Religion - Erfahrung oder Ideologie 1 - Govindha - E-Book

Religion - Erfahrung oder Ideologie 1 E-Book

Govindha .

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Beschreibung

In den vorliegenden 3 Bänden geht es darum neu zu entdecken, was religiöse Erfahrung und Wirklichkeit sind und was andererseits als Ideologie zu bezeichnen ist. Alle drei Bände können auch einzeln gelesen werden. Im ersten Band geht es darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, daß Religion im eigentlichen Sinne gerade nichts mit Denken zu tun hat, sondern Erfahrungen umfaßt, die allesamt auf dem Schweigen aufbauen, auf dem Abschalten jeglichen Denkens. Mit Denken verschwinden neben der Zeit, vor allem das Ich oder Ego, das auf der Identifikation mit Denken (cogito ergo sum) beruht. Wir werden daneben das Phänomen der Zeit und die Psychologie des Egos beleuchten und mit dem Tod des Egos den ersten Band beenden. Im zweiten Band geht es um die Religionen und Yoga-Systeme, die exemplarisch zum Baum des Lebens (Monismus) gehören, nämlich Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, der Yoga Jesu (Mystik) und der Yoga Mohammeds (Sufismus). Im dritten Band behandeln wir den Baum der Erkenntnis von "Gut und Böse" (Dualismus), den wir als "Baum des Todes" bezeichnen und thematisieren seine Folgen. Es wird nicht einfach sein zu verstehen, daß am Todesbaum keine Göttlichen Früchte wachsen, weil der Mensch, der ihm dient, sei er Jude, sogenannter Christ, orthodoxer Moslem oder Wissenschaftler und Atheist, meist unwissentlich dem Denken folgt, d.h. dem Prinzip der Trennung und dahinter steht nun mal der Täuscher oder Diábolos. Insofern gibt es nur einen Weg zum EINEN, der Lebensbaum und die Praxis des Schweigens.

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Das vorliegende Werk ist dem Göttlichen Einen gewidmet, dem Unsagbaren oder Unaussprechlichen und alles durchdringenden Geheimnis, das überall verborgen ist und offenbart zugleich. Wer dies Eine findet, ist überall und in Ewigkeit daheim; wer nicht danach sucht, bleibt ein Narr.

Govindha

Religion: Erfahrung oder Ideologie?

Band 1

Wirklichkeit und Realität

© 2021 Govindha

Umschlag, Illustration: Govindha

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Softcover

ISBN 978-3-347-51198-9

Hardcover

ISBN 978-3-347-51199-6

E-Book

ISBN 978-3-347-51200-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrecht-lich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt ins-besondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Pub-likation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillier-te bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Denken

3. Religion

4. Realität und Wirklichkeit

Exkurs 1: Das Sehen der Wirklichkeit, die Heisenbergsche Unschärferelation und die Lehre Buddhas

Exkurs 2: Zum Ende der Wissenschaften

Fortsetzung des Kapitels “Realität und Wirklichkeit”

5. Geschichte und Zeit

5.1. Zeit und Raum

5.2. Folgen der Neuzeit in Ost und West

5.3. Der Gregorianische Kalender und seine brutalen Folgen

6. Verlangen in Psychologie und Evolution

7. Der Tod des Egos

Manifest

„Den Menschen jedoch, in deren Wesen die Macht eines mehr verinnerlichten Lebens eingedrungen ist, bringt dieser Weg nach innen … umfassende Ausweitung. Eine neue Erfahrung bricht in ihnen auf. … Das geweitete Leben wird unendlich viel wahrer und vielseitiger als jenes erste kleinliche Leben, das nur um seiner selbst willen von unserem normalen physischen Menschsein konstruiert war. Die Freude des Wesens ist umfassender und reicher als jede Daseins-Lust, die der äußere vitale Mensch oder der vordergründige mentale Mensch durch ihre dynamische Vital-Kraft bzw. die Aktivität oder Subtilität und Ausweitung des mentalen Daseins erwerben kann. Das Schweigen, das Eintreten in eine weite, ja ungeheure oder unendliche Leere ist ein Teil der inneren spirituellen Erfahrung. Vor diesem Schweigen, vor dieser Öde hat das physische Mental eine gewisse Angst. Das kleine oberflächlich aktiv denkende oder vitale Mental schreckt davor zurück … denn es verwechselt das Schweigen mit mentaler oder vitaler Unfähigkeit und die Leere mit Stillstand oder Nicht-Sein. Dieses Schweigen ist aber das Schweigen des Geistes. Es ist die Voraussetzung für höheres Wissen, für mehr Macht und tiefere Freude. Durch diese Leere wird der Becher unseres natürlichen Wesens ausgeleert. Er wird von seinen trüben Inhalten befreit, so daß er mit dem Wein Gottes gefüllt werden kann. Das ist Übergang, aber nicht in das Nicht-Sein, sondern in ein höheres Sein. Selbst wenn sich das Wesen dem Stillstand zuwendet, ist das kein Ende in einem Nicht-Sein, sondern in einem unendlich weiten, unaussprechlichen Sein des spirituellen Wesens: Wir versinken in die nicht mitteilbare Überbewußtheit des Absoluten.“ (Sri Aurobindo: Da Göttliche Leben, Bd.2, 454)

1. Vorwort

Das vorliegende Werk mit dem Titel: „Religion: Erfahrung oder Ideologie?“ wird in 3 Bänden mit jeweils anderen Untertiteln vorgestellt, erstens „Realität und Wirklichkeit“, zweitens „Der Baum des Lebens“ und drittens „Der Baum des Todes“.

Eines aber vorab: Der Tenor der Abhandlung liegt in der Entzauberung religiöser und weltlicher Ideologien. Wir wollen damit niemanden verletzen, verstehen aber, das nicht jeder die innere Freiheit besitzt und den Abstand, seine Religion oder seine Lebensanschauung aus einer gehörigen Distanz zu betrachten. Wer hier sehr empfindsam ist, den bitten wir vom Lesen Abstand zu nehmen. Es geht uns darum die Religion aufzuheben, um sie in ihrer inneren Wahrheit zu bewahren und in der Welt wieder fruchtbar zu machen. Wir positionieren uns damit als Befürworter des Lebensbaumes.

Es gibt ungezählte Arten der Listung, Systematisierung und Bewertung von Religionen, und fast alle diese Schemata beruhen auf den wissenschaftlichen Methoden der westlichen Welt. Wir haben uns mit diesen nicht beschäftigt, weil sie aus unserer Sicht das Wesen der Religion nicht erfassen.

Überhaupt hat das genuin wissenschaftliche Denken etwas sehr Wichtiges verloren. Es gehörte stets zur entscheidenden Haltung eines Wissenschaftlers, gegenüber jedem Standpunkt und jeder Hypothese eine kritische Distanz zu wahren. Ihre Hochzeit ist nach den großen Physikern Max Planck, Albert Einstein, Niels Bohr und Werner Heisenberg zuende gegangen. Schon in der Zeit des Nationalsozialismus verlor die Wissenschaft ihre grundständige Freiheit in Lehre und Forschung und sie geriet immer tiefer in die Fänge der Waffen-, Energie- und Pharmakartelle bis sie heutzutage zur Hure der Ökonomie und der ihr dienenden Politik verkommen ist.

Das führte allenfalls zu selbstreflexiven und in sich selbst kreisenden Theorien in einem sich selbst bestätigenden Kosmos gesellschaftlicher Vorgaben, man denke nur an die amoralische Systemtheorie, einen ausgeprägten Positivismus, welcher Werte negiert und vorgibt wertneutral zu sein, was aber de facto nur als eine ichtranszendierende Erfahrung möglich wäre, zu der aber Luhmann als Denker definitiv unfähig ist.

Oder denken wir an die Corona-Krise, in welcher sich sog. Wissenschaftler überschlagen haben, „ihr Wissen“ kundzutun, das aber keiner hinreichenden Überprüfung standgehalten hat. So sprach man heute dies, widerrief es im nächsten Monat, und weiß bis heute nicht mit der gebotenen Sicherheit, ob die mRNA-Vakzine schützen oder doch langfristig gesehen mehr schaden als nutzen. Man kann es nicht wissen, weil die Politik aus Angst und unter falschem Druck völlig kritiklos die Hersteller von der Haftung befreit hat, um eben sofort etwas tun zu können – agitieren statt handeln. Ebenso hat man chinesische und indische Totimpfstoffe ideologisch ausgeblendet und diffamiert anstatt zuzulassen, obwohl selbst die USA Sinopharm anerkennt. Der größte Skandal liegt aber darin, daß die Medizin sich weigerte, frühzeitig und damit lebensrettend Mittel einzusetzen, die gegen ihre Ideologien verstoßen, so etwa das in Indien sehr erfolgreiche Ivermectin und das in China überragend wirkende Naturheilmittel TCM CC08 - Shufeng Jiedu, 18,15g. Stattdessen haben die Todes-Götter den Menschen eine frühe Behandlung verweigert und dann auch noch Immunsuppressiva eingesetzt. Hinweise auf Vitamine C, D K2, E, auf Selen (T-Zellen) und Präparate wie Zink, Magnesium und Kalzium wurden mit Arroganz belächelt.1 Leute von diesem Schlag sind Gecken, für die der Satz Heisenbergs: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“ nie in Erfüllung gehen wird. Sie fragen nicht mehr nach dem Sein des Seienden, sie sind aus auf Patente und Preise, auf gesellschaftliche Anerkennung und Macht.

Ähnlich erging es der Philosophie, die jeglicher Transzendenz, und noch mehr der Kritik verlustig wurde und fröhlich in der Matrix der Gesellschaft zuhause ist. Nach Marx und Nietzsche gab es noch Husserl, Heidegger, Karl Jaspers, Horkheimer, Adorno und Marcuse – das waren die letzten von der Gesellschaft freien Denker, während heuer dem Bürger Pflicht und Gehorsam aufoktroyiert werden so wie sintemal das „Heil Caesar“ den Moribundi. Diese systemimmanente Kriecherei ist der ganze Horizont positivistischer Schlümpfe. Bei den Franzosen finden wir Bergson, Sartre, Kojève’s Meisterwerk: „Introduction à la Lecture de Hegel“, daneben Louis Althusser, Lacan, Foucault, Gilles Dileuze und Jean Baudrillard. In England reichen nur zwei an die deutsch-französische Philosophie heran, Bertrand Russel und Ludwig Wittgenstein. Und wenn Wittgenstein im Tractus fordert: “Whereof one cannot speak, thereof one must be silent", dann bleibt dies unbefriedigend. Auch wenn wir das Geheimnis des Schweigens nicht adäquat offenbaren können, so müssen wir doch hilfsweise in der Art eines Übersetzers davon künden. Darum haben wir einen Abschnitt aus dem Werk Sri Aurobindos als Manifest unseren Darlegungen vorangestellt. Wir fabrizieren hier kein wissenschaftliches Gedenke, sondern bergen aus dem Schweigen unter der Restriktion personaler Defizite.

„Dieses Schweigen ist aber das Schweigen des Geistes. Es ist die Voraussetzung für höheres Wissen, für mehr Macht und tiefere Freude.“

Anders ausgedrückt, das denkende Mental ist ein Kreator von Halbwissen oder Dualismen und daher unsere Irrtumsfunktion, dagegen ist das schweigende Mental die Basis für größeres und immer höheres Wissen vom Einssein. Der Leser mag selbst beurteilen, ob etwas für ihn dabei ist oder nicht. Wir vertreten keinen Wahrheitsanspruch, aber fordern die Freiheit von der gesellschaftlichen Matrix und die Freiheit zum ureigentlichen Selbstsein, das im menschlichen Ego desavouiert wird.

Die Leitdifferenz des Okzident beruht auf der abrahamitischen Kernspaltung, dem Baum der Erkenntnis von „Gut und Böse“. Jede andere Form, etwa „funktional und dysfunktional“, sind Ableitung der Urdifferenz, von der Luhmann ausgeht, daß sie sich endlos fortsetzt. Seinem Gedenke zufolge ist das, was einmal Paradies oder Goldene Zeit genannt wurde, unwiederbringlich verloren und die „Differenz von Identität und Differenz“ das Perpetuum mobile von sozialen Systemen. Mit anderen Worten, er kennt den Menschen nur als entfremdetes Wesen, und diese Entfremdung ist für ihn unaufhebbar, weil es in Krisen getreu der Devise von Spencer Brown mit „Draw a distinction“ weitergeht, endlos, hoffnungslos.

Unsere Leitdifferenz, wenn man sie überhaupt so nennen kann, lautet dagegen: „Denken oder Schweigen“, anders gesagt „Baum der Erkenntnis oder Baum des Lebens“ und noch anders formuliert „Ideologie oder Erfahrung“.

Der Blick, der sich von hier aus ergibt, wird Religion zum ersten Mal adäquat definieren können und die Merkmale herausarbeiten, die für eine echte Religion, d.h. Erfahrungsreligion konstitutiv sind. Und dazu zählt unter anderem, daß eine Religion im engeren Sinne über einen oder mehr gegenwärtige Repräsentanten verfügen muß, welche das Heilsziel verwirklicht haben. Es leuchtet sofort ein, daß die abrahamitischen Religionen nicht dazu gehören, wohl aber die Lehren Jesu und Mohammeds, welche von deren Mystikern verwirklicht wurden, aber nicht von deren Organisationen und offiziellen Führern.

Alles, was auf dem Baum der Erkenntnis (Todesbaum) beruht und auf dessen Leitdifferenz von „Gut und Böse“ wird sich als Ideologie erweisen, und alles, was auf dem Baum des Lebens beruht, als Erfahrungsreligion.

Der sogenannte „Fall des Menschen“ gründet in dem Essen der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis von „Gut und Böse“, und das bedeutet, auf der „Identifikation mit Denken“. Das bedeutet nicht, daß wir eine denkfeindliche Position einnehmen, aber wir betrachten Denken als ein Werkzeug und nicht als Identität, und das heißt, wer mit Denken identifiziert ist, der kann es nicht handhaben wie ein Werkzeug, dazu fehlt der innere Abstand. Der mit Denken identifizierte Mensch ist eins mit seinem Denken, man kann auch sagen, der Habitus seines Denkens hat den Menschen in einer Art feindlichen Übernahme besetzt.2 Aufgrund dieser Tatsache meint er, er würde mit Denken über Leben und Sein stehen und das führt dazu, daß er nicht mehr im Leben und im Sein ist, sondern über Sein und Leben nachdenkt. Dieses „Über-Sein“ kennt nicht das „In-Sein von Welt“, daher belegt es die Welt mit Denken wie mit Etiketten – und das sind immer Ideologien. Solche Menschen erfahren nicht das Leben, sondern denken ihr Leben. Daher ist die Identifikation mit Denken im tiefsten Sinne eine Störung des Geistes, der sich versehentlich in einem seiner Werkzeuge verloren hat. Die ursprüngliche Identität beruht auf dem Schweigen, auf einem Geist, der so ruhig und weit ist wie ein Bergsee in einer windstillen Idylle. In einem solchen Geist spiegelt sich die Wirklichkeit. Er wird nicht gestört durch das Heer der kommenden und gehenden Gedanken. Geistesstörung meint also den Wirrwarr, den die Gedanken in einem denkenden Gehirn anrichten. Dadurch geht die Weite des Seins, des Bewußtseins und die große Einheit verloren, und es entsteht eine bittere Enge, ein der Identifikation mit Denken geschuldetes Ego. Das dauerhafte Verharren im Ego erschafft einen kranken Geist, Egowahn oder Geisteskrankheit.

Wir werden darum mit Denken beginnen und überprüfen, was Denken zu leisten fähig ist, aber auch, was die Identifikation mit diesem Instrument bedeutet. Danach erarbeiten wir uns einen Begriff von Religion im engeren Sinne und betrachten die Konzepte von Realität und das, was Wirklichkeit zu nennen ist. Wir werden dabei so-wohl Heisenberg als auch Buddha bemühen, um das Problem der Unschärferelation zu verstehen und die von Buddha erbrachte Lösung darstellen.

Danach kommen wir zum Thema der Zeit, die wir wissenschaftlich untersuchen und deren Relativität wir mit Einstein vermitteln. Dem folgt eine yogische Sichtweise von Zeit und ein Blick in die Geschichte von Zeit, beginnend bei der zirkulären Zeit, die vom Abrahamismus in eine lineare umgewandelt wurde und der Welt in Form des Gregorianischen Kalenders aufgenötigt wurde. Aus dem ehedem frequenten Ego der Asiaten und unserer Vorfahren wurde durch die Linearität der Zeit ein Zwang zum Ego-Dasein geformt, der mit der Symbolfigur des Abraham begann und im Zeitalter des Kolonialismus, der Reformation sowie des Humanismus und der Aufklärung in einen Egowahn mündete. Der Egowahn besteht im Verlust der Empathie, der Verbundenheit mit allem und der damit verbundenen Qualität des Teilens und des Teilseins. Stattdessen wurde die Ichstärke zum Zentrum unseres Daseins.

Heute wird die Weltökonomie von empathielosen Psychopathen regiert. Diese 0,9 Prozent der Menschheit verfügen über 43,9 Prozent des Weltvermögens (alle Angaben von Statista 2019), 9,8 Prozent über 28,9 Prozent, 32 Prozent über ein Drittel und 56,6 Prozent über 1,8 Prozent aller Vermögen. Damit besitzen die oberen 10 Prozent 83 Prozent der Vermögen. Am unteren Ende leiden jährlich 900 Millionen Menschen Hunger und davon verhungern jedes Jahr fast 9 Millionen. Allein diese Zahlen beweisen die Unerträglichkeit dieses Egowahns. Bedenken wir, daß nur verteilt werden kann, was da ist, dann sind die oberen 10 Prozent der Menschen wohl nicht im rechtlichen, aber im ontologischen Sinne Massenmörder durch unterlassenes Teilen. Daß diese inmitten der Gesellschaft auch noch hofiert werden, setzt der Barbarei die Krone auf.

Wir befinden uns inmitten eines evolutionären Schubes, in dem Mutter Erde mit einer höheren Gattung schwanger ist, den Sri Aurobindo als den „supramentalen Menschen” beschreibt. Dies bedeutet zugleich eine Schlacht zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Asurischen und Göttlichen, der Dunkelheit und dem Licht, bei der es um die Selbsthingabe des Menschen geht.

Der Egowahn hat eine Situation geschaffen, die entweder zum Untergang oder Übergang führt. Die Menschheit durchlebt eine Epoche der Diktatur der Egomanie, die auf allen Ebenen spürbar ist und die an der Spitze der Gesellschaften die Regierungen und Staaten unter das Diktat eines diabolischen Kapitalismus gestellt hat, der von wenigen geführt, eine transhumane, digitalisierte Menschheit mit Schnittstellen zwischen Menschen und Maschinen anvisiert – und das alles unter der Ideologie „Wohlergehen der Menschheit“.

Die scheinbare Wiedergewinnung der staatlichen Macht im Zuge der aufgebauschten Corona-Pandemie, trügt, denn die wirklichen Profiteure finden wir in der Pharma-Mafia, die von der Produkthaftung für ihre langfristig ungetesteten Vakzine befreit wurden und für keine Schäden an Körper und Leben aufkommen. Der politisch aufgebaute Impfdruck, der faschistoide Züge (Verwehrung von Grundrechten für Ungeimpfte) trägt, weist in eben jene Richtung. Und die Kosten der überzogenen Maßnahmen, vor allem die unabsehbaren Folgekosten für Millionen von geschädigten Kindern, werden wohl kaum der Pharma-Mafia in Rechnung gestellt, sondern wie bisher, nach unten abgewälzt.

Was hat das alles mit Religion zu tun? Eine von Max Webers Leitfragen war, wie Ideen in der Geschichte wirksam werden und einer seiner Schwerpunkte war die Frage der Entstehung des Kapitalismus aus den Ideen der Reformation. Wir gehen über diesen Rahmen hinaus und fragen danach, wie sich zwei fundamental verschiedene Weisen des Daseins aus dem Prinzip des Baumes der Erkenntnis einerseits und aus dem Baum des Lebens andererseits entwickeln konnten. Weber spricht für den Okzident von der Säkularisierung, der Verweltlichung ehe-mals religiöser Motive, von einer Rationalisierung des Verhaltens. Dennoch bedeutet das Absterben religiöser Wurzeln nicht deren Ende, sondern deren Unbewußtwerden. Ein ehemals religiöses Verhalten wird rationalisiert, indem die Rationalisierung das ursprünglich religiöse Moment ausblendet. So diente etwa der Erfolg in der Berufsarbeit den Epigonen der Reformation nur als Zeichen religiöser Erwähltheit. Das Erfolgsstreben hat sich durchgesetzt, aber deren ursprüngliche Motivierung, die Frage der unbekannten „certitudo salutis“ wird verdunkelt. Übersetzen wir „certitudo salutis“ ins Säkulare, so sprechen wir von der Frage des Selbstwertes eines Menschen, den offenbar viele qua Erfolg beantworten möchten. Der Erfolg soll also etwas andeuten, das doch eigentlich unabhängig von Erfolg ist. Und das ist Wahnsinn.

Letztlich sind die Menschen moderner, westlicher Gesellschaften, egal ob religiös oder atheistisch, Kinder vom Baum der Erkenntnis und damit die Verfechter der Trennung vom Göttlichen. Sie sind auf das denkende Mental fixiert, das eben jene Abtrennung vollzogen und das Herz oder die Seele des Menschen unterjocht hat. Alle pseudo-religiösen Anhänger vom Baum der Erkenntnis, auch die saulistischen Erbsünder, das Judentum und der offizielle Islam, bilden gemeinsam mit Atheisten und Wissenschaftlern Kopf und Zahl der Münze „Todesbaum“. Nur auf diesem Boden, der Identifikation mit Denken und der linearen Zeit wurde der Egowahn durchgesetzt und die Empathie des Herzens zubetoniert. Mit anderen Worten sind Anhänger des Todesbaumes Nachfolger des Trenners und Täuschers, Diábolos, sie stehen bewußt oder unbewußt in den Diensten der Dunkelheit. Diese zugegebenermaßen schwierige Sicht hoffen wir plausibel zu machen, nicht der Anklage wegen, denn die Mehrheit aller Menschen wird in diese Systeme hineingeboren, sie reproduzieren das System qua Sozialisierung in einer Weise, die sie selber als die beste erleben. Diese anzuklagen ändert nichts, es geht uns darum das System der Matrix, in der wir unterjocht werden, bewußt zu machen. Das Verstehen ändert noch nichts, aber Verstehen kann zum Motor werden, eine tiefgreifende Wandlung in sich selbst anzustoßen und damit andere zu inspirieren.

Entsprechend wird das Thema mit den beiden Bänden über Lebensbaum und Todesbaum und ihre jeweiligen Repräsentanten fortgesetzt.

All das wirklich zu begreifen, erfordert den Zugang zum verschütteten Herzen und dieser findet sich in der Stille, im schweigenden Mental, das sowohl zur Seele hin den Weg öffnet, als auch nach oben, zum Spirit, Selbst oder Nicht-Ich.

Das Göttliche ist keine Tatsache des Denkens, und wo es das ist, da ist es Ideologie, sondern eine Tatsache der Erfahrung, die im Schweigen offenbar wird. Insofern ist das Göttliche ein Begriff, der auf etwas hinweist, das selbst unsagbar, unaussprechlich, numinos ist, das aber oft als mystische Einheit angedeutet wird. In diesem Sinne bedeutet die Selbsthingabe des niederen Egos seine Übergabe an das Numinose in uns selbst, und nicht an äußere Autoritäten.

Thailand, 2021

1 Die Folge dieser Überheblichkeit ist klar, solche Leute, deren Sadismus die Angehörigen von Kranken und Sterbenden aussperrte, sind auf lange Sicht diskreditiert. Wir sollten diese Demagogen aus der Akademie auslagern und an ihrer Stelle die TCM in führende Position bringen. Die TCM könnte für weniger qualifizierte Einbahnstraßen-Denker eine Handwerker-Ausbildung zum Chirurgen anbieten und diese dann als Handlanger beschäftigen. Ansonsten ist die Wissenschaft der Medizin vorbei. Aus. Sie hat sich als unmenschlich erwiesen.

2 Man merkt es erst, wenn man es ändern will und das nicht einfach gelingt oder in einer Depression, wo man oft hilflos dem Kreisen der Gedanken ausgeliefert ist.

2. Denken

Jede Auseinandersetzung mit dem Thema der Religion setzt die Klärung von Begriffen voraus, ganz besonders des Begriffs „Denken“ selbst, weil Denken und Sprache die Hauptwerkzeuge für das sind, was wir ausdrücken und kommunizieren wollen, und das gilt umso stärker für das Schreiben, zumal beim Sprechen noch viele andere Werkzeuge der Kommunikation zum Tragen kommen, sei es Mimik, Haltung und Ton oder Gesamteindruck. Es kommt uns aber so vor, als ob unsere Zeitgenossen im großen Gestrüpp des Denkens mit seinen unendlichen Irrgärten regelmäßig versäumen darzutun, was Denken eigentlich ist oder zumindest für diesen oder jenen Autor sein kann oder leisten soll. Nahezu jeder Mensch benutzt es, aber kaum jemand legt sich Rechenschaft darüber ab, was dieses ominöse Instrument ist. Wir betrachten Denken gewöhnlich als Erkenntnisinstrument, gleichzeitig räumen wir aber ein, daβ seine Erkenntnisse beschränkt sind; wir sprechen von Wahrheiten, gleichzeitig relativieren wir sie als bedingt und abhängig von Zeit und Raum und deren Gesetzen.

Beginnen wir bei dem, was wir „Wahrnehmung“ nennen können. Der Mensch hat im Laufe der Entwicklung sein Wahrnehmen mentalisiert, das heißt, das, was wir sehen und beobachten, erfährt unmittelbar und unbewußt eine Einordnung, eine Bewertung, ein Urteil oder eine Bezeichnung. Wenn etwa junge Männer eine Frau sehen, so wird sie unmittelbar eingeordnet und zum Beispiel als „schön, attraktiv, begehrenswert, geil“ gesehen oder aber auch als „uninteressant“ und so fort. Und wenn Niklas Luhmann „Beobachtung als die Einheit der Differenz von Unterscheidung und Bezeichnung“ definiert, so kann er das nur, weil er, wie die meisten Menschen unserer Zeit, nur noch eine mentalisierte Wahrnehmung kennt, eine durchs Denken manipulierte, aber keine reine Wahrnehmung, keine (vor-) urteilsfreie Perzeption. Seine wertneutrale Sprache täuscht darüber hinweg, denn sie bestätigt sich auf der Ebene der Dualität als Positivismus. Die wirkliche Freiheit vom Urteil oder der Unterscheidung ist in einem differenztheoretischen Paradigma unmöglich, weil Differenz Unterscheiden meint. Alles, was wir sehen, riechen, schmecken, hören oder ertasten wird sofort mit Etiketten wie „angenehm oder unangenehm“ versehen. Eine reine Perzeption ist aber möglich, indem wir nämlich Wahrnehmen vom Urteilen und damit vom Denken trennen. Dies gelingt aber nicht im Denken, sondern nur im Schweigen. Darum beinhaltet die reine oder im Schweigen erfolgte Wahrnehmung kein Urteil, keine Bejahung und keine Verneinung, wir sehen, wir schmecken, riechen etc. ohne jede Bewertung, wir sehen die Welt, wie sie ist und nicht, wie wir denken, daß sie sei.

Damit haben wir etwas Fundamentales über den mit Denken identifizierten Menschen gelernt, und zugleich über das Denken selbst. Der moderne Mensch kann gar nicht mehr anders, als alles, was seine Sinne empfangen, mit seinem Gusto, sprich seinem Denken, mit dem er eins ist (cogito ergo sum), zu verfälschen (urteilen, bewerten, absondern) und mit seinem persönlichen Urteil zu verdrehen. Freilich ist das fast keinem Zeitgenossen bewußt. Darum folgen wir einem Text von Jiddu Krishnamurti, der unser Verständnis wiedererwecken kann:

„Jiddu Krishnamurti: Das Leben beginnt, wo das Denken endet

Wenn du durch die kleine Stadt wanderst, mit ihrer einzigen Straße und ihren vielen Läden - dem Bäckerladen, dem Fotogeschäft, dem Buchladen, dem offenen Restaurant -, unter der Brücke durch, vorbei an dem Schneider, über eine andere Brücke, vorbei an der Sägemühle, dann den Wald betrittst und weiterhin neben dem Fluß entlang gehst und auf das alles mit völlig wachen Augen und Sinnen schaust, aber ohne einen einzigen Gedanken im Kopf - dann weißt du, was es heißt, nicht abgesondert zu sein.

Du folgst dem Fluß eine oder zwei Meilen weit - wiederum ohne daß ein einziger Gedanke aufflattert -, schaust auf das dahinjagende Wasser, lauschst seinem Rauschen, siehst die Färbung des graugrünen Bergstroms, schaust auf die Bäume und durch die Zweige hindurch auf den blauen Himmel und die grünen Blätter - wiederum ohne einen einzigen Gedanken, ohne ein einziges Wort -, dann wirst du wissen, was es bedeutet, keinen Raum zwischen sich und dem Grashalm zu haben.

Wenn du weiter gehst durch die Wiesen mit ihren tausend Blumen in nur jeder vorstellbaren Farbe vom leuchtenden Rot bis zum Gelb und Purpur und ihrem glänzenden grünen Gras, das durch den Regen der letzten Nacht reingewaschen wurde - wiederum ohne eine einzige Regung des Denkmechanismus -, dann wirst du wissen, was Liebe ist.

Auf den blauen Himmel zu schauen, auf die hohen Quellwolken, die grünen Berge mit ihrer klaren Silhouette gegen den Himmel, auf das kräftige Gras und die welkende Blume - zu schauen ohne ein gestriges Wort, dann wenn der Geist vollkommen ruhig, schweigend ist, ungestört durch irgendeinen Gedanken, wenn der Beobachter vollkommen abwesend ist - dann ist Einheit da. …

Die Frau, die die Lebensmittel trägt, die sie auf dem Markt gekauft hat, der große schwarze Schäferhund, die zwei Kinder, die mit dem Ball spielen - wenn du auf das alles ohne ein Wort, ohne Wertung, ohne eine Gedankenverbindung schauen kannst, dann hört der Streit zwischen dir und anderen auf. Dieser Zustand, ohne das Wort, ohne den Gedanken, ist die Weite des Geistes, die keine Schranken, keine Grenzen hat, in denen das Ich und das Nicht-Ich existieren können. Glaube nicht, daß das Einbildung ist oder eine schwungvolle Fantasie oder eine erwünschte mystische Erfahrung; das ist es nicht. Es ist ebenso wirklich, wie die Biene auf jener Blume oder das kleine Mädchen auf ihrem Fahrrad oder der Mann, der die Leiter hinaufsteigt, um das Haus zu streichen - der ganze Konflikt des Menschen in seinem Zustand der Spaltung hat ein Ende genommen.

Du schaust ohne den Blick des Beobachters, du schaust ohne das festlegende Wort und ohne den Maßstab des gestrigen Tages. Der Blick der Liebe ist anders als der Blick des Verstandes. Der eine führt in eine Richtung, wohin der Verstand nicht folgen kann, und der andere führt zur Trennung, zu Konflikt und zu Leid. Von diesem Leid kann man nicht zu dem anderen gelangen. Der Abstand zwischen den beiden wird durch das Denken geschaffen, und das Denken kann mit keinem noch so langen Schritt das andere erreichen.

Da du zurückwanderst, vorbei an den kleinen Bauernhäusern, den Wiesen und der Eisenbahnlinie, wirst du erkennen, daß das Gestern ein Ende genommen hat. Das Leben beginnt, wo das Denken endet.“ (Jiddu Krishnamurti „Revolution durch Meditation“, S. 179-181)

In diesem kleinen, lebendigen Abschnitt über die innere Stille und die vom Denken befreite Wahrnehmung, wird unser Habitus einer mentalisierten Perzeption nicht nur relativiert, sondern ad absurdum geführt. Die gesamte Wissenschaft, die ja auf der Identifikation mit Denken basiert, wird in ihren Erkenntnissen in Frage gestellt. Im Wikipedia Kommentar zu Krishnamurti lesen wir unter dem Stichwort „Denken“:

„Das Denken kann also nach Krishnamurti keine Lösung für unsere Konflikte darstellen, ebenso wenig aus dem Denken entstammende Weltanschauungen, bestimmte Werte, persönliche Ansichten etc. Denken sei ein trennender, analytischer Vorgang und könne niemals die Wirklichkeit sein. Vielmehr stelle es eine Reflexion unserer persönlichen, konditionierten Sicht der Dinge dar.“

Was also ist Denken? Denken ist Unterscheiden, Urteilen, Absondern, Trennen oder kurz Differenzieren. Auf die Vergangenheit bezogen heißt Denken Erinnern, auf die Zukunft gerichtet sprechen wir von Vorausdenken oder Planen. Das Eigentümliche an Denken ist, daß es nie in der Gegenwart geschieht, denn Gegenwärtigkeit oder Jetztheit ist Stille oder Schweigen. Denken geschieht daher immer in der Zeit, und was wir als Denker mit „Gegenwart“ bezeichnen, das sind die Momente, die Denken „verbraucht“. Blicken wir etwa auf den Sekundenzeiger einer Atomuhr und sprechen diese Zeit aus, so ist sie schon vergangen. Denkprozesse sind entweder offen wie im Falle von Phantasien, Assoziationen und Inspirationen oder sie unterliegen den Gesetzen der Logik, der Kombination oder der Dialektik und Paradoxie.

Jeder Gedanke ist dualistisch, ambivalent und trennend, d.h. wir können das Schöne nicht ohne das Häβliche, das Gute nicht ohne das Böse und das Groβe nicht ohne das Kleine denken. Mit jedem Urteil ist sein Gegenteil mitgesetzt. Kombinationen und Schlußfolgerungen mithilfe von Logik oder Dialektik versuchen zwar, das Unterschiedene neu zu systematisieren und zu ordnen, dennoch kann Denken niemals zu einem befriedigenden Ganzen gelangen, stets wird etwas ausgeschieden, abgetrennt, verworfen. Dieser Prozeß ist endlos und damit auf seine festgelegte Bahn, die Differenz, gezwungen. Mit anderen Worten, aus Denken kann nie etwas wirklich Neues entstehen, es bleibt stets dualistisch, ambivalent, und alles, was Denken produziert, reproduziert die alte Geschichte vom Sündenfall, vom Baum der Erkenntnis von „Gut und Böse“, eben die Differenz oder die Trennung aus der Einheit oder die Abgetrenntheit von Gott oder der Verlust des Paradieses. Das, was bei diesem Megaevent geschah, ist etwas so Einfaches und doch so Gravierendes, daß wir es nicht einmal mehr bemerken, denn seither haben wir begonnen, uns mit Denken zu identifizieren (essen meint inkorporieren: cogito ergo sum), und nun meinen wir, weil wir gelernt haben, in der Getrenntheit vom Einen zu verharren, wir seien vorrangig denkende Wesen oder Egos. Unsere Wirklichkeit als Selbst oder Nicht-Ich haben wir vergessen. Brauchen wir das Denken, wenn wir wie Krishnamurti spazieren gehen? Nein. Brauchen wir das Denken, wenn wir unsere Geliebte küssen, unsere Kinder umarmen oder mit dem Hund spielen? Nein. Brauchen wir das Denken, wenn wir eine mathematische Aufgabe lösen wollen? Ja. Brauchen wir das Denken, wenn uns jemand nach dem richtigen Weg fragt? Natürlich.

Aber am meisten brauchen wir die Fähigkeit, das Denken sein zu lassen, uns vom Denken zu desidentifizieren oder den „inneren Dialog“ (Carlos Castaneda) zu stoppen. Ohne diese Fähigkeit, können wir nicht wirklich am Sein partizipieren, denn die Identifikation mit Denken separiert uns davon und läßt uns unwillkürlich aus der Position des Abseitsstehenden über alles urteilen, was uns begegnet.

Diese Separation vom Einen oder vom Sein und Leben qua Identifikation mit Denken, nennen wir „Ich oder Ego“. Die Separation hat nicht nur das Denken affiziert, sondern sukzessive sowohl die Gefühle als auch den Körper umfaßt, sodaß etwa Gefühle nicht mehr wie Wolken durch uns ziehen, sondern wir „unsere Gefühle“ respektive „unser Körper“ sind. Die Identifikation mit Denken oder die Ver-Ichung unseres Seins und Lebens beruhen auf der Störung des ruhigen und klaren Geistes, insofern ist das Ego oder die Identifikation mit Denken eine Störung des Geistes, die auf dem Verlust der inneren Stille beruht. Wir werden in der Folge die Identifikation mit Denken, das cogito ergo sum, als Ego bezeichnen, wohl wissend, daß das Vitale und das Materielle, daß also die Gefühle und unser Körper ebensolche Egostrukturen besitzen. Da aber der Schlüssel für Auflösung der Identifikation mit Denken im Mental liegt, genügt es ganz allgemein vom „Ego“ zu sprechen. Das Konglomerat des Egos stellt die individualisierte Form der Trennung vom Göttlichen dar, die temporäre bzw. permanente Aufhebung dieser künstlichen Trennung durch die Wiedergewinnung der Stille oder des klaren Geistes nennen wir „Erwachen“ bzw. „Erleuchtung“.

Wir wollen die Beziehung zwischen Denken und monistischer Erfahrung (Bewußtsein der Einheit, Erleuchtung oder Bewußtsein an sich) an einem mathematischen Beispiel andeuten, richtig veranschaulichen läßt sie sich nicht, von daher ist es kein Vergleich, sondern eben nur eine Hindeutung. In gewisser Weise ist ja die Integration die Umkehrung der Differentiation: Ist f eine Funktion, so heißt eine Funktion F eine Stammfunktion von f, wenn die Ableitung von F gleich f ist: F'=f. Im Gegensatz zu der Differentialrechnung oder der Bestimmung von Ableitungen einer Funktion f, ist die Berechnung einer Stammfunktion F oftmals nicht möglich, obwohl deren Existenz theoretisch gesichert ist. Man behilft sich entweder mit Tabellen, sogenannten Integraltafeln oder man muß bestimmte Standardtechniken (Substitution, partielle Integration) anwenden, mit spezieller Computer-Software arbeiten, ein Gespür und ein antrainiertes Raten benutzen oder eine nur annäherungsweise Integration durchführen (numerische Quadratur). In gewisser Weise können wir den Bereich der Funktionen f als Denken bezeichnen und alles, was aus Denken stammt als dessen Ableitungen. Dann wäre die Stammfunktionen F als Bewußtsein (Bewußtsein an sich, mystische Erfahrung) zu verstehen. Vom Bewußtsein zum Denken führt die recht einfache Differentiation (Baum der Erkenntnis), vom Denken zum Bewußtsein aber die Integration (Lebensbaum). Dieses Bild ist nur ansatzweise treffend und kann die Komplexität von Bewußtsein nicht wirklich erhellen, es verdeutlicht jedoch die Schwierigkeit, vom Denken zu Bewußtsein zu gelangen, es ist, wenn man so will, ein Quantensprung, ein Übergang von einem Zustand in einen anderen. Denken ist eine Ableitung von Bewußtsein und folgt relativ einfachen Regeln. Integrative Prozesse sind dagegen komplexe innere Bewegungen, die sich zur Wirklichkeit vorantasten, die aber erst zur Erfahrung (Einheit) führen, wenn Denken (Differenz) schweigt.

Denken belegt alles, was dem Menschen begegnet, mit Begriffen, es etikettiert, es erfindet Labels. Doch was auch immer Denken ersinnt, die Wirklichkeit selbst erfaßt es nicht. Der Gedanke oder das Wort „Liebe“ (im normalmenschlichen Gebrauch) drückt nie die Erfahrung der Liebe aus, es assoziiert bloß im Mitmenschen das, was wir eventuell meinen könnten. Insofern ist verbale Kommunikation das Austauschen und Generieren von gemeinsamen Annahmen über das Sein, ein Resultat von Sozialisation und Bildung. Liebe „an sich“ ist nicht begreifbar, wir müssen „in der Liebe sein“, um sie zu erfahren, wir können die Liebe aus dem Herzen leben, die seelische Liebe, welche uns alle miteinander verbindet, wir können auch die allerbarmende Liebe Gottes in die Welt fließen lassen – wie Buddha oder Jesus -, weil das Nicht-Ich oder Höhere Selbst ein reiner Kanal für sie ist. Aber gedacht werden, kann Liebe nicht, daher können Denker NIE lieben, sie denken nur zu lieben. Liebe-Sein wird wie alles Sein und Leben durch Denken egoisiert und als Totalität zerstört, jedenfalls solange wir das Cogito ergo sum wie eine Monstranz vor uns hertragen.

Jeder Gedanke ist nur ein Symbol und Gleichnis; Worte und Begriffe sind im besten Falle Symbole „für uns“, die auf „an sich“ Seiendes hindeuten. Daher sind eine Blume und ihr Begriff zweierlei und absolut verschieden voneinander. Wir wissen nichts über das Sein und Leben einer Blume an sich, wir kennen in der Regel nur ihren Begriff, mehr noch, wir sehen eigentlich nicht diese oder jene Blume, ein hochkomplexes, geradezu individuelles und lebendiges Bild ständiger Veränderung und energetischer Wunder, wir sehen nur ein Exemplar wie etwa „eine Rose“ oder „eine Tulpe“. Das Spezifische einer Rose mag ein Fachmann besser erkennen, und doch kennt er sie nicht. Solange wir nicht in Kontakt mit dem sind, was in der Pflanze lebendig ist, nämlich mit ihrem Bewußtsein, kennen wir sie nicht, sie bleibt für uns nur ein Begriff, nur ein Wort, nur ein Gedanke, schlimmsten-falls sehen nur bio-chemische Prozesse und bestenfalls erfreuen wir uns an ihrem Duft.

Untersuchen wir den Begriff „Gott“: In aller Regel wurde er von Menschen ersonnen, die Menschliches oder auch Unerklärliches auf Übermenschliches projizierten, oft genug mit der Intention, die eigenen Standpunkte zu rechtfertigen. Andere nutzen den Begriff als narzißtische Waffe gegen die eigene Kleinheit, in der sie sich suhlen, „Ihm“ zu Ehren. Wieder andere entlarven dies als Betrug und Selbstbetrug und so nutzt jeder das Wort auf seine kümmerliche Weise. Was Mohammed oder Jesus mit dem Begriff „Allah oder Gott“ zum Ausdruck brachten, war etwas ganz anderes, nämlich etwas Unsagbares, Überwältigendes, Nichtbegreifbares. Ebenso sind die Begriffe des Tao, des Brahman, des Nirvana oder das Lakota-Wort „Wakan Tanka“ Symbole für etwas Unaussprechliches.

Wann ist etwas unsagbar, unaussprechlich? Dann, wenn es mit Denken, einem dualistischen Instrument, nicht erfaßt, ja nicht einmal vorgestellt werden kann. Das Eine ohne ein Zweites, ohne ein Gegenteil - wie wollen wir uns das denkerisch vorstellen? Das geht nicht, weil alles Gedachte immer von seinem Gegenteil affiziert ist und jede Position schon ihre Negation enthält. Und so ist es auch mit dem Begriff Gottes, in seinem Begriff wurzelt seine Negation. Wenn aber das Eine, das kein Gegenteil bein-haltet, das Göttliche ist, dann ist es nicht sagbar, nicht verbalisierbar, wir können es nur dann erfahren, wenn Denken schweigt. Erst wenn wir das Unsagbare erlebt haben, wenn wir die mystische Erfahrung gemacht haben, den Frieden, die Einheit, die namenlose Stille jenseits von allem Denken, dann kennen wir es … und können es doch nicht zum Ausdruck bringen, eben weil Denken und Sprache dualistisch sind. Bejahung und Verneinung sind jedem Gedanken und Begriff immanent, immer und unausweichlich. Mit dem Begriff des Guten ist das Böse gesetzt, es existiert nicht ohne das Gute. Um diesen Dualismus zu überschreiten, müssen wir das Denken transzendieren. Daher ist jeder Begriff für das Eine oder Göttliche nur dessen Symbol, aber nicht dessen Wirklichkeit. Darum können Namen, Worte und Symbole nicht die Wirklichkeit beweisen und das bedeutet, daß es keine denkerische „Gotteserkenntnis“ und keinen „Gottesbeweis“ geben kann. Der Mensch kann nur „Gotteserfahrungen“‘ machen und muß dann bekennen, daß deren adäquate Versprachlichung nicht gelingt.

Dennoch sollten wir mit unseren Begriffen vorsichtig umgehen, denn nicht jeder Name weist auf das Eine hin, so ist etwa kein Papst jemals Stellvertreter Christi oder gar Gottes auf Erden gewesen, so ist etwa „Jahve“ kein Symbol für das Eine, sondern für den Herrn der niederen Welten (Kenoma) und als solcher ein Symbol der Getrenntheit oder Erwähltheit, was exakt dasselbe ist. Wenn wir verstanden haben, daß das höchste Göttliche das Eine ohne ein Zweites, ohne ein Gegenteil ist, das Unaussprechliche und Unsagbare, wenn wir wissen, daß kein Denken fähig sein kann, es zu erfassen, dann besitzen wir die Demut, die notwendig ist, um nach dem Einen und der Einheit zu rufen. Der Gottesbegriff kann also bestenfalls der Köder für einen Sucher sein, weil er dessen Sehnsucht nach dem Unbedingten und Unsagbaren und Unvorstellbaren nährt. Wenn aber jemand nach seinen Vorstellungen jagt, die er bestätigt wissen will, wenn das Göttliche zum Begriff und Dogma geworden ist und für die Selbstrechtfertigung herhalten muß, dann liegt keine Sehnsucht nach dem Einen vor, sondern das Bedürfnis, das eigene Ego abzusichern und zu glorifizieren, sich über andere zu stellen und andere abzuwerten.

So sehr sich ein Erleuchteter bemüht hat, mit dem Wort das Unaussprechliche zu verkünden, Denken und Sprache stellen immer eine Reduktion seiner Erfahrung dar, daher haben viele in Bildern und Gleichnissen gesprochen, in Paradoxien, die das begrifflich Unfaßbare andeuten und auf ihre Weise entschlüsseln. Wer hier zu sehr der Rationalität und Logik folgt, dem bleibt das Geheimnis verschlossen. Er wird weiter aufspalten und in „Gut und Böse“ (Baum der Erkenntnis) unterscheiden, er wird darin verharren, gefangen bleiben, ein Selbstgerechter, der das „Böse“ auf die anderen projiziert und mit jedem Begriff des „Guten das Böse“ ernährt und mästet.

Obschon also Denken (Sprache) ein, verglichen mit der schweigenden Erfahrung, erheblich restringierter Code ist, wird es dadurch nicht bedeutungslos, aber es wird relativiert und entmachtet. In dem Moment, indem wir nicht mehr mit Denken identifiziert sind, wird Denken unser Werkzeug und nicht mehr unsere Identität sein. Daraus folgt: Da das Wirkliche unsagbar ist, sind alle unsere bloß mentalen Überzeugungen (ob Demokratie, Kapitalismus oder Freiheit) blanke Ideologien und bloße Herrschaftsinstrumente. Nur das, was wir behelfsweise an Verbalisierung aus der schweigenden Erfahrung mitbringen, hat eine symbolische Wahrheitstendenz, ohne im wörtlichen Sinne wahr zu sein. Unsere Alltagswahrnehmung, die für einen Dualismus von Welt spricht, entpuppt sich daher in der spirituellen Schau stets als Illusion. Noch mehr gilt das für die Setzungen von „Gut und Böse“, sie sind Erfindungen des Denkens und spielen in allen Kulturen eine gewisse Rolle.

Wir werden sehen, daß die östlichen Religionen das Problem von „Gut und Böse“ im Menschen und seinem Ich-Bewußtsein verorten und darum fordern, das Ego zu transzendieren, womit das Problem gelöst ist. Für diejenigen, die zu diesem Weg noch nicht bereit sind, gilt die weltliche Ordnung als Hilfsgesetz. Im Abrahamismus dagegen gründet der starre Dualismus aus „Gut und Böse“ auf dem Baum der Erkenntnis, der nicht die Einheit ins Auge faßt, sondern eine Leitdifferenz erschafft, welche dem Menschen suggeriert, der Weg zum Baum des Lebens sei versperrt. So wird prinzipiell Trennendes (Jahve) hervorgehoben, die eigene Erwähltheit betont, der Fremde erniedrigt, ja es wird alles getan, um qua Gesetz (das „Gute“) die Menschen einer Ordnung zu unterwerfen, nach innen wie außen, einer Ordnung des Denkens und des Wortes, was nichts anderes ist als der Ausdruck einer pseudo-religiös legitimierten Gewaltherrschaft.3

Die Ordnungssysteme von Gesellschaften weisen erhebliche Qualitätsunterschiede auf: Je näher die Ordnung einer Gesellschaft an der Harmonie mit Natur und Mutter Erde ausgerichtet ist, desto vollkommener und gesünder ist sie.

In alten Kulturen spielte darum die Natur und deren lebendige Erfahrung - nicht die denkend vermittelte - bei der Einrichtung des gemeinsamen Lebens die leitende Rolle (sinnstiftende und soziale Funktion des Mythos) und wo das der Fall ist, waren der Einzelne und seine Gesellschaft dem Sein und Leben verbunden und in die Einheit eingebunden. Das hat die spirituelle Reife der Menschen hochgehalten. Wer hier meint, in abschätziger Weise über Animismus, Schamanismus und Ekstase sprechen zu müssen, der geht der westlichen Störung des Geistes auf den Leim. Ein echter Schamane ist weitaus spiritueller als ein Papst oder Oberpriester der Juden. Der abrahamitische Monotheismus ist nämlich nicht der Höhepunkt von Religion, sondern ihr Tiefpunkt, eine massive Ich-Vergottung anstelle von Selbsthingabe, Ego- und Größenwahn statt Demut. Jede Naturreligion steht über dem Abrahamismus, denn anrüchig ist nicht, die Welt für belebt und beseelt zu halten, sondern sie zur toten Verfügungsmasse zu deklarieren und sie gar beherrschen zu wollen!

Erst mit den monotheistischen Wortreligionen traten das Ego und sein Denken bzw. sein Wahn in den Vordergrund, was einen gewaltigen Entfremdungsschub zur Folge hatte und eine Überschwemmung mit Narzißmus. Dazu zählen unter anderem das jüdische Bild des Menschen als Krone der Schöpfung, die jüdische Abkehr von der Einheit mit der Natur (Baum des Lebens, Liebe) und deren Ersetzung durch die absurde Idee einer Herrschaft über Natur und Mensch (Baum der Erkenntnis, Denken), der Zwang zur Spaltung in „Gut und Böse“ und die Erhebung dieses Zwanges zur Leitdifferenz bei gleichzeitiger Projektion alles Negativen auf andere Völker.

Schließlich zerstörte Saulus die jesuanische Befreiungs-mystik durch die Erniedrigung der Frauen und Verewigung der Erbsünde, d.h. die Verpestung der menschlichen Seele mit unbezahlbarer Schuld.

Mit der letztlichen Zerstörung jedes jesuanischen Impetus entstand das komplett entfremdete Konzept einer pseudo-christlichen Staatsreligion. Mit deren Komposition und Mixtur wurden ganze Völker zwangsmissioniert. Man könnte es den ursprünglichen Kolonialismus nennen, bei dem mit dem Übertritt eines Fürsten zum Katholizismus sein gesamtes Reich unterworfen wurde. Diese Niedergetretenen, Entehrten und Gedemütigten, diese unters Joch Gezwungenen und mit Sünde und Schuld Beladenen wurden dann in späteren Generationen selber zu Tretern und Schändern, zu Kreuzfahrern, Inquisitoren, Hexenjägern und zur Basis für den eigent-lichen Kolonialismus, dessen Expansionskraft ohne das Heer reformierter Raubritter und selbstgerechter Teufel gar nicht möglich gewesen wäre. Denn mit Martin Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen), Johannes Calvin (Institutio Christianae Religionis) und Rene Descartes (Die Prinzipien der Philosophie) traten Denker auf, die zwar das Ich der Massen aus den Ketten des Katholizismus befreiten, aber in ungebührlicher Weise überhöhten, und zwar zum einen durch die reformatorische Idee, weltlicher Erfolg könne zum Erkenntnisgrund des Gnadenstandes werden und zum anderen in der endgültigen Etablierung der menschlichen Identität als „Denker“ („cogito ergo sum“) und der Manifestation des menschlichen Egos als der Ultima Ratio menschlichen Seins.

Für Descartes war die Existenz Gottes bewiesen, indem er behauptete, daß die Idee Gottes als vollkommenes Wesen dessen Existenz impliziere, denn wäre er nicht existent, wäre er nicht vollkommen. Das „Cogito ergo sum“ als Thron eines gestörten Geistes! Denn jede bloß denkerische Vorstellung Gottes ist eine falsche Vorstellung, weil ja alles, was Denken zustande bringt, dem Charakter von Unterscheiden, Trennen und Dualismus unterliegt und jede denkerische Vollkommenheit oder Totalität nur eine begriffliche und scheinbare, aber keine faktische oder wirkliche ist.4 Kein Begriff geht über den Begriff hinaus, kein Wort kann das nennen, was unnennbar ist. Descartes ist demnach seiner eigenen Projektion auf den Leim gegangen. Man kann sagen, Luther, Calvin und Descartes waren die Wegbereiter eines weiteren Dekadenzschubes, welcher den Menschen noch mehr von Sein und Leben entfernte. Dabei wurden sie teilweise der vatikanischen Dogmenherrschaft entrissen, das Ständesystem zerbrach, aber nicht etwa in Richtung von Freiheit geführt, sondern tiefer ins Denken manövriert, in Begriffe von Freiheit, in neue Ideologien. In diesem Sinne waren sie die Schöpfer der Begriffs-Theologie und Vorbereiter von Hegels Begriffs-Philosophie.

Das Ego glaubte nun, frei zu sein, als solches vor Gott zu stehen und sein Heil selbst in der Hand zu halten - eine dreifache Ideologie, weil es erstens kein freies Ego gibt, zweites kein Ego vor Gott bestehen kann und drittens das Heil nur jenseits des Egos zu finden ist.5

Trotzdem konnte sich in der Philosophie noch eine Weile die Frage nach der Einheit bewahren, man suchte nach der „Identität von Subjekt und Objekt“, eine durchaus legitime Leitfrage. Da aber das Ego die tatsächliche mystische Einheit überhaupt nicht erfassen kann, kreiste das Denken um den Versuch, sie herzustellen - eine bittere Unmöglichkeit, weil ja der Modus operandi von Denken das Unterscheiden ist. Indem das Ego versucht, die Einheit qua Denken herzustellen, wird es zum Vergewaltiger, zum Mörder und Eroberer, geleitet von furchtbaren Universalisierungsbestrebungen, von Größenwahn und Dominanzbestrebungen, die letztlich in der Globalisierung gipfeln. Denken versucht, statt zu schweigen und die eigenen Vorstellungen loszulassen, alles unter seinen Hut zu bringen und was nicht paßt, zu verdammen. Gerade dadurch wird es zum Barbaren. Die Einheit kann nie im Denken gefunden oder bestimmt werden, sondern nur im Schweigen und im Herzen erfahren werden. Daher ist jede intentionale Handlungstheorie, jede Reform oder Revolution schlichtweg die Fortsetzung der alten, durch Mißbrauch der Religion etablierten Herrschaft des Egos und des Baumes der Erkenntnis unter der Ägide des Diábolos, des Verleumders der Einheit und Verkünders der Trennung.

Für diesen Versucher gibt es je nach Kultur auch andere Bezeichnungen, etwa Teufel, Satan, Asuras, Dschinn, Shaitan, Iblis oder der erste Archon Jaldabaoth (Jahve) mit seinen Archonten. Diese Begriffe werden meist im Sinne von „Bösem“ gebraucht, richtig ist dagegen die Darstellung als Täuscher oder Hamartia. Letzteres bedeutet „nicht treffen, verfehlen“ d.h. Hamartia bezeichnet unsere einzige Sünde, nämlich „das Ziel der Einheit verfehlen“. Darin liegt die Wurzelsünde des Baumes der Erkenntnis, eben weil Denken entzweit und trennt, urteilt und differenziert. Und in diesem Sinne gehört das Ego des Menschen zu Diábolos, denn das Ego kann das Ziel des wirklichen Selbst nicht erreichen. Nur sein Tod öffnet den Wag dahin. Anders gesagt, was am Baum der Erkenntnis wächst, ist entzweiend und von hier aus gibt es keine Erlösung oder Befreiung, wir müssen uns schon aufmachen und zum Baum des Lebens wandern, nur dort wachsen die Früchte des EINEN. Wahrhaft Neues entsteht darum nur aus dem inneren Schweigen (Baum des Lebens) - die östlichen Religionen wissen das.

Eine weitere Verschärfung des Egozentrismus ergab sich durch den reformatorischen Determinismus, die Idee der Vorherbestimmtheit der Gnade und deren Unerkennbarkeit. Wir hatten es schon angedeutet, unter dem Vatikanismus galt eine Zweiklassen-Ethik, eine strenge Ethik für die Mönche, aber ein großes Laissez-faire für den Laien. Buße und Vergebung nahm dem Sünderdasein seinen Stachel und das existenzielle Schuldgefühl qua Erbsünde ließ sich so rituell temperieren, der Reiche zahlte Ablaß, der Arme schuftete. Der Reformierte stand aber ohne Ablaß dem induzierten Sündenberg hilflos gegenüber. Erst als man das Bild der Werkheiligkeit entwickelte, entstand daraus eine überbordende Motivation zur Arbeit, allerdings zum Nachteil der von Luther angedachten „Arbeit um der Arbeit willen“ (eine nicht-intentionale Handlungstheorie wie der Karma-Yoga der Hindus und das Wu Wei der Taoisten), denn nun wurde der Erfolg der Arbeit zum Fetisch und zum Erkenntnisgrund eigener Erwählung.

Die ursprüngliche Bedeutung von Arbeit hatte drei Dimensionen, der Laie verrichtete Arbeit in dem Maße, als es zum Überleben genügte, während der Reiche ohne Arbeit leben konnte. Jeder Gedanke an Akkumulation galt zurecht als Todsünde (Habgier). Der Mönch wiederum bemühte sich, seine Arbeit als Gottesdienst zu verrichten. Die reformatorisch-protestantische Mißgeburt besteht in der Arbeit als Beruf, nicht als Mittel zum Überleben, nicht als Gottesdienst, sondern als Mittel zum Erwerb von Geld und immer mehr Geld. Diese narzißtische Ipsation pervertiert bis heute den Arbeitsbegriff, allerdings kommt es heute nur noch darauf an, Geld zu machen, die Arbeit selbst ist sekundär geworden, die wirklich Reichen lassen ihr Geld arbeiten (Zinseszins). Die darin verborgene und ganz ans Ego gebundene Zweckrationalität wäre ohne die „Individualisierung bzw. Egoisierung“ durch Luther, Calvin und Descartes nicht möglich gewesen.

Dieses Individuum war und ist jedoch keineswegs das, was es vorgibt, nämlich das Ungeteilte (individuus), sondern ein Fragment, ein Dividuum, das nunmehr als Denken (und das heißt als Ego) über Sein und Leben zu stehen glaubt. Daher wird Rationalität zum Schlüsselbegriff, während Vernunft in den nachfolgenden Jahrhunderten immer mehr zur Metaphysik degradiert und als zwecksetzende Instanz verleugnet wird. Wer wollte da von Fortschritt sprechen?

Der fundamentale Unterschied zwischen vorherigen und modernen Gesellschaften besteht darin, daß die Identifikation mit Denken und damit das Ego zum alles ent-scheidenden Medium in der Frage der Ausgestaltung des Nomos geworden ist, und zwar als ein spezifisch verkümmertes Denken, dessen Basis nicht mehr die Güte des Herzens ist, ja nicht einmal mehr die Vernunft, auch nicht die Qualität der Logik oder des Urteils, sondern die Quantität des Kapitals. Dieses im Sinne von Max Weber formalrationale Denken ist absolut egozentrisch und narzißtisch entartet.

Moderne Verfassungen und ihre Gesetze sind dazu passende, abstrakte und vorrangig abstruse Regelwerke, erfunden von eindimensionalen Hirnen, deren Fachsprache die Ausrichtung an den Zwecken des Kapitals kaum noch verklausuliert, sie folgen, schon qua Gesetz, dem vorgegebenen Zweck der Gewinnmaximierung.

Entsprechend hoch ist der Grad der Entfremdung, ja der Geistesstörung, denn der moderne Mensch, der sich „frei und weit fortgeschritten“ dünkt, untersteht in Wirklichkeit tief verinnerlichten und sehr viel komplexeren gesellschaftlichen Zwängen und Normierungen als ein in die Natur und in seinen Stamm eingebundener Indianer.

Elias spricht zwar vom Verflechtungszwang und beschreibt Zivilisation korrekt als Verwandlung von Fremdzwängen in Selbstzwänge, aber er blendet aus, daß „Freiheit“ dann nur als „Zwang“, als Identifikation mit dem Aggressor möglich ist - ein Widerspruch in sich. „Frei“ erscheint in modernen Gesellschaften dasjenige Ego, das dem Ehrgeiz und Gewinnstreben folgt, d.h. dem vorauseilenden Gehorsam, und damit dem Beweis seiner Unfreiheit. In der Tat, in der bürgerlichen Gesellschaft prosperieren vorwiegend Systemtreue, denn wirkliche Freiheit, die Freiheit vom Begehren und Verlangen, ist in kapitalistischen Systemen kontraproduktiv und wird sanktioniert. Die Sieger dieses Systems finden wir nicht in der Arbeits-Gesellschaft, sondern im Verborgenen, es sind die eigentlichen Herren des Kapitals, die im Verborgenen das Divide et impera mit Arbeit und Kapital spielen. Wer dem Fluß des Geldes zu folgen vermag, wird diese Psychopathen auch erkennen.

Jedes Kollektiv-System mit Macht über Produktion und Distribution ist besser als die auf dem schizophrenen Boden des Neo-Liberalismus aufgebauten Strukturen mit ihrem kapitalistischen Kretinismus und einem Fortschrittswahn, der nur das Elend der Vergangenheit prolongiert. Besonders die Kriegerkulturen und die Herrschaft der Seher und Weisen basierten auf der Harmonie mit der Natur, der Macht der Weisheit, auf Ehre und spiritueller Tradition. Daher sind etwa Brauchtum, Würde des Alters und der Ahnen, Vorrang des Gemeinwohls und das Bewahren der herkömmlichen Ordnung keine Vergangenheitsorientierung, sondern Orientierung an der zeitlosen spirituellen Wirklichkeit und das beinhaltet naturgemäß die Relativierung aller ichhafter Tendenzen, die Förderung von Selbstgenügsamkeit und Fürsorge, die Stärkung der Natur- und Lebensrechte aller Wesen, aber auch der sozialen Kohäsion.

Die Umwälzungen, die zu den modernen kapitalistischen Gesellschaften hinführten, die Reformationen und Revolutionen, waren allesamt egoistisch-formalrationaler Natur, die im Endeffekt auch noch von der Würde und Ehre der protestantischen Sekten abstrahierten, indem sie letztlich alles unter den gleichnamigen Nenner des Kapitals subsumierten und unter den egoistischen Erfolg, sichtbar am Wachstum des Zählers. Statt einer gerechteren Ordnung entstanden ein besser funktionierendes Ausbeutungssystem und eine dauerhafte Anomie, Fortschritt genannt. Die Definition von Bruderschaft der formal-gleichen und formal-freien Ego-Citoyen ist rein bilanztheoretischer Natur, denn dem Faktum der Ungleichheit in Gestalt eines wachsenden Habet der Kapitaleigner stand und steht nun als Chimäre die nackte Ideologie der Freiheit, eine Verblödungsdroge für die Masse gegenüber, während doch in Wirklichkeit die Bruderschaft der Menschen in der Abnahme des Privateigentums und des Massenhungers auf der Welt bestünde, im Frieden, in der Toleranz, in der Anerkennung des Fremden statt in seiner Verdammung, in der Vielfalt und in der Liebe zur Natur. Dagegen sind die nun wahrlich irrationalen Strömungen des Zweckrationalismus, die einzig und allein die Macht des Ichs und des Geldes als Kapital im Sinne haben, zutiefst dekadent. Will daher der Mensch etwas Neues erschaffen, so müssen diese Mächte annulliert werden (das maßlose Ego, die Herrschaft des Kapitals, der Erfolgsfetischismus und die formale Rationalität) und der Schutz der Natur als zentrale Größe ontologischer Vernunft inauguriert werden.

Woher soll diese Erkenntnis Kraft beziehen? Das geht nur im Schweigen, nur mit der Erfahrung des Schweigens gibt es Aussicht auf eine Entwicklung im Sinne eines menschlichen und spirituellen Fortschritts. Der technische Fortschritt alleine ist so substanzlos wie die seelenlose Horde, die sich seiner bedient.

Was wir daraus lernen ist, daß das formalrationale Denken an sein unrühmliches Ende gelangt ist, es gibt keine wahrhaft menschlichen Systeme mehr, nur noch das Schwanken zwischen der Macht des Kapitals und der Willkür der Elite, ein postmodernes Delirium tremens. Selbst der größte Rebell, Abweichler oder Exot definiert sich anhand dieser Realität. Sein nach außen gekehrtes Anderssein stellt das System nicht in Frage, im Gegenteil, es macht ihn zu einer wie immer gearteten Bestätigung des Systems. Hippies, Punker oder Rapper schaffen keine neuen Kulturen, sondern Subkulturen der Kulturindustrien. Ihre Negationen sind selektiv, nicht total und sie bleiben an Geld und Kapital angedockt, welche sie eben-so wie die Systemvertreter konsumieren und/oder akkumulieren wollen. Ego bleibt Ego.

Nur die totale gesellschaftliche Negation verbunden mit einer Desidentifikation vom Ego schafft ein wirkliches Individuum, einen Menschen, dessen Fokus das Schweigen und dessen Denken nur ein Hilfsarbeiter und Übersetzer ist.

Wer also die Macht des Denkens und seine Begrenztheiten wirklich verstehen will, der muß es entmystifizieren und klar erfassen, was es zu leisten fähig ist und was es unmöglich leisten kann, der muß begreifen, daß Denken sehr wohl eine kreative und Realitäten erschaffende Macht ist, daß es aber aus sich selbst nur den engen Gültigkeitsbereich innehat, den Kant definierte. Was Kant verkannte ist die simple Tatsache, daß Schweigen unser wirklicher Erkenntnisgrund ist und daß deshalb Denken sein Diener zu sein hat, aber niemals der Herr. Und das bedeutet, daß wir spirituelle Themen nur dann in aller Redlichkeit in Worte fassen dürfen, wenn wir die Erfahrung des Schweigens kennen oder noch weiter fortgeschritten sind:

„European metaphysical thought - even in those thinkers who try to prove or explain the existence and nature of God or of the Absolute - does not in its method and result go beyond the intellect. But the intellect is incapable of knowing the supreme Truth; it can only range about seeking for Truth, and catching fragmentary representations of it, not the thing itself, and trying to piece them together. Mind cannot arrive at Truth; it can only make some constructed figure that tries to represent it or a combination of figures.” (Sri Aurobindo: Letters on Yoga, Vol. 22-24, 91)

Denken hat keinen Zugang zum Sein „an sich“ oder zum Göttlichen. Denken, auf sich alleine gestellt, generiert qua Differenz das, was man fälschlich Wissen nennt und ist auf diese Weise zum scheinbaren Bibliothekar der Gattung geworden, der die Realitätskonstrukte der Sieger aufbewahrt. Daß es sich dabei nur um Konstrukte handelt, um arme Etiketten und erfundene Realitäten, aber nicht um die Wirklichkeit selbst, das blendet der Däumling aus. Nichts von dem, was in den Geschichtsbüchern steht, ist auch nur annähernd wahr, sie sind geschrieben von den Mördern, die sich Sieger nennen und die den Herzmenschen den sogenannten „Heiden“ mit monströser Gewalt zeigten, wo es lang geht. Sie sind geschrieben von Narzißten, die Naturverbundenheit als Regression betrachten und Wolkenkratzer als Fortschritt, sie sind fabriziert von Forschern, die ihre Dummheit nach rückwärts projizieren und ihre scheinbare denkerische Größe permanent bejubeln, sie sind verfaßt von Abrahamiten, deren einziges Ziel es ist, die Macht des Schweigens zu beschmutzen.

Geschichte weiß so viel über die Vergangenheit wie der Biologe über das Bewußtsein einer Blume, nichts. Sie ist daher ein marodes Kompendium aus Gewaltherrschaft und Lügen, versehen mit den Narzißmen von Größe und Fortschritt - und das angesichts hunderter Millionen Toter und noch mehr Opfern. Was immer Denken „erkennt“, ist im tiefsten Sinne ambivalent und folglich ist alles, was Denken aus sich heraus generiert, ebenso aufbauend wie zerstörerisch. Was immer Wissenschaft über die Gesetze der Materie herausfindet, Denken hat nicht die Fähigkeit, sich aus Weisheit selbst zu beschränken und beispielsweise die Kernspaltung zu unterlassen. Dazu bedarf es der ontologischen Vernunft oder der spirituellen Schau.