Reveal my Love (Queens of Success 1) - Emily Kampmann - E-Book
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Reveal my Love (Queens of Success 1) E-Book

Emily Kampmann

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Beschreibung

**Wenn erfolgreiche Männer auf noch erfolgreichere Frauen treffen**  Floriana Gallan hat sich mit ihrer Firma Luxoriosa bis an die Spitze der Automobilindustrie gekämpft. Alles könnte perfekt sein, doch schwere Vorwürfe gegen einen ihrer Manager zwingen Floriana, als Kundenbetreuerin undercover zu gehen, um Beweise zu finden. Ihre Aufgabe: Dem wohlhabenden Karim Zessadi, der im Begriff ist, einen millionenschweren Deal mit Luxoriosa abzuschließen, jeden Wunsch zu erfüllen. Karim ist ihr nicht nur auf Anhieb sympathisch, er sieht auch unverschämt gut aus. Eine Kombination, die es Floriana nahezu unmöglich macht, nicht aus der Rolle zu fallen. Für ihre Mission ist das alles andere als ideal. Und so steht bald nicht mehr nur der Ruf ihres Unternehmens auf dem Spiel, sondern auch ihr Herz … Tauche ein in eine nervenaufreibende Undercover-Ermittlung. Und in eine Liebesgeschichte, bei der vom ersten Augenblick an Funken sprühen. Textauszug:  Es war genau das, was sie verhindern wollte. Dass einer ihrer Kunden zu nahe an die Betreuerin, in diesem Fall sie, herankam. Doch zum Zeitpunkt ihres Entschlusses hatte sie noch nicht gewusst, dass das Schicksal ausgerechnet ihn vor ihre Nase setzen würde. Einen Mann, der sie zum ersten Mal all das fühlen ließ, wonach sie jahrelang gesucht hatte.  //Dies ist der erste Band der romantischen »Queens of Success«-Reihe von Emily Kampmann. Alle Romane der Reihe bei Impress: Band 1: Reveal my Love Band 2: Reveal my Truth//  

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Emily Kampmann

Reveal my Love (Queens of Success 1)

**Wenn erfolgreiche Männer auf noch erfolgreichere Frauen treffen**

Floriana Gallan hat sich mit ihrer Firma Luxoriosa bis an die Spitze der Automobilindustrie gekämpft. Alles könnte perfekt sein, doch schwere Vorwürfe gegen einen ihrer Manager zwingen Floriana, als Kundenbetreuerin undercover zu gehen, um Beweise zu finden. Ihre Aufgabe: Dem wohlhabenden Karim Zessadi, der im Begriff ist, einen millionenschweren Deal mit Luxoriosa abzuschließen, jeden Wunsch zu erfüllen. Karim ist ihr nicht nur auf Anhieb sympathisch, er sieht auch unverschämt gut aus. Eine Kombination, die es Floriana nahezu unmöglich macht, nicht aus der Rolle zu fallen. Für ihre Mission ist das alles andere als ideal. Und so steht bald nicht mehr nur der Ruf ihres Unternehmens auf dem Spiel, sondern auch ihr Herz …

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Vita

Danksagung

© privat

Emily Kampmann ist eine in Trier lebende Träumerin, die es liebt, in die wundervolle und romantische Welt der Bücher zu reisen. Sie verbringt darum viel Zeit auf dem Papier zwischen malerischen Sonnenuntergängen, prickelnden Momenten und der ein oder anderen Prise Herzschmerz. Sitzt sie nicht gerade am Schreibtisch, genießt Emily Kampmann Spaziergänge in der Natur und sammelt Inspiration für das nächste Projekt.

VORBEMERKUNG FÜR DIE LESER*INNEN

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Emily Kampmann und das Impress-Team

Für alle, die an die wahre Liebe glauben.

EINS

»Das glaube ich einfach nicht.« Der Tag begann mit Problemen. Und Floriana hasste Probleme. Besonders die, die sie nicht sofort lösen konnte.

Sie saß in ihrem Büro in ihrer freistehenden Villa, die sie ihr Zuhause nannte, und musterte den Stapel Akten vor sich, der kurz zuvor mit der Post gekommen war. Geleitet über zwei verschiedene Poststellen am anderen Ende des Landes holte eine private Botenfirma die Briefe ab, übergab sie schließlich an einen Sicherheitsdienst, der die Post zu Floriana brachte, und durch einen speziellen Scanner schleuste, um sie auf Ortungsgeräte oder versteckte Kameras zu prüfen. Manchmal kam Floriana sich vor, als lebte sie in einem Gefängnis, dabei war es nur eines der unzähligen Häuser, die ihrer Familie gehörten.

Das, was die Abteilung für Entwicklung im letzten Monat an neuen Automodellen designt hatte, lag nun in papierner Form auf ihrem Schreibtisch und hätte deutlich besser in den Schredder als an diesen Ort gepasst. Allesamt Schrott. Zweitklassig. Mit Qualitätsmängeln, die man schon auf den Zeichnungen erkannte. Motorhauben in eher viereckigem Design wurden mit dreieckig skizzierten Türen kombiniert, als hätten nicht die Designer selbst, sondern ihre Kinder sich dabei ausgetobt. Die gestalterische Inkonsistenz war jedoch das geringste Problem. Ihr ging es bei den Wagen nicht nur um die Optik, auch um die Sicherheit. Auf den Rücksitzen fehlten die Sicherheitsgurte und die von ihr entworfene verlängerte Knautschzone war ebenfalls nicht ersichtlich. Egal, ob es nur zeichnerische Fehler waren, das Ergebnis blieb identisch. Es war eine Beleidigung, ihr so etwas vorzulegen. Wie konnte sie, Floriana Gallan, Gründerin und Geschäftsführerin von Luxoriosa, es verantworten, dass diese Wagen auf den Markt kamen? Gar nicht. Denn ihre Firma stand für höchste Qualität und die würde sie ihren Kunden auch weiterhin bieten.

»Stümper.« Sie schlug die Akte so heftig zu, dass die Wasserkaraffe samt Gläsern auf ihrem Tisch protestierend klirrte, und erhob sich. »Nicht zu fassen.« Floriana umrundete ihren Schreibtisch und lief im Zimmer auf und ab. Die zentimeterhohen Absätze klapperten nicht einmal, denn jedes Geräusch wurde von einem flauschigen Teppich geschluckt. Das Zimmer war eine Mischung aus stilvollem Verhandlungsraum und Wohlfühloase, mit sterilen weißen Wänden und symmetrischen Schränken im Kontrast zu dem Teppich und den mit Kunstfellen ausgelegten Sesseln. So groß, dass fünfzehn Leute an einer Beratung teilnehmen könnten. Was nach ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag in zwei Wochen hoffentlich der Fall war. Sie sehnte sich danach, mit den Mitarbeitern ihrer Firma nicht mehr nur durch Nancy und E-Mails zu kommunizieren, sondern ihnen tatsächlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Die wenigen Freundschaften, die sie sich zugestanden hatte, waren stark, aber nach so vielen Jahren im Schatten war sie das Verstecken hinter Mauern, geschützt von Security und falschen Identitäten, leid. Sie wollte nicht nur ein Name auf dem Papier sein. Die Menschen sollten die lebendige Floriana Gallan endlich zu Gesicht bekommen.

Ihre Firma produzierte die besten Automobile Nordamerikas. Von robusten Familienautos, über Sportwagen, bis hin zu Militärfahrzeugen. Ein Produktportfolio, das sie selbst entworfen hatte und hegte und pflegte, als wäre es ihr Kind. Ein klein wenig war es das auch, denn diese Firma war alles, was Floriana hatte. Ihr Lebenswerk. Und der Beweis, dass sich Träume erfüllen konnten. Etwas, das durch die Produktentwicklung nicht wieder zu Staub zerfallen würde.

Floriana betätigte den Knopf für die Freisprechanlage in den Vorraum. »Nancy?« Ihre rechte Hand, Nancy Rosenberg, saß für gewöhnlich dort an ihrem Schreibtisch. Sie war Florianas stellvertretende Geschäftsleitung. Ihre Augen und Ohren in diesem Betrieb. Und nicht an ihrem Platz, wie es schien. »Nancy!« Keine Reaktion.

Schritte und gedämpfte Stimmen erklangen vor ihrer Tür.

»Ich muss sie sehen!«

»Bitte, Miss. Sie dürften gar nicht hier sein. Und die Geschäftsführerin ist beschäftigt.«

Floriana lauschte. Diese Stimme gehörte Nancy, die andere konnte sie keinem der Bediensteten zuordnen.

»Mit etwas Wichtigerem als dem Schutz ihres Unternehmens? Ich glaube kaum.« Die andere Stimme klang gepresst, als müsste ihre Besitzerin die Tränen zurückhalten. Was ihren Worten nicht die Schärfe nahm.

Florianas Herz sackte in die Tiefe. In ihrem Kopf schlugen schrillend die Alarmglocken an. Was man nicht gut behütete, das verlor man unweigerlich, und allein bei dem Gedanken rann ein Schauer über ihren Rücken. Sie kannte es, nichts zu haben. Sie hatte sich dank eines gefälschten Ausweises und eines Professors, der ein Jugendfreund ihres Vaters war, anonym durch ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften geschlagen. Dabei war sie auch mit verschiedenen Nebenjobs konfrontiert gewesen. Nicht nur, um den Schein zu wahren, sondern auch, um dem Ziel einer eigenen Automobil-Firma näher zu kommen. Einen davon hatte sie bei einem Autohändler als Assistentin absolviert, einen anderen in einer Kfz-Werkstatt, der ihr das nötige Knowhow mitgab. Sie hatte hart gearbeitet für diese Firma. Und sie würde sie verteidigen wie eine Löwenmutter ihr Junges.

»Was geht hier vor?« Sie riss die Tür auf.

»Oh, Miss Gallan.« Nancy senkte beschämt den Kopf und musterte die Fliesen vor sich. »Sie hätten sich nicht zeigen dürfen.«

»Unsinn.« Florianas Blick wanderte zu der zweiten Frau. »Sie sind keine dieser lästigen Journalistinnen?«

»Nein, Miss.«

»Und wer sind Sie dann?«, bohrte Floriana nach.

»Julie Moreau, Miss.«

»Ah, die Austauschstudentin aus Frankreich. Willkommen.« Sie nickte und das Mädchen riss die Augen auf.

»Sie kennen mich?«

»Natürlich. Ich habe Sie eingestellt. Jetzt habe ich auch ein Gesicht zu Ihrem Namen.« Vor Aufregung kam Julies französischer Dialekt noch mehr zur Geltung und bei ihren nächsten Worten musste Floriana sich anstrengen, sie überhaupt zu verstehen.

»Miss Gallan, bitte nur eine Minute Ihrer Zeit. Ich weiß, ich dürfte nicht hier sein, aber mir ist da … etwas passiert. Und ich denke, dass Sie das ebenfalls wissen sollten.«

Floriana musterte die junge Frau vor sich. Die dunklen Locken fielen ihr in sanften Wellen über die Schultern. In ihren hellblauen Augen glitzerten die ersten Tränen, aber Julie hielt sie zurück, schniefte nur hin und wieder.

»Nun, da Sie einmal hier sind, besprechen wir das Problem am besten in meinem Büro. Nancy, telefonieren Sie mit dem Leiter der Produktentwicklung. Er beginnt von vorn. Und drucken Sie Miss Moreau eine Verschwiegenheitserklärung aus.«

Die Studentin zuckte zusammen.

»Keine Sorge. Es hat nichts mit dem zu tun, was Sie mit mir besprechen werden. Aber da Sie mich nun kennen, muss ich Sie bitten, die nächsten zwei Wochen bis zu meinem Geburtstag Stillschweigen über meine Person zu bewahren. Wie Sie vielleicht aus den Medien wissen, ist die Anonymität bis zu meinem siebenundzwanzigsten Geburtstag der testamentarische Wille meiner Eltern und ich möchte das respektieren.«

»Na… natürlich. Es tut mir wirklich leid.«

»Das muss es nicht. Ist schon okay.« Floriana trat ein Stück beiseite und bat die Studentin mit einer einladenden Geste einzutreten. »Bitte.«

»Miss Gallan, es ist furchtbar.« Julie saß noch nicht einmal, da platzte es schon aus ihr heraus und sie rang mit den Händen.

»Ganz ruhig, Julie. Eins nach dem anderen.« Floriana setzte sich nicht hinter ihren Schreibtisch, sondern lehnte sich an die Tischkante und schenkte ihr ein Wasser ein. »Trink erst einmal etwas. Brauchst du ein Taschentuch?« Die Box stand immer bereit für Notfälle.

»Nein. Ich denke nicht.« Sie nippte an ihrem Glas und das leichte Zittern ihrer Hand ließ das Wasser darin Wellen schlagen.

»Gut. Warum bist du hier?«

»Ich habe all Ihre Artikel gelesen, Miss Gallan. Über die Rolle von Frauen in Unternehmen und ihre Vorteile in der Führung. Ihre Abhandlungen zur Gleichstellung der Geschlechter. Und die Veröffentlichungen zur Geschlechterstruktur in Ihrer Firma. Wie Sie im Verborgenen dafür einstehen und für uns sprechen.«

»Darum hast du dich beworben. Ich erinnere mich an dein Anschreiben.«

»Oh, ehrlich?« Julie quietschte fast und ein feines Lächeln breitete sich auf Florianas Lippen aus.

»Natürlich. Und bitte, nenn mich Floriana. Wir befinden uns auf Augenhöhe, Julie. Die Hierarchieebenen von Luxoriosa spielen hier keine Rolle. Also, was möchtest du von mir?«

»Miss … Nein, Floriana. Ich arbeite im Moment in der Kundenbetreuung unter Marcus Bloom. Vor drei Tagen reiste ein Kunde aus Italien an, Signore Gralinetti. Und damit fing es an.« Ein Zittern rann durch ihren Körper, begleitet von weiteren Tränen. Sie blickte in Florianas Richtung und die Verzweiflung in Julies Augen traf die Geschäftsfrau ins Herz wie ein Dolchstoß. Floriana verließ ihren Platz am Schreibtisch und setzte sich in den Sessel neben sie. Sie hielt Julie ihre Hand entgegen und abrupt unterbrach die Studentin ihr wildes Gestikulieren. Floriana nickte ihr ermutigend zu und Julie ergriff Florianas Hand und drückte sie.

»Keine Sorge. Du weißt, wie ich zu Gleichstellung stehe. Erzähl es mir und ich sehe, wie ich dir helfen kann.«

Und Floriana hoffte von ganzem Herzen, dass sie helfen konnte. Nicht nur um Julies Willen. Gleichstellung war ihr persönlich ein Herzensanliegen. Die Samen dazu hatte ihre Mutter vor langer Zeit gesät, als sie Floriana einmal zu ihrer Stiftung mitgenommen hatte, die gegen die Ausbeutung von Frauen in Wissenschaftsberufen kämpfte. Diese Samen waren zu einem zarten Baum herangewachsen, genährt durch die Ungerechtigkeiten, die Floriana aus Medien und Statistiken aufsog. Für den Wachstumsschub zu einem mächtigen Giganten und Grundpfeiler ihres Unternehmens war ein schmieriger Dozent verantwortlich. Gleichstellung war für ihn in etwa so abstrakt gewesen wie zum Mond fliegende Elefanten, was er nicht nur seine Studentinnen, sondern auch die Kolleginnen hatte spüren lassen. Floriana, damals in den letzten Zügen ihrer Unternehmensplanung, hatte das Konzept bei den Wurzeln gepackt und das Ziel der Gleichstellung fest mit jedem Meilenstein und jedem organisatorischen Detail verwoben. Frauen nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in männerdominierten Berufen. Gleiche Gehälter für beide Geschlechter. Eine Gruppe zur Förderung der Weiterbildung von Frauen, wenn diese Führungspositionen anstrebten. Und eine stabile Quote der Geschlechter um die fünfzig Prozent. Sie hatte an Unis und in Jobcentern geworben, Plakate aufhängen lassen und so viele unentdeckte talentierte Frauen zutage gefördert, dass sie den Erfolg ihres Programms auch heute noch kaum fassen konnte. So stabil, wie es den Anschein hatte, waren ihre Bemühungen aber offenbar nicht, wenn sie Julie Glauben schenken durfte.

Für wenige Herzschläge regierte nur die Stille den Raum. Julies Mund öffnete sich leicht, doch ihr Blick schweifte in die Ferne ab. Ihre Lippen zitterten und sie rang nach Worten.

»Ich weiß selbst nicht einmal, wie ich es beschreiben soll.« Sie blinzelte und kehrte ins Hier und Jetzt zurück. Ihr Blick heftete sich auf den Teppich. »Die Sätze von Mr Bloom klangen komisch. Da waren unterschwellige Andeutungen. Bemerkungen zu meiner Bewegung oder meiner Kleidung. Wie ich mich Signore Gralinetti gegenüber zu verhalten hätte. Ich dachte, er sei nur gründlich und wollte einen Kunden gewinnen.« Julie schniefte und wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang.

»Und dann kam Signore Gralinetti?«, fragte Floriana und lenkte Julie vorsichtig zurück zum Thema. Da Julie die Hände zurückgezogen hatte, waren ihre nun frei und Floriana knetete ihre Finger so fest, dass kleine Wellen des Schmerzes durch sie hindurch wanderten. Sie wappnete sich für das, was nun kam.

»Ja. Er zog in ein Haus, das Bloom für ihn mietete. Und ich bekam einen Raum dort, um ihn zu unterstützen, hat Mr Bloom gesagt.« Sie lachte freudlos. »Ich habe gekocht. Wäsche gewaschen. Seine diktierten Texte transkribiert. Und während der ganzen Zeit habe ich mich gefragt, warum es keinen Koch gibt. Oder einen Sekretär. Warum Mr Bloom ausgerechnet mich ausgewählt hat. Bis gestern Nachmittag.«

Floriana fragte nicht weiter. Sie drängte Julie nicht und machte keinen Laut, sondern wartete, bis Julie bereit war fortzufahren. Nicht, dass ihr das leicht fiel. In ihrem Kopf jagte ein schrecklicher Gedanke den nächsten. Sie ignorierte die aufsteigende Übelkeit. Es ging nicht um sie, sondern um Julie. Und die Studentin hatte Floriana ausgewählt, um sich ihr zu öffnen.

»Im Garten kam Signore Gralinetti auf mich zu. Er trug nur eine Badehose, setzte sich neben mich auf eine Liege. Und dann … dann fing er an, meinen Arm zu streicheln. Ich rutschte sofort von ihm weg, sagte ihm, er solle das lassen. Und er? Er folgte mir, hielt mich fest und küsste mich.«

Julie erhob sich, lief auf und ab und gestikulierte dabei wild. »Ich habe ihn in die Lippe gebissen. Und ihn getreten. In na ja, du weißt schon wo. Weil ich doch Kundenbetreuerin war und kein Betthäschen. Der Signore war furchtbar zornig, fragte mich, was in mich gefahren sei. Aber er ließ mich in Ruhe. Er konnte gar nicht anders. Denn eine halbe Stunde später stand Mr Bloom vor der Tür und meinte, dass sie mich an einer anderen Stelle bräuchten. Er zog mich ab. Ist das nicht merkwürdig?« Sie drehte sich zu Floriana um und sah sie an. Ihre Wangen glänzten rot vor Rage.

Merkwürdig war nicht das erste Wort, das Floriana gewählt hätte. Wobei sie im Moment überhaupt keine Worte fand. Dafür tobten zu wilde Wellen der Wut durch sie hindurch. Wie konnte Signore Gralinetti die Situation derart ausnutzen? Wie hatte Bloom es überhaupt zulassen können? Aber am zornigsten war sie auf sich selbst, dass sie hier saß, vollkommen anonym in ihrem eigenen Unternehmen und nur durch Unterlagen mit Details versorgt wurde. So etwas hätte sie mitbekommen müssen. Nicht nur, weil es aufgedeckt ein PR-Desaster werden und ihrer Firma schaden könnte. Das war zweitrangig. Solche Erlebnisse zerstörten Menschenleben und widersprachen allem, was Floriana sich für ihre Mitarbeiterinnen wünschte.

»Das ist das erste Mal, dass ich von so einem Vorfall höre«, gab Floriana zu.

»Ich lüge nicht.« Die Versicherung der jungen Studentin kam wie aus der Pistole geschossen. »Signore Gralinetti hat mich wirklich bedrängt. Und Mr Bloom verhielt sich komisch. Er hat mich ins Lager versetzt. Zum Inventar erfassen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist eine gute Aufgabe. Aber ich wurde doch als Kundenbetreuerin eingestellt. Warum darf ich dann nicht mit anderen zusammenarbeiten?«

»Ich weiß es nicht, Julie.« Nachdenklich kaute Floriana auf ihrer Unterlippe. Als sie es bemerkte, hörte sie sofort damit auf. Die Leiterin eines hunderte Millionen Dollar Imperiums biss sich nicht auf der Lippe herum wie ein Schulmädchen, das zu viel Kaffee getrunken hatte.

Das Problem war nicht allein Gralinetti. Floriana duldete kein übergriffiges Verhalten. Schon gar nicht bei eingeladenen Kunden. Diese Beziehung konnte sie mit einer Unterschrift unter dem entsprechenden Dokument auftrennen und ihn damit zum Mond schicken. Auch wenn das ihrer Meinung nach eine viel zu milde Bestrafung für derartiges Verhalten wäre. Fremde Männer, die Frauen verachtende Bezeichnungen an den Kopf warfen, sie einfach anfassten und noch Schlimmeres taten, stießen sie ab. Sie hätte weinen können bei dem Gedanken an diese kaputte Welt, wüsste sie nicht, dass es dort draußen viele Frauen gab wie sie, die sich dafür einsetzten, dass es besser wurde.

Das viel größere Problem war, dass laut Julies Schilderungen Marcus Bloom dahintersteckte. Der Marcus Bloom, der nach ihr die meisten Anteile an Luxoriosa hielt und fast die ganze Führungsebene hinter sich hatte, nur aufgrund der Tatsache, dass er ein Mann war und sie zwar die wichtigen Entscheidungen traf, aber sich durch den Zwang zur Anonymität noch immer im Hintergrund hielt. Floriana respektierte den Willen ihrer Eltern, doch oft engte er sie ein wie ein Korsett. Ein entspanntes Gespräch bei einem Kaffee. Das eigene Büro im Verwaltungsgebäude, in das jeder mit seinen Sorgen kommen konnte. Menschliche Kontakte, die über Nancy, ihre Freundinnen – die Queens – und wenige Eingeweihte hinausgingen. Das alles war für sie nicht möglich. Noch nicht. Und leider lag es in der Natur der anderen Teilhaber, dass sie sich bei schwerwiegenden Anschuldigungen lieber auf Fakten als auf Behauptungen stützten. Besonders, wenn Floriana solche Geschehnisse, wie Julie ihr beschrieb, aus dem Unternehmen verbannen wollte. Bei dem Gedanken, dass solche Übergriffe auch in anderen Bereichen stattfinden könnten, wallten Übelkeit und Zorn in ihr auf.

Sie konnte sich keine Vorwürfe gegen einen wichtigen Teilhaber leisten, die das Image der Firma irreparabel schädigen konnten. Wollte sie die Grundsätze ihrer Firma aktiv befolgen, wie sie es sich von den Mitarbeitenden wünschte, blieb ihr nur eines: Marcus Bloom musste weg. Raus aus ihrem Unternehmen. Hauptsache, der Ersatz folgte ihrer Firmenphilosophie.

Nur, dass dieses Vorhaben alles andere als leicht war. Bisher hatte noch keine Notwendigkeit bestanden, jemanden aufgrund von Verstößen gegen die Firmenphilosophie zu entlassen. Wegen Veruntreuung und Betrugs stellten sich leichter fristlose Kündigungen aus, doch selbst hier brauchte man Fakten. Florianas Gedanken ratterten unaufhörlich. Sie brauchte unbedingt stichhaltige Beweise gegen Bloom.

»Ich danke dir, dass du damit zu mir gekommen bist, Julie.« Sie nickte der Studentin zu. »Das ist sehr wichtig für mich. Hier sehe ich nicht alles. Und du legst ein bemerkenswertes Engagement an den Tag. Zumal du es sogar geschafft hast, meinen Aufenthaltsort herauszufinden. Wirst du mir sagen, wie du es angestellt hast?«

»Das willst du wissen?« Julie schniefte und griff nun doch nach der Taschentuchbox. Sie schnäuzte sich geräuschvoll und wischte sich über die vom Weinen geröteten Augen.

»Ja, bitte. Wenn du es mir erzählen magst.«

»Kann ich«, erwiderte Julie und mit jedem weiteren gesprochenen Wort beruhigte sie sich etwas mehr. »Ich habe sämtliche Nachrichtenagenturen der Stadt angerufen. Sie haben alle Vermutungen darüber, wo du wohnst, und ich bin jedes Haus abgefahren. Ich musste dich doch finden.«

»Und dieses stand auf der Liste?« Ein Schauer rann ihr über den Rücken. Dieses Haus war ihr einziger sicherer Hafen. Der Ort, an dem keine falschen Namen notwendig waren. Einige Mitarbeiter hier kannte sie, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie vertraute jedem Einzelnen von ihnen. Doch die Unbefangenheit, die sie bisher in diesen Mauern empfunden hatte, wurde von Julies nächsten Worten dahingerafft wie ein erntereifes Feld von einem Sommersturm.

»Auf einigen.« Julie bestätigte ihre Befürchtungen und für einen Moment schienen Florianas Probleme sie ihre eigenen vergessen zu lassen. »Ich fürchte, dieser Ort wird nicht mehr lange geheim sein. Sie sind dir auf der Spur.«

»Dann wird Nancy wohl noch mehr Security einstellen müssen«, erwiderte Floriana. Der Gedanke an die Zahl der Wachleute, die auf ihrem Grundstück patrouillierten, beruhigte sie etwas. »Das war eine sehr kreative Idee von dir, Julie.« Ihr kam ein Geistesblitz. »Was hältst du davon, in der Produktentwicklung eingesetzt zu werden? Neue Ansätze und Gedanken sind dort immer willkommen.«

»Ich weiß nicht.« Sie schlang ihre Finger fester um das Taschentuch und ihr Körper bebte. »Was, wenn Marcus Bloom Signore Gralinetti diesen Bereich zeigt?«

»Er wird dir nie wieder zu nahe kommen, Julie. Das verspreche ich dir. Ich werde die Abteilung anweisen, dass du nur im Backoffice eingesetzt wirst. Die Kolleginnen dort sind alle schon jahrelang bei Luxoriosa. Ich bin mir sicher, du würdest das Team hervorragend ergänzen.«

»Kümmern Sie sich um Mr Bloom?« Julie sah ihr tief in die Augen, flehte Floriana beinahe an, sie nicht zu ignorieren.

»Ich werde alles tun, um Beweise für diese Anschuldigungen zu finden. Und gibt es sie, hat Marcus Bloom von mir keine Gnade zu erwarten.«

»Gut.« Julie nickte und legte die Arme um ihren Oberkörper. Das Zittern war nicht verschwunden, aber sie weinte nicht länger. »Dann möchte ich es in der Produktentwicklung probieren.«

»Sehr gut.« Floriana trat auf Julie zu. Sie zögerte einen Moment. Die Studentin war nur einige Jahre jünger als sie und trotzdem regte sich in ihr der Drang, sie zu trösten. Aber war das für Julie auch okay? Floriana blieb stehen, breitete die Arme aus und wartete darauf, dass Julie entschied, was sie brauchte. Die Studentin zögerte keine Sekunde. Sie trat einen Schritt auf Floriana zu und umarmte sie. Für einen Moment standen die Frauen so beieinander und Floriana hielt Julie fest.

»Es tut mir leid, was dir passiert ist.«

»Danke, dass du für mich da warst«, erwiderte Julie und Floriana spürte, wie Julies Körper in ihren Armen aufhörte, zu zittern.

Als sich die Bürotür hinter der Studentin schloss, ballte Floriana die Hand zur Faust. Die Probleme des Morgens, die amateurhaften Zeichnungen, rückten plötzlich in weite Ferne. Sie waren nichts im Vergleich dazu, die Unternehmenskultur von Luxoriosa mit Füßen zu treten. Eine Kultur, die Floriana mit jeder Faser ihres Körpers lebte und von den Mitarbeitern dasselbe erwartete. Egal, ob sie Reinigungsfachkräfte oder Firmenteilhaber waren. Nicht umsonst beschäftigte sie Gleichstellungsbeauftragte, sehr nette Damen, wenn man Nancy glauben durfte, und hatte verschiedene Gesprächsrunden zu diesem Thema eingeführt. Hin und wieder las sie sich die Protokolle durch und jedes von ihnen erfüllte ihr Herz mit Stolz. Die Gespräche befassten sich mit Treffen beider Geschlechter beim gemeinsamen Mittagessen, mit Schnupperstunden in sonst eher von einem Geschlecht dominierten Bereichen und hin und wieder organisierten die Kollegen auch Gastredner. Diese Eigenständigkeit und der Wunsch sich weiterzuentwickeln waren untrennbar mit dem Erfolg der Gleichstellung in Luxoriosa verbunden. Bereits so viele Kollegen trugen dazu bei und in Bezug auf Marcus Bloom war es nun an Floriana, ihren Beitrag dazu zu leisten. Sie würde das Sammeln von Beweisen in die eigene Hand nehmen. Und mit Glück gelang ihr das, ohne den Willen ihrer Eltern vollends zu missachten. Aber ihre Firma brauchte sie. Nicht anonym im Hintergrund, sondern – zwar ebenso anonym – in Aktion an der Front. Floriana atmete durch und betätigte die Freisprechanlage:

»Nancy, wie gut kannst du Lebensläufe schreiben?«

Kurz herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. »Lebensläufe? Sehr gut, denke ich. Aber wofür?«

»Für mich«, erwiderte Floriana und grinste breit. »Julie Moreau wird in die Produktentwicklung versetzt. Darum ist die Stelle der Kundenbetreuerin frei. Und Marcus Bloom muss sie besetzen.«

Nancy keuchte am anderen Ende auf. »Du willst dich undercover einschleusen?«

»Das ist der Plan. Also gib alles. Dieser Lebenslauf muss perfekt sein, wenn ich wiederkomme.«

ZWEI

»Hältst du das für klug bei den Journalisten, die sich dort draußen herumtreiben könnten?« Nancy sah sie skeptisch an, half Floriana aber trotzdem in ihre Jacke.

»Könnten, Nancy. Könnten. Und überhaupt«, Floriana stülpte sich die Basecap über ihre blonde Lockenmähne, »bisher ist nichts passiert.«

»Oh, doch. Ich sterbe jedes Mal tausend Tode, wenn du das Haus verlässt. Weil dich jemand entführen könnte. Oder dein Foto auf die erste Seite eines Klatschblattes drucken und damit den letzten Willen deiner Eltern mit Füßen treten. Sie baten dich schließlich in ihrem Testament darum, bis zu deinem siebenundzwanzigsten Geburtstag anonym zu bleiben.«

»Das weiß ich, Nancy.« Floriana drehte sich zu ihrer Freundin um und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Vertrau mir. Seit ich acht war, hat mich niemand außer dir und den Angestellten hier mehr in Verbindung mit meinem richtigen Namen zu Gesicht bekommen. In der Uni war ich unter falschem Namen eingeschrieben, wo es nötig war, haben wir Verschwiegenheitserklärungen ausgestellt und alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Auf diese kann ich mich verlassen und …«

»… auf die Queens sowieso«, beendete Nancy ihren Satz und seufzte. »Immerhin weiß ich, dass sie zu einhundert Prozent hinter dir stehen.«

»Sie und du, ihr seid meine Familie, Nancy. Ich liebe euch, wie ich meine Eltern geliebt habe. Und ich möchte ihren Willen nicht missachten. Ich weiß, sie wollten nicht, dass die Welt mich durch ihr Vermögen als reiche Erbin in eine Klischeetüte steckt und die Medien mir meine Kindheit rauben. Sie wollten nicht, dass sich falsche Freunde um mich scharen, die sich entweder Ruhm oder Geld erhoffen. Aber als ich mich ihrem Willen gefügt habe, war ich acht. Nun bin ich erwachsen und bereit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und Erfahrungen zu sammeln. Dank der Ausflüge lerne ich die Welt da draußen kennen, wie sie wirklich ist. Und nicht, wie sie mich als wandelnde Geldbörse empfangen wird. Denn das wird gleich bleiben, egal wie alt ich bin. Warum sollte ich jetzt damit aufhören?«

Florianas stellvertretende Geschäftsführerin schnaubte. »Der Leichtsinn der Jugend.« Dann wurde ihr Blick weich. »Manchmal wünschte ich, dass du jemanden kennenlernst. Ein netter junger Mann würde dir bestimmt guttun.«

»Wo sollte ich schon jemanden kennenlernen?«

»Auf deinem täglichen Gang zur Gedenktafel?« Nancy nickte in Richtung Tür. Die Tafel war zu Ehren von Florianas Eltern im Park von Mallowyn errichtet worden. Als »besonders engagierte Bürger der Stadt Mallowyn« hatte der Bürgermeister sie damals beim Aufstellen betitelt. Von den Toten auferstanden waren Florianas Eltern dadurch nicht, verständlicherweise, denn sie hätten diese Zurschaustellung dessen, was für sie selbstverständlich gewesen war, zutiefst verachtet. Für Floriana war die Tafel jedoch einen Ort, an dem sie sich an sie erinnern konnte. Hier zuhause versuchte sie, die aufkommenden Emotionen an schlechten Tagen so gut zu bekämpfen, wie es ging. Dort draußen im Park, umgeben von dichter Natur, konnte sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen und sich beim Joggen auch die Sorgen von der Seele rennen. Heute war einer dieser mittelprächtigen Tage und ihr Ziel stand fest.

»Bestimmt nicht. Niemanden interessiert, dass sie dort steht. Kaum einer bleibt stehen.«

»Du hältst an. Das ist das Wichtigste. Und tut es einmal jemand anderes, hoffe ich, dass er dir auf Augenhöhe begegnet. Dich versteht und dir die Chance auf Glück gibt. Wirkliches, ehrliches Glück.«

Floriana hielt auf halbem Weg zur Tür inne. »Weißt du Nancy, manchmal frage ich mich, ob ich noch weiß, wie sich Liebe anfühlt. Nach all den Jahren der Trauer und Abgeschiedenheit hier. Wie soll ich denn bemerken, wann es geschieht? Am Ende lasse ich den Moment ungenutzt verstreichen.«

»Wenn es so weit ist, wirst du es wissen«, sagte sie so selbstbewusst, wie ein Firmenvorstand den gestiegenen Umsatz hervorhob. »Und jetzt geh. Versprich mir nur, dass du vorsichtig bist.«

Floriana erwiderte nichts. Das war nicht nötig. Denn Nancy kannte sie. Besser, als Floriana manchmal glaubte, sich selbst zu kennen. Sie betrat den Rasen und joggte locker über das Grundstück zu einem kleinen Tor, das auf halbem Weg zwischen dem Haupttor und dem äußersten Ende des Geländes lag. Eine Gruppe Angestellter wartete davor, bereit, in den Feierabend entlassen zu werden. Niemand bemerkte sie oder richtete das Wort an sie, während das Tor wie in Zeitlupe aufschwang und sie alle auf die belebten Straßen Mallowyns entließ. Keiner verriet sie und mit einem Lächeln auf den Lippen joggte Floriana weiter. Loyalität war nichts, was man sich kaufen konnte. Und das machte sie so unendlich kostbar.

Der Park von Mallowyn war zu dieser fortgeschrittenen Stunde beinahe verlassen. Einige Jogger liefen wie Floriana ihre Bahnen und hin und wieder kläfften sich zwei Hunde wildgeworden an. In den Zweigen sangen Vögel ihr Abendlied und das zarte Gezwitscher begleitete Florianas Schritte. Die Sonne versank langsam hinter den gewaltigen Bergen am Horizont und in ihre orangenen Strahlen gehüllt atmete Floriana durch. Sie hielt an, drehte sich um und sah auf die in gleißendes Licht getauchte Tafel. »Zu Ehren von Rodger und Meredith Gallan. Von uns gegangen am 14.04.2005. Für immer unvergessen«, stand als Inschrift darauf und jedes Mal, wenn sie diese Worte las, bildete sich ein Kloß in Florianas Kehle. Sie kannte sie. In- und auswendig. Aber das half kein bisschen, den Schmerz zu betäuben, den sie jedes Mal an diesem Ort empfand. Der seine Klauen in ihre Eingeweide schlug und an besonders schlimmen Tagen den Wunsch in ihr aufsteigen ließ, sie hätte ebenfalls im Auto gesessen.

»Miss Gallan?«

Einzig ihren Gedanken, in denen sie sich verheddert hatte, war es zu verdanken, dass sie nicht sofort zu der Stimme herumwirbelte.

»Verzeihung? Miss Gallan?«

Die Realität riss ihre Konzentration von der Tafel los und Floriana runzelte die Stirn. »Wer bitte?«

Es war eine Frau, Anfang zwanzig, die aussah wie einem Klischee für Journalisten entsprungen. Die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, die Brille etwas zu weit vorn auf der Nasenspitze und in einer Hand balancierte sie eine übergroße Kamera, in der anderen ihren Notizblock. »Floriana Gallan. Sie sind es doch, oder? Die versteckte Erbin des Gallan-Vermögens? Die ein Automobilunternehmen gründete mit dem Ziel, dass nie wieder Menschen bei Autounfällen sterben. Wie Ihre Eltern. Ich bin Sophia Davis und würde Sie gern interviewen.«

Floriana zog amüsiert die Mundwinkel nach oben. Ihre Miene war die perfekte Fassade, wie die äußerste Matroschka, die nicht verriet, was alles in ihrem Inneren schlummerte. »Wenn ich es wäre, würde ich hier draußen wohl kaum mit Ihnen reden. Oder für mein Studium mehrere Jobs machen müssen.«

Die Journalistin musterte sie vom Scheitel bis zu den Sohlen. »Aber Sie haben angehalten. Ich warte hier seit heute Morgen und es ist nicht ein Mensch stehen geblieben. Bis auf Sie.«

»Und das ist alles? Sie unterstellen der erstbesten Person, die anhält, sie sei die Geschäftsführerin eines Millionenunternehmens? Was, wenn es ein Mann gewesen wäre? Floriana ist Florian?«

»Verdammt. Mit dieser Formulierung klingt es einfach nur verzweifelt.« Sophia blinzelte und sank dann mitsamt ihrer Ausstattung auf eine Parkbank. »Ich bin erledigt.«

Es wäre das Klügste gewesen, zu gehen. Sie dort sitzen zu lassen mit ihren Selbstzweifeln und sich zu freuen, nicht enttarnt worden zu sein. Alle anderen hätten das vermutlich getan. Aber Floriana war Floriana und ihr war klar, dass manche Probleme zu schwer für eine Person waren. Also tat sie das, was sie heute schon für Julie getan hatte. Sie setzte sich neben die Journalistin.

»Es tut mir leid, Miss«, entschuldigte diese sich. »Ich wollte Ihnen nichts vorwerfen.«

Floriana lächelte. »Würden mir doch alle Menschen unterstellen, eine reiche Geschäftsfrau zu sein. Es gibt schlimmere Verdächtigungen. Aber warum sind Sie verzweifelt?«

»Das wollen Sie doch nicht hören.« Die junge Frau rappelte sich auf und packte die Kamera fester. »Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muss meinem Verleger beichten, dass ich rein gar nichts habe.«

»Es geht um diese Feier, nicht wahr?« Das war gefährlich. Und leichtsinnig. Aber jetzt nicht mehr aufzuhalten. »Die, bei der sich Floriana Gallan offiziell vorstellt, oder? Die ganze Stadt redet davon.«

»Natürlich reden alle davon. Jeder in diesem Land fragt sich, wer sie ist. Wie sie ist. Eine reiche Erbin, die mit acht Jahren ihre Eltern bei einem tragischen Autounfall verlor und seitdem in vollständiger Einsamkeit lebt, weil Mommy und Daddy nicht wollten, dass sie durch die Gier der Welt verdorben wird. Und wissen Sie was? Womöglich hatten Florianas Eltern recht damit. Vielleicht ist es aber auch ihr größter Fehler, eine siebenundzwanzigjährige Frau in die Welt treten zu lassen, die keine Ahnung davon hat, wie die Realität ist. Deren Unternehmen von anderen geführt wird, während sie sich die Nägel machen lässt, in die Sauna geht und Champagner schlürft, in einer Villa, die sie geerbt und sich nicht durch Arbeit verdient hat.« Völlig ausgepumpt fiel die Journalistin auf die Bank zurück. Über ihren Brillenrand schielte sie zu Floriana und wartete auf ihre Reaktion zu diesem Ausbruch.

»Ich denke, Sie sollten verzweifelt sein.«

Sophia klappte die Kinnlade herunter. »Wie bitte?«

»Ihr Auftrag ist es, Informationen zu einer Ihnen unbekannten Person zu sammeln. Und ich meine unbekannt, denn trotz Ihrer Recherche scheinen Sie nichts über diese Frau zu wissen. Sie sind kläglich gescheitert, haben die Falsche angesprochen.« Was nicht zutraf. »Und dann sowohl das Objekt ihrer Nachforschungen als auch ihre verstorbenen Eltern beleidigt. Wenn Sie schon keinen Respekt vor Floriana Gallan haben, sollten Sie es bei einer richtigen Begegnung zumindest vor den Toten haben.«

Damit erhob sie sich und ließ die junge Frau, perplex wie sie war, sitzen. Es waren harte Worte, aber solche, die sie hören musste, wenn sie Journalistin werden wollte. Denn im Moment sprach gar nichts dafür. Na ja, zumindest nicht vieles. Eines hatte sie doch geschafft. Den letzten Rest Unsicherheit in Floriana mit Stumpf und Stiel auszurotten.

»Gibt es etwas zu feiern?« Einer der Jogger hielt neben ihr an. »Sie lächeln so vergnügt.«

»Ich habe eine wichtige Entscheidung getroffen«, gestand Floriana frei heraus. »Und sie wird mein Leben verändern.«

»Dann wünsche ich viel Erfolg.«

O ja. Das wünschte sie sich ebenfalls. Denn sie würde undercover gehen. Und an ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag die Beweise vor den Augen der Welt enthüllen. Dass Marcus Bloom entlassen gehörte und sie, Floriana Gallan, trotz ihrer Anonymität alles für Luxoriosa tat. Einfach alles.

DREI

Die Wände von Florianas Villa bebten unter den Klängen von Elton John.

»I’m still standing!«, sangen die vier Freundinnen in eine Haarbürste und hüpften im Kreis herum.

»Yeah, Yeah, Yeah.« Helena Sanders riss Floriana das Pseudo-Mikrofon aus der Hand und legte auf dem Sofa eine Solo-Nummer hin. Aus vollem Halse schmetterte sie den Liedtext mit und schaffte es sogar, das bis zum Anschlag aufgedrehte Radio zu übertönen. Am Ende des Liedes drehte sie eine Pirouette, verbeugte sich tief und sank danach lachend auf dem Sofa zusammen.

»Zugabe!«, kreischte Melinda Thomas, Inhaberin des exklusivsten Restaurants der Stadt, und klatschte tosenden Applaus.

»Ich bin nur adoptiert«, murmelte Alma Sanders wie ein Mantra, doch auch sie klatschte und ein feines Lächeln lag auf ihren Lippen. »Vielleicht habe ich nicht ganz so viel Wahnsinn abbekommen.«

»Also ich finde euch alle fantastisch-verrückt.« Floriana rekelte sich in einem Sessel und sah dabei zu, wie sich Helena drei Kissen in den Rücken stopfte, um trotz ihres Lachens aufrecht zu sitzen. »Aber stinkt mein Sofa danach nach Gaul, bezahlst du mir die Reinigung.«

»Dann erhebe ich eine Strafgebühr, jedes Mal, wenn du mit deinen grässlichen pinken Pumps auf meine Reitbahn spazierst.«

Floriana keuchte. »Das sind meine Lieblingsschuhe!«

»Und eine Beleidigung für den Reitsport.«

»Aber die sieht doch keiner.«

»Frieden, Mädels, Frieden«, sagte Melinda und ging zwischen sie. Sie präsentierte eine große Glasflasche. »Ich habe uns da etwas mitgebracht.«

»Sag bloß.« Alma eilte mit vier Gläsern herbei und die Köchin zwinkerte ihnen zu.

»Jawohl! Ambrosia. Der Namenszwilling meines Restaurants. Auch, wenn es nur Rhabarber-Vanille-Likör ist.«

»Egal, was es ist, es schmeckt einfach nur göttlich.« Floriana leckte sich über die Lippen und sah Melinda beim Gläserfüllen wie ein hungriges Raubtier zu. »Wann fängst du eigentlich an, ihn über dein Unternehmen zu vertreiben, Alma?«

Die Schwarzhaarige nahm das Glas entgegen und seufzte. Ihre üppige Figur sank ein klein wenig in dem Polster des Sessels ein, und doch sah man die ersten Spuren, die der Sport bei ihr hinterließ. »Sobald Melinda mir das Recht dazu gibt. Aber sie ist eine erbitterte Verhandlungspartnerin.«

»Das muss ich sein.« Die Restaurantbesitzerin schraubte die Flasche wieder zu. »Wie soll ich noch Kunden ins Ambrosia bekommen, wenn die Spezialität im Internet zu haben ist?«

»Also ich hoffe doch stark, die Leute kommen vorrangig wegen des Essens und nicht wegen des selbstgemachten Alkohols zu dir«, sagte Helena gespielt schockiert.

»Weißt du, vielleicht füllt Melinda die Gäste mit so viel Likör ab, dass sie nicht mehr bemerken, dass sie Schnitzel essen, die zäh wie Leder sind. Und am Morgen denken dann alle, es war super lecker.« Floriana kicherte und die anderen drei stimmten mit ein.

»Das nächste Mal überlege ich mir gut, ob ihr etwas von meinem Rhabarber-Likör abbekommt. Und jetzt los. Lasst uns anstoßen.«

»Auf die Queens of Mallowyn!« Klirrend schlugen die Gläser aneinander. Die Queens of Mallowyn – vier Geschäftsfrauen, die es geschafft hatten, bis nach oben zu kommen und gute Freundinnen zu werden. Und Floriana konnte sich kein Leben ohne sie vorstellen.

»Dann packen wir es an.« Floriana leerte ihr Glas in einem Zug und stellte es auf den hölzernen Wohnzimmertisch.

»Also das war …« Helena brach ab und schüttelte den Kopf.

»Geschmacksbanausin. Einen so edlen Tropfen in einem Zug zu leeren. Wo bleibt denn da der Genuss?« Melinda runzelte die Stirn und Floriana sah weiter zu Alma. Sie blieb noch eine Sekunde ernst, dann brachen die vier in lautes Lachen aus.

»Zugegeben, du hast es dir verdient. Beim Rundruf heute Morgen war ich schon etwas stutzig. Dein Plan ist dann doch ein klein wenig … speziell.«

»Aber dieses Schwein Bloom hat es verdient«, ergänzte Helena im Brustton der Überzeugung. »Wer einer von uns schadet, schadet uns allen.«

Was tatsächlich zutraf. Floriana lieferte die Wagen für Amelias Dienstleistungsunternehmen, sponsorte Helenas Reitbahn und war Stammkundin in Melindas Restaurant. Dafür schickten die drei Queens ihre wohlhabenden Kunden und Gäste bei Autowünschen direkt zu ihr und waren immer für Floriana da. Auch heute, um ihr bei diesem wichtigen Schritt zur Seite zu stehen.

»Punkt eins: Haare färben«, sagte Floriana und eröffnete damit ihre erste geplante Veränderung.

»Wie bitte? Das kann man daheim? Ich dachte, das machen nur Hairstylistinnen.« Melindas Mund stand weit offen.

»Witzig. Wenn eine Stylistin in dieses Haus spaziert und die Reporter es beobachten, spekuliert morgen die halbe Stadt darüber, ob ich hier wohne und mir die Haare gefärbt habe. Was für eine Tarnung wäre das bitte?«

»Eine, bei der du nicht in Gefahr läufst, mit geflecktem Haar in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Wer von denen hat denn bitte Ahnung vom Haarefärben?«, raunte Helena Floriana zu.

»Immer langsam.« Melinda verschränkte die Arme. »Ich war auch mal eine ganz normale Nutzerin von Haarpflegemitteln aus der Drogerie. Vor drei Jahrzehnten oder so.«

»Herzchen, da warst du noch nicht einmal geboren.« Alma grinste.

»Ihr wisst, was ich meine. Aber ich habe doch sicherlich mehr Ahnung vom Haare färben als du mit deiner raspelkurzen Frisur.«

Helena fuhr sich durch die kurzen Locken. »Ich bin eben Pragmatikerin. Lange Haare jucken furchtbar unter einem Reithelm. Und deine Mähne könnte auch mal wieder ein wenig Form vertragen, Melinda. Wildwuchs steht dir nicht.«

»Mädels, sollten nicht eigentlich meine Haare das Thema sein?« Obwohl auch Floriana zugeben musste, dass Melindas hüftlange rote Mähne langsam wirkte, als wollte sie den Körper wie ein Spinnennetz umwickeln.

»Gut. Zurück zu unserer Auto-Queen und ihrer Spionagemission.«

»Undercover«, korrigierte Floriana sie und massierte sich kurz die Nasenwurzel. »Ich gehe als Angestellte undercover und werde mich selbst davon überzeugen, ob die Anschuldigungen gegen Bloom wahr sind.«

»Irgendetwas muss dran sein, sonst wäre Julie nicht zu dir gekommen. Das denkt man sich nicht einfach aus.« Alma griff in den Korb mit diversen Drogerieartikeln und zog die Packung mit der Haarfarbe hervor. Sie spitzte die Lippen zu einem abfälligen Pfeifen und rollte mit den Augen. »Komm schon, Schätzchen. Brünett? Du bist eine sehr attraktive Blondine, aber nach diesem Farbangriff wirst du dich selbst nicht einmal mehr im Spiegel erkennen.«

»Gut, denn das ist das Ziel.«

»Auszusehen wie eine Kim Kardashian Imitation?«

»Jetzt beleidige keine Promis, Alma. Für Kim ist sie doch viel zu dürr«, ereiferte sich Helena.

»Ich bin nicht dürr, sondern sportlich.«

»Der einzige Sport, dem ich nachgehe, ist Essen«, warf Melinda ein und wiegte ihre Hüften verführerisch.

»Also das musst du ihr auf jeden Fall beibringen«, befand Helena, die Nase tief in eine Akte gesteckt, die das Geheimnis um den von Nancy erstellten Lebenslauf barg. »Den Hüftschwung und das Haare nach hinten werfen und das Gehen, als wäre der Boden aus rosa Wolken.«

»Bitte? Das soll ich lernen? Warum denn?«

»Nun, Nancy hat dir eine exzellente Vergangenheit verpasst, Elody. Sie hat sogar regelrecht aus den Vollen geschöpft und etwas eingewoben, dem dein Marcus Bloom auf keinen Fall widerstehen kann. Ich meine: Wer hat keinen verführerischen Hüftschwung, wenn er nicht jahrelang in einem Bordell gearbeitet hat?«

»Melinda«, kommentierte Floriana trocken.

»Ganz vorsichtig.« Die Rothaarige zwinkerte ihnen allen zu. »Ihr kennt nicht jedes meiner Geheimnisse. Aber ich stelle mich gern als deine Lehrmeisterin zur Verfügung, Floriana.«

»Wenn sie jetzt aus Star Wars zitiert, breche ich ab«, sagte Alma ächzend und fächerte sich Luft zu.

Floriana musste dringend etwas unternehmen, wenn sie heute noch zu einem Ergebnis kommen wollte. »Schön, Melinda, in der Küche warten ein paar Lebensmittel auf deine kundigen Hände. Zauberst du uns mit Alma ein kleines Mittagessen? Und Helena, kann ich auf deine Hilfe mit den Haaren zählen?«

»Aber klar«, sagte die Pferdenärrin und klatschte sich mit ihr ab. »Wir zaubern dir eine großartige braune Mähne.«

»Und ich uns etwas Leckeres. Essen ist mir sowieso lieber als Haare und chemische Farben. Außerdem habe ich doch so viele galaktisch gute Worte für Alma.« Sie grinste ihr zu. »Mitkommen du musst. Lebensmittel uns erwarten.«

»Ich bin in der Hölle«, jammerte Alma. »Aber immerhin geht es deinem Schopf an den Kragen und nicht meinem.«

Florianas Haaren ging es wirklich an den Kragen. Helena bearbeitete ihre Haare gemäß Anwendungshinweisen. Für Floriana verging diese Zeit zäh wie Harz und mit jeder Minute fragte sie sich mehr, wie sie ihren Haaren das antun konnte. Passend dazu hatte Floriana einen dicken Kloß in der Kehle, kaum dass Helena das magische Wort »Fertig« von sich gab. Und fertig war auch etwas anderes. Durch das gemütliche Appartement zog der würzige Geruch einer blubbernden Bolognese und ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Zumindest wäre das an normalen Tagen so gewesen, doch heute war ihr einfach nur schlecht vor Aufregung. Sie hatte sich noch nie die Haare gefärbt, in ihrem ganzen Leben. Einzig und allein eine Haarschere unterstützte sie manchmal dabei, der wallenden blonden Lockenpracht Herr zu werden und nun hatte sie ihre gesunden Haare einer chemischen Vernichtung ausgesetzt. Aber wenn sie nicht einmal bereit wäre, dieses Opfer zu bringen, könnte sie sich auch nicht mehr als Verfechterin der Gleichstellung bezeichnen. Denn Farbe wusch sich aus und verblasste mit der Zeit. Die Erlebnisse eines Übergriffes jedoch hinterließen für immer Narben auf der Seele. Die Veränderung ihrer Haarfarbe, so unwohl sich Floriana im Moment auch fühlte, war ebenso notwendig wie das Gelingen ihrer Undercover-Mission.

»Keine Sorge. Im schlimmsten Fall verlierst du alle Haare, siehst ein paar Wochen aus wie Helena und kannst dann eine äußerst schmucke Kurzhaarfrisur tragen.«

»Soll mich das beruhigen, Alma?«

»Ich meine ja nur. Haare wachsen glücklicherweise nach. Zerstörte Leben lassen sich nicht so leicht wieder in Ordnung bringen. Und das möchtest du ja schließlich verhindern. Summa summarum ein notwendiges Opfer.«

»Und wir sind immer an deiner Seite, Liebes«, ergänzte Melinda aus der Küche und wedelte mit dem Kochlöffel. »Ihr könnt einen Zahn zulegen. Es ist angerichtet.«

»Hast du noch einen Likör? Floriana ist ganz grün im Gesicht.«

»Bin ich gar nicht«, widersprach sie, obwohl sich in ihrem leeren Magen tatsächlich ein leichtes Unwohlsein ausbreitete. Dieses wurde noch durch Helenas unablässiges Murmeln und Zupfen an ihren Haaren verstärkt. Das schwarze Tuch vor dem Spiegel wirkte wie das unausweichliche Beil eines Henkers, das nur darauf wartete, in die Tiefe zu donnern und sie zu vernichten. Floriana atmete durch, stieß die Luft aus und nickte dann. »Weg damit.« Doch schon als Helena nach dem Stoff griff, setzte sich die aufkommende Panik vor dem Anblick über ihre Rationalität hinweg und Floriana kniff die Augen zu.

»Stand auf der Packung nicht Haselnussbraun?«, murmelte Helena und Floriana hörte sie im Mülleimer kramen.

»Also ich habe den Ton heller in Erinnerung.« Melindas grüblerische Stimme verstärkte ihre Nervosität nur noch und sie kaute auf ihrer Unterlippe herum.

»Was sagst du?« Floriana brauchte kurz, um zu merken, dass sie gemeint war.

»Ich bin mir nicht sicher«, wich sie aus und konzentrierte sich aufs Atmen.

»Sie hat die Augen zu.« Helena verpetzte sie gnadenlos und die näherkommenden Schritte bewiesen, dass Alma und Melinda ihre Posten in der Küche endgültig verlassen hatten, um der Enthüllung beizuwohnen.

»Jetzt öffne die Augen schon.« Alma legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie.

»Findet ihr, dass es schlimm aussieht?«

»Ungewohnt«, sagte Melinda diplomatisch.

»Definitiv dunkler als erwartet«, ergänzte Helena. »Vielleicht Aschbraun. Aber auf keinen Fall furchtbar.«

»Na schön. Wenn ihr das sagt.« Floriana öffnete die Augen. Die Frau im Spiegel war definitiv sie und gleichzeitig auch nicht. Die vertrauten Gesichtszüge waren noch vorhanden, wirkten durch die dunklen Haare jedoch viel kantiger und schroffer. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Wenn sie sich selbst kaum erkannte, standen die Chancen gut, dass ihre Undercover-Mission ein Erfolg sein würde. Vor allem, wenn sie sich noch mehr von Melindas Likör einflößte, den diese jetzt noch einmal samt Gläsern verteilte.

»Auf uns, Mädels.« Floriana hob ihr Glas.

»Auf die Queens of Mallowyn.«

»Und auf das Ende dieses Dreckskerls Bloom.«

»Halleluja.«

Sie schmetterten ihre Gläser aneinander und leerten sie in einem Zug.

»Und jetzt kommt essen«, sagte Melinda im Befehlston. »Eine Bolognese lässt man nicht warten.«