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Ein hinreißendes Plädoyer für einen würdigen Umgang mit Tieren – meisterhaft erzählt von Italiens großem Bestsellerautor und liebevoll illustriert. Andrea Camilleri liebte Tiere: Sein toskanisches Landhaus und seine Wohnung in Rom waren immer bevölkert von Hunden, Katzen und Vögeln. Kein Tier war gekauft, alle waren der Familie zugelaufen. Oder zugeflogen, wie die beiden Vögel Pimpigallo und der Distelfink: Der Wellensittich lernt nicht nur, den Gesang des Distelfinks nachzuahmen, sondern auch Camilleris tiefe Stimme. Auf der Terrasse von Camilleris Landhaus erscheint eines Sommers eine harmlose Natter, Don Gaetano genannt, und wird zum jahrelangen Hausgast. Den Kater Barone rettet Camilleri vor Jungen, die mit ihm Fußball spielen. Sein Rückgrat ist gebrochen, der Tierarzt verbindet ihn wie eine Mumie und gibt ihm noch zwei Jahre. Doch Barone, wie er wegen seines vornehmen Wesens getauft wird, lebt 18 Jahre bei der Familie. Darüber hinaus erzählt dieses liebevoll illustrierte Buch von betrunkenen Schweinen und verpatzten Jagdausflügen, weil die Tiere zu schlau sind. Und von einer unglaublich schönen Tigerfrau, in die Camilleri sich verliebt, die ihm aber leider immer nur ihr Hinterteil zeigt.
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Seitenzahl: 80
Andrea Camilleri
Was sie uns erzählen können
Erzählungen
Wenn wir wirklich eines Tages erfahren sollten, was die Tiere von uns denken, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zutiefst beschämt von dieser Erde zu verschwinden. Immer vorausgesetzt, die Menschen sind in fünfzig Jahren noch imstande, dieses Gefühl zu empfinden: Scham.
Ich werde zum Glück nicht mehr da sein. Aber ich wünsche mir, dass einer meiner Urenkel den Tieren ein Exemplar dieses Buches überreicht, damit sie sich von mir und von sehr vielen Menschen wie mir eine andere Meinung bilden können, und sei es auch nur eine leicht andere.
Andrea Camilleri
Andrea Camilleri wurde 1925 in Porto Empedocle, Sizilien, geboren. Er war Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Seine erfolgreichste Romanfigur ist der sizilianische Commissario Montalbano. Insgesamt verfasste Camilleri mehr als 100 Bücher und galt als eine kritische Stimme in der italienischen Gegenwartsliteratur. Andrea Camilleri war verheiratet, hatte drei Töchter und vier Enkel und lebte in Rom. Er starb am 17. Juli 2019 im Alter von 93 Jahren in Rom.
Paolo Canevari ist einer der weltweit berühmtesten Künstler Italiens und bekannt für seine Verwendung unterschiedlicher Materialien und Medien. Seine Arbeiten sind in privaten und öffentlichen Sammlungen zu sehen, unter anderem im New Yorker MoMA, der Stiftung Louis Vuitton in Paris, dem MART in Rovereto, in Rom im MACRO, Museum für zeitgenössische Kunst, und dem Istituto Centrale per la Grafica, der Johannesburg Art Gallery, dem Centro Pecci in Prato und dem Magazzino Italian Art in Cold Spring, New York.
Annette Kopetzki, 1954 in Hamburg geboren, lehrte an den Universitäten Rom und Pescara. Sie übersetzt seit vielen Jahren Belletristik und Lyrik aus dem Italienischen, darunter Werke von Pier Paolo Pasolini, Erri De Luca, Andrea Camilleri, Roberto Saviano, Edmondo De Amicis und Alessandro Baricco. 2019 wurde sie vom Deutschen Literaturfonds mit dem Paul-Celan-Preis für herausragende Literaturübersetzungen ausgezeichnet.
Die italienische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel «I tacchini non ringraziano» bei Gruppo editoriale Mauri Spagnol, Milano.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Dezember 2021
Copyright © 2021 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«I tacchini non ringraziano» Copyright © 2018 Adriano Salani Editore s.u.r.l., Gruppo editoriale Mauri Spagnol - Milano
Mit Zeichnungen von Paolo Canevari
Covergestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt
Coverabbildung Zeichnung von Paolo Canevari
ISBN 978-3-644-00709-3
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Hasen sind wunderschöne Tiere. Lange Ohren, große Augen, graues Fell, das ins Bräunliche spielt, kurzer Schwanz, und sie sind nicht nur sehr schnell, sondern dank ihrer langen Hinterläufe auch außergewöhnlich gute Springer.
Im Gegensatz zu Kaninchen verkriechen Hasen sich selten. Sie hocken lieber versteckt hinter dichten Sträuchern, Büscheln aus Besenkorn oder Steinhaufen. Wer sie entdecken und aufstöbern will, braucht abgerichtete Hunde, die die Hasen wittern.
Sobald die Jagdhunde einen Hasen aufspüren, verharren sie in der typischen Haltung des Vorstehens: die Schnauze vorgereckt, der Schwanz auf gleicher Höhe wie die Nasenspitze, das linke Bein leicht angehoben.
Der Jäger muss sehr gute Reflexe haben, denn kaum wittert der Hase die Gefahr, schießt er blitzschnell aus seinem Versteck und rennt mit unglaublicher Geschwindigkeit davon.
Ich muss noch eine wichtige Vorbemerkung machen. Wenn Hasen tödlich getroffen werden, fallen sie nicht sofort zur Seite wie die Kaninchen, sondern vollführen einen vollendeten Salto in der Luft. Der Luftsprung ist für Jäger und Hund das sichere Zeichen, dass der Hase tödlich getroffen wurde.
An diesem Morgen waren wir zu dritt, mein Vater, sein Freund, auch er ein Jäger, und ich gingen auf Lerchenjagd, darum hatten wie keine Hunde dabei.
Wir wanderten einer hinter dem anderen auf einem schmalen Pfad einen Hügel hinauf, jeder trug eine geladene, aber geöffnete Doppelflinte im Arm. Ich war der Letzte in der Reihe.
Plötzlich trat der Jäger, der in der Mitte ging, auf einen Stein und verlor das Gleichgewicht.
Er schwankte, der Stein hüpfte vom Weg und landete in einem Hirsestrauch wenige Meter weiter unten. Mein Vater, der gehört hatte, wie sein Freund fluchte, wandte den Kopf, um zu sehen, was hinter seinem Rücken geschah, und genau in diesem Moment sprang ein Hase aus dem Strauch.
Es war ein männliches Tier, das sah man an seiner ungewöhnlichen Größe und am grauweißen Fell.
In Windeseile schloss mein Vater die Doppelflinte, setzte sie an, zielte, schoss und verfehlte das Tier.
Der Hase, inzwischen in der Ebene angelangt, wurde schneller.
Mein Vater zielte wieder und schoss.
Diesmal hatte er ihn getroffen, denn das Tier sprang in die Luft, vollführte den Salto und fiel mit dem Bauch nach oben zu Boden, wo es reglos liegen blieb.
«Geh ihn holen», befahl mir mein Vater.
Ich war der Jüngste, darum musste ich den langen Fußmarsch machen.
Ich ging den Pfad wieder hinunter, doch als ich unten angelangt war, konnte ich den Hasen zwischen dem hohen Gras in der Ebene nicht mehr entdecken. Mein Vater und sein Freund stiegen unterdessen weiter den Hügel hinauf.
Ich rief ihnen laut zu:
«Ich sehe den Hasen nicht mehr!»
Mein Vater wies auf einen abgerindeten Baum, der wahrscheinlich vom Blitz getroffen worden war.
«Ich gehe hin, aber wartet auf mich!» Ich ging auf den Baum zu.
Endlich entdeckte ich den toten Hasen. Ich näherte mich und betrachtete das Tier.
Es war der größte Hase, den ich je gesehen hatte, er musste sehr alt sein. Er lag in Todesstarre auf dem Rücken, die Läufe verkrampft in der Luft, die Augen geschlossen.
Ich bückte mich, packte ihn an den Hinterläufen. In diesem Moment öffnete der Hase die Augen, krümmte sich, zappelte wild und glitt mir aus den Händen. Im Nu stand er wieder auf allen vier Beinen, dann rannte er wie ein geölter Blitz davon und ließ mich mit offenem Mund zurück.
Ich hatte deutlich sehen können, dass die Schüsse ihn nicht einmal gestreift hatten.
Wie viele seiner Gefährten hatte er in seinem langen Leben sterben sehen, um den Tod so gut schauspielern zu können?
Als ich zurückkehrte, sagte mein Vater:
«Ich hätte auch von hier oben auf ihn schießen können, aber das war nicht möglich, weil du neben ihm standst.»
Und auch das hatte der Hase genau gewusst, dachte ich mir.
Es war ein herrlicher Morgen Ende Juli. Ich lag im Garten unseres Landhauses in der Toskana in einem Liegestuhl und beobachtete durch ein Fernglas die Manöver eines Flugzeugs der Marke Canadair, das versuchte, ein starkes Feuer irgendwo in der Ferne zu löschen, und große Wassermassen über den Flammen ausschüttete.
Meine Tochter saß neben mir. Als ich meine Beine bewegte, sagte sie leise, ich solle beim Aufstehen achtgeben, wohin ich meine Füße setze.
«Warum?»
«Seit einer Viertelstunde hockt ein Distelfink zwischen deinen Schuhen.»
Ich beugte mich zur Seite, um ihn mir anzusehen.
Das Gefieder des kleinen Vogels hatte wunderschöne Farben. Er rührte sich nicht, suchte nichts zu essen im Gras, es schien, als fühlte er sich beschützt, wenn er ganz dicht bei mir war.
«Nimm ihn auf», sagte meine Tochter.
Man brauchte nur die Hand auszustrecken. Aber das tat ich nicht, es widerstrebt mir, Vögel in Käfigen zu halten.
Es war Zeit fürs Mittagessen. Ich stand vorsichtig auf, denn der Distelfink saß immer noch reglos da, und ging ins Haus. Nach dem Essen sah ich wieder nach ihm. Er war immer noch an der gleichen Stelle. Ich machte mein gewohntes Mittagsschläfchen, und beim Aufwachen fand ich den Distelfink, der sich nicht mal um einen halben Meter bewegt hatte.
Da begriff ich sein Drama.
Er war aus einem Käfig geflohen und wusste nicht, wie er sich in der unerwarteten Freiheit verhalten sollte, allein konnte er sich nichts zum Essen und Trinken beschaffen.
Was tun?
Es gab dringenden Handlungsbedarf.
Meine Tochter lief ins Dorf, um das Nötigste zu besorgen, und als sie zurückkehrte, bückte ich mich einfach, nahm den Vogel und steckte ihn in den nagelneuen, geräumigen Käfig.
Dort stürzte der Distelfink sich sofort auf das Futter und das Wasser. Er bewegte sich ganz ungezwungen, offenbar fühlte er sich zwischen den Gitterstäben wohl.
Zurück in der Stadt, hängten wir den Käfig tagsüber an einen Nagel auf der Terrasse unserer Wohnung. Abends holten wir ihn herein und stellten ihn auf einen hohen Schrank in der Küche, dort war er vor Katzenangriffen geschützt. Wir hatten damals zwei Katzen.
Der Distelfink konnte außerordentlich schön singen, manchmal erstaunte er uns mit seinen phantasievollen Variationen. Für die morgendliche Säuberung des Käfigs sorgte meine Schwiegermutter.
Der Distelfink war seit ungefähr einem Jahr bei uns, als meine Tochter eines Abends den Käfig von der Terrasse hereinholen wollte, gleich darauf aber mit leeren Händen und erstaunter Miene zurückkam.