Ren Dhark – Weg ins Weltall 75: Kharamaks Geschäfte - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 75: Kharamaks Geschäfte E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Kaum ist die POINT OF in die Milchstraße zurückgekehrt, fängt sie einen Notruf auf. Ren Dhark und seine Getreuen gehen dem nach und fliegen dabei in das Gebiet der Nögk ein. Mit diesem kriegerischen Volk besteht zwar seit einiger Zeit ein Friedensvertrag, dennoch ist Vorsicht angebracht. Und tatsächlich kommt es zu einem Konflikt, der sich vor allem um eines dreht: Kharamaks Geschäfte... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz schrieben diesen explosiven SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 75

Kharamaks Geschäfte

 

von

 

Achim Mehnert

(Kapitel 1 bis 7)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 8 bis 14)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 15 bis 20)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

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Impressum

Vorwort

Das Frühjahr ist die Jahreszeit der diversen Bälle und anderen Festivitäten, zu denen man sich im kleinen oder großen Kreis trifft. Die einen mögen es dabei eher zünftig, die anderen mehr im festlichen Rahmen mit formeller Kleidung. Was man bevorzugt, ist letztendlich egal, Hauptsache, man verbringt einen netten Abend, an den man sich später gern zurückerinnert.

Wie Sie, liebe Leser, vielleicht wissen, tanzen meine Frau und ich sehr gerne. Da verwundert es nicht, dass wir fürs Frühjahr einen festlichen Ball ins Auge gefasst haben, den wir zusammen mit Freunden besuchen werden. Das Ganze findet in einer unter Denkmalschutz stehenden Villa statt, die für das entsprechende Ambiente sorgt. Natürlich will man sich für so einen festlichen Rahmen auch angemessen kleiden, ergo habe ich mir nun einen feinen Zwirn zugelegt. Das hat mich zugegebenermaßen ein wenig Überwindung gekostet, denn wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich eher der Jeans- und T-Shirt-Typ bin. Aber Ball ist Ball, da beißt die Maus keinen Faden ab, auch keinen von der feinen Gewandung.

Wir Männer haben es an dieser Stelle zum Glück leicht, denn wir brauchen eigentlich nur schwarze Schuhe, einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd, und fertig ist die Laube; von den Qualen – oder sind es eher Freuden? – der Damen, sich ein schönes Ballkleid auszusuchen, können wir vermutlich nur wenig erahnen. Aber zurück zu den Männern: Sicherlich ist Ihnen aufgefallen, dass in meiner Aufzählung etwas fehlt, eine Kleinigkeit, ohne die auch der feinste Anzug in unserer Gesellschaft nicht als festlich angesehen wird. Vor vielen, vielen Jahren kam nämlich jemand auf die Idee, dass es einen Mann besonders gut kleiden würde, wenn er sich ein Stück Stoff um den Hals bindet. Die Rede ist natürlich von der Krawatte. Ich persönlich, der einige Jahre lang aus beruflichen Gründen täglich so ein Teil tragen musste, finde es ja eher albern, zumal man ständig aufpassen muss, das Ding nirgends einzuklemmen oder Ähnliches.

Was vielleicht nicht jeder weiß, ist die Tatsache, dass Krawatten auch »Langbinder« genannt werden. Diese Bezeichnung ergibt jedoch erst unter dem Aspekt einen Sinn, dass es auch andere Binder für den Hals gibt. Dabei handelt es sich allerdings nicht etwa um Kurzbinder, sondern um sogenannte Querbinder, die Ihnen sicherlich unter dem Namen »Fliege« geläufiger sind. Und da ich Langbinder nicht so wirklich toll finde, habe ich mich dann auch für einen Querbinder entschieden, weil der nicht nur gut aussieht, sondern auch viel praktischer ist. Derzeit bin ich dabei, das Binden desselben zu üben, was doch ein wenig mehr Fingerfertigkeit erfordert als ein Krawattenknoten, aber meine Frau hat mir bestätigt, dass ich gute Fortschritte mache.

In solchen Momenten des Übens fallen mir natürlich auch die diversen futuristischen Anzüge ein, die man in verschiedenen Science-Fiction-Filmen zu sehen bekommt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass diese meist ohne einen Binder um den männlichen Hals auskommen? Es besteht also noch Hoffnung, dass sich die Mode auch diesbezüglich eines Tages weiterentwickeln wird, und bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit der Lektüre von REN DHARK.

Im vorliegenden Buch erfahren wir mehr über den freundlichen Händler aus dem Volk der Krayn, den wir bereits im letzten Band kurz kennengelernt haben und der uns – so viel kann ich schon verraten – noch ein wenig begleiten wird. Es geht also um Kharamaks Geschäfte …

 

Stuttgart, im März 2018

Ben B. Black

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte. Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Raumfahrern im Sommer 2073 schließlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren, wo sie den Notruf eines Händlers namens Kharamak empfangen. Die POINT OF greift ein und sieht sich kurz darauf mit einer Übermacht der Nögk konfrontiert, deren aktivierte Waffensysteme nichts Gutes verheißen …

1.

Die Flotte der Nögk, mehr als zweihundert Ellipsoidraumer, raste wie ein wild gewordener Hornissenschwarm auf die POINT OF zu. Im Schlepp von Ren Dharks Ringraumer befanden sich die neun aus Voktar stammenden S-Kreuzer, weiterhin gesteuert vom Checkmaster. Die von Tino Grappa ermittelten Impulse entstanden als optische Markierungen in der Bildkugel.

»Anscheinend hat sich Nedur Praun Verstärkung geholt«, stellte Arc Doorn fest. »Diesmal wollen die Nögk es wissen.«

Die Auslegung des Worgunmutanten traf nicht ganz die Tatsachen. Nach der vorangegangenen Raumschlacht und der Zerstörung eines Ellipsoidraumers hatten die Menschen eine zwei Lichtjahre weite Transition vorgenommen. Nun hielten sie sich am Rand des Röthe-Systems auf. Dhark warf den Blauen nicht vor, dass sie die Grenzen ihres Heimatsystems sicherten.

Das rote Riesengestirn im Randbereich der Milchstraße zeichnete sich als glühender Klecks in der schwebenden Sphäre ab, seine achtunddreißig Planeten wurden samt Umlaufbahnen schematisch dargestellt.

»Wir würden ebenfalls die Augen weit aufreißen, wenn eine kleine Flotte am Rand des Sol-Systems oder des Eschunna-Systems auftauchte«, sagte Dhark.

»Zweihundert Augenpaare, noch dazu mit aktivierten Waffensystemen?«, warf Dharks Stellvertreter Hen Falluta humorlos ein. »Das finde ich leicht übertrieben.«

»Zumal sie ausschwärmen«, stimmte Grappa zu. »Sie führen eine Zangenbewegung durch und versuchen, uns zu umschließen.«

»Phase öffnen, Mister Morris!« Zur Demonstration der eigenen Friedfertigkeit verzichtete Dhark darauf, das Doppelintervall zu aktivieren. Er verringerte die Geschwindigkeit, um keine unbeabsichtigte Kollision zu provozieren. »Rufen Sie die Nögk.«

Glenn Morris, der hellblonde Funker mit der schmalen Gestalt, bediente seine Anlage. Sekunden später schüttelte er den Kopf. »Keine Antwort.«

»Weiter versuchen!«

»Aye, Commander.«

Die Blauen setzten ihr taktisches Manöver fort. Dhark fragte sich, welche Absicht sie damit verfolgten. Auf diese Weise ließ sich ein Raumschiff, das es auf einen Durchbruch anlegte, schwerlich aufhalten, ein Schiff mit Intervall schon gar nicht. Schließlich bildeten die Ellipsoide eine Kugelschale um die zehn Ringraumer.

»Phase ist offen«, meldete Morris in diesem Moment. »Die Nögk rühren sich.«

»Hier spricht Nedur Praun an Bord der LOMBORN«, plärrte die Stimme des Blauen durch die Zentrale der POINT OF. »Ihr seid unbelehrbar, Terraner, doch nun seid ihr zu weit gegangen. Mit dem Einflug in unser Sonnensystem habt ihr euren letzten Fehler gemacht.«

Dhark zwang sich zur Gelassenheit. »Wir kommen in friedlicher Absicht, um das bedauerliche Missverständnis zu klären …«

»Ein Missverständnis?«, fiel Praun dem Commander ins Wort. »So also nennst du die Zerstörung eines unserer Schiffe und den Mord an der Besatzung, Terraner? Was für ein schöner Euphemismus! Deutlicher kannst du eure Verachtung für mein Volk nicht ausdrücken.«

»Niemand von uns verachtet euch«, widersprach Dhark ruhig. »Wir bringen den Nögk denselben Respekt entgegen wie jedem anderen Volk.«

»Wenn das so ist, könnt ihr unter den anderen Völkern nicht viele Freunde haben«, giftete Praun.

»Ich registriere einen neuerlichen Energieanstieg!«, rief Grappa. »Die Nögk stellen Feuerbereitschaft her.«

Dhark unterdrückte eine Verwünschung. »Intervall aktivieren!«

Falluta bestätigte prompt.

Offenbar war den Blauen nicht an einem vernünftigen Gespräch gelegen, an der Klärung von Tatsachen erst recht nicht. Stattdessen schienen sie es auf einen weiteren Kampf anzulegen.

*

Ren Dhark bereute seine Entscheidung, das Röthe-System angeflogen zu haben.

Gerade als er den Checkmaster wieder mit der Gefechtsführung betrauen wollte, signalisierte Morris einen eingehenden Funkspruch. »Wir werden von Hanameth aus gerufen. Der Funkspruch richtet sich ebenso an die LOMBORN wie an uns. Er kommt von Prönder Elktel.«

Dhark horchte auf. »Prönder?«

Der Funker nickte. »Diesen Beinamen scheint sich Elktel zugelegt zu haben. Keine Ahnung, was er bedeutet.«

Der Commander schürzte die Lippen. Bei Hanameth handelte es sich um die Hauptstadt von Kompri, einer der beiden besiedelten Welten des Röthe-Systems, und zugleich um den Regierungssitz der Blauen. Und Elktel hatte den Friedensvertrag mit den Nogk und den Menschen abgeschlossen, einen Vertrag indes, den, wie Dhark wusste, viele Nögk als einen aufgezwungenen betrachteten. Zu jenen gehörte auch Praun. Es mochte Frieden herrschen, doch dieser war anfällig, zumal das Blut der alten Kriegerkaste in den Adern der Blauen Nogk pulsierte. Was »Prönder« bedeutete, wusste Dhark nicht. Er stellte die Klärung jedoch hintenan und nickte dem Funker zu. »Hereinstellen, Mister Morris!«

Elktel meldete sich und verlangte ohne Umschweife zu erfahren, was der militärische Aufmarsch zu bedeuten hatte. Wie alle Angehörigen seines Volkes ähnelte das Staatsoberhaupt der Hybridwesen einer zwei Meter großen, aufrecht gehenden Echse mit einem riesigen Libellenkopf, welcher Facettenaugen, Beißzangen und Fühlerpaare besaß.

»Die Terraner sind los, wieder einmal«, polterte Praun. »Sie haben einem Verbrecher zur Flucht verholfen und dabei die RUNKRUN vorsätzlich vernichtet.«

»Trifft die Behauptung des Nedur zu?«, verlangte Elktel zu wissen.

»Es stimmt, dass wir eins eurer Schiffe zerstörten«, gab Dhark zu.

»Da hörst du es, Prönder!«, plärrte Praun.

Dhark fuhr ungerührt fort: »Ich bedauere, was geschehen ist, doch uns blieb keine andere Wahl. Wir mussten uns verteidigen, da wir angegriffen wurden. Nicht wir haben zuerst geschossen, sondern …«

»Die Terraner haben sich in Dinge eingemischt, die sie nichts angehen«, fiel Praun dem Commander erneut ins Wort. »Sie tragen die Schuld an der Vernichtung der RUNKRUN und am Tod unserer Leute. Ohne die Selbstherrlichkeit der Terraner wäre es nicht so weit gekommen.«

»Wir reagierten auf einen Hilferuf«, rechtfertigte sich Dhark. »In der galaktischen Völkergemeinschaft ist es üblich …«

»Ihr haltet euch wieder einmal für das Maß aller Dinge. Was bei euch üblich sein mag, ist noch lange nicht …«

»Es reicht!«, fuhr Elktel dazwischen. »Mäßige dich, Nedur, und lass den Terraner ausreden. Ich habe deine Version der Ereignisse zur Kenntnis genommen, nun möchte ich die seine hören.«

Dhark war dem Herrscher der Blauen dankbar für die Intervention. »Wie gesagt, empfingen wir einen Notruf«, nahm er den Faden wieder auf. »An seinem Ausgangsort fanden wir eine eindeutige Situation vor: Ein Dutzend eurer Schiffe griff einen einzelnen Raumer an, den des Händlers Kharamak, wie wir wenig später erfuhren. Der Krayn bat uns um Hilfe, da er einen Überfall von Piraten befürchtete, eine Annahme, von der zunächst auch wir ausgingen. Zwar meldete sich auch Nedur Praun bei uns, doch er dachte nicht daran, den Angriff auf den Händler einzustellen. Als wir uns zwischen die Fronten schoben, wurden wir ebenfalls beschossen. Praun ließ sich auf kein vernünftiges Gespräch ein, sodass uns nichts anderes übrigblieb, als das Feuer zu erwidern.«

»Und der Krayn?«, hakte Elktel nach.

»Nach dem Abzug eurer Schiffe bedankte er sich bei uns und zog seiner Wege.«

»Wie ich es sagte: Die Terraner haben dem Verbrecher zur Flucht verholfen«, klagte Praun die Menschen neuerlich an.

»Der Krayn zeigte sich euch gegenüber freundlich, Ren Dhark?«, fragte Elktel.

»Freundlich und zuvorkommend«, versicherte Dhark. »Er sorgte sich um seine Fracht und um sein Leben.«

»Dies mag er behauptet haben«, entgegnete das Regierungsoberhaupt. »Freundlich sein kann er, das haben wir ebenfalls erfahren. Wir sind genauso auf ihn hereingefallen, wie ihr es offensichtlich seid. Ich möchte klarstellen, dass der Nedur auf den ausdrücklichen Befehl der Regierung hin handelte.«

Praun gab einen triumphierenden Laut von sich.

Elktels Erklärung überraschte Dhark. Wie schon früher erwies sich der Herrscher auch bei diesem Aufeinandertreffen als gemäßigt und diplomatisch. Ohne Grund hatte er sicher nicht zur Jagd auf den Krayn blasen lassen.

Was stimmte nicht mit dem Händler? Hatte er die Menschen mit seinem freundlichen Habitus eingelullt und hinters Licht geführt?

»Was werft ihr Kharamak vor?«, erkundigte sich der Commander.

»Ich lasse dir einen ausführlichen Bericht übermitteln, Ren Dhark«, kündigte Elktel an. »Nachdem du ihn studiert hast, können wir unser Gespräch fortsetzen.«

In Dhark keimte die Befürchtung, einen großen Fehler begangen zu haben. Oder versuchten die Nögk, ihm etwas vorzumachen? Dagegen sprach Elktels Kooperationsbereitschaft.

Wenig später empfing Glenn Morris den mit Video- und Audiosequenzen unterlegten Bericht.

»Eine Frage habe ich noch«, sagte Dhark.

»Ja?«

»Du meldetest dich als Prönder Elktel. Diesen Ausdruck habe ich nie zuvor gehört.«

»Meine Anhänger in Kriegszeiten nannten mich so, als ich für den Frieden mit Nogk und Terranern eintrat«, erklärte der Blaue. »›Prönder‹ bedeutet so viel wie ›Friedensstifter‹. Ich entschied, den Namen als offizielle Bezeichnung nicht nur für mich, sondern für alle mir folgenden Regierungsoberhäupter unseres Volkes einzuführen.«

»Eine gute Wahl«, fand Dhark. Er bedankte sich für den erhaltenen Bericht und beendete die Verbindung fürs Erste.

»Was hältst du davon?«, fragte Amy Stewart ihren Partner. »Kann es sein, dass die Blauen Kharamak aus gutem Grund ans Leder wollten?«

Dhark zuckte mit den Achseln. »Das wissen wir vermutlich nach Sichtung des Berichts. Hat irgendjemand schon mal von einem Volk namens Krayn gehört?«

Er bekam ausschließlich negative Antworten. Auch dem Checkmaster war das Volk, dem Kharamak angeblich angehörte, fremd. Dhark ließ das von Elktel übermittelte Material abspielen und über Bordsprech in alle Abteilungen übertragen.

2.

Vier Wochen zuvor

 

Im Randbereich der Galaxis standen die Sterne weit auseinander, ein durch die Sprungtechnologie vernachlässigbarer Faktor bei Reisen zwischen den Sonnensystemen der Nögk. Dreizehn Systeme umfasste deren Herrschaftsgebiet. An den Grenzen des Reiches sowie zwischen den einzelnen Sternensystemen patrouillierten unablässig die Kampfschiffe der Wachflotte. Zwar sahen sich die Nögk keiner Bedrohung ausgesetzt, doch das hinderte sie nicht daran, Vorsicht walten zu lassen.

Feindseligkeiten treten am ehesten auf, wenn man nicht auf sie vorbereitet ist.

Talaia hatte die alte Redensart der Nögk verinnerlicht. Zwar gehörte er nicht zu jenen Pessimisten, die überall Gefahren witterten, und schon gar nicht betrachtete er wie sein Vorgesetzter, der Nedur Praun, die Terraner als Gegner und Verhasste, denen man nicht trauen konnte, als Realist glaubte er dennoch weder an uneingeschränkte Sicherheit noch an einen naturgegebenen dauerhaften Frieden mit sämtlichen Völkern der Galaxis. Er beschritt einen Mittelweg, der Gelassenheit und Wachsamkeit in sich vereinigte. Dieser sachlichen Sichtweise verdankte Talaia es, schon in jungen Jahren den militärischen Rang eines Kadur zu bekleiden.

Prönder Elktel sei es gedankt!

Früher wäre Talaia eine militärische Laufbahn verschlossen geblieben, das wusste der Blaue, doch vieles hatte sich geändert seit dem Zustandekommen des Friedensvertrags zwischen Nögk, Nogk und Terranern. Bei Talaia handelte es sich um einen jener jungen Nögk, die in Charauas Nogk keine Degenerierten sahen, sondern mögliche gleichberechtigte Partner, eine Sichtweise, die auch der Friedensstifter Elktel vertrat.

»Ich registriere Energieimpulse eines Raumschiffs«, riss der diensthabende Orter den Kadur aus seinen Überlegungen. »Unbekannte Signatur.«

Der Blick aus Talaias Facettenaugen wanderte über die Allsichtsphäre des sechshundert Meter durchmessenden Ellipsoidraumers. Sie zeigte einen orangefarbenen Stern, Nodorn, das Zentralgestirn des Elf-Planeten-Systems, an dessen Peripherie die KANT kreuzte. Hinter der geringen Sternendichte der Randzone erstreckte sich der intergalaktische Leerraum. Ein Kugelsternhaufen hing wie ein kosmisches Leuchtfeuer im Halo der Galaxis. Ein Raumschiff konnte Talaia noch nicht ausmachen.

»Entfernung?«, wollte der Kadur wissen. Er vernahm die Antwort und hakte nach: »Kurs?«

»Schiff steuert das Nodorn-System an.«

Der junge Nögk fühlte Anspannung in sich aufsteigen, seine Fühler zitterten aufgeregt. Anscheinend stand seine erste Begegnung mit Unbekannten bevor. Wer mochten diese Wesen sein, und was verschlug sie in diesen abgelegenen Raumsektor? Die neue Erfahrung verunsicherte Talaia ein wenig, doch er gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Besonders vermied er es, Gedankenbilder an seine Untergebenen abzustrahlen.

»Wirklich nur ein einziges Schiff?«, vergewisserte er sich.

»Ja, und es verringert die Geschwindigkeit, Kadur. Es kommt gleich in Sichtweite.«

Talaia hatte gerade befehlen wollen, Funkverbindung herzustellen, doch nun wappnete er sich mit Geduld. Schließlich trennten noch einige Lichtjahre das fremde Schiff vom Herrschaftsbereich der Nögk, und seine Flugbewegungen deuteten nicht auf feindliche Absichten hin. Der Kommandant der KANT brauchte nicht lange zu warten, bis die Allsichtsphäre gestochen scharfe Aufnahmen lieferte.

Ein gedankliches Raunen ging durch die Reihen der Nögk. Talaia konnte seinen Untergebenen die Überraschungsbekundungen nicht verdenken. Auch ohne die Schiffsspeicher zu bemühen, wusste er sofort, dass keiner seines Volkes jemals mit einem solchen Raumschiff in Berührung gekommen war. Versonnen betrachtete er den dreihundert Meter langen, silbern schimmernden Zylinder, der in der Mitte rund dreißig Meter durchmaß und sich zu den Enden hin leicht verjüngte. Vor dem Bug – Talaia zog den Schluss, da sich das Schiff in diese Richtung bewegte – prangte eine fünfzig Meter durchmessende Kugel, mit dem eigentlichen Schiffskörper durch eine irisierende Röhre verbunden. Sie schien zu glühen.

Sekundenlang taxierte der junge Nögk das düster glimmende Rot. Es wirkte auf eine unbestimmte Weise bedrohlich. Talaia schüttelte die irritierende Assoziation ab. »Gründliche Durchortung des Schiffs vornehmen und die Art seiner Waffensysteme feststellen!«

Das Ergebnis lag schnell vor. »Die Instrumente registrieren nur geringe Feuerkraft, die Offensivbewaffnung ist kaum der Rede wert. Außerdem geben die Waffen der Unbekannten keine Emissionen ab. Sie sind inaktiv.«

Die Erkenntnisse dämpften Talaias aufkommende Unruhe. Er leitete in die Wege, was er kurzzeitig verschoben hatte. Er ließ Funkkontakt herstellen, der augenblicklich zustande kam. Ein humanoides Wesen füllte den eng begrenzten Aufnahmebereich aus. Es fiel Talaia schwer, die Körpergröße des Fremden einzuschätzen.

Zweifellos kleiner als ein Nögk, schoss es dem Blauen durch den Kopf, als er sich vorstellte. »Ich bin Kadur Talaia an Bord der KANT und ersuche um deine Identifikation.«

Der Humanoide antwortete mit melodiöser Stimme, die fast wie Gesang klang, aber nicht gleich übersetzt wurde. Sein schmaler, lippenloser Mund bewegte sich kaum.

Während die beiden Gesprächspartner abwechselnd redeten, um eine Verständigung zu erreichen, betrachtete der Blaue sein Gegenüber aufmerksam. Struppige Haarbüschel wölbten sich über den großen schwarzen Augen des Fremden, dessen kantiger Kopf von einem Haarkranz umflort wurde. Talaia erkannte Greiflappen mit nur rudimentär ausgebildeten Fingern. Er beging nicht den Fehler, aus dem Anblick auf eingeschränkte Greiffähigkeiten zu schließen.

Nach einer kurzen Weile hatten sich die Translatoren aufeinander eingestellt und die Verständigung kam zustande.

*

»Mein Name lautet Kharamak und der meines Schiffs PRODONNO «, stellte sich der Humanoide singend vor. »Ich gehöre dem Volk der Krayn an.«

»Du befindest dich im Anflug auf das Hoheitsgebiet der Nögk«, erklärte Talaia.

»Nögk? Das seid ihr?«

Der Blaue bejahte. »Was verschlägt dich in diesen Raumsektor?«

»Geschäfte.«

»Geschäfte?«

Kharamak hob seine Greiflappen. »Richtig. Ich bin ein Handelsreisender auf der Suche nach neuen Handelspartnern. Die Laderäume der PRODONNO sind mit vielfältigen Waren gefüllt. Zumindest ein Teil der Laderäume noch, denn Teile meiner Güter habe ich schon auf anderen Welten verkauft oder eingetauscht.«

Talaia betrachtete das flache Gesicht des Krayn. Er wurde aus Humanoiden nicht richtig schlau, und es fiel ihm schwer, sie auseinanderzuhalten. Ein wenig erinnerte der Krayn ihn an einen Terraner, auch wenn es ein paar äußerliche Unterschiede gab. Sich in ein solches Wesen hineinzuversetzen erschien dem Blauen unmöglich, doch immerhin konnte er Kharamaks Motivation nachvollziehen.

Handel trieben auch die Nögk. Kein raumfahrendes Volk, und legte es noch so großen Wert auf Autarkie, kam gänzlich ohne Handelsbeziehungen mit anderen Welten aus.

Talaia brauchte nicht den Kopf zu drehen, um sich aus seinen Facettenaugen mit seinem Stellvertreter abzustimmen. Zudem schickte er einen kurzen Gedankenimpuls. Die beiden Blauen stimmten mit ihrer Einschätzung überein: Der Krayn machte einen gutmütigen Eindruck. Wortlos erkundigte sich der Kommandant bei seinem Orter nach der Besatzungsstärke der PRODONNO. Zu seiner Überraschung erhielt er die Antwort, dass sich Kharamak allein in dem Zylinderraumer aufhielt. Das überzeugte Talaia endgültig von der Harmlosigkeit des Fremden.

»Du hast Glück, Krayn«, eröffnete er dem Händler. »Ich bin mir sicher, die bewohnten Welten unserer dreizehn Sonnensysteme werden deine Ankunft begrüßen. Allerdings setzen erfolgreiche Geschäftsabschlüsse voraus, dass du Waren geladen hast, die für Nögk von Interesse sind.«

»Daran zweifle ich nicht«, verkündete Kharamak überschwänglich. »Ich bin gut sortiert und überzeugt davon, dass dein Volk und ich für beide Seiten lukrative Geschäfte tätigen werden. Ehrlich gesagt war ich nur auf der Durchreise. Ich hätte nicht damit gerechnet, hier auf ein mir bislang unbekanntes Volk zu treffen. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr mir gestatten würdet, eine eurer Welten anfliegen zu dürfen. Vor Ort kann ich am besten feststellen, an welchen Waren ein gegenseitiges Interesse besteht. Es muss Schicksal sein, dass mich meine Handelsmission ausgerechnet in diesen Raumsektor geführt hat.«

Schicksal ist eine abstrakte Umschreibung für reinen Zufall, dachte Talaia emotionslos, und der Glaube daran anscheinend typisch für die Angehörigen humanoider Völker.

Er selbst vermochte solchen Konzepten nichts abzugewinnen. Er nahm sie nicht einmal ernst. Auch die offensichtliche Freude des Krayn kam ihm übertrieben vor. Talaia selbst hätte sich angesichts Fremder zu keinem derartigen Emotionsausbruch hinreißen lassen. Man machte sich angreifbar, wenn man sein Innerstes zur Schau stellte. Die meisten zwar, doch nicht alle Nögk, dachten so wie der Kadur. Nedur Praun beispielsweise leistete sich die Schwäche, seinem Abscheu gegen die Terraner bei jeder sich bietenden Gelegenheit lautstark Ausdruck zu verleihen. Damit gab er sich eine Blöße, die sich rasch gegen ihn richten konnte.

»Das Schicksal meint es gut mit dir, Krayn«, hörte Talaia sich sagen. Er tat es gleichermaßen ohne Widerwille wie ohne innere Überzeugung, sondern mit der gebotenen Gelassenheit. »Und gut mit meinem Volk. Ich lasse dir die Koordinaten unserer Kolonialwelten überspielen, auf denen du Handel treiben kannst.«

»Da ich schon einmal hier bin, kann ich gleich im System der orangefarbenen Sonne anfangen«, schlug Kharamak vor.

Talaia teilte die Überlegung des Händlers. »Es handelt sich um das Nodorn-System. Ich lasse Norn, den vierten Planeten, über deine bevorstehende Ankunft unterrichten. Außerdem gehen dir die Koordinaten der anderen Systeme zu.«

»Vielen Dank, und gute Geschäfte«, sang Kharamak.

»Wie bitte?«

»Gute Geschäfte«, wiederholte der Krayn. »Das wünscht man sich gegenseitig, damit alle an einem Handel Beteiligten zufriedengestellt werden: gute Geschäfte.«

»Wie du meinst.« Talaia sah keinen Sinn in einem solchen verbalen Ritual. Man konnte sich oder anderen wünschen, was man wollte, dies änderte nichts am Ausgang der Geschehnisse. Für niemanden. Wünsche waren eine ebensolche Illusion wie das Schicksal. Es lag Talaia jedoch fern, dies dem handelstüchtigen Humanoiden mitzuteilen. Deshalb erwiderte er: »Gute Geschäfte.«

*

Die KANT begleitete die PRODONNO ins Nodorn-System, und Talaia setzte die zuständigen Stellen über das Zusammentreffen mit dem Händler in Kenntnis. Dank der Fürsprache des Kadur wurde Kharamak wohlwollend auf dem vierten Planeten Norn empfangen.

Mittelhohe Gebirgszüge und weite Ebenen bestimmten das Bild der in weiten Teilen trockenen Sauerstoffwelt, auf der sich ein halbes Dutzend größerer Städte verteilten. Trotz der offensichtlichen Gutmütigkeit des Besuchers verfolgten zahlreiche Ortungseinrichtungen den Landeanflug des Zylinderraumers. Die PRODONNO landete auf dem einzigen Raumhafen, auf dem lediglich zwei Schiffe der Blauen standen.

Nach der Absetzung des aggressiven Nögk-Herrschers Roloni hatte Elktel auf Norn – wie auch auf den anderen Kolonialwelten der dreizehn zum Herrschaftsbereich gehörenden Sonnensysteme – einen neuen Rat wählen lassen. Die amtierenden Ratsmitglieder sahen sich der veränderten politischen Lage und dem Friedenszustand mit Nogk und Terranern verpflichtet. So lautete jedenfalls die offizielle Sprechweise. Selbstverständlich gab es murrende Delegierte, die, wie Nedur Praun, nicht mit dem Status quo einverstanden waren, sich jedoch mit ihm arrangierten.

Zu letzteren gehörte Ratsmitglied Dragan nicht. Er sorgte für einen gastfreundlichen Empfang und hieß den Händler persönlich willkommen.

Anfangs zeigte sich Dragan ebenso zuversichtlich wie sein Gast, dass es zu einem baldigen Vertragsabschluss kommen würde. Da er sich jedoch nicht mit fremden Federn schmücken wollte, verzichtete er darauf, sich nähere Informationen über die Handelsware des Fremden geben zu lassen. Stattdessen forderte er eine kompetente Wirtschaftsdelegation an.

Da die Nögk zum ersten Mal einem Krayn begegneten, erlegten sie sich eine gewisse Zurückhaltung auf. Schließlich wusste man nicht, woran man mit dem anderen war. Kharamak hingegen benahm sich völlig zwanglos. Er verhielt sich, als würde er die Blauen schon lange kennen und wäre gut mit ihnen vertraut. So etwas wie Scheu schien er nicht zu kennen.

Dragan führte sein Verhalten auf die Tätigkeit des Humanoiden zurück. Zweifellos war Kharamak bei dieser und früheren Handelsmissionen mit den Angehörigen zahlreicher Völker zusammengetroffen. Neue Bekanntschaften stellten für ihn also keine Seltenheit dar, sondern eine Selbstverständlichkeit. So zeigte er sich aufgeschlossen den Nögk gegenüber, interessierte sich für ihre Welten sowie ihren Alltag und plauderte ungeniert über sich selbst und sein Leben. Dragan schloss sich Kadur Talaias Einschätzung des Händlers an. Bei den Krayn schien es sich um ein sympathisches, weltoffenes Volk zu handeln. Zumindest galt das für diesen einen Vertreter des den Nögk nicht bekannten Volkes.

Zum Bedauern des Ratsherrn gab es dennoch wenig später eine herbe Enttäuschung. Die Handelsdelegation kam nämlich zu dem Ergebnis, dass die Nögk mit den Handelsgütern des Besuchers nichts anfangen konnten. Zwar drückten sie sich diplomatisch aus, ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass die sich in den Laderäumen stapelnden Lebensmittel für die Nögk ungeeignet waren. Die enthielten ausnahmslos einen zu hohen Wasseranteil, der sich vermutlich sogar als schädlich für die Blauen erweisen würde.

Die von Kharamak mitgeführten elektronischen Bauteile, von denen er schwärmte, ordneten die Experten sogar als harmlose Spielereien ein.

Der Blick aus den schwarzen Augen des Händlers wanderte unstet von einem Nögk zum anderen, seine Greiflappen wischten fahrig durch die Luft. Er gab singende Laute von sich, die keine Übersetzung erfuhren, aber traurig klangen.

»Das heißt, wir kommen zu keinem Vertragsabschluss?«, fragte der Krayn mit dünner Stimme.

»Leider nicht«, bedauerte Dragan. Auch dem Ratsherrn wäre ein erfolgreich verlaufener Handel lieber gewesen.

»Dann liegt vergeudete Zeit und ein vergeblich beschrittener Weg hinter mir?« Kharamaks Worte klangen mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage. Sein lippenloser Mund zuckte. »Zum Glück habe ich keinen Umweg eingelegt, um diese Enttäuschung zu erleben. Auf dem Weg zu einem anderen Handelspartner führte mich der Zufall in diesen Raumsektor. Genau genommen ist mir also kein Schaden entstanden.«

»Es freut mich, dass du uns keine Vorwürfe machst.« Dragan bemühte sich, verständnisvolle Floskeln zu verwenden, die er von anderen Humanoiden wie den Terranern kannte. Er hoffte, damit nicht das Gegenteil des gewünschten Effekts zu erzielen. »Vielleicht ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit zu erfolgreichen Handelsbeziehungen.«

Die Gestalt des Krayn straffte sich, seine Greiflappen kamen zur Ruhe. »Ja, wieso nicht? Du hast völlig recht. Ich danke dir.«

»Was wirst du nun unternehmen? Willst du zu deinem ursprünglichen Ziel weiterfliegen?«

Kharamak zögerte mit einer Antwort. Er schien nachzudenken. »Um herauszufinden, welche Handelswaren sich für die Nögk eignen, müsste ich mich mit eurem Volk, seinen Gepflogenheiten und den bevorzugten Konsumgütern vertraut machen«, brachte er schließlich hervor. »Das gelingt mir sicher am besten in eurer Nähe. Würdet ihr mir gestatten, eine Zeitlang auf Norn zu verweilen, um euch besser kennenzulernen?«

»Diese Gunst kann ich dir im Namen des Rates gewähren«, entschied Dragan spontan. Er war froh, dem sympathischen Besucher einen Gefallen tun zu können. Schließlich war dessen Enttäuschung groß genug, auch wenn Kharamak sich schnell gefangen hatte und sie sich nicht mehr anmerken ließ.

*

Kharamak verweilte die folgenden Tage auf Norn, um seine Studien zu betreiben. Dragan schränkte die Bewegungsfreiheit des Besuchers nur wenig ein. Er trug aber dafür Sorge, dass der Händler nicht in die unmittelbare Nähe sensibler Einrichtungen gelangte. Darüber hinaus wollte man dem Krayn zu verstehen geben, dass ein Handeltreibender auf den Welten der Blauen mit gefragten Gütern stets Gastfreundschaft genoss. Die zuvorkommende Haltung besaß einen ganz einfachen Hintergrund: Trotz des Friedensvertrags bestanden bei einigen Völkern immer noch Vorbehalte gegen die Nögk, die es zu überwinden galt. So kam es bei manchen Gütern hin und wieder zu Engpässen.

Nach zwei Wochen verabschiedete sich Kharamak. Er kehrte an Bord seines Schiffs zurück und startete, ohne Auskunft über sein nächstes Ziel zu geben.

Ratsherr Dragan ließ sich Bericht erstatten. Es gab keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden. Die phasenweise Beobachtung des Krayn hatte keine Hinweise darauf ergeben, dass er mehr im Sinn hatte, als mit seiner Handelsmission in Zusammenhang stand.

Die PRODONNO verließ das Nodorn-System und flog in den interstellaren Leerraum hinaus. Schnell wurde den Nögk klar, dass Kharamak beabsichtigte, als nächstes das Bran-System anzusteuern.

Die Patrouillenboote der Blauen verfolgten den Kurs des Händlers, ohne sich die Mühe zu machen, die Überwachung des Zylinderraumers zu verbergen. Schließlich hielt er sich weiterhin in ihrem Herrschaftsbereich auf. Kharamak gab durch nichts zu erkennen, dass er sich beobachtet fühlte, dabei konnte ihm diese Tatsache nicht entgehen. Es schien dem Krayn gleichgültig zu sein, dass sich stets ein oder zwei Ellipsoidraumer in Ortungsnähe aufhielten. Wieso hätte es ihn auch stören sollen?

Dragan sah in der Ruhe des Händlers einen weiteren Beweis für dessen Harmlosigkeit. Die Zuversicht des Händlers nötigte dem Blauen sogar Respekt ab. Der naive Humanoide legte eine gewisse Verwegenheit an den Tag, denn wie konnte er erwarten, auf anderen Welten der Nögk erfolgreicher zu sein als auf Norn?

Zumindest gelingt ihm das nicht, solange er seinen Warenbestand nicht grundlegend ändert, dachte Dragan mit einem gewissen Amüsement.

Aber vielleicht war sich Kharamak darüber im Klaren. Vielleicht ging es ihm nur darum, weitere Informationen für seine nächste Handelsreise ins Reich der Nögk zu sammeln.

Die Kunde von seinem bevorstehenden Eintreffen auf Lamora, dem dritten Planeten der gelben Sonne Bran, eilte dem Händler voraus. So wurde er auch dort freundlich empfangen, wenngleich ein wenig zurückhaltender als auf Norn. Durch die erhaltenen Informationen rechneten die Blauen auf Lamora von vornherein nicht mit einem erfolgreichen Handelsgeschäft. Wider Erwarten kam es dennoch zu einigen Abschlüssen, da der Krayn spezielle elektronische Bauteile mit sich führte, die in der Kolonie dringend benötigt wurden. Da er diese zudem äußerst günstig anbot, fragten die Blauen nicht nach, wieso er diese Teile nicht schon bei seiner ersten Station angeboten hatte. Der Preis stimmte, und nirgendwo war ein Diebstahl gemeldet worden. Es gab also keinen Anlass zu Misstrauen dem Händler gegenüber.

Auf Lamora bestätigte sich der Eindruck, den Kharamak bereits im Nodorn-System hinterlassen hatte. Während seines ganzen Aufenthalts auf Lamora zeigte er sich freundlich und aufgeschlossen. Wie jeder Händler, gleich welchen Volkes, zielte sein Geschäftsgebaren zwar auf eine Gewinnerzielung ab, er machte dabei aber keine Anstalten, seine Handelspartner über den Tisch zu ziehen.

Im Bran-System hielt der Krayn sich wenige Tage auf. Bei seinem Abschied zeigte er sich erfreut über das zustande gekommene Geschäft und kündigte an, in einem halben Jahr mit vollen Lagerräumen wiederzukommen. Natürlich hatten die Kolonial-Nögk nichts dagegen einzuwenden. Im Gegenteil sahen sie der Lieferung weiterer der begehrten elektronischen Bauteile begierig entgegen.

Kharamak nutzte die von Kadur Talaia erhaltenen Daten dazu, eine weitere Kolonialwelt der Blauen anzufliegen. Da er sich Zeit ließ, erreichte die PRODONNO den Planeten Körn im System des blauen Sterns Tompol nach zwei Tagen. Inzwischen hatte sich die Kunde von dem eifrigen Händler auf den Welten der Nögk herumgesprochen. Auf Körn stellte ihm der planetare Rat gleich nach der Landung des Zylinderraumers einen Ansprechpartner zur Seite.

*

Sasara versah seine Aufgabe mit Hingabe. Der junge Nögk betrachtete sie als Sprungbrett für höhere Weihen. Seine Vorgesetzten wussten das, deshalb hatten sie ihn ausgewählt. Sie wollten ihm eine Chance geben, sich in einer außergewöhnlichen Situation zu bewähren. Zum Ruhme seines Volkes wollte Sasara Körn und das Tompol-System verlassen und sich auf anderen Welten beweisen, vorzugsweise als Botschafter auf Quatain, der Hauptwelt von Charauas Nogk. Die Degenerierten verkrochen sich unter dem sicheren Schutz eines erzwungenen Friedensvertrags, zu dem es ohne die Hilfe der Terraner niemals gekommen wäre. Die einen wie die anderen waren keinen Deut besser als die Nögk, auch wenn sie sich für etwas Besseres hielten.

Emporkömmlinge.

Besonders die Humanoiden von Terra!

Sie hielten sich für überlegen, sie alle. Die unheilvolle Allianz des Degenerierten Charaua mit dem Terraner Ren Dhark trug Früchte des Zorns.

Die Nögk hingegen, jene huldvollen Nachkommen der alten Kriegerkaste, mussten sich unter der Knute der Sieger ducken. Sasara wollte seinen Beitrag dazu leisten, dass die Blauen endlich wieder die Wertschätzung erfuhren, die ihnen zustand. Leider führte bei den in der Galaxis herrschenden Machtverhältnissen kein Weg an den Terranern vorbei. Sasara war noch keinem Humanoiden begegnet, er ahnte jedoch, dass es ihm vorherbestimmt war, eines Tages mit den Terranern zusammenzutreffen. Dann wollte er vorbereitet sein, damit sie erst gar nicht auf die Idee kamen, sich ihm überlegen zu fühlen. Unter diesem Aspekt erwies sich die Landung eines humanoiden Händlers auf Körn als Glücksfall für die Ambitionen des jungen Nögk.

Sasara holte den Besucher von seinem Zylinderschiff ab. Neugierig beäugte der Blaue die PRODONNO aus seinen großen Facettenaugen. Einerseits wirkte sie imposant, andererseits nahm sie sich gegen einen sechshundert Meter großen Ellipsoidraumer fast bescheiden aus. Natürlich sagte die Größe eines Raumschiffs nichts über dessen Schlagkraft aus, doch der Zylinder verfügte nur über eine schwache Offensivbewaffnung, wie der Nögk aus den entsprechenden Berichten wusste.

Mit einem kleinen Schweber beförderte Sasara den Krayn durch die Hauptstadt. Während er dem Händler die richtigen Anlaufstellen für geschäftliche Transaktionen zeigte, horchte er den Humanoiden vorsichtig aus. Kharamak schien es nicht einmal zu bemerken. Er plauderte offenherzig, ohne sich viel dabei zu denken. Er mochte kein Dummkopf sein, aber seine Arglosigkeit auf einer ihm fremden Welt gab Sasara zu denken. Kein Nögk hätte sich dermaßen naiv verhalten. Allerdings gelang es Sasara nicht, dem Krayn nähere Informationen über dessen Heimat zu entlocken. Kharamak gab lediglich preis, dass er mehr Zeit im Weltraum unterwegs war, als festen Planetenboden unter den Füßen zu spüren.

*

Am zweiten Tag seines Aufenthalts auf Körn tätigte der Krayn verschiedene Geschäfte. Er kaufte Treibstoff für sein Schiff und erwarb eine Reihe elektronischer Komponenten, die er, wie er verriet, bei einigen anderen Völkern mühelos wieder losschlagen würde, und ließ alles in die PRODONNO schaffen. Da sämtliche Nögk-Welten eine einheitliche Währung verwendeten, bezahlte er mit dem auf Lamora eingenommenen Geld.

Je länger sie zusammen unterwegs waren, desto mehr zweifelte Sasara daran, dass er von Kharamak Rückschlüsse auf das Verhalten anderer Humanoiden ziehen konnte. Auf das Verhalten von Terranern schon gar nicht. Jene waren aus einem anderen Holz geschnitzt und ließen sich nicht mit dem Händler vergleichen. Sasara wünschte insgeheim, Kharamak wäre weniger freundlich und zurückhaltend gewesen.

Nach einem weiteren erfolgreichen Geschäftsabschluss des Krayn erhielt Sasara einen Anruf vom planetaren Rat. Er nahm das Gespräch in dem Schweber entgegen. Da der Funkspruch keine Warnkennung enthielt, verzichtete der Nögk darauf, das Gespräch vor dem Krayn zu verheimlichen. Er ließ den Translator eingeschaltet, was sich als richtig erwies, denn die Nachricht richtete sich auch an Kharamak.

»Wir erhielten eine Warnung aus dem Nodorn-System«, übermittelte der Rat. »Auf Norn ist eine Seuche ausgebrochen.«

Sasara erschrak. Es schien sich um eine ernste Angelegenheit zu handeln, sonst würde nicht eine Kolonialwelt die andere kontaktieren. Dennoch wunderte der Blaue sich, dass man ihn damit behelligte. Eine Ahnung ergriff Besitz von ihm. »Besteht die Befürchtung, dass unser Gast mit der Seuche zu tun hat?«

»Er hielt sich eine Weile auf Norn auf«, kam die Antwort. »Wir können also nicht ausschließen, dass er sich angesteckt hat.«

Kharamak zuckte zusammen. Der freundliche Händler hob und senkte seine Greiflappen, während unartikulierte Laute aus seinem lippenlosen Mund drangen. Er rutschte unruhig in der Sitzschale hin und her.

»Angesteckt?« Der Händler fand zu seiner singsangartigen Sprache zurück. »Heißt das, ich werde krank?«

»Beruhige dich«, legte Sasara dem Krayn nahe. »Es ist wahrscheinlich, dass eine Krankheit, die einen Nögk befällt, spurlos an dir vorbeigeht.«

»Bist du dir sicher?« Kharamaks Stimme zitterte – selbst in der Translatorübersetzung.

Natürlich nicht. Statt seine Antwort auszusprechen, setzte Sasara sein Funkgespräch fort. »Gibt es nähere Informationen über die Art der Seuche?«

»Die bisherigen Symptome beschränken sich auf Unwohlsein und undefinierbare Schmerzen. Die Fachleute berichten jedoch, dass sich der Zustand der betroffenen Nögk rasch verschlimmert, und anscheinend greift die Seuche weiter um sich. Mehr wissen wir jedoch auch nicht.«

Der Händler sackte in sich zusammen. Er drehte den Kopf zur Seite und starrte den Blauen an, als sei dieser ebenfalls erkrankt. »Weg …, ich muss weg«, stammelte er. »Bitte, bring mich zur PRODONNO.«

»Nur die Ruhe«, beschwor Sasara den Krayn. »Hier auf Körn sind wir in Sicherheit. Du kannst dich nicht anstecken. Wenn überhaupt eine Gefahr besteht, dann nicht für dich, sondern durch dich – wenn du die Krankheit nämlich von Norn mitgeschleppt hast. Fühlst du irgendwelche Beschwerden? Ist dir unwohl?«

»Nein!«, stieß Kharamak aus. »Mir geht es gut, und ich will, dass das so bleibt. Fliege mich also bitte zum Raumhafen. Die getätigten Geschäfte genügen mir. Ich möchte das Tompol-System so schnell wie möglich verlassen.«

Der Blaue kam der Aufforderung nach, um die Lage nicht zusätzlich zu verkomplizieren. Er scherte aus dem Verkehrsstrom aus und fuhr Richtung Raumhafen. Die Ängstlichkeit des Krayn wunderte ihn nicht einmal, denn sie passte zu dem Humanoiden. Kein Terraner würde sich so verhalten. Immerhin bekam Kharamak seine aufkommende Panik in den Griff, als er erkannte, dass sie sich seinem Raumschiff näherten.

»Verzeih mir meine Nervosität«, bat er mit halbwegs kontrollierter Stimme, »aber mit einer solchen Situation wurde ich noch nie konfrontiert. Kommt so etwas bei euch öfter vor?«

»Der Ausbruch von Seuchen?« Sasara ließ sich seinen Widerwillen gegen die Naivität des Händlers nicht anmerken. Die anfängliche Begeisterung für seine Aufgabe schwand, dennoch gab er sich Mühe, zuvorkommend zu bleiben. »Es geschieht zum ersten Mal.«

»Du meinst also, dass Körn sicher ist?«

»So ist es.«

»Und ich ebenfalls?«

»Du bist völlig sicher.«

»Können eure Behörden das garantieren?«

»Nein, das können sie nicht.« Die Mandibeln des Nögk mahlten aufeinander. »Aber ich versichere es dir, denn zwischen dem Nodorn-System und dem Tompol-System liegen mehrere Lichtjahre. Beantwortet das deine Frage?« Deine dumme Frage.

Kharamak schwieg. Der Blaue war froh, als der Schweber das Ende der Zufahrtsstraße erreichte und auf den Rand des Landefelds einschwenkte. Die Ratskennung verhinderte, dass ihm die Durchfahrt verwehrt wurde. Sekundenlang vergaß Sasara, dass jemand neben ihm saß. Seine Gedanken schweiften nach Norn ab. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Vergangenheit verband ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl die Nögk, sowohl jene im Röthe-System als auch jene in den zwölf Kolonien. Sasara sorgte sich um die Bewohner von Norn. Er hoffte, dass die vermeintliche Seuche sich als harmlos herausstellte.

»Da sind wir«, sagte Kharamak.

Der Singsang des Händlers riss Sasara aus seinen Überlegungen. Der Blaue bremste den Schweber ab und brachte ihn zum Stehen. In Gedanken versunken wäre er beinahe zwischen einem Ellipsoidraumer und der PRODONNO hindurchgeschossen.

Die anfängliche Offenheit des Krayn gehörte der Vergangenheit an. Er wirkte nun still und in sich gekehrt. Die Angst davor, sich im Nodorn-System angesteckt zu haben, schien ihn zu lähmen. Umständlich öffnete er den Ausstieg des Schwebers.

»Ich danke euch für eure Gastfreundschaft«, sagte er. »Ganz besonders bei dir möchte ich mich bedanken, weil du mir deine Zeit geopfert hast.«

Dies ist meine Pflicht, dachte Sasara bei sich, auch wenn sich meine erhofften Erkenntnisse über den richtigen Umgang mit Humanoiden in Grenzen halten.

»Wohin fliegst du nun?«, erkundigte er sich laut.

»Ich besuche das Röthe-System«, kündigte Kharamak an. »Zum vorläufigen Abschluss meines Kontakts mit deinem Volk würde ich gern eure Hauptwelten Kompri und Taupri kennenlernen.«

»Ich verstehe«, behauptete Sasara.

Das Gegenteil traf zu. Auf Körn fühlte der Krayn sich von der auf Norn ausgebrochenen Seuche bedroht. Was hingegen Kompri und Taupri anging, hegte er solche Befürchtungen anscheinend nicht. Der Nögk wurde nicht schlau aus diesem Widerspruch. Nachdenklich schaute er Kharamak hinterher, als dieser die PRODONNO bestieg. Die Fühler des Blauen wippten, ein Zeichen seiner Ratlosigkeit.

3.

Als Dragan die Ratshalle in der Hauptstadt von Norn verließ, kreisten seine Überlegungen um die just zu Ende gegangene Versammlung. Auf der auf seine und die Anregung seines Freundes Pauram hin einberufenen Versammlung war es zu unerwartet heftigen Diskussionen unter den Ratsmitgliedern gekommen.

»Das habe ich mir einfacher vorgestellt.« Dragan seufzte. Der Widerstand gegen den Bau einer neuen Stadt in der bisher wenig erschlossenen südlichen Hemisphäre des vierten Planeten erschloss sich ihm nicht. »Gäbe es einleuchtende Gründe für dieses Blockadeverhalten, könnte ich es nachvollziehen, doch ich habe kein einziges stichhaltiges Argument vernommen.«

»Ich auch nicht«, pflichtete Pauram dem Älteren bei. »Daran ist deinen Gegnern im Rat nicht gelegen. Es genügt ihnen, deine Arbeit zu behindern. Das gilt besonders für Kepselis.«

»Ich weiß.« Dragans sich öffnende und schließende Beißzangen erzeugten klickende Laute. »Meinetwegen sollen sie sich gegen mich stellen. Sie müssen mich nicht mögen.«

»Das würde aber manches erleichtern. Kepselis’ Anhänger unterstützen ihn vorbehaltlos, selbst wenn sie einmal nicht seiner Meinung sind.«

»Mag sein. Ich lege aber keinen Wert auf geheuchelte Sympathiebekundungen, und das wissen sie. Auch Kepselis selbst weiß das. Es ist generell töricht, sich deshalb gegen sinnvolle Projekte zu stellen, welche die Entwicklung Norns vorantreiben würden.«

»Du hast auch Unterstützer«, erinnerte Pauram an die vorangegangenen Dispute der in zwei Lager gespaltenen Versammlung.

Dragan machte eine zustimmende Geste. Ein paar jener Nögk, die ihn unterstützten oder ihm zumindest wohlwollend gesinnt waren, gaben ihm beim Verlassen der Halle aufmunternde Bemerkungen mit auf den Weg, bevor sie sich in alle Richtungen zerstreuten. Er nahm es dankbar zur Kenntnis und trat auf den vom Sonnenlicht gefluteten Platz hinaus, der das Zentrum der Hauptstadt markierte. Der wolkenlose Himmel mit seinem fahlen rötlichen Stich spannte sich bis zu einem am Horizont verlaufenden Gebirgszug.

Dragan senkte den Blick und schaute seinen Anhängern hinterher. »Ich bezweifle, dass ihre Anzahl genügt, um unseren Antrag durchzubringen.«

»Anscheinend bin ich zuversichtlicher als du.«