.“

Das graue Shetty knabberte sanft an Annas Hosenbein. „Und dieser Kollege hier?“

Isabel tätschelte ihm den Hals. „Das ist Hector, den gab's umsonst dazu.“

„Umsonst dazu?“, fragte Anna ungläubig. Doch dann betrachtete sie ihn genauer und wusste warum.

„Er bekommt bei uns sein Gnadenbrot.“, erklärte Isabel. „Hector war immer mit Tim und Struppi zusammen und wäre sonst allein zurückgeblieben. Der alte Knabe wäre ja total vereinsamt.“

„Wie alt ist er denn?“, wollte Luisa wissen.

Isabel zuckte die Schultern. „Das wusste Herr Kintrup selbst nicht so genau, denn Hector hat keine Papiere und war schon im mittleren Alter, als er ihn von einem altersschwachen Bauern übernommen hat. Herr Kintrup vermutet, dass er die Fünfundzwanzig schon lange hinter sich hat.“

„Fünfundzwanzig Jahre?“, rief Luisa erstaunt. „Ist das nicht furchtbar alt?“

Isabel nickte. „Ja schon, aber wenn ein Pony gut gepflegt und nicht überstrapaziert wird, dann kann es gut und gerne über dreißig Jahre alt werden.“

„Der kleine Hector hier hat immer noch richtig muntere Augen“, stellte Luisa fest. „Das ist doch sicher ein gutes Zeichen, oder?“

Isabel lachte. „Ja, in der Tat. Und jetzt bringen wir die drei auf die Weide, damit sie sich mit ihrem neuen Zuhause vertraut machen können.“

Die Mädchen hatten ihre Freude daran, wie die kleinen Ponys munter durch das hohe Gras trabten und jeden Winkel der Weide in Augenschein nahmen. Hector hielt mit den beiden jüngeren tapfer mit und immer wieder hallte sein lautes Wiehern durch das Mühlental.

Luisa grinste. „Je oller, je doller. Von Altersschwäche keine Spur.“

Auch als Isabel die Mädchen schließlich zum Frühstück rief, konnten sie sich nicht von diesem Schauspiel losreißen. Das Frühstück musste warten!

Doch plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt.

Vor der Hofzufahrt stand am Waldrand ein kleiner Junge. „Schau mal, Anna“, sagte Luisa. „Kennst du den?“

Anna kniff die Augen ein wenig zusammen, um besser gucken zu können. „Ich glaube, der ist vom Nachbarhof. Gesehen habe ich ihn schon mal.“

„Was hat er denn da auf dem Arm?“, fragte Luisa. „Irgendwas Helles.“

Anna winkte dem Jungen zu, doch der drehte sich schnell zur Seite, so als sei er unschlüssig, ob er weglaufen sollte oder nicht.

Anna zupfte Luisa am Ärmel. „Komm, wir gehen mal hin.“ Als die Mädchen sich dem Jungen näherten, erkannten sie, dass er einen kleinen Hund auf dem Arm trug.

„Hallo“, sagte Anna. „Ist das dein Hund? Ein Jack-Russel, nicht wahr?“

Der Junge nickte schüchtern und die Mädchen sahen, dass er geweint hatte.

„Ist alles okay mit dir?“, fragte Luisa freundlich.

„Ja“, antwortete der Junge mit dünner Stimme. „Aber mein Benni ist verletzt. Meine Mama sagt, ich soll hierhin gehen, weil hier ein Tierarzt ist, aber ich sehe keinen.“ Jetzt fing der Junge an zu schluchzen.

„Ja!“, rief Luisa und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Hier bist du goldrichtig. Komm, wir bringen deinen Benni zu meiner Mama. Sie ist Tierärztin.“

Luisa stürmte ins Haus. „Mama, ich befürchte, du musst dein Frühstück unterbrechen. Hier kommt dein erster Patient.“

„Du lieber Himmel, die Praxis ist doch noch nicht eingerichtet!“, rief Adelheid. Sie wischte sich den Mund mit der Serviette ab und folgte ihrer Tochter auf den Hof, wo sie einen ersten Blick auf den verletzten Hund warf.

Eine große blutende Fleischwunde zog sich über das rechte Hinterbein des kleinen Terriers. Benni fiepte, als Adelheid vorsichtig das Bein anhob. „Na, wie ist das denn passiert?“, fragte sie.

„Ich weiß es nicht“, jammerte der Junge. „Als ich ihn heute Morgen füttern wollte, hab ich's plötzlich gesehen.“

Adelheid streichelte dem Hund über das Köpfchen. „Also, trag ihn mal ins Haus. Heute müssen ein Tisch und eine helle Lampe reichen. Luisa, bitte hol meinen Koffer aus dem Auto.“

Sofort spurtete Luisa los und dann folgte der kleine Tross Adelheid ins Haus.

Als sie am Abend alle miteinander auf der Terrasse saßen, kam Rolf mit Sekt für die Erwachsenen und Orangensaft für die Mädchen an. Robert hatte sich mal wieder mit seiner Gitarre zurückgezogen.

Rolf hob das Glas, in dem der goldgelbe Sekt perlte, und prostete Adelheid zu.

„Trinken wir auf den kleinen Benni, deinen ersten Patienten, den du mit deinen Heilkünsten gerettet hast!“

Adelheid nippte an ihrem Glas und lachte. „Nun übertreib mal nicht. Der Kleine hatte Glück im Unglück. Es war nur eine Fleischwunde, die sich leicht nähen ließ. Der ist bald wieder auf den Beinen.“

Anna musste daran denken, dass der kleine Junge, von dem sie inzwischen wussten, dass er Jan hieß, ganz allein zum Mühlenhof gelaufen war. „Dass weder seine Mutter noch sein Vater mitgekommen sind“, sagte sie, „das finde ich merkwürdig.“

Isabel neigte den Kopf und blickte ihre Tochter an. „Vielleicht hatten sie auf ihrem Hof zu viel zu tun. Auf jeden Fall weiß der Kleine, was es heißt, Verantwortung für sein Tier zu tragen.“

Dabei kam Anna in den Sinn, dass übermorgen endlich der Tag war, an dem ihre Ponystute Fee mit den anderen Pferden im Mühlental eintraf. Endlich!, dachte Anna und hätte am liebsten laut geseufzt. Da war es wieder, das Kribbeln. Denn von nun an würde sie allein die Verantwortung für ihr Pony tragen, das sonst in einem anderen Reitstall mitversorgt worden war. Aber zum Glück hatte sie ja Luisa an ihrer Seite und das war ein schönes Gefühl.

Endlich war es so weit! Der heiß ersehnte Tag brach an und Anna hüpfte schon in aller Frühe aus dem Bett. Beim Frühstück bekam sie vor lauter Aufregung kaum einen Bissen herunter. Die Zeit zog sich wie Kaugummi dahin und als der Pferdetransporter endlich auf den Hof gefahren kam, hatte Anna das Gefühl, als habe sie schon eine halbe Ewigkeit gewartet, dabei war es gerade erst halb neun.

Ihr Herz machte einen Satz, als Fee endlich in ihrer gewohnten ruhigen Art die Rampe hinunterschritt und Anna ihre geliebte Stute in Empfang nehmen durfte.

Stolz präsentierte sie Luisa ihr Pony. „Darf ich vorstellen? Das ist Fee.“ Dann schlang sie dem Pony die Arme um den Hals und vergrub die Nase in seiner Mähne.

Luisa hielt dem dunkelbraunen Pony die Hand hin. Fees Fell glänzte tatsächlich in dem Farbton, den Anna ihr beschrieben hatte: wie schwarzer Kaffee, in den man einen Tropfen Milch hineingegeben hat. Treffender hätte Luisa ihn auch nicht beschreiben können. Fee schnaubte und blies Luisa warmen Atem in die Handfläche.

„Sie ist wirklich wunderschön, deine Fee!“, sagte Luisa beeindruckt. „Ich beneide dich. Na ja, vielleicht bekomme ich ja auch irgendwann ein eigenes Pony.“

Verlegen blickte Anna ihre Freundin an. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. War es unfair gewesen, so sehr von Fee zu schwärmen, wo Luisa doch kein eigenes Pony besaß? Aber dann wischte sie den Gedanken schnell bei seite und sagte: „Ich lasse dich natürlich auch mal auf Fee reiten.“

Luisa fuhr mit der Hand liebkosend über Fees Nasenrücken und lachte. „Na klar, was meinst du, warum wir auf einen Ponyhof gezogen sind, Mama und ich. Das war reine Berechnung!“

Diesmal boxte Anna Luisa gegen die Schulter. „Ach, am liebsten würde ich Fee sofort satteln und aufzäumen und einen Ausritt mit ihr machen, aber Mama sagt, sie soll nach der Fahrt erst zur Ruhe kommen und sich einleben. Na los, wir zeigen Fee ihr neues Zuhause!“

Außer Fee und Isabels dunkelbraunem Wallach Digger waren noch ein weiteres Pony, der Connemara-Schimmel Zorro, und die Hannoveraner-Stuten Amadea und Katinka auf den Hof gekommen.

Später würden Isabel und Rolf auch Pensionspferde aufnehmen, außerdem planten sie die alten Stallungen zu renovieren und dort Ferienwohnungen einzurichten. Doch noch war das alles Zukunftsmusik.

In den folgenden Tagen dachte Anna oft, sie träume. Wann immer sie konnten, waren die Mädchen mit den Ponys unterwegs oder pusselten sonst wie an ihnen herum.

„Ich glaube, im ganzen Münsterland gibt es keine so ordentlich geputzten Ponys wie unsere“, kommentierte Isabel lachend den Eifer der Mädchen. „Ich bin mal gespannt, ob ihr solch einen Ehrgeiz auch an den Tag legt, wenn die Schule wieder losgeht.“

Doch den Gedanken an die Schule verdrängten die Mädchen, solang es ging. Sie fühlten sich frei wie die Vögel und stromerten fernab der Hauptstraßen über die Pfade am Mühlbach entlang oder über die Feldwege jenseits des kleinen Tales. Hin und wieder überließ Anna Luisa ihr Pony und ritt selbst abwechselnd auf Zorro oder Isabels Digger. Einmal sattelte sie auch Struppi, denn für das stämmige Pony war es kein Problem, solch ein Leichtgewicht wie Anna zu tragen.

Manchmal packten sich die Mädchen einen Rucksack voll und machten ein Picknick am Mühlbach, wo sie sich ein idyllisches Plätzchen suchten. Hier, an der seichten Stelle, konnten auch die Ponys gut ins Wasser und ihre Fesseln kühlen.