Report eines Wehrpflichtigen der Nationalen Volksarmee der DDR - Bernd Ozminski - E-Book

Report eines Wehrpflichtigen der Nationalen Volksarmee der DDR E-Book

Bernd Ozminski

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Beschreibung

Die vielfältigen Erlebnisse, die den Dienst eines Wehrpflichtigen in der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR charakterisieren, stellt der Autor in kurzer, prägnanter und spitzfindiger Art dar. So beginnt der Titel des Buches folgerichtig : "Report eines Wehrpflichtigen..." Der undisziplinierte Zwischenruf des Kommandeurs der Luftstreitkräfte in die harsche Kritik eines Geschwaderführers, die strapaziösen Tage im Manöver einer Fla-Raketeneinheit, unliebsame Erfahrungen mit militärischen Vorgesetzten in der Kaserne oder ein angetrunkener sowjetischer Fähnrich in der Uniform eines Unteroffiziers der NVA auf einem Barhocker, bilden neben weiteren unterhaltsamen Kapiteln den Inhalt des Buches.

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Vorwort

Die Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik wurde 1956 als Freiwilligenarmee gegründet. 1962 beschloss die Regierung die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.

Trotz vehementen Fachkräftemangels, deren Ursachen in der Abwanderung vieler junger Menschen in den Westen des geteilten Deutschlands vor 1961 lagen, hatte die Ausbildung von Offizieren und Unteroffizieren absolute Priorität.

Im heimatlichen Wehrkreis entschied die Musterungskommission meinen Einsatz bei den Flugzeugabwehr-Truppen.

Der Standort hieß W., eine der vier Abteilungen, die dem Regiment in P. unterstellt waren.

Über vielfältige Erlebnisse, die den Dienst eines Wehrpflichtigen in der NVA charakterisieren, wird in 15 Kapiteln berichtet. So beginnt folgerichtig der Titel des Buches mit: „Report eines Wehrpflichtigen …“.

Der undisziplinierte Zwischenruf des Kommandeurs der Luftstreitkräfte in die harsche Kritik eines Geschwaderführers, die strapaziösen Tage im Manöver einer Fla-Raketeneinheit, unliebsame Erfahrungen mit Vorgesetzten auf dem Kasernenhof oder ein angetrunkener sowjetischer Fähnrich in der Uniform eines Unteroffiziers der NVA auf einem Barhocker bilden neben weiteren unterhaltsamen Kapiteln den Inhalt des Buches.

Im Januar 2014Bernd Ozminski

Inhalt

Im Wehrkreiskommando

Der Einberufungstag

Der erste Schritt auf dem Kasernenhof

In der Grundausbildung

Ein abendlicher Stubendurchgang

Wachaufzug - oder Der Genitiv ist des Dativs Tod

Eine Wache um Mitternacht

Wachvergehen

Dienst in der Hundestaffel

Ein winterlicher Fahrlehrgang

Sommer- und Winterumstellung

Urlaubsfreud und -leid

Gockel Hahnemann und Affe Nußbaum

Vom Messen, vom Maß und vom Anmaßen

Feindliche Propaganda

Soldat und Tanzmusiker

Ein Maskenball

Zum Rapport

Im Manöver

Regress in der Abteilung

Negative und positive Kritik

Dienst ist Dienst…

„Der Blick in die Sonne“

Vom Miteinander der Soldaten

Nachwort

Im Wehrkreiskommando

Die Verteidigungsbereitschaft der NVA verstand sich als eine Hauptaufgabe der Republik. Die Kadersuche nach jungen Freiwilligen folgte konsequent in allen Betrieben. Obwohl Anfang der sechziger Jahre akuter Fachkräftemangel herrschte, besaß die militärische Nachwuchsgewinnung absolute Priorität. Da fehlten im Schuldienst viele Lehrer. Deshalb lief sogar ein zeitweiliges Sonderausbildungsprogramm, um die prekäre Situation zu entspannen. Darum erstaunten viele Studenten sehr, als sie plötzlich zum freiwilligen Dienst auf Zeit in der NVA aufgefordert wurden. Vorerst sollte nur eine Verpflichtung unterschrieben werden mit dem Zusatz: „… wenn der Staat uns braucht.“ Im Dokument würde unser Passbild kleben sowie unsere Unterschrift stehen.

Da die Studenten im allgemeinen ein staatliches Stipendium erhielten, wägten sie ihre Antwort sehr genau ab. Warum sollte die Behörde denn Verweigerern überhaupt weiterhin Stipendium zahlen? Darum unterschrieben die meisten schließlich entnervt.

Das Werben erfolgte noch intensiver, als 1962 in der DDR die Wehrpflicht eingeführt wurde. Jetzt galt es, Soldaten auf Zeit zu gewinnen, die eine Laufbahn als Unteroffizier einschlagen würden. Es fanden sich auch einige wenige. Sie verinnerlichten diesen staatspolitischen Auftrag so intensiv, dass sie sogar ihre Mitstudenten überzeugen wollten, es ihnen gleichzutun. Sehr beliebt machten sich jene jungen Werber natürlich nicht. 1964 wurde ich in das behördliche Wehrkreiskommando zur Musterung einbestellt. Meine Knick-Spreizfüße ersparten mir die Einberufung zu den „Motorisierten Schützen“, im Soldatenjargon als „Sandlatscher“ bezeichnet. Ich sollte Richtkanonier bei den Fla-Raketen werden und möglichst länger dienen. Das legte mir zumindest der Werber, ein Offizier vom WKK nahe. Dazu präsentierte er mir meine Verpflichtung aus der Studienzeit. „Sie wollen also Soldat auf Zeit werden“, begann er forsch das Gespräch. „Keinesfalls“, antwortete ich prompt, „meine Unterschrift im vorliegenden Papier steht nur für zwei Jahre. Außerdem rührt die Verpflichtung aus der Zeit her, als es noch keine Wehrpflicht gab. Ich denke doch, dass mein Verhalten Anerkennung verdient!“ Der Werber verstand, dass er von seinem hohen Ross heruntersteigen müsste und versuchte, Einsicht in die Notwendigkeit zu vermitteln. „Tja, diese Regelung existiert nun nicht mehr. Warum wollen Sie sich denn nicht für drei Jahre verpflichten?“ Es erfolgte ein bekanntes Statement über die politische Situation und die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Militärblöcken. Eine starke schlagkräftige NVA sei darum ein Garant für ein militärisches Gleichgewicht. Ich bestätigte natürlich seine Argumentation: „Da sei es doch ganz gut, dass nun die Wehrpflicht zum Gesetz erhoben wurde. Nun dienen der Republik doch genügend Soldaten, von denen sich sicher Interessierte für die militärische Laufbahn entscheiden würden.“

Natürlich ließ mein Gesprächspartner nicht locker, um mich zu überzeugen. Irgendwann gab er es dann aber schließlich auf.

Der Einberufungstag

Es war schon recht winterlich damals bei meiner Einberufung im November 1965. Auf der Fahrt zur Sammelstelle in Magdeburg reiste ich noch als Privatperson an. Dort endete vorerst für achtzehn Monate der Status eines Zivillebens, denn bereits auf dem dann folgenden Transport zu den Kasernen galten alle Einberufene als Soldaten der Nationalen Volksarmee und waren deren Gesetzen unterstellt. Jegliches Fehlverhalten würde ab sofort auch entsprechend geahndet werden, teilte allen der Hauptmann einer uns zugeteilten Begleitmannschaft eindringlich mit. Sicherlich auch, um mögliche Trinkgelage und deren Auswirkungen zu unterbinden.

Ein Sonderzug für Militärangehörige hielt auf bestimmten Bahnhöfen, von denen die bereits feststehenden Soldatengruppen zu ihren Standorten chauffiert wurden.

Die jungen Rekruten versuchten sich auf ihre Weise in der neuen Situation zurechtzufinden. Einige saßen in sich gekehrt da, andere suchten Ablenkung im Gespräch oder lasen ein Buch. In einzelnen Gruppen spülte man wohl auch die Abneigung zum Militär mit alkoholischen Getränken hinunter. Die es dabei zu weit trieben, verbrachten die ersten Tage oder sogar Wochen in einer Arrestzelle statt in einer Revierstube.

Unsere Gruppe verließ erst kurz vor Wismar den Zug. Die letzten Kilometer zur Kaserne hockten wir recht kleinlaut und frierend auf einem offenen Pritschenwagen. Als sich das große Tor hinter uns schloss, spürte ich, dass es mit meiner Selbständigkeit vorerst ein Ende hatte. Ermüdet und durchgefroren kletterten alle vom Fahrzeug.

„Ihr friert wohl?“ waren die ersten Worte, die man an uns richtete. Ein leichter Hohn in der Fragestellung war unverkennbar. Ohne unsere Antwort abzuwarten meinten die Uniformierten gönnerhaft: „Na, euch wird es noch wärmer werden, als es manchem lieb ist!“

Der erste Schritt auf dem Kasernenhof

„Können Sie nicht grüßen?“ tönte mir die laute Stimme eines sehr eleganten, dekorierten Uniformierten entgegen. Automatisch registrierte ich die drei Sterne auf dem silbrigen Untergrund seiner Schulterstücke. - „Auch das noch, sicherlich ein Offizier“, dachte ich und antwortete spontan: „Nein, natürlich nicht! Ich habe es nicht gelernt.“ Denn dazu reichten meine militärischen Kenntnisse über Ordnung und Disziplin aus objektiven Gründen noch nicht aus. Meine Erklärungsversuche erreichten die Ohren des gestrengen Vorgesetzten erst gar nicht. „Werden Sie mal nicht frech. Gehen Sie sofort noch einmal zehn Schritte zurück und erweisen Sie die entsprechende Ehrenbezeugung!“ Und so verlief diese Übung zwei- dreimal, ehe der Achtung gebietende Vorgesetzte dann doch endlich bemerkte, dass sein Gegenüber völlig überfordert schien. Erst jetzt nahm er zur Kenntnis, mit welchen Problemen der erste Schritt auf dem Kasernenhof für einen Rekruten belastet war. Nach kurzer Unterweisung über die exakte Ausführung des militärischen Grußes wurde mir empfohlen, möglichst schnell und unbemerkt die Unterkunft zu erreichen, um weiteren Ärger aus dem Wege zu gehen.

Meine verunglückte erste Begegnung mit einem Offizier erklärte sich so: Die ersten Tage beim Militär verbrachte ich mit einer fiebrigen Erkältung im Krankenrevier. Dadurch fehlten mir Kenntnisse zu den scheinbar wichtigsten Verhaltensweisen im Regiment des Soldatendaseins. Ganz besonders der militärische Gruß wurde in der Truppe exakt bis zur Vollendung und sogar vor dem Spiegel geübt. So umgab mich beim Verlassen des Medizinischen Versorgungspunktes die schockierende, fremde andere Welt des Militärs, in der es galt, „das Laufen neu zu erlernen“.

In der Grundausbildung

„Kompanie - Nachtruhe beendet“, hallte der laute Ruf des UvDs langgezogen durch die Flure unserer Kaserne. Den Vorspann bildete dazu ein gellender Pfiff aus seiner Trillerpfeife. Nun blieb gerade noch Zeit, die eigene Notdurft zu verrichten, denn alsbald erschallte der nächste Aufruf: „Kompanie - Raustreten zum Frühsport!“ Sogleich begann ein aufeinander folgendes Zuschlagen der Türen. Hastig und hart schlugen Militärstiefel auf die Betonfliesen in den Gängen. In kürzester Zeit standen wir Soldaten angetreten in Reih` und Glied draußen vor der Unterkunft. Aber bei weitem nicht kurz genug, stellte der Kompaniechef fest und kündigte uns entsprechendes Übungsprogramm an: „Da müssen die Türen einheitlich zuschlagen und die Arme beim Herauslaufen angewinkelt sein. Im Übrigen mehr Tempo, meine Herren, hopp, hopp!“ So wurde wiederholt und einprägsam dieses Soldaten-ABC geprobt, zugebrüllt und einigen Rekruten Extra-Übungsläufe verordnet. Der Unteroffizier vom Dienst meldete nun dem Kompaniechef, einem Offizier, die Bereitschaft der Angetretenen zum Dienst.

Mitte November 1965 zeigte sich das Wetter bereits winterlich. Aber laut Dienstvorschrift bedeckte unseren Oberkörper nur ein Pullover aus Polyester mit V-Ausschnitt. So war es vorauszusehen, dass sich bereits nach wenigen Tagen die ersten Soldaten mit Halsschmerzen im Medizinischen Punkt zur Behandlung meldeten.

Der Frühsport nahm täglich etwa zwanzig bis dreißig Minuten in Anspruch, meist nach Lust und Laune der Ausbilder. Der Einzug in die Unterkünfte vollzog sich ähnlich wie beim Heraustreten. Gleichzeitiges Arme anwinkeln, links-um, und dann im Laufschritt in die Unterkünfte. Nach dem Waschen wurde schon wieder zum Raustreten gerufen, denn jetzt hieß es, gemeinsam zum Essenfassen zu marschieren. Allein zu gehen war streng untersagt, denn wir waren ja erst im Begriff, das Laufen zu erlernen. Das Lied auf dem gemeinsamen Marsch zur Kantine brach des öfteren ab, weil wir vor angekündigten Tieffliegern von links und rechts im Gelände Deckung suchen mussten. Ruhe hatten wir vorerst nur im Frühstücksraum und auf den Stuben im Quartier. Später als „gestandene Soldaten“ entzogen wir uns hin und wieder den vielen ungeliebten Aktivitäten.