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Eine unbekannte Macht hat offenbar damit begonnen, Teilnehmer des streng geheimen Unsterblichkeitsprogramms zu entführen. Ren Dhark setzt alles daran, den Entführern das Handwerk zu legen, und stößt dabei auf einen Namen, mit dem niemand gerechnet hätte. Währenddessen spitzt sich die Lage auf dem bis dato harmlos wirkenden Planeten, auf dem die Rekruten unter Maria Morales eine Bodenübung durchführen, drastisch zu. Die jungen Leute bekommen es mit einem rücksichtslosen Feind zu tun, den Todesmaschinen der Götter... Jan Gardemann, Jessica Keppler und Nina Morawietz schrieben einen faszinierenden SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.
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Seitenzahl: 368
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 89
Todesmaschinen der Götter
von
Jessica Keppler
(Kapitel 1 bis 3 und 22 bis 24)
Jan Gardemann
(Kapitel 4 bis 11)
Nina Morawietz
(Kapitel 12 bis 21)
und
Ben B. Black
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
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14.
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20.
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22.
23.
24.
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Impressum
Vorwort
Manches Mal nehmen die Dinge einen interessanten Verlauf. Vielleicht haben Sie, liebe Leser, bereits den Klappentext des vorliegenden Buchs und/oder Seite 3 gelesen und sind dabei auf einen Namen gestoßen, der Ihnen bis dato unbekannt war: Jessica Keppler. Wie bereits die abweichende Schreibweise des Nachnamens verrät, ist Jessica keine Nachfahrin des berühmten Astronomen – zumindest ist ihr nichts dergleichen bekannt. Das hindert sie jedoch in keiner Weise daran, sich nicht nur für Naturwissenschaft, sondern auch für Science-Fiction zu interessieren.
Wie sie mir in einem längeren Telefonat erzählt hat, begann ihre Affinität zur SF bereits früh mit Geschichten wie Ender’s Game und streifte dann im Jugendalter auch Klassiker wie Orwells 1984, was sie zu eigenen Kurzgeschichten inspirierte. Später kam Jessica unter anderem mit Star Trek in Berührung, wobei sie speziell Data äußerst interessant findet, wie sie mir verriet, vor allem dann, wenn er versucht, wie ein Mensch zu sein.
Diese Eindrücke haben dann wahrscheinlich auch ihre Studienwahl beeinflusst: Mathematik und (immer wieder mal als Hobby) Robotikmodule. Wenn keine guten Science-Fiction-Geschichten in Reichweite sind, bevorzugt Jessica Thriller und Horror-Geschichten als Lektüre.
So viel zu ihrer Person, nun aber zurück zu den Dingen mit dem interessanten Verlauf: Jessica ist seit geraumer Zeit als Korrektor für unser aller Lieblingsserie tätig. Dabei hat sie REN DHARK kennen- und vor allem schätzen gelernt. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass neben dem fachlichen Austausch über Rechtschreibung und Grammatik, der mit den Korrektoren von Zeit zu Zeit stattfindet, bei Jessica das Gespräch auch immer wieder auf die Inhalte der Serie kam. Das führte dann im weiteren Verlauf dazu, dass ich sie eines Tages fragte, ob sie sich vorstellen könnte, einmal selbst für REN DHARK zu schreiben.
Nun, die Antwort auf diese Frage liegt Ihnen mit dem Band, den Sie gerade in Händen halten, vor. Nicht nur dass Jessica damit ihren ersten Roman zu REN DHARK beisteuert, ich habe sie auch direkt ins kalte Wasser geworfen, indem ich ihr die Erzählungen um den Commander zuteilte, was insofern Sinn ergibt, da Nina und Jan ihre jeweiligen Handlungsteile aus dem Vorgängerband fortführen.
Für Jessica stellte das also eine große Herausforderung dar, die sie sehr gut gemeistert hat, wie ich finde. Aber überzeugen Sie sich selbst, denn ich halte Sie nun nicht länger auf, sondern entlasse Sie einmal mehr in ein Buch voller Spannung und Abenteuern. Unsere Helden stoßen dabei unter anderem auf die Todesmaschinen der Götter …
Stuttgart, im Januar 2020
Ben B. Black
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist, doch Ren Dhark und seinen Getreuen gelingt es, auch dieser Bedrohung erfolgreich zu begegnen, nur um sich sogleich einem viel größeren Problem gegenüberzusehen: Im Zentrum der Milchstraße ist ein Miniuniversum entstanden, das exponentiell wächst und dadurch droht, das bekannte Universum innerhalb weniger Jahre zu vernichten. Mithilfe der Nomwarun schafft man es schließlich, auch diese Gefahr zu meistern.
Im Sommer des Jahres 2072 scheint dann endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Terranern im Sommer 2073 endlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren.
Kaum zu Hause, bekommen es die Raumfahrer mit jemandem zu tun, der offenbar bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des geheimnisvollen Fremden dringt die POINT OF ins Hoheitsgebiet des Telin-Imperiums vor. Dort gelingt es schließlich, Kharamak zu stellen, doch der Krayn lässt Ren Dhark und seinen Begleitern keine andere Wahl, als ihn zu töten. Die Terraner befinden sich bereits wieder auf dem Heimweg, als sie von den Tel dazu aufgefordert werden, bei der Aufklärung einer Reihe bestialischer Morde auf der Forschungswelt Reshaf zu helfen. Der Täter entpuppt sich als ein Teil des Bakterienmannes, dem Ren Dhark und seine Getreuen bis Babylon folgen, wo dessen Large jedoch bereits von der BF abgeschossen wurde. Während die Besatzung der POINT OF ihren wohlverdienten Urlaub auf der neuen Zentralwelt der Menschen genießt, kommt es immer wieder zu Störungen in der bis dato reibungslos arbeitenden Technik. Auf Babylon bricht das Chaos aus, viele Bewohner suchen ihr Heil in der Flucht, was zu neuen Reibereien führt. Schließlich können Ren Dhark und seine Getreuen die Ursache der Störungen ausmachen: Das Segment des Bakterienmannes hatte überlebt und versucht, die Menschen von Babylon zu vertreiben. Dem Commander gelingt es jedoch, eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung zu erzielen. Während die Besatzung der POINT OF bei der Normalisierung der Lage auf der Erde hilft, bittet Marschall Bulton um Hilfe: Dan Riker ist samt seinem Verband verschwunden. Die Suche verläuft ergebnislos, aber nicht nur das: Offenbar entführt jemand gezielt Unsterbliche …
1.
In dem direkt neben der Kommandozentrale befindlichen kleinen Besprechungsraum saßen sieben ernst dreinblickende Individuen am Konferenztisch – die einzigen sieben Besatzungsmitglieder der POINT OF, die von dem streng gehüteten Geheimnis des Unsterblichkeitsprogramms Kenntnis hatten: Arc Doorn, ein über eintausend Jahre alter Worgunmutant, von dessen wahrer Identität nur wenige wussten, der Ingenieur Chris Shanton, der Ortungsoffizier der POINT OF, Tino Grappa, die Biologin Rani Atawa, der Bordarzt Manu Tschobe sowie Artus, ein intelligent gewordener Großserienroboter, und natürlich Ren Dhark, der am Kopfende des Tisches saß und mit den anderen die aktuellen Ereignisse auf der Erde in der Bildkugel verfolgte. Der Nachrichtenkanal Rundfunk Utopia zeigte wie immer ganz seinem Leitsatz folgend unkommentiertes Videomaterial, um den Zuschauern eigene Meinungsbildung frei von äußeren Einflüssen zu ermöglichen.
»Die Geschehnisse der letzten Tage ähneln wirklich einem sich zusammenbrauenden Sturm«, durchbrach Rani Atawa die konzentrierte Stille, während die Augen der Inderin immer noch auf die schwebende Sphäre gerichtet blieben. »Erst erschüttert das Verschwinden des Kurators das Sicherheitsgefühl der Menschen auf der Erde, und dann folgt auch noch als Reaktion auf den Druck der Öffentlichkeit die Inhaftierung von Geoffrey Finkerton, was die Bewohner in eine regelrechte Aufeinanderfolge von Protesten und Gegenprotesten stürzte.«
»Die Situation scheint sich seit der Freilassung von Finkerton aber langsam wieder zu beruhigen«, stellte Artus anhand der von einer Drohne aus der Vogelperspektive aufgenommenen Bildsequenzen fest, während er sein Stirnband mit dem grünen A auf seinem Metallschädel zurechtrückte. »Ich halte sich auflösende Demonstrationstrauben für ein gutes Zeichen.«
In diesem Augenblick wechselte die Szene von der Vogel- in die Normalperspektive, was Dhark und die anderen aufmerken ließ.
Die nun übertragenen schwankenden Bilder legten nahe, dass dieses Videomaterial nicht mehr von der Drohne, sondern von einer getragenen Kamera stammte. Wahrscheinlich hatte der Sender einen seiner Mitarbeiter für Nahaufnahmen losgeschickt.
»Was ist denn da los?«, fragte Grappa stirnrunzelnd.
Im Fokus der jetzigen Szene stand ein Mann mit energisch gestikulierender Hand auf einem improvisierten Rednerpult, um ihn herum befand sich ein Auflauf von Menschen, jung wie alt. »Ich frage mich, Leute, ob unsere Regierung nicht etwas vor uns verheimlicht!«, rief der Redner gerade provozierend. »Wie viele Aufbaumaßnahmen beispielsweise kamen seit dem Verschwinden unseres Kurators ins Stocken? So viele, dass ich sie hier gar nicht aufzählen mag!« Er kam daraufhin mit dröhnender Stimme auf seine Ideen zu sprechen, wie Lamberts Verschwinden seiner Meinung nach zu erklären sei. Sein beliebtester Grund schien eine Schwächung des ganzen Systems als eine Vorbereitung für einen von außen kommenden Angriff zu sein, denn er kam immer wieder darauf zurück, ganz gleich, wie absurd sich das anhörte. Doch auch Erpressung und eine feige Flucht von Lambert zählten zu seinen Spitzenspekulationen.
Die Zuschauer reagierten zögerlich auf seinen Vortrag. Einige riefen zweifelnde Antworten wie: »Bruder Lambert würde doch nicht abhauen nach all den Mühen, die wir gemeinsam in den Wiederaufbau gesteckt haben!« Oder: »Ja, genau, bedenkt nur, wie viel Zeit und Ehrgeiz er bisher in die Erde, unser Zuhause, hat einfließen lassen!« Eine Frau mit Baby auf dem Arm merkte an, dass sie eine Erpressung für unwahrscheinlich halte, da vonseiten des eventuellen Entführers noch keine Forderungen angemeldet worden seien.
»Und wer sagt, dass die Regierung uns alle Informationen preisgibt?«, ließ der Redner nicht locker und starrte mit leicht aufgerissenen Augen auf die Zuschauer, als würde er tosende Zustimmung erwarten. Doch stattdessen zeigten die Kameraaufnahmen unschlüssige, unruhige Gesichter.
»Die Menschen und allen voran die Presse werden nicht mehr lange stillhalten«, befürchtete Rani, während sie mit besorgter Miene den Redner in der Bildkugel beobachtete, der nicht davon abließ, die Menge für seine Überzeugungen gewinnen zu wollen. Damit brach sie die Flut der Bilder aus den Nachrichten auf das Wesentliche herunter. »Anscheinend breiten sich überall Unruhen aus. Die Menschen wollen Antworten. Zwar haben sich die Gemüter etwas abgekühlt, sodass sie nicht direkt wieder aufeinander losgehen, doch wie lange wird es dauern, bis erneut ein kritisches Niveau erreicht ist?«
»Bruder Lamberts spurloses Verschwinden hat weitreichende Folgen«, bestätigte Dhark und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dass er umfangreich in führungsrelevante Entscheidungsfragen involviert werden wollte, führt jetzt zu der Konsequenz, dass sich die Staatsräder seit seinem Fehlen nur noch verzögert drehen.«
»Dies wird über kurz oder lang in ernsthaften Schwierigkeiten ausufern«, prophezeite Doorn mit düsterer Miene.
Dhark ließ seinen eindringlichen Blick zu jedem Gesicht der versammelten Besatzungsmitglieder schweifen. »Wir haben jedoch ein viel akuteres Problem, weshalb ich Sie hier zusammengerufen habe. Jemand entführt scheinbar gezielt Unsterbliche! Und damit kommt eine Bedrohung auf uns zu, der wir uns jetzt stellen müssen. Falls jemand allerdings der Meinung ist, dass Unsterbliche nicht gezielt eingefangen werden, dann sollte er seine Argumente jetzt auf den Tisch legen. Wir müssen alle Hinweise heranziehen, die es uns ermöglichen, mit der Bedrohung umzugehen.«
Der erste, der sich daraufhin zu Wort meldete, war der Schwarzafrikaner Manu Tschobe. »Ich stimme der Einschätzung unseres Commanders zu, dass es jemand gezielt auf Unsterbliche abgesehen hat«, sagte er und hob betonend nacheinander die Finger seiner rechten Hand. »Lassen Sie mich das auch direkt begründen. Vier zentrale Figuren, alles Unsterbliche, werden bereits vermisst, verschwunden in genau dieser Reihenfolge: Bruder Lambert, Kurator der Erde. Dan Riker, Mitglied der Babylonischen Flotte, sowie Anja Riker, ehemalige Chefmathematikerin der GALAXIS, und zuletzt Echri Ezbal, Genetiker, Biochemiker und Leiter der Cyborg-Station.« Während er sprach, sah er keinen der anderen direkt an, damit niemand versehentlich seiner hypnotischen Begabung ausgesetzt wurde. »Abgesehen von diesen Vermisstenfällen wurden bislang keine weiteren Auffälligkeiten gemeldet, und dieser Fakt steigert die Wahrscheinlichkeit, dass jemand gezielt auf Unsterbliche Jagd macht, wie der Commander bereits vermutete, meiner Meinung nach erheblich.«
»Um dies mit Sicherheit sagen zu können, fehlen uns zu viele Informationen, aber ich muss gestehen, dass ich diese Einschätzung teile«, stimmte Arc Doorn zu und zog eine grimmige Miene. »Was hat der Entführer nur mit den Unsterblichen vor? Mich lässt aber vor allem die Frage nach der Identität des Entführers nicht los. Es existieren nicht viele, die über das Unsterblichkeitsprogramm Bescheid wissen! Daraus ergibt sich eine beunruhigende Vermutung …«
»Wer auch immer der Täter ist«, beendete Chris Shanton die Schlussfolgerung seines Kumpels mit unheilvoller Stimme, »möglicherweise ist es jemand, den wir kennen.«
Auf diese Bemerkung folgte unruhiges Gemurmel, als jeder Anwesende die Tragweite dieser Vermutung gedanklich durchspielte. Wer könnte hinter den Entführungen stecken?
Dhark entfaltete seine verschränkten Arme und nickte, als hätte er einen Entschluss gefasst, was ihm sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicherte.
»Commander?«, fragte Rani Atawa.
»Wir werden nicht länger abwarten. Es ist Zeit zu handeln!«, verkündete Dhark mit entschlossener Miene. »Doch bevor wir uns der Identität des Entführers und der anschließenden Befreiung der vier Verschwundenen zuwenden, ist es zuallererst unsere dringlichste Aufgabe, einen Plan ins Auge zu fassen, wie wir mit dieser Bedrohung umgehen. Deshalb werde ich mich mit dem GSO-Chef in Verbindung setzen, um ihn von der Notwendigkeit einer Krisensitzung mit Terence Wallis zu überzeugen.« Er erhob sich von seinem Stuhl am Kopfende des Tisches und beendete die Besprechungsrunde. »Ich danke Ihnen allen für Ihre Einschätzung der Lage. Dann also wieder an die Arbeit, meine Damen und Herren! Und denken Sie bei allem, was Sie tun und sagen, daran: Das Unsterblichkeitsprogramm unterliegt höchster Geheimhaltung!«
*
Zurück in der Kommandozentrale ließ der Commander alle Besatzungsmitglieder, die sich noch außerhalb des Ringraumers befanden, auf ihre Posten zurückrufen. »Hier spricht Ren Dhark. In einer Stunde bricht die POINT OF nach Babylon auf!«, gab er seiner Crew darüber hinaus über Bordsprech bekannt und wandte sich dann an seinen Ersten Funker: »Mister Morris, Sie beantragen die Startfreigabe bei der Raumhafenkontrolle. Ich möchte keine Zeit verlieren.«
»In Arbeit, Sir!«, erwiderte der Mann mit den hellblonden Haaren dienstbeflissen und begann sofort, an der Funkanlage zu hantieren.
Innerhalb kürzester Zeit befanden sich alle Besatzungsmitglieder wieder an Bord der POINT OF. In seinem Kommandantensessel sitzend und alles verfolgend bemerkte Dhark nebenbei, dass Amy Stewart ihm immer wieder nachdenkliche Blicke zuwarf, seit er aus dem Besprechungsraum zurückgekehrt war. Als er die Konferenzrunde einberufen hatte, musste er sie persönlich ohne Angabe von Gründen ausladen und sie anschließend stehenlassen. Amy gehörte nicht zu den Eingeweihten des Unsterblichkeitsprogramms, und so blieb Dhark keine Wahl, als sie auszuschließen. Jetzt sah er ihrem hübschen Gesicht an, dass sie mit ihm reden wollte. Doch Amy hielt sich zurück und respektierte, dass ihr Lebensgefährte im Moment dringlichere Aufgaben zu erledigen hatte, als ein klärendes Gespräch zu führen.
Die Startfreigabe der Raumhafenkontrolle ließ glücklicherweise nicht lange auf sich warten.
»Wir haben Starterlaubnis, Commander!«, informierte der Erste Funker.
»Sehr gut!« Alles in Dhark drängte danach, endlich aufzubrechen und sich so schnell wie möglich um einen Plan gegen die Bedrohung zu kümmern. »Dann auf nach Babylon!«
Die POINT OF hob vom Raumhafenlandeplatz ab und fuhr dabei ihre fünfundvierzig Teleskopbeinpaare ein. Zeitgleich starteten die anderen neun S-Kreuzer, allesamt gesteuert vom Checkmaster.
Dhark beobachtete erwartungsvoll das hervorlinsende Blau hinter den schnell näherkommenden Wolken, und als der Verband schließlich die Erdatmosphäre verließ und in das Weltall eintrat, jubelte etwas tief in ihm. »Koppelflug bilden!«, erfüllte Dharks Befehl die Kommandozentrale.
»Befehl in Ausführung«, kam es prompt vom Bordgehirn.
Der Checkmaster machte sich daran, mittels der POINT OF und den anderen neun begleitenden S-Kreuzern einen Koppelverband zu bilden. Der Bordrechner synchronisierte dazu sein eigenes System mit denen der anderen Ringraumer und ließ die Wuchtkanonengeschütztürme der POINT OF einfahren, um schließlich die Schiffe übereinanderzustapeln, sodass sich am Ende die so gebildete Röhre aus Ringschiffen mit aktivierten Intervallfeldern in Richtung offenes Weltall in Bewegung setzen konnte.
»Koppelverband erfolgreich gebildet«, ließ der Checkmaster erneut von sich hören. »Zielkoordinaten angepeilt.«
Mit steigender Beschleunigung steuerte der Verband nun gen Rand des Sonnensystems; die Intervallfelder sorgten dabei für einen zusätzlichen Düseneffekt, bis die Raumschiffsröhre schließlich die Lichtjahre Richtung Babylon rasant durchmaß – Geschwindigkeit weiter steigend.
Dhark sprang von seinem Kommandantensessel auf, er wollte sofort zur nächsten Aufgabe übergehen. »Mister Morris, verbinden Sie mich mit Bernd Eylers über einen sicheren To-Richtfunkkanal«, forderte der weißblonde Raumfahrer seinen Ersten Funker auf. »Ich werde mit ihm von meinem Quartier aus sprechen.«
»In Arbeit, Commander!«, erwiderte Glenn, und seine Hände kamen in Bewegung. »Ich definiere Ihr Armbandvipho als Endgerät. Ist das in Ihrem Sinne?«
Dhark nickte dankend und wandte sich an seinen stellvertretenden Kommandanten. »Mister Falluta, Sie haben in der Zeit meiner Abwesenheit das Kommando.«
»Verstanden, Sir!«
*
In seinem Quartier angekommen nahm der Commander am Schreibtisch Platz und wartete, bis der Aufbau von Eylers’ holografischem Abbild über dem Projektor seines Armbandviphos beendet war. Bernd Eylers, der Chef der Galaktischen Sicherheitsorganisation, kurz GSO, die ihren Hauptsitz auf Babylon errichtet hatte, war ein schlanker, leicht unbeholfen wirkender Mann. Die Holografie stellte ihn von der Brust an aufwärts dar. Wie Dhark saß er an seinem Schreibtisch, nur dass seiner sich nicht an Bord eines Ringraumers, sondern in der hundertzwanzigsten Ringebene der Regierungspyramide auf Babylon befand.
»Mister Dhark«, begrüßte Eylers den weißblonden Raumfahrer und sah ihn aus seinen hellgrünen Augen freundlich und gleichzeitig ernst an. »Ich habe nicht erwartet, Sie so schnell wieder zu sprechen.«
Dhark grüßte zurück, hielt sich jedoch nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln auf. »Auf uns kommt eine ernstzunehmende Bedrohung zu, die sofortiges Handeln erfordert. Ich befürchte, jemand macht gezielt Jagd auf Unsterbliche«, kam er gleich zur Sache. »Es sind bereits vier verschwunden. Andere auffällige Vermisstenfälle, die für einen Zufall sprechen würden, haben sich meines Wissens nicht ereignet.«
Der Chef der GSO nickte langsam. »Mir sind ebenfalls keine bekannt. Aber es liegen zu wenige Indizien vor, die Ihre Vermutung untermauern würden.«
Dhark hatte dieses Argument bereits erwartet und beugte sich vor. »Selbst wenn nur eine geringe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass meine Vermutung stimmt, ist nicht nur die Geheimhaltung des Unsterblichkeitsprogramms in Gefahr, sondern auch die Unsterblichen selbst! Es findet gerade ein Wettlauf gegen die Zeit statt, und wir sind noch nicht einmal an die Startlinie herangetreten, während der Entführer bereits vier von uns eingefangen hat. Wir müssen etwas unternehmen!«
Eylers Blick wurde nachdenklich. »Sie glauben also, es handelt sich tatsächlich um gezielte Entführungen von Unsterblichen und nicht um puren Zufall?«
»Zufall halte ich für unwahrscheinlich«, bestätigte Dhark überzeugt. »Bedenken Sie das zeitliche Intervall, in dem Anja und Dan Riker, Bruder Lambert und Echri Ezbal verschwunden sind. Es ist so klein, dass ich mir beinahe sicher bin, dass jemand ganz bewusst Unsterbliche einfängt – was auch immer dieser jemand oder dieses etwas mit ihnen vorhat.«
Eylers schwieg einen kurzen Moment, doch Dhark war sich bereits sicher, dass er Eylers’ Hilfe erhalten würde. Sie beide waren Unsterbliche, doch nicht nur auf diese Gemeinsamkeit als Auserwählte des von Terence Wallis ins Leben gerufene Unsterblichkeitsprogramm baute das Vertrauen, das zwischen den beiden Männern herrschte. Eine langjährige, wenn auch nicht immer ganz von Spannungen verschont gebliebene Zusammenarbeit in Politikangelegenheiten und diversen Krisen hatte beiden Männern gezeigt, dass sie im Notfall aufeinander bauen konnten. Und dass Unsterbliche verschwanden, war ohne Zweifel ein Notfall!
»Sie haben recht, auch ich sehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass jemand gezielt Unsterbliche ins Visier nimmt«, stimmte Eylers dem ehemaligen Commander der Planeten schließlich zu und hob den linken Arm, wie um sich über das Kinn zu fahren, bemerkte aber im selben Moment, dass dies mit seiner Unterarmprothese, in der eine Gaswaffe verborgen war, kein leichtes Unterfangen darstellte. Eine Sekunde später ließ er den Arm wieder sinken. »Auch wenn nicht genügend Informationen vorliegen, um diesen Verdacht zu bestätigen«, beendete Eylers seinen Gedankengang und richtete seine hellgrünen Augen wieder auf Dhark, »halte ich es für unklug, ihn leichtfertig zu ignorieren.«
»Ich freue mich, dass wir einer Meinung sind«, erwiderte der weißblonde Raumfahrer und lehnte sich zufrieden zurück. Der erste Schritt war getan. »Ich schlage vor, dass Sie an Bord der POINT OF kommen und wir gemeinsam nach Eden aufbrechen, um mit Terence Wallis eine Krisensitzung abzuhalten. Ich stufe die Angelegenheit als so dringlich ein, dass wir sie sofort angehen sollten. Mit Ihrem Einverständnis holt die POINT OF Sie auf Babylon ab, wir sind bereits auf dem Weg.«
Eylers nickte ernst. »Sie haben mich überzeugt, Mister Dhark. Ich fliege mit Ihnen.«
*
Dhark kehrte nach dem Gespräch mit Eylers ohne Umwege in die Kommandozentrale zurück. Sein Stellvertreter Falluta hatte keine Neuigkeiten zu vermelden. Die Anreise nach Babylon lief wie geplant und ohne Zwischenfälle, und obwohl ihre Reisegeschwindigkeit mittlerweile fast zehn Milliarden Licht betrug, empfand Dhark die Geschwindigkeit angesichts der zum Handeln drängenden Krise als viel zu langsam.
Als der Zehnerverband nach kurzer Flugzeit nur noch etwas mehr als eintausend Lichtjahre vom Eschunna-System entfernt war, leitete der Checkmaster komplexen Berechnungen folgend das Bremsmanöver der Raumschiffsröhre ein, sodass das Gebilde wenige Lichtstunden vom Ziel entfernt schließlich nur noch mit knapp zwanzigfacher Lichtgeschwindigkeit weiterflog und dabei stetig weiter verzögerte, wenn auch bei Weitem nicht mehr so stark; schließlich wollte man von der Raumkontrolle Babylon trotz aller Eile nicht versehentlich für einen Aggressor gehalten werden und dort für Unruhe sorgen, auch wenn Eylers die Ankunft des Verbands vermutlich bereits angekündigt hatte.
»Wir treten jetzt ins Eschunna-System ein«, informierte Grappa, der über sein Ortungspult gebeugt das Vorgehen mitverfolgte, kurze Zeit später. Dann richtete er sich auf. »Commander, ich empfange ein Signal! Es ist die ZODIAC.«
Dhark horchte auf. Die ZODIAC, ein Kugelraumer der Panther-Klasse, auch Sternschnuppe genannt, befand sich im Besitz der GSO. Sie war jedoch keine normale Sternschnuppe, sondern generalüberholt und mit einer Gedankensteuerung ausgestattet, sodass eine einzelne Person in Notfällen das Schiff allein manövrieren konnte. Dhark vermutete, dass sich Eylers an Bord dieses Kugelraumers aufhielt, allerdings gewiss nicht allein, sondern mit der Stammbesatzung zusammen. »Mister Morris, funken Sie die ZODIAC an!«
»Nicht nötig, Commander, sie haben bereits eine Anfrage gestellt«, vermeldete der Funkoffizier.
»Na dann, Phase öffnen!«
Augenblicklich war der Kontakt hergestellt. Dann erfüllte die Stimme des GSO-Leiters die Kommandozentrale, was Dharks Ahnung bestätigte, dass sich Eylers auf der ZODIAC befand. »Ich hoffe, unser Entgegenkommen war in Ihrem Sinne, Commander.«
»Je schneller wir voranschreiten, desto eher kommen wir der Lösung unseres Problems näher«, sagte Dhark erfreut über die zügige Entwicklung. »Ich schicke Ihnen einen Flash hinüber, um Sie abzuholen.«
Eylers nickte, und die Verbindung wurde getrennt.
Wie angekündigt sandte Dhark ohne Verzögerung den Flashpiloten der Schwarzen Eins, Pjetr Wonzeff, der zu den profiliertesten seines Berufs gehörte, aus, um den Chef der GSO abzuholen. Der Vorgang nahm kaum Zeit in Anspruch, und als der Flash mit Eylers zusammen wieder an Bord der POINT OF zurückgekehrt war, befahl Dhark ohne Umschweife, als neue Zielkoordinaten Eden anzupeilen. Der Verband aus Ringraumern setzte sich daraufhin in Bewegung und beschleunigte erneut mit rasanten Werten.
In diesem Moment glitt die Automatiktür der Kommandozentrale auf, als jemand in ihren Sensorbereich trat. Dhark drehte sich in seinem Kommandantensessel um und erblickte den Chef der GSO, der gerade in Begleitung von Wonzeff die Zentrale betrat. Sofort erhob sich Dhark und begrüßte Eylers mit einem Händedruck. »Vielen Dank, Mister Wonzeff«, entließ der Commander seinen besten Flashpiloten wieder.
»Stets zu Diensten, Sir«, erwiderte dieser mit einem angedeuteten Salut und verließ die Kommandozentrale.
»Wir sollten direkt dazu übergehen, Terence Wallis zu kontaktieren«, schlug Eylers vor.
»Ich teile Ihren Tatendrang«, gestand Dhark und deutete auf die Tür des Besprechungsraums. »Folgen Sie mir, in unserem Konferenzraum haben wir die nötige Ruhe.«
Das zweite Mal an diesem Tag erhielt Hen Falluta vorübergehend das Kommando, welches er gewohnt routiniert übernahm.
*
Terence Wallis via To-Richtfunk zu erreichen gestaltete sich als schnelle Angelegenheit. Eylers und Dhark mussten nicht lange warten, bis der Industriemagnat ihnen als Holografie gegenübertrat. Das Abbild seiner Umgebung zeigte lediglich einen Ausschnitt einer cremefarbenen, luxuriös wirkenden Couch, auf der die schlanke, sportliche Gestalt des vermutlich reichsten Menschen der Milchstraße Platz genommen hatte. Terence Wallis, Eigentümer von Wallis Industries, war wie stets in einen elegant-konservativen Anzug gekleidet, unter dem kontrastreich eine grellbunte Weste hervorschaute. Das lange, leicht schüttere dunkelblonde Haar trug er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
»Ren, was für eine Überraschung! Der zweite Kontakt in kürzester Zeit!«, rief Terence erfreut aus, und während sich ein Strahlen auf seinem Gesicht ausbreitete, prostete er seinem alten Freund mit einem Glas voller bernsteinfarbener Flüssigkeit zu. »Single Malt«, informierte der Industrielle zwinkernd, als er Dharks Blick bemerkte. »Ich würde Ihnen gern einen anbieten, aber ich fürchte, als Holografie sind mir solche Gesten nicht möglich.«
»Hallo Terence«, grüßte Dhark mit einem milden Lächeln, »wir freuen uns, Sie so schnell erreicht zu haben.«
Bei dem Wörtchen »wir« stockten Terence’ Bewegungen für einen Sekundenbruchteil, als habe er erst jetzt bemerkt, dass sich nicht nur das Subjekt seiner Bewunderung vor ihm befand. Die Augen des Industriemagnaten wanderten zu Bernd Eylers, der nicht unweit von Dhark am Konferenztisch saß, sich jedoch im Hintergrund hielt. »Der GSO-Chef persönlich«, bemerkte der Industriemagnat und nickte seinem Gegenüber freundlich zu, was dieser mit gleicher Geste erwiderte. Wallis wurde beinahe augenblicklich ernst. »Ich schätze, wenn gleich zwei so zentrale Persönlichkeiten mich kontaktieren, dann ist das kein Anruf, um einen entspannten Plausch zu halten. Worum geht es?«
Dhark beugte sich vor und fasste kurz aber präzise alle bisherigen Geschehnisse zusammen, um Wallis die Dringlichkeit der Lage zu verdeutlichen. »Um schlimmstmögliche Entwicklungen aus dieser Ausgangslage zu vermeiden, sollten wir vom Schlimmsten ausgehen«, schloss er seine Zusammenfassung. »Und deshalb ist auch Bernd Eylers mit an Bord der POINT OF.«
»Jagd auf Unsterbliche …«, murmelte Wallis, dann nahm seine Stimme wieder Normallautstärke an. »Sollte das der Wahrheit entsprechen, und sei die Wahrscheinlichkeit dafür auch noch so klein, ist präventives Handeln die klügste Option. Wir müssen diejenigen Unsterblichen, die der Entführer noch nicht erwischt hat, so gut wie möglich schützen.«
»Das war auch unser Gedanke«, stimmte Dhark zu und beobachtete, wie sich Wallis mit der Hand über das Gesicht fuhr. Als der Arm des Industriellen wieder nach unten sank, konnte Dhark leichte Sorge darin erkennen. Offenbar hielt sein Gegenüber die Vermutung des Commanders von gezielten Entführungen nach der gemeinsamen Unterredung mit ihm nicht mehr für allzu abwegig.
Wallis atmete tief durch. »Als erste Maßnahme werde ich veranlassen, dass die Patrouillen im Solaris-System verdoppelt werden«, verkündete er seinen Entschluss. »Der Entführer soll kein leichtes Spiel mit uns haben.«
»Beim aktuellen Stand der Dinge wäre der nächste Schritt eine Krisensitzung«, merkte Dhark an. »Wir müssen unser weiteres Vorgehen besprechen.«
Wallis schlug sofort bereitwillig in dieselbe Kerbe. »Ich biete meinen Hauptsitz als Treffpunkt für ein Krisengespräch an. Er ist nicht nur durch die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen geeignet, ich habe von dort aus auch Zugriff auf ein umfangreiches Netzwerk an Ressourcen und Daten sowie nicht zuletzt auf meinen Sicherheitsdienst, dessen Kontaktpersonen und Informanten uns bei Bedarf zur Verfügung stehen. Wann können Sie hier sein?«
»Ihr Hauptsitz ist ohne Zweifel ein geeigneter Ort«, stimmte Dhark zu. »Wir sind mit der POINT OF bereits auf dem Weg nach Eden.«
Terence Wallis nahm dies zufrieden zur Kenntnis. »Bei Ihnen kann man sich immer sicher sein, dass Sie vorausschauend handeln, Ren. Ich hätte ahnen müssen, dass Sie zum Zeitpunkt des Anrufs bereits auf dem Weg zu meinem Planeten sind! Ich erwarte Sie beide dann hier.«
Dhark und Eylers nickten zum Abschied, und die Verbindung wurde getrennt.
Alles lief reibungsloser ab und schritt zügiger voran, als Dhark erwartet hatte. Blieb nur zu hoffen, dass es auch so blieb.
2.
Der Ringraumerverband erreichte das Solaris-System ohne Zwischenfälle. Einem bewährten Algorithmus folgend leitete der Checkmaster wie zuvor das Bremsmanöver ein, und als die Entfernung auf wenige Lichtminuten schrumpfte, veranlasste das Bordgehirn gemeinsam mit den synchronisierten Bordrechnern die Entkopplung der S-Kreuzer. Der röhrenartige Verband löste sich auf, die Schiffe verteilten sich wieder in gewohnter Grundformation. Im Anschluss flogen die neun ferngesteuerten, passagierlosen Ringraumer sowie die legendäre POINT OF gemeinsam Richtung Eden weiter.
»Wir treten nun ins Solaris-System ein«, informierte Grappa von seinem Ortungspult aus.
»Mister Morris, seien Sie so gut und stellen Sie Kontakt zur Raumhafenkontrolle Edens her«, befahl Dhark von seinem Kommandantensessel aus. »Je eher wir die Landeerlaubnis erhalten, desto besser.«
»Verstanden, Commander!«, kam prompt die Antwort.
Dhark nickte zufrieden und ließ seinen Blick zur Bildkugel schweifen, um das Herannahen Edens zu beobachten. Dabei erblickte er Eylers, der mit interessiertem Gesichtsausdruck in der Nähe der schwebenden Sphäre stand und wohl den gleichen Gedanken verfolgte wie Dhark. Nicht unweit von ihm hielten sich Arc Doorn und Chris Shanton auf, beide vertieft in einen leise geführten Disput. Worum es da wohl ging?
Eine schlanke, hochgewachsene Gestalt trat von rechts in sein Blickfeld an seinen Kommandantensessel heran. Als er den Kopf drehte, schenkte Amy ihm ein Lächeln, während ihre grazile Hand eine ihrer blonden Strähnen hinters Ohr strich. Sanfte Lachfältchen erschienen dabei um ihre tiefblauen Augen.
»Der Anblick von Eden erinnert mich an das Luxusanwesen, das dir Terence Wallis geschenkt hat«, vertraute sie ihm an. Ihre Stimme in Altlage verursachte bei Dhark ein wohliges Schauern.
»An das Anwesen habe ich gar nicht mehr gedacht«, erwiderte er. Er war lange nicht dort gewesen.
Der weibliche Cyborg hielt sichtbaren Abstand zu Dhark und machte keine Anstalten, ihn auf vertraute Weise zu berühren, da das Pärchen sich dazu entschlossen hatte, in der Öffentlichkeit bei der Arbeit professionelle Distanz zu wahren. Dies hielt den ehemaligen Commander der Planeten jedoch nicht davon ab, seine Freundin von der Seite vorsichtig zu mustern. Wollte sie ihn jetzt auf das Thema der Konferenzrunde ansprechen, von der er sie explizit ausgeschlossen hatte? Dhark konnte sich keinen ungünstigeren Moment vorstellen. Er war weder darauf vorbereitet noch war sein Kopf frei genug, um überhaupt zu einem klärenden Gespräch mit Amy in der Lage zu sein. Die vier Entführungsfälle der Unsterblichen und die anstehende Krisensitzung nahmen seine Gedanken komplett in Beschlag. Kurz spielte Dhark mit den Gedanken, einfach aufzustehen und so zu tun, als habe er mit Eylers etwas Wichtiges zu besprechen.
»Ich weiß, dass du mit mir im Moment nicht darüber sprechen kannst, was dich so beschäftigt«, sagte Amy ruhig und traf damit voll ins Schwarze. In ihrer Altstimme schwang Verständnis mit. Dann beendete der weibliche Cyborg das Thema, als wäre alles gesagt.
Dhark suchte ihr Gesicht verdutzt nach Hinweisen darauf ab, dass sie diese Worte eigentlich nicht so meinte. Frauen hatten eine eigene Art und Weise darauf hinzuweisen, wenn ihnen etwas gegen den Strich ging. Und für Amy waren solche Worte wie die eben sehr ungewöhnlich.
»Weißt du, was mir als Erstes in den Sinn kommt, wenn ich an Eden denke?«, fragte Amy ihn. »Mächtige Palmen mit hellgrünen, meterbreiten Fächerblättern! Der Name Eden ist für diesen Planeten wirklich passend gewählt.«
Ihre unbeschwerten Worte entlockten Dhark ein vorsichtiges Lächeln, während er sich wieder der Bildkugel zuwandte, die ein Abbild des blaugrünen Planeten zeigte. Er war erleichtert und erfreut darüber, dass Amy seine Entscheidung, noch nicht mit ihr über die Geschehnisse reden zu wollen, akzeptierte und ihm vertraute. »Du hast recht, Amy, Eden ist ein wirklich schöner Planet.«
In diesem Moment schallte die Stimme des Ersten Funkers durch die Zentrale: »Commander! Ich habe soeben eine Antwort auf meine Anfrage an die Raumhafenkontrolle erhalten«, meldete Morris von seiner Funkbude aus. »Landeerlaubnis wurde erteilt.«
Dharks Haltung straffte sich. »Hervorragend!« Anschließend aktivierte er die Bordsprechfunktion am Kommandantensessel. »Hier spricht Ren Dhark. Ich berufe Manu Tschobe und Rani Atawa zu einem Außeneinsatz. Sie verlassen zusammen mit Bernd Eylers, Tino Grappa, Chris Shanton, Arc Doorn und mir die POINT OF, sobald wir gelandet sind. Wir werden dem Hauptgebäude von Wallis Industries einen Besuch abstatten.« Danach übernahm er selbst das Steuer, um die POINT OF zum unterirdischen Raumhafen zu manövrieren.
Amy zog sich wieder in den Hintergrund zurück, wobei sie ihm dennoch immer wieder Blicke zuwarf.
*
Auf Eden gab es mehrere unterirdische Raumhäfen. Den zum Stammwerk von Wallis Industries nächstgelegenen, der sich unterhalb eines Gebirges befand, steuerte die POINT OF nun an. Nachdem Dharks Schiff seine Teleskopstützen zur Landung ausgefahren hatte, sprang der weißblonde Raumfahrer von seinem Kommandantensessel auf, bereit, von Bord zu gehen. Shanton, Doorn, Grappa und Eylers, die sich ebenfalls in der Kommandozentrale aufhielten, gesellten sich zu ihm.
Wenige Herzschläge später glitt die Tür der Zentrale auf, im Durchgang erschienen Manu Tschobe und Rani Atawa, wobei zwischen den Beinen der ein wenig kleinwüchsig und gleichzeitig unaufdringlich attraktiv wirkenden Inderin ein Scotchterrier herumwuselte, der wie ein echter Hund aussah. Allerdings handelte es sich um einen von Chris Shanton erschaffenen Robotervierbeiner namens Jimmy.
»Als ich das Wort ›Außeneinsatz‹ hörte, bin ich sofort hierhergeflitzt!«, informierte der Roboterhund das versammelte Außeneinsatzteam und begann, mit seinem Schwanz zu wedeln. »Wenn jemand Schwerfälliges wie Chris mitkommt, braucht ihr definitiv Zusatzunterstützung! Etwa, falls er körperlich mit seiner untrainierten Statur nicht mehr mit euch mithalten kann und ihr für ihn einen Aufpasser braucht.«
»Wirst du wohl schweigen, Töle«, knurrte der Erschaffer des Roboterhundes, was Jimmy dazu veranlasste, sich auf den Rücken zu werfen und ganz unschuldig seinen befellten Bauch zu zeigen, dabei immer noch mit dem Schwanz wedelnd.
»Was kann ich denn dafür, wenn du dich so lahm vorwärtsbewegst wie eine Schnecke?«, erwiderte die künstliche Intelligenz. »Abgesehen davon bin ich durch meinen in der Zunge versteckten Strahler die perfekte Überraschungswaffe! Wer würde von einem süßen Hündchen wie mir einen Angriff erwarten?«
»Du kommst nicht mit, Jimmy«, stellte Dhark schnell klar, ehe die Situation noch mehr Zeit in Anspruch nehmen oder gar eskalieren konnte.
Der Befehl des Commanders ließ Jimmys Schwanz umgehend zur Bewegungslosigkeit erstarren. »Wie schade«, meinte er dann knapp, rappelte sich auf und tapste mit seinen künstlichen Hundepfoten Richtung Ausgang. Kurz bevor er die Kommandozentrale verließ, drehte sich Jimmy noch einmal um und rief seinem Erschaffer zu: »Sei brav, Chris, und mach mir keine Schande!«
Shanton verdrehte die Augen, als die Tür wieder lautlos zuglitt und Jimmy aus dem Blickfeld verschwand. »Was hat mich da bloß geritten, als ich diesen Roboterhund konstruierte?«
»Vielleicht ist die Hunderasse ein Hinweis«, spielte Doorn auf etwas längst Vergangenes an.
»Dann lasst uns mal aufbrechen«, beendete Dhark das Geplänkel. Unsterbliche verschwanden! Sie hatten keine Zeit zu verlieren.
*
Als der ehemalige Commander der Planeten in Begleitung seines fünfköpfigen Außenteams sowie des GSO-Chefs die POINT OF verließ, nahm ihn eine riesige mit Unitall ausgekleidete Halle in Empfang. Sie war so langgezogen, dass man das Ende an beiden Seiten nur undeutlich sehen konnte. Ohne Umschweife setzte sich Dhark in Bewegung, denn er wollte auf direktem Wege das Hauptgebäude von Wallis Industries ansteuern, in dem die Teilnehmer der Krisensitzung höchstwahrscheinlich bereits warteten. Ihn selbst zumindest drängte es danach, die Besprechung so bald wie möglich zu beginnen.
Die Mitglieder der Stammbesatzung folgten ihrem Anführer, und Eylers schritt neben ihm her. Dhark hob beim zügigen Gehen den Kopf zur mehrere Hundert Meter hohen Decke und ließ dann den Blick schweifen. Auf etwa vierhundert Metern Höhe sprangen Befehlszentralen und Hangarkontrollen aus den Wänden hervor wie seitlich herauswachsende Stalagmiten. In der Ferne entdeckte er Gleiter und Schweber – und neben ihnen eine Gestalt, die auf etwas zu warten schien.
»Wie groß ist dieser Raumhafen eigentlich?«, fragte Rani neugierig und drehte sich, ohne dabei stehenzubleiben, einmal im Kreis. Ihr dunkler Zopf folgte der Drehung mit einem Schlenker. Danach beschleunigte die vierzigjährige, junggebliebene Biologin ihre Schritte, um wieder zur Gruppe aufzuschließen. »Die Halle wirkt ja riesig!«
»Sie umfasst etliche Quadratkilometer«, gab Shanton bereitwillig Antwort, wobei er zwischendurch beim Sprechen immer wieder kurz nach Luft schnappte, »und bietet Platz für mehrere Tausend Ringraumer.« Der schnelle Gang, den Dhark durch sein zügiges Tempo vorgab, brachte den dicklichen Ingenieur leicht aus der Puste. »Bin ich froh, wenn wir im Gleiter sitzen.«
»Ein bisschen Bewegung tut dir gut, Chris«, stichelte Arc Doorn, der sich als Shantons langjähriger Freund solche Bemerkungen erlauben durfte.
»Nein danke, da kenne ich sinnvollere Beschäftigungen!«
Eine äthiopische Schönheit mit schwarzem Haar und den feingeschnittenen Gesichtszügen einer Europäerin nahm die Gruppe neben den parkenden Fahrzeugen in Empfang. »Ich heiße Sie im Namen von Mister Wallis willkommen! Mein Name ist Siri Kadjur, ich bin die Sicherheitschefin von Wallis Industries. Ich werde Sie zum Stammwerk fliegen.«
*
Das Stammwerk von Wallis Industries, getauft auf den Namen New Pittsburgh in Anlehnung an seinen früheren Standort auf der Erde, war die einzige sich an der Oberfläche befindliche Produktionsanlage des Planeten. Bis auf diese Ausnahme hatte Terence Wallis oberirdisch nur Wohnhäuser erlaubt, während sämtliche industriellen Anlagen unterirdisch angelegt werden mussten. Aus diesem Grund entdeckte Dhark von der Höhe des Gleiters aus das Gelände von New Pittsburgh bereits von Weitem, da es wie ein gigantisches Geschwür in der sonst so farblich harmonisch wirkenden, nur durch Fels oder Flüsse unterbrochenen Grün- und Ackerlandschaft lag. Der weißblonde Raumfahrer verstand sofort, wieso Wallis nicht wollte, dass ähnliche Anlagen wie diese an anderen Stellen Edens den Anblick verschandelten. Auffällig für das Auge waren vor allem die unzähligen Kamine, die bis zu den Wolken ragten und fortwährend dichte helle Schwaden in den Himmel entließen und damit das Blau verdeckten, auch wenn es sich bei dem Ausgestoßenen aufgrund der fortschrittlichen Filtertechnologie nur noch um unschädlichen Wasserdampf handelte. Ansiedlungen, in denen man sich durch den hässlichen Anblick der Produktionsanlage hätte gestört fühlen können, entdeckte Dhark nicht.
»Wüsste ich nicht, dass New Pittsburgh vollkommen emissionsfrei arbeitet, würde ich bei diesem Anblick reinste Umweltverpestung vermuten«, stellte Arc Doorn schlechtgelaunt fest.
»Mich erinnern die Fabrikanlagen aus der Vogelperspektive an eine unregelmäßig geformte Pockennarbe«, gab Shanton seinen Senf dazu und betrachtete die unzähligen Gebäudekomplexe, denen sie sich fliegend näherten. »Und ich sehe immer noch kein erkennbares Muster in der Anordnung der Anlagen.«
»Immer noch?«, hakte Rani neugierig nach. »Waren Sie schon öfter hier?«
Der ehemalige Scotch-Liebhaber nickte bedächtig in die Richtung der Biologin, dann spähte er wieder hinaus. »Langsam sollten wir die Flughöhe verringern.«
Rani reckte den Hals ebenfalls Richtung Fenster. »Wieso fliegen wir nicht einfach zu einem Landeplatz innerhalb des Komplexes?«
Diesmal war es Arc Doorn, der ihr die gewünschten Informationen gab. »New Pittsburgh ist von einem doppelt gestaffelten Energieschirm umgeben. Nur zwei unterschiedliche Legitimationscodes – einer für jede Schicht – ermöglichen den Einlass. Es ist ein komplexes, hervorragend funktionierendes Sicherheitssystem.« Ein Grinsen, das leicht hämisch wirkte, erschien auf seinem Gesicht. »Und wenn jemand so blöd ist, ein und denselben Legitimationscode zweimal abzustrahlen, ist das arme Würstchen nicht nur zwischen beiden Energieschirmen gefangen, bei denen es kein Vor und kein Zurück mehr gibt, sondern wird von einer zusätzlichen Energieglocke sowie Prallfeldern wie eine Maus in der Falle eingesperrt.«
»Vergiss die fünfzig Kampfroboter nicht, die anschließend gleichzeitig aufmarschieren«, fügte Shanton an den über eintausend Jahre alten Worgunmutanten gerichtet hinzu und pustete seine Wangen auf, was ihm große Ähnlichkeit mit einem fülligen Hamster verlieh, der in seinen Backen einen Knabbervorrat angelegt hatte.
Die Inderin machte große Augen. »Ich hätte die Kriminalitätsrate Edens nie so hoch geschätzt, dass ein derartiges Sicherheitssystem notwendig wäre! Das System ist schlicht respekteinflößend.«
Doorn schüttelte seinen von langen roten Haaren bewachsenen Kopf, die neben Shantons Halbglatze noch dichter wirkten. »Im Gegenteil, es gibt keine Kriminalität auf Eden. Sogar Industriespionage fehlt aufgrund der nicht vorhandenen Konkurrenz. Jeder Einwohner Edens hat ein gutes und gesichertes Einkommen. Darüber hinaus wurde meines Wissens Eden nur ein einziges Mal aus dem Weltraum bedroht und seither nie wieder.«
»Die hiesigen Sicherheitskräfte gehen trotzdem kein Risiko ein«, bemerkte Dhark, was Siri direkt vom Pilotensitz aus bestätigte. Er hatte bis vor wenigen Augenblicken wie Manu Tschobe, Tino Grappa und Bernd Eylers nur zugehört. »Was uns jetzt übrigens zugutekommt, denn durch dieses ausgeklügelte Sicherheitssystem ist es uns möglich, hier eine Krisensitzung abzuhalten.«
In diesem Augenblick neigte sich der Schweber nach vorn und begann zu sinken, bis er dicht über dem Boden flog, um anschließend auf Schrittgeschwindigkeit abzubremsen. Rani reckte den Hals, um mehr sehen zu können, und auch der Rest spähte neugierig hinaus.
Der erste Legitimationscode öffnete den äußeren Energieschirm. Es tat sich eine Lücke auf, die gerade mal so groß war, dass der Schweber passieren konnte. Dhark bemerkte, wie sich der Schirm hinter ihnen unverzüglich wieder schloss, kurz nachdem sie die erste Barriereschicht durchflogen hatten. Der innere Energievorhang blieb dabei jedoch geschlossen. Der Commander konnte in den Gesichtern seiner Begleiter die schlimmsten Befürchtungen regelrecht aufkeimen sehen. Hatte Siri versehentlich den gleichen Code zweimal gesendet? War etwas schiefgelaufen? Würden sie hier jetzt festsitzen und gleich von den Kampfrobotern in die Zange genommen werden? Doch dann öffnete sich der innere Energieschirm durch das Senden des zweiten Legitimationscodes, nur um sich nach dem Durchflug des Schwebers ebenfalls ohne Verzögerung wieder zu schließen.
»Hier hat sich wirklich nicht viel verändert«, stellte Doorn fest und verriet damit, dass er ebenfalls schon öfter hier gewesen war.
In dem ohne erkennbares Muster angelegten Werk waren überall Roboter unterwegs, von einer Halle zur anderen eilend oder durch die Straßen patrouillierend. Die Produktionsanlagen wirkten, als hätte ein Kind willkürlich seine Bauklötze beim Spielen irgendwo abgesetzt und am Ende nicht wieder aufgeräumt.
»Von innen wirkt die Anlage sogar noch unübersichtlicher als aus der Vogelperspektive«, urteilte Tschobe und kratzte sich am Kopf.
Dharks Augen verfolgten einen Roboter, der gerade einen Container auf ein A-Grav-Band schob, um diesen mit anderen unterschiedlicher Größe an eine entfernte Stelle der Anlage zu transportieren. Weiter in der Höhe konnte der weißblonde Raumfahrer Röhrengänge entdecken, die die Gebäude in unterschiedlichen Höhen miteinander verbanden.
»Arbeiten hier keine Menschen?«, fragte Rani, doch ehe einer der Wissenden mit »doch, aber nur wenige« antworten konnte, landete der Schweber vor einem dreistöckigen, langgezogenen Bauwerk – das Verwaltungsgebäude.
Siri verließ den Gleiter und winkte den anderen zu, um sie zum Aussteigen aufzufordern. Dhark sprang ins Freie, gefolgt von seinen sechs Begleitern, und ihre Spiegelbilder, reflektiert von der gläsernen Fassade des Gebäudes, taten es ihnen gleich. Der Februarwind schloss die Gruppe in seine kühlen Arme und zerzauste ihnen die Haare – oder das, was in Shantons Fall noch auf dem Kopf wuchs.
Zusammen durchschritten sie den marmorgefliesten Eingangsbereich. Siri lotste sie zu einem aufwärts gepolten A-Grav-Schacht. In diesem schwebte die Gruppe in den dritten Stock, wo Terence Wallis bereits auf sie wartete.
*
»Ren«, begrüßte Wallis seinen alten Freund mit ernster Miene. »Ihr habt es geschafft.«
»Da sind wir«, erwiderte Dhark den Gruß mit einem Lächeln.
Beide schüttelten sich die Hand.
»Siri hat mich rechtzeitig informiert, damit ich euch entgegenkommen konnte«, erklärte Wallis sein Erscheinen. Dann hieß er Dharks Gefolge mit Händedruck willkommen, entließ seine Sicherheitschefin und setzte sich in Bewegung. »Ich habe einen kleinen Konferenztisch in meinem Büro stehen«, fuhr Terence fort und lud den ehemaligen Commander der Planeten sowie die anderen mit einem Wink ein, ihm zu folgen, »doch bei unserer Anzahl eignet sich der große Konferenzraum wahrscheinlich besser.«
Wallis’ großer Konferenzraum entpuppte sich als längliches Oval und bot Platz für fünfzig Personen. Eine Fensterfront gewährte einen grandiosen Ausblick auf die gewaltigen Schornsteine und Produktionsanlagen, die in der Mittagssonne wie graue Riesen wirkten.
»Nehmen Sie Platz«, bot Terence an und ließ sich am Kopfende des Konferenztisches in einen gemütlich wirkenden Bürosessel fallen. Am Tisch saßen bereits sechs andere Personen. Nachdem sich Eylers sowie Dhark und dessen Gefolge ebenfalls niedergelassen hatten, ließ Wallis seine Hand zu den bereits Anwesenden schweifen. »Alle von Ihnen kennen sich bereits, weshalb wir uns die gegenseitige Vorstellung sparen können. Das ermöglicht uns, direkt die auf uns zukommende Bedrohung anzugehen.«
Dhark nickte und warf einen schnellen Blick in die Runde. Wallis hatte Jane und Art Hooker dazugeladen, denen er die Entdeckung Edens zu verdanken hatte. Daneben saßen Robert Saam und sein Forschungsteam, die für die wesentliche Entwicklung des Unternehmens Wallis Industries verantwortlich waren. Dazu zählten Saams Frau, die Biologin Regina Saam, sowie George Lautrec, Professor für Systemtechnik, und zuletzt Saram Ramoya, Funk- und Ortungsspezialist.
Wallis wandte sich an Dhark: »Ich habe der Gruppe Saam und den Hookers bereits von Ihren Vermutungen erzählt«, informierte er und übergab dann das Wort an den Commander.
Dhark bedankte sich. »Das erspart uns die Zusammenfassung.« Er ließ seine ernst dreinblickenden, blauen Augen über die versammelten Unsterblichen sowie den Worgunmutanten schweifen. Jeder einzelne hier in diesem Raum zählte zu den Auserwählten oder in Arc Doorns Fall zu den Eingeweihten des Unsterblichkeitsprogramms.
»Und wir haben auch schon über Ihre Vermutung debattiert, Mister Dhark. Bei allem Respekt«, verlieh Robert Saam seiner Skepsis Ausdruck, »ich stimme Ihnen zu, dass man bei den vier Verschwundenen eine gezielte Entführung von Unsterblichen vermuten könnte, jedoch ist nicht einmal gesagt, ob es sich überhaupt um ein und denselben Entführer handelt.«
Seine attraktive, mit großzügigen weiblichen Rundungen gesegnete Frau Regina nickte zustimmend. »Persönlichkeiten mit großer Einflussreichweite wie Bruder Lambert bleiben bestimmt nicht lange ohne Feinde. Auch bei den Rikers und Echri Ezbal erscheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass persönliche Gründe hinter dem Verschwinden stecken könnten. Sagen wir, Rache zum Beispiel.«