Reveal my Truth (Queens of Success 2) - Emily Kampmann - E-Book

Reveal my Truth (Queens of Success 2) E-Book

Emily Kampmann

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Beschreibung

**Wenn erfolgreiche Männer auf noch erfolgreichere Frauen treffen** Alma Sanders steht kurz davor, die Abteilung für Eventmanagement im Dienstleistungsimperium ihrer Adoptiveltern zu übernehmen. Die Hochzeit eines Jugendfreunds zu organisieren, sollte also kein Problem für sie darstellen. Allerdings hat sie die Rechnung ohne den perfektionistischen Trauzeugen Finnian Westhill gemacht. Der Star-Drehbuchschreiber ist durch seine Filmset-Erfahrung überzeugt zu wissen, wie eine Traumhochzeit aussehen muss. Als aus hitzigen Diskussionen prickelnde Gefühle werden, fällt es Alma schwer, sich darauf einzulassen, denn sie will nicht, dass Finnian von ihrer Vergangenheit erfährt. Ihre Angst wächst ins Unendliche, als ein Stalker droht, ihre Geheimnisse der ganzen Welt zu offenbaren …  Tauche ein in die romantische Kulisse einer (fast) perfekten Hochzeit. Und in eine Gegenwart, die durch die Vergangenheit erschüttert wird. Textauszug »Klasse. Damit hätte ich mein Ziel des Abends erreicht.«  »Was? Mir beim Ersticken zuzusehen?«  »Nein. Dir das Leben zu retten. Die Pommes waren heute eindeutig auf meiner Seite. Und nun, wo du mir einen Gefallen schuldest ...«  »Lass mich raten: Du möchtest mit mir gemeinsam Matteos Hochzeit planen.« //Dies ist der zweite Band der romantischen »Queens of Success«-Dilogie von Emily Kampmann, ist aber unabhängig davon lesbar. Alle Romane der Reihe bei Impress:  Band 1: Reveal my Love Band 2: Reveal my Truth Diese Reihe ist abgeschlossen.//   

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Emily Kampmann

Reveal my Truth (Queens of Success 2)

**Wenn erfolgreiche Männer auf noch erfolgreichere Frauen treffen**

Alma Sanders steht kurz davor, die Abteilung für Eventmanagement im Dienstleistungsimperium ihrer Adoptiveltern zu übernehmen. Die Hochzeit eines Jugendfreunds zu organisieren, sollte also kein Problem für sie darstellen. Allerdings hat sie die Rechnung ohne den perfektionistischen Trauzeugen Finnian Westhill gemacht. Der Star-Drehbuchschreiber ist durch seine Filmset-Erfahrung überzeugt zu wissen, wie eine Traumhochzeit aussehen muss. Als aus hitzigen Diskussionen prickelnde Gefühle werden, fällt es Alma schwer, sich darauf einzulassen, denn sie will nicht, dass Finnian von ihrer Vergangenheit erfährt. Ihre Angst wächst ins Unendliche, als ein Stalker droht, ihre Geheimnisse der ganzen Welt zu offenbaren …

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Vita

Danksagung

© privat

Emily Kampmann ist eine in Trier lebende Träumerin, die es liebt, in die wundervolle und romantische Welt der Bücher zu reisen. Sie verbringt darum viel Zeit auf dem Papier zwischen malerischen Sonnenuntergängen, prickelnden Momenten und der ein oder anderen Prise Herzschmerz. Sitzt sie nicht gerade am Schreibtisch, genießt Emily Kampmann Spaziergänge in der Natur und sammelt Inspiration für das nächste Projekt.

VORBEMERKUNG FÜR DIE LESER*INNEN

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Emily Kampmann und das Impress-Team

Für alle, die nach der wahren Liebe suchen.

EINS

»Ist das sein Ernst?« Der Tag begann mit einer Überraschung. Und Alma Sanders hasste Überraschungen. Besonders die, die nichts Erfreuliches an sich hatten. Was noch eine untertriebene Beschreibung für die Mappe war, die vor ihr auf dem Schreibtisch lag.

Sie saß in ihrem Büro im Hauptsitz von Sanders Universal, deren Eventmanagement-Bereich sie in wenigen Wochen übernehmen sollte, starrte verbissen auf den schwarzaufgedruckten Namen und hoffte, dass er allein dadurch wieder verschwand.

»Gibt es ein Problem, Schatz?«, fragte ihr Vater aus seinem Arbeitszimmer, dessen Verbindungstür zu ihrem Büro offenstand, und Alma biss sich auf die Lippen.

»Nein, Dad. Alles gut.« Das energische Klappern angeschlagener Tasten verriet ihr kurz darauf, dass der Firmenbesitzer sich wieder in seine Arbeit vertiefte.

Alma hielt ein hektisches Ausatmen zurück und zwang die Luft dazu, ihren Lungen langsam zu entweichen. Noch einmal sah sie auf das Deckblatt der Mappe herab, doch die Buchstaben hatten sich nicht in einem plötzlichen Anfall von Wanderlust neu angeordnet. Dort stand noch immer »Matteo Turner«. Ein Name, den sie zusammen mit allen Erinnerungen an die Zeit vor ihrer Adoption so tief in der Dunkelheit ihrer Erinnerungen versteckt hatte, dass er beinahe in Vergessenheit geraten war. Die Jahre bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr, Jahre bei etlichen Pflegefamilien. Und bei Jefferson. Eine Zeit, an die sie nicht häufig zurückdachte.

»Ist wirklich alles in Ordnung?« Ihr Dad steckte seinen Kopf durch den Türspalt in ihr Büro. Alma zuckte zusammen und schob die Mappe mitten in einen der vielen Stapel, die auf der Tischplatte vor ihr in die Höhe wuchsen. So in Gedanken vertieft hatte sie gar nicht gehört, dass er aufgestanden war.

»Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«, gab sie seine Frage an ihn zurück und legte den Kopf etwas schief. »Nur etwas mehr Arbeit als sonst, das ist alles. Scheinbar halten die meisten Menschen den Sommer für die perfekte Jahreszeit, um ein Fest zu feiern. Geburtstage, Verlobungen, Hochzeiten. Wir haben sogar einige Anfragen zur Planung von Open-Air-Konzerten. Im Grunde läuft es im Moment also fast besser als gut.« Und da das tatsächlich der Wahrheit entsprach, verdrängte der absehbare Erfolg für einige Herzschläge Almas Unsicherheit ob des neuen Auftrags und sie lächelte.

»Ich möchte nur nicht, dass du dich übernimmst, mein Liebling.« Leopold Sanders trat nun ganz in ihr Büro, an dem Tischchen mit der Wasserkaraffe und der Obstschale vorbei und nahm auf dem cremefarbenen Sofa in der Mitte des Raumes Platz. Er klopfte mit seiner Handfläche einige Male auf das Polster neben sich und Alma folgte seiner Einladung. »Ich weiß, dass Helena sich nie wirklich für diese Firma interessiert hat. Das Herz deiner Schwester schlägt nun einmal für die Pferde und sie ist mit solcher Leidenschaft dabei, dass es mir manchmal den Atem raubt, sie so glücklich zu sehen.« Für einen Moment schienen Leopold Sanders Gedanken zu seiner leiblichen Tochter abzuschweifen, denn er starrte verträumt auf etwas, das nur er in der Luft des Raumes sah. Ein kurzes Blinzeln, dann wanderte ein Ruck durch seinen Körper und er ergriff Almas Hand. »Worauf ich hinaus möchte: Du sollst nicht denken, dass du etwas gut machen musst, bloß weil sie den ganzen Tag im Sattel sitzt. Diese Firma ist wichtig für unsere Familie, aber lieber würde ich sie verkaufen, als eines meiner Kinder unglücklich zu sehen.«

Ein tennisballgroßer Kloß zwängte sich in Almas Kehle nach unten. Mr und Mrs Sanders hatten nie, in keiner Sekunde seit der Adoption, einen Unterschied zwischen Helena und ihr gemacht. All die Liebe, die sie bei ihnen hatte kennenlernen dürfen, ließ sie noch heute manchmal denken, ein Mensch müsse in diesem Meer aus Zuneigung ertrinken, doch das Gegenteil war der Fall. Die Hingabe ihrer Eltern trug den funkelnden Zauber in sich, der Leben veränderte.

»Das brauchst du nicht, Dad.« Ein Wort, dass ihr heute so selbstverständlich über die Lippen kam, weil es sich einfach nur richtig anfühlte. Für sie war er ihr Vater, ob leiblich oder nicht. Er war der Mann, der ihr das Autofahren beigebracht, sie nach ihrem ersten richtigen Kater in die Geheimnisse Kopfschmerzen vertreibender Gemische eingeweiht und bei ihrem Schulabschluss mit seiner Frau in der Menge am lautesten gejubelt hatte.

»Sicher nicht?«

»Nein.« Alma lachte leise und rückte näher an ihren Dad heran. Sie legte den Kopf auf seine Schulter und sacht strich er ihr übers Haar. »Es macht mir Spaß. Die Menschen zu sehen, glücklich und vor Freude strahlend, weil wir ihnen geholfen haben, den schönsten Tag ihres Lebens zu verbringen. Diese Emotionen sind so echt und rein, um nichts auf der Welt würde ich darauf verzichten wollen, sie mit unseren Kunden zu teilen.«

In einer einzigen fließenden Bewegung zog ihr Dad Alma an sich und sie erwiderte seine Umarmung. »Habe ich dir jemals gesagt, was für ein großes Geschenk es für mich ist, dich als Tochter zu haben?«

»Hast du.« Alma löste sich etwas von ihm und wischte sich mit dem Handrücken eine Träne von der Wange. »Und habe ich dir jemals gesagt, wie dankbar ich euch für alles bin?«

»Das zeigst du uns jeden Tag, mein schönes Mädchen.« Leopold Sanders kramte in der Tasche seiner Anzughose nach einem Stofftaschentuch und schnäuzte geräuschvoll. »Herrje, sind wir heute aber beide sentimental«, meinte er grinsend. »Muss an den vielen Hochzeiten liegen, die in nächster Zeit anstehen. So viel Liebe in der Luft färbt ab.« Er räusperte sich und mit einem Mal blickte er Alma wieder ernst an. »Aber Spaß beiseite, mein Schatz. Ich weiß, dass die Eventmanagement-Abteilung mit dir als Leiterin erblühen wird. Aber denk nicht, dass du alles allein meistern musst. Was war das denn zum Beispiel für eine Mappe, die du so versucht gleichgültig in den Stapel geschoben hast? Es sah ziemlich ernst aus.«

Ertappt blickte Alma zum Boden. Mit der Spitze ihres Highheels zog sie einige Kreise in den Teppich. »So ernst ist es nicht«, gestand sie schließlich und blickte ihrem Dad in die Augen. »Es ist nur, der Kunde ist jemand aus meiner Vergangenheit. Aus der Zeit vor der Adoption. Ein Name, bei dem ich nicht damit gerechnet habe, ihn noch einmal zu lesen.«

Leopold Sanders straffte die Schultern und bei dem distanzierten Ausdruck in seinem Gesicht rückte Alma unwillkürlich ein wenig von ihm ab. »Aus deiner Vergangenheit? Etwa jemand von denen, die dir-«

»Nein«, unterbrach sie ihn sofort und legte ihm die Hand auf die angespannte Schulter. »Er war wirklich nett.«

Jetzt blinzelte ihr Dad sie verwirrt an. »Und was ist dann das Problem?«

Alma zögerte mit ihrer Antwort. Er kannte die ganze Wahrheit über das, was sie in ihrer Jugend getan hatte. Dinge, auf die sie nicht stolz war. Illegale Dinge. Aber Leopold, ganz der Geschäftsmann, definierte sie nicht über ihre Vergangenheit, sondern über das, was sie heute tat. Alma knetete ihre Finger und suchte nach Worten, die ihm begreiflich machten, dass sie sich fürchtete. Davor, dass ihre Vergangenheit sie einholte. Erinnerungen auf sie einstürmten, Informationen möglicherweise die Runde machten, von denen sie nicht wollte, dass jemand außerhalb ihrer Familie sie erfuhr. Nur bei diesen wenigen Menschen war sie sicher. Und alle anderen würden sie für ihre Taten verachten.

»Du kannst den Fall auch abgeben«, kam Leopold Sanders ihrer Antwort zuvor.

»Auf keinen Fall«, sagte sie und schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre schwarzen Haare über ihre Schultern nach vorn fielen. »Ich werde die neue Leiterin dieser Abteilung sein. Ich schaffe das.«

»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte ihr Dad diplomatisch und nickte Alma zu. »Und jetzt muss ich mich um die andere wichtigste Frau in meinem Leben kümmern. Deine Mom und ich wollen essen gehen.«

»Ins Ambrosia? Dann grüßt Melinda lieb von mir.«

»Woher du das nur wieder weißt? Aber mache ich. Und dir alles Gute mit deinem neuen Kunden. Ich glaube an dich.« Mit diesen Worten drückte ihr Dad Alma einen Kuss auf die Stirn, schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und verließ das Büro.

Er glaubte an sie. »Ach verflixt«, murmelte Alma und ließ sich noch tiefer in die Polster sinken. Sie hob beide Hände und massierte sich Stirn und Nasenwurzel. Wieso nur fiel es ihr so schwer, es ihm gleichzutun?

Stopp. Ein Ruck fuhr mit der Energie eines einschlagenden Blitzes durch ihren Körper und sie richtete sich kerzengerade auf. In ihrem Kopf sollte kein Platz sein für solche Gedanken. Sie hatte eine Familie, Mom und Dad und eine Schwester, die sie liebte. Vier gute Freundinnen, die man innerhalb von Mallowyn die Queens nannte. Erfolgreiche Geschäftsfrauen und sie war eine von ihnen. Erfolgreich. Oben angekommen. Nur würde das ausreichen?

Der Zweifel tigerte wie eine eingesperrte Bestie in ihr herum. Es musste einfach ausreichen, wenn nicht für sie selbst, dann für die Menschen, die sie aufgenommen hatten. Bei dem Gedanken an ihren ganz persönlichen Leuchtturm im Sturm der Gefühle und mit den nächsten Atemzügen kam Alma zur Ruhe und traf zugleich eine Entscheidung. Wenn sie sich schon ihrer Vergangenheit stellte, gab es schlimmere Tage als heute, um damit zu beginnen.

»Steven?«, rief Alma durch die halb geöffnete Tür in den Vorraum. Sie wartete auf keine Antwort, sondern trat an ihren Schreibtisch und nahm den Stapel, in den sie die verhängnisvollen Dokumente geschoben hatte, Mappe für Mappe auseinander.

»Was gibt es denn, Boss?« Steven erschien in der Tür, die dunklen Locken wirr in alle Richtungen zerzaust und herzhaft gähnend. Ihr Assistent machte während seiner Arbeit bei ihr ein Studium in Theaterwissenschaften und obwohl sie ihm immer wieder versichert hatte, dass er die Möglichkeit hatte, Teilzeit zu arbeiten, erschien er eisern vierzig Stunden die Woche im Büro. Wenn man bedachte, dass das Dauergähnen die einzige Begleiterscheinung seines Schlafmangels war, schlug er sich echt gut.

»Hast du mir vorhin diese Mappe auf meinen Schreibtisch gelegt?« Unter drei weiteren fand Alma schließlich, was sie suchte, und hielt Steven die Blattsammlung entgegen.

»Hm.« Ihr Assistent kratzte sich am Hinterkopf. »Oh, klar. Japp. Die habe ich dir hingelegt, Boss. Da war so ein cooler Kerl da, ganz fachmännisch im Anzug und so. Der meinte, er kennt dich noch von früher und würde sich echt krass freuen, wenn du seine Hochzeit planen würdest.«

Alma klappte die Kinnlade nach unten und sie starrte Steven einige Herzschläge lang fassungslos an. »Hochzeit?«, echote sie dann und schlug die Mappe auf.

»Jawohl. Unter die Haube soll’s gehen, meinte dieser Matteo-von-früher. Schien ihm ernst zu sein, denn er meinte, dass er nur die Beste in der Stadt zum Planen möchte. Also dich. War erst zufrieden damit, als ich die Mappe zusammengestellt hatte.«

Während Steven in seinen Sätzen von seinem Slang allmählich wieder zurück in eine etwas professionellere Wortwahl schwang, überflog Alma die angegebenen Daten. Hochzeit, fünf Wochen Zeit, rauschendes Fest und natürlich atemberaubende Lokation. Praktisch das, was jeder sich für seine Hochzeit wünschte, aber kaum jemand genauer definieren konnte.

Erst, als sie aufsah, bemerkte Alma, dass Stevens Redefluss in der Zwischenzeit abgerissen war und er sie gespannt musterte. »Nimmst du ihn an? O bitte, Boss. Das wird bestimmt echt witzig. Eigentlich habe ich ein bisschen das Gefühl gehabt, er wäre in dich verliebt. Aber dann würde er wohl keine Andere heiraten. Ergibt keinen Sinn und so. Bisschen geschmachtet hat er trotzdem in Richtung deiner Bürotür. Vielleicht-«

»Steven«, unterbrach Alma ihn sanft, aber bestimmt. »Ich fürchte, dass ich ihn nicht annehmen kann. Zumindest nicht mit dieser Mappe. Da stehen doch kaum Informationen drin. Viel zu wenig Details. Du weißt doch, dass ich vor der Zusage immer erst ein persönliches Gespräch mit den Antragstellern führe.«

»Und wirst du das hier auch tun?« Steven legte den Kopf schief und musterte sie mit einem Blick, fast als wüsste er über alles Bescheid, was in ihr vorging. »Oder hast du nur Vergangenheit gehört und stellst ihm direkt die Absage aus? Kann ich machen, gar kein Problem, aber ob es auch gut für dich wäre, weiß ich nicht.«

Und er sah doch in sie hinein. Alma klappte sacht die Mappe zu und drückte sie an die Brust wie ein Schutzschild. »Natürlich werde ich mit ihm reden. Jeder Kunde kann bei Sanders Universal die gleiche Behandlung erwarten, ganz egal, wer er ist.« Was sie jedoch nicht vergessen ließ, dass Matteo und sie sich ihre Vergangenheit in einigen Fragmenten teilten. »Ich denke, wir sollten einen Termin vereinbaren, damit ich mich mit ihm über seine Pläne unterhalten kann.« Und sie in geschlossener Atmosphäre herausfinden konnte, was er noch wusste und wem er es erzählt hatte.

Steven nickte eifrig. »Sehr gut. Das wird leicht.«

»Wieso? Hat er seine Telefonnummer direkt mit hinterlassen?«

»Das nicht.«

Alma fiel ein Stein vom Herzen.

»Aber du hast heute keine Termine mehr und er wartet vor der Tür.«

»Er … Was?« Der fallende Stein hüpfte sofort wieder nach oben und platzierte sich als Imitation des Mount Everests in ihrer Brust. Noch bevor sie reagieren konnte, trat Steven bereits zur Tür, streckte den Kopf nach draußen und sagte in ungewohnt höflicher Weise: »Sie können jetzt eintreten.«

Drei Atemzüge schaffte Alma noch, in denen sie ihr Haar ordnete, die Mappe beiseitelegte und sich befahl, der Vergangenheit nicht die Oberhand zu lassen. Ein Vorsatz, den der nun eintretende Mann mit seinen ersten Worten gnadenlos einriss.

»Hallo, Ally Mally.«

ZWEI

Sechs Silben. Verdammte sechs Silben reichten aus, um sie mit der gnadenlosen Gewalt eines Henkers zurück in die Vergangenheit zu katapultieren. Ein verregneter Donnerstag. Eigentlich hätte sie in der Grundschule sein sollen, aber Felix, ihr Pflegebruder, der zwei Klassen über ihr war, hatte angedroht, ihr das Haar mit dem Bunsenbrenner anzukokeln, wenn sie sich in der Schule blicken ließ und ihn mit ihrer Tapsigkeit vor seinen älteren Kumpels blamierte. Die nervige kleine Schwester, von der er nichts wissen wollte. Weder daheim bei Jefferson noch in der Schule. Jeden Tag fand er einen anderen Grund, warum er ihre Anwesenheit dort nicht ertrug, aber an diesem hatte sie ihm zum ersten Mal nachgegeben. Und so war sie nicht in der Schule, sondern lief einen vom Regen aufgeweichten Parkweg entlang, in Richtung eines einsamen Spielplatzes. Nur war er an jenem Tag nicht einsam gewesen. Ein Junge saß auf der Schaukel, bestimmt noch zwei, drei Jahre älter als Felix und stieß sich lustlos mit beiden Beinen ab. Sie hatte überlegt, wieder umzudrehen und einfach weiter durch den Park zu laufen, da schaute der Junge auf und ihr direkt ins Gesicht.

»Möchtest du nicht herkommen?« Er deutete auf die Schaukel neben sich und Alma, die nichts mit sich anzufangen wusste, setzte sich dazu. »Du siehst traurig aus«, bemerkte er nach einer Weile. »Wie heißt du?«

»Alma.«

»Ah. Sehr cool. Hallo, Ally Mally.« Sie grinste, und weil er ihr einen Spitznamen gegeben hatte, den ersten überhaupt, den sie schön fand, wollte sie sich revanchieren.

»Hallo, Spielplatzjunge«, begrüßte sie den nun deutlich erwachseneren Matteo mit seinem Spitznamen von damals.

Auf Matteos Gesicht breitete sich ein Grinsen aus und er öffnete die Arme weit. »Ich wusste, du weißt noch, wer ich bin.«

»Ich weiß nicht, wer du bist«, bemerkte Steven einigermaßen ratlos und blickte zwischen Alma und ihrem Klienten hin und her.

»Ist schon in Ordnung. Du kannst uns ruhig allein lassen, Steven«, sagte Alma, und statt in Matteos Umarmung zu treten, ergriff sie seine Hand und schüttelte sie. »Es ist schön, dich wiederzusehen.«

»Wow.« Ein Anflug von Überraschung zuckte parallel zum Geräusch der sich hinter Steven schließenden Tür über Matteos Gesicht. »Ganz die Geschäftsfrau, von der alle mir erzählt haben. Die ganze High Society von Mallowyn schwärmt. Wenn du die schönsten und einzigartigsten Partys möchtest, musst du zu Alma Sanders.«

»Das ist zu viel der Ehre.« Alma spürte die leichte Wärme, die ihre Wangen überzog und sie mit Sicherheit rot färbte. Eine Eigenschaft ihres Körpers, die sie nicht zwingend benötigt hätte, besonders nicht zurzeit, denn seit sie regelmäßig Sport trieb und ihren Körper fit hielt, löste auch jeder Blick, den ein Mann ihr hinterherwarf, diese Reaktion aus. Und projiziert auf den romantischen Kontext war sie bei Matteo damit absolut unangebracht.

»Doch, wirklich.« Matteo grinste noch immer. »Und erst, als ich unten vor eurer Mitarbeitertafel stand, habe ich dich erkannt. Meine Ally Mally. Erwachsen. Und mit anderem Nachnamen. Glückwunsch zur Adoption, übrigens.«

»Danke. Sie war das Beste, was mir je passieren konnte.« Alma lotste ihn zu der Couch, auf der sie vor einigen Minuten bereits mit ihrem Vater gesessen hatte. Doch statt sich neben Matteo auf die jetzt viel zu klein wirkende Sitzfläche zu setzen, nahm sie im gegenüberstehenden Sessel Platz. »Ist dein Vater noch Anwalt?« Sie erinnerte sich sehr gut. Ein überragender Verteidiger, der mit Herz und Seele für seine Mandanten kämpfte und dabei früher des Öfteren vergessen hatte, seinen Sohn vom Fußball abzuholen. Und genau dieser Umstand hatte sie beide vor so vielen Jahren auf dem Spielplatz zusammengeführt.

»Du weißt es noch. Unglaublich.«

Sie konnte es gar nicht vergessen. Details von dem Menschen, der sie als Erstes wie eine normale Person behandelt, mit ihr gescherzt und sie beschützt hatte. »Du erinnerst dich doch auch noch an mich«, spielte sie ihr Wissen herunter.

»Wie könnte ich nicht?« Bei seinem Blick wurde ihr warm ums Herz und kurz stolperte Almas Gehirn in dem Versuch, dieses Gefühl mit der Situation in Einklang zu bringen. Denn sonst überkam es sie nur in Helenas Nähe. »Ally, mein kleines Pflegekind mit dem großen Herzen und den unendlichen Träumen. Als du irgendwann nicht mehr gekommen bist, wusste ich, dass du adoptiert wurdest. Und ab da war es auch für mich Zeit weiterzumachen.«

Er wusste es nicht. Ein Lachen der Erleichterung bahnte sich in ihrer Kehle den Weg nach oben, doch sie presste die Lippen fest aufeinander und hinderte es daran, sich in ein wahrhaftiges Geräusch zu verwandeln. Einige Bruchstücke ihrer Vergangenheit kannte er demnach doch nicht. Sie gehörten nur Alma selbst und ihrer Familie. Niemand sonst brauchte sie zu erfahren und wenn Matteo sie nicht kannte, stand die Chance gut, dass es auch sonst kein Fremder tat.

»Die Sanders haben mich adoptiert«, knüpfte sie an seine Annahme und die Wahrheit an. »Ich bin wieder zur Schule gegangen und habe meinen Abschluss gemacht.«

»Hast du dabei dein Talent fürs Organisieren und Gestalten entdeckt?« Matteo beugte sich ein wenig zu ihr und das offenkundige Interesse an ihrem Leben verstärkte nur das Bild, das sie von ihm als eine Art großer Bruder hatte.

»Irgendwie schon, ja. Meine Eltern haben es gefördert, wobei ich in Dads Firma für jedes Interesse etwas gefunden hätte. Es ist kaum möglich, dass er für etwas keine Fachkraft braucht.«

»Ich glaube, hier bist du goldrichtig.«

Darauf wusste Alma nichts mehr zu erwidern. Es noch einmal zu bestätigen würde eine Arroganz ausstrahlen, die sie ganz und gar nicht empfand, und nichts war gefährlicher, als sich vor einem Kunden in den Himmel zu loben, ohne genau zu wissen, was er wollte. Um nicht in erdrückender Stille zu versinken, stand sie auf und goss Matteo und sich an dem kleinen Tisch ein Glas Wasser ein.

»Also, was kann ich für dich tun?« Sie drehte sich um und sah auf eine leere Couch. Mit den Gläsern in der Hand erstarrte Alma zur Salzsäule.

»Wow.« Matteos Stimme erklang etwas gedämpft und verriet ihr seine Position. Langsam, um das Wasser nicht zu verschütten, trat sie an dem Regal vorbei, das mitten in den Raum hineinragte und so einen kleinen Bereich von ihm abgrenzte. Ihre Wohlfühlecke und damit der Kontrast zu dem Büro, in dem Verträge aufgesetzt und Events ganz nach Kundenwünschen geplant wurden. Arbeit und Erholung, sorgsam getrennt. Zumindest fast.

»Hast du all diese Feiern organisiert?« Matteo deutete auf die Collage, die über dem cremefarbenen Sitzsack mit kuscheliger Decke die ganze Wand ausfüllte. Dutzende Fotos von lachenden Menschen in stilvoller Abendkleidung, Hippielook oder kunterbunt gekleidet. Hochzeiten, Mottopartys und Kindergeburtstage waren ebenso dabei wie einige Weihnachtsfeiern. Und Alma hatte überall diesen einen Moment, das Strahlen, eingefangen, das sie so liebte.

»Ja, diese Feiern waren alle von mir.« Sie streckte Matteo das Glas entgegen und er nahm es, ohne seinen Blick von der Wand zu lösen.

»Meine Freunde hatten recht. Sie meinten, wenn du die Hochzeit nicht organisierst, lohnt es sich nicht, sie überhaupt zu geben.«

»Sie übertreiben.« Alma nippte an ihrem Glas. »Es geht an dem Tag doch nicht um mich, sondern um die Menschen, die zum Feiern zusammenkommen.«

Wahllos pflückte Matteo ein Bild von der Wand und hielt es ihr direkt unter die Nase. »Du willst mir doch nicht sagen, dass diese Leute genauso glücklich gewesen wären, hätte jemand anderes ihre Party organisiert.«

Alma antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Dann hätten sie eine andere Art von Glück empfunden.«

»Vielleicht.« Nickend schob Matteo das Bild zurück zwischen die anderen. »Aber ich möchte genau das Glück empfinden, was all diese Menschen fühlen. Alma Sanders, ich bitte dich, plane den wichtigsten Tag meines Lebens für mich. Sei die Managerin meiner Hochzeit. Habe ich es nicht verdient, etwas von dem Glück zurückzubekommen, das ich dir geschenkt habe?«

»Wie bitte?« Alma drehte sich auf dem Absatz um und trat zurück ins Büro. Sie stellte ihr Glas schwungvoll ab und ein Teil der umherschwappenden Flüssigkeit ergoss sich auf den Schreibtisch.

»O Mist«, brach es aus Matteo heraus. »Das kam jetzt nicht so gut rüber.« Bei dem Versuch, ihr schnell zu folgen donnerte er gegen das Regal und die darin aufgestellten Bilder und Bücher schwankten gefährlich. »Ich habe es nicht so gemeint.«

»Du hast es aber gesagt«, konterte Alma und stemmte die Hände in die Hüften. »Denkst du wirklich, ich stehe in deiner Schuld dafür, dass du nett zu mir warst?«

»Ein bisschen vielleicht«, antwortete er und schüttelte kurz darauf energisch den Kopf. »Natürlich nicht. Ally Mally, entschuldige, das ist mir so rausgerutscht. Ich habe nur daran gedacht, wie viel Spaß wir zusammen hatten und du vielleicht auch möchtest, dass ich jetzt glücklich bin.«

»Du kannst glücklich sein«, bestätigte Alma ihm unbeirrt. »Mit jedem anderen Hochzeitsplaner in dieser großartigen Stadt.«

»Nur wegen dieser einen Formulierung?«

Betont langsam ließ Alma sich auf ihrem Schreibtischstuhl nieder und schob die Mappe von der Tischmitte bis ganz an den Rand. »Das ist meine Abteilung, Mr Turner, und ich kann Ihren Auftrag ablehnen, wenn ich es für richtig halte. Denn wie Sie sagten, wer gefragt ist, wird nicht nur von seinen Kunden ausgesucht, sondern kann sich seine Kunden auch aussuchen. Und damit, guten Tag«, sagte Alma und griff sich eine neue Mappe.

Sie hoffte wirklich, dass er ging. Ihre Absage hinnahm, sich umdrehte und einfach den nächsten Eventmanager aufsuchte. Ein flüchtiger Schatten ihrer Vergangenheit, der beim Auftauchen der Morgensonne von ihr verschlungen wurde. Allerdings kannte Matteo nicht nur sie, auch sie kannte ihn. Und die leise wispernde Stimme war der festen Überzeugung, dass er nicht so einfach aufgeben würde.

»Weißt du, Ally, ich bin jetzt auch Anwalt, spezialisiert auf Marken- und Patentrecht. Zu meinen Mandanten gehören Filmstudios, Zeitungen, Verlage und Großkonzerne. Und sie alle werden zu meiner Hochzeit kommen. Bessere PR gibt es nicht.«

Betont langsam sah sie von den Aufzeichnungen des nächsten Auftrags auf. »Gut, du hast meine Aufmerksamkeit zurück, Matteo.«

Er atmete so laut aus, dass eine Dampflok durch das Zimmer zu brausen schien.

»Was ist los?«, fragte Alma erschrocken, klappte die Mappe zu und merkte noch im Augenwinkel, dass sie sie die ganze Zeit verkehrtherum gehalten hatte. Was man von der anderen Seite natürlich ebenfalls sah.

»Wir sind wieder beim Vornamen«, erklärte Matteo und zeigte ihr ein Daumenhoch. »Das bedeutet, du hast in deinem Herzen noch einen Rest Mitgefühl für mich.«

»Möglicherweise. Einen kleinen«, gestand Alma ihm huldvoll zu, nicht bereit, ihn schon vom Haken zu lassen.

»Schau, Alma. Miss Sanders.« Er hielt kurz inne. »Wow. Das klingt ungewohnt. Aber auch so cool. Davor warst du einfach Ally Mally ohne Nachnamen.«

»Matteo«, ermahnte sie ihn. »Du schweifst ab. Wenn du bei deinen Plädoyers genauso vage redest, musst du ein eher mittelmäßiger Anwalt sein.«

Der Mann vor Alma wirkte mit einem Schlag tatsächlich ungewohnt nervös. Er zupfte sich seinen Kragen zurecht und nahm einen großen Schluck Wasser. Dabei geriet ihm etwas in die falsche Kehle und mit hochrotem Gesicht wandte er sich hustend ab.

Alma erhob sich von ihrem Platz und umrundete den Schreibtisch. Sie klopfte ihrem Jugendfreund zwischen die Schulterblätter. »Jetzt komm, spuck es schon aus. Und damit meine ich nicht das Wasser. Überzeug mich davon, warum ich deine Hochzeit planen sollte, und dann werde ich mich entscheiden. Vollkommen fair und rational.«

»Also schön.« Langsam wich die ungesunde Farbe aus Matteos Gesicht und nach einigem Räuspern war er bereit, seine Argumente vorzubringen: »Ich liebe meine Verlobte. Sie ist der bezauberndste Mensch, den ich kenne, Anwesende ausgenommen, und ich wünsche mir, dass sie eine unvergessliche Hochzeit hat. Sie hat es verdient, an diesem besonderen Tag in ihrem Leben Glück zu empfinden, und ich möchte, dass du mir hilfst, ihr das zu schenken. Abgesehen davon, durch all die Prominenz kann Sanders Universal, und besonders der Event-Bereich, überregional brillieren. Was hältst du davon? Wenn es nicht reicht …«

Alma legte ihm ihre Hand auf den Arm und er verstummte. »Du hattest mich schon bei Ich liebe meine Verlobte«, gab sie zu und Matteo strahlte.

»Dann machst du es?«

»Steven soll dir alle Anmeldebögen und die Kontaktdaten geben. Schreib uns einfach eine E-Mail, wenn deine Zukünftige und du alles ausgefüllt habt. Dann kann es losgehen.«

Matteo schoss von dem Stuhl nach oben. »Klasse. Fantastisch. Tausend Dank dir.« Und in diesem Moment bildete sich Alma sogar ein, Steven leise von der anderen Seite der Tür jubeln zu hören.

DREI

Wildes Kindergekreische hallte zwischen den Stämmen der meterhohen Nadelbäume wider und gefolgt von einer kleinen Lawine aus aufgewirbeltem Waldboden stob eine Schar Kinder genau auf Alma zu.

»Hilfe!«, rief sie und riss die Hände nach oben. »Verschont mich und nehmt, was euer Herz begehrt. Obstigel oder Salamischlangen, nehmt alles, ihr wilden Räuber.«

»Cool. Essen«, rief der selbsternannte Oberräuberhauptmann und schob sich an ihr vorbei direkt aufs Buffet zu. Seine wilde Meute folgte ihm und Alma nutzte den Moment, sich ein wenig aus der Schusslinie und zu den wartenden Eltern zurückzuziehen, die an kleinen Eisentischen saßen, genüsslich Kuchen aßen und dazu zur Feier des Tages auf das Geburtstagskind ein Glas Sekt tranken.

»Oh, Alma, Sie sind ein Genie.« Die Angesprochene kam nicht einmal dazu, sich zu setzen, da schloss eine der Frauen sie bereits in die Arme. »Der Wald, das Räuberspielen, was für zauberhafte Ideen. Ich wusste ja, dass in meinem Jimmy ein kleiner Kreativer schlummert, aber Sie haben diese Leidenschaft wahrlich auf ein anderes Niveau gehoben.«

»Aber gern doch, Mrs Ferenc«, versicherte Alma der Mutter des Geburtstagskindes und erwiderte das Lächeln. »Der wahre Dank gebührt allerdings einem Anderen.«

»Wem denn?« Die stolze Mutter sah sich fragend in der Runde um, bereit, jeden Anderen und wahrscheinlich sogar die Bäume im Wald vor Dankbarkeit kräftig zu umarmen.

»Ihnen«, antwortete Alma und genoss den freudig überraschten Gesichtsausdruck von Mrs Ferenc.

»Mir?«, fragte die Frau verwundert.

»Natürlich. Sie haben mir von Jimmys Leidenschaft fürs Schauspiel und seiner Begeisterung von Robin Hood erzählt. Nur dank Ihrer guten Vorarbeit erlebt Jimmy heute dieses schöne Fest.«

Ein kollektives gerührtes »Oh« lief durch die Runde und einige der Mütter prosteten Alma zu.

»Das haben Sie aber schön gesagt, Alma.« Mit ihrem Seidentuch wischte sich die Mutter des Geburtstagskindes eine Träne aus dem Augenwinkel und schniefte ergriffen. »Ganz ehrlich, Sie müssen Jimmys Geburtstag nächstes Jahr wieder ausrichten. Betrachten Sie sich als vorzeitig gebucht.«

»Haben Sie auch noch im Herbst freie Kapazitäten?«

»Mein Mann und ich wollen unseren Hochzeitstag groß feiern.«

»Planen Sie auch Outdoor-Events?«

»Meine Damen.« Alma lächelte sie alle der Reihe nach an. »Wenden Sie sich gern an mein Büro, dann klärt mein Assistent mit Ihnen die Einzelheiten. Für heute würde ich Sie aber bitten, Jimmy seinen Tag genießen zu lassen, ohne dass wir hier bereits wieder über das Geschäft reden. Was halten Sie davon?«

»Ein guter Gedanke.« Mrs Ferenc nickte und drückte Alma eines der Sektgläser in die Hand. »Sie haben wahrlich das Herz einer Eventmanagerin.«

»Vielen Dank.« Alma stellte ihr Glas unangetastet auf einen der Tische. »Und genau darum werde ich mich jetzt weiter um den Star des Tages kümmern. Genießen Sie gern weiter Ihren Kuchen, bald müssten auch die Häppchen eintreffen.« Und mit dieser froh aufgenommenen Ankündigung zog Alma sich aus der Runde zurück. So nett und zuvorkommend die Eltern auch waren, an diesem Tag war das Geburtstagskind der Star, nicht die Ladys der High Society.

»Herr Oberräuberhauptmann Jimmy?«, rief Alma mitten in das Gewirr aus Kindern und mit einem Holzsäbel bewaffnet trat der Chef der Gruppe vor. »Was gibt es, unglückliche Reisende? Weißt du nicht, dass du vor Angst erzittern musst bei unserem Anblick?«

»Geht sofort los«, versicherte sie ihm. »Aber erst bringe ich wichtige Kunde des alten Räubers Ewigreich, der vor Jahrhunderten hier in den Wäldern mit seiner Bande hauste.«

»Ein alter Räuber? Der ist doch schon tot.« Der Junge verzog bei der Vorstellung, keinen leibhaftigen Räuber treffen zu können, enttäuscht das Gesicht.

»Gewiss«, fing Alma seine betrübten Gedanken schnell wieder ein, »aber der Räuber Ewigreich und seine Bande raubten und plünderten viele Jahre lang und als der alte Räuber starb, hinterließ er eine Karte, die geradewegs zu seiner ganzen Beute führte. Nur ist es bisher keinem gelungen, den Räuberschatz zu finden.«

»Ein Schatz?« Die Augen des Jungen leuchteten auf und er rückte sich den Hut zurecht. »Wirklich?«

»Ich schwöre es bei allen sieben zitternden Fichten«, sagte Alma feierlich und reckte dazu die Hand in die Luft. »Und soll ich dir verraten, was das Beste daran ist?« Sie beugte sich zu dem Jungen herunter und er kam ihr ebenfalls einen Schritt näher, die weit aufgerissenen Augen begierig, das Geheimnis zu erfahren. »Vor einigen Wochen habe ich die Karte auf einem Antikmarkt wiederentdeckt. Und sie beginnt … genau hier.« Mit diesen Worten zog Alma eine so gut künstlich gealterte Karte aus der Tasche, dass sie kurz selbst Angst hatte, diese würde in ihren Händen zerfallen.

»Eine echte Schatzkarte«, staunte das Geburtstagskind und schielte dann an der Krempe seines Hutes vorbei zu Alma nach oben. Sie biss sich auf die Innenseiten ihrer Wangen, um sich bei seinem süßen Anblick ein Grinsen zu verkneifen. Das würde einem Oberräuberhauptmann bestimmt gar nicht gefallen. »Vielleicht finden wir ja den Schatz«, schlug er vor und streckte Alma in einer Mischung aus Forderung und Flehen die Hand entgegen. »Gibst du sie mir?«

»Aber erst musst du mir etwas versprechen.«

Der selbsternannte Oberräuber zog einen Flunsch. »Was denn noch?«

»Schatzsuche ist eine Mannschaftsaufgabe. Also rufe deinen Trupp furchteinflößender Spießgesellen zu dir und dann sucht ihr zusammen. Abgemacht?«

»Schön.« Und damit zog er ihr die Karte aus der Hand und drehte sich zu seinen Freunden um. »Achtung. Angetreten zur Schatzsuche, ihr Haufen furchterregender Spießgesellen.«

Alma wandte sich grinsend ab. Mit dem Aushändigen der Karte hatte sie ihre letzte Aufgabe erfüllt und gab nun ihrem Mitarbeiter Benji unauffällig einen Wink, den Kindern zu folgen. Der ausgebildete Pädagoge war bei fast jedem Event mit Kindern ihr Ansprechpartner Nummer eins und gab ihr im Umgang mit ihnen die nötige Sicherheit. Sollte etwas sein, war er zur Stelle und besaß aus irgendeinem Grund trotz des Altersunterschieds aus Sicht der Kinder noch so viel Coolness, dass sie es ihm widerstandslos gestatteten, sich unter sie zu mischen. Und genau darum war die Schnitzeljagd durch den Wald ganz klar seine Aufgabe.

Benji erwiderte ihr Lächeln und hob seinen Räuberhut ein wenig. In voller Montur, mit Lederhose, weißem Räuberhemd und Weste, Säbel um der Hüfte und Hut wieder auf dem Kopf folgte er der davonziehenden Bande, um Sanitäter, Orientierungshelfer und Tippgeber in einem zu sein, sollte es notwendig werden.

»Die Lederhose steht ihm echt gut«, bemerkte eine der Mütter nach Benjis Abgang und erntete zustimmendes Gemurmel von den anderen.

»Aber meine Damen.« Alma drohte wackelnd mit dem Zeigefinger. »Habe ich da gerade etwa herausgehört, warum Sie jedes Mal mich mit den Geburtstagen Ihrer Kinder beauftragen?«

»Vielleicht einen der Gründe.« Der Kommentar kam von Mrs Ferenc und Alma drehte sich mit gerunzelter Stirn zu ihr um.

»Sie auch?«

»Jetzt kommen Sie, Alma. Sie müssen selbst zugeben, er legt sich wirklich ins Zeug. Auf eine andere Art und Weise wie Sie, aber auch sein Verhalten macht den Tag für die Kinder unvergesslich. Denken Sie nur an Jessicas Meermädchengeburtstag.«

Das taten in dem Moment wohl alle, denn bei dem Bild von Benji im Kopf, wie er mit roter Perücke in eine Meerjungfrauenflosse gezwängt zwischen den kleinen Mädchen saß, mit ihnen grünen Algensaft getrunken und Seesternkekse verdrückt hatte, brach ein lautes Lachen aus Alma heraus. Und mit ihr flutete das Lachen der anderen Frauen hinaus in den Wald.

»Okay, ich gebe zu, Sie haben recht. Benji ist toll.« Darüber waren sich wohl alle einig, denn die Damen griffen wieder nach ihren Kuchentellern. In genau diesem Moment surrte Almas Handy los und entschuldigend nickend wandte sie sich ab und ging auf die Bäume zu.

»Hey Steven, was gibt es?«, fragte sie ihren Assistenten.

Ein Gähnen war die erste Antwort, die ihr entgegenschlug. »Oh. Entschuldige, Boss. Das ist mir so rausgerutscht.« Er räusperte sich. »Na, auf jeden Fall, Matteo hat mir den Fragebogen zurückgeschickt.«

»Den habe ich ihm doch erst gestern mitgegeben. So schnell ging das?« Alma kräuselte die Stirn. »Und es ist auch wirklich alles ausgefüllt?«

»Jap. Jedes einzelne Feld. Sehr penibel, in Druckbuchstaben.«

»Ah ja«, erwiderte sie und entfernte sich noch ein wenig von den lauschenden Frauen. So herzensgut sie auch alle waren, kannten sie einmal ein Geheimnis von jemandem, wusste sicher morgen ganz Mallowyn darüber Bescheid.

»Boss?«

»Ja, ich bin noch dran. Ich brauchte nur etwas Abstand.«

»Ein Lauschangriff. Wirst du belagert?«

»Jetzt nicht mehr«, erwiderte Alma und schüttelte den Kopf, um wieder Klarheit in die umherpurzelnden Gedanken zu bekommen. »Steven, bitte sag mir, dass du mich nicht nur angerufen hast, um mir zu sagen, dass der Fragebogen da ist.«

Am anderen Ende der Leitung wurde es still.

»Steven? Hast du mich nur deswegen angerufen?«, bohrte Alma nach.

»Ha, ich hab’s wieder«, rief ihr Assistent in diesem Moment triumphierend und Alma hielt schnell das Telefon etwas vom Ohr weg. »Dieser Matteo-Mann hat seinen Trauzeugen angekündigt. Er meinte, ein Fili… Fippi… irgendwas würde sich mit dir für die Details in Verbindung setzen.«

»Bitte was?« Nahm Steven sie da gerade auf den Arm?

»Ja, war wirklich etwas komisch, aber dieser Filippi hat wohl freie Hand und du sollst seine Ratschläge zumindest in Betracht ziehen. Matteos Empfehlung, nicht meine.«

»Steven.« Alma atmete einmal tief ein und genoss die von Harz- und Moosduft durchdrungene Waldluft. »Ich brauche keinen Trauzeugen, während ich eine Hochzeit plane.«

»Das habe ich auch erst gesagt. Aber dann dachte ich, du sagst immer, der Kunde ist König. Und darum habe ich diesem Trauzeugen deine Adresse und Telefonnummer gegeben.«

Mitten in dem Wald schien die Zeit stillzustehen. Kein Wind strich mehr katzenhaft durch die nadelbesetzten Äste, kein Zweig knackte unter dem Gewicht eines Körpers entzwei. Nicht einmal die Vögel, die hoch oben zwischen den Ästen umher hüpften, machten einen Laut.

»Du hast was?«, fragte Alma, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Sie raufte sich mit der freien Hand die Haare und der ohnehin schon eher lässige Look zerzauste noch mehr. »Aber warum denn?«

»Weil Matteo es wollte. Und … na ja, weil er es wollte. Es klang so, als hätte dieser Fippifilli es wirklich nötig. Hat wohl außer der Arbeit keine wirklichen Hobbys. Ich finde, wir sollten ihm helfen.«

Mit dem Rücken lehnte sich Alma gegen einen Baum. Ihr Hinterkopf schlug geräuschvoll gegen die morsche Rinde, als sie den Kopf so weit wie möglich in den Nacken legte, um den Himmel zu sehen. Wann war ihr die Kontrolle über ihren Angestellten dermaßen entglitten?

»Ähm, ich glaube, die hast du noch nie besessen«, antwortete Steven und die Geschäftsfrau fuhr zusammen, als sie bemerkte, dass sie die Worte nicht nur gedacht, sondern auch ausgesprochen hatte. »Und überhaupt, das wird bestimmt witzig. Du hast noch nie mit jemandem ein Event geplant. Immer nur für dich. Vielleicht wird es eine lehrreiche Erfahrung.«

»Die Lehre wird sein, dass ich in Zukunft definitiv wieder allein arbeiten möchte«, knurrte Alma.

»Weiß man nicht.« Musste er immer das letzte Wort haben? »Und überhaupt, er hat jetzt deine Kontaktdaten und wird sich melden. Und da es Matteos Wunsch ist, wirst du ihm auch zuhören. Ende der Diskussion.«

»Muss ich gar nicht«, grummelte Alma und hatte kurz das Bild von Jimmy vor Augen, der heute genauso verdrießlich vor seinen Geschenken gestanden hatte, weil der ersehnte Hund wieder einmal nicht dabei war. »Aber ich werde es trotzdem. Einen schönen Tag, Steven.« Und damit legte sie auf. »Dieser Assistent ist unglaublich.« Alma ballte die Faust um das Handy und hielt es gegen ihre Stirn. Blieb ihr überhaupt noch eine Wahl? Dieser Filli-irgendwas – jetzt fing sie auch schon so an – hatte schließlich bereits ihre Daten. Und für die Wochen bis zur Hochzeit ein neues Handy zu kaufen und bei ihren Freundinnen zu wohnen war ein in ihr aufkeimender und verlockender Gedanke, den sie jedoch sofort wieder verwarf. Dieser mysteriöse Mann war Matteos Trauzeuge und wenn es der Wunsch ihres Kunden war, dass sie zusammenarbeiteten, würde sie sich die ein, zwei Stunden für ein Treffen schon zusammenreißen können. Und sobald sie ihn von ihren Ideen überzeugt hatte, konnte sie in Ruhe arbeiten. Es war nicht der beste Plan, aber eine Strategie zum Entlanghangeln war besser als nichts. In diesem Moment erwachte ihr Handy erneut zum Leben und der Chat der Queens sprang auf.

»Heute Abend um sieben im Ambrosia. Keine Ausreden. Freundinnen kommen vor der Arbeit«, hatte Melinda geschrieben und Alma grinste. Ja, ein Mädelsabend war nach diesem chaotischen Tag genau das, was sie brauchte.

VIER

Als Alma durch die Tür in das Haus trat, in dem ihre Wohnung lag, und den Portier ansah, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte.

»Guten Abend, Hendrik.«

»Miss Sanders«, erwiderte er.

»Alma«, antwortete sie wie jedes Mal und wie immer ignorierte Hendrik ihren Einwand.

»Ich habe gehört, Sie gehen heute Abend aus. Darf ich Ihnen ein Taxi rufen?«

»Ähm, nein«, erwiderte Alma nach einigem Zögern. Woher wusste Hendrik, dass sie wegwollte? Hatten ihre Freundinnen ihn instruiert oder verriet sie ihr Gesichtsausdruck? Was auch immer es war, bei Hendriks flehender Miene breitete sich die Besorgnis in ihr aus. »Ich werde heute Abend selbst fahren. Aber vielen Dank, Hendrik.«

»Miss Sanders.« Der Portier schob sich hinter seinem Tresen hervor und stellte sich ihr in den Weg. »Ich denke, Sie sollten jetzt wirklich aufbrechen. Sonst kommen Sie zu spät.«

»Hendrik.« Almas Herz ging unter der Angst an die Decke wie ein mit Helium gefüllter Ballon. »Dein Verhalten beunruhigt mich.« In den ganzen drei Jahren, die Alma bereits in diesem Haus wohnte, hatte sich Hendrik erst zweimal so besorgt gezeigt. Einmal bei einem Feueralarm, der sich glücklicherweise als unbegründet herausgestellt hatte, und das andere Mal bei einem leider sehr realen Einbruch in eine der Wohnungen.

Der Portier beugte sich noch weiter zu ihr, so nahe, dass sie die feinen Schweißtropfen auf seiner Stirn sah. »Ich möchte Sie nicht verunsichern, Miss Sanders, aber seit einer halben Stunde treibt sich ein Typ hinten im Foyer herum, der nach ihnen gefragt hat. Er ließ sich nicht abwimmeln und hat darauf bestanden, auf Sie zu warten. Sie sollten wirklich besser gehen.«

»Was denn für ein Typ?« Die Sorge, ob ihre eigene oder die über Hendriks merkwürdiges Verhalten, trieb Almas Stimme in die Höhe und der Portier zischte sie beschwörend an.

»Bitte. Gehen Sie.«

Schritte ertönten hinter den beiden und ihrem ersten Impuls folgend duckte Alma sich hinter die stämmige Gestalt des Portiers.

»Ist sie endlich da?« Die Formulierung war vielleicht nicht die netteste, aber seine Stimme schaffte es, sie wie die höflichste Frage der Welt klingen zu lassen. Sanft gesprochen, mit einem Hauch von Vorfreude, der einen Funken wohliger Wärme in Almas Körper erzeugte. Die Angst erstickte in einer anschwellenden Wolke aus Neugier und ehe Hendrik noch etwas sagen konnte, schob Alma sich an ihm vorbei auf den jungen Mann zu.

»Sie müssen Alma Sanders sein.«

Ein weiterer Satz des Fremden reichte aus, damit ihre Füße mit dem Boden verschmolzen und sie keinen Meter weitergehen ließen. Obwohl, eigentlich war es mehr sein Anblick, wie er in der Lobby des Hauses stand, die Hände in die Taschen seines dunkelgrauen Mantels vergraben und den Kopf mit erhobenem Kinn leicht nach rechts geneigt. Er verhielt sich wie eine Statue in einem Museum, die den ganzen Raum einnahm, bar jeder Konkurrenz, denn sie wusste, dass es für ihre Schönheit keine gab. Und um sie herum wogten die Massen der Besucher, Tag für Tag aufs Neue, und sie alle seufzten und lobten die Ebenmäßigkeit der Oberfläche, das markante Gesicht und oh, den sinnend nachdenklichen Glanz der Augen.

»Ihr Portier scheint mir zu misstrauen.«

Alma blinzelte, herausgerissen aus dem Museumsraum ganz in Weiß, in dem sie sich für einen Moment gedanklich mit dem mysteriösen Besucher allein befunden hatte. Doch die Verspieltheit der Lobby mit ihrer Wandvertäfelung und den großen Pflanzen holte sie zurück in die Realität. Und in dieser war er nur ein momentan überheblich wirkender Mann, der ihren Portier kritisierte.

»Es ist seine Aufgabe, Fremden zu misstrauen«, verteidigte Alma Hendrik und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Nicht jeder kann hier einfach reinspazieren und Gespräche mit Bewohnern anfangen.«

Ein feines Grinsen umspielte die Mundwinkel des jungen Mannes. »Aber hier stehe ich. Und rede mit Ihnen.« Bevor Alma die Gelegenheit hatte, für einen Konter auch nur Luft zu holen, fuhr ihr geheimnisvoller Besucher selbst fort: »Allerdings bin ich auch nicht jeder. Wenn Sie gestatten, Finnian Westhill.« Und mit diesen Worten streckte er ihr die Hand entgegen.

Sie ergriff sie nicht. »Wer bitte?«

Das selbstsichere Lächeln auf seinem Gesicht bröckelte wie eine alte Steinmauer und das stolz erhobene Kinn sank ein wenig näher an seine Brust. »Sie kennen mich nicht?« Schon allein seine Tonlage verriet, dass er ihre Reaktion für einen Scherz hielt.

»Nein«, antwortete Alma bestimmt und sah den Mann vor ihr noch einmal ganz genau an. Sein blondes Haar wusste nicht so ganz, ob es lockig oder glatt sein wollte und stand daher wirr in einer Mischung aus beidem von seinem Kopf ab. Die Augen, sie erkannte sie nicht richtig, rangierten im Lampenlicht der Lobby zwischen Grün und Blau, ohne dass eine klare Tendenz in eine Richtung erkennbar wurde. Und seine kantigen Wangenknochen traten bei der beleidigten Miene, die er nun zog, noch ein wenig weiter hervor. An so jemanden würde sie sich mit Sicherheit erinnern. »Es tut mir leid. Ich kenne Sie nicht.«

»Finnian Westhill«, wiederholte er langsam seinen Namen, als würde das auf magische Weise die Erkenntnis in ihren Kopf katapultieren. Aber was Alma nicht wusste, das fiel ihr auch nicht wieder ein.

»Kennst du diesen Namen?« Sie wandte sich hilfesuchend an den Portier. Hendrik stand immer noch genau neben ihr, hatte die Kappe angehoben und kratzte sich den etwas kahlen Kopf. Dabei sah er zwar in Finnians Richtung, aber sein leerer Blick verriet, dass er längst in die Tiefen seiner Erinnerungen verschwunden war, um diese zu durchforsten.

»Das fängt ja gut an.« Finnian-den-sie-nicht-kannte warf die Hände in die Luft. »So habe ich mir mein Erscheinen hier nicht vorgestellt.«

»Ach«, konnte Alma sich einen spöttischen Kommentar nicht verkneifen. »Haben Sie etwa einen roten Teppich erwartet? Kuchen und Champagner mit einer Orchestergruppe? Dann hätten Sie sich ankündigen und anständig vorstellen müssen, ganz so, wie normale Leute es tun.«

»Normalerweise brauche ich keine Vorstellung«, erwiderte er trocken. »Aber für alles gibt es ein erstes Mal.«

»Westhill!« Hendrik brüllte Alma den Namen beinahe ins Ohr und sie machte einen wenig eleganten Satz zur Seite. Immerhin landete sie erstaunlich gut, was bei zentimeterhohen Highheels keine Selbstverständlichkeit war. Aber das bekam ihr Portier, bei dem offenbar gerade ein kiloschwerer Groschen gefallen war, nicht wirklich mit. »Finnian Westhill. Ich fasse es nicht. In diesem Haus.«

»Aha«, meinte Finnian in Almas Richtung, als würde diese Reaktion genau dem entsprechen, was er gewohnt war. Und seine Theorie bestätigen, dass jeder ihn kannte. Na ja, fast jeder.

»Was für eine Ehre. Sir, darf ich Ihnen sagen, dass ich Ihre Filme liebe? Sie sind einfach genial. Lebensverändernd. Nächtefüllend.«

Alma blinzelte. War das wirklich noch ihr Portier? Der Hendrik, der jeden Tag in seiner Schicht gemütlich hinter dem Tresen saß, Kaffee trank und Rätselzeitschriften durcharbeitete? Diese Begeisterung war das Letzte, das sie erwartet hatte.

»Natürlich«, sagte Alma in einem Versuch, ihre Unwissenheit durch detektivische Analyse auszugleichen. »Sie sind also Schauspieler.«

Finnians Oberkörper sackte ein Stück nach vorn. »Wollen Sie noch einmal nachtreten?«, fragte er sichtlich verletzt.

»Entschuldigen Sie, Mr Westhill. Nicht jeder ist über die Filmbranche informiert.«

»Er ist Drehbuchautor«, polterte Hendrik in diesem Moment. Offenbar war er im Gegensatz zu Alma topp im Bilde. »Die verbotenen Stunden mit dir. Wir rauben der Nacht den Schlaf. Zwischen heute und morgen die Zeit. Die besten Filme, die je produziert wurden.«

Bei den Titeln stellten sich Almas Armhärchen auf. »Diese Titel klingen aber nach entsetzlichen Kitschfilmen«, bemerkte sie. In der Lobby wurde es still. Die zwei Männer starrten sie mit aufgerissenen Augen an und dann änderte sich ihre Gesichtsfarbe. Bei Hendrik fing es an. Seine Wangen wurden erst so blass, als wollte er einem Eisbären Konkurrenz machen, dann nahmen sie die Farbe von Chilis an. Dem Schweißausbruch nach zu urteilen von scharfen Chilis, denn Hendrik sah schnaufend zu Boden und widmete seinen Schnürsenkeln auf einmal mehr Interesse als gewöhnlich.

»Kitschfilmen?«, brach es da aus Finnian heraus. Sein Gesicht war ebenfalls rot angelaufen, wie Alma jedoch vermutete eher aus Wut denn aus Scham. »Meine Filme sind keine Schnulzen. Sie sind ästhetische Darstellungen der menschlichen Seele in all ihren Facetten. Freude, Wut, Verzweiflung, Hoffnung, Hass und ja, auch Liebe. Zugegeben. Aber das Publikum verzehrt sich nach dieser Verbindung zweier Menschen, die sie alle Hürden überwinden lässt.«

»Na fein«, unterbrach Alma ihn, ehe er in einen noch tieferen Monolog zu den Motiven seiner Filme abschweifte. »Mr Drehbuchschreiber Finnian Westhill. Schön, jetzt weiß ich, wer Sie sind, aber immer noch nicht, was Sie von mir wollen.«

Er zog schon wieder einen Flunsch und kurz fragte Alma sich, ob er den Körper wohl mit einem zehnjährigen Jungen teilte. »Hat Matteo mich nicht angekündigt? Ich bin der Trauzeuge.«

Alma erstarrte. »Das ist ein ganz übler Scherz.«

Leider war es keiner. Finnian Westhill besaß ihre Wohnadresse und Telefonnummer. Beides hatte er von einem Kerl zugeschickt bekommen, der sich Steven genannt und etwas gewöhnungsbedürftig, wie Finnian ihr nun mitteilte, ausgedrückt hatte. Nach dieser Kurzbeschreibung ihres Assistenten blieb auch Alma kein Zweifel mehr, dass das Gestotter von Fili und Fippi vermutlich Finnian hatte heißen sollen. Ganz toll.

»Warum setzen wir uns nicht?« Ihr gekränkter Gast deutete auf die Sitzgruppe im hinteren Bereich der Lobby. »Dann können wir unsere Pläne austauschen und die ersten Termine zur Umsetzung vereinbaren.«

Almas linke Augenbraue schoss nach oben. »Dafür sind Sie hier? Um mit mir die Details der Hochzeit zu besprechen?«

»Dafür war das Treffen gedacht, ja.« Durch einen einzigen eleganten Kraftimpuls rutschte ihm der Mantel von der Schulter und legte sich beinahe faltenfrei über die Rückenlehne eines breiten Lobbystuhls.

»Nein.«

Mitten in seiner Bewegung, sich hinzusetzen, hielt Finnian inne, was ein wenig wie eine missglückte Kniebeuge aussah. »Wie bitte?«