Religion auf Instagram -  - E-Book

Religion auf Instagram E-Book

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Beschreibung

Neben großen Themen wie Beauty, Kochen und Katzen haben sich wachsende Nischen für religiöse Kommunikation im digitalen Raum etabliert. Instagram, das heißt heute auch: gelebte Religion, Bibel, Spiritualität, Kirchenpolitik, Seelsorge und Bildung. Der Band gibt Einblick in die Entwicklung von Instagramkanälen, zeigt neue Formen der Gemeinschaftsbildung und behandelt religiöse Influencer. Er beleuchtet, wie authentisch erklingende Instagram-Stimmen von religiös und kulturell interessierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen wahrgenommen werden und zurückwirken auf die Wahrnehmung und Entwicklung von Kirchen und religiösen Gemeinschaften.

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Religion auf Instagram

Analysen und Perspektiven

Herausgegeben von Viera Pirker und Paula Paschke

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.deUmschlaggestaltung: Verlag HerderSatz: SatzWeise, Bad WünnenbergHerstellung: CPI books GmbH, LeckISBN Print 978-3-451-39626-7ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-83083-9ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83369-4

Inhalt

Religion auf Instagram. Analysen und Perspektiven – eine Hinführung

Viera Pirker, Paula Paschke

I Plattform

Zwischen Plattformlogik und Emergenz – Religion auf Instagram

Viera Pirker

Von Queerness, sexueller Aufklärung und UmweltengagementInstagram und eine zeitgemäße Anthropologie

Anna Puzio

Digitale Ethnografie und Religionsforschung auf Instagram Methodologische und forschungspraktische Überlegungen

Anna Neumaier

Konstruktionen von Körper als Austragungsfläche –Bildpraktiken auf Instagram

Rebekka Burke, Laura Mößle, Lena Tacke

II Content

„… it’s not about beauty, it’s about the story you tell“ (K. Systrom)‚Digital Storytelling‘ als neue Erzählpraxis?

Florian Mayrhofer

Glaubensinfluencer:innen auf Instagram

Sabrina Müller

Zwischen Lifestyle, Gaming und BeautyWie Top-Influencer:innen auf Instagram (und YouTube) über Religion sprechen

Markus Brodthage

„In allem – Gott an unserer Seite“Ehepaare als Instanzen religiöser Kommunikation auf Instagram

Gero Menzel

Ein Sein vor, hinter und in dem Bild?Instagram in anthropologischer und theologischer Reflexion

Wolfgang Beck und Leopold Kohlbrenner

#ansprechbar – Seelsorge auf InstagramPhänomene, Herausforderungen, Paradigmenwechsel

Christine Wenona Hoffmann

Social Media-Selbst(re)präsentation von Muslim:innen in Deutschland Akteur:innen, Themen und Positionierungen zu antimuslimisch-rassistischen Diskursen

Kirsten Wünsche, Antonia Hafner, Tessa von Richthofen

III User

Digital, mobil und gläubigOn- und offline Lebenswelten religiöser Jugendlicher

Christoph Novak, Astrid Mattes, Miriam Haselbacher, Katharina Limacher

Digitale CommunitiesZur Followerschaft von christlichen Influencer:innen auf Instagram

Daniel Hörsch

#outinchurch – Hashtag-Aktivismus für die Kirchenentwicklung auf Instagram

Paula Paschke

Strategien der Wissensproduktion zur Bibel in einem freikirchlichen Großaccount

Caroline Sosna

Evangelisch – Lutherisch – Christlich?Zur denominationellen Unterscheidbarkeit christlicher Influencer:innen

Knut V. M. Wormstädt

IV Praxis

@faithpwr – Auf Social Media von religiösen Erfahrungen sprechen

Ana Souto Miebach, Lisa Quarch, Jan Kuhn

Das #instalehrerzimmer – Lehrkräfteprofessionalisierung auf Instagram

Kathrin Termin

Religion auf Instagram – Das yeet-Netzwerk gründen und gestalten

Lilith Becker

ruach.jetzt – Die Glaubenskommunikation der Zukunft ist eine vernetzte Kommunikation

Lisa Menzel, Tobias Sauer

Verzeichnis der Autor:innen

Religion auf Instagram. Analysen und Perspektiven – eine Hinführung

„Papst Franziskus betet jetzt auch auf Instagram“1 betitelt Zeit-Online am 19. 3. 2016 mit leicht ironischem Unterton die Eröffnung des Accounts @franciscus auf der Social-Media Plattform Instagram. Inzwischen erreicht das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche 9,1 Millionen Menschen (Stand August 2023), laut seiner Instagram-Bio mit dem Ziel „to walk with you along the way of God’s mercy and tenderness“2. Und auch die Jugendlichen im Dokumentarfilm „Amen“3 fragen den Papst gleich danach: „Haben Sie ein Handy?“ Doch Franziskus verneint. „Und wie machen Sie das dann mit Social Media?“ – „Das machen meine Mitarbeiter“, antwortet er. Dass auch der Vatikan sich die Möglichkeiten der Vernetzung und Visibilisierung der App zu Nutze macht, verwundert keineswegs, denn Instagram hat die öffentliche und private Kommunikation in unzähligen Bereichen tiefgreifend verändert und gilt heute als zentrales Instrument der Medienarbeit.

Instagram erzählt eine Erfolgsgeschichte der digitalen Welt: Seit über 10 Jahren verändert die Plattform die öffentliche und private Kommunikation in unzähligen Bereichen tiefgreifend, ja, vielleicht hat sie sogar begonnen, das Bild von der Welt und wie Menschen miteinander leben, ganz neu zu gestalten. Instagram prägt in einem enormen Ausmaß den individuellen Konsum, Reise und Tourismus, Körperbilder, Kaufverhalten, gesellschaftliches Engagement, seelisches Wohlbefinden, Bildung und Politik. Instagram macht Sparteninformationen leicht einem größeren Publikum zugänglich, die App macht Spaß und inspiriert, kann aber auch süchtig und vielleicht sogar krank machen. Kaum eine App hat die Bildpraktiken der Menschen in der Öffentlichkeit so sehr beeinflusst wie Instagram, inzwischen beginnt TikTok, eine vergleichbare Bedeutung zu entwickeln. Was 2010 mit durch Filter verbesserten Bildbeiträgen aus qualitativ noch reichlich eingeschränkten Smartphone- Kameras begonnen hat, wurde mittlerweile zu einer global prägenden, sorgsam kuratierten Plattform visueller Kommunikate weiterentwickelt. Was am Anfang eine Welt des Zeigens war, ist immer mehr zu einer Welt des Sich-Zeigens geworden. Menschen erleben bei Instagram immer noch den Blick anderer Menschen auf die Welt, aber mehr noch teilen sich Menschen kommunikativ und vermeintlich unmittelbar, authentisch, selbst der Welt mit. Die Bedeutung digitaler Medien und Kommunikation allgemein, aber ganz besonders der Social Media für Wissenskonstruktionen und Weltdeutungen darf in der Gegenwartsgesellschaft nicht zu gering eingeschätzt werden. Aktuell wird in der sich seit dem 7. Oktober 2023 entfaltenden Bilder- und Meinungsflut zum Israel-Gaza-Konflikt besonders sichtbar, wie leicht entflammbar die Emotionskurven in politischen und auch in religionsbezogenen Belangen geworden sind und welche Reichweite Netzkommunikation erzeugt, und welchen Einfluss sie auf das politische und öffentliche Handeln nimmt. Gerade visuelle Kommunikate, vor allem die als authentisch wahrgenommenen, hochkant mit dem Smartphone gefilmten Videoformate werden in der Kommunikation des Konflikts instrumentalisiert und manipulativ eingesetzt. Wissensaufbau und Bildung, aber auch die Meinungsbildung brauchen Distanz, Reflexion und Kritik: Verlangsamende Haltungen, die angesichts der erregten und scheinbar unmittelbaren, visuell getriebenen Kommunikation schwer zu erzeugen sind.

Entwicklung und ökonomische Struktur der Plattform

Instagram hat mit besonderen Filtern für das Anfertigen und Teilen von Smartphone-Bildern quasi umgehend eine eigene Bildsprache entwickelt.4 Gemäß der Regel „image first, text second“5 kreiert die App von Beginn im Oktober 2010 an eine ausgeprägt am Visuellen orientierte Kultur. Die Plattform erzählt eine internationale Erfolgsgeschichte.6 Schon 2012 an Facebook für knapp eine Milliarde US- Dollar verkauft, ist die Plattform rasant global gewachsen und verzeichnete im Sommer 2018 eine Milliarde Nutzer:innen, Tendenz weiterhin steigend. Es geht nicht vorrangig um Bilder, auch wenn die Visualität der Kommunikate und die Qualität des Contents von höchster Bedeutung ist, sondern mehr noch um Vernetzung und Kommunikation.7 Kreative und designorientierte Fotograf:innen und Creator:innen, auch Botschafter:innen der Vielfalt und der Freiheit, insbesondere aber Stars und Marken werden unternehmensseitig offensiv unterstützt. Der blaue Haken, das Zeichen für einen verifizierten Account, wurde lange Zeit unmittelbar von Instagram vergeben und galt als Zeichen für persönliche Verbindungen zum Unternehmen.8 Die Möglichkeiten der Kommunikation wurden stetig erweitert: Im Juni 2013 wurde eine erste Videofunktion für 15-sekündige Videos hinzugefügt9 im März 2016 auf 60-minütige Videos erweitert, seit November 2016 können 60 minütige Live-Videos in den im August 2016 eingeführten Stories10 aufgenommen und gespeichert werden. Im Dezember 2013 etablierte Instagram das Direct Messaging zwischen Accounts und in Gruppen, im Februar 2017 Carousel-Beiträge mit mehreren Bildern, die inzwischen auch als einzelne Bilder im Feed der Nutzer: innen ausgespielt werden. Im Juni 2020 launcht Instagram schließlich das kreative Kurzvideoformat Reel11, das inzwischen zum bevorzugten Content-Format geworden ist.

Instagram-Feed, Stories, ebenso wie die Explore-Seite, Kommentare und die Suche sind seit 2016 algorithmisch strukturiert und wurden durch Datenanalyse und zielgenaues Targeting seither zu einer äußerst lukrativen Werbe- und Influencing-Plattform weiterentwickelt. Nach einer mehrjährigen Erprobungsphase – das erste bezahlte Werbeposting wurde durch @michaelkors im November 2013 geschaltet12 – kann Werbung seit August 2016 zielgruppengenau ausgespielt werden, ein plattforminternes Online-Shopping besteht seit März 2019.

Gerade das Entstehen dieser „Ökonomie des Einflusses“13 und der Praxis des Influencings ist maßgeblich mit der Plattform verbunden.

„[Instagram] verwandelte sich in ein Tool, um an einem öffentlichen Image herumzubasteln und daraus Kapital zu schlagen, und zwar nicht nur für berühmte Persönlichkeiten, sondern für jedermann. Jeder Instagram-Account bekam die Chance, nicht nur ein Fenster zur gelebten Erfahrung von jemandem zu werden – wie es die Gründer ursprünglich beabsichtigt hatten –, sondern auch zu ihrem individuellen Medienunternehmen.“14

User Generated Content lässt sich auf verschiedene Weise einstellen: Die Bilder und Kurzvideos, die auf der Profilseite chronologisch gereiht angezeigt werden, sind der erste Ort der App. Diese Seite hat sich längst zu einem sorgsam kuratierten, von vielen User: innen allerdings inzwischen auch weniger beachteten Ort entwickelt. Die spontanen und die kommunikativen Momente sind in die Stories abgewandert: Die hier eingestellten Live-Videos, Kurzvideos, Bilder- und Textbotschaften löschen sich nach 24h selbst, sie werden angereichert mit umfangreichen Kommunikations- und Interaktionsformen zur engeren Bindung der Community, und lassen sich inzwischen auch als ‚Highlights‘ langfristig im Profil speichern. Die Stories haben den ästhetischen und kommunikativen Raum von Instagram stark verändert. Sie erhöhen insbesondere die Wiederkehrraten um ein Vielfaches und wirken als zentrales Instrument im Aufbau der unmittelbar wirkenden parasozialen Beziehungen zwischen Accountbetreiber:in und Follower:in.15 Unter jungen User:innen hat heute TikTok die größten Wachstumsraten, während Instagram inzwischen durch die immer engere auch technische Verbindung zum ‚Mutterschiff‘ Meta auch die Plattform Facebook mit Crossposting-Inhalten bespielt. Die Gründer von Instagram, Kevin Systrom und Mike Krieger, haben die App bis 2018 selbst geleitet, bis sie sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben, seither ist Adam Mosseri, der seit 2008 im Facebook- Konzern arbeitet, Geschäftsführer von Instagram.

Ökonomische Interessen prägen die Plattform. Jedes dritte bis vierte Bild im Feed ist ein Werbebild oder ein gesponsorter Link; gleiches gilt für die Stories – ganz abgesehen davon, dass Werbung durch die Präsenz von Marken und ihres Contents, in den Shopping-Optionen, aber auch durch unzählige Foto Opportunities in der analogen Welt, die auf ihre Instagrammability geprüft und daraufhin gestaltet wird, in den Inhalten der Plattform präsent ist. Zudem agieren viele Creator:innen als Influencer:innen, machen Werbung für Produkte, betreiben eigene Shops, werden für ihr Agieren auf der Plattform von Dritten bezahlt. All dies stört die User:innen nicht: Für sie gehört eine Form des Zurückgebens an die beliebten Creator:innen durchaus dazu. Zu bemerken ist eine nicht sehr aktive, sichtbare Nutzung der Plattform von vielen User: innen. Nur ungefähr ein Drittel der Nutzer:innen stellen eigene Bilder und Kommunikate auf der App ein.16 Instagram veröffentlicht seit längerem keine eigenen Nutzerdaten, die Haupt-User:innen sind 20–40-Jährige. Es ist anzunehmen, dass die Plattform weiterhin wachsen und auch mit den User:innen mitwachsen wird, die heute jugendlichen Kohorten jedoch eventuell gar nicht mehr bei Instagram andocken werden. Creator:innen arbeiten daher häufig auf mehreren Plattformen parallel. Die großen Marken und Personenmarken erreichen auf der Plattform global und direkt viele Millionen Menschen. Doch auch Nischenprodukte finden hier ihren Weg zu ihrem Publikum.

Die Nische der religiösen Kommunikation

Neben den großen Themen auf Instagram – Beauty, Fitness, Wellbeing, Ratgeber, Reisen, Familie, Mode, Awareness – haben sich längst auch Nischen der religiösen Kommunikation etabliert. Diese sind in anderen Sprachräumen (beispielsweise USA, Brasilien, Indonesien) früher groß geworden als im deutschsprachigen Raum und werden auch als Gegenstand der empirischen Forschung ausgemacht – insbesondere wurden muslimisch gelesene Creator:innen intensiver in den Blick genommen. Aber auch im deutschsprachigen Feld begegnen immer mehr Accounts, die sich religiöser und religionsbezogener Kommunikation in breiter thematischer und perspektivischer Varianz widmen. Im christlichen Kontext hat dies in leisen Tönen schon vor einigen Jahren begonnen. Religiöse Akteur:innen bewegen sich auf der Plattform in einer quicklebendigen Nische, die nicht durch Reichweite, sondern durch Gemeinschaftlichkeit und Spezifizierung beschrieben werden kann. Da sich gerade solche thematischen Nischen durch enge Bindung, hohe Interaktivität und sehr spitze Interessensgruppen auszeichnen und darin auch ein besonderes Interesse der Plattform adressieren, da ihnen eine hohe Bedeutung für die tägliche Wiederkehr der User: innen zukommt, müssen aus geringerer Reichweite keine negative Schlüsse gezogen werden. Ethisch ist abzuwägen, dass solche Formen der Präsenz auf den Social-Media-Plattformen unmittelbar auf die Bedeutung der Plattform im Leben von Millionen Individuen und deren ökonomischer und gesellschaftlicher Macht einzahlt. Religiöse visuelle Marker haben nach wie vor gesellschaftliche Bedeutung: Erst mit dem Bild des Papstes im Daunenmantel hat die Welt im Frühjahr 2024 verstanden, was bildgenerierende Künstliche Intelligenz zu kreieren in der Lage ist.17 Bilder sind schon lange nicht mehr die verlässlichen Boten, als die sie im Zeitalter der analogen Fotografie verstanden wurden, sondern müssen mit allen Regeln der Visual Literacy und Media Literacy dekodiert18 und in ihrer sozialen Bedeutung eingeordnet werden –kulturelle Techniken, die historisch eng mit religiösen Bildentwicklungen verknüpft sind und neu in der Breite einzuüben sind.

Die Covid-19-Pandemie hat 2020–2022 als Wahrnehmungs- Booster aller kirchlicher und religiöser Kommunikation im Digitalbereich gewirkt.19 Religiöse Praxis und Präsenz auf Instagram ist weiterhin im Wachsen begriffen, auch die Professionalität von Individuen im Umgang mit Social-Media-Kommunikation steigert sich. Inzwischen beherrschen auch christliche Influencer:innen das Spiel der Plattformkommunikation, wie sie auch YouTube, Twitter, TikTok, Twitch erfordern. Instagram, das darf nicht vergessen werden, ist nur eine Welt unter mehreren, die sich im Feld des UGC, des User Generated Content, online etabliert haben. Religiöse Kommunikation auf Instagram, das heißt heute: gelebte Religion, Bibel, Spiritualität, Pastor:innenleben, der Streit um die Synode, Kirchenpolitik, Gebetskreise, Seelsorge, Aufmerksamkeit, religiöse und politische Positionierung, und religiöse Bildung. Die Kommunikation auf der Plattform regt zudem neue Formen der Gemeinschaftsbildung und der Netzwerkbildung an. Instagram macht acts of voicing leicht: Individuen können hier selbstgewählt als religiöse Influencer: innen auftreten und interagieren. Die durch alle Filter und Gestaltungsmöglichkeiten hindurch authentisch erklingenden Stimmen werden von religiös und kulturell interessierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Angebote zur Identitätsentwicklung wahrgenommen, und sie wirken zurück auf das Verhältnis von Autorität und Individuen, ebenso wie auf die Wahrnehmung und Weiterentwicklung von Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Die mediale Durchdringung des Alltags von Menschen der Gen-Y und Gen-Z hat ein hohes Ausmaß erreicht, das auch kritisch betrachtet werden muss. So zeigt eine Längsschnittstudie des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland vor und während der COVID-19 Pandemie (2019–2022), dass die Nutzung von Social Media in der Altersgruppe der 10–17jährigen im Juni 2022 bei 2,7 Stunden werktags, 3,8 Stunden am Wochenende liegt, hinzu kommt die intensive Nutzung digitaler Spiele (2 bzw. 3 Stunden). Die ARD/ZDF-Online-Studie 2022 hat die hohe Bedeutung der App in der Altersgruppe der 14–29jährigen untersucht: 74 % von ihnen nutzen Instagram mindestens einmal wöchentlich20, 56 % sogar täglich.21 Sie nutzen Instagram, weil es Spaß macht, weil sie die Beiträge gut finden. Der wesentliche Unterschied zu Facebook-User:innen liegt darin, dass sie die Plattform „wegen der Promis und Influencer, der Stimmung, der Videos und generell der guten Inhalte“22 nutzen, während die tendenziell älteren Facebook- User:innen deutlich stärker an Familie, Freundeskreis und der dort etablierten Kommentar- und Diskussionskultur interessiert sind. Instagram hat sich weniger als Interaktions- denn als Content-Netzwerk mit starkem Identifikationspotenzial entlang individueller Interessen etabliert.

Zur Konzeption des vorliegenden Bandes

Instagram und die dort entstehenden religiösen Praktiken, die auch andere digitale Plattformen tangieren – Stichwort: #digitalreligi on, #digitalekirche – werden inzwischen zunehmend als Forschungsthema und Interessensfeld in Praktischer Theologie, Religionswissenschaft und Religionspädagogik identifiziert. Die hier stattfindenden Entwicklungen haben wir zum Anlass genommen, verschiedene Ansätze in dem Forschungs- und Interessensfeld zusammen zu bringen. Im Rahmen des Frankfurter Fachgesprächs am 3.2.2023 kamen Praktiker:innen und Forschende online23 zusammen, mit dem Ziel, bestehende und entstehende Forschung und Praxis zu dieser spezifischen Plattform sichtbar zu machen und ökumenische Impulse für Ideen und Entwicklungen zu setzen. Der vorliegende Sammelband knüpft an diese Impulse an, führt sie weiter, ergänzt die Perspektiven von weiteren Beitragenden, und ermöglicht einen hoch aktuellen Einblick in die Landschaft der „Religion auf Instagram“. Instagram ermöglicht verschiedene empirische Zugänge, einer davon ist die digitale Ethnographie, die mehrfach zur Anwendung kommt. Doch es begegnen auch andere Zugänge: qualitative Inhaltsanalysen, Nutzer:innenbefragungen und Netzwerkforschung.

Unter den in den Beiträgen des Bandes erwähnten und auch tiefer analysierten Accounts ist eine Mehrheit evangelischen und freikirchlichen Denominationen zuzuordnen, während eine deutschsprachige (römisch-)katholische Kommunikation auf Instagram bislang weniger intensiv ins Blickfeld genommen wird, eine Bias, die in der auf das Christentum bezogenen Forschung im Feld Digital Religion insgesamt wahrzunehmen ist24 und die sich auch zur Berichterstattung zu den sogenannten Christfluencer:innen bestätigt: Gerade Accounts, die nicht für die Großkirchen stehen, halten hier in der Wahrnehmung eine überproportionale Aufmerksamkeit.25 Dabei sind die evangelischen Kommunikator:innen keineswegs notwendigerweise auch die reichweitenstärkeren, doch sie suchen häufiger mit Techniken der Influencer:innen einen direkteren und wiederkehrenden Kontakt mit ihren Communities und stehen für politische und gesellschaftliche Positionen ein, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden und in künftige Entwicklungen hinein extrapoliert werden können. Die Einheit von Botschaft und Person steht auf Plattformen wie Instagram im Vordergrund.

Aus der Perspektive der Religionspädagogik und Mediendidaktik heraus verfolgt dieser Band das Interesse, Instagram auch als Bildungsplattform zu denken und zu erkunden, denn eine solche ist sie ohne Zweifel für nicht wenige junge Erwachsene geworden – wir reden hier vor allem von der Generation der 20–40- Jährigen, die den größten Teil der Instagram-User:innen darstellen. Dies entspricht dem Ziel der Frankfurter Fachgespräche, die darauf ausgerichtet sind, Themen und Fragestellungen, die an den Grenzflächen von Theologie, Religionsforschung, Pädagogik und Medien liegen, in die Tiefe hinein auszuloten und zwischen Theorie, Empirie und Praxisperspektiven miteinander ins Gespräch zu kommen. Religiöse Bildungsprozesse zeigen sich heute an so vielen verschiedenen Orten und in so vielen Varianten, dass es unbedingt dazu gehört, sie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und auch unterschiedliche Stimmen zur Sprache kommen zu lassen. In einem vielfältigen Polylog entsteht auch das online geformte Bild der Religionen und der Religiosität. Zugleich steht die Frage im Raum, ob religiöse Bildung und insbesondere die psychische, emotionale und soziale Entwicklung, die auch grundlegend für eine spirituelle Entwicklung sind, durch Unterhaltungstechniken und Social Media nicht doch mehr gestört als unterstützt werden, dies zumindest befürchten 79 hochrangige religiöse Führungspersönlichkeiten, die im April 2021 in hoher interreligiöser Einmütigkeit öffentlich gegen die Pläne zur Einführung eines Instagram for Kids eingetreten sind.26 Und im Herbst 2023 haben mehrere us-amerikanische Bundesstaaten Klage gegen den Meta-Konzern eingereicht, da dieser negative Folgen der Plattformnutzung für Jugendliche wissentlich ignoriere, um mehr Gewinn zu erzielen.27

Der erste Teil Plattform ist grundsätzlichen Perspektiven aus Theologie, Theologischer Ethik, Religionswissenschaft und empirischer Forschung zur Betrachtung von Dynamiken, die auch Religion und Religiöse Praxis auf Instagram betreffen, gewidmet.

Viera Pirker nimmt Religion als emergentes Phänomen auf der Plattform in den Blick, zum einen in der globalen Kommunikation durch eine Analyse der kuratorischen Praxis auf dem Community- Account von Instagram und den dort vorzufindenden religionsbezogenen Kommunikaten, zum anderen in einer Darstellung des Feldes deutschsprachiger, christlich-religiöser Kommunikation auf Instagram. Anna Puzio widmet sich der Frage nach der Möglichkeit, Instagram als Quelle für eine zeitgemäße Anthropologie im Angesicht von sexueller Aufklärung und anderen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen zu betrachten. Anna Neumaier verfolgt in ihrem Beitrag das Anliegen, einen ersten Überblick über die Charakteristika, Anwendungsmöglichkeiten und denkbaren Erkenntnisse in der Verbindung aus ethnografischer Forschung und Social-Media-Plattformen, insbesondere Instagram, zu bieten. Der sozialen Dimension und Konstruktion von Körperdarstellungen und das damit verbundene Individualisierungsbestreben sowie der Suche nach Singularität von Menschen auf Instagram nähern sich Rebekka Burke, Laura Mößle und Lena Tacke, indem sie Facetten der Kontrolle und Konstruktion zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Inszenierungen und Erzählungen von Körpern sowie Objektivierungen des Körpers zwischen Authentizität und Inszenierung am Körperbild des Protests aufzeigen.

Im zweiten Teil Content werden die grundlegenden Überlegungen durch Auseinandersetzungen mit Formen, Phänomenen und Themen von Instagram-Content und Content-Creator:innen vertieft. So legt Florian Mayrhofer Überlegungen zu den Ambivalenzen der Content-Produktionsform Digital Storytelling vor und appelliert im Rahmen seines Beitrags für einen aktiven und reflektierten Umgang mit christlich-theologischen und spezifisch praktisch- theologischen Formen des Digital Storytellings. Die Vielfalt theologischer Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen von Glaubensinfluencer:innen auf Instagram analysiert Sabrina Müller und nimmt, basiert auf die dichte Beschreibung dreier Accounts, eine Kategorisierung solcher Formate vor. Wie Influencer:innen auf sozialen Netzwerken über Religion sprechen und ob dies unterschiedlichen Formaten und plattformspezifischen Logiken folgt, fragt Markus Brodthage. Inwiefern Ehepaare als Instanz der religiösen Kommunikation in freikirchlichen Praktiken auf Instagram gelten, untersucht Gero Menzel in seinem Beitrag zu Ehepaaren des ICF, indem er mithilfe des Ansatzes der ethnomethodologischen Nethnographie die kulturellen Praktiken im digitalen Raum analysiert. Wolfgang Beck und Leopold Kohlbrenner reflektieren theologische und anthropologische Dimensionen digitaler Bildkulturen im Angesicht eines gesellschaftlichen und theologischen Diskurswandels durch die Social Media anhand zentraler transformativer Aspekte für Religion und Kirche, auch in ihren ironischen Brechungen. Unter dem Hashtag #ansprechbar betrachtet Christine Wenona Hoffmann auf Instagram praktizierte digitale Seelsorge und die damit einhergehenden Herausforderungen, Potentiale und Veränderungsprozesse, die sich für Seelsorgende stellen. Ihre Ausführungen erläutert sie am Beispiel der konkreten Seelsorgepraxis der Sinnfluencerin und Pfarrerin Josephine Teske. Der Beitrag von Kirsten Wünsche, Antonia Hafner und Tessa von Richthofen schließlich weitet den Blick über die christlichen Perspektiven hinaus auf die Selbst (re)präsentation von Muslim:innen in Deutschland, mit einem konzentrierten Blick auf die Dynamiken antimuslimisch-rassistischer Diskurse und ihrer Thematisierung auf der Plattform Instagram.

Der dritte Teil User nimmt Forschung zu Nutzer:innen und ihre alltäglichen Nutzungspraktiken auf Instagram in den Blick, aber auch Sonderformen und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Gestaltung und Wahrnehmung von Kirche(n) und Glauben in den Blick.

Christoph Novak, Astrid Mattes, Miriam Haselbacher und Katharina Limacher stellen das Forschungsprojekt YouBeOn (Young Believers Online) vor, welches der Frage nachgeht, wie gläubige Jugendliche aus dem Großraum Wien ihren religiösen Praktiken on- und offline nachgehen. Instagram ist darin die zentrale Plattform, anhand derer Nutzungspraktiken betrachtet werden und auf die ein Mapping religiöser Zugehörigkeit in einer interaktiven Landkarte bezogen wird. Im Rahmen der midi-Studie untersuchte Daniel Hörsch für die evangelische Arbeitsstelle die Followerschaft christlicher Influencer:innen und ihren Zugang zu den von ihnen dargebotenen Inhalten, ihre Motivation und Interessen und den daraus gewonnenen alltäglichen Mehrwert. Auch inwiefern dies Einfluss auf ihre Religiosität und potenzielle Kirchenmitgliedschaft nimmt, war Gegenstand der Studie und ihrer Auswertung. Paula Paschke zeigt anhand des Beispiels #outinchurch auf, wie durch Hashtag- Aktivismus und die Nutzung des digitalen Raums die Machtverhältnisse in einem Diskurs neu geordnet werden und neue Akteur:innen Einfluss auf die Kirchenentwicklung nehmen können. Dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kontrovers diskutierten Account einer freikirchlichen christlichen Influencerin widmet sich Caroline Sosna, indem sie die Wissensproduktion im Hinblick auf Bibellektüre auf dem Account untersucht. Selbiger Account findet auch Einzug in die Ausführungen des darauffolgenden Beitrags: Knut V. M. Wormstädt untersucht, inwiefern eine denominationelle Unterscheidbarkeit zwischen christlichen Influencer:innen anhand ihrer (Selbst-) Darstellung feststellbar ist.

Im vierten Bereich, der Praxis, kommen Producer:innen und Akteur:innen auf Instagram zu Wort. Sie geben hier Einblick in die Entwicklung von Instagramkanälen und die Arbeit in Netzwerken. Ihre Reflexion und Beteiligung kann denjenigen, die forschend ins Feld schauen, wichtige Impulse dafür geben, was Content Creating im religiösen Kontext heute bedeuten kann.

Jan Kuhn, Lisa Quarch und Ana Souto Miebach teilen Erkenntnisse ihrer Berufspraxis in Form des crossmedialen Social-Media- Projekts @faithpwr, das in Trägerschaft des Bistum Limburgs ermöglicht wird, und erläutern verschiedene Aspekte der dort stattfindenden Glaubenskommunikation und Communityarbeit. Im Interesse, Instagram auch als Bildungsplattform zu verstehen, gibt Kathrin Termin Einblick in die Nutzung und Vernetzung von Religionslehrkräften im #instalehrerzimmer und welche Bedeutung diesem für die Lehrkräfteprofessionalisierung beigemessen werden kann. Lilith Becker stellt das Evangelische Contentnetzwerk yeet vor, das christliche Sinnfluencer:innen, die in Social Media über ihren Glauben und ihre Werte sprechen, vernetzt und unterstützt. Hierfür schreibt sie in ihrem Beitrag über das Netzwerk, seine Arbeit und die Zielgruppe, um abschließend die Bedeutung für das Image von Glauben und Kirchen hervorzuheben, welches durch die yeet-Sinnfluencer:innen als zentrale Akteur:innen in der Medienlandschaft hinsichtlich der Glaubenskommunikation maßgeblich beeinflusst und verändert wird. Schließlich geben Lisa Menzel und Tobias Sauer Einblick in das Netzwerk ruach.jetzt, in dem christliche und spirituelle Content-Creator:innen, von denen viele auf Instagram aktiv sind, gemeinsam und unterstützend neue Räume der Glaubenskommunikation erschließen und sich dort als Beispiele für ein learning from religion im digitalen Raum anbieten.

Wir danken allen, die zu der Tagung und zu diesem Band beigetragen haben, für ihre Bereitschaft, ihre Gedanken, Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen zugänglich zu machen, viele unter ihnen Early Career-Researcher, deren Blick auf Plattformen und die dort zu beobachtenden Veränderungen religiöser Praktiken wesentlich ist. Besonders freuen wir uns, dass wir im Nachgang zur Tagung für den Band noch einige Autor:innen mit erweiternden und vertiefenden Perspektiven gewinnen konnten. Allen Beteiligten gilt ausdrücklicher Dank für ihre zuverlässige Arbeit in dem engen Zeitplan der Manuskripterstellung. Wichtig war uns, in das Kaleidoskop der Beiträge anthropologische Grundlegungen einzubinden, empirische Religionsforschung und Praktische Theologie zu verknüpfen und vielfältige christentumsbezogene Perspektiven aufzunehmen, sowie mit einem Blick auf muslimischen Content aufzubrechen. Die Überblicksbeiträge wie die empirischen und hermeneutischen Tiefenbohrungen, die in diesem Band versammelt sind, aber auch die Perspektiven von Akteur:innen auf Instagram zeigen die Vielfalt der Zugänge zu einem wissenschaftlich erst wenig durchdrungenen Feld. An dieser Stelle sei betont, dass der wachsende Raum der Mündlichkeit und des Bewegtbilds auch die Begleitung durch Forschung zu Verkündigung und Profession, zu Emotion und Affektgestaltung im religiösen Bereich erfordert. Forschung zu Religion auf Instagram und zu den Wechselwirkungen von Online- und Offline-Welten, die zu einem Onlife28 verschmelzen, auch über den christlichen Kontext hinaus ist notwendig, immer im Bewusstsein der Kontextualität der Plattform und ihrer Affordanzen.

Für die Vorbereitung und die technische Durchführung der Online-Tagung sowie die Aufbereitung des Streams für eine langfristige Abrufbarkeit möchten wir Jan Schäfer herzlich danken. Ebenso gilt Emilia Mappes ein besonderer Dank für die wertvolle Unterstützung bei Korrektur, Bildbearbeitung und Zusammenstellung des Manuskripts. Die Finanzierung der Drucklegung wird durch den Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität maßgeblich unterstützt. Wir danken schließlich und herzlich dem Herder-Verlag für die Aufnahme ins Verlagsprogramm, insbesondere Stephan Weber für die umsichtige Betreuung des Manuskripts.

Frankfurt am Main, November 2023 Viera Pirker und Paula Paschke

Anmerkungen

1 https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-03/papst- franziskus-instagram-account [Abruf: 20. 8. 2023].

2 @franciscus (Instagram-Profil) [Abruf: 20. 8. 2023].

3 Amen – ein Gespräch mit dem Papst (The Pope: Answers, Marius Sánches / Jordi Évole, ES 2023).

4 Vgl. K. Gunkel, Der Instagram-Effekt (Image 139), Bielefeld 2018.

5 E. Lee u. a., Pictures Speak Louder than Words: Motivations for Using Instagram, in: Cyberpsychology, behavior and social networking 18 (2015) 9, 552–556, hier: 552.

6 Vgl. T. Leaver, T. Highfield, C. Abidin, Instagram. Visual Social Media Cultures, Cambridge 2020, 8–38; S. Frier, No Filter. Die Instagram-Story, Kulmbach 2020.

7 Vgl. dazu den Beitrag von F. Mayrhofer, in diesem Band.

8 Seit 2021 gibt es weitere Wege und Aspekte der Verifizierung, und im Februar 2023 hat mit Meta Verified die Möglichkeit, Verifizierung gegen Bezahlung zu erhalten, auch bei Facebook und Instagram Einzug gehalten. Seit dem November 2023 wird zudem aufgrund geänderter Datenrichtlinien die Möglichkeit eines Bezahl- Abonnements angeboten, mit dem ein Instagram-Konto werbefrei angezeigt und damit auch dem Targeting entzogen wird.

9 Eine Reaktion auf die beliebte Video-Plattform Vine, deren Kurzvideos auf sechs Sekunden beschränkt waren. Mit dem Ende von Vine konnten viele der dort berühmt gewordenen Creator:innen zu Instagram geholt werden konnten. Vgl. Frier (s. Anm. 6), 147–150.

10 Die sich selbst löschenden, 24 Stunden verfügbaren Stories gelten als direkte Übernahme der konkurrierenden Plattform Snapchat; vgl. Leaver, Highfield, Abidin (s. Anm. 6), 25–31.

11 Reels gilt als bedächtigere Kopie der konkurrierenden Plattform TikTok.

12 Vgl. https://www.instagram.com/p/gLYVDzHLvn vom 1.  11. 2013 [Abruf: 21. 6. 2023].

13 Frier (s. Anm. 6), 170.

14 Ebd.

15 Vgl. D. Horton, R. R. Wohl, Mass Communication and Para-Social Interaction. Observations on Intimacy at a Distance, in: Psychiatry 19 (1956) 3, 215–229; T. Hartmann, Parasoziale Interaktion und Beziehungen, Baden-Baden 22017. Zur Anwendung auf religionsbezogene Zusammenhänge im „Lernen am Vorbild“ vgl. V. Pirker, Influencing – ein Modell religionspädagogisch reflektierten Handelns?, in: International Journal of Practical Theology 25 (2021) 1, 40–57.

16 Vgl. W. Koch, Reichweiten von Social-Media-Plattformen und Messengern. Ergebnisse der ARD-ZDF-Onlinestudie 2022, in: Media Perspektiven/10 (2022) 471–478, hier: 475.

17 Vgl. H. Kafsack, Die Auslöschung der Wahrheit, in: FAZ, 5.  8. 2023, 19 vgl. auch den Beitrag von W. Beck, L. Kohlbrenner, in diesem Band.

18 Vgl. S. Faulkner, F. Vis, F. D’Orazio, Analysing Social Media Images, in: J. Burgess u. a. (Hg.), The SAGE Handbook of Social Media, London 2018, 160–178.

19 Vgl. T. Schlag, I. Nord, W. Beck, A. Bünker, G. Lämmlin, J. Pock, M. Rothgangel (Hg.), Churches online in times of Corona. Die CONTOC-Studie: Empirische Einsichten, Interpretationen und Perspektiven, Wiesbaden 2024.

20 Vgl. W. Koch, Reichweiten von Social-Media-Plattformen und Messengern. Ergebnisse der ARD-ZDF-Onlinestudie 2022, in: Media Perspektiven 10 (2022) 471–478, hier: 472.

21 Ebd., 473.

22 Ebd., 477.

23 Die Vorträge stehen auch langfristig online zur Verfügung, vgl. dazu die Überblicksseite https://relilab.org/religion-auf-instagram/ [Abruf: 24.  8. 2023].

24 Vgl. O. Golan, M. Martini, Sacred Cyberspaces. Catholicism, New Media, and the Religious Experience, Montreal 2022, 184.

25 Vgl. z. B. L. Schulschenk, Christliche Influencer: Die Dämonen müssen weichen, in: Spiegel online, 8. 6. 2023, https://www.spiegel.de/netzwelt/web/christliche-influencer-die-daemonen- muessen-weichen-wenn-jesus-kommt-a-edf0cec1-7705-4447-a379- c64fbfff684f [Abruf: 28. 7. 2023]; L. Hindelang, Christliche Influencer missionieren auf TikTok, in: Stern online, 2. 7. 2023, https://www.stern.de/gesellschaft/christliche-influencer-missionieren-auf- tiktok--verliebt-in-jesus-33586008.html [Abruf: 28. 7. 2023].

26 Vgl. https://fairplayforkids.org/wp-content/uploads/2021/04/ instagram_letter.pdf [Abruf: 20. 8. 2023].

27 Vgl. A. Eydlin, 41 US-Staaten verklagen Meta wegen Gefährdung von Kindern, in: Zeit online, 25.10.2023, https://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/unternehmen/schaden-facebook-und-instagram-kindern- klage-gegen-meta-konzern-19266900.html [Abruf: 5.11.2023].

28 Vgl. L. Floridi, Die 4.  Revolution. Wie die Infosphäre unser Leben verändert, Berlin 2015.

I Plattform

Zwischen Plattformlogik und Emergenz – Religion auf Instagram

Viera Pirker

Religion etabliert sich in der weiterhin wachsenden, globalen, kommunikativen Umgebung Instagram als Thema auf verschiedenen Ebenen – in die ganze Plattform betreffenden Zusammenhängen ebenso wie in kleinen und regionalen Bereichen, wie sie beispielsweise innerhalb einer Sprachgruppe bestehen. Wie einzelne Akteur:innen, Sprecher:innen, Aktivist:innen, Momente darin auftreten und auch Aufmerksamkeit innerhalb der Plattform bekommen, hängt mit verschiedenen inneren und äußeren Dynamiken zusammen, die höchst unterschiedlich aufeinander wirken. Diese Dynamiken, als emergente Phänomene verstanden, scheinen auf und steigen auf, sie werden aus einer breiten Vielfalt und aus unterschiedlichen Logiken heraus gespeist und können sich auch überraschend verändern. Emergenz bezeichnet bottom-up-Prozesse, die unvorhergesehen aus vielfältigen, komplexen Zusammenhängen hervorgehen und aber auch zu deren Erklärung beitragen.

Im vorliegenden Beitrag wird unter dieser Perspektive das Phänomen der religionsbezogenen Kommunikation auf Instagram von zwei Seiten betrachtet. Zum einen erfolgt ein Blick in die Gesamtheit der Plattform in einem spezifischen Zuschnitt, nämlich entlang einer Analyse des Community-Accounts @instagram, mit der Frage, wie religiöse Visualität und religionsbezogene Inhalte in der aktiven Kuratierung der Plattform seit Gründung der Community- Arbeit aufscheinen (1); zum anderen wird die Nische der christlich-religiösen Kommunikation auf Instagram im deutschsprachigen Raum in den Blick genommen, indem ein Überblick über Accounts vorgenommen wird, die auf der Plattform aktiv und personenbezogen religiös kommunizieren (2). Beide Perspektiven erheben nicht den Anspruch einer vollständigen Beschreibung, wohl aber ermöglichen sie in der Zusammenschau einem Blick auf die Dynamiken, die auf Instagram geschehen und auf der Plattform und für ihre Entwicklung in einer gewissen Weise spezifisch sind.

1 Religion auf @instagram

Wie wird Religion auf der Plattform Instagram thematisiert und eingesetzt? Der Blick auf dies Frage erfolgt nicht in einer Analyse umfangreicher Datensätze, sondern in einem sehr spezifischen Betrachtung der kuratierten und kulturell prägenden Praxis des Community-Accounts @instagram mit einer Konzentration auf die dort vorzufindenden visuellen Artefakte.1

1.1 Genese und Bedeutung des Community-Accounts

Instagram wurde als Plattform von Beginn an aktiv kuratiert, zum einen durch die „Liste der empfohlenen Nutzer“2 und zum anderen durch den aktiven Aufbau einer kreativen, design- und entwicklungsorientierten Community, an der die Fokussierung des Community-Accounts @instagram wesentlichen Anteil hat. Dieser stellt mit derzeit 654.028.852 Follower:innen die größte Marke innerhalb der Plattform dar. Von Bedeutung waren für den Aufbau dieser Community beispielsweise die aktive Begleitung und Initiierung persönlicher Treffen von Instagram-User:innen, den sogenannten InstaMeets, aber auch wiederkehrende Projekte wie das Weekend Hashtag Project, mit dem die Nutzer:innen zur Beteiligung zu einem bestimmten Stichwort eingeladen werden, die Auswahl eines Fotos der Woche, insbesondere aber auch im Hervorheben von einzelnen Accounts auf dem Community-Account. Schon früh wurde zudem damit begonnen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aktiv für die Plattform zu gewinnen.3

Der Account @instagram bringt zudem Meilensteine der Unternehmensentwicklung und neue Funktionen ins Spiel, so dass er auch in der Betrachtung der Unternehmensgeschichte immer eine von Bedeutung ist. Am Account wird auch die Entwicklung der großen Linien der Unternehmensgeschichte sichtbar – veränderter Gebrauch der Plattform, Valorisierungen, Tools und Techniken, die sich mit der Zeit entwickelt haben und als vorrangig gewertet werden. Die meisten Beiträge stammen jedoch nicht von @instagram selbst, sondern der Account hebt Beiträge aus der Plattform hervor, also Accounts und Inhalte von User:innen. An der Art und Weise, wie der Account bespielt wird, zeigt sich das Interesse an der Qualität und Entwicklung des Contents ebenso wie an Creator: innen, denen Instagram durch eine Hervorhebung hohen Wert beimisst. Instagram hebt Persönlichkeiten, Interessen, Impulse und Perspektiven hervor, die jeweils für das „what’s next on Instagram“4, für den Ton sowie die Stimmung der Plattform Bedeutung erhalten.5 Mit der plattforminternen Valorisierung in Form der Hervorhebung amplifizieren sich Sichtbarkeit und Reichweite der erwähnten Accounts. Instagram hat sich seit jeher darauf spezialisiert, in der öffentlichen Wahrnehmung Negativität zu reduzieren und das Positive hervorzuheben – auch dies wird in der Betrachtung des Community-Accounts ersichtlich.

1.2 Vorgehen in der Analyse

Das Community-Team von Instagram hat Religion von Anfang an als einen unter vielen möglichen Aspekten von Kreativität, Vielfalt, Kultur, Globalität und sozialer Realität wahrgenommen. Teilweise wird Religion sogar strategisch eingesetzt. Dies lässt sich nachzeichnen an den religionsbezogenen Beiträgen, die auf dem Account @instagram, der seit dem 29. 2. 2012 vom Community- Team begleitet wird, hervorgehoben und ausgespielt werden.  Der Account tritt zum Blog hinzu, mit dem die Community bereits im ersten Instagram-Jahr begleitet wird.6

Um also zu verstehen, wie @instagram das Thema Religion einsetzt, und wie die Plattform in einem weiteren Sinne religions- und traditionsbezogene Kommunikation betrachtet, in ihre Arbeit integriert und valorisiert, wurde der Feed des Accounts, der grundlegend als eine Zirkulierung visueller Daten7 angelegt ist, gesichtet. Die Daten wurden manuell erhoben8, systematisiert und analysiert.

Die Sichtung erfolgte in mehreren Schritten: Alle zum Stichtag (20. 8. 2023) im Feed verankerten Beiträge wurden zunächst auf religiös identifizierbare visuelle Marker hin gesichtet. Als religiös identifizierbare Marker wurden verstanden: Personen (in religiöser Kleidung, in ritueller Praxis), Architektur, Gegenstände, Gestaltung (z. B. feiertagsspezifisches Essen, Dekoration). Dabei wurden, soweit erkennbar, auch Einzelbilder aus den Bildcollagen9 der Weekend Hashtag Projects und der Bilder der Woche hinzugezogen. Nach diesem Schritt und der Beobachtung von einigen wiederkehrenden Mustern wurden in einem zweiten Durchgang erwartbare Daten (Religiöse Feiertage, die im ersten Durchgang bereits vereinzelt identifiziert werden konnten) eigens angesteuert, um die Präsenz eines religionsbezogenen Beitrags zu prüfen, der ggf. visuell nicht zu erkennen war, beispielsweise weil ein Video mit einem uneindeutigen Standbild im Feed verankert ist. Wenn sich aus Bild und beigefügter Caption keine klare Deutung des Motivs erschließen ließ, wurde zusätzlich der Original-Account aufgesucht, um dort weitere Informationen (bspw. Ort, Zeitpunkt der Aufnahme, religiöse Zugehörigkeit der abgebildeten Personen) zu gewinnen.

In einzelnen Fällen ist die beschriebene Vorgehensweise inhaltlich begrenzt: Da die Beiträge vorrangig auf ihre visuellen Marker hin sowie entlang erwartbarer Termine gesichtet wurden, konnten keine Beiträge identifiziert werden, bei denen sich der Religionsbezug allein aus den Captions her gewinnen ließe, also aus dem Text, der einem Beitrag beigegeben ist. So ist möglich, dass weitere Beiträge religionsbezogen kontextualisiert werden könnten, beispielsweise bei einzelnen im Account hervorgehobenen Personen, die Religion als relevante Größe beschreiben. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Account @instagram einzelne Beiträge archiviert hat, so dass sie im Feed nicht mehr zugänglich sind. Auf inhaltlicher Ebene mussten Entscheidungen über die Aufnahme von Beiträgen getroffen werden, beispielsweise bezüglich lokaler Traditionen (Día de los Muertes, das chinesische bzw. lunare Neujahr). Umgreifende Säkularisierungsdynamiken finden auf der Plattform großen Nachhall. So wurden die weitgehend nicht-religiös konnotierten, auf die Weihnachtssaison bezogenen Beiträge in die Zählung zum Christentum mit aufgenommen, ebenso wie das international als Event verweltlichte Holi-Fest zum Hinduismus.

Mitunter ist das Vorgehen der Datensammlung auch an technische Grenzen gestoßen, die sich aus den Logiken der Plattform und ihrer User:innen ergeben. Einzelne hervorgehobene Accounts, bei denen zusätzliche Informationen von hohem Interesse gewesen wären, sind inzwischen gelöscht oder sie sind nicht mehr öffentlich zugänglich, andere haben ihre Ausrichtung völlig verändert und alte Beiträge gelöscht. Für den Zugriff auf alte Daten im Blog des Teams wurde das Internet-Archiv10 verwendet. Seit der Einführung der Stories-Funktion verweisen viele Account-Hervorhebungen in den Captions (der dem Bild beigegebene Text) auf weitere Informationen in den @instagram-Stories, die jedoch nachträglich nicht mehr gesichtet werden können.

1.3 Überblick über die religionsbezogene Kommunikation auf @instagram

7477 Beiträge sind am Stichtag 20. 8. 2023 auf dem seit Februar 2012 betriebenen @instagram-Profil zu sehen und bilden damit die im Zeitraum von 4190 Tagen entstandene Grundgesamtheit der Analyse. Die mehrschrittige Sichtung hat ein Sample von 244 Bildern ergeben, die im weiteren Sinne als religionsbezogen kontextualisiert werden können, also 3,3 % der gesamten Kommunikation des Community-Teams. Diese wurden in einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring mit einem Focus auf die visuellen Artefakte strukturiert.11 Im Rahmen der Analyse wurden die Beiträge den verschiedenen religiösen Traditionen zugeordnet, anschließend innerhalb der Traditionen differenziert inhaltsanalytisch betrachtet und zudem im Kontext der Plattformentwicklung analysiert. In der folgenden Tabelle (Tab. 1) wird dargestellt, wie sich die 244 Beiträge auf verschiedene religiöse Traditionen aufteilen und welche Aspekte sich für eine vertiefte Analyse nahelegen.

244

Religion / Tradition

Aspekte und Häufigkeiten

80

Islam

15x #MonthOfGood, 43x Hijab-Motive

69

Christentum

38x Weihnachtszeit, davon 5x „religiös“. 5x Papst

27

Hindu-Religionen (+ Sikh)12

10x Diwali, 9x Holi, 6x lokale Feste, 1x Sikh

26

Buddhismus + Shintoismus

Unterschiedliche Traditionen und Orte

15

Judentum

Feiertage

30

weitere Traditionen

13x Lunares Neujahr, 11x Día de los Muertes, 2x Chinesisches Totengedenken, 1x Nowruz

Tab. 1: Überblick zu religionsbezogenen Beiträgen auf @instagram

In der inzwischen fast 13jährigen Geschichte der Plattform lassen sich auch im Bereich religionsbezogener Beiträge die Veränderungen der Plattform von aktiver Community-Arbeit, die Vielfalt und Internationalität berücksichtigt, hin zu Awareness, Campaigning und der vorrangigen Kommunikation von Influencer:innen und Creator:innen ablesen. Mit den Veränderungen und Erweiterungen der kommunikativen Angebote der Plattform insgesamt geht auch im Community-Account ein Focus auf Bewegtbild und Personen einher. Der Blick auf das Sample ermöglicht einige übergreifende Beobachtungen, die später in einzelnen Tiefenbetrachtungen noch weiter differenziert werden.

– Das Community-Team erkennt in Feiertagen eine Gelegenheit, Religionen und Rituale in einer Form zu zeigen, die den Gepflogenheiten sowohl der Plattform als auch des kuratierten Accounts entsprechen. So wurden das chinesische (lunare) Neujahresfest, Weihnachten und der Día de los Muertes seit 2012 jedes Jahr repräsentiert, ebenso Diwali (mit einer Unterbrechung). Die Repräsentation der Feiertage erfolgt keineswegs explizit religionsbezogen, sondern entspricht jeweils aktuellen Trends und häufig den Gepflogenheiten einer säkularen Welt.

– Sowohl der Islam als auch das Judentum sind in zwei Jahren an keinem Feiertag erwähnt. Für das Judentum ist ab 2018 ein deutlicher Rückgang wahrzunehmen: Wurden in sechs Jahren (2012– 2017) insgesamt 12 Feiertage hervorgehoben, sind in den fünf Jahren seither insgesamt drei thematisiert worden. Content mit Bezug zu Islam wird hingegen im Interesse der Plattform vor allem seit 2019 intensiver kommuniziert.

– Ein mitunter kulturalistisch-touristischer Blick auf Religion(en) und religiöse Orte und Artefakte begegnet in den ersten Jahren der Plattformarbeit häufiger. Die globale Existenz wichtiger und erkennbarer religiöser Orte wird vielfach mit der Location- Funktion verbunden. Besonders in den ersten Jahren begegnen in den Captions auch ausführlichere Erläuterungen zu sachlichen Hintergründen religiöser Orte und Traditionen.

– Im weitesten Sinne christentumsbezogene Beiträge begegnen mehrheitlich in der säkular präsentierten (Vor-)Weihnachtszeit. In den ersten Jahren werden Momente des Katholizismus sowie der Papst mehrfach gezeigt. Nach der Eröffnung des Accounts @franciscus ist dies nicht mehr der Fall.

– Die in der Gestaltung besonders bunten Feste Diwali, Holi, Día de los Muertes werden auf Instagram regelmäßig hervorgehoben. Sie werden von vielen Menschen, ähnlich wie das heute weitgehend säkulare Weihnachten, als Tradition ohne explizit religiösen Bezug gefeiert.

– Bilder mit institutionellen religiösen Repräsentant:innen begegnen sehr selten – mehrfach der Papst, eine katholische Nonne, drei buddhistische Mönche. Personen, die von ihrem Glauben sprechen, begegnen vorrangig bei Beiträgen, die dem Islam oder den Hindureligionen zugeordnet werden können.

– Im Gesamtzusammenhang des Samples wird der Islam auch in den Jahren, in denen die Feiertage nicht erwähnt wird, zunehmend vielfältig repräsentiert. Insbesondere ist die seit 2019 aktiv stattfindende Verknüpfung des Ramadans mit der Deutung als #MonthofGood hervorzuheben: hier wird zudem ein aktiver, religiös motivierter, positiver Impuls in die Community gegeben. Innerhalb der islam-bezogenen Beiträge ist ein großer Teil der Sichtbarkeit von Frauen mit Hijab zuzuordnen. Das erste Bild mit Hijab auf dem Account zeigt Malala Yousafzai anlässlich des Frauentags 2014 – sie begegnet auch in den folgenden Jahren mehrfach. Der Hijab kann teilweise als Symbol der Beobachtung und Zuordnung, später zunehmend als Symbol der Freiheit und der Selbstbestimmung gelesen werden.

1.4 Tiefenbetrachtungen

Im Folgenden werden einzelne Aspekte der religions- und traditionsbezogenen Repräsentation auf @instagram herausgegriffen expliziert und verstehend vertieft.

(1) Welten entdecken, Religionen erklären

Instagram hat sich von Anfang an als globales Phänomen entwickelt. In den religions- und traditionsbezogenen Beiträgen auf dem Account @instagram fällt insbesondere in älteren Beiträgen zwischen 2012 bis 2015 auf, dass in den Captions mitunter ausführliche Erklärungen zu Feiertagen oder religionsbezogenen Traditionen erfolgen13. Vielfach werden dabei Hashtags benannt, ebenso wird die Location-Funktion verwendet und darauf verwiesen, wie sie zu nutzen ist: Instagram verfolgt das Interesse, sich in die räumliche Struktur der Welt einzutragen, ebenso wie deren räumlichen Spuren in die App zu integrieren.14 Der Community-Account gibt mit den Beiträgen dieser Kategorie einen vielfältigen und globalen Einblick, teilweise von Reisenden, vielfach aber von Fotograf:innen vor Ort, und er amplifiziert bestimmte Momente und Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen oder gemeinsame Erfahrungen machen. „Die Bildinhalte, die abgebildeten Orte und Situationen, werden Teil der Kommunikation, es wird durch Bilder kommuniziert. Fotografien erzeugen eine Art Ko-Präsenz“15 – sowohl für die Betrachtenden, die sich vor Ort fühlen, als auch für die Erzeugenden, die einen Nachweis ihres ‚Am Ort-Seins‘ erhalten. Zwei Mal häufen sich religionsbezogene Bilder innerhalb von drei Tagen, so im Dezember 2012 und im März 2014. Der erste Zeitraum wird hier exemplarisch nachgezeichnet (s. Tab. 2; Abb. 2).

Datum

Thema,Religion und Ort

Caption

12. 12.  2012

Longmen Grotto, Buddhismus [China]

The Longmen (Dragon’s Gate) Grottoes constitute one of the most important sites of Chinese Buddhist art and iconography. Nearly 100,000 statues fill more than 1,400 caves carved directly into the limestone cliffs along the Yi River in Henan Province. The carvings range from heights no larger than an inch tall to the the towering 57-foot tall Vairocana, or cosmic Buddha, commissioned by Empress Wu Zeitan of the Tang Dynasty in 672 AD. For more photos of the Longmen Grottoes, tap the blue location text above this image. Photo by [Account_M]

3. 12.  2012

Día de la Virgen de Guadalupe, Mexiko City, Christentum (rk) [Mexiko]

December 12 marks the Day of Our Lady of Guadalupe, one of Mexico’s most important holidays. Catholic faithful flock to the Basilica of Our Lady of Guadalupe in Mexico City to pay homage to an image of the Virgin Mary said to have been created by a miracle in 1531. To see more photos of the Basilica, click the blue location link above! Photo by [Account_V]

13. 12.  2012

Yuletide – Santa Luzia, Christentum (ev [Schweden])

Today is the Swedish yuletide holiday Saint Lucia’s Day! Although it is observed by many European countries, it is most often associated with Sweden due to their extravagant celebrations. Saint Lucia is considered to be a representation of hope and light during the dark winters in Sweden, so the eldest daughter of a family transforms into a symbol of Lucia by wearing a white robe tied with a red bow at the waist, and a crown of fresh greens & lit candles. You can learn more about Saint Lucia’s Day traditions at blog.instagram.com, and see more festive photos in the #santalucia and #lucia hashtags. Featured photo by [Account_E]

15. 12.  2012

Hannukkah, Judentum

Tonight is the 8th—and last—night of #Hanukkah, also known as the Festival of Lights. Jewish families around the world will gather just after dark and light every candle on their menorahs as they commemorate the rededication of the Second Temple in Jerusalem where, according to legend, the Maccabees successfully rebelled against Antiochus IV Epiphanes and the wicks of their menorah miraculously burned for eight days, even though there was only enough sacred oil for one day’s lighting. Photo by [Account_H]

ßzßTab. 2: mehrere religionsbezogene Beiträge im Dezember 2012

Abb. 1: Im Dezember 2012 begegnen im Instagram-Grid in kurzer Folge mehrere religionsbezogene Beiträge [Screenshot: V. Pirker]

Das Bild zeigt den Kontext, in den die religionsbezogenen Beiträge in die Kommunikation des Accounts eingebettet sind (Abb. 1). Diese Darstellung entspricht nicht der gewöhnlichen Ansicht am Smartphone, die jeweils nur ein Bild im damals noch chronologisch geordneten Feed anzeigt. Die religionsbezogenen Bilder stehen in enger Abfolge mit zwei Bildern des Community-Projekts #WHP, dem Bild einer politischen Demonstration sowie zwei Collagen mit besonders hervorgehobenen Bildern oder Accounts, eine davon in Grautönen. Dieser Rahmen ist vielfältig, jedoch in keiner Weise aufeinander abgestimmt. Er entspricht der frühen Phase der Plattform zwischen Berichterstattung, Fotokunst, Reise, Internationalität und Kreativität. Viele weitere der im Folgenden erwähnten Beiträge passen ebenfalls zu dieser Art des Umgangs mit dem Thema Religion. Der Blick des Community-Accounts auf die Welt ist zu dieser Zeit tendenziell kulturalistisch: Er vereint Buntheit, aufregende Orte, Lichterfeste, intendiert aber auch das Erreichen bzw. Ansprechen spezifischer Zielgruppen durch Hervorheben von Momenten und Orten, die in ihrem Leben bedeutsam sind.

(2) Ein Längsschnitt am Beispiel Hanukkah

An der Darstellung von Hanukkah lässt sich eine Längsschnitt-Betrachtung zu der Präsentation eines spezifischen Feiertags unternehmen, die in a nutshell den Trend der Plattformkommunikation nachzeichnet. Hanukkah ist seit 2012 acht Mal auf @instagram thematisiert worden. Der erklärende Anteil in den Captions wird in dieser Zeit immer geringer. In den Bildern zu Hanukkah begegnen zunächst inszenierte Gegenstände (2012–2013), dann werden kreative und handwerkliche Prozesse gezeigt und in der Bildbeschreibung eine persönliche Geschichte erzählt (2014, 2015, 2016), und schließlich kommt die persönliche Wahrnehmung sowie die Position einer Person direkt ins Bild (2018) bzw. ins Video (2019).

Im Dezember 2012 und noch ausführlicher im Dezember 2013 wird der Feiertag mit einem Bild des achtflammmigen Leuchters und Hashtag-Empfehlungen ausführlich in historischer Herkunft und heutiger religiöser Praxis erläutert. 2014 repräsentiert den Feiertag eine für Kinder ungefährlich zu verwendende Patchwork-Menorah der Künstlerin Toby Simon, eine für diese Zeit auf Instagram typische Hervorhebung einer Handarbeit, die als kreativer Impuls in die Instagram-Community hineingegeben wird. Der Schwerpunkt der Caption liegt indes auf der Persönlichkeit der Künstlerin und ihrem kreativen Prozess. Die Orientierung an der Person setzt sich in den kommenden Jahren fort. 2015 begegnen die feiertagstypischen Latkes in einem fürs Foto attraktiv arrangierten Stapel, in den ein Kerzendocht gesteckt ist. Die Caption erzählt von der Identitätssuche der 21-jährigen Psychologiestudentin Noá Vago, die zwischen Töpfen und Pfannen ihren therapeutischen Ort sieht: Hier kombiniert sie die Rezepte ihrer jüdischen Großmutter mit brasilianischem Flair. 2016 wird ein winziger Hanukkah-Leuchter präsentiert, diesmal von der Creatorin Foxy Foxenberg, die seit 2015 einen kleinen Fuchs, ein Stofftier, auf Reisen und bei jüdischen Feiern inszeniert. Sie wird in der Caption zitiert zu der persönlichen Bedeutung des Leuchters und einer Botschaft für das Fest. 2018 zeigt @zakthebaker in einem Kurzvideo, in dem nur die Hände und der Teig zu sehen sind, das Backen einer nicht nur fürs Fest typischen Babka, die Caption betont die Handwerkskunst. Auch 2019 geht es um Essen: Die Food-Bloggerin Molly Yeh kommuniziert sich selbst und die fettgebackene Süßspeise Sufganyiot, die an Hannukkah gegessen wird (s. Abb. 2). 2021 schließlich scherzt Emily Wilson in einem Comedy-Reel – die Funktion existiert seit 2020 und wird von der Plattform seither besonders unterstützt – zu den Grenzen interkultureller Begegnung im Alltag. In der Caption zu dem Reel schreibt sie:

„I feel like now more than ever we all know (or are) the good-intentioned person overcompensating by trying to act well- versed in another person’s culture, religion, etc. I’ve definitely been that person, and I’ve been the new girlfriend trying to win over my S.O.’s parents AND I’ve also been on the receiving end of (good- intentioned) ignorance about Judaism.“16

(3) Weihnachten – eine säkulare Zeit mit religiösem Anklang

Weihnachten wird auf Instagram in jedem Jahr thematisiert und die Feiertagssaison mit mehreren Bildern bzw. Postings angesprochen, diese sind aber so gut wie nie religiös konnotiert. Im Vordergrund steht die saisonale Dekoration, die sich ganz in einem säkularen, kreativen, handwerklichen, manchmal etwas verrücktem Feld bewegt. Exemplarisch wird die Darstellung aus dem Jahr 2019 gezeigt (s. Abb. 2). In dem Jahr vereinen die weihnachtsbezogenen Posts im Zeitraum 22.–25. 12. 2019: eine interessante Spiegelung eines Riesenrads bei einem Weihnachtsmarkt in Berlin, einen grünen Smoothie mit Rentier-Deko, die als Lolly geschminkte Make-Up-Artistin Kaneshia Shana sowie zwei kurze Videos des holländischen Chocolatiers Robin Hoedjes, die Einblick in seine saisonsbezogene Produktion geben. Dazwischen begegnet zudem eines der bereits erwähnten Hanukkah-Bilder.

Abb. 2: Die Weihnachtszeit ist weitestgehend säkularisiert im Grid des @instagram-Accounts 2019 [Screenshot: V. Pirker]

In der gesamten Plattformkommunikation der Weihnachtszeit legt sich nur vier Mal ein mindestens impliziter Verweis auf einen religiösen Hintergrund nahe. 2016 porträtiert Instagram den 18jährigen Kelvin Peæa, der sich in New York für Bedürftige einsetzt: Er wird beim Geschenke-Verpacken für seine Initiative #everybodyeats begleitet.17 Kurz zuvor fängt der Student Wilfredo Lenterna Jr. die philippinische Tradition der Weihnachtsnovene mit einem Bild aus einer voll besetzten Kirche ein.18 Einen musikalischen Weihnachtsgruß sendet Instagram 2015 mit einem Video, in dem die Geschwister Lennon and Maisy Stella „Stille Nacht“ im Nashville-Style singen.19 Das orthodoxe Weihnachten wird im Januar 2016 mit Bild und Text aus dem verschneiten Moskau thematisiert.20 Im Jahr 2013 kommuniziert der Account zum einzigen Mal explizit eine christliche Tradition zu Weihnachten, womit er sich in die ersten zwei Jahre der religionsbezogenen Erläuterungen (s. u.) einordnet: Das Bild am 24. 12. 2013 zeigt das Heiligtum in der Geburtskirche in Betlehem, erläutert die Tradition der Erinnerung an die Geburt Jesu und verweist auf die Location-Funktion der App.21

(4) Religiöse Repräsentant:innen

Das Zueinander von Individuum und Autorität lotet sich in Social Media neu aus und muss für das Forschungsfeld der digital religion umfassend betrachtet werden.22 Der Account von Papst Franziskus auf Instagram wurde bereits verschiedentlich Gegenstand der Forschung, mit den religionswissenschaftlichen Analysen von Oren Golan und Michele Martini23 ebenso wie mit einem Blick auf die Dynamik der kreativen Aneignung religiöser Autorität in der Form des Papstselfies.24 Bislang nicht berücksichtigt in den Analysen wurde jedoch die mehrfache Präsenz des Papsttums auf dem Community-Account in den Jahren vor dem Launch von @franciscus. Den in der Instagram-Geschichte wichtigen und in dieser Form im Rahmen des Accounts @instagram auch einzigartigen Moment zeigt Kevin Systrom bei Papst Franziskus anlässlich der Eröffnung des Instagram-Accounts @franciscus.25

„Today, Pope Francis (@franciscus), the 266th and current pope of the Roman Catholic Church, joins Instagram. He is posting his very first photo from the Vatican’s Casa Santa Marta with Instagram CEO Kevin Systrom (@kevin). Visit @franciscus to say hello and welcome Pope Francis.“ Photo by @kevin26

Auf @instagram ist die Dokumentation einer solchen persönlichen und in einem Pressebild festgehaltenen Begegnung einzigartig27. Das Vortreffen, bei dem Systrom dem Papst ein Buch mit 10 ausgewählten Bildern überreichte, die die Interessen des Papstes in ihrer Präsenz auf Instagram repräsentieren sollten28, dokumentierten sowohl Vatikannews29 als auch der CEO selbst30 auf ihren Accounts.

Die Annäherung an den höchsten Würdenträger der römisch-katholischen Kirche hat indes im Rahmen der Community- Kommunikation eine überraschende Vorgeschichte. Insgesamt erscheinen im Zeitraum 2013–2016 fünf Bilder zum Papsttum. Zunächst wurde die letzte Audienz von Benedikt XVI. im Februar 2013 gezeigt. Die erste Begrüßung von Papst Franziskus auf dem Petersplatz im März 2013 wird mit dem ikonisch gewordenen Bild, das hunderte in die Höhe gereckte Smartphones zeigt, auf dem Instagram-Account präsentiert (s. Abb. 3). Im Juli 2013, zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro, postet Instagram ein Bild des Papstes im Papamobil und verweist auf die Location-Funktion sowie die Verwendung der Hashtags #jmjrio2013 und #papafrancisco. Schließlich begegnet im März 2014 eine ausführliche Erläuterung der christlichen Tradition des Aschermittwoch zu Beginn der Fastenzeit und der Empfehlung der Hashtags #AshWednesday und #miércolesdeceniza, sie geht einher mit einem Bild von Papst Franziskus im Papamobil auf dem Petersplatz.31 Nach dem Launch von @franciscus schreibt der Papst eine eigene Erfolgsgeschichte mit dem reichweitenstärksten Account eines religiösen Leaders, derzeit 9.192.873 Follower:innen32, aber auch, weil Instagram die Arbeit seither verändert hat. Das „making of contemporary papacy“33 geschieht nicht allein durch das geschickte Agieren der vatikanischen Medien, sondern steht in einem Zusammenhang mit den Interessen und Praktiken der Plattform sowie der Personen, die die Entwicklung der Plattform moderieren und möglichst viele Menschen erreichen und binden wollen. Der singuläre Status der vergleichsweise intensiven auf den Papstbezogenen Kommunikation legt einerseits nahe, dass es darum geht, einen weiteren Prominenten für die Plattform zu gewinnen, andererseits aber wird der öffentliche Zusammenhang der Dynamik um die Anfangsjahre von Papst Franziskus wahrgenommen und über mehrere Jahre begleitet. Die Präsenz des Papstes auf dem Community-Account dominiert auch die gesamte christlich-religionsbezogene Kommunikation, die mehrheitlich an römisch-katholischer Visualität und Praxis orientiert ist, jedoch mit dem Beitritt des Großinfluencers Papst Franziskus gleichsam in dessen Verantwortung abgetreten wird.

Abb. 3: Das ikonisch gewordene Bild zur Begrüßung von Papst Franziskus auf dem Petersplatz [Screenshot: V. Pirker]

Andere institutionelle religiöse Repräsentant:innen werden hingegen selten und nur in den Jahren bis 2016 auf dem Account gezeigt, die meisten als Beispiele der regelmäßigen Community-Arbeit des @instagram-Teams im Rahmen wiederkehrender Projekte. Das #WHPstyle im September 2016 präsentiert das Bild von @romdilon einer stürmischen, kaum zu erkennenden Nonne in Marseille, Notre Dame de la Garde. Abgesehen von den Lucia-Sängerinnen (s. o., Abb. 1) und vielen Hijab-Trägerinnen (s. u.), die keine institutionelle Aufgabe oder Zuordnung haben, begegnen keine Frauen in religionsbezogener Funktion. In den wenigen Bildern des Buddhismus begegnen drei Mal religiöse Repräsentanten: Ein rennender tibetischer Mönch in Turnschuhen und mit Kanne in der Hand (von @choejor) wird zum favourite image im Dezember 2014 auserkoren. Zwei Mal werden Accounts mit der Darstellung religiöser Repräsentanten hervorgehoben: der buddhistische Mönch @gdax im April 2014 mit dem Bild einer rituellen buddhistischen Praxis, und der Fotograf @JoshuaCogan im September 2013 mit einem Bild, auf dem junge tibetanische Mönche brennende Butterlämpchen nachfüllen. Die tanzenden Derwische in der Galata Mevlevihanesi werden 2013 ohne erkennbaren Anlass mit einem kurzen Video und erläuterndem Text sowie Hashtags und Location-Funktion dargestellt.

(5) Ramadan und der #MonthOfGood

Aus der umfangreichen Gruppe der muslimisch konnotierten Bilder auf @instagram wird hier der Umgang mit dem Ramadan herausgegriffen. 2013 und 2014 werden sowohl der Beginn als auch mit Eid Mubarak das Ende des Ramadans dargestellt (in einem Fall nur bildlich, nicht in der Caption benannt). In den folgenden vier Jahren wird Ramadan nicht erwähnt, lediglich 2016 wird an Eid Mubarak die Zeichnung einer Moschee dargestellt, ohne jedoch einen Zusammenhang zum Tag zu thematisieren. Muslimischer Content ist in den genannten Jahren durchaus präsent, vor allem durch die zunehmend positiv-inspirierende Präsentation von Hijab-tragenden Frauen34 sowie 2017 mit einem Beitrag zur Hajj. Nach der mehrjährigen Unterbrechung begegnet dann 2019 zum Ramadan der Hashtag #MonthofGood auf dem Community-Account mit einem Beitrag der kanadischen Fotografin Photographer Alia Youssef (@aliayphotography), die mit @thesistersproject die Diversität muslimischer Frauen sichtbar macht. Er wird verbunden mit einer Aufforderung zum Nachahmen:

„millions of people around the world are celebrating the holy month of #Ramadan, a month of prayer, giving and kindness. Share your moments of everyday kindness and good — and all your Ramadan celebrations — using the hashtag #MonthOf Good.“35

Ein Ereignis, das den Meta-Konzern besonders auf die muslimische Community aufmerksam gemacht haben dürfte, war das antimuslimische Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch im März 2019, welches der Täter live über Facebook gestreamt hat und das auch nach dem zügigen Entfernen des Streams von der Webseite vielfach erneut hochgeladen wurde.36 Es kann nur vermutet werden, dass dieses Ereignis und die damit wachsende Aufmerksamkeit für antimuslimische Tendenzen in den Social-Media- Plattformen37, die Muslim:innen eventuell auch zum Verlassen der Plattform bewogen hat, in die Kommunikation von Instagram bezüglich Islam und muslimischer Repräsentanz hineingewirkt hat. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Plattform in diesen Jahren besonders auf Wachstum in muslimisch geprägten Ländern und Gruppen setzt und hierzu auf spezifische Weise religionsbezogene Kommunikation mit der ihr eigenen Positivität in den Community-Account integriert.

2020 hat Instagram den #MonthOfGood zu Ramadan umfassend eingeführt. Dies wird im Blog begründet mit der Anzahl an Personen, die weltweit den Ramadan begehen und ihn so zu ‚einem der größten globalen kulturellen Momente des Jahres‘ werden lassen. Der Plattform ist die Präsenz des Themas in der eigenen Community deutlich geworden: Das Wort Ramadan wurde 2019 mehr als 16 Millionen Mal verwendet. 2020 beginnt der Ramadan mitten in der ersten Phase der Corona-Pandemie, in der die meisten Länder noch in einem strengen Lock-Down verharren. In der Pressemitteilung wird die Pandemie nicht explizit benannt, sondern implizit als Herausforderung zu positivem Handeln umgemodelt.

„Over 2 billion people observe Ramadan, making it one of the biggest global cultural moments of the year. People from all over the world come to Instagram to share their experiences and celebrations during the month of Ramadan, and there were over 16 million uses of the word ‚Ramadan‘ on Instagram in 2019 alone. While this year will be different for many people, Ramadan remains a time for generosity, charity, spiritual reflection and connecting with family and friends – even if we can’t physically be together. To help our community around the world celebrate, we’re launching the #MonthofGood initiative on Instagram to inspire everyone to come together, spread kindness and do good.“38

So werden im Zeitraum 30.4.–23. 5. 2020 die Accounts der Content Creatorin Sara Sabry (@sarasabry), des Comedian Amr Maskoun (@amrmaskoun), der Beauty-Influencerin Huda Kattan (@huda) und zu Eid Mubarak schließlich der Künstlerin Imelda Adams (@imeldaams) hervorgehoben, jeweils mit einer direkten Aufforderung in der Caption: „Share your moments of everyday kindness and good using the hashtag #MonthOfGood, then tag three people to do the same. “39. Die Beiträge, die in diesen Jahren von anderen User:innen mit dem Hashtag versehen werden, folgen jedoch nicht dieser angezielten Inhaltlichkeit. Auch 2021 kommuniziert Instagram mehrere Beiträge im Ramadan mit der Aufforderung: „This month, we’re sharing voices from those observing #Ramadan. Share your own moments of everyday kindness and good with the hashtag #MonthOfGood “40. Im Zeitraum 12.  4.–5. 5. 2021 begegnen insgesamt sechs Beiträge: Die Wrestlerin Nor Diana (@nordianapw), die Zwillinge und Sängerinnen Sakinah and Zakiyyah Rahman (@aint.afraid), die Künstlerin Salwa Rahman (@urgalsal_), der Filmemacher und Fotograf El Mostafa Irgui (@elmostafa_irgui), die Sängerin Tasneem Elaidy (@tasneemelaidy), und schließlich die Content Creatorin Aissatu Diop (@reinesenegalese). Im darauffolgenden Jahr, 2022, begegnen im April der Comedian Mohammed Mustafa (@mustafamo), die multidisziplinär arbeitende Künstlerin Dhan Illiani Yusof (@dhanilliani) sowie Farah Alshiha (@hippiearab) mit einem FAQ-Reel zum Fasten. 2023 grüßt in einem einzigen Beitrag zum #MonthOfGood gegen Ende des Ramadan die muslimische Comedienne Nadirah Pierre (@nadirah.p) mit einem Video vom Community-Account. Alle hier erwähnten Beiträge – 11 Frauen, 3 Männer kamen zu Wort – thematisieren ausdrücklich und persönlich einen inneren, spirituellen Zugang zur Bedeutung des Ramadans, ganz abgesehen von den vielen weiteren muslimischen Stimmen, insbesondere von jungen Frauen, die ihre Bezogenheit auf Religion und ihren Alltag mit Hijab im Interesse von Vielfalt und Empowerment präsentieren. In der hier beschriebenen Praxis besteht ein eklatanter Unterschied zu der Kommunikation anderer Religionen auf dem Account. Mit dem #MonthOfGood wird explizit eine religiöse Praxis, die individuell im persönlichen und privaten, meist familiären Raum gestaltet wird, hervorgehoben, die keinerlei institutionelle Anbindung benötigt.

2 Zur Plattformpräsenz deutschsprachiger christlicher Accounts

Nachdem im ersten Teil vielfältige Beobachtungen zur Präsenz des Themas Religion auf der globalen Plattform, vermittelt durch den Community-Account, analysiert wurden, soll im nächsten Schritt eine der vielen, kleinen, hochgradig aktiven und zueinander vernetzten Nischen betreten werden: Die christlich-religiöse Kommunikation auf Instagram im deutschsprachigen Raum hat sich seit mehr als 10 Jahren als quicklebendige Nischenkommunikation entwickelt. Eine vielfältige Szene ist hier zwischen emanzipatorischer und institutioneller Dynamik entstanden und hat sich neue Sichtbarkeiten erarbeitet, die ein regelrechtes Kaleidoskop divergierender Stimmen aus marginalisierten Gruppen, hochindividualisierten religiösen Positionen, institutionellen Rollen, Markt- und Plattformorientierung erzeugen. Im vorliegenden Zusammenhang soll ein möglichst breiter Überblick ermöglicht werden, im Interesse, die Heterogenität der bislang entstandenen Landschaft gut abzubilden.

2.1 Christlich-Religiöse Kommunikation im deutschen Sprachraum auf Instagram