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Mithilfe der Energiesignatur, die Ren Dhark von den Maschinenintelligenzen des Volkes erhalten hat, befinden sich die Terraner auf Kharamaks Spur, die ins Telin-Imperium führt. Dort, so hofft man, kann der Krayn endlich zur Rede gestellt werden – sofern es überhaupt Kharamak ist, der für die Seuchen die Verantwortung trägt, denn es gibt immer wieder Zweifel an dessen Schuld. Aber wem auch immer Ren Dhark und seine Begleiter tatsächlich folgen, eines ist klar: Derjenige ist der Seuchenbringer... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz verfassten diesen spannenden SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.
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Seitenzahl: 361
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 79
Der Seuchenbringer
von
Achim Mehnert
(Kapitel 1 bis 7)
Nina Morawietz
(Kapitel 8 bis 15)
Jan Gardemann
(Kapitel 16 bis 22)
und
Ben B. Black
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
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Impressum
Vorwort
Kürzlich fuhr ich bei einem Bekannten mit, dessen Auto über eine Start-Stop-Automatik verfügt. Ich weiß nicht warum, aber an dem Tag fiel mir das besonders auf, und mir wurde klar, dass ich mich mit diesem Thema bisher noch nie wirklich beschäftigt hatte, zumal unser eigenes Fahrzeug schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und nicht über so eine Automatik verfügt.
Meine Neugier, die ja oft bei technischen Dingen zuschlägt, war also geweckt, und so fragte ich, wie das denn genau funktioniert, also woran die Automatik erkennt, dass sie den Motor abstellen und zum Losfahren wieder anmachen soll. Über einen speziellen Knopf wird es wohl eher nicht laufen, denn dann wäre es keine echte Automatik, und darüber hinaus gibt es da auch ein paar Nebenthemen, aber zu denen kommen wir gleich.
Die Antwort fiel dann auch wie erwartet recht simpel aus: Wenn das Fahrzeug zum Stillstand kommt, wird der Motor abgestellt, zum Losfahren tritt der Fahrer aufs Gaspedal, dann geht der Motor an und das Auto setzt sich wunschgemäß in Bewegung.
Sofort schoss mir die nächste Frage durch den Kopf: Gebremst wird mit dem rechten Fuß, Gas gegeben auch. Das Anlassen des Motors dauert einen Moment, und in der Zeit ist das Fahrzeug dann ungebremst, kann also anfangen zu rollen? Nein, wurde ich beruhigt, so ein Auto verfügt auch über eine automatische Handbremse, die den Wortteil »Hand« dann wohl eher nicht mehr verdient. Diese wird von der Automatik mitgesteuert. Das Funktioniert offenbar auch prima beim Anfahren am Berg, sodass sich Fahrschüler kommender Generationen wohl nie mehr damit beschäftigen müssen, wie man dabei gleichzeitig mit Gas, Kupplung und Handbremse hantiert.
Wenn man diese Entwicklung konsequent weiterdenkt, landet man zwangsweise bei »drive by wire«, also einer Technik, die im Flugzeugbau bereits seit Jahren etabliert ist und dort »fly by wire« heißt. Dabei gibt es keine Seilzüge, Zahnräder, Gestänge etc. mehr, die den Fahrer direkt mit der Steuerungsmechanik des Fahrzeugs verbinden, sondern die gewünschten Aktionen werden, wie der Name schon sagt, via Kabel zu den Aktoren übertragen, die dann die Befehle in entsprechende Bewegungen (Lenken, Bremsen usw.) umsetzen. Dadurch würde es möglich werden, ein Auto z. B. mit einem Joystick zu lenken: links/rechts gibt die Richtung vor, Stick nach vorne, um zu beschleunigen, und nach hinten zum Bremsen. Einfacher geht es wohl kaum noch, oder? Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, ob ich so eine Entwicklung noch miterleben darf oder ob sich vorher vielleicht sogar das autonome Fahren durchsetzt, bei dem ich nur noch das gewünschte Ziel eingeben muss und mich mein Auto dann ganz ohne mein Zutun sicher dorthin bringt – eine Vision, die es in der SF übrigens schon lange gibt.
Sie dürfen nun jedenfalls sehr gespannt darauf sein, was Sie im vorliegenden Buch erwartet. Wir treffen dabei unter anderem auf die letzten Menschen von Babylon …
Stuttgart, im Oktober 2018
Ben B. Black
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.
Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte. Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.
Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Raumfahrern im Sommer 2073 schließlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren.
Kaum zu Hause, bekommen es die Raumfahrer mit jemandem zu tun, der offenbar bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des geheimnisvollen Fremden dringt die POINT OF ins Hoheitsgebiet des Telin-Imperiums vor. Über dem Planeten Corrn treffen die Terraner mit dem Verband von Wer Vrl Julk zusammen. Dhark und Julk stimmen sich gerade über das weitere Vorgehen ab, da starten vom Corrn etliche Kampfraumer, die auf Funkrufe nicht reagieren und stattdessen ihre Waffensystemen hochfahren …
1.
Silbrig flimmernd bauten sich die Intervallfelder der POINT OF und der neun S-Kreuzer auf. Auch die Schutzschirme von Wer Vrl Julks kleiner Flotte fuhren hoch. Gemeinsam erwarteten sie den Angriff der von Corrn gestarteten Schlachtschiffe.
»Immer noch kein Kontakt, Mister Morris?«, erkundigte sich Ren Dhark bei seinem Funker.
»Negativ, Commander«, bedauerte Glenn Morris. »Sie empfangen uns, hüllen sich aber in Schweigen.«
Auch Vrl Julks Versuche, seine Landsleute über Funk zu erreichen, blieben erfolglos. Mit aktivierten Waffensystemen rasten die Raumer der Tel durch die Atmosphäre von Corrn. Die dichte Wolkendecke über dem Militärstützpunkt der Schwarzen Weißen riss gleich an mehreren Stellen auf.
Tino Grappas Ortung zählte fünfzehn Doppelkugelraumer, ausnahmslos Raumgiganten mit achthundert Meter durchmessenden Kugelzellen, die Ren Dhark in der nächsten Sekunde zu sehen bekam. Die brachiale Beschleunigung ihrer Masse löste auf dem Planeten Stürme und Erschütterungen aus, was niemanden an Bord zu interessieren schien.
»Checkmaster, Kampfverband bilden und Kontrolle übernehmen!«, donnerte Dharks Stimme durch die Zentrale der POINT OF.
Er wandte die Strategie an, die sich schon in Voktar wiederholt bewährt hatte: Gefechtskoordination der POINT OF und der neun sie begleitenden S-Kreuzer durch den Checkmaster, dem kein Mensch auch nur annähernd das Wasser reichen konnte, weder in Sachen Schnelligkeit noch Treffsicherheit. Dhark schickte einige Spezifikationen hinterher. Ihm lag nichts daran, in die Offensive zu gehen, solange er vom Wer nicht dazu aufgefordert wurde – oder bis ihm nichts anderes übrigblieb.
»Verstanden. Ausführung folgt«, meldete das Bordgehirn knapp.
Die Bestätigung des Checkmasters war noch nicht ganz verklungen, als die taktische Darstellung in der Bildkugel eine Veränderung erfuhr.
Der Pulk der S-Kreuzer löste sich auf. Die Schiffe bildeten eine neue Formation, hielten sich aber, ganz in Dharks Sinn, weiterhin hinter Wer Vrl Julks Einheiten zurück. Hier im Opalus-System, irgendwo im Telin-Imperium, hatten die Schwarzen Weißen das Sagen. Bei seiner Jagd auf Kharamaks PRODONNO vermochte der Terraner den eigenen Status durchaus richtig einzuordnen. Er war ein geduldeter Eindringling, auch wenn er Hilfe für die Tel brachte.
Die Verbindung zwischen der POINT OF und der KOLM PARG bestand weiterhin. Dhark verzichtete darauf, die Phase schließen zu lassen, und Vrl Julk, im Rang einem irdischen General oder Admiral vergleichbar, tat es ihm gleich.
Dhark erhaschte einen kurzen Blick auf den Wer, der fast regungslos im weiten Rund seiner geräumigen Zentrale saß. Das graue Uniformoberteil spannte sich über der Brust des muskulösen Tel. Jeweils vier Doppelkugelraumer von achthundert und vier von vierhundert Meter Zellendurchmesser bildeten seine kampfstarke Flotte, doch gegen die fünfzehn von dem Militärstützpunkt aufsteigenden Schlachtschiffe standen sie auf verlorenem Posten.
Aber wir sind ja auch noch da, ging es Dhark durch den Kopf. Wenn sie wirklich angreifen …
Sie griffen an, daran änderten auch Vrl Julks unermüdliche Kontaktversuche nichts.
Ohne Vorwarnung und ohne auf einen Funkspruch des Wer zu reagieren ließen die Kommandanten der fünfzehn 800-Meter-Riesen die Waffen sprechen. Etwas stimmte nicht mit ihnen. Unter normalen Umständen hätten sie es nicht gewagt, den hochrangigen Offizier anzugreifen, doch eins wusste Dhark inzwischen: Die von der Seuche Befallenen verhielten sich nicht so, wie man es sonst von ihnen gewohnt war. Er hatte es in den von der Krankheit heimgesuchten menschlichen Kolonien erlebt.
Für einen Moment schweiften seine Gedanken ab zur PRODONNO, zu Kharamak. Der Händler hielt sich in der Nähe auf. Was tat der Krayn? Beobachtete er die einsetzende Schlacht oder zog er seiner Wege? Dhark wischte die Überlegung beiseite. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich ablenken zu lassen.
Die KOLM PARG stellte sich den Angreifern in vorderster Front entgegen. Offenbar versuchte Vrl Julk, das Gewicht seines Ranges und die eigene Autorität in die Waagschale zu werfen – vergeblich, wie sich zeigte. Gleich zwei Raumgiganten stürzten sich auf den Kommandoraumer des Wer. Die anderen fächerten auf, um sich auf ihresgleichen zu stürzen. Weit außerhalb der Planetenoberfläche irrlichterten Dutzende Energiestrahlen durchs Alls und schufen einen sinnverwirrenden Lichterreigen, der einen Teil der Bildkugel ausfüllte. Die KOLM PARG wurde in gleißende Kaskaden gehüllt. Ihre Schutzschirme absorbierten den Großteil der gewaltigen Energiemengen, der Rest wurde abgelenkt, wischte und züngelte über den Schirm wie tausend hüpfende Feuerstellen.
»Da kommt was auf uns zu!«, stieß Hen Falluta aus.
Ein doppelkugeliges Gebirge aus Stahl, gegen das selbst die POINT OF klein und zerbrechlich wirkte, raste mit ungeheuren Werten heran.
»Der Kommandant muss verrückt sein«, ächzte Tino Grappa an seiner Ortungsanlage. Der Mailänder ballte die Hände zu Fäusten. »Es scheint so, als wolle dieser Irre uns rammen.«
Tatsächlich schien es der Angreifer genau darauf anzulegen. Dhark schnaufte kalt. Mit einem Selbstmordmanöver war der POINT OF nicht beizukommen. Im Schutz des Intervalls befand sie sich gewissermaßen in einem eigenen Universum. Dennoch ging der Commander auf Nummer sicher.
»Ausweichen, Checkmaster!«
Da reagierte das Bordgehirn bereits. Es legte den Ringraumer in eine haarsträubende Kurve.
Dhark verzichtete darauf, in der taktischen Darstellung nach den anderen S-Kreuzern zu sehen. Seine Sorge galt Vrl Julk. Dessen KOLM PARG lag unter schwerem Geschützfeuer. Turmdicke Energiestrahlen mühten sich an ihren flackernden Schutzschirmen ab. Das Feuerwerk, das den zigfachen Tod in sich trug, bot einen optischen Augenschmaus.
Wie Morris ermittelte, bemühte sich der Funker des Wer weiterhin unermüdlich um Kontakt. Er kam nicht zustande.
»Diese Blödmänner wollen nicht reden, die wollen schießen«, brummte Arc Dorn, der ähnliche Gedanken wie der Commander hegte.
Den Rebellen ist es egal, ob sie uns erwischen oder ihre eigenen Leute. Der einzelne 800-Meter-Gigant setzte der POINT OF nach. Es sind keine Rebellen, korrigierte sich Dhark. Und wenn schon, er blieb dabei. In der Hektik fiel ihm keine bessere Bezeichnung ein. »Wir ziehen uns ein wenig zurück, Checkmaster!«
Mehrere Köpfe drehten sich in Dharks Richtung. Er spürte fragende Blicke auf sich lasten.
Zurückziehen? Wieso zurückziehen?
Dhark behielt die Antwort für sich. Er wollte Vrl Julk nicht in die Parade fahren. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass die Terraner im Hoheitsgebiet der Tel nach eigenem Gutdünken agierten. Dies hier war nicht ihre Sache. In einer anderen Situation, bei einem anderen Volk hätte er sich wahrscheinlich weniger Rücksicht auferlegt, doch die Schwarzen Weißen stellten einen Sonderfall dar. Trotz der erfreulichen Annäherung in den letzten Jahren klafften immer noch Gräben zwischen Menschen und Tel. Zudem durfte deren Stolz nicht unterschätzt werden. Wenn sich die Terraner hier ungefragt zu sehr in den Vordergrund schoben, konnte das ihre gute Absicht schnell ins Gegenteil verkehren. Deshalb hielt Dhark es für ratsam, zurückhaltend zu taktieren. Er verhielt sich defensiv, aber beileibe nicht passiv.
»Wir versuchen, ein paar der Angreifer auf uns zu ziehen und sie abzulenken, um dem Wer ein wenig Luft zu verschaffen.«
Denn die hatte der von Cromar abkommandierte Geschwaderführer bitter nötig. Die Rebellen rückten ihm und seinem zahlenmäßig unterlegenen Haufen immer dichter auf die Pelle. Besonders die KOLM PARG befand sich im Fokus der wütenden Angriffe. Dhark vermutete keine Absicht dahinter. Es handelte sich um reinen Zufall.
Der einzelne Verfolger jagte weiter hinter der POINT OF her. Der über anderthalb Kilometer lange Raumriese feuerte mit allem, was er hatte. Seine Strahlenbündel trafen das Intervall, ohne Schaden anzurichten. Sie belasteten das Feld nur minimal, dennoch schlug der Checkmaster einen Haken und erwiderte das Feuer. Nichts sprach gegen Selbstverteidigung. Wenn dabei einer der Angreifer ausgeschaltet wurde, umso besser.
Unwillkürlich erinnerte sich Dhark an den Ellipsoidraumer RUNKRUN, den er im Hoheitsgebiet der Nögk zerstört hatte – eines Missverständnisses wegen, bei dem die gesamte Besatzung der Blauen den Tod gefunden hatte.
Nicht dran denken!
Dies hier war kein Missverständnis. Ganz andere Gründe steckten hinter dem Überfall der Rebellen. Dennoch war dort wie hier Kharamak für die Ereignisse verantwortlich – vermutlich.
Die Antennen der POINT OF strahlten Nadel und Dust ab. Der Checkmaster zielte und traf mit der Präzision einer Maschine, die keine Fahrkarten schoss. Der 800-Meter-Riese steckte mehrere Treffer ein.
Dhark hörte Jean Rochard und Bud Clifton in den Waffensteuerungen jammern, weil das Bordgehirn ihnen einmal mehr die Arbeit abnahm.
Der Doppelkugelraumer drehte ab, nur um Sekunden später einen Haken zu schlagen und den nächsten Anflug einzuleiten. Dhark nutzte die Sekundenpause für einen kurzen Blick in die Bildkugel. Es gelang ihm nicht, die wirr erscheinenden Flugmanöver der anderen S-Kreuzer nachzuvollziehen. Drei von ihnen wurden ebenfalls attackiert, und sie alle verteilten ihre Feuerkraft auf die Angreifer.
»Eins von Vrl Julks Schiffen wurde schwer getroffen«, meldete Grappa. »Schutzschirm ist zusammengebrochen. Ich messe Hüllenbrüche an.«
Es handelte sich um einen der vierhundert Meter durchmessenden Doppelkugelraumer. Er trudelte und driftete ab. Anscheinend hatte der Antrieb etwas abbekommen. Sofort schoben sich zwei der größeren Einheiten zwischen das Wrack und die Angreifer., was diese nur noch wilder zu machen schien.
»Die Kerle sind wie von Sinnen«, fand Chris Shanton.
Vrl Julk meldete sich aus der KOLM PARG. »Es ehrt Sie und uns, dass Sie sich in unserem Hoheitsgebiet zurückhalten, Ren Dhark«, sagte der Wer ohne den geringsten Spott. Seine Worte offenbarten, dass er dem Terraner wegen dessen Zurückhaltung keine Feigheit unterstellte, sondern seine Motive durchaus durchschaute. »Ihre Rücksicht ist jedoch nicht nötig, da ich Sie als unsere Gäste empfangen habe.«
»Na also«, raunte Falluta so leise, dass der Tel es nicht mitbekam. »Wurde aber auch Zeit.«
Dhark nickte seinem Stellvertreter unmerklich zu. Sein Stolz verbot es Vrl Julk, die Menschen, die vor noch gar nicht so langer Zeit Feinde der Tel gewesen waren, direkt um Hilfe zu bitten. Deshalb sprach er durch die Blume, was Dhark augenblicklich begriff.
»Dann haben Sie nichts dagegen, wenn wir unsere Zurückhaltung aufgeben und Sie unterstützen, Wer?«
»Nein, keineswegs. Genehmigung erteilt.«
»Checkmaster«, erhob Dhark die Stimme.
»Mitgehört und verstanden«, kam das Bordgehirn einem Befehl des Kommandanten zuvor. »Ich bereite eine Offensivstrategie vor.«
*
Draußen blitzte es auf, einmal – und wenige Sekunden später ein zweites Mal. Zunächst explodierte eins von Vrl Julks Schiffen, dann eines der Rebellen. Grelle Sonnen blähten sich auf, deren Überreste vom Explosionsdruck davongeweht wurden, wo eben noch zwei 800-Meter-Raumer durchs Vakuum des Raums gerast waren.
Die POINT OF pflügte durch die sich ausbreitende Gas- und Trümmerwolke und eilte einem der neuen Verbündeten entgegen, um diesen zu unterstützen. Als Dhark und seine Leute den vorangegangenen Abschuss noch geistig verarbeiteten, hatte der Checkmaster bereits das nächste Ziel ausgewählt. Aus sämtlichen Antennen feuernd stürzte sich der Ringraumer auf den Gegner, während zwei S-Kreuzer dessen Kommandokugel in die Zange nahmen. Lediglich der Checkmaster konnte dieses Manöver mit solch unglaublicher Präzision durchführen.
Sekundenlang badete das Feindschiff in pinkfarbenen und olivgrünen Strahlen. Risse zogen sich durch den Schutzschirm, verästelten sich immer weiter und wurden zu einem Netz, das aus der Ferne aussah wie tausend filigrane Lavaströme. Dann erlosch es, und der Schirm brach zusammen.
Der Raumgigant schüttelte sich und bäumte sich auf, wie von unsichtbaren Titanenfäusten gepackt. Den auf sie einwirkenden Kräften hatte die Metallhülle nichts entgegenzusetzen. Nadel verwandelte hauswandgroße Stücke der Hülle in Energie, fraß sich ins Innere des Raumers und stanzte einen Tunnel durch Räume, Decks und Ebenen.
Was nicht niet- und nagelfest war, wurde von der entweichenden Atmosphäre ins Vakuum befördert.
Dhark sah es nicht, er wusste es.
Er schloss die Augen zu zwei schmalen Schlitzen, als die Bildkugel die Zerstörungsorgie übertrug.
»Sie haben nicht einmal den Versuch unternommen, uns auszuweichen«, riss Shanton den Commander aus dessen Betrachtung. »Sie flogen einfach aus allen Rohren schießend weiter geradeaus, volle Kanne, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist doch nicht normal!«
»Deren ganzes Verhalten ist nicht normal«, urteilte Parock. Der hünenhafte Kraval hatte bisher still von seinem Spezialsitz aus beobachtet. Nun meldete er sich zum ersten Mal zu Wort. »Die Tel in diesen Schiffen scheinen jeglichen Überlebensinstinkt verloren zu haben.«
»Wenn sich überhaupt welche an Bord aufhalten«, überlegte Falluta laut.
»Automatisch gesteuerte Schiffe ohne Besatzungen?«, fragte Doorn. »Schwer vorstellbar.«
»Und unzutreffend«, warf Grappa ein. »Nach dem Zusammenbruch des Schutzschirms habe ich Biosignale geortet, zweiundfünfzig an der Zahl. Jetzt bekomme ich noch siebenunddreißig herein.«
Fünfzig Mann betrug die obligatorische Besatzungsstärke bei diesem Schiffstyp. Dhark beobachtete den waidwund geschossenen Doppelkugelraumer. Unwillkürlich erwartete er, das Schiff würde abdrehen und sich zurückziehen. Das Gegenteil trat ein. Nach kurzem Zögern, so als habe die Besatzung sich nach den schweren Treffern zuerst orientieren müssen, beschleunigten die Tel.
»Sie greifen wieder an, und zwar wie die Berserker.« Grappa klang fassungslos. »Die reinsten Selbstmörder!«
»Anfunken, Mister Morris!«, verlangte Dhark.
»Das mache ich schon die ganze Zeit, Commander. Die KOLM PARG funkt auch ununterbrochen. Sinnlos! Keine Reaktion. Diese Verrückten fliegen sehenden Auges in ihren Untergang.«
»Oder sie reißen uns alle mit in den Tod«, schimpfte Doorn. »Wer hier als Sieger vom Platz geht, steht noch lange nicht fest.«
Dhark nickte. Der Worgunmutant hatte ganz recht. Die Kompromisslosigkeit, mit der die Rebellen vorgingen, machte sie zwar anfällig, bedeutete aber auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Dhark äußerte die Befürchtung, die gegnerischen Schiffe zerstören zu müssen, solange sie weiter angriffen. Durch deren aggressive Vorgehensweise sah er keine andere Möglichkeit, sie aufzuhalten und den Kampf zu beenden. Vrl Julk gab zu, die gleichen Überlegungen zu hegen. Er stimmte dem Terraner ausdrücklich zu.
»Diese Tel sind Verräter«, zürnte der Schwarze Weiße. »Sie stellen sich gegen das Imperium, gegen das Volk und gegen den Vank, daher verdienen sie den Tod. Die Männer sind ausnahmslos militärisch gedrillt und verfügen über eine eiserne Disziplin. Zumindest nahm ich das bisher an, doch ich unterlag einem Irrtum. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist.«
»Aber ich möglicherweise«, gab der Commander zurück. Unvermindert rasten Energiestrahlen durch die Bildkugel. Die Schlacht wurde immer heftiger geführt. »Ich glaube, Ihre Leute werden durch ein Virus zu ihren Handlungen gezwungen. Sie sind nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren.«
»Ein Virus?«, echote Vrl Julk. »Ausgesetzt von diesem Kharamak?«
»Vermutlich.« Eine eindeutige Antwort auf diese Frage besaß auch Dhark nicht.
»Wenn ich ihn in die Hände bekomme, werde ich ihn töten«, drohte der Tel. »Dann möge ihm Porasa gnädig sein. Doch dies ändert nichts an meiner Pflicht. Ich muss die Schiffe aufhalten, und sei es, indem ich sie ausnahmslos vernichte. Haben Sie keine moralischen Bedenken, dies ebenfalls zu tun, Ren Dhark.«
Der Commander vernahm die Aufforderung mit Grimm. Leichter gesagt als getan, selbst mit Einwilligung des Wer oder gar des Vank. Ihm war alles andere als wohl bei der Vorstellung, Tel zu töten.
Der schwer angeschlagene Angreifer setzte weiter nach. Er schien es speziell auf die POINT OF abgesehen zu haben. Erkannte der Kommandant, dass der Ringraumerverband von diesem Schiff aus gesteuert wurde? Möglich. Dafür sprach auch die Tatsache, dass sich zwei weitere 800-Meter-Riesen hinzugesellten.
Unversehens fand sich die POINT OF in einem verwirrenden Dickicht aus Energiestrahlen wieder. Nur der Checkmaster ließ sich davon nicht irritieren. Abermals fraß sich Nadel in die Hülle des wracken Raumers, der daraufhin in einer lautlosen aber heftigen Explosion verging. Die beiden anderen Angreifer ließen sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Sie sahen ihre Chance gekommen, das Intervallum des Ringraumers auszuschalten, und bewiesen, dass mit den Doppelkugelraumern der Schwarzen Weißen nicht zu spaßen war. Selbst mit beeinflussten Tel an den Instrumenten stellten sie einen ernstzunehmenden Gegner dar.
Dhark stellte es im nächsten Moment fest, seine POINT OF flog quasi nackt durchs Weltall.
»Intervallum ist unten«, kommentierte Grappa den Ausfall des Feldes.
Die Energiestrahlen des Gegners trafen jetzt dutzendfach direkt auf die einen halben Meter dicke Wandung des Ringraumers – doch diese bestand immer noch aus dem Superschwermetall Unitall. Die Strahlen wischten über die violettblaue Hülle, ohne ihr auf Anhieb etwas anhaben zu können. Sogar Nadel benötigte zweihundertzehn Sekunden, um das Unitall zu knacken. Trotzdem war das Schiff nicht unverwundbar, und die Angreifer setzten mit aller Vehemenz nach. Dhark wollte eingreifen, doch abermals kam ihm das Bordgehirn zuvor. Gedankenschnell flog es einen Ausweichkurs und entzog die POINT OF dem direkten Feuer der Tel. Der blitzschnellen Umstrukturierung der S-Kreuzer-Formation vermochte Dhark selbst in der Bildkugel kaum zu folgen. Ehe er sich versah, befanden sich die neun Ringe zwischen der POINT OF und den Doppelkugeln.
*
Die Schlacht wogte noch eine ganze Weile hin und her. Keiner der beiden Kampfparteien gelang es, einen entscheidenden Vorteil zu erringen. Beide Seiten hatten Verluste zu beklagen. Die anfänglichen Beobachtungen bestätigten sich. Die Rebellen wider Willen griffen mit einer ungezügelten Kampfeslust an, als gäbe es kein Morgen.
Für die meisten von ihnen stimmte das sogar – und auch für viele von Vrl Julks Männern. Der Wer verlor einen 400-Meter-Raumer und einen 800-Meter-Giganten.
Auch die S-Kreuzer gerieten jetzt zunehmend in Gefahr. Dem Checkmaster blieb nichts anderes übrig, als immer mal wieder eins der Schiffe hinter dem Verband in Sicherheit zu bringen, damit dieses sein Intervallum wieder aufbauen konnte. Das Doppelintervall der POINT OF stand längst wieder.
Obwohl die Funkverbindung zwischen der POINT OF und der KOLM PARG bestehen blieb, fand vorübergehend kein Informationsaustausch statt. Es gab nichts zu sagen. Dhark spürte jedoch, dass der Wer ihm inzwischen ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbrachte. Er merkte seinerseits, dass es sich bei Vrl Julk um einen vernünftigen Mann handelte, der sich nicht von Vorurteilen gegen die von manchen Tel so genannten »weißen Affen« leiten ließ.
Am Ende unterlagen die von Corrn gestarteten Kampfraumer trotz ihrer anfangs zahlenmäßigen Überlegenheit. Das Zünglein an der Waage spielten die POINT OF und der vom Checkmaster gesteuerte S-Kreuzer-Verband. Fast alle Angreifer wurden bei der Schlacht zerstört. Lediglich zwei 800-Meter-Doppelkugelraumer blieben übrig.
»Sie ziehen sich zurück«, stellte Hen Falluta erleichtert fest.
»Aber wahrscheinlich auch nur deshalb, weil sie kaum noch flugfähig sind«, knurrte Doorn.
Die Gründe waren Dhark egal. Hauptsache, der Kampf endete endlich. Mit geringer Geschwindigkeit sanken die beiden schwer angeschlagenen Schiffe durch die Wolkendecke von Corrn.
»Haben Sie sie in der Erfassung, Mister Grappa?« Dhark wollte keine unangenehme Überraschung erleben. Vielleicht überlegten die beeinflussten Tel es sich im letzten Augenblick doch noch anders.
»Aye, Commander. Deutlich rückläufige Energieentfaltung. Sie fahren die Waffensysteme herunter. Denen sind die Flausen vergangen. Sie nähern sich der Planetenoberfläche und landen.«
Dhark vernahm die Meldung seines Ortungschefs mit derselben Erleichterung, mit der er vom Checkmaster erfuhr, dass sie selbst keinen Totalausfall zu beklagen hatten. Lediglich einer der S-Kreuzer wies leichte Schäden auf.
»Diese lassen sich aber ohne Probleme beim nächsten Werftbesuch reparieren«, traf das Bordgehirn eine beruhigende Feststellung. »Das Schiff kann ohne nennenswerte Beeinträchtigung im weiteren Verlauf unserer Mission eingesetzt werden. Ich empfehle jedoch einschränkend, es bei einem neuerlichen Kampf nicht an vorderster Front einzusetzen.«
Ich habe nicht die Absicht, in eine weitere Schlacht zu ziehen, dachte Dhark.
Doch auf sein Wollen allein kam es nicht an. Auch den hinter ihm liegenden Kampf hatten ihm die Umstände aufgezwungen.
»Verstanden«, sagte er nur. Er wandte sich über Funk an die KOLM PARG: »Ich bedaure Ihre Verluste, Wer.«
»Leider ließen sie sich nicht vermeiden«, antwortete der Schwarze Weiße. »Ich danke Ihnen dennoch für Ihr Mitgefühl.«
Plötzlich fiel Dhark etwas ein, das er im Eifer des Gefechts ganz aus den Augen verloren hatte. »Tino, orten Sie nach der PRODONNO!«
Augenblicklich verfiel Grappa in hektische Aktivität. Stimmen schwirrten durch die Zentrale. An den Krayn, der vermutlich für das ganze Chaos verantwortlich war, hatte vorübergehend niemand mehr gedacht. Sie durften die Spur des Händlers nicht verlieren, sonst ging das Spiel an anderer Stelle von Neuem los. Vrl Julk übermittelte, dass sein Ortungsoffizier ebenfalls nach fremden Energiesignaturen suchte.
»Wenn dieser verlogene Mistkerl schon wieder den Hals aus der Schlinge zieht, fresse ich einen Besen«, maulte Doorn.
Dhark presste die Lippen aufeinander. Vollends wollte er noch immer nicht den Stab über Kharamak brechen. Ein verlässlicher Beweis für dessen Schuld stand bis heute nicht zur Verfügung. Andererseits konnte es einfach kein Zufall sein, dass überall dort, wo der Händler in Erscheinung trat, eine Krankheit ausbrach oder sonstige Zwischenfälle Tod und Verderben brachten.
Und wenn Kharamak eine Seuche verbreitete, ohne sich dessen selbst bewusst zu sein?
Dhark wusste nicht, was er denken sollte.
»Die PRODONNO ist fort, Commander«, meldete Grappa schulterzuckend. Er warf Doorn einen kurzen Blick zu. »Guten Appetit beim Verspeisen des Besens. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Ich kann der Spur folgen, die die Signatur der PRODONNO hinterlässt.«
Sekunden später meldete sich Vrl Julk wieder. Die KOLM PARG maß im Opalus-System keine Energieimpulse an, die nicht dort hingehörten.
»Offenbar hat dieser Kharamak das Ende der Schlacht nicht abgewartet. Er ist weitergeflogen.«
»Aber wir haben seine Energiespur, Wer«, offenbarte Dhark dem Tel. »Die Frage ist, wie gehen wir vor? Ich nehme an, wir stimmen darin überein, dass wir die PRODONNO verfolgen?«
»Wohin fliegt sie?«, antwortete Vrl Julk mit einer Gegenfrage.
»Tino?«, wandte sich Dhark an seinen Ortungschef.
»Tiefer hinein ins Telin-Imperium.«
Dhark nickte schwach. Nichts anderes hatte er erwartet. Es juckte ihn in den Fingern, die Jagd auf den Krayn fortzusetzen, aber wieder machte er sich klar, wo sie sich aufhielten. Sie konnten nicht auf eigene Faust kreuz und quer durchs Hoheitsgebiet der Tel fliegen. Früher oder später würde das auch Kharamak zum Verhängnis werden. Vielleicht aber auch nicht. Der Kerl war schlau.
»Was schlagen Sie vor, Wer?«
Vrl Julk antwortete: »Dass wir uns gemeinsam an die Verfolgung machen.«
»Ich hegte dieselbe Überlegung.«
»Gut. Ich kann meine kleine Flotte aber nicht sofort in Marsch setzen. Die Schiffe müssen auf dem Stützpunkt landen. Eine andere Entscheidung kann ich dem Vank gegenüber nicht rechtfertigen. Wir müssen uns um die Überlebenden auf Corrn kümmern.«
Das verstand Dhark. Er anstelle des Tel hätte nicht anders gehandelt. »Uns bleibt aber nur eine geringe Zeitspanne, um die Verfolgung aufzunehmen. Die Spur der PRODONNO finden wir wieder, nicht wahr, Tino?«
Grappa nickte. »Ja, Commander – wenn wir uns bald auf die Socken machen.«
»Sie erwähnten, dass sich einige Ihrer Ärzte auf Parkan aufhalten und sich mit einem Impfstoff um unsere Kolonisten kümmern, Ren Dhark«, erinnerte sich Vrl Julk.
»So ist es.«
»Inzwischen dürften die Terraner ihre Hilfstätigkeit dort beendet haben.«
»Davon gehe ich aus«, bestätigte Dhark. »Sie warten darauf, dass wir sie wieder abholen. Das müssen wir aber auf später verschieben. Die Abholaktion würde zu viel Zeit kosten. Bis wir Parkan erreichen und wieder hier sind, ist Kharamak über alle Berge.«
»Ich habe eine andere Idee«, offenbarte Vrl Julk nachdenklich. »Ich schicke ein Schiff nach Parkan. Es nimmt Ihre Mediziner auf und bringt sie nach Corrn. Mit Ihrem Einverständnis können die Ärzte, die sich ja mit der Krankheit auskennen, meine Leute dabei unterstützen, die Überlebenden auf dem Stützpunkt zu heilen und geordnete Verhältnisse herzustellen.«
»Selbstverständlich bin ich einverstanden.«
»Dann schließe ich mich Ihnen mit der KOLM PARG an«, fuhr der Wer fort. »Wir können umgehend aufbrechen. Unser gemeinsames Vorgehen wird Komplikationen verhindern, falls Sie zufällig auf weitere Schiffe des Imperiums treffen.«
Dhark willigte nur allzu gerne ein. Mit einem Wer an der Seite konnten mögliche Missverständnisse ausgeräumt werden, bevor sie eskalierten. Bei Vrl Julk handelte es sich um einen besonnenen und intelligenten Tel, nicht um einen Kommisskopp, sondern um einen Mitstreiter, der das gleiche Ziel wie die Terraner verfolgte. Längst nicht jeder Schwarze Weiße würde dem alten galaktischen Rivalen so kooperationsbereit gegenübertreten.
Vrl Julk kommandierte eins seiner Schiffe unter dem Kommando von Kolc Bran ab, nach Parkan zu fliegen und die Terraner von der Kolonialwelt abzuholen. Die übrigen verbliebenen Doppelkugelraumer setzten zum Landeanflug auf Corrn an, während sich die zehn Ringraumer und die KOLM PARG anschickten, der Energiesignatur der PRODONNO zu folgen.
2.
»Was hast du vor?«, wollte Koko wissen. »Wohin lenkst du die PRODONNO?«
»Die Frage ist deiner nicht würdig«, fand Kharamak. »Denn du solltest sie dir selbst beantworten können. Ich fliege ein weiteres Sonnensystem der Tel an.«
»Du hast schon zwei ihrer Welten besucht und ihnen ein Abschiedsgeschenk dagelassen«, erinnerte der Kontrollkomp seinen Dienstherrn an die zuletzt hinter ihnen liegenden Stationen auf ihrer seit Jahrtausenden andauernden Reise. »Ich finde, das genügt.«
»Findest du?«
»Ja.«
»Das sind ja ganz neue Töne.« Selbst nach der langen Zeitspanne ihrer gemeinsamen Reise gelang es dem Steuerprogramm hin und wieder noch, den Hyla zu überraschen. Er war nicht verärgert, eher amüsiert. »Willst du mich etwa bevormunden?«
»Wer bin ich, dass ich auf eine solche Idee käme?«, gab Koko korrekterweise zurück. »Ich frage mich nur, was du noch von diesem Volk erwartest. Die Tel haben nicht mehr zu bieten, als du bereits weißt. Du wirst nichts Neues mehr über sie erfahren. Stattdessen wirst du lediglich eine weitere Enttäuschung erleben.«
»Da bin ich anderer Meinung«, beharrte Kharamak auf seinem Standpunkt. »Ich will ihnen eine letzte Chance geben zu beweisen, dass sie kein so langweiliges Volk sind wie viele andere vor ihnen. Vielleicht schaffen es die Tel auf dem nächsten Planeten, mich positiv zu überraschen. Das wäre doch mal was! Vielleicht können sie mich durch ihr Verhalten sogar davon überzeugen, dass sie den Tod nicht verdienen.«
Diesmal dauerte es einen Moment, bis Koko antwortete. »Ein törichte Hoffnung. Diese wiederum ist nun deiner nicht würdig.«
»Äußerst spitzfindig.« Kharamak lachte. Ihm war das kurze Zögern der quasiintelligenten Steuereinheit nicht entgangen. »Du sorgst dich weniger darum, dass ich die nächste Enttäuschung erlebe, als vielmehr um etwas anderes. Du hoffst insgeheim, dass weitere Welten der Tel von einem Abschiedsgeschenk verschont bleiben, wenn wir abdrehen und diesen Raumsektor verlassen.«
»Wie kommst du auf diese Idee?«, wunderte sich Koko.
»Liege ich so falsch damit?« Nein, das tat er nicht, da war sich Kharamak sicher. Das neuerliche Zögern seines maschinellen Gesprächspartners untermauerte diese Vermutung. »Fängst du an, die Langweiler zu bedauern? Möchtest du ihnen das Schicksal ersparen, das sie verdienen?«
»Eine lächerliche Überlegung«, behauptete Koko.
»Also ist es dir gleichgültig, dass ich solche Völker verdientermaßen ausrotte?«
»Ich finde es unnötig, doch das sage ich dir nicht zum ersten Mal.«
»Unnötig? Oder bedauerlich?«, hakte Kharamak mit melodiöser Stimme nach, während er die Steuerung der PRODONNO justierte und eine geringfügige Kurskorrektur vornahm. Die Spürer des Schiffs ermittelten ein Sonnensystem, das dem Hyla vielversprechend erschien.
»Ich bedauere gar nichts«, wich Koko aus. »Vergisst du, dass ich eine Maschinenintelligenz bin?«
So wie ich einen künstlich erschaffenen Körper besitze, ging es Kharamak durch den Kopf. Willst du mich darauf hinweisen, dass ich ein Androide bin, Koko?
Der Hyla in der Gestalt eines Krayn betrachtete sich in einer spiegelnden Wandfläche des Bugsegs. Er sah einen Humanoiden von einem Meter siebzig Körpergröße, mit stämmiger Statur und einem kantigen Schädel, den ein Haarkranz umflorte. Von Haarbüscheln überwölbte, große schwarze Augen dominierten das flache Gesicht, in dem der schmale, lippenlose Mund und die unscheinbaren Atemöffnungen kaum auffielen. Für einen Moment wurde sein Abbild von dem Fiefes überlagert, seiner letzten Krayn-Frau auf Kratyn, die wie das gesamte Volk der Krayn den Sidero zum Opfer gefallen war.
»Schweigst du, weil du mir recht gibt?«, bohrte die Steuereinheit nach. »Kein Wunder, denn du benimmst dich starrköpfig.«
»Lediglich konsequent«, widersprach Kharamak.
»Du spielst mit dem Nervenkitzel, doch noch erwischt zu werden«, fuhr Koko unbeeindruckt fort. »Du kennst die Größe des Telin-Imperiums und die Machtfülle seiner Bewohner so gut wie ich. Deshalb weißt du ganz genau, dass die PRODONNO trotz aller technischen Finessen gegen einen großen Kampfverband der Tel keine Chance hat. Mich wundert, dass du dich so schnell aus dem Opalus-System zurückgezogen hast. Nach dem Eintreffen der Flotte hätte ich erwartet, dass du dein Glück herausforderst.«
»Beim nächsten Mal wieder«, gab Kharamak gelassen zurück.
»Du hast sie wiedererkannt, nicht wahr?«, fragte Koko kühl.
»Die Flotte?«
»Du weißt genau, wen ich meine«, versetzte der Kontrollkomp. »Den Ringraumer namens POINT OF und seine Begleitschiffe, der uns schon bei den Nögk aus der Patsche geholfen hat.«
Der Stich traf. Für einen Moment bemächtigte sich Verunsicherung des Hylas, denn tatsächlich konnte er sich das Auftauchen der POINT OF im Opalus-System nicht erklären. Einen Zufall schloss er aus. Solche Zufälle gab es nicht. Kharamak ging davon aus, dass der terranische Kommandant Ren Dhark ihn gesucht und gefunden hatte, wie auch immer dieser das angestellt haben mochte.
Kharamak lauschte in sich hinein. Hatte er wegen des Eintreffens der POINT OF den Weiterflug gewählt, statt die weitere Entwicklung auf und über dem Tel-Planeten Corrn abzuwarten? Natürlich nicht!
Er kam zu dem Schluss, dass es aus reiner Langeweile geschehen war. Schließlich wusste er, was nach dem Freisetzen des Virus mit den infizierten Tel ebenso wie mit anderen Humanoiden geschah. Warum sollte er einer häufig miterlebten Entwicklung zum x-ten Mal beiwohnen?
Die nächste Frage des Steuerprogramms versetzte Kharamak einen noch größeren Stich als jene zuvor, weil sie ihn wie aus heiterem Himmel traf.
*
Bei der vor der POINT OF liegenden Aufgabe waren vor allem Tino Grappas Fähigkeiten gefragt. Der Mailänder galt als wahrer Meister an der Ortungsanlage, und dies demonstrierte er nun mit Nachdruck.
Vollkommen in seine Arbeit versunken schien Grappa kaum mitzubekommen, was um ihn herum vorging. Seine ganze Konzentration richtete sich auf die Energiesignatur, die die PRODONNO im Weltraum hinterließ.
Seine Tätigkeit bedeutete für Grappa die Wanderung auf einem schmalen Grat. Einerseits musste er die von der Signatur gebildete Spur in Flugrichtung so weit wie möglich ermitteln, vorausahnen beinahe, andererseits durfte er sich keine Fehlberechnung erlauben, weil die POINT OF sonst einen falschen Kurs einschlug und aus der Verfolgung unversehens ein Blindflug ins Nichts wurde.
Allerdings ließ sich ein solcher Fehler bei einem Flug mit Sternensog leichter korrigieren als bei einer Transition, nach der man in einem Raumabschnitt herauskam, in dem die Energiesignatur schlicht und einfach nicht existierte.
Dencil Yell, wie Grappa ein Virtuose an den Ortungsinstrumenten, unterstützte seinen Vorgesetzten. Er achtete auf all die Dinge, um die sich der Mailänder momentan nicht kümmern konnte. Schließlich umfasste die Raumbeobachtung weitaus mehr als diese eine Energiespur.
Die von Grappa ermittelten und laufend aktualisierten Werte wurden automatisch zum Checkmaster übermittelt, der die zehn Ringraumer weiterhin im Verband steuerte.
Falluta verfolgte den Kurs mit Argusaugen. »Keine Abweichungen, keine Unregelmäßigkeiten. Kharamak scheint überhaupt nicht auf die Idee zu kommen, dass ihm jemand folgen könnte.«
»Ich denke doch.« Shanton blies die Backen auf. »Aber er schert sich einfach nicht darum. Der Kerl ist abgebrüht wie Hühnerbouillon.«
Doorn nickte zustimmend. »Jede Wette, dass er bei unserem nächsten Zusammentreffen wieder das arme Unschuldslamm spielt.«
Für ein nächstes Zusammentreffen müssen wir ihn erst mal kriegen, dachte Dhark grimmig.
Ob dies gelingen würde, stand in den Sternen.
Die POINT OF und die S-Kreuzer rasten aus dem Opalus-System in den interstellaren Leerraum hinaus, dicht gefolgt von der KOLM PARG. Den Militärstützpunkt der Schwarzen Weißen hatte der Commander bereits aus seinen Überlegungen verbannt.
Wie Grappa konzentrierte sich auch der Commander ganz auf die vor ihm liegende Mission: Kharamak einholen, ihn stellen und ein für alle Mal für klare Verhältnisse sorgen. Schuldig des mehrfachen Massenmordes oder tatsächlich nur ein durch widrige Umstände unschuldig in Verdacht geratener Händler, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte?
Je mehr die Ringraumer beschleunigten, desto weiter fiel der Doppelkugelraumer zurück. Schiffe der Tel verfügten nicht über Sternensog, deshalb konnte Vrl Julk im Normalraum nicht mit den Terranern mithalten. Die einzige ihm zur Verfügung stehende Form des Überlichtfluges war die Transition, sodass Dhark und der Wer eine Vereinbarung getroffen hatten, bei der sie beide möglichst wenig Zeit verloren, ohne dabei jedoch ihre Zusammenarbeit beenden zu müssen.
»Die KOLM PARG fährt ihre Sprungtriebwerke hoch«, meldete Dencil Yell.
Es ging los. Unwillkürlich schaute Dhark zur Bildkugel hinüber, in der neben den Symbolen für die Ringraumer auch eine den 800-Meter-Doppelkugelraumer darstellende Markierung prangte. Gerade als Dhark sie ins Auge fasste, verschwand sie.
»Die KOLM PARG ist gesprungen«, kommentierte Yell den Vorgang. In der nächsten Sekunde schob er hinterher: »Ich habe sie wieder in der Erfassung. Wiedereintritt in den Normalraum ist erfolgt. Alles in Ordnung.«
*
»Empfindest du nach all den Jahrtausenden eine Art Todessehnsucht?« Die Frage des Kontrollkomps hing dräuend in der Luft.
»Erwecke ich diesen Eindruck?«, wollte Kharamak wissen.
»Zuweilen deutet dein Verhalten darauf hin, so wie in diesem Moment«, beschied Koko.
Der Hyla lachte – und fragte sich in der nächsten Sekunde, ob dieses Lachen Unsicherheit entsprang. Dazu bestand keinerlei Veranlassung. Die Vergangenheit hatte oft genug eindrucksvoll bewiesen, wozu er in der Lage war, er ebenso wie die PRODONNO. Dennoch durfte er Kokos Warnung nicht leichtfertig abtun. Unzerstörbar war sein Schiff nicht. Die Schlachtschiffe der Tel verfügten über eine beeindruckende Kampfkraft. Wie wäre wohl das Aufeinandertreffen mit den Nögk verlaufen ohne die Intervention der Terraner zu seinen Gunsten? Eine interessante Frage – deren Antwort Kharamak keineswegs fürchtete. Er wäre auf andere Weise davongekommen, so wie immer. Er konnte nicht leugnen, dass er eine unterschwellige Befriedigung aus der Gefahr gezogen hatte. Nach dem Grund dafür brauchte er nicht lange zu suchen.
Ja, wegen des Nervenkitzels. Wegen der Zerstreuung. Wegen ein paar flüchtigen Augenblicken der Kurzweil.
»Du solltest mich besser kennen«, hielt er der Steuereinheit entgegen.
»Manchmal glaube ich dich in- und auswendig zu kennen«, ließ Koko ihn wissen, »doch dann verhältst du dich auf einmal völlig atypisch.«
»Das ist eine normale Verhaltensweise intelligenter Wesen«, belehrte Kharamak seinen künstlichen Gefährten. »Damit stehe ich nicht allein da. Du wirst das natürlich niemals verstehen können, weil ich dich nicht darauf programmiert habe.«
»Wieso eigentlich nicht?«
»Weil selbst mir gewisse Grenzen gesetzt sind«, behauptete der Hyla.
»Das sehe ich ein, doch es beantwortet nicht meine Eingangsfrage.« Koko verbiss sich richtiggehend in das einmal angeschnittene Thema. »Scheust du davor zurück, sie mir nachvollziehbar zu beantworten?«
Die Hartnäckigkeit der Steuereinheit drängte Kharamak in die Ecke. Die Richtung, in die sich das Gespräch entwickelte, behagte dem Händler nicht. Er hätte es kurzerhand unterbinden können, fürchtete jedoch, sich damit eine Blöße zu geben. Er stellte überrascht fest, dass er eine solche Befürchtung noch nie gehegt hatte. Wie konnte er sich vor Koko eine Blöße geben? Allein die Vorstellung war absurd. Dennoch ging sie ihm nicht aus dem Kopf.
Kharamaks Greiflappen wischten fahrig über die Steuerelemente der PRODONNO. Er fasste den hochauflösenden Prismaschirm ins Auge und starrte in die Schwärze des Alls hinaus.
Auf einmal kamen ihm all die Galaxien mit ihren Myriaden Sternen unwirklich vor, wie Staffage, die einzig als Bühne für seinen Forscherdrang diente. Keine der unzähligen Welten da draußen bedeutete ihm etwas, begriff er mit plötzlicher Klarheit, auch nicht die auf vielen von ihnen lebenden Völker. Von diesen reichte keines an die Krayn heran. Zumindest war ihm noch keine Spezies begegnet, die jenen, deren Äußeres er besaß, nahekam. Er trauerte ihrem Verlust nach, der ihn viel stärker beschäftigte, als er sich das jemals hatte eingestehen wollen. Er verwünschte die mörderischen Sidero. Dass er diese ausgerottet hatte, änderte nichts an der Tatsache, dass alle Krayn tot waren. Die Bestrafung der Mörder änderte daran nicht das Geringste.
»Die Sidero …«, sang Kharamak in Erinnerungen versunken.
Prompt griff Koko das Stichwort auf. »Du denkst noch immer an sie?«
»Wieso denn nicht? Mögen auch Jahrtausende vergangen sein, mein Erinnerungsvermögen ist ungetrübt. Ich habe keinen unserer Besuche vergessen, in welcher Galaxis und auf welchem Planeten auch immer.«
»Trotzdem, an wie viele der anderen Völker, denen du ein Abschiedsgeschenk dagelassen hast, denkst du sonst noch zurück?«, bohrte Koko in der Wunde des Hyla. »Ich meine damit nicht die Wesen, auf die wir erst kürzlich getroffen sind – die Nögk, die Terraner, die Tel.«
»An wenige«, gestand Kharamak. »Na gut, vielleicht auch an keine.«
»Was die Relevanz meiner Frage nur noch unterstreicht – auf die du mir übrigens immer noch keine Antwort gegeben hast. Weißt du noch, wie du dich auf Kratyn verhalten hast, als Fiefe starb und dir klar wurde, dass das ganze Volk der Krayn zum Tode verurteilt ist?«
»Ich sagte dir eben, dass mein Erinnerungsvermögen ungetrübt ist«, raunte der Händler widerwillig.
»Du wolltest auf dem Planeten sterben.«
»Ein vorübergehender Augenblick der Schwäche.«
»Das dachte ich auch – bis vor Kurzem jedenfalls. Jetzt habe ich Zweifel. Mittlerweile begreife ich nämlich, dass du den Tod der Krayn niemals verwunden hast. Er macht dir nach wie vor zu schaffen.«
»Das ist möglich«, räumte Kharamak ein. »Allerdings interpretierst du in diese Tatsache zu viel hinein. Deine Sorge ist unbegründet, und deine Vermutung entbehrt jeglicher Grundlage. Außerdem habe ich das Risiko des Besuchs weiterer Welten der Tel abgewägt. Es hält sich in Grenzen. Ich vertraue auf die hervorragende Tarnung der PRODONNO.«
»Diese stelle ich nicht in Abrede«, versicherte Koko. »Sie ist jedoch hinfällig, wenn du nicht auf sie zurückgreifst, weil du dich deinen Studienobjekten offen zeigst. Beabsichtigst du, diese leichtsinnige Vorgehensweise am nächsten Zielort zu ändern?«
»Wir werden sehen«, würgte der Hyla das Gespräch ab.
Das nächste Sonnensystem lag nicht mehr weit vor der PRODONNO, und er wollte sich in Ruhe überlegen, welche Waren er dort feilbieten konnte. Es war kein Vorwand. Der Drang zum Handel pulsierte in ihm, seit er auf Kratyn sein Vagabundenbündel geschnürt und sich aufgemacht hatte, zu einem der erfolgreichsten Händler des Planeten zu werden.
*
In der KOLM PARG war keineswegs alles so in Ordnung, wie Dencil Yell es vermutete, doch das konnte der Ortungstechniker nicht ahnen. Nur wenige Menschen kannten die Schwierigkeiten, mit denen Tel bei einem Sprung durch den Hyperraum konfrontiert wurden.
Vrl Julk kannte sie umso besser, ebenso wie jeder seiner Offiziere in der Zentrale und darüber hinaus jedes einzelne Besatzungsmitglied an Bord. Der Wer wusste genau, was auf ihn und seine Männer zukam. Er wusste es vor jeder Transition, doch das hielt einen Soldaten des Imperiums nicht von der Erfüllung seiner Pflicht ab.
Nur beiläufig nahm er die Anwesenheit speziell für die behelfsmäßige Schiffsführung programmierter Roboter wahr, die sich bei jedem Raummanöver in der Zentrale aufhielten. Standardprozedur. Die Maschinen warteten reglos in Nischen, in denen sie nicht im Weg herumstanden, scheinbar inaktiv, tatsächlich jedoch bereit, augenblicklich für die Tel einzuspringen, sollte es sich als nötig erweisen. Äußerlich unterschieden nur die leuchtend roten Augen die Roboter von ihren Herren.
Vrl Julk befahl die Transition, und der Pilot nahm die erforderliche Schaltung vor. Die KOLM PARG sprang mit dem Kursvektor, den die POINT OF mit Sternensog angelegt hatte. Sie trat in den Hyperraum ein, durcheilte die programmierte Sprungetappe in Nullzeit und kehrte im selben Augenblick in das gewohnte Raumzeitkontinuum zurück.