Ren Dhark – Weg ins Weltall 51: Das Geheimnis des Hyperkalkulators - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 51: Das Geheimnis des Hyperkalkulators E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Ein Hyperkalkulator droht damit, die Bevölkerung eines ganzen Planeten auszurotten – und in der POINT OF taucht ein Fremder auf, den niemand kennt. Offenbar hat er etwas zu tun mit dem Geheimnis des Hyperkalkulators... Achim Mehnert, Jan Gardemann und Uwe Helmut Grave verfaßten einen spannenden SF-Roman nach dem Exposé von Hajo F. Breuer.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 51

Das Geheimnis des Hyperkalkulators

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 6)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 7 bis 11)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 12 bis 18)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, daß er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten.

Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Getreuen gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.

Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und läßt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muß sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, daß der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte. Dort hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Der Wächter Svante stirbt bei seiner Erforschung, und Dhark führt ein rätselhafter Hyperraumimpuls zum Planeten der Hanzin, auf dem eine schreckliche Seuche herrscht…

1.

Allein stand Wächterin Doris in der Zentrale der ARKANDIA und rührte sich nicht. Sie hatte Bereitschaftsdienst, und ihre Systeme waren mit denen des Schiffes verbunden. Wächter Simon und Wächter Arlo, die beiden anderen Besatzungsmitglieder des Ringraumers, hielten sich in einem fernen Schiffsbereich auf und gingen dort ihren einsamen Beschäftigungen nach.

Doris hatte den gut zwei Meter großen Wächterkörper, in dem ihr Bewußtsein steckte, in der Ursprungsfarbe Rot belassen, weil sie diese Farbe liebte und das Aussehen ihres roten Metallkörpers sehr mochte. Damit Außenstehende die gleich aussehenden Wächter leichter voneinander unterscheiden konnten, hatte Simon seinen Körper silbern und Arlo seinen in Anthrazit gefärbt. Vor kurzem hatte auch Svante noch zu der Gruppe gehört. Doch der ehemalige Erdmeister der Gäa-Jünger war ums Leben gekommen, als er versucht hatte, das in der Nähe des Milchstraßenzentrums aufgetauchte Miniuniversum zu untersuchen.

Momentan wirkte Doris, als hätte sie ihren Wächterkörper in den Ruhezustand versetzt. Doch in Wahrheit arbeiteten alle in den Roboter integrierten Komponenten, die der Kommunikation dienten, eifrig und wurden von Doris aufmerksam überwacht. Auf diese Weise hatte sie mitverfolgen können, was sich auf der Welt abgespielt hatte, über der die ARKANDIA eine geostationäre Umlaufbahn eingeschlagen hatte.

Nicht weit vom Wächterschiff entfernt schwebte ein weiterer Ringraumer im All: die POINT OF, jenes legendäre Raumschiff, das der nicht weniger legendäre Ren Dhark befehligte, dem das Schiff inzwischen sogar gehörte.

Der Planet, dem das Interesse der Besatzungen der beiden Schiffe galt, gehörte zu einem System von insgesamt 17 Trabanten, die eine weißblaue Sonne umkreisten. Es handelte sich um deren fünften Trabanten. Er lag in der habitablen Zone und war von menschenähnlichen Intelligenzwesen bewohnt, die sich Hanzin nannten. Daß diese Bewohner, deren kultureller Entwicklungsstand etwa dem des irdischen Mittelalters entsprach, menschenähnlich waren, war offenbar kein Zufall. Die Wissenschaftler der POINT OF und allen voran der humanoide Großserienroboter Artus, der mehr ein fühlendes Wesen als ein kalt kalkulierendes Konstrukt von Wallis Industries war, hatten in der Erbanlage der Hanzin Spuren menschlicher DNS entdeckt. Abgesehen von dem am Hinterkopf sitzenden Schwanzfortsatz, der bei flüchtiger Betrachtung wie ein Zopf anmutete, war die Ähnlichkeit zwischen Hanzin – die im Grunde wie Chinesen aussahen – und den Menschen nicht zu übersehen. Die Übereinstimmungen waren mehr als erstaunlich, wie Doris fand. Sie waren erschreckend. Denn wie die Chinesen, so hatten auch die Hanzin eine Kultur entwickelt, wie sie in Ostasien vor etwa zweitausend Jahren vorgeherrscht hatte.

Eine Katastrophe hatte Huwei, wie die Hanzin ihre Welt nannten, vor kurzem heimgesucht und einen Großteil der einen Hemisphäre zerstört. Seitdem breitete sich unter den Planetenbewohnern eine rätselhafte Krankheit aus. Eine Krankheit, die, wie Dhark und seine Kameraden inzwischen herausgefunden hatten, auf eine genetische Veränderung des Erbgutes der Hanzin zurückzuführen war und in jedem Fall tödlich endete.

Anscheinend hatte die unterirdische Worgunstation, die nicht weit von der Tempelhauptstadt Tsingtua entfernt entdeckt worden war, etwas mit diesen schrecklichen Vorkommnissen zu tun. Dieses Bauwerk war fast so gigantisch wie die unterirdische Anlage auf Hope, bevor diese teilweise zerstört worden war. Die Station von Huwei hatte allerdings offenbar weniger der Herstellung von Gütern als vielmehr Forschungszwecken gedient. Und sie wurde von einem höchst leistungsfähigen Rechner gesteuert, dessen Kapazität nur um weniges geringer war als die des Checkmasters.

Dhark, der mit einigen seiner Vertrauten noch immer in der Tempelstadt weilte, hatte über den Checkmaster eine Funkverbindung zu dem zentralen Hyperkalkulator der uralten Worgunstation herstellen lassen. Der Stationsrechner hatte daraufhin bestätigt, daß die Forschungsarbeiten, die die Mysterious einst auf dieser Welt durchgeführt hatten, tatsächlich biologische Themenbereiche umfaßt hatten. Doch als Dhark den hochentwickelten Hyperkalkulator aufforderte, nach einer Methode zu suchen, den verheerenden Gendefekt der Hanzin zu korrigieren, weigerte der sich kategorisch, diesen Dienst zu verrichten.

Die über Funk abgehaltene Unterhaltung hatte erst vor wenigen Minuten stattgefunden und war von Doris aufmerksam verfolgt worden. Daß der Hyperkalkulator sich weigerte den Befehl auszuführen, den Dhark ihm erteilt hatte, verstörte sie nicht weniger als die anderen, die dieses Gespräch mitgehört hatten.

Der Datenstrom, den Dharks Armbandvipho zur Zeit sendete, zeigte die dreidimensionale Darstellung des ehemaligen Commanders der Planeten. Dhark war 1,79 Meter groß und hatte eine schlanke Gestalt. Momentan war er in einen weißen Seuchenschutzanzug gehüllt. Da sich inzwischen jedoch herausgestellt hatte, daß die Krankheit der Hanzin auf eine genetische Veränderung zurückzuführen war und nicht auf Menschen übergreifen konnte, hatte Dhark den Helm des Anzuges wieder abgelegt. Sein weißblondes Haar glänzte kühl im Licht der Sonne. Und seine braunen Augen verliehen seinem markanten Gesicht einen unverwechselbaren, charismatischen Ausdruck.

»Dieses Worgunartefakt ist genauso überheblich wie seine Schöpfer«, merkte Arc Doorn mürrisch an, während er sich aus seinem Seuchenschutzanzug schälte. Er stand direkt neben dem Commander, so daß seine Worte von dessen Armbandvipho übertragen wurden und Doris sie hören konnte.

Unwillkürlich vergrößerte sie den Rand des Erfassungsbereiches der Miniaturkamera von Dharks Vipho. Dort war ein Ausschnitt des Gesichts von Arc zu sehen. Wie meist umspielte ein mürrischer Ausdruck seine Züge. Ein Stirnreif, bei dem es sich um einen Parafeldabschirmer handelte, drückte das lange rote Haar dicht an seinen Kopf. Diesen Kopfschmuck trug Arc, seit Harold Kucks mit einer leguanähnlichen Echse von einer Odyssee durch die Galaxis Andromeda zurückgekehrt war. Diese Echse namens Ssirkssrii bildete mit Kucks eine Seelenpartnerschaft, die es ihm ermöglichte, die Gedanken anderer zu lesen. Um sich gegen das Ausspionieren seiner Gedanken zu schützen, trug Arc diesen Parafeldabschirmer – obwohl Kucks mehrmals versichert hatte, seine Fähigkeit niemals gegen den Willen eines Betreffenden einzusetzen. Der angeblich in Sibirien geborene Doorn hütete jedoch ein Geheimnis, in das bisher nur wenige eingeweiht waren, wie Doris wußte. Und so sollte es nach seinem Willen auch bleiben.

Unwillkürlich legte Doris eine Hand auf ihre Brust – dorthin, wo sich ihr Herz befunden hatte, als sie noch ein Mensch gewesen war. Die Stimme ihres Ehemannes zu hören und sein Gesicht zu betrachten lösten in ihr zwiespältige Gefühle aus. Seit ihr Bewußtsein den Wächterkörper beseelte, hatte sich zwischen ihr und Wächter Svante eine sehr enge Beziehung entwickelt. Eine Beziehung, die weit mehr gewesen war als freundschaftlich. Doch nun war Svante tot, und die jüngsten Entwicklungen hatten es mit sich gebracht, daß sie und Arc wieder vermehrt miteinander zu tun hatten. Doris wußte, daß ihm von ihrer Beziehung zu Svante zu Ohren gekommen war. Dieses Wissen beschämte sie ein wenig – doch sie bereute nichts. Immerhin war Arc ihr gegenüber auch nicht immer aufrichtig gewesen. So hatte sie zum Beispiel erst zehn Jahre nach der Hochzeit erfahren, daß er gar kein Mensch, sondern in Wahrheit ein Worgunmutant in Menschengestalt war.

Doris’ störende Gedanken verflogen augenblicklich, als sie Dhark nun sagen hörte: »Es scheint, wir müssen diesem Hyperkalkulator gegenüber andere Saiten aufziehen. Mister Falluta, hören Sie mich?«

»Klar und deutlich, Sir«, kam prompt die Antwort. Doris wußte, daß der in der Zentrale der POINT OF weilende Erste Offizier das Geschehen auf dem Planeten auf ähnlich umfassende Weise mitverfolgt hatte wie sie selbst. Doch sein Auffassungsvermögen wurde von seinen die Informationen mühsam aufnehmenden Sinnen begrenzt, während Doris die Daten mit ihrem Bewußtsein unmittelbar und ungetrübt erfassen konnte.

»Ich werde zusammen mit Mister Doorn mit einem Flash in die Worgunstation eindringen«, unterrichtete Dhark den ehemaligen Hope-Kolonisten, der schon beim Jungfernflug der POINT OF mit von der Partie gewesen war.

»Sie werden sich doch wohl hoffentlich von anderen Gruppen begleiten lassen«, warf Falluta ein.

»Selbstverständlich. Die Worgunstation muß umfassend untersucht werden. Doorn und ich werden die Expedition leiten.«

»In Anbetracht der Ausmaße der unterirdischen Station schlage ich vor, mindestens vier weitere Gruppen hinzuzuziehen«, sagte Falluta. »Soll ich weitere bemannte Flash zu Ihnen hinunterschicken?«

»Das ist nicht nötig, Hen. Da wir in Tsingtua momentan sowieso nichts mehr ausrichten können, kann ich die hier anwesenden Besatzungsmitglieder für dieses Unternehmen abziehen. Es sollen jedoch nur die alten Unitall-Flash eingesetzt werden. Die Carboritmodelle bleiben vorläufig, wo sie sind.«

»Gilt das etwa auch für meinen Xe-Flash?«

Doris horchte auf. Die grollende Stimme gehörte dem Kraval Parock. Das vier Meter große Geschöpf mit seinen vier massigen Beinen und den kräftigen tentakelartigen Armen war einer von Dharks speziellen Freunden. Die Gliedmaßen der Kraval bestanden aus reinen Muskelschläuchen.

Sie besaßen keinerlei Knochen; der ganze mit stabilen Hornschuppen bewachsene Körper dieser Giganten war nichts als reine Muskelmasse.

Doris wußte, daß in der POINT OF ein ausgedienter Hangar für den Kraval zur Kabine umgebaut worden war. Von dort aus konnte Parock mit allen Schiffsbereichen interagieren, die er wegen seiner enormen Größe nicht betreten konnte. Außerdem stand ihm ein Xe-Flash aus Carborit zur Verfügung, der von Wallis Industries speziell für den Hünen hergestellt worden war. Das neukonstruierte Kleinraumschiff hatte im Gegensatz zu den Serienmodellen nur ein einziges Deck, damit der Kraval genügend Platz hatte. Das Fahrzeug war zusätzlich mit einer Rückenfinne ausgestattet, die eine Wuchtkanone vom Kaliber zwei Zentimeter barg.

Sobald es die Situation zugelassen hatte, war Parock zum Planeten hinabgeflogen, um seinen Freund zu unterstützen. Er erschien nun im optischen Erfassungsbereich von Dharks Vipho. In den weißen Schutzanzug gehüllt gab er ein mehr als ulkiges Bild ab.

»Dein Carborit-Xe bleibt vorerst ebenfalls in der Stadt«, sagte Dhark zu seinem Freund. »Ich möchte nicht riskieren, daß unsere neuen Beiboote in der Station Schaden nehmen. Die Lage dort unten ist mir noch zu unübersichtlich. Wer weiß, was das Gehirn der Worgunstation im Schilde führt, und ob es unsere Beiboote nicht doch wieder lahmlegen wird, wenn ihm der Sinn danach steht. Wenn wir deinen Spezial Xe verlieren, hast du vorerst keine Möglichkeit mehr, dich unabhängig im Weltall zu bewegen. Darum wird er vorerst in der Tempelstadt bleiben.«

Parock grummelte unzufrieden.

»Sobald es die Situation erlaubt, hole ich dich zu mir runter«, versprach Dhark daraufhin. Damit war für ihn die Sache erledigt. »Ist man auf der ARKANDIA über die aktuelle Lage informiert, Hen?« fragte er.

»Jawohl, Sir!«

Doris zögerte einen kurzen Moment. »Ich habe alles mitgehört«, teilte sie dann mit, wohlwissend, daß Arc ihre Worte ebenfalls hören und sie anhand ihrer Stimme identifizieren konnte. Täuschte sie sich, oder hatte die Miene ihres Ehemannes nun einen noch mürrischeren Ausdruck angenommen? Vielleicht irrte sie sich ja auch – sie war sich nicht sicher.

»Ich möchte unserem Auftauchen in der Worgunstation mit einer Drohgebärde etwas mehr Nachdruck verleihen, Doris«, sagte Dhark. »Dafür ist es erforderlich, daß die POINT OF und die ARKANDIA ihre Umlaufbahnen verlassen und sich der Position der Station bis auf einen Kilometer nähern. Beide Schiffe sollen tausend Meter über der Tempelstadt verharren und dort auf weitere Anweisungen warten.«

»Ich werde den Kurs unseres Schiffes mit dem der POINT OF synchronisieren«, verkündete Doris. »Gibt es sonst noch etwas, was die Wächter für dich tun können?« Seit sie Dhark gebeten hatten, sie während der Erforschung des nahe des Zentrums der Milchstraße aufgetauchten Miniuniversums zu unterstützen, hatte es für sie nur wenig zu tun gegeben.

»Ich werde es euch wissen lassen, wenn es soweit ist«, gab Dhark zurück.

Die Verbindung brach ab, die visuelle Übertragung verblaßte. Doris spürte, wie sich in ihrem Geist augenblicklich eine nagende Einsamkeit breitzumachen begann. Das Bewußtsein, daß sie Svante schmerzlich vermißte, verursachte einen gefährlichen Sog. Entschlossen, sich mit Beobachtungen von ihren Gefühlen abzulenken, forschte sie nach den funkübertragenen Datenströmen, die von den in der Tempelstadt stationierten Terranern in die POINT OF übertragen wurden. Sie wollte sich zerstreuen, um nicht länger an Svantes schrecklichen Tod denken zu müssen.

Die größte Aktivität fand momentan auf dem zentralen Platz von Tsingtua statt, wo auch die Flash abgestellt waren. In der Mitte dieser Freifläche ragte ein kuppelförmiges Unitallgebilde empor, das sich inzwischen als die obere Schädelplatte eines 200 Meter großen Roboters entpuppt hatte, der dort im Boden steckte. Von den Hanzin argwöhnisch beäugt, eilten mehrere Terraner zwischen den Flash umher. Die carboritschwarzen Beiboote wurden von den Menschen jedoch links liegengelassen. Statt dessen stiegen sie in die unitallblauen Modelle.

Doris beobachtete, wie Pjetr Wonzeff und Harold Kucks zusammen in eines der zylinderförmigen Beiboote stiegen.

Wonzeff war Ukrainer und ein schlagfertiger Draufgänger. Er war hochgewachsen, hatte eisgraue Augen und trug das Haar extrem kurz. Er war es gewesen, der der POINT OF ihren Namen verpaßt hatte, als man den Ringraumer in der Höhle von Deluge damals entdeckt hatte. Inzwischen zählte er zu den profiliertesten Flashpiloten an Bord. Meistens flog er zusammen mit Harold Kucks, ebenfalls ein herausragender Flashpilot. Herausstechendes Merkmal dieses Leutnants war ein dünner schwarzer Schnurrbartstrich, der seine Oberlippe zierte. Das Lächeln, das Kucks’ Lippen oft umspielte, rührte angeblich nur daher, daß ihn sein Schnurrbart kitzelte. Eine Annahme, die Doris gewillt war zu glauben, denn zwischen seinen Lächelattacken zeigte Kucks meist eine düstere Miene. Zusätzlich zu seinem Schnurrbartstrich sorgte inzwischen auch die einen Meter lange Echse, die sich um seinen Nacken schmiegte, dafür, daß Kucks nicht mit einem anderen Mann verwechselt werden konnte. Mit ihren scharfen Krallen hatte sich die Faskia in die Schulterteile von Kucks’ Uniformjacke gekrallt.

Ssirkssriis eindrucksvoller Stachelkamm reichte von ihrem verhornten Kopf über den Rücken hinweg bis zu ihrer Schwanzspitze.

Dieses einzigartige Gespann dabei zu beobachten, wie es sich in dem Flash routiniert auf den bevorstehenden Flug vorbereitete, amüsierte Doris. Rücken an Rücken saßen die beiden Männer in ihren Sitzen, während Ssirkssrii sich um die Nackenstützen schlängelte. Offenbar vertraute Wonzeff darauf, daß sein Kamerad seine Gedanken mit Ssirkssriis Hilfe nicht ausspionierte, denn er gab sich völlig natürlich.

Langsam erlahmte Doris’ Interesse an den beiden Männern, und so wandte sie ihre Aufmerksamkeit den anderen Paaren zu, die sich für den Flug bereitmachten. Da sie Arc und Ren momentan nicht sehen wollte, ignorierte sie die Datenströme, die von ihrem Flash ausgingen, und konzentrierte sich statt dessen auf die anderen. Die meisten Männer kannte sie persönlich aus der Zeit, als sie noch über ihren biologischen Körper verfügt hatte. Doch momentan vermochte ihr Getue sie nicht zu fesseln.

Nur kurz verflog ihre Teilnahmslosigkeit, als sie auf Steve Hawker aufmerksam wurde, der in einem der Flash Platz genommen hatte. Der kräftig gebaute, durchtrainierte Mann aus dem Südwesten der USA trug ebenfalls einen Parafeldabschirmer. Der über das blonde Haar gestülpte Stirnreif ließ Hawker mit seinen eisblauen Augen ein wenig wie einen fehlgeleiteten Hippie erscheinen. Die Selbstsicherheit, die jede seiner Bewegungen ausstrahlte, und die Überheblichkeit, die bei ihm hin und wieder durchblitzte, verstärkten diesen Eindruck nach Doris’ Empfinden noch. Sie fragte sich, was das für ein Geheimnis sein mochte, das Hawker mit dem Parafeldabschirmer zu verbergen versuchte. Wie Arc, so hatte nämlich auch Hawker erst dann angefangen, diesen Stirnreif zu tragen, als er erfahren hatte, welche erstaunliche Begabung Kucks erlangt hatte, nachdem er mit der Faskia zusammengekommen war.

Inzwischen waren die Vorbereitungen abgeschlossen, und die Piloten bekamen die Startfreigabe. Die zylinderförmigen Beiboote lösten sich vom Boden, und die spinnbeinähnlichen Landestelzen wurden eingefahren. Kurz darauf wurden die Zylinder jeweils in das Schutzfeld gehüllt, das die Intervallfeldgeneratoren erzeugten. Mit ausgeschaltetem Brennkreis sanken die Flash wieder auf den Platz herab. Doch anstatt auf den Boden zu prallen, tauchten die Beiboote in die Erde ein und waren kurz darauf verschwunden. Den Hanzin, die diesen Vorgang beobachteten, standen vor Staunen die Münder offen. Ihre Schlitzaugen waren weit aufgerissen, und die Schwanzfortsätze an ihren Hinterköpfen zuckten.

Doris unterbrach die Übertragung. Ein Funkruf aus der POINT OF hatte sie erreicht.

»Wir fliegen jetzt los und nehmen Kurs auf Tsingtua«, informierte Falluta die Wächterin. »Wenn wir uns der Tempelstadt bis auf einen Kilometer genähert haben, stoppen wir den Flug und bleiben auf Position.«

»Verstanden«, funkte Doris. »Die ARKANDIA wird an eurer Seite sein.« Sie aktivierte den Brennkreis. Kurz darauf flog der in den Schnittpunkt eines doppelten Intervallfeldes gebettete Ringraumer neben der POINT OF her und tauchte wenige Sekunden später in die Planetenatmosphäre ein.

*

Die Steuerzentrale der unterirdischen Station aufzuspüren war nicht schwierig. Nachdem die fünf Flash das schwache Intervallfeld durchstoßen hatten, das die gigantische Einrichtung umgab, orteten die Piloten das Bauwerk noch einmal komplett durch und glichen die Daten mit denen ab, die die POINT OF und die ARKANDIA vom Weltraum aus bereits erhoben hatten. Das Zentrum der mehrgeschossigen Anlage bildete ein auffällig großer Raum, von dem vielfache energetische Wellen ausgingen. Da Dhark dort den Standort des zentralen Hyperkalkulators vermutete, entschied er, diesen Bereich anzufliegen. Die Besatzungen der übrigen Flash sollten sich jeweils einen Eckbereich der unterirdischen Anlage vornehmen und sich von dort aus langsam immer tiefer ins Innere vorarbeiten.

»Sehen Sie sich gründlich in den Räumlichkeiten um«, befahl Dhark über Funk. »Und zeichnen Sie alles auf. Ich möchte einen genauen Lageplan dieser Hinterlassenschaft der Mysterious. Sollte es uns nicht gelingen, den Stationsrechner dazu zu bringen, zur Rettung der erkrankten Hanzin beizutragen, könnten uns die Einrichtungen dieser Forschungsstation vielleicht dabei helfen, selbst einen Weg zu finden, wie die Veränderung in der genetischen Struktur der Leidenden rückgängig gemacht werden kann.«

Kurz einigte man sich darauf, welches Duo welchen Bereich anfliegen sollte. Dann machten sich die Gruppen auf den Weg.

Auf kürzestem Weg flog Doorn den Flash auf das Zentrum der Anlage zu. Dhark sorgte per Gedankensteuerung derweil dafür, daß der außerhalb des Intervallfeldes befindliche Brennkreis abgeschaltet wurde, bevor sie durch eine Wand oder einen Einrichtungsgegenstand hindurchflogen.

Denn alles, was mit dem Brennkreis in Berührung gekommen wäre, wäre unweigerlich zerstört worden – was Dhark unbedingt vermeiden wollte.

Die Darstellung auf dem Bildschirm über ihren Köpfen beachteten die beiden Männer nur beiläufig. Sie wollten sich von den Ansichten der Räume, durch die sie hindurchflogen, von ihrem Ziel nicht ablenken lassen. Doch selbst ein flüchtiger Blick auf die Einrichtungen der Hallen, die sie passierten, ließ erahnen, wie umfangreich und doch spezialisiert die Forschungen gewesen sein mußten, die die Worgun in dieser Station vor zweitausend Jahren durchgeführt hatten.

»Verfluchtes Pack!« Doorn, der auf seine Artgenossen nicht gut zu sprechen war, überkam beim Anblick der Forschungsanlagen das kalte Grausen. Die Aufnahme mannshoher, transparenter Tanks, die mit einer bräunlichen Brühe gefüllt waren, in der sich schemenhaft humanoide Konturen abzeichneten, huschte über den Bildschirm. »Warum können die Worgun die Schöpfung nicht einfach in Ruhe ihr Werk verrichten lassen? Warum müssen sie ihr immer ins Handwerk pfuschen?«

»Noch wissen wir nicht, was die Mysterious mit dieser Einrichtung bezweckt haben«, entgegnete Dhark. Für ihn, der die Gestaltwandler immer bewundert hatte, war es nicht leicht, die Erkenntnis zuzulassen, daß die Worgun nicht immer nur Gutes im Schilde geführt hatten.

Doorn schnaufte verächtlich. Ein bitterböses Lächeln umspielte seine Lippen. »Für Sie sind die Worgun noch immer ebenso schwer zu durchschauen wie für mich die menschlichen Frauen, mein Freund.«

Unwillkürlich sah Dhark über seine Schulter, obwohl er wußte, daß er den hinter ihm sitzenden Doorn nicht ansehen konnte, weil ihm sein Rücken zugekehrt war. »Sie haben mit den Menschenfrauen wesentlich mehr Erfahrungen sammeln können als ich mit den Worgun, Arc. Schließlich leben Sie schon einige Jahrhunderte lang auf der Erde, während meine Begegnungen mit den Worgun nur eine vergleichsweise kurze Zeit umfassen.«

Der Rothaarige nickte gewichtig. »Und trotzdem sind die Frauen für mich noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Das trifft ganz besonders auf Doris, meine Ehefrau, zu.«

Dhark wurde der Verlegenheit entbunden, auf Doorns Bemerkung einzugehen, denn in diesem Moment erreichten sie die Steuerzentrale. Der Worgunmutant stoppte den Flug abrupt und konnte es auf diese Weise eben gerade noch verhindern, daß der Flash in einen der haushohen Maschinenblöcke eintauchte, mit denen die Halle vollgestellt war. Wegen des Intervallfeldes hätte dieses Eintauchen zwar keinen Schaden hervorgerufen. Doch es war nicht absehbar, wie der zentrale Hyperkalkulator reagieren würde, wenn die Eindringlinge seine »Privatsphäre« verletzten, indem sie durch einen seiner Rechnertürme hindurchflogen.

Doorn landete den Flash und schaltete die Systeme ab. Dhark, der sich bereits aus seinem Sitz gelöst hatte, öffnete die Luke und stieg aus.

Obwohl ihm die Darstellung auf dem Bildschirm bereits eine Ahnung davon vermittelt hatte, was ihn draußen erwartete, überwältigte ihn der Anblick, der sich ihm jetzt bot, dennoch. Wohin das Auge reichte, erhoben sich schlanke, gleichaussehende Türme aus Unitall. Die bläulich schimmernden Turmgehäuse waren mattiert und vom Schein eines diffusen Lichts überzogen, das in der Halle herrschte.

Der Flash war auf einer Galerie gelandet, die sich zu beiden Seiten entlang der Außenwand der Halle erstreckte und weder durch ein Geländer noch durch eine Brüstung gesichert war. Ein Ende der Galerie war nicht abzusehen, denn sie verlor sich zu beiden Seiten nach einigen hundert Metern im Schummerlicht. Wenige Schritte zu seiner Linken gewahrte Dhark eine Tür in der Unitallmauer. Von dort ausgehend führte eine Rampe in die Tiefe der Halle hinab.

Dhark trat einen Schritt vor und blickte hinab. Der Hallenboden lag in etwa fünfzig Meter Tiefe. Die unitallblauen Rechnertürme ragten von dort bis knapp unter die Hallendecke. Zwischen den dicht beieinanderstehenden Turmreihen erstreckten sich lange Schluchten, die kaum breit genug waren, um zwei nebeneinandergehende Menschen passieren zu lassen. Rohre verbanden die Türme auf verschiedenen Ebenen miteinander. Der Boden war mit einem wirren, kantigen Muster aus versenkten Leitungen überzogen.

In einigen der Schluchten standen regungslose Wartungsroboter. Ein unterschwelliges Summen und Brummen lag in der Luft.

»Ein wahres Rechnermonstrum«, kommentierte Doorn respektlos, nachdem er eine Weile neben Dhark gestanden und sich umgeschaut hatte.

Die Worte des Worgunmutanten lösten den Bann des Staunens, der den Kommandanten befallen hatte. »Noch nie zuvor habe ich eine vergleichbare Rechneranlage gesehen.«

Doorn nickte mürrisch. »Es ist eine der höchstentwickelten Anlagen, die mir je zu Gesicht gekommen ist – den Checkmaster einmal ausgenommen.«

Dhark sammelte sich kurz, um einen Gedankenbefehl an den Hyperkalkulator zu senden. Doch bevor er den Steuerrechner rufen konnte, machte sich sein Armbandvipho mit einem Signalton bemerkbar. Verärgert sah Dhark auf die Anzeige des Gerätes. Der eingehende Funkruf kam von Manu Tschobe. Der schwarzafrikanische Arzt und Funkspezialist hatte in einem der Flash gesessen, die in die Station eingedrungen waren.

»Was gibt es denn?« fragte Dhark etwas unwirsch, nachdem er den Anruf entgegengenommen hatte.

Das Hologramm des Viphos zeigte ein schwarzes Gesicht. Das Kraushaar war geglättet und schlohweiß. »Bentheim und ich sind auf ein Labor gestoßen, das offenbar dazu diente, in die Fortpflanzung von Säugern einzugreifen«, erklärte Tschobe aufgeregt. »Es gibt hier sowohl Vorrichtungen für die Durchführung klassischer In-vitro-Fertilisation als auch solche, um Embryonen zu transferieren.«

»Sie meinen, Sie haben eine Krankenstation gefunden, in der künstliche Befruchtungen durchgeführt wurden?« hakte Dhark nach.

»Diese Anlage kann weitaus mehr als das«, erklärte Tschobe. »Ich glaube, die Gerätschaften, mit denen die Gene der Embryonen gelesen werden, vermögen auch Änderungen an der DNS herbeizuführen. Die anderen Gruppen sind ebenfalls auf bemerkenswerte Einrichtungen gestoßen.«

»Das ist ja alles sehr aufregend, Mister Tschobe«, sagte Dhark. »Dokumentieren Sie das alles gründlich. Aber halten Sie sich nicht zu lange damit auf. In dieser Station warten noch andere Geheimnisse darauf, entdeckt zu werden. Und unterlassen Sie es vorerst, mich mit derartigen Meldungen zu behelligen. Jede Minute, die verstreicht, sterben dort oben Hanzin. Das dürfen wir nicht vergessen.«

»Diese Anlage hier könnte vielleicht dazu beitragen, den Chinesen zu helfen«, rechtfertigte Tschobe sein Vorgehen.

»Ich werde mich näher mit Ihrer Entdeckung befassen, wenn alle Stricke reißen und der Hyperkalkulator nichts gegen die rätselhafte Krankheit der Einheimischen tun kann. Doch vorerst werde ich alles daransetzen, den Stationsrechner dazu zu zwingen, die Hanzin zu retten.«

Dhark unterbrach die Verbindung.

»Ich möchte Sie bitten, die Unterhaltung mit dem Stationsrechner laut zu führen«, sagte Doorn. »So kann ich mich bei Bedarf einbringen.«

Dhark nickte zustimmend. Zwar hatte er in der Halle bisher keine Vorrichtung entdeckt, die der akustischen Verstärkung von Audiodaten diente. Es hätte ihn allerdings schwer gewundert, wenn der Hyperkalkulator keine Möglichkeiten zur verbalen Kommunikation gehabt hätte.

»Kannst du mich hören, Hyperkalkulator?« rief Dhark. Er bediente sich des Worgun, der Sprache der Gestaltwandler und bis heute lingua franca der Galaxis Orn. Mehrfach hallten seine Worte in der Halle wider.

»Ich verstehe dich«, tönte eine unpersönliche Stimme auf. Sie schien von überallher zu kommen. Ein genauer Ausgangspunkt für die Schallerzeugung war nicht zu lokalisieren.

»Wir haben bereits miteinander gesprochen.«

»Ich habe deine Stimme erkannt. Was willst du? Und was wollen all die anderen Menschen in dieser Anlage?«

»Unser Ziel ist es, den Hanzin zu helfen«, erklärte Dhark. »Der gentechnische Defekt, der bei ihnen aufgetreten ist, tötet Abertausende. Dem muß ein Ende gesetzt werden!«

»Ich sagte doch bereits, daß ich nichts dagegen tun kann«, gab der Hyperkalkulator zurück.

»Die Einrichtungen dieser Station sind aber durchaus dafür geeignet, Gendefekte zu behandeln.«

»Das ist zutreffend. Trotzdem kann ich nichts machen.« Doorn blies die Wangen auf. »Dieser Zentralrechner ist an Überheblichkeit nicht zu überbieten.«

Dhark war noch nicht gewillt aufzugeben. »Die Daten, die meine Leute über die Krankheit der Hanzin gesammelt haben, wurden dir vom Checkmaster übermittelt. Diese Informationen müßten für dich ausreichen, um eine Methode zu finden, den Gendefekt zu korrigieren.«

»Ich bin für das Schicksal der Hanzin nicht verantwortlich«, wehrte der Hyperkalkulator ab. »Diese Sache geht mich nichts an. Ich sehe daher keine Veranlassung, Rechenkapazität darauf zu verwenden, um irgendwelche Hilfsmaßnahmen zu ermitteln.«

Die Wortwahl des Hyperkalkulators ließ Dhark aufhorchen. »Wie definierst du Schicksal?« wollte er wissen.

»Schicksal ist eine Verkettung von unvorhersehbaren Vorfällen, die schließlich zu einem Resultat führen.«

»Und wie sieht diese unvorhersehbare Verkettung im Fall der Hanzin aus?« hakte Dhark nach. Er hoffte inständig, nun zumindest den Grund für den Gendefekt der Einheimischen zu erfahren.

»Aus Gründen der Energieersparnis ist die Intensität des Intervallfeldes, das die Station schützt, sehr schwach«, hob der Hyperkalkulator an. »Dieser Umstand bildete den Anfang der besagten Schicksalsverkettung.«

Dhark und Doorn sahen sich abwartend an. Doch der Hyperkalkulator machte keine Anstalten, seine Erklärung genauer auszuführen. Die beiden Raumfahrer hatten jedoch schon einen Verdacht, warum der Stationsrechner das schwache Intervallfeld erwähnte.

»Du willst sagen, daß die Station ungenügend geschützt war?«

»Sie war normalen Erfordernissen gemäß optimal geschützt«, hielt der Hyperkalkulator dagegen.

»Bis zu dem Zeitpunkt, als der gewaltige Hyperraumimpuls den Planeten traf« schaltete sich Doorn in das Gespräch ein. »Das abgeschwächte Intervallfeld dürfte dem massiven Strahlenaufkommen kaum gewachsen gewesen sein.«

»Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines solchen Phänomens tendierte gegen Null«, erwiderte der Hyperkalkulator ausweichend. »Aus diesem Grund gab es auch keine Veranlassung, einen solchen Vorfall in das Schutzschema einzubeziehen. Ich habe keine Erklärung dafür, woher dieser Impuls kam, noch ist mir bekannt, wie er überhaupt hat entstehen können.«

»Der Hyperraumimpuls hat also Schäden in der Station hervorgerufen«, brachte Dhark die Sache auf den Punkt.

»Ich hatte eine Fehlfunktion«, bestätigte der Stationsrechner. »Meine Reparaturprogramme haben die geschädigten Cluster jedoch längst wiederhergestellt. Der Schaden ist behoben. Meine Systeme arbeiten wieder einwandfrei.«

Wieder tauschten die beiden Raumfahrer einen Blick.

»Was haben deine zeitweise defekten Programme mit dem Gendefekt der Hanzin zu tun?« verlangte der Kommandant zu wissen.

»Die kurzzeitige Störung meiner Programme führte dazu, daß bei einer genau definierten Anzahl von Hanzin Genschäden auftraten. Diese Veränderungen in der Erbsubstanz treten in einer exakt bemessenen zeitlichen Reihenfolge auf.«

»Was du sagen willst, ist: Die einen sterben früher an den Folgen der Genveränderung, die anderen, wie zum Beispiel der alte Fur Long, später«, faßte Doorn sarkastisch zusammen. »Aber sterben werden die Betroffenen alle.«

Dhark brauchte einen Moment, um zu erfassen, was die Worte des Hyperkalkulators im Endeffekt bedeuteten. Die Schlußfolgerung erschien ihm so ungeheuerlich, daß sein Verstand sich zuerst weigerte, sie als möglich anzuerkennen. Als er den Zusammenhang dann schließlich begriff, überkam ihn eine Welle der Wut.

»Du kannst mit Hilfe der Station also unmittelbar auf die DNS und die Gene der auf dieser Welt beheimateten Intelligenzwesen Einfluß nehmen?«

»Zu diesem Zweck wurde diese Anlage unter anderem erbaut«, bestätigte der Hyperkalkulator.

»Dann kannst du die Hanzin also sehr wohl heilen!« »Ich sagte doch bereits, daß ich nichts tun kann.«

Doorn schnaufte verächtlich. »Du kannst es. Doch du willst es nicht. So ist es doch, oder? Die Hanzin sind dir egal. Deinetwegen können sie ruhig krepieren!«

»Emotionale Erwägungen sind mir fremd. Ich handle nur gemäß meiner Programmierung.«

Dhark hob die Hand, um Doorn, dem weitere sarkastische Bemerkungen auf der Zunge lagen, zu stoppen. »Deine Programmierung verbietet dir also einzuschreiten. Warum?«

»Weil die Folgen, die sich aufgrund der Bestrahlung mit dem unbekannten Hyperraumimpuls ergeben haben, ein höchst interessantes Experiment darstellen.«

»Derartige Experimente haben bei dir also Priorität?«

»So ist es. Der Zweck dieser Station ist das Experimentieren mit Biomaterial. Und ein solches Experiment findet gerade statt.«

Doorn schüttelte fassungslos den Kopf. »Uns ist bekannt, daß die Worgun in die Entwicklung der Menschen und anderer Völker eingegriffen haben. Doch das hier schlägt dem Faß den Boden aus.«

»Ich befehle dir, dieses Experiment sofort abzubrechen, Hyperkalkulator!« rief Dhark mit harscher Stimme.

»Du bist nicht autorisiert, mir derartige Befehle zu erteilen«, gab der Stationsrechner zurück.

»Wer ist es denn dann?«

»Nur die erhabensten Wissenschaftler der Worgun.« »Dazu gehören auch Margun und Sola?«

»Unbedingt!«

Erleichtert atmete Dhark durch.

Endlich hatte er einen Weg gefunden, Einfluß auf den Hyperkalkulator zu nehmen.

Er hob den Arm vor das Gesicht und rief mit seinem Vipho die Zentrale der POINT OF.

Glenn Morris meldete sich am anderen Ende der Verbindung. »Es gehen bei mir permanent Meldungen der Gruppen ein, die in der Worgunstation tätig sind, Commander«, berichtete er unaufgefordert. Daß der eher stille Funker sich zu dieser Bemerkung hinreißen ließ, zeigte Dhark, wie aufgeregt er war. »Das scheint ja eine ungeheuerliche Entdeckung zu sein, die wir da gemacht haben. Das ganze Bauwerk strotzt nur so vor Laboratorien und Forschungsanlagen. Wonzeff und Kucks sind kürzlich auf eine riesige Anlage gestoßen, die sie vollständig vor ein Rätsel stellt.«

»Ich werde die Berichte später durchgehen«, bremste Dhark den Funker aus. »Momentan gibt es Dringlicheres zu tun.«

»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte Morris geknickt. »Ich habe mich gehenlassen.«

»Schon gut. Wir alle sind wegen dieser Worgunstation etwas aus dem Häuschen. Und das mit Recht.«

»Was kann ich denn für Sie tun, Commander?«

»Der Checkmaster soll den Code, den ich von Margun und Sola bekommen habe, in den Hyperkalkulator dieser Station überspielen.«

»Wird sofort erledigt!«

Dhark ließ den Arm sinken. »Der Code, der dir gerade überspielt wird, weist mich dir gegenüber als Befehlsberechtigter aus, Hyperkalkulator«, sprach er in die Halle hinein. »In Zukunft wiegen meine Befehle genauso schwer, als hätten Margun oder Sola sie dir erteilt.«

»Der Code wurde angenommen und bestätigt.«

»Beende das laufende Experiment, das du zur Zeit mit den Hanzin durchführst.«

»Erledigt.«

Doorn fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Warum denn nicht gleich so?«

»Mach dich jetzt an die Arbeit und suche eine Möglichkeit den Gendefekt der Hanzin zu korrigieren.«

»Ein entsprechendes Verfahren wurde von mir routinemäßig bereits erarbeitet. Alternativen zu entwickeln, die dann nicht eingesetzt werden, um den Verlauf des Experiments nicht zu verfälschen, zählt zu meinen Aufgaben.«

»Und was gedenkst du gegen den Gendefekt zu unternehmen?« erkundigte sich Doorn argwöhnisch.

»Ich werde ein weltweit wirkendes Manipulationsfeld generieren, das unmittelbar auf die Gene der Hanzin einwirkt. Dieses Feld wird die geschädigten Gene reparieren, so daß sie ihre ursprüngliche Aufgabe wieder übernehmen können.«

»Zu so etwas bist du tatsächlich in der Lage?« staunte Dhark.

»Als Übertragungsmedium für das Manipulationsfeld dient das natürliche Magnetfeld dieses Planeten«, erklärte der nun vollkommen kooperationsbereite Hyperkalkulator dienstbeflissen. »Auf diese Weise ist eine umfassende Ausbreitung der manipulativen Strahlen gewährleistet. Diese Technik ist auch dafür verantwortlich, daß sich der Gendefekt überhaupt auf ganz Huwei ausbreiten konnte.«

»Wie lange wird es dauern, bis Resultate zu verzeichnen sind und die Krankheiten zurückgehen?« wollte Doorn wissen.

»Das Manipulationsfeld wirkt unmittelbar. Ich habe es vor wenigen Sekunden eingeschaltet.«

»Soll das heißen, die defekten Gene wurden bereits wiederhergestellt?« Dhark konnte nicht fassen, daß so etwas technisch überhaupt möglich war.

»Das ist korrekt. Die Gene der Hanzin wurden in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt.«

»Die Hanzin sind jetzt also alle wieder gesund?« Auch Doorn fiel es schwer, an dieses »Wunder« zu glauben.

»Bis die körperlichen Symptome der Befallenen alle vollständig abgeklungen sind, wird es einige Tage dauern«, erklärte der Hyperkalkulator. »Danach werden sich die Individuen körperlich in genau demselben Zustand befinden wie vor der Genschädigung. Diejenigen allerdings, bei denen die Krankheit schon zu weit fortgeschritten ist und irreversible Organschäden hervorgerufen hat, werden sterben.«

»Wie viele Hanzin sind davon betroffen?« fragte Dhark beklommen.

»Es sind weit weniger als fünf Prozent der Geschädigten, die in den kommenden zwei Tagen an den Folgen der Genstörung sterben werden.«

Doorn stemmte die Fäuste in die Hüften. »Das klingt alles ziemlich unglaubwürdig, finden Sie nicht auch, Ren?«

Dhark nickte zögernd. »Wir fliegen hinauf in die Tempelstadt und machen uns dort selbst ein Bild von der Lage.«

2.

Gnadenlos brannte die blauweiße Sonne auf die Tempelstadt Tsingtua nieder. Die Hitze flirrte auf den Dächern der pagodenförmigen Bauten. Hier und da schlurfte ein Hanzin im erdfarbenen Überwurf umher, um die kunstvollen Grünanlagen zu begießen. In gelbe Wickelumhänge gekleidete Adepten eilten auf Holzschuhen durch die Gassen, um Nachrichten zu übermitteln oder andere Botengänge zu verrichten.

Die meisten Häuser waren nur eingeschossig. Um so mehr fiel der hohe Bau auf, der sich mehrstöckig zwischen den dicht beieinanderstehenden Gebäuden erhob. Es war das Krankenhaus. Das Gebäude, in dem sich momentan die meisten Hanzin aufhielten – und starben.

Der Schatten des Krankenhauses brachte den vor den Eingängen postierten Wachen kaum Erleichterung. Die Männer schwitzen und zitterten. Doch nicht nur vor Hitze. Sie hatten Angst – Todesangst. Und dennoch blieben sie auf ihren Posten. Wohin hätten sie sich auch wenden sollen, wohin fliehen? Einen sicheren Ort, wo man vor der rätselhaften Krankheit sicher war, gab es nicht. Allein das Schicksal bestimmte, wer befallen wurde und wer nicht. Die Wachen, die jetzt noch gesund auf ihren Beinen standen, konnte schon morgen ein Fieber überfallen.

Mit den Symptomen einer Erkältung fing die schlimme Krankheit an, die die ganze Weltbevölkerung befallen zu haben schien. Es folgten Ausschlag und schwärende Wunden. Dann wurde das Blut in den Adern schwarz. Am Ende verfaulten die Betroffenen bei lebendigem Leib. Der Tod war dann nur noch eine letzte Gnade, die das Schicksal den Befallenen gewährte.

Krampfhaft umklammerte Wei Kan Tung sein Schwert. Düster starrte der Wachmann vor sich her. Die Gassen Tsingtuas waren nahezu verwaist. Die rätselhafte Krankheit hatte das Leben in der Tempelstadt fast zum Erliegen gebracht.

Das Röcheln, die Schreie und das verzweifelte Weinen, die aus dem Krankenhaus nach draußen drangen, hatten Wei Kan Tungs Geist so sehr zermürbt, daß er fast den Verstand zu verlieren drohte. Es war seine Aufgabe, die Erkrankten am Verlassen des Hauses zu hindern und Familienangehörige von dessen Betreten abzuhalten. Doch sowohl die Kranken als auch ihre Anverwandten hatten sich inzwischen mit dem Unabwendbaren abgefunden. Niemand versuchte mehr aus dem Krankenhaus zu fliehen oder sich unbefugt Zutritt zu verschaffen.

Plötzlich wurde die Tür, vor der Wei Kan Tung Wache stand, geöffnet. Abrupt wirbelte er herum, das Schwert drohend erhoben. Als er die Frau erkannte, die in der Türöffnung erschienen war, ließ er die Waffe wieder sinken. Es war Ling Ming, eine Pflegerin. Die Konturen ihres jungen Körpers zeichneten sich unter dem verschwitzten Kittel deutlich ab; ihr Hinterkopfschwanz zuckte keck. Doch heute hatte Wei Kan Tung keinen Blick für Ling Mings Reize übrig. Streng sah er sie an.

»Du darfst das Gebäude nicht verlassen. Du bist krank!«

Ling Ming hatte erst spät Anzeichen für eine Erkrankung gezeigt. Wei Kan Tung hatte die Befallenen verflucht, bei denen sie sich angesteckt hatte, als sie sie gepflegt hatte. Doch inzwischen wußte er, daß die Krankheit keine ansteckende Seuche war, sondern auf eine Veränderung im Gefüge des Körpers zurückzuführen war. Jedenfalls hatten die Fremden aus der Himmelswelt es ihm so erklärt.

Angewidert sah der Wachmann an der Frau vorbei in den Eingangsbereich des Krankenhauses hinein. Dort hatte man Betten aufgereiht, da die Räume mit Kranken bereits alle belegt waren. Der Geruch von Krankheit und Tod schlug ihm entgegen, und er hörte wieder das Stöhnen, Keuchen und Weinen der Befallenen.

»Wei Kan Tung – es ist ein Wunder geschehen«, sprach Ling Ming ihn an. In ihren geschlitzten Augen lag ein eigentümlicher Schimmer, und ihr Gesicht glühte. Wei Kan Tung kannte diesen Ausdruck. So hatte Ling Ming immer ausgesehen, wenn sie sich geliebt hatten. Doch jetzt argwöhnte er, daß die feuchtschimmernden Augen und das Glühen auf ihrem Gesicht auf die Krankheit zurückzuführen waren.

»Du redest wirr«, sagte er. »Geh zurück und lege dich in eines der freigewordenen Betten. Das hättest du schon längst tun sollen, anstatt weiterhin die Befallenen zu pflegen.«

»Sieh mich doch an!« forderte Ling Ming und trat einen Schritt auf ihn zu. Herausfordernd reckte sie den Kopf, damit Wei Kan Tung ihr Gesicht besser betrachten konnte.

Widerstrebend tat der Wachmann ihr den Gefallen – und stutzte. Die roten Flecken, die sich vor wenigen Tagen auf ihrem Hals und unter der Kinnpartie gebildet hatten, waren verschwunden. Auch wirkte ihr Gesicht nicht mehr so blaß und wächsern. Sie wankte auch nicht mehr vor Entkräftung.

»Geht es dir wirklich besser?« fragte er ungläubig.

Ling Ming nickte eifrig. »Die Besserung ist mir bei den Patienten, bei denen die Krankheit nur wenig vorangeschritten ist, als erstes aufgefallen«, erklärte sie aufgeregt. »Zuerst wollte ich meinen Augen nicht trauen. Als ich dann bei mir selbst ebenfalls eine Linderung bemerkte, schöpfte ich Hoffnung.«

Sie fiel Wei Kan Tung um den Hals und schmiegte sich an ihn. »Ich werde wieder gesund – und die anderen Befallenen offenbar auch.«

Wei Kan Tung befreite sich aus ihrer Umarmung. »Was sagen unsere Ärzte dazu – und was die Fremden aus der Himmelswelt, die unsere Mediziner mit ihren merkwürdigen Apparaturen unterstützen?«

»Ich habe sie auf den Rückgang der Symptome hingewiesen. Jetzt sind sie dabei, die Sache zu überprüfen. Bestimmt werden sie meine Beobachtungen bestätigen. Die Krankheit schwindet. So unerwartet, wie sie über uns hereingebrochen ist, vergeht sie nun anscheinend wieder!«

In diesem Moment gellte ein Schrei auf. Erschreckt wirbelte Ling Ming herum und stürzte dann in den Vorraum. Wei Kan Tung folgte ihr an das Bett eines Befallenen. Der Mann war bis auf die Knochen abgemagert, sein Leib mit Schwären und verfaulten Flächen bedeckt. Ein Rinnsal schwarzen Blutes sickerte aus seinem geöffneten Mund. Blicklos starrte er gegen die Zimmerdecke.

»Er ist verstorben!« rief die Frau anklagend, die in dem Bett neben dem Toten lag. »Mein Mann – er ist soeben verstorben!« Ein fiebriger Ausdruck lag in ihren Augen, ihre Nase triefte. Liegend hatte sie die Hand des Toten ergriffen und schluchzte hemmungslos.

Ein Schwindel erfaßte den Wachmann. Hatte Ling Ming ihn etwa angelogen? War die Krankheit gar nicht dabei zurückzuweichen?

Betrübt schüttelte Ling Ming den Kopf. »Für die Schwerkranken kommt die Rettung offenbar zu spät. Für sie gibt es keine Hoffnung mehr!«

*

Doorn landete den Flash auf dem mit weißem Kies bestreuten Vorplatz des Hauses, in dem Fur Long, der Altmeister der Tempelstadt Tsingtua, residierte. Das eingeschossige, einzelnstehende Gebäude war von blühenden Büschen umstanden. Es war quadratisch, und doch gab es zahlreiche Nischen und Mauervorsprünge, die der Architektur des Gebäudes einen verspielten Eindruck verliehen. Ein Weg aus weißen Kieseln führte einmal um das Haus herum. Über die Abzweigungen gelangte man zu kunstvoll angelegten Brunnen mit Wasserfontänen und Steinfiguren, bevor die Wege dann vor den Eingängen der benachbarten Häuser endeten.

Dhark und Doorn verließen das Beiboot. Sie wunderten sich beide, daß die Residenz des Altmeisters nicht bewacht wurde. Hoffentlich kein schlechtes Zeichen, dachte Dhark.

An exotisch anmutenden Bäumen mit dichtem, blaugrünem Blattwerk vorbei, die zwischen farbenprächtigen Blumen wuchsen, hielten die beiden Raumfahrer auf den Eingang des Hauses zu. Plötzlich schwang die Tür auf und ein alter, in eine Prachtrobe gekleideter Hanzin erschien in der Öffnung. Der Schwanzfortsatz am Hinterkopf des kahlen Schädels pendelte sachte hin und her. Es war Fur Long. Hinter ihm war eine weitere Gestalt auszumachen. Dabei mußte es sich um einen Wachmann handeln, wie der Kurzspeer in seiner Hand verriet. Offenbar war er ins Haus geeilt, um Fur Long von der Ankunft der Fremden aus der Himmelswelt zu unterrichten.

»Ihr habt die Erforschung der unterirdischen Anlage bereits abgeschlossen?« wunderte sich Fur Long. Der Translator an Dharks Gürtel übersetzte seine Worte ins Angloter.

Dhark nickte, wohlwissend, daß Fur Long diese Geste verstehen würde. Die Ähnlichkeit zwischen Menschen und Hanzin erstreckte sich auf viele Bereiche. »Wir glauben, ein Mittel gegen die schreckliche Krankheit der Hanzin gefunden zu haben«, sagte er zurückhaltend, denn er wollte in dem Alten keine falschen Hoffnungen wecken. Ob der Hyperkalkulator wirklich die Wahrheit gesagt hatte, war noch dahingestellt.

»Das wäre ja großartig«, freute sich Fur Long und trat ins Licht hinaus.