Respekt! - René Borbonus - E-Book

Respekt! E-Book

René Borbonus

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Beschreibung

Der Erfolgsratgeber vom Spezialisten für Rhetorik und Kommunikation: praxisnah, unterhaltsam und augenöffnend! »Absolut lesenswert! Kluge Gedanken über Kommunikation und wertschätzendes Miteinander. Sehr gut verständlich geschrieben und trotzdem mit Tiefgang.« Amazon Kunde Respekt – der Schlüssel zu erfüllenden Beziehungen und beruflichem Erfolg Egoismus und Intoleranz greifen in unserer Gesellschaft zunehmend um sich. Ob im Kampf um den Arbeitsplatz oder bei familiären Auseinandersetzungen – immer mehr Menschen verfolgen rücksichtslos die eigenen Interessen. Doch wer beruflich und privat langfristig etwas erreichen will, der muss seinen Mitmenschen mit Respekt begegnen. Der renommierte Kommunikationsexperte René Borbonus zeigt, wie man mit Selbstbeherrschung, Konfliktfähigkeit und Überzeugungskraft auch in schwierigen Situationen besteht. Nur wer lernt, mit anderen respektvoll umzugehen, wird am Ende selbst Respekt und Anerkennung gewinnen – und so leichter seine Ziele erreichen. Anhand eindrücklicher Beispiele vermittelt er Strategien für eine respektvolle Kommunikation, die Mitarbeiter motiviert, Beziehungen vertieft und den Grundstein für eine erfüllende Zukunft legt. *** Ein wertvoller Ratgeber für alle, die beruflich und privat ihre soziale Kompetenz verbessern und mit Respekt ihr Leben meistern wollen! ***

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EPUB

Seitenzahl: 355

Veröffentlichungsjahr: 2013

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RENÉ BORBONUS

RESPEKT!

Wie Sie Ansehen bei Freund und Feind gewinnen

Econ

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4. Auflage 2012

ISBN 978-3-8437-0771-8

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011Grafiken: Peter Palm

Alle Rechte vorbehalten.Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlichverfolgt werden.

eBook: LVD GmbH, Berlin

Inhalt
PROLOG
WEN ODER WAS RESPEKTIEREN WIR?
Eine erste Annäherung
Charisma statt Machtgehabe
Autoritäten und Respektspersonen
Respektable Werte
Respekt in einer egoistischen Gesellschaft
Die Medien – Katalysator von Respekt und Verachtung
WARUM IST ES MANCHMAL SO SCHWER, RESPEKTVOLL ZU SEIN?
Die Menschen sind verschieden
Das eigene Eskalationspotential erkennen
Vier Grundtypen: das Riemann-Thomann-Modell
Steigern Sie Ihre Konfliktfähigkeit
Wie sich Männer und Frauen mit Respekt begegnen
WIE SIE RESPEKTLOSIGKEITEN VERMEIDEN
Die Gefahr respektloser Kommunikation. Beispiel Politik
Es sind die Kleinigkeiten: respektlose Verhaltensweisen
Wie Emotionen Respekt beeinflussen
Chancen respektvollen Verhaltens. Beispiel Wirtschaft
WIE SIE MIT RESPEKTLOSIGKEITEN UMGEHEN
Bekannte Respektlosigkeiten und die besten Reaktionen
Notbremsen: Was tun, wenn es richtig schlimm wird?
Resilienz: Wunderwaffe gegen Respektlosigkeit
WIE SIE RESPEKT ALS ERFOLGS-INSTRUMENT EINSETZEN
Respektvoll kommunizieren
Lösung für Konflikte, die zu Herzen gehen
Respektvolles Verhalten als Strategie und Lebensaufgabe
EPILOG
ANHANG
Anmerkungen
Literatur

PROLOG

Mein Name ist René Borbonus, und ich war respektlos.

Vor einigen Jahren veröffentlichte ich ein Buch, das bei einer allgemein bekannten Internetplattform diverse Leserrezensionen erhielt. Die meisten waren äußerst erfreulich, andere ein Stück kritischer. Die Mehrzahl der Meinungen bezog sich auf Qualität und Umsetzung konkreter Inhalte; das ist der Sinn der Sache. Ein Rezensent jedoch verpasste mir eine solche rhetorische Ohrfeige, dass auch ich die sachliche Distanz vergaß. Ich nahm mir seinen Verriss derart zu Herzen, dass es mir zwei Tage lang physisch schlecht ging. Ich fühlte mich gekränkt, denn er kritisierte nicht in erster Linie kon­struktiv Details des Buches. Vielmehr zielten seine Vorwürfe direkt auf meine Berufsehre und mein Ego: Er sprach mir kategorisch jegliche Kompetenz als Autor zum fraglichen Thema ab und kam zwischen den Zeilen zu dem Schluss, dass ich dann wohl auch als Kommunikationstrainer nicht viel taugen könne.

Ein böser Tiefschlag. Noch dazu – so meine Vermutung angesichts der Wortwahl – von einem Trainerkollegen. Tatsächlich bestätigte sich mein Verdacht, als ich den Verfasser ansprach.

Ein erfahrener Boxer reagiert auf einen Tiefschlag nicht mit einem Tiefschlag. Er beißt die Zähne zusammen und sucht die sportliche Auseinandersetzung im fairen Wettkampf. Als Autor muss man ­Kritik aushalten, sich sogar darüber freuen – schließlich setzt sie den Diskurs fort, den man mit dem Buch anstößt, auf die eine oder andere Art. Leider reagierte ich damals nicht wie ein erfahrener Boxer, sondern wie bei einer Schulhofprügelei: Ich trat auf gleicher Höhe zurück und gab dem Kollegen eine Antwort, die sich gewaschen hatte.

Natürlich könnte man vom Autor eines Buches über Respekt erwarten, dass ihm derartige Entgleisungen fremd sind. Aber seien wir ehrlich: Realistisch wäre das nicht. Respekt fällt uns nicht in den Schoß. Wir müssen ihn uns erarbeiten und lernen, ihn in unser Leben zu integrieren – täglich neu. Ich erzähle Ihnen diese Episode, weil sie eines unter Beweis stellt: Respekt ist keine Einbahnstraße. Das Gleiche gilt für die Respektlosigkeit. Oft schallt es uns aus dem Ellbogenwald genau so zurück, wie wir hineinrufen. Ein Konflikt, der mit gegenseitigen Tiefschlägen beginnt, wird in der Regel nicht am Tresen enden, wo der Streit friedlich beigelegt wird.

Besagter Kollege und ich kamen, nachdem wir einige Unverschämtheiten ausgetauscht hatten, glücklicherweise zur Vernunft und legten unsere Differenzen sachlich bei. Freunde sind wir nicht geworden, jedoch begegneten wir uns schlussendlich mit dem gebührenden Respekt – beiderseitig.

Respekt ist das Schmiermittel der Gesellschaft

Der Wunsch nach Respekt ist, wenn auch meist unterbewusst, so allgegenwärtig, dass kaum ein Tag vergeht, an dem wir ihn nicht empfinden. Dieser Wunsch ist mehr als nachvollziehbar: Respekt ist der Treibstoff für unser Ego. Je nach Beschaffenheit des eigenen Selbstbewusstseins braucht der eine mehr davon, der andere weniger. Bekommen wir ihn, wächst unser Ego, und mit ihm unsere Selbstsicherheit, unsere Zuversicht, unser Mut und unsere Risikobereitschaft. All das brauchen wir, um glücklich und erfolgreich zu werden – beruflich wie privat.

Allerdings ist es mit dem Respekt wie mit dem Unternehmenserfolg: Nur wer investiert, wird wachsen. Respekt und Erfolg haben deshalb sehr viel miteinander zu tun. Ein respektvolles Miteinander im Geschäftsleben wird Ihren Alltag nicht nur entspannter und konfliktärmer machen – es wird Ihnen auch messbare Erfolge bescheren. Dagegen wird Ihr Konkurrent wahrscheinlich bei nächster Gelegenheit zum Gegenschlag ausholen, wenn Sie öffentlich schlecht über ihn reden. Ihr Vorgesetzter wird wenig von Ihren Entwürfen zur Prozessoptimierung halten, wenn Sie jede seiner Entscheidungen lautstark anzweifeln. Umgekehrt wird Ihr Angestellter wenig motiviert sein, Umstrukturierungen im Unternehmen hinzunehmen, wenn Sie ihm für all seine Treue und Überstunden über die Jahre viel zu selten oder nie Ihre Anerkennung aussprechen.

Das Gleiche gilt für private Beziehungen: Sie können von Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner wenig Respekt erwarten, wenn Sie am Valentinstag darauf pochen, dass das Feierabendbier mit dem Kollegen (»Networking, Schatz!«) nun wirklich wichtiger ist als der gemeinsame Kinobesuch. Auch Ihre Kinder werden Schwierigkeiten haben, zu Ihnen aufzuschauen, wenn Sie lieber mit den Kumpels Bundesliga schauen, als den Sohnemann bei seinem eigenen Heimspiel zu unterstützen. Ihre beste Freundin wird wenig Respekt vor Ihrer Lebensweise zeigen, wenn Sie sich über ihren 15 Jahre jüngeren Lebensgefährten mokieren. Selbst Ihr ältester Freund wird sich ­irgendwann von Ihnen abwenden, wenn Sie ihn für seine Entscheidung verhöhnen, in Elternzeit zu gehen, während er auf Ihre Unterstützung gehofft hatte.

Kurzum: Respekt ist das Schmiermittel der Gesellschaft. Er definiert unsere Beziehungen und unser gesamtes Sozialverhalten wie kein anderer Faktor menschlichen Miteinanders. Wie sehr Respektlosigkeit nicht nur dem Einzelnen, sondern auch dem gesellschaft­lichen Klima zusetzen kann, lässt sich an einer Debatte hervorragend demonstrieren, die bundesweit hohe Wellen geschlagen hat. Es ist noch nicht lange her, da brach sich der geballte Frust der Bevölkerung über die Respektlosigkeit der Regierenden buchstäblich Bahn in einer beispiellosen Protestaktion.

Auf der Sachebene ging es bei Stuttgart 21 um ein paar Gleise, ein paar Bäume und ein paar Milliarden. Verstehen Sie mich richtig: Auch mir liegt die Natur am Herzen, und es ist mir ebenso wenig egal wie Ihnen, wohin meine Steuergelder verschwinden. Doch Bauvorhaben wie den Stuttgarter Bahnhof gibt es in unserem Land dutzendweise, und die wenigsten von uns ketten sich deshalb im Wochentakt an einem Baum fest.

Was die sogenannte Volksseele weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus zum Kochen brachte, war das schamlose Übergehen der Kritiker seitens der Entscheidungsträger sowie der respektlose Umgang der Landesregierung mit ihren Bürgern. Wer mit Gewalt auch gegen friedliche Demonstranten vorgeht, muss sich nicht wundern, wenn sich Entrüstung und Wut breitmachen. Vor allem aber darf er nicht erwarten, dass sich ein derart düpierter und in seinem demokratischen Grundverständnis gekränkter Verhandlungspartner mit einem gütigen Lächeln an den Verhandlungstisch setzt und die weiße Fahne schwenkt.

Wie bei den meisten politischen Debatten gab es auch in der Diskussion um Stuttgart 21 letztlich eine gütliche Einigung zwischen den Konfliktparteien – und zwar obwohl man weiterhin die Gleise unter die Erde verlegen, etlicher Bäume fällen und so einige Milliarden investieren will. Zu verdanken ist das mit Heiner Geißler einem brillanten Schlichter, der das in die Diskussion einbrachte, woran es zuvor gemangelt hatte: respektvolle Kommunikation zwischen den Beteiligten.

Respekt kann man lernen

Grob vereinfacht gesagt wählte Heiner Geißler für seine Intervention bei Stuttgart 21 dieselbe Strategie wie die couragierte Lehrerin, die bei einer Schulhofprügelei dazwischengeht: Er stellte sich als Puffer zwischen die Streithähne, brach den Austausch von Tiefschlägen ab und holte die Diskussion zurück auf die Sachebene. Damit ebnete er den Weg für die Erkenntnis, dass es tatsächlich um die Verlegung von … na, Sie wissen schon.

Der Weg zum respektvollen Miteinander ist ein Lernprozess, dem wir uns alle täglich stellen müssen – vom Schuljungen bis zum Spitzenpolitiker. Denn die gute Nachricht ist, dass wir gegen die kleinen und großen Respektlosigkeiten des Alltags aktiv etwas tun können. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben: Es gibt effektive Strategien und Techniken, um jener »Verrohung der Sitten« entgegenzuwirken, die die heute weitverbreitete Kultur der Rücksichtslosigkeit ermöglicht hat.

Als Kommunikationstrainer bereite ich täglich Verhandlungsführer auf schwierige Debatten vor und treffe häufig auf verfahrene Dialogkonstellationen. Erfreulich ist für mich jedoch, dass ich in den letzten Monaten in der Politik wie auch in der Wirtschaft einen Trend hin zu einem respektvollen Miteinander beobachten kann. Führende Politiker erkennen zunehmend, dass konstruktive gesellschaftliche Erneuerung, die mit persönlichen Einschnitten seitens der Bürger einhergeht, nicht durchsetzbar ist, wenn die Wähler ihrerseits keine Wertschätzung von den »Mächtigen« spüren.

Immer öfter trete ich mit meinem Anliegen offene Türen auch bei Unternehmen ein, die die Krux der Respektlosigkeit erkannt haben und bereits auf der Suche nach Lösungen sind. Meine Aufgabe ist es dann, Strategien und Techniken respektvoller Kommunikation zu vermitteln, die meinen Kunden messbare Erfolge bescheren.

Die Deutsche Post DHL hat das Prinzip Respekt sogar ausdrücklich zur Führungsaufgabe erhoben. Dr. Andreas Tautz, Chief Medical Officer bei der Deutschen Post DHL, erklärt warum: »Führung zeichnet sich durch die Motivation der Beschäftigten, gegenseitigen Re­spekt, emotionale Beteiligung, gemeinsame Überzeugungen sowie die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und deren Delegation aus.«1

Die DHL hat aus diesem Grund ihre Ethikrichtlinie grundlegend überarbeitet und in ein Leitbild gefasst, das nicht nur die gesundheitsfördernde Wirkung von Respekt hervorhebt. Es zeigt ebenso, dass Respekt in diesem Unternehmen als Wirtschaftsfaktor verstanden wird. Das Leitbild ist überschrieben mit den Worten »Respekt und Resultate«. Tautz geht noch einen Schritt weiter, indem er klarstellt, dass Respekt als Führungsaufgabe sogar eine Schlüsselrolle bei der Zusammenführung von Effizienzgewinn und einer Kommunikationskultur spielt, die auf gegenseitiger Wertschätzung beruht. Der Diskussionsprozess, der mit dem neuen Leitbild angestoßen wurde, biete die Chance »zur nachhaltigen Anpassung der Unternehmenskultur und zur Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs wirtschaftlich orientierter und mitarbeiterzentrierter Unternehmensführung«.2

Bei der DHL haben die Verantwortlichen erkannt, dass die entsprechende Kommunikationskultur durchaus erlernbar ist: Die im Leitbild formulierten Soft Skills nehmen in den Leadership-Seminaren für den Führungsnachwuchs des Unternehmens einen festen Platz ein.

Respekt ist eine kommunikative Haltung

In diesen Seminaren lernen die angehenden Führungskräfte vor allem, im Team und als Teamleiter respektvoll zu kommunizieren. Dafür ist es unentbehrlich, den anderen ernst zu nehmen und auf seine Bedürfnisse einzugehen. Wenn Sie diesen Perspektivwechsel bei Ihrer Führungsarbeit, in der Partnerschaft oder in jedem anderen kommunikativen Umfeld einmal ausprobieren, werden Sie schnell feststellen: Die Motivationsfaktoren unserer Mitmenschen sehen oft ganz anders aus als das, was wir in Konfliktsituationen überstürzt in ihr Verhalten hineininterpretieren. Auch die DHL hat dies festgestellt, als sie sich bei der Erarbeitung ihres neuen Führungsleitbilds mit den Faktoren der Mitarbeitermotivation auseinandersetzte: »Weltweit ist Respekt der größte Treiber der Mitarbeitermotivation, gefolgt von ›sich einbringen und gestalten können‹ bei der Arbeit. Variable Vergütungsmodelle beziehungsweise Bonusmodelle liegen international auf dem letzten Platz der Motivatoren.«3

Sie sehen: Respekt ist keineswegs eine Frage des Wertes, sondern der Wertschätzung. Und die wird in erster Linie über Kommunikation vermittelt.

Um Respekt in Ihrem Berufs- und Privatleben erfolgreich auch als Kommunikationsstrategie einsetzen zu können, brauchen Sie zunächst ein grundlegendes Verständnis davon, wie Respekt eigentlich funktioniert. Das mag banal klingen, ist aber keineswegs selbstverständlich. Der Begriff wird im Alltag inflationär gebraucht – nicht immer ist dabei von echtem Respekt die Rede. Wer »Respekt« vor dem ersten Fallschirmsprung oder dem schulterhohen Hund des Nachbarn verkündet, meint eigentlich Angst. Goldbehängte Rap-Stars gebrauchen das Wort heute häufig bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit; nicht selten hat Respekt hier mit der Anzahl von Schusswunden zu tun, die man vorzeigen kann. Dabei hatte das Wort in den Ursprüngen dieser Musikrichtung absolut sinngebende Bedeutung und war an eine echte politische Botschaft geknüpft. Auch der Respekt, der in stark hierarchischen Kulturen und Diktaturen gern gepredigt wird, hat so gar nichts mit Respekt zu tun, sondern mit Unterordnung und Gehorsam.

Welchen Respekt also meinte ich, als ich den Titel über dieses Manuskript setzte? Ein Blick auf die Herkunft des Wortes bringt Aufschluss: Respicere bedeutet im Lateinischen nichts anderes als »zurücksehen«. Respekt ist etymologisch also verwandt mit Begriffen wie »Rücksicht« und »Berücksichtigung«. Wenn wir jemandem unseren Respekt zollen, bedeutet das, dass wir ihn wertschätzen, ihm Aufmerksamkeit schenken oder ihm Ehre erweisen.

Respekt meint nicht Anbiederung; er meint nicht geheuchelte Bewunderung, Nutzdenken und leere Worthülsen. Er bezeichnet vielmehr eine kommunikative Aufgabe, eine Verpflichtung dazu, sein Gegenüber wahrzunehmen und in seiner Persönlichkeit, seiner Menschenwürde und seinem Anliegen ernst zu nehmen. Das kann nur, wer die grundlegende humanitäre Überzeugung teilt, dass Menschen gleichwertig sind, und sich täglich daran erinnert. Respekt ist keine Maske, die wir aufsetzen und wieder abnehmen können, wie es uns beliebt. Er ist eine Haltung, weil er gleichzeitig ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist.

Die interdisziplinäre RespectResearchGroup der Universität Hamburg bezeichnet diese Form von Respekt als horizontalen Re­spekt. Von der zweiten Grundform – dem vertikalen Respekt – unterscheidet er sich dadurch, dass er nicht darauf beruht, dass der Respektgebende zu seinem Gegenüber »aufschaut«. Aus diesem Grund ist horizontaler Respekt auch erlernbar. Er setzt lediglich die grundlegende Erkenntnis voraus, dass jedes menschliche Leben grundsätzlich gleichwertig mit dem des anderen ist.

Und von dieser Erkenntnis muss ich Sie gewiss nicht erst überzeugen.

Respekt macht glücklich – Respektlosigkeit macht krank

Wenn jedoch dem Respekt eine scheinbar so selbstverständliche Erkenntnis zugrunde liegt, warum müssen wir uns überhaupt erst damit beschäftigen? Warum verhalten wir uns nicht automatisch immer respektvoll? Warum sind Egoismus und Rücksichtslosigkeit in unserem Alltag so viel präsenter?

Es ist nicht zuletzt dieses Paradoxon, das mich fasziniert und animiert hat, dieses Buch zu schreiben. Bei meiner Arbeit stelle ich immer wieder fest: Oft ist es gar keine böse Absicht, kein Egoismus und keine Ellbogenmentalität, die uns zu respektlosem Verhalten animiert, sondern einfach nur fehlende Achtsamkeit. Immer wieder begegne ich Klienten, die sich besonders in unangenehmen Gesprächssituationen achtlos verhalten. Dabei sind sie im festen Glauben, ihrem Gegenüber allen gebührenden Respekt zu erweisen! Dieser Mangel an Achtsamkeit ist besonders tragisch, wenn er über einen langen Zeitraum zu zerrütteten Beziehungen am Arbeitsplatz oder im Privatleben führt – ohne dass die Parteien auch nur erkannt hätten, woran es eigentlich gelegen hat, dass man »nicht miteinander konnte«.

Respektlosigkeit ist eine der schlimmsten Fallen, in die wir bei der Kommunikation tappen können, denn sie ist ein Teufelskreis. Wie wir bereits festgestellt haben, ist Respekt keine Einbahnstraße: Re­spektloses Verhalten provoziert in aller Regel mehr respektloses Verhalten, wenn es beiden Parteien an der nötigen Achtsamkeit mangelt. Das kann gravierende Folgen für alle Beteiligten haben. Fehlender Respekt macht nicht nur einsam, sondern im schlimmsten Fall auch krank. So wie Respekt in der Rangliste der Faktoren zur Mitarbeitermotivation ganz oben steht, so gefährlich sind die Auswirkungen seines Fehlens auf die Mitarbeitergesundheit. Laut Dr. Andreas Tautz reicht schon das subjektive Empfinden aus, die eigene Arbeit würde vom Vorgesetzten nicht genug anerkannt, »um auf längere Sicht das Risiko des Auftretens einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und/oder einer Depression zu verdoppeln.«4

Respekt verschafft man sich, indem man ihn zeigt

Ob es derart schmerzliche Erfahrungen mit Respektlosigkeit oder der Wunsch nach mehr Anerkennung im Job und im Privatleben sind, die Sie zur Lektüre dieses Buches bewogen haben: Es lohnt sich in jedem Fall, Respekt aktiv zu einem bewussten Teil Ihrer persönlichen Lebenseinstellung zu machen. Denn so, wie sein Fehlen gravierende Folgen haben kann, kann ein Mehr an Respekt Ihr Leben auch gravierend bereichern. Es kann Sie erfolgreicher, glücklicher, sogar gesünder machen. Klingt das etwa nicht verlockend?

Um den Anfang zu machen, braucht es gar nicht viel. Respekt wird in erster Linie über Kommunikation vermittelt. Respekt lernen heißt deshalb vor allem kommunizieren lernen.

Als Kommunikationstrainer vermittle ich in diesem Buch keine Wellness-Rhetorik. Ich möchte Sie gezielt auf schwierige Situationen vorbereiten und dabei unterstützen, mit den Mitteln der Kommunikation den Respekt Ihres Umfelds zu gewinnen. Dieses Buch folgt daher ganz und gar praktischen Gesichtspunkten. Der erste Schritt ist, Sie für die Falle der Respektlosigkeit zu sensibilisieren. Wie beschrieben fehlt es uns häufig nur an einem Quäntchen mehr Achtsamkeit, um schwierige Gesprächssituationen wie Verhandlungen oder Konfliktgespräche strategisch klüger zu gestalten und zu unseren Gunsten zu entscheiden, ohne dabei egoistisch oder rücksichtslos aufzutreten. Zunächst werde ich Ihnen daher demonstrieren, wie sich Respektlosigkeit in der Kommunikation äußert, wie Sie sie erkennen und ihr begegnen können, ohne einen Tiefschlag mit einem Tiefschlag zu beantworten. Es gibt ebenso simple wie effektive Werkzeuge, die sofort Abhilfe schaffen, wenn dicke Luft herrscht.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen einen Leitfaden an die Hand geben, wie Sie durch aktives Vorleben auch den Respekt Ihres Gegenübers gewinnen können – Freund oder Feind, Partner oder Vorgesetzter, Kind oder Vater. Um sich selbst Respekt zu verschaffen, müssen Sie ihn zunächst anderen entgegenbringen. Spätestens, wenn es darum geht, den eigenen Standpunkt – vielleicht sogar gegen Widerstände – zu vertreten, sind Selbstbeherrschung, Konfliktfähigkeit und Überzeugungskraft die Mittel der Wahl. Der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett hat es so formuliert: »Respekt ist eine ausdrückliche Darbietung. Andere mit Respekt zu behandeln, geschieht nicht einfach von selbst […]. Wer jemandem überzeugend Respekt erweisen will, muss die rechten Worte und Gesten finden.«5 Das Instrumentarium, das ich Ihnen hier vermittle, reicht vom richtigen Zuhören und der Kontrolle der eigenen Emotionen über die gelungene Strukturierung von Argumenten und konsistente Körpersprache bis hin zur angemessenen Formulierung von Kritik und der richtigen Art, »nein« zu sagen.

Auch wenn Sie sich selbst bereits zu den respektvolleren Zeit­genossen zählen: Lassen Sie sich noch einmal neu auf das Prinzip Re­spekt ein und lernen Sie, davon zu profitieren. Es sind oft kleine Unachtsamkeiten, die auf Dauer Schaden in menschlichen Beziehungen anrichten – und kleine Veränderungen, die Sie einen Riesenschritt nach vorn bringen.

Hand aufs Herz: Sind Sie wirklich noch nie in eine verbale Schulhofprügelei geraten, wie ich sie zu Beginn aus eigener Erfahrung geschildert habe?

Sehen Sie.

WEN ODER WAS RESPEKTIEREN WIR?

Eine erste Annäherung

»Der Umgang mit Menschen ist wahrscheinlich das heikelste Problem, das wir zu lösen haben, besonders wenn wir im Geschäftsleben stehen«, schreibt Dale Carnegie im Vorwort zu seinem Klassiker Wie man Freunde gewinnt.6

Der Mann muss es wissen: Carnegie darf getrost als der Inbegriff des erfolgreichen amerikanischen »Selfmademan« gelten; sieben Millionen Menschen hat das Unternehmen Carnegie Training mit seiner Philosophie des gesunden Menschenverstandes seit der Gründung 1912 in 58 Ländern geschult.

Carnegie geht es in erster Linie um die Themen Selbstvertrauen, positive Lebenseinstellung und die Fähigkeit zur Kommunikation – also auch um Respekt: Denn nur wer genug über sich selbst erfahren hat, sich selbst kennt, sich selbst mag und sich selbst vertraut, der schafft auch die Grundlage dafür, andere als gleichwertig wahrnehmen zu können.

Menschen sind als soziale Wesen darauf angewiesen und darauf eingestellt, miteinander auszukommen. So wissen wir schon als Kinder, dass wir uns im sozialen Miteinander zurechtfinden müssen, haben aber keinen blassen Schimmer, wie wir das bewerkstelligen sollen. Wie so vieles im Leben müssen wir auch das lernen.

Im Zuge dieses Lernprozesses kommen wir nicht um die Frage herum, was für uns eigentlich Respekt bedeutet. Wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre, wie sollten dann die Menschen um mich her­um mit mir umgehen? Wie zeigen sie mir, dass sie mich achten, schätzen – respektieren?

Es fängt schon damit an, dass sich mein Mitmensch genau überlegen sollte, was er mir wie sagt. Er verzichtet darauf, mich abwertend zu kritisieren oder gar zu beschimpfen. Er bemüht sich, mich jederzeit fair zu behandeln. Und er macht sich Gedanken, wie er mir etwas Gutes tun kann, hält mich für kompetent, vertraut mir.

Im Prinzip sind es die kleinen Dinge des Lebens, mit denen für uns der respektvolle Umgang miteinander anfängt. Da sind das höfliche »Bitte« und »Danke«, das Sich-gegenseitig-die-Tür-Aufhalten oder die Tatsache, dass wir im Restaurant die Speisekarte zuerst dem anderen überlassen.

Es geht damit weiter, dass wir den persönlichen Bereich unserer Mitmenschen respektieren. Der Computer unseres Kollegen ist absolutes Tabu für uns, genauso wie der unseres Freundes oder der des Nachbarn.

Wenn Ihr Kind Tagebuch führt, dann ist das nicht die geeignete Lektüre für Sie als Elternteil. Und sollte Ihr Partner den Wunsch äußern, dieses oder jenes Thema jetzt besser zu beenden, dann handeln Sie danach und reden – wenn es unbedingt notwendig ist – am besten ein anderes Mal wieder darüber.

Überhaupt das Gespräch: Wie oft fällt im Plausch im Freundeskreis ein unüberlegtes Wort? Wie oft nennen wir unseren besten Freund einen »faule Socke« oder einen »Messi«? Womöglich sogar dann, wenn er gerade danebensteht: »Na komm schon, Alter, du weißt doch, wie ich das meine …« Diese Abwertung ist bereits ein deutliches Zeichen für mangelnden Respekt.

Alle Menschen um uns herum sind gleichwertig und haben die gleichen Rechte. Wenn Sie selbst respektvoll behandelt werden wollen, dann müssen Sie auch Ihr Gegenüber respektvoll behandeln. Denn Sie wissen ja: Es schallt so aus dem Wald heraus, wie man hineinruft!

Leider ist das Leben aber kein Wunschkonzert. Wir begegnen immer wieder Menschen, die uns eben »nicht gut gesinnt sind«, die uns provozieren, die uns nicht leiden können, die uns vielleicht sogar hassen – aus welchen Gründen auch immer. Und das müssen wir uns dann auch nicht gefallen lassen.

Wenn uns ein Mensch unbeabsichtigt attackiert, weil er vielleicht einen schlechten Tag erwischt hat und sich im Ton vergreift, können wir nonchalant darüber hinwegsehen. Wenn er aber mit seinen Bemerkungen, Kommentaren, Beleidigungen von vornherein darauf aus ist, uns zu demütigen, klein zu machen und unser Tun in Frage zu stellen – dann müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Bei Menschen, die vorsätzlich unsere Selbstachtung zerstören wollen, macht es wenig Sinn, sich zu öffnen und allzu großes Verständnis zu zeigen.

Dann heißt es, Abwehrstrategien zu entwickeln, wie sie beispielsweise die Psychotherapeutin Doris Wolf empfiehlt: Übergehen Sie die Bemerkung kommentarlos, senden Sie deutlich ein Stopp-Zeichen, bringen Sie das Gespräch auf eine sachliche Ebene zurück oder setzen Sie Humor ein. Wolf: »Sie können sich selbst mehr innere Stärke verschaffen.«7

Selbstachtung

Der Respekt für den anderen fängt beim Respekt für das eigene Selbst an. Ich muss erst lernen, mich selbst zu achten, bevor ich meine Mitmenschen aufrichtig respektieren kann.

Selbstachtung bildet die Basis für ein glückliches und zufriedenes Leben. Ohne Selbstachtung wären ein positives Selbstwertgefühl und echtes Selbstvertrauen undenkbar. Achte ich mich selbst nicht genug, nehme ich mich selbst nicht wichtig genug, dann frage ich mich ständig, was die anderen wohl über mich denken, gehe, wenn überhaupt, nur zögerlich auf andere Menschen zu und schlucke vieles herunter. Kurz: Es geht mir einfach nicht gut!

Bevor Sie Ihre Mitmenschen respektvoll behandeln können, achten Sie einmal ganz bewusst darauf, wie respektvoll Sie eigentlich mit sich selbst umgehen. Was für eine Meinung haben Sie von sich? Verfluchen und beschimpfen Sie sich im Stillen, wenn Sie einen Fehler gemacht haben, oder beruhigen Sie sich gleich wieder?

Können Sie in liebevoller Weise über sich nachdenken, sehen Sie zuerst die positiven Anteile in Ihrem Charakter oder stellen Sie Ihre Schwächen in den Vordergrund? Verurteilen Sie sich selbst, fechten Sie einen inneren Kampf mit einem anderen Ich aus? Stellen Sie Ihr Selbstbild immer wieder aufs Neue in Frage?

Ein gesundes Ego ist förderlich, ein zu großes Ego hilft Ihnen jedoch nicht weiter. Mir fällt dazu Oscar Wildes Roman Das Bildnis des ­Dorian Gray ein. Der reiche und schöne Dorian Gray besitzt ein Porträt, das statt seiner altert und in das sich die Spuren seiner Sünden und Vergehen eingravieren. Während Gray immer maßloser und grau­samer wird, bleibt sein Äußeres dennoch jung und makellos schön.

Am Ende bereut Dorian den Hochmut seines Gebets um ewige Jugend, er begreift, dass nichts ihn reinwaschen kann, erst recht keine Selbstverleugnung. Er zerschneidet das Bild, um sich zu befreien. Als die Dienstboten seine Leiche finden, ist sie kaum zu erkennen: verlebt, faltig, widerwärtig. Das Porträt hingegen strahlt wieder Jugend und Schönheit aus.

Seit dem Jahre 2000 bezeichnet das Dorian-Gray-Syndrom das psychische Krankheitsbild, das eigene Altern und Reifen nicht ertragen zu können. Es ist durch exzessiven Gebrauch sogenannter Lifestyle-Produkte der Medizin gekennzeichnet. Diese narzisstischen Wesenszüge – das sind überhöhte Anspruchshaltung, unkritische Selbsteinschätzung, allzu egoistische Einstellung, Neid und Überheblichkeit – nehmen zu in unserer Zeit.

Wir sind uns also einig, dass auf keinen Fall ein zweiter Dorian Gray aus Ihnen werden sollte. Doch schauen Sie sich ein bisschen von ihm ab: Schreiten Sie positiv überzeugt und realistisch beseelt von Idealen wie Erfolg, Glück, Scharfsinn oder Schönheit durchs Leben, ohne dabei gleich in Verblendung abzudriften.

Das ist für viele von uns schon schwierig genug, denn da ist ja diese penetrante innere Stimme, die einem ständig alles miesmacht, die uns klein hält und oft zögern lässt, den entscheidenden Schritt nach vorn zu riskieren, so dass man sein Ziel am Ende nicht erreicht.

Ich habe einen Bekannten – nennen wir ihn Klaus –, für den Selbstzweifel überhaupt kein Thema sind. Klaus marschiert lächelnd und ohne Ängste durch die Welt, er lässt sich anscheinend von nichts und niemandem in seinem positiven Denken erschüttern. Natürlich erleidet auch er Rückschläge, aber es gelingt ihm, das Gute an diesen Entwicklungen zu erkennen, er steht sofort wieder auf, macht weiter. Unermüdlich.

Er hat verstanden: Genau so, wie wir an Lebenssituationen, die wir vorfinden, zunächst einmal nichts ändern können, bis wir gelernt haben, sie so anzunehmen, wie sie sind, genau so kommen wir mit uns und anderen nicht zurecht, wenn wir uns nicht selbst akzeptieren. Klaus ist zufrieden, er wirkt tatsächlich so, als hätte er immerzu eine aufregende Liebesbeziehung – zu sich selbst.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Klaus hält sich nicht für was Besseres, er hat nur ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Er schaut weder auf andere herab, noch hat seine (Selbst-)Zufriedenheit auch nur im Entferntesten mit Arroganz zu tun.

Wer sich mag, überlegt nicht lange, ob andere ihn mögen oder was sie überhaupt von ihm halten. Diese Menschen sind ganz bei sich, machen ihren Frieden mit den kleinen Schwächen und großen Fehlern, die sie wie wir alle mit sich herumschleppen. Sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Seele überflüssigen Ballast abwirft und bald nur noch mit Handgepäck unterwegs ist.

Der Weg zum inneren Gleichgewicht ist ein steiniger Weg. Aber auch er beginnt mit dem ersten Schritt. In unserem Falle ist es der Schritt hin zur Achtsamkeit. Sich selbst zu achten heißt, zu sich selbst stehen, in Einklang mit den eigenen Schwächen leben und über sich selbst lachen zu können. Es bedeutet auch, sich Grenzen zu setzen, sich nicht zu verausgaben. Und Auszeiten zu nehmen! Sind wir achtsam, dann sind wir jeden noch so kleinen und unwichtig erscheinenden Augenblick wach und gegenwärtig, dann gelingt es uns, das Leben tatsächlich zu leben, statt es zu verträumen und zu verschwenden.

Eine positive Einstellung zu sich selbst strahlt von innen nach außen. Lieben und respektieren Sie sich! Das ist zwar noch lange keine Garantie, dass man im Gegenzug respektiert und geliebt wird, hilft aber in jedem Falle dabei, offen auf andere zuzugehen, sie zu respektieren und zu achten.

Darüber, wie Menschen mit hoher Selbstwertschätzung von anderen beurteilt werden, gibt es in der Psychologie kontroverse Meinungen. Dr. Astrid Schütz, Professorin für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der TU Chemnitz, hat eigene Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt.

42 Studierende beurteilten sich selbst und wurden ihrerseits von Kommilitonen eingeschätzt. Dabei lagen vier Dimensionen zugrunde: Durchsetzungsfähigkeit, Altruismus, die Fähigkeit, Sym­pathien zu gewinnen, und die Fähigkeit, Unterstützung geben zu können.

Das Resultat: Im Selbsturteil fanden sich jeweils positive Zusammenhänge, im Fremdurteil waren diese geringer. Schütz: »Personen mit hoher Selbstwertschätzung wird hohes Durchsetzungsvermögen zugeschrieben, sie werden aber nicht als besonders sympathisch, ­altruistisch oder unterstützend wahrgenommen.«8

Wer sich vollkommen fühlt, ist nach der Lehre Alfred Adlers nicht motiviert, zu lernen. Der Begründer der Individualpsychologie vertritt die Ansicht, dass ein Minderwertigkeitsgefühl zur Grundsituation jedes Menschen gehört und er an den stetig wachsenden Anforderungen des Lebens wächst.

Überlegen Sie doch mal: Wann waren Sie das letzte Mal so richtig im Einklang mit sich und Ihrer Umwelt, waren mit einem wohligen Seufzer und einem Lächeln auf den Lippen ganz bei sich und Ihrer tiefen inneren Zufriedenheit?

Das war vielleicht der Moment, als Sie die überaus positive Resonanz auf Ihre revolutionäre Idee im Job genossen. Oder der Moment, als Sie neulich spätabends zum See rausgefahren sind und dort den Sonnenuntergang genossen haben.

Nur leider lässt sich dieses schöne Gefühl nicht konservieren, es vergeht. Der Glückszustand hält nicht an, im Beruf gibt’s bei nächster Gelegenheit wieder eins aufs Dach, für eine Fahrt an den See fehlt plötzlich die Zeit. Das Glück verpufft so schnell, weil wir es allzu oft von bestimmten Ereignissen und Situationen abhängig machen. Anhaltende Zufriedenheit finden wir aber nur an einem einzigen Ort – in uns selbst. Wir sind wertvoll, weil es uns gibt – nicht weil wir vollkommen sind.

Respekt kennt keine sozialen Unterschiede

Wer nicht be- und geachtet wird, der verspürt den inneren Drang, Gehör zu finden, sich Respekt verschaffen zu müssen. Bekanntermaßen hören wir dies immer wieder von den Bevölkerungsgruppen am unteren Ende der sozialen Leiter. Die klassischen Respektspersonen von anno dazumal – wie den Dorflehrer oder den Pfarrer – gibt es zwar nicht mehr, und doch zollen wir immer noch vor allem denjenigen Respekt, die »es zu etwas gebracht« haben. In der Medienwelt von heute sind dies allzu oft Prominente – wie Schauspieler, Sänger, Po­litiker, Fußballstars. Gehör finden heutzutage außerdem viele Wirtschafts- und Interessensverbände, finanzstarke Lobbyisten sowie leider auch B- und C-Prominenz.

Das führt dazu, dass vor allem Heranwachsende und Jugendliche ein unscharfes Bild von dem bekommen, was wirklich wertvoll ist, wem man wirklich nacheifern sollte, was tatsächlich erstrebenswert ist. Der Hype um jene Menschen, die 1999 unter großem Medienrauschen erstmals in das sogenannte Big Brother-Haus einzogen, um sich dort rund um die Uhr filmen zu lassen, ist unvergessen. Getrieben vom Traum, berühmt zu werden, ließen sich unbekannte Leute in ein Haus einsperren und boten ihre Menschenwürde feil. Kaum zu glauben, dass 2010 bereits die zehnte Staffel von Big Brother im Fernsehen lief. Die Reihe der Sendungen, die künstlich konstruierte Könner hervorbringen, lässt sich beliebig fortsetzen.

Es wäre aber zu kurz gegriffen, ausschließlich die Medien für diese unheilvolle Entwicklung verantwortlich zu machen. Wie kommt es denn, dass junge Menschen so empfänglich sind für diese einfachen, stupiden Botschaften? Weil sie viel zu viel Zeit allein vor dem Fernseher verbringen, weil ihnen die Alternativen – wie ein gutes Buch – oft gar nicht erst aufgezeigt werden und weil ihnen in einer für sie gänzlich unübersichtlichen Welt ohne jede Perspektive ein einfacher Weg »nach oben« aufgezeigt wird.

Es wäre auch zu kurz gegriffen, allein den Eltern die Schuld zu geben. Den Eltern, die es angeblich nicht geschafft haben, ihre Kinder vernünftig zu erziehen, ihnen die richtigen Werte zu vermitteln. Am Ende spielen viele Faktoren eine Rolle – und doch ist es wichtig, dass es den Eltern und/oder den Lehrern gelingt, Werte zu vermitteln, die den Kindern Selbstvertrauen, Sicherheit und Orientierung geben.

Wenn sich die Gesellschaft auf grundlegende Werte einigt und diese über Generationen weitergetragen werden, dann besteht eine realistische Chance, dass echte Vorbilder entstehen. Menschen, zu denen man mit Respekt aufschaut und die vorleben, dass jede Person erwarten kann, dass man ihr mit Respekt begegnet.

Denn Gehör suchen vor allem diejenigen, die benachteiligt sind, keine eigene Stimme haben, nicht der angeblichen Norm entsprechen oder auf Unterstützung angewiesen sind: Kinder, Alte, Behinderte, Menschen, die aufgrund von Religion oder Kultur einen anderen Lebensstil pflegen, ethnische Minderheiten, Homosexuelle und Transsexuelle, Hartz-IV-Empfänger, Arbeitslose oder Verbrechens-, Missbrauchs- und Vergewaltigungsopfer. Wenn solche Gruppen gehört werden, dann bedeutet das zugleich, dass man die Grenzen, die sie haben oder setzen, erkennen und achten muss.

So leben beispielsweise zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime mit Migrationshintergrund in Deutschland.9 Im Mai 2010 erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière auf der Deutschen Islam Konferenz (DIK) dazu: »Religiöse Vielfalt stellt eine Herausforderung für den Zusammenhalt einer Gesellschaft dar. Ab- und Ausgrenzungen nach außen können Konflikte auslösen. Den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zu fördern, heißt jedoch keinesfalls, alles gleich zu machen, jeden Unterschied einzuebnen. Das Ziel der Deutschen Islam Konferenz ist nicht die Assimilation. Unser Ziel ist es, dass aus Andersartigkeit kein Problem entsteht.«10

Güner Balci, eine deutsche Fernsehjournalistin türkischer Herkunft, weiß jedoch, dass dieser erwünschte gesellschaftliche Zusammenhalt noch lange nicht erreicht ist. In ihrem Buch Arabboy beschreibt Balci das fiktive Leben eines arabischen Jungen: Rashid ist weder Deutscher noch Libanese oder Palästinenser; er und seine Kumpel versorgen die einschlägigen Chaträume mit selbstgemachten Gewalt-Clips. Rashid gehorcht dem Gesetz der Straße. »Ein Junge wie er hätte es vielleicht auch in der deutschen Gesellschaft zu etwas bringen können, für seine Familie und sein soziales Umfeld aber war alles Deutsche verachtenswert. Seine Eltern waren Fremde in diesem Land geblieben. Sich mit den Deutschen gemein zu machen, galt und gilt auch heute noch als haram, als Sünde.«11

So wie Deutsche oft mit Unverständnis und Kopfschütteln auf türkische Sitten reagieren, wollen sich eben auch türkische Mitbürger nicht unbedingt auf deutsche Eigenarten einlassen. Wenn wir alle genauer hinschauen, unsere Mitmenschen ohne Argwohn wahrnehmen, uns offen und neugierig begegnen – dann ist bereits ein entscheidender Schritt getan und gesamtgesellschaftlich viel gewonnen.

Deshalb appelliert Güner Balci an die Gesellschaft, allen Bürgern ungeachtet ihrer Herkunft Respekt entgegenzubringen: »Ich glaube, wenn man einen Menschen wie Rashid wie einen eigenen Sohn betrachten würde, würde man viel heftiger auf die Armut, Kriminalität, Gewalt, auf das Versumpfen dieser Jugendlichen reagieren. Auf ein Milieu, in dem junge Menschen keine Perspektiven haben.«12

Fairness und Höflichkeit

Erinnern Sie sich noch an die Fußball-WM 1982? An den Nicht­angriffspakt beim 1:0 zwischen Deutschland und Österreich, der als »Schande von Gijon« in die Sportgeschichte einging? Mit Respekt hatte diese unfaire Übereinkunft rein gar nichts zu tun – beide Mannschaften zogen auf diese Art in die nächste Runde ein, Konkurrent Algerien schied aus.

So wie Fairness im Sport fundamentale humane Werte fördern und zur Prävention von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit beitragen soll, soll Fairness in der demokratischen Gesellschaft jedem Menschen die gleichen Chancen eröffnen, sich selbst zu verwirklichen und an der politischen Willensbildung mitzuwirken.

Im direkten Miteinander hat Fairness in erster Linie mit Wertschätzung zu tun: Ich behandle mein Gegenüber nicht von oben ­herab, sondern begegne ihm ehrlich und gleichberechtigt. Persön­liche Ziele setze ich nicht auf Kosten meiner Mitmenschen, meiner Freunde und meiner Familie um, sondern behalte auch deren Ziele im Blick. Ich bin mir bewusst, was sie wollen, und hinterfrage immer wieder, was sie sich wünschen.

Letzteres spielt nicht zuletzt für Unternehmen und deren Führungskräfte eine große Rolle: Denn Wertschätzung und Fairness werden gerade in der deutschen Firmenlandschaft immer höher gehängt. Eine erfreuliche Entwicklung. So fassen die schwedischen Ökonomen Tore Ellingsen und Magnus Johannesson einige Studien zu diesem Themenkomplex zusammen und kommen zu dem Schluss, dass sich die Mitarbeiter nicht allein dafür interessieren, wie voll die Lohntüte am Ende des Tages ist, sondern auch dafür, was ihr Arbeitgeber über sie denkt, wie viel Respekt er ihnen entgegenbringt – ob er sie fair behandelt.13

»Also können Arbeitgeber ihre Arbeiter mit einer Kombination aus Geld und Respekt bezahlen«, resümieren Ellingsen/Johannesson und setzen darauf, dass sich diese Erkenntnis nicht allein unter Psychologen, sondern auch unter Volkswirten durchsetzt.14

Die Regeln des Fair Play befördern also ein respektvolles Miteinander. Aber wie sieht es mit der Höflichkeit aus? Drückt sich in ihr wirklich Respekt aus, oder gehen höfliche Menschen Konflikten lediglich aus dem Weg? Angenommen, ich habe mich über meinen Freund geärgert, weil er zum wiederholten Male Sachen weitererzählt hat, die er für sich behalten sollte. Dann gebietet es der Anstand, dass ich ihm nicht vor versammelter Mannschaft die Meinung sage, sondern ihn um ein Gespräch unter vier Augen bitte. Diese Unter­redung darf dann auch direkter verlaufen. Das wäre höflich und re­spektvoll.

Manche Menschen reklamieren für sich dagegen, besonders authentisch zu sein, wenn sie nicht bei jeder Gelegenheit Höflichkeit »heucheln«. Über wachsende Irritationen und dicke Luft im Umfeld dürfen sie sich dann jedoch nicht wundern. Und Respekt werden sie dadurch auch nicht gewinnen. Wenn jeder, der sich in der S-Bahn über den telefonierenden Sitznachbarn ärgert, gleich lospoltern würde, müsste man im Öffentlichen Nahverkehr neben Kontrolleuren auch noch Schlichter einsetzen.

Im täglichen Miteinander schafft Höflichkeit eine neutrale Ebene zwischen zwei Individuen, die Schutz und Chance zugleich ist. Stellt mir der Gastgeber abends einige mir fremde Menschen vor, dann besteht die Chance, dass ich schnell in anregende Gespräche verwickelt bin. Allerdings auch ein ebenso großes Risiko, schon bald in einen langweiligen Small Talk verstrickt zu sein.

Dann respektvoll zu handeln ist nicht immer so leicht. Sie möchten das Gespräch beenden, trauen sich aber nicht? Meistens behelfen wir uns in solchen Situationen, indem wir ganz plötzlich jemanden sehen, mit dem wir unbedingt und auf der Stelle reden müssen – oder wir müssen unbedingt auf die Toilette und kommen einfach nicht wieder.