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Eigentümergeführte Unternehmen sehen sich in Finanzkrisen großen emotionalen Herausforderungen gegenüber. Zu der wirtschaftlichen Bedrängnis und der juristischen Überforderung kommt oft der emotionale Kollaps. Wo börsennotierte Betriebe bei Sanierungsbedarf den Vorstand wechseln, um nachteilige Gewohnheiten zu eliminieren, sind solche Gewohnheiten bei eigentümergeführten Unternehmen durch organisatorische Strukturierungen zurückzudrängen, oder eine übertragene Sanierung zu ermöglichen. Aus Erfahrungen der Sanierungsbegleitung werden Auswege, Strategien, Regeln und Knackpunkte aufgezeigt, die eine Befreiung vom „Diktat der leeren Kassen“ bewirken können. Die Prinzipien und Funktionen eines Insolvenzverfahrens und die Unternehmensfortführung parallel zum laufenden Verfahren werden beschrieben. Die gerichtlich überwachte Entschuldung und die Option außergerichtlicher Regelungen insbesondere für Bürgen und Dritte wird erklärt. Ein Insolvenzverlauf wird aus der Sicht eines Schuldners, somit für Nichtjuristen, dargestellt. Die Strukturierung während des laufenden Insolvenzverfahrens konzentriert sich auf die Ertragssanierung, die Liquiditätsgestaltung und die Integrität der Führung. Es werden die Bezüge zu Haftungen und Bürgen dargelegt, um aufzuzeigen, wie eine nachhaltige Sanierung zu erreichen ist. Die Emotionen, Hürden und Enttäuschungen sind in Beispielen beschrieben. Zentraler Punkt ist die Integrität (Bewusstheit) der Führung. Wenn bei eigentümergeführten Unternehmen die Führung integer ist, gelingen die Sanierungen stets besser als geplant, bei egoistischer Weltsicht ist es genau umgekehrt. Mit einem Vorwort von Univ. Prof. Dr. Gerhard Reber
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Seitenzahl: 280
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Wider die Stigmatisierung
Johann Hüthmair Dr. Mag., geboren 1947, studierte Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftssoziologie. Er war selbstständig als Unternehmensberater für Strategie und Troubleshooting tätig und lebt mit seiner Frau in Oberösterreich nahe dem Attersee.
Entschuldung in Zahlen und im Erleben
Einleitung
Entschuldung
Prinzipien im Insolvenzverfahren
Organe im Insolvenzverfahren
Funktionen des Verfahrens
Unternehmen, Status
Sanierungsplan
Alternativen
Außergerichtlich
Unwägbarkeit
Restrukturierung
Liquidität
Erfolg, Nutzen
Integrität
Bewusstheit
Symbole
Angst
Teambildung
Rituale
Navigieren
Sanierungsbegleiter
Versorgung
Projektorganisation
Optionen
Kopf hoch
Talent
Ent-Täuschung
Essenzen zur Sanierung
Beispiele
Holzindustrie: Irrtum von Beginn an
Bau-Nebenbetrieb: Schrecken ohne Ende
Maschinenbau: Vom Minus ins Plus
Autohaus: Angst-Projektionen
Elektrobau: Sein und Schein
Friseur: Modisches Leid
Nahversorger: Talent mit Gitarre
Architekt: Schuldenzwang
Nachwort
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Endnoten zu Reformen
„ReSTART” enthält ein einzigartiges Lebenswerk. Einerseits demonstriert der Verfasser seine Rolle als „Sanierungsbegleiter”. In ihr werden seine gesammelten Erfahrungen im Umgang mit Insolvenzen und Sanierungen mit dem besonderen Akzent auf Eigentümerunternehmer dargelegt. Diese zeigen seine erarbeitete Professionalität.
Dabei ist es erstaunlich, welche Komplexität diese Entschuldungssituationen aufweisen, wie viele „Professionals“ in diesen Prozess eingewoben sind und wie sich die Spezialisten gerade durch diese Vielfalt gegenseitig im Weg stehen können. Allein diese Lage sichtbar zu machen, kann schon die außerordentliche Qualität der Behandlung des Entschuldungsproblems demonstrieren. Diese professionelle Erfahrung des Autors macht ReSTART zu einem hervorragenden Beitrag für alle Beteiligten an den thematisierten Prozessen. Sie hilft allen Schuldnern, Gläubigern und anderen Beteiligten bei der Regelung dieser komplexen Probleme.
Hinzu kommt die Erfahrungsweitergabe eines „Begleiters“ in Dimensionen, welche die übliche Professionalität weit übersteigen. Die Dimensionen führen in das „Erleben“ insbesondere eines Schuldners, in dessen persönliches und soziales Leben. In diesem Bezugsrahmen findet die eigentliche Besonderheit der Lebenserfahrung des Verfassers ihren Ausdruck. Im Zentrum seiner Beobachtungen und Bearbeitung stehen die „Ängste“ der Schuldner und deren Folgen für die anzustrebende Problemlösung.
Die Angstbekämpfung wurde zu einem zentralen Anliegen des Autors. Die Auseinandersetzung mit den in Beispielen angesprochenen Fällen führte den Verfasser über eine „westliche“ Behandlung hinaus. Unterstützung fand er in den Beiträgen anderer Kulturen, insbesondere denen der fernöstlichen Welt in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Hierbei sieht der Verfasser die Notwendigkeit der Schuldner in dem Erlernen der Selbstbeherrschung und deren Wirkung auf die Angstbewältigung. Der Verfasser gibt in seiner Darstellung die jeweiligen Quellen durch entsprechende Zitate zum Gebrauch der von ihm betreuten Klienten weiter. Er ordnet nicht nur Zahlen, sondern Leben/Überleben von Schuldnern und gibt ihnen dabei die Chance der Sanierung und Neugestaltung ihres Unternehmens.
Mit den vom Verfasser erarbeiteten Literaturanalysen, welche zum Gebrauch der Betroffenen in Zitaten und Literaturangaben dargelegt werden, findet sich die Ungewöhnlichkeit der lebenslang erarbeiteten Qualitäten des Verfassers.
em. Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerhard Reber, MBA1
1https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Reber oder JKU: http://bit.ly/1fYFRpH
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit,
dass etwas Sinn hat,
egal wie es ausgeht.“ (Havel)
Das Leid der Unternehmer bei leeren Kassen sitzt im Kopf. Denn in Finanz-Krisen an Gewohntem festhalten zu wollen ist sehr schmerzhaft. Ein Grund, dieses Buch zu lesen, könnte sein, ein Scheitern als Ritual für eine zweite Chance zu nutzen und törichte Irrtümer der „letzten Tage“ vor dem „Finanzcrash“ zu meiden. Erfahrungen aus vielen Sanierungsprojekten2 sind in diesem Buch zusammengefasst. Einige Vermutungen, die dazu beitragen könnten, die innere Kraft des Unternehmers als disponierbaren Faktoreinsatz zu erkennen, um etwas Gegenwind zu ertragen.
Der Fokus dieses Buchs ist darauf ausgerichtet, die Emotion „Angst“ in den Griff zu bekommen und Auswege aus Finanzkrisen sichtbar werden zu lassen. Betroffene Unternehmer3 sollen die Knackpunkte im Sanierungsfall verstehen, nämlich dass die Liquidität nach einer Entschuldung als Engpass in der Sanierung zu erkennen ist und die Fristen der Insolvenzordnung sowie die Gläubigerinteressen zu achten sind, um von Strafrecht und Haftungen verschont zu bleiben. Es wird ein Umriss aus Insolvenzordnung, Buchhaltung, innerer Kraft, Würde, Ungewissheit und Erfahrung beschrieben.
Für das Gelingen einer Sanierung zeigte sich über die Jahre ein dominanter Faktor: die Bewusstheit des Unternehmers, Disziplin und der konstruktive Umgang mit Emotionen. Das Leid und Bangen vieler Unternehmer vor der Übergabe der Insolvenzanträge erlebte ich als Begleiter hautnah mit. Ich fand jedoch trotz aufmerksamer Recherche keine hinreichenden Erklärungen zu Unerschrockenheit und Angstbewältigung von Eigentümer-Unternehmern in Finanzkrisen.
Über die Jahre fiel mir auf, dass erfolgreiche Unternehmer neben Sachverstand stets Umsichtigkeit, Sorgfalt und Stehvermögen (Konfliktfähigkeit) vereinten. Erst Jahre später fanden sich für mich schlüssige Erklärungen über den Hintergrund der Phänomene in den asiatischen Philosophien. Dort fanden sich Erklärungen zu Furchtlosigkeit4 als Ergebnis von inneren Haltungen. Dabei schloss sich der Kreis zu meiner ersten Begegnung mit Pythagoras in der Kindheit, die Geometrie als universelles Ordnungsprinzip. Diese Erkenntnis fühlte sich wie eine Wiederentdeckung an und prägte mein Leben. Wer Ähnliches noch nie erlebte, wird das nicht verstehen können, denn es lässt sich so wenig in Worte fassen wie der Geschmack von exotischen Früchten, der auch erst dann erfasst werden kann, wenn man sie einmal gekostet hat.
Alles im Leben spiegelt sich in unserem Geist, die Sicht der Dinge, die Sammlung, die Schlussfolgerung, die Handlung und schließlich auch das Ergebnis. Nicht die äußeren Umstände sind also ausschlaggebend, wie wir Krisen meistern, sondern unsere innere Einstellung und Bindung. Der Weg ist wichtiger als das Ziel, oder anders gesagt, man braucht neben dem Verstand auch das Herz5. Lebensweisheiten wie diese sind stets kurz und seit Urzeiten bekannt und können in kritischen Situationen als verlässliche Wegweiser dienen.
Wer die eigene innere Kontrolle über den Geist6 bewahrt, der kontrolliert auch die äußeren Einwirkungen. Jedoch sind nicht alle Personen gleich, manche haben hohe innere Potentiale, andere geringe oder mittlere Kapazitäten oder Führungstalente. Daher sind auch die Wege nicht für alle gleich [148] 7. Das erklären die fernöstlichen Lehren über die innere Natur des Menschen.
Dieser Umgang mit Wissen der dialektischen Weltsicht wird jedoch im Westen kaum in Schulen gelehrt und ist uns daher weitgehend „fremd“, obwohl es ganz nahe liegt und für Insider seit Urzeiten bekannt ist. Dass uns der entsprechende Kontext fehlt, macht die Vermittlung dieser Erkenntnisse so schwierig, das mechanistische Weltbild dominiert in der westlichen Welt.
Dieses Buch hält daher Fragmente und einige Bezüge zur fernöstlichen Philosophie in Form von „Trittsteinen im seichten Wasser“ bereit, jedoch keine feste „Brücke“, die einen Unternehmer sicher über die Irritationen hinwegbringt, wenn sich der Businessplan als Irrtum erweist. Um gefestigt im Notfall handeln zu können, sind lange vor der Krise die Grundlagen zu schaffen. Darüber hinaus sind tiefere Weisheiten ohnehin kaum aus Büchern zu lernen, dazu bedarf es der Vorbilder und der eigenen Motivation.
Die Gliederung erfolgt in drei Abschnitte und eine Beispielsammlung. Im Abschnitt I. wird die Entschuldung aus der Insolvenzordnung dargestellt, im Abschnitt II. die Restrukturierung zur Ertragssanierung, und im Abschnitt III. werden beim Navigieren die beiden ersten Abschnitte in der Anwendung zusammengeführt.
Die Lesefolge kann der Leser nach persönlichen Erwägungen wählen. Wichtiger noch als alle Fragmente zu erfassen wäre jedoch, ein Gespür dafür zu entwickeln, was noch nicht erschlossen ist: Nicht die Sterne am Himmel zählen, sondern den Raum ermessen [81].
Das Buch ist nicht auf eine breite Leserschaft ausgelegt, es geht nicht um Spaß oder Vergnügen. Der Inhalt ist für Nichtjuristen konzipiert und komplementär zur Wirtschaftswissenschaft eingeordnet, ähnlich der Komplementärmedizin im Gesundheitswesen.
Es handelt sich bei den beschriebenen Konzepten um angeeignetes Wissen, von vielen Lehrern empfangen und aus der Lebenserfahrung abgeschrieben. Es kommen keine eigenen Erfindungen vor, nur Auffindungen oder Entdeckungen. Viele der beschriebenen Erfahrungen sind als subjektiv einzuordnen und können nicht allgemein zutreffende Geltung erlangen.
Die Voraussetzung, um das Buch zu veröffentlichen, liegt darin, mich nicht zu schämen, nicht alles zu wissen8. Sollten sich Irrtümer herausstellen, so sei für jeden Hinweis gedankt.
„Hürden sind für die Entwicklung gut,
sie bringen uns der Erkenntnis näher,
mehr als Glück.“ (Sprichwort)
2 In meiner Schaffensperiode von 35 Jahren Sanierungsbegleitung vorwiegend von eigentümergeführten Unternehmen.
3 Genderneutral, Personen beiderlei Geschlechts.
4 Bei der Suche nach Erklärungen zu Konfliktfähigkeit fand sich der Begriff Furchtlosigkeit (Unerschrockenheit) bei Lama Öser (Gomde.de), [128] und [131].
5 Die Quantenphysik kann die „Herzensstrahlung“ nachweisen, auf die es auch in einer Krise ankommt, wie wir im Buch nachzuweisen versuchen.
6 „Wer das Selbst gesehen, gehört, verstanden und erkannt hat, der erkennt die ganze Welt.“ (Upanischaden)
7 Die Zitate sind über www.Citavi.com im MKWI-Stil verwaltet und im Literaturverzeichnis der jeweiligen [Nr.] zugeordnet. Hochgestellt a, b, c als Endnoten am Ende des Buches.
8 Die unterschiedlichen Betrachtungen und „Denkrahmen“ über das „Ganze und seine Teile“, von H. Pietschmann [105] vorzüglich dargelegt, gelten auch als Spektrum des Buchinhalts. „Der Erkennende redet nicht, der Redende erkennt nicht. Die Welt aber, wie sollte die es wissen?“ Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sokrates
„Das Prinzip von Ursache und Wirkung
ist in Afrika hautnah erfahrbar:
die Nähe zu den Löwen und
die Gefahr, gefressen zu werden.“
Wenn es eine treffende Analogie zu Entschuldung im Insolvenzverfahren gibt, dann ist das die Chirurgie. In der Schuldenchirurgie9 benutzt man die Insolvenzordnung als Skalpell, um das kranke vom gesunden Gewebe zu trennen.
Die Insolvenz zählt jedoch – wie manche Krankheit – zu den Tabus unserer Gesellschaft, von denen nur unter vorgehaltener Hand am Stammtisch erzählt wird. Vielleicht kommt das auch daher, dass in der Business School nur gelehrt wird, wie man ein Unternehmen gründet, jedoch nicht, wie man es entschulden kann oder schließt. Auch Businesspläne beschränken sich darauf, den Start und den Weg zum Erfolg eines Unternehmens ausführlich zu beschreiben, sagen jedoch kaum Relevantes darüber aus, was zu tun ist, wenn sich der schöne Plan als Irrtum erweist.
Es gibt Tausende Ursachen, um in Zahlungsstockung zu geraten, aber nur wenige, um als Unternehmen liquide zu bleiben. Sobald man in die Liquiditäts-Falle tappt, sollte man die Auswege kennen und nicht „krumme Sachen“ bereuen müssen. In diesem Kapitel geht es um legitime Aus-Wege, um dem Diktat der leeren Kassen zu entkommen. Hier werden die Strukturen und Funktionen eines Insolvenzverfahrens beschrieben, es handelt sich jedoch nicht um einen Kommentar zur Insolvenzordnung10 oder um eine Arbeitsanleitung, sondern es soll vor allem zur Entstigmatisierung beitragen und das Thema entmystifizieren.
Denn eigentlich ist alles sehr klar und einfach: Zur Regelung von unüberwindlichen Schulden und Zahlungsunfähigkeit gibt das Insolvenzrecht den Rahmen zur gerichtlich überwachten Entschuldung vor. Dabei sind je nach Schuldner verschiedene Regelungen vorgesehen:
Kapitalgesellschaften oder Firmen können entweder „abgewickelt“ (exekutiert, zerschlagen) oder saniert werden.
Natürliche Personen können nicht „abgewickelt“ (exekutiert) werden, daher ist die Schuldenregulierung als gesonderte Form zur Restschuldbefreiung vorgesehen.
Banken werden „vom Markt genommen“, sprich: „abgewickelt“ oder notverstaatlicht. Bei Systembanken ist die EU zuständig.
Staaten oder Bundesländer
11
: Insolvenzregelungen werden vorbereitet.
In der Volkswirtschaftslehre wird noch „Auslandseigentum“ als weitere der fünf Gruppen angeführt. Ein Sanierungsverfahren ist von einer „Abwicklung“ im Konkurs grundsätzlich zu unterscheiden. Handelt es sich beim „Konkurs“ (lat. Concurrere: „zusammenlaufen“) um eine gerichtlich geregelte Auflösung eines Unternehmens, zielt ein Sanierungsverfahren auf ein Überleben, also auf die Weiterführung. In der Sanierung wird ein erfahrener Sanierungsbegleiter mit der „scharfen Klinge“ des Insolvenzrechts und umfassender Erfahrung das angeschlagene Unternehmen mit Zustimmung aller Gläubiger zur Entschuldung führen und im Innenverhältnis für Gesundung sorgen.
Durch juristische Aspekte bezüglich Haftungen und Gläubigerinteressen werden im Vorfeld einer Insolvenz die Entscheidungen komplex. Dabei geht es hauptsächlich um Transparenz und um Gleichbehandlung aller Gläubiger, was kaum ein Unternehmer durchschaut. Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger gilt auch bei Versuchen einer außergerichtlichen Regelung, die zu zusätzlichen Spannungsfeldern führen kann. Künftige Geschäfte unter Kenntnis der Lage sind so abzuwickeln, dass die Gläubigerinteressen gewahrt bleiben und für diese kein weiterer Schaden entsteht. Dabei gilt es, bestimmte Gefahren abzuwägen, um nicht später in tiefere Problemlagen des Strafrechts zu gelangen.
Ein Andrängen von Gläubigern auf Zahlung beim Zivilgericht wird durch die Macht des Insolvenzgerichts aufgehalten. Mithilfe des Insolvenzgerichts schafft es ein Schuldner jedoch, nicht mehr der Gejagte zu sein. Der Spieß wird förmlich umgedreht. Für einen Unternehmer mit „leeren Kassen“ verbleiben sogar mehrere Optionen für eine Sanierung, für „chirurgische Eingriffe“, die wir uns nun ansehen.
Eine Sanierung von Unternehmen gilt als grundlegende Neuorientierung und Neuausrichtung der Strukturen, nicht als Kosmetik der Fassade. Man hat es bei der gründlichen Sanierung stets mit vier Ebenen zu tun:
Entschuldung (Finanzsanierung, Insolvenzverfahren)
Ertragssanierung (Einnahmen – Ausgaben)
Identitätssanierung (Bewusstheit im Management)
Liquidität nach der Entschuldung
An der Börse notierte Unternehmen kommen meist mit der Ertragssanierung durch, da meist reichlich Kapital im Hintergrund bereitsteht. Die Liquidität nach der Entschuldung wird bei eigentümergeführten Unternehmen als entscheidendes Faktum eingeordnet, als unumstößliche Bedingung, die von Beginn der Sanierungsbestrebung an der Strategie die Richtung gibt. Wird das nicht befolgt, heißt es manchmal: „Operation gelungen, Patient tot.“
Der Kollaps des Zahlungsverkehrs ist überwiegend die auslösende Bedingung für die Einleitung einer Finanzsanierung, so die Praxis. Die Sanierung kann durch eine Mittelzuführung, ein Moratorium (Zahlungsfrist-Erstreckung) oder eine Entschuldung erfolgen.
Banken stellen kaum Insolvenzanträge für ihre Schuldner, sondern versuchen vorerst notleidende Kreditnehmer „wegzuloben“ oder eben die Kreditlinie nicht ausweiten zu lassen, um zuletzt dann alle Zahlungen einzustellen. Dem Unternehmer bleibt meist nur die Option, das Vermögen unter „gerichtliche Aufsicht“ zu stellen, was als Antrag zur Eröffnung eines „Insolvenzverfahrens“ bekannt ist.
Die Philosophie der Insolvenzordnung [6] sieht klare Prinzipien und Funktionen vor, um ein geordnetes Verfahren zu gewährleisten, das durch die Organe (Kap. I.2) vollzogen wird.
Unsere Betrachtung bezieht sich vorwiegend auf kleine und mittlere Unternehmen, da bei börsennotierten Kapitalgesellschaften der Verlauf einer Sanierung etwas anders verläuft, weil meist genügend Kapital von Anlegern und Banken im Hintergrund zur Verfügung steht. Der Aufsichtsrat als Kapitalvertreter engagiert fähige Manager, um das Kapital möglichst nachhaltig zu vermehren. Darauf sind auch die Lehrpläne der Universitätsstudien für Management im Kern ausgerichtet, und die Manager erhalten einen satten Bonusanreiz, um das auch zu verwirklichen.
Konzerne haben meist ein hochentwickeltes Steuerungsinstrument im Controlling und erkennen Ertragseinbußen rasch. Ein Insolvenzantrag ist bei börsennotierten Kapitalgesellschaften eher selten, bereits vorher wird das Management gewechselt, ein „Turnaround“ herbeigeführt, der auch Sanierung genannt wird, jedoch ohne Entschuldung, wie es im Insolvenzverfahren als Sanierung verstanden wird. Bei Banken wird meist zusätzlich ein staatlicher Schutzschirm gespannt und ebenfalls ein neuer Vorstand eingesetzt. Es werden künftig auch Banken „vom Markt genommen“. Ein eigenes Banken-Insolvenzrecht sorgt dafür, dass nicht nur die Steuerzahler die Lasten übernehmen. Schon von den griechischen Philosophen wurde der Schuldenerlass12 praktiziert. Diese Tempel-Grafik kann als Ordnungsbehelf dienen:
Abb. 1 Insolvenz-Tempel
Die Funktionsweise der Sanierung bei einer gerichtlich überwachten Entschuldung (Insolvenz) wird hier in vier Ebenen in knapper Form beschrieben. Die Option zur gerichtlich überwachten Entschuldung kann gute Bedingungen für eine zweite Chance schaffen, wenn man aus den Ursachen lernt. Manchen laienhaften Ansichten zum Thema Insolvenz, die meist mit „Pleite“ oder „Zusperren“ in Verbindung gebracht werden, wird hier eine realistischere Funktionssicht13 gegenübergestellt, um der Stigmatisierung entgegenzuwirken.
Die rechtlichen Grundlagen des Insolvenzverfahrens sind hoch entwickelt, ausgefeilt strukturiert und gut organisiert. Kompliziert wird es in der Anwendung nur dann, wenn unterschiedliche Gläubigergruppen (Lieferanten, Banken, Mitarbeiter, Behörden und Eigentümer etc.) die Eigeninteressen vor ein Gesamtinteresse zu stellen versuchen.
„Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ (Brecht)
Ein Insolvenzverfahren verläuft, wie in der Dachkonstruktion des Insolvenz-Tempels angedeutet, nach folgenden Kern-Prinzipien14:
Gleichbehandlung der Gläubiger
Prämisse der Fortführung
Transparenz für alle Beteiligten
Zinsenstopp ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Zu a) Die Gleichbehandlung aller Gläubiger ist als Maxime in der Insolvenzordnung geregelt und wird durch das Gericht überwacht. Ein Andrängen von einzelnen Gläubigern wird unterbunden und damit ein eigener Rechtsstatus über die Wirtschaftsordnung im Zivilrecht installiert. Mit der Insolvenzeröffnung werden alle Exekutionsandrohungen oder neue Pfändungen ausgeschlossen. Die Gleichbehandlung der Befriedigung der Gläubigerforderungen gilt gegenüber allen Gläubigern. Es gelten auch Zuwendungen vor der Insolvenzeröffnung als anfechtbar (Vgl. I.3.b.), wenn diese für die übrigen Gläubiger nachteilig waren. Sinngemäß gilt, dass das freie verfügbare Vermögen15 des Schuldners im quotenmäßigen Anteil der Gläubigerforderungen verteilt wird, falls es zur Liquidation kommt (Konkurs). Für einen Zahlungsplan – also wenn das Unternehmen als überlebensfähig eingeordnet wird – wird eine bessere Quote angestrebt als bei einer Abwicklung [7].
Zu b) Die Fortführung eines Unternehmens in der Insolvenz dient dem Erhalt des volkswirtschaftlichen Potenzials und dem Erhalt von Arbeitsplätzen und einer gesamtwirtschaftlichen Schadensbegrenzung als Nebenbedingung. Durch eine Fortführung und Sanierung sollte auch, im Gegensatz zu einer Zerschlagung (Abwicklung) des betroffenen Unternehmens, eine Verbesserung der Quote16 für die Gläubiger zu erwarten sein. Erst wenn der Insolvenzverwalter im Fortbetrieb eine Vermögensreduzierung befürchtet, kann er einen Antrag zur Schließung des Unternehmens beim Insolvenzgericht einbringen. Eine Finanzsanierung mit restschuldbefreiender Wirkung ist in der Insolvenzordnung des jeweiligen Landes geregelt.
Zu c) Die Transparenz des Verfahrens soll die Gleichbehandlung der Gläubiger gewährleisten und Gläubigerschädigung durch Zurückhaltung von Vermögensteilen ausschließen. Alle Forderungen von Gläubigern sind beim zuständigen Gericht anzumelden. Ein Insolvenzverwalter stellt daher die Buchhaltung der Verbindlichkeiten auf den Kopf. Das Verzeichnis der Forderungsanmeldungen gilt als zutreffende „Offene-Posten-Liste der Kreditoren“ und die Aufzeichnungen der Buchhaltung über Kreditoren gelten lediglich als Überprüfungsgrundlage im juristischen Sinne. Im Insolvenzverfahren gilt das Anmeldeverzeichnis als Ordnungsinstrument der Gläubigerforderungen, jegliche Erfüllung außerhalb des Gerichts ist verwehrt und die Gläubigergleichbehandlung wird damit gewährleistet.
Zu d) Der Zinsenstopp mit Eröffnung eines Insolvenzerfahrens gilt als wichtige Funktion zur Sanierung. Während der Insolvenz sind keine Zinsen zugelassen, das macht auch die Arbeit für den Insolvenzverwalter leichter. Wenn jedoch Gläubiger (meist Banken) ein Pfandrecht im Grundbuch einer Immobilie eingetragen haben oder Anlagen zur Sicherung dienen und der Wert des Pfandguts die besicherten Forderungen deckt, ist bis zur vorgemerkten Höchstbetragshypothek auch ein Zinsenlauf für Gläubiger möglich und üblich.
Als Organe im Insolvenzverfahren gelten: Insolvenzgericht, Verwalter und Gläubigerausschuss (wie in der Dachgeschossdecke des Insolvenz-Tempels dargestellt).
a. Insolvenzgericht
Die örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts und der weiteren Organe ist in der Insolvenzordnung17 geregelt. Durch den Insolvenzrichter werden der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Voraussetzungen zur Eröffnung geprüft, wie in der Insolvenzordnung beschrieben, und für die Veröffentlichung in der Insolvenzdatei gesorgt.
Das Insolvenzgericht überwacht die rechtmäßige Ordnung der Abwicklung. Der Insolvenzverwalter wird vom Richter des zuständigen Insolvenzgerichts bestellt. Im Insolvenzantrag werden die zu erwartenden Aufgaben und mögliche Konfliktherde (Befangenheit) beschrieben, meist steht der Antragsteller oder dessen Vertreter noch telefonisch dem Richter für Auskünfte zur Verfügung.
b. Insolvenzverwalter
Ein Insolvenzverwalter ist als Vertreter aller Gläubiger vom Insolvenzrichter bestellt, um das Vermögen des insolventen Unternehmens zu verwalten. Diese Funktion zeigt das Schaubild des Insolvenz-Tempels als Auflage auf dem Sockel mit dem Text: „Vermögen in Obhut des Insolvenzverwalters im Interesse der Gläubiger“. Unter gerichtlicher Obhut hat der Insolvenzverwalter unter der Auflage von Transparenz und Gleichbehandlung das Vermögen zu verwalten und die Geschäfte zu führen, was auch als Gläubigervertretungs-, Amtsoder Organtheorie benannt wird.
Der Insolvenzverwalter als Vertreter aller Gläubiger ist somit dem Schuldner gegenübergestellt. Zum Wohle der Gläubiger und deren Interessen wird er mit dem Schuldner Maßnahmen abstimmen und mit ihm kooperieren. Der Unternehmer oder Geschäftsführer wird nicht vom Insolvenzverwalter vertreten, das ist manchen Unternehmern in der Insolvenz anfangs nicht hinreichend klar.
Bei der Antragstellung auf Eröffnung eines Sanierungsplanverfahrens erscheint es zweckmäßig, den Richter über die Problematik des jeweiligen Falls zu informieren, damit er bei der Auswahl des Insolvenzverwalters die spezifischen Erfahrungen einbinden kann.
Nach dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat der Insolvenzverwalter entsprechend der Insolvenzordnung vor der Insolvenzeröffnung getätigte Rechtsgeschäfte anzufechten, wenn es sich um nachteilige Rechtsgeschäfte handelt (vgl. II.3.b), und Verträge aufzulösen. Dem Willen der Insolvenzordnung folgend übermittelt der Insolvenzverwalter Berichte über den Stand des Geschehens und der Finanzdaten an das Gericht und stellt Anträge, die genehmigungspflichtig sind. Er stimmt sich mit dem Gläubigerausschuss ab, sofern einer bestellt wurde. Die Gläubigerschutzverbändea „interpretieren die Berichte“ des Insolvenzverwalters für die von ihnen vertretenen Gläubiger.
Die Angemessenheit eines Sanierungsplans wird vom Insolvenzverwalter geprüft und dieses Prüfungsergebnis vor einer Abstimmung zur Annahme eines Sanierungsplans den Gläubigern zur Verfügung gestellt. Diese sachliche Aufbereitung der Fakten bezüglich der Angemessenheit eines Sanierungsplans wird in einem Bericht zusammengefasst. Ein Richter prüft die Argumente der Angemessenheitsprüfung und prüft die Erfüllung der Voraussetzung zur Abstimmung und nimmt das Abstimmungsergebnis in das Protokoll auf. Antagonistisch zum Schuldner treten die organisierten Gläubigerverbände auf18, nicht der Insolvenzverwalter, der durch seine Basisarbeit legitimiert erscheint und sich üblicherweise bei einer Sanierung wegen der gemeinsamen Interessen mit der Unternehmer kooperativ verhält [2].
c. Gläubigerausschuss
Der Gläubigerausschuss gilt als ergänzendes Organ im Insolvenzverfahren, um in Vermögensdispositionen Stabilität zu erlangen. Er wird durch den Insolvenzrichter bestellt und in der Insolvenzbekanntmachung öffentlich ersichtlich gemacht.
Der Gläubigerausschuss19 unterstützt den Insolvenzverwalter in Fragen der Vermögensverwaltung. Ein Gläubigerausschuss ist beizuordnen, wenn die Eigenart oder der besondere Umfang des Unternehmens des Schuldners dies geboten erscheinen lässt. Im Fall von beabsichtigten Veräußerungen oder Verpachtungen hat das Gericht dem Insolvenzverwalter einen Gläubigerausschuss beizuordnen, um deren Abwicklung Stabilität zu verleihen. Es werden üblicherweise die Hauptgläubiger der Bereiche Wirtschaft20, Banken und Belegschaftsvertreter in den Ausschuss berufen.
In der Praxis sieht es so aus, dass es sich dabei um eine Einrichtung zur Konfliktregelung ähnlich einer vorgeschalteten „schlichtenden Kommission“ handelt, damit Interessenkonflikte im Vorfeld offengelegt werden. Diese Einrichtung erscheint als eine strukturelle Vorbeugung, um hinterher keine unerwarteten Streitigkeiten zum Vorschein kommen zu lassen. Daraus kann man auch erkennen, wie ausgefeilt das Regelwerk der Insolvenzordnung ist.
d. Gläubigerversammlung
Als „Gläubigerversammlung“21 als Organ des Insolvenzgerichts werden Zusammenkünfte der Gläubiger und aller Beteiligten vor Gericht bezeichnet, die einberufen werden, um über Anträge unter Aufsicht des Richters zu beraten und abzustimmen. Auch eine Abwicklung (Zerschlagung) einer Gesellschaft erfolgt über den „Verteilungsentwurf über das Massevermögen“ durch den Insolvenzverwalter und obliegt der Beratung, Abstimmung und Genehmigung22 durch das Gericht. Die Zustimmung mit qualifizierten Mehrheiten (Wertmehrheit und Kopfmehrheit) bedarf daher einer Versammlung der Gläubiger.
Die Sitzordnung in den Gerichten ist bei diesen Zusammenkünften nicht zwingend genormt, sie richtet sich nach der traditionellen Raumausstattung der Verhandlungssäle23. Der Insolvenzverwalter sitzt vorwiegend links vom Insolvenzrichter, der Schuldner an der Türseite und die organisierten Gläubigervertreter an der Fensterseite. Die übrigen Gläubiger oder Gläubigervertreter sitzen dem Richter gegenüber im Gerichtssaal, jedoch es kommen kaum Gläubiger.
Die Schuldnervertreter und Gläubigervertreter weisen sich beim Richter aus (Vollmacht etc.), sofern sie nicht als Anwälte registriert sind. Zuhörer als Gäste sind nicht zugelassen, da nur jene Gläubiger mitstimmen dürfen, die anerkannte Forderungen nachweisen.
Der Ablauf der Verhandlungen erfolgt meist sehr schnell und es ist für Schuldner kaum nachvollziehbar, wenn über die Annahme des Sanierungsplanantrags abgestimmt und über „Kopf- und Werte-Mehrheiten“ nachgerechnet24 und die Gebührenbemessung für Aufwandsentschädigungen ermittelt wird. Es kommt auch oft zu Vorschlägen von Verbesserungswünschen vonseiten der Gläubigervertreter. Das sollte im Vorfeld bereits mit den Hauptgläubigern und Gläubigervertretern gut abgestimmt sein, und ein Schuldnerbegleiter sollte etwas Erfahrung mitbringen, um den Anforderungen, was die Schnelligkeit betrifft, gewachsen zu sein. Die Praxis zeigt, dass auch wohlgemeinte Anträge von Einzelunternehmern auf Annahme eines Sanierungsplans keine Mehrheit finden, wenn die Gläubiger die Integrität des Schuldners bezweifeln. Natürliche Personen landen manchmal schneller im „Privatkonkurs“25, als ein Schuldner vor Gericht im Hagel juristischer Begriffe überhaupt mitbekommen kann.
Oft ist mit einer „Zitterpartie“ bei der Abstimmung umzugehen, da sich manche Gläubiger querstellen und als „Vergeltung“ erlittener Enttäuschungen gegen eine vorgeschlagene Quote stimmen, obwohl objektiv betrachtet kaum etwas Besseres nachfolgen kann. Der Schuldner kann auch den Antrag vor der Abstimmung zurückziehen, wenn keine Quotenmehrheit in Aussicht steht, oder um eine Vertagung zur Klärung offener Fragen ersuchen. Der Richter oder die Richterin tragen die Hauptarbeit, um die Ordnungsmäßigkeit zu prüfen und alles zu protokollieren26. Am Ende der Sitzung wird ein Protokoll durchgereicht und alle Anwesenden unterzeichnen es als Beleg der Anwesenheit bei Gericht.
Die Funktionen der sechs Säulen des Insolvenz-Tempels werden nun beschrieben:
a. Gerichtliche Zuständigkeit
Ein Insolvenzverfahren wird vorwiegend auf Antrag des Schuldners gestellt, durch den Insolvenzrichter geprüft und eröffnet und in der Internetdatei27 veröffentlicht. Der Antrag wird mit den notwendigen Informationen und Belegen ausgestattet. Ob dieser persönlich bei Gericht übergeben wird, per Post gesendet oder per E-Mail zulässig ist, wird meist mit dem Insolvenzrichter abgestimmt. Auch ein mündliches Vorbringen des Begehrens auf Insolvenzeröffnung28 kann beim Insolvenzrichter zu Protokoll genommen werden und reicht meist für eine Prüfung der Insolvenzvoraussetzung durch den Richter aus. Insbesondere die Kostendeckung zur Verfahrensführung ist nachzuweisen, meist in Form eines Kostenvorschusses, damit für den Richter die Voraussetzungen zur Verfahrenseröffnung vorliegen.
Wenn ein Gläubiger Antrag auf Insolvenzeröffnung stellt, wird der Schuldner vom Richter aufgefordert, die entsprechenden Erklärungen und Unterlagen zur Prüfung der Voraussetzungen vorzubringen.
Alle Gläubiger nehmen am Insolvenzverfahren teil. Jegliche Befriedung außerhalb des Verfahrens ist verwehrt. Dadurch werden am Tag nach der Insolvenzeröffnung alle Exekutionsandrohungen oder neue Pfändungen ausgeschlossen.
Alle Anmeldungen von Forderungen haben über Antrag der Gläubiger an das zuständige Gerichtb zu erfolgen. Es wird somit der „Jagd“ auf den Unternehmer Einhalt geboten, was auch in der Praxis vom Betroffenen als konkrete Erleichterung erlebt wird. Die Übergabe eines Insolvenzantrags bei Gericht stellt die Beendigung der Entscheidungsoptionen dar und wird allgemein vom Schuldner als Entlastung empfunden, da die Vermögensverwaltung abgegeben wird.
b. Anfechtbarkeit, rückwirkende Berichtigung
Die Möglichkeit einer Anfechtung von Rechtsgeschäften, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen wurden, durch den Insolvenzverwalter ist vorgesehen. Das folgt dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger, das sich auch auf den Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung erstreckt.
Die von Gläubigern bei Gericht angemeldeten Forderungen werden im Verfahren durch den Insolvenzverwalter geprüft und können „bestritten“ werden. Wurden vor der Insolvenzeröffnung Begünstigungen gewährt, können diese vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden.
Das Anfechtungsrecht behandelt somit die Handlungen, die vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden und das Vermögen des Schuldners negativ betreffen. Zurückliegende Rechtshandlungen zum Nachteil der übrigen Gläubiger (auch Pfandrechte oder Grundschuldeinträgec) können nach den Bestimmungen der Anfechtung29 im Insolvenzrecht in einem Zeitraum von mehreren Monaten, über einem Jahr bis 10 Jahre rückliegend durch den Insolvenzverwalter angefochten werden.
Binnen einer Frist von üblicherweise einem Jahr nach Insolvenzeröffnung kann ein Insolvenzverwalter die Angelegenheit auf dem Vergleichsweg regeln oder Klage zur Anfechtung bei Gericht einbringen.
Damit werden jene Gläubiger in die Schranken gewiesen, die mit manchmal egoistisch anmutender „juristischer Axt“ in aussichtslosen Situationen noch „Eigeninteressen“ einfordern, die zum Nachteil der übrigen Gläubiger gehen. Das können auch geleistete Zahlungen mit begünstigender Wirkung gegenüber Lieferanten, Banken und Behörden sein, die knapp vor Insolvenzeröffnung kräftig angedrängt haben und so noch zufriedengestellt wurden. Diese Zahlungen können durch Aufrechnungen des Insolvenzverwalters von den betroffenen Gläubigern zurückgefordert werden. Forderungen von Gläubigern, die nicht zu Recht bestehen, werden im Anmeldeverzeichnis als „bestritten“ ausgewiesen. Die nicht bestrittenen Forderungen werden im Anmeldeverzeichnis als „anerkannt“ ausgewiesen, wobei diese Anerkennung oder Bestreitung im Anmeldeverzeichnis sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Schuldner zu bestätigen ist.
Von dieser Funktion der Anfechtbarkeit im Insolvenzverfahren sollte jeder Unternehmer mit knapper Kasse einmal gehört haben. Durch ein Insolvenzverfahren kann sozusagen die Uhr von „fünf nach zwölf“ auf „fünf vor zwölf“ umgestellt30 und bereits abgeflossenes Geld wieder in die Firmenkasse zur Quotenbedienung (für die zweite Chance) zurückgeholt werden.
c. Kündigungsrechte/Sonderrechte
Der Insolvenzverwalter hat durch die Insolvenzordnung als gerichtlich beauftragter Verwalter Sonderrechte und kann Verträge außerhalb der vereinbarten Laufzeiten auflösen. Das betrifft meist Mietverträge bei Teilbetriebsschließungen, Dienstverträge, Leasingverträge etc. Er hat lediglich Kündigungsfristen zu wahren, ist aber nicht zwingend an lange Vertragslaufzeiten31 oder vor dem Eintreten an das Quartals- und Jahresende gebunden.
Die Auflösbarkeit von unvorteilhaften Verträgen ist manchmal Anlass zu einem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, um langfristig nachteilige Verträge loszuwerden. Unter Kenntnis dieser Option werden die Vertragsparteien angeregt, in einem derartigen Konflikt auf dem außergerichtlichen Verhandlungsweg eine Regelung zu finden.
d. Fortführung und Sanierung
Der Insolvenzverwalter hat das Vermögen des Schuldners zu sichern und das Unternehmen fortzuführen.
Auch ein volkswirtschaftliches Interesse ist zu beachten, es sei denn, er legt dem Gericht den Nachweis vor, dass eine Fortführung das Vermögen (die Substanz) verschlechtern würde. Ist das der Fall, so stellt er Antrag auf Betriebsschließung, die dann durch das Gericht zu bestätigen ist und das Verfahren im Edikt als „Konkurs“ (Abwicklung) vermerkt wird.
Um eine nachhaltige Sanierung für einen Kernbereich zu erzielen, wird häufig die Befreiung des Unternehmens von verlustträchtigen Teilbereichen notwendig. Meist hängt diese Vorgehensweise auch mit der Möglichkeit zusammen, Mitarbeitern aus Teilbetrieben kündigen zu können, ohne den gesamten Betrieb zu liquidieren. Eine beabsichtigte Schließung eines Teilbetriebs (z. B. einer Filiale oder von Abteilungen) wird meist bereits im Antrag zum Sanierungsplan angeführt.
Grundsätzlich verläuft das so, dass sich der Insolvenzverwalter die Betriebsstruktur ansieht und mit dem Unternehmer die Fortführung bespricht. Ein Unternehmer hat sich meist im Sinne der konstruktiven Fortführung bezüglich Warenbestellung und Zahlungsanerkennung mit dem Insolvenzverwalter abzustimmen und von ihm eine Genehmigung einzuholen, da der Insolvenzverwalter für die Erfüllung haftet. Üblicherweise sind Lieferanten über den Status der Insolvenz eher erfreut, da die Zahlung von Leistungen über den Insolvenzverwalter als geordnet gilt.
e. Entschuldung
Das Insolvenzverfahren kann zur Entschuldung des Schuldners führen, wenn durch entsprechende Quotenzahlungen im Sanierungsvergleich die Schulden anteilig geregelt werden. Ein Sanierungsplan32 hat eine gesetzliche Mindestquote (bemessen von den angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen) binnen einer vorgegebenen maximalen Frist33 innerhalb von zwei Jahren.
Die Rechtsgrundlage eines Sanierungsplans des Schuldners, der zur Annahme durch die Gläubiger vom Insolvenzrichter zugelassen wird, ist in der Insolvenzordnung geregelt. In der folgenden Tabelle ist ein grober Überblick über die Vermögenszuordnung und die unterschiedlichen Qualitäten von Verbindlichkeiten dargestellt.
Die Aufbereitung des Finanzstatus mit der Zuordnung der Daten nach freien, bevorrechteten und gebundenen Vermögen zu den angeführten Positionen erfolgt im Sanierungsplan.
Abb. 2 Vermögenszuordnung im Insolvenzrecht
Die Insolvenzordnungen der EU-Staaten sehen neben einem Entschuldungsverfahren zunehmend die Sanierung34 im Vordergrund.
f. Restschuldbefreiung
Natürliche Personen haben Sonderbedingungen zur Erlangung einer Restschuldbefreiung.35 Eine natürliche Person kann nicht wie eine Gesellschaft „abgewickelt oder liquidiert“ werden, daher die Sonderregelung zur Wiedergutmachung nach Quotenanteilen. Bekannt ist das Verfahren unter der Bezeichnung „Privatkonkurs“.
Sobald das Vermögen des Schuldners verwertet ist, kann dieser zur Entschuldung mit restschuldbefreiender Wirkung einen Zahlungsplan36 zur Annahme durch die Gläubiger vorlegen. Häufig betrifft das Unternehmer außerhalb der Firmeninsolvenz über Bürgschaften bei Bankkrediten oder Haftungen, die einer gesonderten Regelung bedürfen.
Wenn sich ein selbstständig erwerbstätiger Unternehmer entschließt, das Unternehmen zu schließen und das gesamte Vermögen zu verwerten (oder es wegen Pfandrechten aus dem Verfahren ausscheidet), bestehen zur Restschuldbefreiung mehrere Optionen. Ein Schuldner kann über einen Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans37 über mehrere Jahre Quotenzahlungen erbringen, um bei Erfüllung eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Oder er kann sein pfändbares Einkommen durch „Abschöpfung“d für eine in der Insolvenzordnung festgesetzte Zeitspanne den Gläubigern überlassen, um auch so eine Restschuldbefreiung zu erlangen. In der Sanierung von Unternehmen ist wegen Haftungen und Bürgschaften die Privatinsolvenz ein begleitendes Thema zur Unternehmenssanierung.
Bei der Entschuldung für natürliche Personen mittels Zahlungsplan oder Abschöpfung mit restschuldbefreiender Wirkung ist zu beachten, dass Schulden aus strafrechtlicher Verurteilung durch ein Insolvenzverfahren nicht zwingend Restschuldbefreiung erlangen38, wie es bei den übrigen Gläubigern zutrifft. Daher ist sehr bedeutsam, dass Geschäftsführer im Vorfeld der Insolvenz die Rechtsordnung beachten. Speziell die Beachtung der Gläubigerinteressen ist besonders wichtig, um nicht hinterher selbst mit Ausschließungsgründen in strafrechtliche Bedrängnis zu geraten – auch wenn man davon kaum an den Business Schools oder in den Meisterprüfungslehrgängen erfährt!
g. Gläubigerinteressen
Die Insolvenzordnung und das Strafrecht sehen dezidiert zum Schutz der Gläubigerinteressen Strafen für die Geschäftsführer oder Schuldner vor, wenn die Interessen der Gläubiger39 verletzt werden. Vorsätzliche Tatbestandsmerkmale der betrügerischen Überschuldung werden mit Strafandrohung geahndet. Dies ist auch unter Betrugsdelikt, Bankrott oder Geschäftsführerhaftung bekannt.
Wenn die Zahlungsverpflichtung (Zahlungsfrist) nicht eingehalten werden kann, bedeutet das nicht gleich Zahlungsunfähigkeit, es kann sich auch nur um eine temporäre Zahlungsverzögerung handeln. Das wird juristisch als „Zahlungsstockung“ bezeichnet und sollte in das Vokabular eines Unternehmers einfließen, damit er nicht durch Angstmache vonseiten aggressiver Gläubiger übereilt in „Angst und Schrecken“ verfällt. Bei einer vorliegenden Zahlungsstockung lässt sich auch ein Insolvenzantrag durch Dritte (Gläubiger) abwehren. Wenn de facto keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wird ein Insolvenzrichter missbräuchliche Anträge von Gläubigern zurückweisen.
Ab dem Zeitpunkt des Erkennenkönnens der Überschuldung sind Maßnahmen zur Regelung der Zahlungsfähigkeit40 ohne zu zögern einzuleiten. Eine Kapitalzuführung wäre die erste Sanierungsalternative. Eine außergerichtliche Regelung mit den Gläubigern erscheint innerhalb dieser Frist als Option, wenn wenige Gläubiger betroffen sind und keine widrigen Umstände vorliegen.
Die Praxis zeigt, dass die Zahlungsunfähigkeit meist die letzte Stufe vor der Insolvenz ist und damit der Finanzkreislauf zusammenbricht, was den Unternehmer zur Antragstellung zwingt. Freiwillig wird ein Antrag eher selten gestellt, manche erscheinen hinterher als verschleppt. Bei Kapitalgesellschaften ist bereits der Tatbestand des Erkennens der Überschuldung als Auslöser für einen Insolvenzantrag entscheidend. Bei persönlich haftenden Gesellschaften (Kommanditgesellschaft) oder natürlichen Personen gilt dies jedoch auch mit dem Erkennenkönnen der Zahlungsunfähigkeit. Die Eigentümer-Unternehmer schieben den Zeitpunkt der Antragstellung zur Insolvenzeröffnung häufig hinaus. Die emotionale Hürde ist dabei das Problem, dies erschwert jedoch die angestrebte Sanierung.
Ein Quotenschaden der Gläubiger kann zu Haftungen der Geschäftsführer oder handelnden Personen führen, wenn eine Gesellschaft abgewickelt wird und im Vorfeld durch die Begünstigung von Gläubigern der Rest der Gläubiger weniger Quote erhält. Eine Sanierung ist daher auch für den Geschäftsführer vorteilhaft, da sich dann diese Frage nach einem „Quotenschaden“ meist nicht stellt.
Es sei nochmals darauf verwiesen, dass diese hier dargestellte Skizzierung persönliche Betrachtungen darstellt und kein juristischer Ratgeber ist oder Vollständigkeit beanspruchen kann. Es können keinerlei Haftungen oder Gewähr übernommen werden. Im Ernstfall ist stets ein Anwalt (oder Arzt) zu konsultieren. Wir fühlen uns hier ähnlich verpflichtet wie die Medikamentenwerbung, die stets wegen möglicher Nebenwirkungen auf Arzt oder Apotheker verweist.
Als Status wird die Zusammenfassung des Vermögens und der Verbindlichkeiten gesehen, um eine Planbilanz zu erstellen, die aufzeigt, wie man den leeren Kassen entrinnen kann. Es geht darum, die relevanten Muster der ökonomischen Beziehungen und die Relationen zu erfassen. Im Kern handelt es sich dabei um die Bestandskonten der Buchhaltung, um Aktiva und Passiva – und um das, was nicht in der Steuerbilanz zu finden ist, um den Weg aus der Insolvenz mit Plandaten zu belegen sowie eine steuerbare Wegbeschreibung für ein Insolvenzplan-Controlling zu erhalten. Wenn keine Sanierung geplant ist, erscheint das als eine Fleißaufgabe.