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Monika Pedersen hat es in ihrem dritten Fall mit der Leiche einer bekannten Schauspielerin zu tun. Zusammen mit einem jungen Kollegen übernimmt Pedersen den Fall, der sich als besonders knifflig herausstellt, da es im Umkreis der Schauspielerin viele mögliche Verdächtige gibt. Besonders nimmt Pedersen einen Arzt unter die Lupe, der bei Hagmann untergekommen war, und zu dem sich die Polizistin stark hingezogen fühlt.Die fünf Kriminalromane rund um die ehrgeizige Stockholmer Polizistin Monika Pedersen kreisen nicht nur um spannende Fälle in bester skandinavischer Krimitradition, sondern handeln auch von ihrer persönlichen und professionellen Entwicklung.
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Seitenzahl: 521
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Åsa Nilsonne
Gabriele Haefs
Saga
Rivalinnen - Schweden-Krimi ÜbersetzerinGabriele Haefs Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2000, 2020 Åsa Nilsonne und LUST All rights reserved ISBN: 9788726445114
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von LUST gestattet.
Der Oberarzt fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Noch einmal, bitte.«
»Der Mann ist tot. Todesursache war ein schwerer Infarkt. Und wir haben damit einige Probleme: Zum einen wissen wir nicht, wer er ist. Zum anderen hat er vor seinem Tod eine hohe Dosis Viagra eingenommen, zugleich aber hatte er Betablocker geschluckt, was möglicherweise zum Infarkt geführt hat. Und drittens hat einer von Ihren Ärzten die Betablocker verschrieben. Vorgestern.«
Der Oberarzt brauchte Zeit zum Nachdenken. Deshalb wandte er sich zunächst der Frage zu, die nichts mit ihm zu tun hatte.
»Wieso wissen Sie nicht, wer er ist?«
»Was mit dem Rezept ist, meinen Sie? Die Person, als die er sich ausgegeben hat, existiert nicht. Er hatte drei Pässe, von denen einer mit seinem Personalausweis übereinstimmt. Und jetzt ist er tot, und wir wissen nicht einmal, welche Botschaft wir informieren müssen.«
»Botschaft?«
»Bei uns hat er sich als Grieche mit schwedischer Staatsbürgerschaft ausgegeben. Das steht auch in seinem Ausweis, der jedoch gefälscht ist. Ansonsten hat er einen libanesischen Pass, der zweite ist aus Costa Rica, und dem dritten zufolge ist er Belgier.«
»Und wir haben ihm die Betablocker verschrieben?«
»Falls das Rezept nicht auch gefälscht ist, ja.«
»Und die Viagra?«
»Die hatte er offenbar schon vorher bei sich. Die Packung ist auf Portugiesisch beschriftet.«
»Geben Sie mir bitte seine Personenkennnummer, dann sehe ich in seiner Krankengeschichte nach. Ich bin gleich wieder da.«
Der Oberarzt stellte fest, dass er wirklich Angst hatte, so große Angst wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr.
»Heute haben wir einen Fall, der Schlagzeilen machen wird.«
Gruppenleiterin Daga Eriksson von der Kriminalpolizei City ließ ihren Blick über die bleiche Runde schweifen und legte eine Kunstpause ein.
Es war Montagmorgen an einem der dunkelsten Tage des Jahres, und als ob das nicht schon ausreichte, war die Temperatur über Nacht auch noch dramatisch gesunken. Polizeiinspektorin Monika Pedersen nahm an, dass ihre Chefin gerne in interessierte und gespannte Gesichter gesehen hätte, unternahm aber nicht einmal den Versuch, diesen Erwartungen zu entsprechen. Es war der schlimmste Herbst gewesen, den sie je erlebt hatte: viele schreckliche Verbrechen, resignierte Stimmung auf der Wache, Konflikte im Kollegenkreis. Zu allem Überfluss fror sie außerdem noch immer von ihrem Weg von der U-Bahn hierher in die Bergsgata ‒ vierzehn Grad unter Null wären im Januar und Februar ebenfalls schlimm gewesen, doch jetzt im Dezember sorgte die Kälte dafür, dass sie sich regelrecht betrogen fühlte.
Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie darauf wartete, dass Daga weiterredete.
Schlagzeilen.
Das bedeutete vermutlich, dass irgendwer sich auf eine so ungewöhnliche oder entsetzliche Weise an jemand anderem vergriffen hatte, dass die Presse mit hohen Verkaufszahlen rechnen konnte. Es konnte auch bedeuten, dass es sich um keines der üblichen Opfer handelte, sondern vielleicht sogar um ein Kind. Oder um einen Prominenten, zu dem einige Millionen Menschen ein pseudo-intimes Verhältnis hatten. Keine dieser Alternativen sprach Monika an. Sie hatte nie einen Hang zum Bizarren oder Scheußlichen gehabt, und sie hatte niemals Prominente als Ersatzgeschwister oder -freunde betrachtet. Wenn sie ‒ und das war nur selten der Fall gewesen ‒ auf ein Gesicht gestoßen war, das sie aus dem Kino oder dem Fernsehen kannte, hatten diese Leute dermaßen selbstsicher und gelassen gewirkt, dass Monika sich noch unansehnlicher als sonst gefühlt hatte. Zu diesen Menschen wollte sie einfach keinen engeren Kontakt haben.
Dieser Montag, der so übel angefangen hatte, schien seinen Tiefpunkt noch längst nicht erreicht zu haben.
Schließlich senkte Daga ihren Blick auf die Protokolle der vergangenen Nacht.
»Heute Morgen um Viertel nach fünf hat ein Mann beim Notruf angerufen und mitgeteilt, dass unten bei Kungsholms Strand auf der Igeldammsgata eine Frau liegt«, sagte sie.
Es war also eine Frau. Monikas Stimmung sank noch weiter in den Keller. Sie hatte sich nie daran gewöhnen können, dass Frauen fast routinemäßig ermordet wurden. Sie hatte sich nie mit der Ohnmacht anfreunden können, die ein kleiner Mensch angesichts eines viel größeren empfindet, und außerdem wusste sie, dass es nicht ausreichte, Frau zu sein und ermordet zu werden, um Schlagzeilen zu machen. Es würde noch schlimmer kommen. Es war jedenfalls die falsche Jahreszeit für impulsive Vergewaltigungen unter freiem Himmel ‒ Winterkleidung war gar kein schlechter Schutz, und bei vierzehn Grad unter Null versagte sogar die härteste Erektion. Monika war nun doch neugierig darauf, was eigentlich passiert war.
Daga jedoch schien noch immer auf irgendeine Pointe loszusteuern.
»Ein Krankenwagen wurde hingeschickt, aber die Jungs konnten nur feststellen, dass die Frau tot war, vermutlich schon seit Stunden. Bei dieser Kälte lässt sich das ja nicht so leicht sagen. Das meinen auch unsere lieben Ärzte.«
Daga zog eine Grimasse, was die ganze Runde nachahmte ‒ die Ärzte, die durch die Gegend fuhren und Todesfälle registrierten, waren nicht besonders beliebt, da sie oft nicht wussten, wie man sich an einem Tatort zu verhalten hat, was der Polizei dann allerlei Probleme bescherte. Außerdem wurden sie viel zu gut bezahlt, zumindest sah die Polizei das so, für die einfache und ungefährliche Arbeit, die sie da verrichteten.
»Die Frau hatte eine Handtasche mit Brieftasche, Ausweis und jede Menge Kram. Und es handelt sich um Lottie Hagman.«
Das war also die Pointe, und jetzt reagierten alle. Monika sah die wechselnden Gefühle in den Gesichtern der anderen ‒ Neugier, Trauer, Zweifel. Sogar die Kriminalpolizei kann von einem unerwarteten Todesfall schockiert sein, wenn sie zu dem oder der Toten irgendeine Beziehung hat.
Lottie Hagman gehörte der Generation von Prominenten an, die das ganze Land kannte. Sie hatte seit ihrem Debüt als ‒ selbstverständlich strahlend schöner ‒ Backfisch Theater gespielt und war in zahllosen Filmen aufgetreten. Und sie war immer den aktuellen Trends gefolgt und allen anderen um den berühmten Schritt vorausgewesen. Sie hatte ihr Leben praktisch vor dem Vorhang geführt, hatte auf allen Bildern immer gleich gut ausgesehen und war eine zuverlässige Vertreterin des jeweiligen Zeitgeistes gewesen. Und jetzt war sie plötzlich tot. Überrascht stellte Monika fest, dass sie eine gewisse Trauer empfand, obwohl sie Lottie nie begegnet war und sie auch nicht sonderlich geschätzt hatte.
Daga hatte nun immerhin die Aufmerksamkeit aller Anwesenden geweckt: Nicht einmal Lottie Hagman würde hier bei der Kripo diskutiert werden, wenn sie zum Beispiel einem Herzinfarkt erlegen wäre.
Daga hatte wie üblich keine Hemmungen damit, das zu sagen, was ohnehin auf der Hand lag.
»Ihr möchtet jetzt sicher wissen, was wir damit zu tun haben.«
Natürlich sagte niemand etwas dazu.
»Also, vor einer halben Stunde hat Derek Cremer von der Gerichtsmedizin angerufen und erzählt, dass der Arzt, der sich die in der Nacht eingelieferten Leichen angesehen hat, die Verletzungen an dem Leichnam seltsam fand. Lottie ist auf einer Treppe im Freien gefunden worden, und die beiden Kollegen, die als Erste beim Tatort waren, und die Ärzte glaubten zuerst, sie sei gestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen, entweder auf das eiserne Geländer oder auf eine Treppenstufe. Ungefähr auf der Höhe der rechten Augenbraue ist die Haut zerfetzt, und die darunter liegenden Knochen sind verletzt. Sie hatte außerdem auf der rechten Wange, mit der sie auf der Treppe lag, eine große und frische Schürfwunde. Die anderen dachten, sie sei einfach ausgerutscht oder hätte einen Infarkt erlitten, einen epileptischen Anfall oder etwas Ähnliches, und sei dabei gestürzt. Später aber hat der Techniker dann auch auf der anderen Kopfseite eine schwere Verletzung entdeckt ‒ es sieht aus wie eine Impressionsfraktur, also eine Eindellung der Schädelknochen, ungefähr so wie ein eingedrücktes Ei. Derek schlägt vor, dass wir morgen bei der Obduktion zusehen; er kann natürlich noch nicht viel sagen, aber diese Befunde geben ihm doch reichlich zu denken.«
Sie legte eine Pause ein.
»Mehr wissen wir noch nicht«, sagte sie dann. »Aber ‒ soweit die Technik das sehen konnte, sind ihre Kleider unversehrt, nichts weist auf einen sexuellen Übergriff oder anderweitige Gewaltanwendung hin. Wir haben zwei Kollegen in die Igeldammsgata geschickt, um den Tatort abzusperren. Und jetzt möchte ich...«
Daga schaute sich im Zimmer um. Nun würde sie entscheiden, auf welchem ohnehin schon überfüllten Schreibtisch dieser Fall landen würde.
»Monika geht zur Obduktion. Und Idriss. Idriss Al-Khalili hat heute seinen ersten Tag bei uns, was euch sicher allen schon aufgefallen ist. Idriss, würdest du dich bitte kurz vorstellen?« Das war wieder eine von Dagas rhetorischen Fragen.
Monika versuchte, ihren Blick einzufangen, was ihr jedoch nicht gelang.
Verdammt.
Sie bereute jetzt schon, an diesem Morgen überhaupt das Bett verlassen zu haben. Sie hatte keine Zeit für die Ermittlung in einem Mordfall, ihre anderen Fälle würden sie die nächsten Tage über voll in Anspruch nehmen, und war zu müde, um irgendwelche Energie in die Bekanntschaft mit einem neuen Kollegen zu investieren, solange es andere gab, mit denen sich die zusammenarbeit bereits eingespielt hatte. Und dann noch mit einem Araber! Was dachte Daga sich bloß dabei? Und was hatte Monika verbrochen? Zuerst Lottie Hagman und die Schlagzeilen. Und als ob das nicht schon ausreichte, nun auch noch Idriss Al-Khalili.
Idriss war im Rahmen einer Kampagne rekrutiert worden, deren Ziel es war, die Polizeischule mit Leuten zu bevölkern, die nicht Anders Larsson oder so ähnlich hießen. Die Kampagne war nicht von langer Dauer gewesen, aber immerhin waren Idriss und noch einige andere aufgenommen und ausgebildet worden und sollten jetzt in den regulären Dienst integriert werden.
Monika hatte schon allerlei Klatsch über ihn gehört, war ihm jedoch noch nie begegnet ‒ er galt als tüchtig, sollte eine ungeheuer schöne Frau haben und ansonsten den Einzelgänger spielen. Sie sah ihn sich genauer an ‒ schließlich ist es gestattet, jemanden anzustarren, der sich gerade vorstellt. Er war hochgewachsen und gut gebaut und trug einen Anzug, der besser saß als die Kleidungsstücke, die Polizisten sich normalerweise leisten können. Die Kombination aus dem Anzug, den schwarzen Haaren und den dunkelbraunen Augen ließ ihn völlig anders aussehen als einen normalen schwedischen Polizisten. Aber genau aus diesem Grund war er aufgenommen worden, und vielleicht hatte ihm seine Kleidung sogar noch Pluspunkte eingebracht.
Monikas erster Eindruck war nicht gerade positiv.
Er stellte sich kurz vor, berichtete nur, er habe bisher bei der Ausländerpolizei gearbeitet und freue sich nun auf die Zusammenarbeit mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. Er sagte weder etwas über seine Herkunft noch über sein Heimatland, Monika nahm jedoch an, dass er aus dem Iran oder dem Irak stammte, Länder, die sie ohnehin nur mit Mühe auseinander halten konnte. Zu ihrer Erleichterung sprach er immerhin tadellos Schwedisch, abgesehen davon, dass bestimmte Vokale ihm leichte Probleme zu bereiten schienen.
Monika wusste auf jeden Fall, dass er seine Versetzung aus der Ausländerabteilung beantragt hatte. Das hatte viele überrascht, doch Monika konnte ihn verstehen ‒ immerhin bestand kein Grund zu der Annahme, dass er für Ausländerfragen größeres Interesse oder besondere Neigungen haben könnte, bloß weil er Al-Khalili hieß, ebenso wenig wie Monika besonders geeignet für die Arbeit an Fällen war, die von oder an Frauen begangen wurden, nur weil sie selbst eine Frau war.
Sie wusste auch, dass Daga ihn nur ungern übernommen hatte. Kann er denn überhaupt mit Frauen zusammenarbeiten, hatte sie gefragt. Kann er sich von einer Frau Befehle erteilen lassen? Sonst nehme ich ihn nicht, Multikulti hin oder her.
Die Lage war, fachlich, politisch und psychologisch betrachtet, nicht leicht gewesen, und Daga hatte für Idriss eine Art Probezeit erwirkt. In einer von Einsparungen, Neuregelungen und großer fachlicher Unzufriedenheit geprägten Zeit hatte Idriss ein kleineres Problem dargestellt, aber Daga, die Problemen niemals aus dem Weg ging, wollte ihn offenbar sofort auf die Probe stellen. Er sollte direkt unter Daga und zusammen mit Monika arbeiten. Dabei würde sich auf jeden Fall herausstellen, ob er mit Kolleginnen und weiblichen Vorgesetzten umgehen konnte.
Und Monika sollte eine Mischung aus Versuchskaninchen, Anleiterin und sogar Spitzel sein, wenn Daga ihre Ansicht über Idriss hören wollte ‒ dies alles zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit und ohne weitere Vergütung. Sie versank noch tiefer in ihrem Sessel.
»Ehe wir zum Ende kommen, habe ich noch eine Bitte.«
Das war Anders Lindqvist von der Informationsabteilung, der bisher stumm an seiner üblichen Tischecke gesessen hatte. Anders war so sympathisch und hatte eine dermaßen perfekte Telefonstimme, dass Monika sich manchmal fragte, ob er nicht in Wirklichkeit Schauspieler war, der angestellt worden war, um die Polizei gegenüber der Außenwelt zu vertreten. Andere aber, die ihn länger kannten, beteuerten, er sei ein echter Polizist.
»Die Zeitungen wissen, dass wir bei Kungsholms Strand eine Leiche gefunden haben. Sie wissen, dass es sich um eine Frau handelt, und sie kennen ihr ungefähres Alter. Wir haben die Angehörigen informiert, zwei Töchter, die wir sofort erreicht haben. Sie werden nicht mit der Presse sprechen ‒ und bitte, bitte ‒ sorgt dafür, dass wir Lotties Identität so lange wie möglich geheim halten können, damit Daga, Monika und Idriss genügend Ruhe für ihre Arbeit haben.«
Alle nickten, wohl wissend, dass es nur eine Frage von Stunden war, bis die Zeitungen wussten, wer dort in der Dunkelheit gelegen hatte. Ihnen war jedoch auch klar, dass eine Frist von einigen Stunden für die Ermittlungen sehr viel bedeuten konnte.
Daga ging noch einige andere Fälle durch, doch Monika hörte nicht mehr zu. Sie dachte darüber nach, dass es einigermaßen unwahrscheinlich war, dass sie zu Weihnachten Überstunden machen müsste, dass eine Zusammenarbeit mit Idriss vermutlich unmöglich war und was sie dem Leiter des Västra Sjukhus sagen sollte, der ungeduldig darauf wartete, dass sie sich mit einer Anklage befasste, bei der es um einen Vorfall auf einer der Stationen des Krankenhauses ging. Dabei hätte sie doch eigentlich an Lottie denken müssen. An Lottie, die unter freiem Himmel tot aufgefunden worden war, gefunden wie ein verlorener Handschuh vom erstbesten Menschen, der gerade vorbeigekommen war. Wieso hatte ihr Leben auf diese Weise geendet? War sie auf dem Heimweg gewesen und vor ihrer Haustür niedergeschlagen worden, ein zufällig ausgewähltes Opfer? Hatten sie vielleicht nur wenige Meter oder Sekunden von der Sicherheit ihres Hauses getrennt? Oder war sie einfach ausgerutscht und hatte dabei ungewöhnliche Verletzungen davongetragen? Sie hatte vielleicht kalkarme, brüchige Knochen, die dem Aufprall auf den harten Boden nicht hatten widerstehen können. Oder sollten sie glauben, dass sie wirklich ermordet worden war, dass jemand gewollt hatte, dass sie gerade dort den Tod fand? Das war vielleicht statistisch gesehen die unwahrscheinlichste Alternative. Monika fühlte sich plötzlich noch müder.
Dann war die Besprechung zu Ende, und alle machten sich an die Arbeit dieser Woche, der letzten hektischen Woche vor Weihnachten. Sie waren schweigsam und antriebslos. Monika wusste, dass sie unaufgeklärte Morde und Misshandlungsfälle hinter sich herschleppten wie ein schlechtes Gewissen und dass in jeder Woche neue Fälle dazukamen.
Daga trat neben Monika, die noch immer zusammengesunken in ihrem Sessel saß. Dagas 182 Zentimeter kamen ihr noch überwältigender vor, und ihre eisblauen, mit blauer Wimperntusche umrandeten Augen sahen noch gebieterischer aus.
»Ich weiß, wie nervig dieser neue Fall ist, aber du kannst zwei von deinen anderen Fällen Janne überlassen, sein Vaterschaftsurlaub geht doch heute zu Ende ‒ eigentlich müsste er schon hier sein, ich möchte ja wissen, wo er steckt. Das wird dich vielleicht ein wenig entlasten. Ich sage ihm, dass er sich bei dir melden soll, sobald er hier eintrifft. Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen, das dauert höchstens eine halbe Stunde, und danach fahren wir in die Igeldammsgata. Ihr könnt inzwischen ja das Wenige lesen, was wir schon haben.«
Sie reichte Monika einen schmalen Ordner und verließ das Zimmer.
Idriss, der neben seinem Sessel gestanden hatte, während die anderen an ihm vorüberdefilierten, kam jetzt auf Monika zu und streckte ihr die Hand hin.
»Wir sollten uns vielleicht richtig miteinander bekannt machen. Idriss.«
Seine Hand war groß, verriet keinerlei Nervosität, und sein Handgriff war perfekt ‒ fest und weder zu lang noch zu kurz.
»Monika. Pedersen. Dänische Abstammung väterlicherseits, daher der Name.«
Idriss sah sie verständnislos an.
»Pedersen. Das ist ein dänischer Name. In Schweden heißen die Leute Pettersson oder Persson oder so.«
»Al-Khalili ist ein irakischer Name, die Familie meines Vaters kommt von dort.«
Danach schwiegen beide, und Monika hätte gern die Zeit zurückgedreht und noch einmal von vorn angefangen. Warum hatte sie ihm von der Herkunft ihres Vaters erzählt, und warum hatte sie sich dabei angehört wie eine Grundschullehrerin? Gleich darauf ärgerte sie sich wieder ‒ sie hatte weder die Zeit noch die Energie für derartige Komplikationen. Wenn sie den neuen Kollegen nicht einmal begrüßen konnte, ohne dass Probleme entstanden, wie sollten sie dann jemals zusammen einen Fall aufklären können? Sie wandte sich den praktischen Angelegenheiten zu.
»Wir können zu mir gehen und dort alles lesen. Daga holt uns sicher bald ab.«
Idriss nickte und schloss sich ihr an. Er ging dicht hinter ihr, und diese Nähe machte ihr zu schaffen, er war so groß, er trug so teure Schuhe, er kam ihr einfach nicht vor wie »einer von uns«, sondern wie »einer von denen«. Sie fühlte sich bedrängt, aber da er sie nicht berührte, konnte sie ihn nicht bitten vorzugehen.
Sie setzten sich einander gegenüber an ihren Schreibtisch, und sie gab ihm drei der sechs Unterlagen, die sie von Daga erhalten hatte, dann rief sie im Västra Sjukhuset an. Sie wollte mit Håkan Götsten sprechen, dem Leiter der Orthopädie, wo eine Nachtschwester behauptet hatte, einen Pfleger in einer verfänglichen Situation mit einer bewusstlosen jungen Patientin ertappt zu haben. Die Schwester hatte keinen Zweifel daran gehabt, was vor sich gegangen war: Der Mann hatte eine Hand auf die nackte Brust der Patientin gelegt, während die andere, wie sie sagte, »sein erigiertes Geschlechtsorgan« umschlossen hatte. Der Mann stritt diese Vorwürfe empört ab. Er bezeichnete die Schwester als frustrierte Zicke in den Wechseljahren, die ihn niemals habe leiden können, und die jetzt einfach eine neue Schikane ausprobieren wolle. Er erinnerte daran, dass er seit zehn Jahren Dienst tat und dass es noch niemals irgendwelche Klagen über ihn gegeben hatte, was auch zutraf. Das übrige Personal teilte sich in zwei Fraktionen, die eine verlangte seine sofortige Entlassung, die andere hielt dies aufgrund der unbewiesenen Behauptungen für einen Verstoß gegen Demokratie und Arbeitsrecht. Der Betriebsrat vertrat ebenfalls letztere Ansicht. Der Krankenhausleiter hatte angerufen und Monika angefleht, diesen Fall vorzuziehen, da die Station wie gelähmt war, solange Aussage gegen Aussage stand.
Monika lauschte dem Klingeln und überflog ihren Teil der vorhandenen Informationen über die tote Lottie Hagman.
Sie lasen schweigend, und Monika sehnte sich plötzlich mit einer Intensität, die ihr Angst machte, nach Mikael, ihrem Kollegen und besten Freund. Er arbeitete jetzt auf der Polizeihochschule, und seit etwas mehr als sechs Wochen war ihr früher so enger Kontakt wirklich abgekühlt ‒ Mikael hatte sich verliebt und setzte jetzt andere Prioritäten. Seine Abwesenheit wurde durch Idriss’ Anwesenheit auf seltsame Weise noch verstärkt. Idriss saß vollkommen still da, er las und dominierte trotzdem das Zimmer ‒ sogar die Luft füllte er mit dem schwachen Duft von Rasierwasser oder Parfüm. Monika fühlte sich bedrängt, obwohl sie sich in ihrem eigenen Revier aufhielten, und kam sich auf merkwürdige Weise wehrlos vor.
Sie versuchte sich zu konzentrieren, obwohl sie instinktiv am liebsten die Flucht oder vielleicht auch einen Streit begonnen hätte: sie könnte das Zimmer verlassen oder den Eindringling vor die Tür setzen. Da beides jedoch nicht ging, wandte sie sich wieder den kurz gefassten Berichten zu. Das Krankenhaus hatte gerade mitgeteilt, dass alle Leitungen besetzt seien, dass sie aber bald an der Reihe sein werde.
Einar Jakobeus, wohnhaft Kungsholms Strand 173, hatte Lottie gefunden, als er gegen fünf Uhr morgens seinen kleinen Hund Gassi geführt hatte. Er hatte zuerst versucht ihr auf die Beine zu helfen, hatte aber kein Lebenszeichen entdecken können. Er hatte Angst bekommen und war in seine Wohnung gelaufen, um einen Krankenwagen zu alarmieren. Er hatte sie offenbar nicht erkannt. Sein Anruf war um Viertel nach fünf registriert worden, zehn Minuten später hatte der Krankenwagen den Unfallort erreicht. Der Leichnam war bereits starr, es waren keine Lebenszeichen mehr vorhanden gewesen, deshalb hatte die Besatzung des Krankenwagens die Polizei verständigt statt Lottie ins Krankenhaus zu bringen. Die Polizei hatte die Verletzungen im Gesicht entdeckt, nicht aber die am Hinterkopf, sie hatten das Gelände abgesperrt, den Tod festgestellt und die Zentrale gebeten eventuelle Angehörige ausfindig zu machen und diese zu benachrichtigen.
Alles schien also seine Ordnung zu haben, doch Monikas Erfahrung mit Situationen, in denen alles in Ordnung zu sein schien, war kein Grund zur Beruhigung. Sie wusste, dass eine genauere Untersuchung sehr leicht ergeben könnte, dass Einar Jakobeus Lottie durchaus nicht als Erster gefunden hatte, dass Einar ganz andere Dinge unternommen hatte als den Versuch, ihr auf die Beine zu helfen, dass der Leichnam durchaus nicht so steif gewesen sein musste, wie die Krankenwagenbesatzung es in ihrem Bericht schrieb, dass der Tatort zu spät abgeriegelt worden war und so weiter.
Über das alles hätte sie mit Mikael zusammen ihre Witze machen können, was die Aufgabe überschaubarer gemacht hätte, aber ihre Zusammenarbeit mit Idriss konnte doch nicht damit anfangen, dass sie die polizeilichen Vorgehensweisen in Frage stellte. Sie wünschte sich, dass er aufstand und das Zimmer verließ, und sei es nur für einige Minuten, damit sie ein wenig Atem holen könnte, doch er rührte sich nicht. Sie las weiter.
Die Mitteilungen des Einwohnermeldeamtes waren immerhin schlicht und klar. Lottie wohnte nicht in Kungsholmen, sondern in Östermalm, genauer gesagt in der Storgata. Dort lebte auch eine der beiden Töchter, die andere war in Söder gemeldet. Die Namen der beiden sagten ihr nicht viel. Jenny und Pernilla. Zwei Menschen, über die Monika bald viel zu viel wissen würde. Und am Ende würden sie aus ihrem Leben wieder verschwinden und einen kleinen Teil von Monikas Kraft und Engagement mitnehmen.
Auch Idriss hatte jetzt alles gelesen und schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte. Er sah sie aus seinen dunklen Augen unergründlich an. Was dachte er? Wo sollte sie anfangen? Könnte sie ihn fragen, ob er Lottie kannte? Wenn er einigermaßen assimiliert war, könnte ihn eine derartige Frage beleidigen, wenn nicht, dann ärgerte er sich vielleicht, weil er sie nicht beantworten konnte. Monika verabscheute den so schnell einsetzenden Machozorn angesichts von wirklichen oder eingebildeten Beleidigungen und nahm an, dass eine Provokation jede weitere Zusammenarbeit unmöglich machen könnte. Ohne große Begeisterung suchte sie nach einem weniger persönlichen Einstieg in ein Gespräch, doch leider fiel ihr keiner ein.
Sie hoffte so sehr auf die Erkenntnis, dass Lottie doch einen Herzinfarkt erlitten hatte oder einfach ausgerutscht und dabei umgekommen war. Sie wollte nicht mit Idriss zusammenarbeiten, und die Tatsache, dass Idriss ihr nicht einmal etwas getan hatte, verstärkte ihr Unbehagen nur noch.
Dann meldete sich endlich das Västra Sjukhus. Monika wurde mit Håkon Götstens Zimmer verbunden, wo er allerdings nicht erreichbar war. Was um Viertel vor neun an einem Montagmorgen nicht wirklich überraschend kam.
Ehe das Gespräch auf seinen Europieper gelegt werden konnte, wurden sie von Daga abgeholt.
Wer die Tiefgarage der Polizei in Kungsholm verlässt, gelangt nicht in eine kleinen Seitenstraße, sondern direkt auf die eine Querseite des Fridhemsplans. Zentraler geht es eigentlich nicht, und Monika kam sich auf dieser Fahrt immer wichtig vor, zumindest beruflich gesehen. In der letzten Zeit hatte es an professionellen Erfolgserlebnissen gefehlt, deshalb genoss sie diese Momente ganz besonders. In gewisser Hinsicht war es schön, an einem solchen Tag keine weiten Strecken zurücklegen zu müssen, zugleich aber war es ein wenig beunruhigend, dass ein Unglücks- oder Tatort nur fünf Minuten von der Wache entfernt war.
Daga saß hinter dem Lenkrad, Idriss neben ihr, und Monika hatte auf dem Rücksitz Platz nehmen müssen. Sie betrachtete Idriss’ gepflegten Hinterkopf. Sie hatte schon häufiger erlebt, wie Männer, die ungefähr so aussahen wie er, zuerst nichts begriffen, dann empört waren und schließlich in Panik gerieten, wenn ihnen aufging, dass Monika fahren würde. Sie hatte festgestellt, dass sie das unverhohlene Unbehagen dieser Männer genoss und dass sie sich ihrer Rachsucht nicht schämte, so sehr provozierte diese Haltung sie. Sie nahm an, dass diese Männer vermutlich mit dem Hinweis auf kulturelle Unterschiede verlangen könnten, von einem Mann gefahren zu werden, aber sie hatte dieses Thema nie mit Leuten besprochen, die dieser Frage auf den Grund gehen wollten. Idriss schien jedenfalls nichts dagegen zu haben, dass Daga fuhr, denn er saß gelassen und entspannt neben ihr.
Igeldammsgata.
Wenn Mikael jetzt hier wäre, würden sie über die Blutegel reden, denen die Straße ihren Namen verdankte, und darüber, welche Bedeutung die Nähe eines Krankenhauses für Straßennamen haben konnte. Sie hätten über die Häuser gesprochen. Doch nun saß Monika stumm da und betrachtete die vertraute Umgebung, die sich doch jedes Mal, wenn sie vorbeikam, verändert zu haben schien. Es war der erste richtige Wintertag, inzwischen war es halb zehn, und die Sonne war vor einer guten Stunde über den Horizont geklettert, beschrieb aber ihren flachen Winterbogen und hing noch immer so tief, dass das Licht indirekt zu sein schien.
Monika hatte eine regelrechte Liebesbeziehung zu Kungsholmen. Immerhin gab es doch einen Ort auf der Welt, an dem sie sich zu Hause fühlte, wo Boden und Bebauung ihr freundlich gesinnt zu sein schienen. Jetzt würde sie ein weiteres Haus hier kennen lernen, Igeldammsgata 32. Sie wusste nicht genau, welches Haus das war, aber die Straße war kurz, und sie war an vielen Abenden und Wochenenden hier unterwegs gewesen, mit und ohne Mikael. Jetzt würde eines dieser Häuser aus dem privaten in den beruflichen Teil ihres Lebens übersiedeln, genau wie Lottie das auch gerade machte.
Sie hatten das Ende der Fleminggata erreicht. Auf der rechten Seite führte nun die Igeldammsgata zum Kungsholms Strand hinunter. Eigentlich müsste die Straße Igeldammshang heißen, dachte Monika, als sie abwärts fuhren, oder Igeldammsabgrund oder Igeldammsschlucht. Links lagen der Felshang, rechts die individuell dem Terrain angepassten Häuser aus Monikas Lieblingsarchitekturperiode, dem Beginn des 20. Jahrhunderts.
Sie brauchten die Hausnummern nicht zu lesen, um die richtige Stelle zu finden, denn die Streifenwagen und Absperrbänder waren schon von weitem zu sehen.
Nummer 32 entpuppte sich als schmales Haus mit nur vier Fenstern nebeneinander und war etwas niedriger als das fünfstöckige Nachbarhaus. Monika tippte auf ein Baujahr um 1920 ‒ das Haus wirkte solide und harmonisch proportioniert, ohne auffällige Verzierungen. Gestrichen war es in dem derzeit so beliebten orangeroten Farbton, der gut zu der strengen Form passte. Es hätte als ganz normales Haus seiner Epoche durchgehen können, wenn es nicht eine sehr ungewöhnliche Eigenheit aufgewiesen hätte: Dort, wo eigentlich ein Eingang zu erwarten gewesen wäre, führte eine Art Tunnel durch das Haus schräg nach unten. Heutzutage hätte man zuerst den Boden eingeebnet und dann ein kastenförmiges Haus errichtet, damals jedoch hatte man das Haus dem Boden angepasst. Von der Igeldammsgata aus schlängelte sich eine Treppe durch das Haus, über einen langen, schmalen Hof und durch das nächste mit Tunnel versehene Haus, dessen Front dem Kungsholms Strand zugekehrt war. Monika war schon oft über diese Treppe gegangen, und nicht einmal Mikael hatte erklären können, wie jemand auf die Idee gekommen war, auf diese Weise zu bauen.
Das Haus war, ebenso wie Lottie, bekannt, jedenfalls in der Umgebung.
Daga hatte es offenbar noch nie gesehen, denn sie wirkte ehrlich erstaunt.
»Aber was ist das denn hier? Eine Abkürzung zum Strand? Mitten durch das Haus?«
Monika nickte. Es war wie so oft eine Frage, die nicht beantwortet zu werden brauchte.
Sie gingen zu dem Hof weiter, der als Durchgang benutzt wurde. Die Treppe endete an einem kahlen, verschneiten Hangstück, wo es nicht mehr ganz so steil war. Das Ganze sah aus wie ein Stillleben in weiß, schwarz und braun, ein Stillleben, bei dem der Künstler impulsiv ein wenig Farbe hatte einbringen wollen und deshalb zwei Treppenstufen mit großen hellroten Flecken versehen hatte. Neben diesen Flecken standen zwei junge Polizisten mit vor Kälte weißen Gesichtern. Monika hatte den Eindruck, dass die beiden wider besseren Wissens darauf warteten nach Hause geschickt zu werden.
Es stellte sich heraus, dass sie nicht viel zu sagen hatten, da sie erst angekommen waren, nachdem Lotties Leichnam bereits abgeholt worden war. Die Kollegen, die als Erste an den Tatort gerufen worden waren, hatten für diesen Tag ihren Dienst bereits beendet.
Lottie hatte, wenn die beiden Polizisten das richtig verstanden hatten, ausgesehen, als sei sie auf der Treppe gestolpert. Am besten wusste das sicher Einar Jakobeus, der Mann, der sie gefunden hatte und zu Hause bereits auf den Besuch der Polizei wartete. Er wohnte in einem der Häuser am Kungsholms Strand.
Daga schaute sich auf dem kahlen Hof um. Dann fragte sie den einen der halb erfrorenen Kollegen:
»Und was habt ihr gefunden?«
»Nicht viel«, antwortete der junge Mann gleichgültig. »Keine Fußspuren ‒ die Treppe war doch freigeschaufelt und mit Sand bestreut worden, wir können also nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob die Tote selbst hergekommen ist. Es gibt auch sonst keine Fußspuren, wie ihr ja selbst seht.«
Monika, Daga und Idriss sahen sich um. Der Schnee war beiseite geräumt worden, als er noch weich gewesen war, und war inzwischen zu Eis gefroren. Die Treppe war schneefrei und mit Sand bestreut. Die einzigen Fußspuren, die zu erkennen waren, stammten von Hunden.
»Wir müssen feststellen, wer für das Schneeräumen und das Streuen zuständig ist und wann das gemacht worden ist.«
Daga schrieb, während sie das sagte; zum Ärger vieler Kollegen verteilte sie inzwischen die Aufgaben in schriftlicher Form.
»Wir müssen außerdem feststellen, wann genau das Wetter umgeschlagen ist und wie lange es gedauert haben kann, bis der Schnee gefroren war. Die Leute von der Technik können jeden Moment hier sein. Wenn sie kommen, könnt ihr beide die Nachbarschaft abklappern und fragen, ob jemand etwas gehört oder gesehen hat.«
Sie schauten zu den Häusern hinauf ‒ zu der unteren Reihe, die auf den Kanal hinausging, und zur oberen an der Igeldammsgata. Die Häuser stammten zumeist aus derselben Epoche, hatten fünf oder sechs Etagen, waren gut erhalten und in verschiedenen sanften Farben angestrichen ‒ hellgelb, ein etwas dunkleres Gelb, hellgrün. Sämtliche Fenster schauten wie Augen auf den Hof ‒ Lottie war nicht an einem abgelegenen Ort ums Leben gekommen, und mit etwas Glück müssten sie einen oder mehrere Menschen ausfindig machen können, die im richtigen Moment aus dem Fenster gesehen hatten. Wenn Monika nicht so müde gewesen wäre, hätte sie einen leichten Neid verspürt hatte immer gern solche Befragungen durchgeführt, im ment jedoch war sie froh darüber, dass es ihr erspart blieb. Hier in dieser Gegend wohnten vor allem jüngere berufstätige Menschen, die jetzt ihre Arbeitsplätze in der ganzen Stadt oder im Umland bevölkerten. Es würde seine Zeit brauchen, bis sie mit allen gesprochen hatten, sie konnten schließlich auch nach Uppsala oder Enköping pendeln oder ihre Zeit zwischen Stockholm, London und Singapur teilen.
Daga beschloss, auf die Technik zu warten und wandte sich an Monika.
»Ihr könnt doch schon mal mit Jakobeus reden, er wohnt Kungsholms Strand 173, angeblich gleich hinter der Ecke da unten. Und danach wäre es gut, wenn ihr euch noch einmal mit den Töchtern unterhalten könntet, wir müssen wissen, was Lottie gestern gemacht hat. Am besten nehmt ihr das Auto.«
Sie reichte Monika die Schlüssel.
Monika nickte und ging gemeinsam mit Idriss die Treppe hinunter und durch das nächste Haus, wo sie für einen Moment stehen blieb. Unmittelbar vor ihnen lag der Karlsbergskanal, dessen Oberfläche zu einer ersten dünnen Eisschicht erstarrt war, und dahinter stand das am Ufer errichtete Schloss Karlsberg.
Gleich links lag eine Wayne’s Bakery, wo es caffè latte und Möhrentorte gab. Rechts befand sich eine traditionellere Variante, eine Kaffeestube mit Weihnachtsdekoration im Fenster, wo Kaffee und Zimtbrötchen oder Bratwurst mit Makkaroni serviert wurden. Monika spürte, wie sie hier im wahrsten Sinne des Wortes zwischen dem Alten und dem Neuen stand, und fragte sich, ob es illoyal war, Wayne’s mit dem Duft von Kaffee und Croissants dem von Tabakrauch und Essensgerüchen erfüllten anderen Lokal vorzuziehen.
Die Restaurants zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich, ebenso wie das Schloss, alles schien plötzlich viel wichtiger als der Gedanke an die Arbeit. Sie fragte sich besorgt, wie sie diesen Tag überstehen sollte ‒ sie spürte, dass sie einfach nicht an das denken wollte, woran sie denken musste. Für den Moment löste Idriss das Problem für sie, indem er hustete, die Sorte Husten, mit der man sein Glück versucht, wenn man vorher vergeblich an eine Tür geklopft hat.
»173, stimmt das?«
Monika nickte und riss sich zusammen. Immerhin schien Idriss Taktgefühl zu haben. Einar Jakobeus, der Lottie gefunden hatte, wohnte im ersten Haus auf der rechten Seite. Auch dieses Haus war gut in Schuss, die Fassade war frisch renoviert und die Diele in Marmor gehalten.
Einar wohnte im fünften Stock und öffnete gleich nach dem ersten Klingeln. Er war ein kleiner Mann von vielleicht vierzig, der dennoch schon alt aussah; ein unauffälliger Mann, der offenbar auf seinen Platz im Leben gestellt und dann vergessen worden war, dachte Monika.
Sie betraten eine enge Diele, deren Möbel ebenso müde und resigniert aussahen wie ihr Besitzer, die dann aber plötzlich von einem gefleckten Hundebaby aufgemuntert wurde, das zielstrebig angewackelt kam und die Fußmatte beschnupperte. Einar machte ein stolzes Gesicht.
»Das ist Klara, sie ist zehn Wochen alt, und ich habe sie seit zehn Tagen. Mein erster Hund.«
Er bückte sich ein wenig ungeschickt, um Klara zu streicheln, worauf sie ihn in die Hand biss. Mit leicht enttäuschter Miene richtete er sich wieder auf.
»Wir müssen einander noch richtig kennen lernen. Kommen Sie herein!«
Aus der kleinen Diele gelangten sie in ein Wohnzimmer, das ebenso trist möbliert war, jedoch einen prachtvollen Blick auf den Kanal und auf das Schloss bot, das in dem kalten, sonnigen Tag funkelte wie ein Palast aus Eis und Schnee.
Monika stellte zuerst sich und dann Idriss vor. Einar nickte zerstreut, während er zu verhindern versuchte, dass Klara ein Sofabein annagte, das schon von schmalen spitzen Bissspuren übersät war. Dass Idriss ein etwas ungewöhnlicher Polizist war, schien ihn nicht weiter zu irritieren.
Am Ende machte Klara sich über einen der vielen Plastikknochen her, die überall auf dem Boden herumlagen, und Einar widmete sich seinen Gästen.
»Nehmen Sie Platz.«
Er hatte auf dem schmutzigen Couchtisch bereits staubige Kaffeetassen und eine Thermoskanne bereitgestellt. Die meisten Menschen, die Monika zu Hause aufsuchte, boten etwas an, Kaffee zumeist, und sie lehnte fast nie ab. Sie wusste, wie viel leichter es ist, ungewohnte Situationen mit einer Kaffeetasse in der Hand zu überstehen, wie beruhigend es auf die Leute wirkte, im eigenen Heim als Gastgeber oder Gastgeberin auftreten zu können, auch dann, wenn die Gäste ungebeten auftauchen.
Einar öffnete die Thermoskanne und Monika hielt ihm ihre Tasse hin. Sie war schon längst zu dem Schluss gekommen, dass Kaffee Bakterien tötet ‒ sie hatte schon aus so vielen schlecht gespülten Tassen getrunken, war aber niemals krank geworden.
Idriss ließ sich in einen weichen Sessel sinken, der eine Staubwolke abgab, als er sich setzte. Klara fand das interessant, lief zu ihm und ließ sich zu seinen Füßen auf den Rücken fallen. Monika hatte fast damit gerechnet, dass er Angst vor Hunden hätte, doch er streichelte mit seinen Fingerknöcheln Klaras weichen runden Bauch. Klara schaute eine Weile forschend zu ihm hoch, dann schlug sie plötzlich ihre nadelspitzen Zähnchen in seine Hand. Idriss zog die Hand nicht zurück, sondern beugte sich über sie, runzelte drohend die Stirn und knurrte mit tiefer Stimme:
»Noooo. Bad Dog, off.«
Klara ließ sofort seine Hand los und kehrte ihm wieder den Bauch zu.
Einar schien beeindruckt zu sein.
»Wie haben Sie das gemacht? Was haben Sie zu ihr gesagt?«
Idriss lachte zum ersten Mal an diesem Tag.
»Was man sagt, spielt keine Rolle, es kommt darauf an, wie man es sagt. Man muss sich böse anhören, das verstehen alle Hunde.«
Einar schien von dieser Lösung nicht gerade angetan.
»Ich will aber nicht böse auf sie sein, sie ist doch noch so klein. Trotzdem achtet sie überhaupt nicht darauf, was ich ihr sage.«
»Sie sollen sich böse anhören«, sagte Idriss freundlich, »nicht böse sein.«
Einar dachte eine Weile darüber nach, dann nickte er nachdenklich. Auf diesen Gedanken schien er noch nicht gekommen zu sein.
Monika ärgerte sich schon wieder. Sie waren nicht hier, um Einar gute Ratschläge über Hundeerziehung zu erteilen, sondern um sich ein Bild von den nächtlichen Ereignissen zu machen. Andererseits aber schärfte sie jungen Kollegen immer wieder ein, wie wichtig es war, einen guten Kontakt zu den Zeugen zu bekommen, ehe man sie befragte, und Idriss war das zweifelsohne gelungen. Das überraschte sie. Und es ärgerte sie, dass es sie überraschte.
Was für ein Elend!
Sie übernahm wieder das Kommando.
»Also, Herr Jakobeus, Sie sind ein wichtiger Zeuge für uns, und wir möchten Sie bitten, uns genau zu erzählen, was heute Morgen passiert ist.«
Einar setzte sich ein wenig auf, als mache die Aufmerksamkeit der beiden Gäste ihn in seinen eigenen Augen ein wenig größer.
»Klara hat mich gegen fünf geweckt, sie musste raus, und deshalb habe ich mir einen Trainingsanzug über meinen Schlafanzug gezogen.« Er sprach jetzt mit einer Stimme, die er wohl für diese Gelegenheit als angemessen erachtete, die ihn jedoch wie eine Parodie auf einen Nachrichtensprecher klingen ließ. »Ich wusste nicht, dass es so kalt geworden war, wir bekamen beide fast einen Schock, als wir nach draußen kamen, den ersten, aber nicht den letzten. Es war natürlich noch dunkel, aber die Straßenlaternen hier sind jetzt wirklich ziemlich hell. Ich gehe immer mit ihr auf den Hof hinter der Nummer 175, die Nachbarn wollen nicht, dass Hunde das auf unserem Hof machen, der andere gilt irgendwie eher wie ein Ort für die Allgemeinheit.«
Er legte eine besorgte Pause ein, so als fürchte er Monikas und Idriss’ Kommentar zu der Frage, wo sein Hund nachts pissen durfte.
»Ich habe sie ‒ Klara, meine ich ‒ um die Ecke auf den Hof getragen. Sie war verwirrt von der Kälte, glaube ich, und stand einfach nur zitternd neben mir. Sie hat ja noch kein dickes Fell, das muss doch so sein, als wäre sie nackt unterwegs.«
Noch eine Pause. Monika zählte in Gedanken bis zehn, ihr war klar, dass Einar aller Wahrscheinlichkeit zu der Sorte Zeugen gehörte, die in ihrem eigenen Tempo erzählen mussten, und dass alles noch viel länger dauern würde, wenn sie ihn bedrängte. Zugleich war sie zu müde und genervt, um seine Umständlichkeit ertragen zu können. Er sollte so schnell wie möglich alles erzählen, doch das tat er nicht. Sie war bis sieben gekommen, als er weitersprach:
»Dann bin ich ein Stück weitergegangen, die Treppe hinauf, und da lag sie dann.«
»Würden Sie uns bitte genau beschreiben, was Sie gesehen haben?«
»Ich habe nur mitten auf der oberen Treppe etwas Dunkles gesehen. Zuerst wusste ich nicht, was es sein könnte, aber dann habe ich gesehen, dass es ein Mensch war, der mit den Füßen nach oben lag, so als sei er vornüber gekippt.«
Er erschauderte ein wenig theatralisch und zugleich ein wenig wollüstig und verstummte.
Monika hielt es nicht mehr aus und versuchte, das Tempo zu steigern.
»Und was haben Sie dann gemacht?«
Er blickte sie vorwurfsvoll an.
»Das kommt gleich, ich muss nur zuerst nachdenken, damit ich nichts Falsches erzähle.«
Es folgte eine weitere und längere Pause, genau wie Monika befürchtet hatte. Sie holte tief Luft und verfluchte ihre Ungeduld. Sie hatte sich gerade zur Gelassenheit ermahnt, als er endlich weiterredete.
»Also, ich dachte, sie könnte doch gestolpert oder krank sein oder so. Ich habe Klara auf den Arm genommen und bin hinaufgegangen, das war nur ungefähr ein Dutzend Meter. Beim Näherkommen habe ich gesehen, dass es eine Frau war. Sie lag auf dem Bauch, einen Arm unter dem Körper, sie trug so einen gefütterten Regenmantel mit Kapuze und hatte ziemlich kleine Füße.«
Einar wurde plötzlich blass und schien kurz vor einer Ohnmacht zu stehen.
»Klara wollte nicht mehr getragen werden, deshalb habe ich sie auf den Boden gesetzt. Dann bin ich zu der Frau gegangen und habe gefragt, was los ist, was passiert ist, aber sie gab keine Antwort, sie lag einfach nur da. Ich hätte ihr so gern geholfen.«
Um für einen Tag oder eine Woche als Held zu gelten, dachte Monika und staunte wieder über ihre Gehässigkeit. Normalerweise hätte Einars klares Bedürfnis nach Aufmerksamkeit an ihr Mitgefühl appelliert, aber an diesem Tag war alles anders, ein solches Engagement hätte sie mehr psychische Energie gekostet als sie im Augenblick aufbrachte. Sie ärgerte sich sogar über seine kleinen rosa Hände, die sie an Mäusepfoten erinnerten, als er seine Tasse vor sich hielt.
Jetzt begann Einars Stimme zu zittern.
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte, deshalb habe ich ein wenig ihre Schulter geschüttelt. Darauf hat sie auch nicht reagiert, deshalb dachte ich, sie hätte vielleicht zu viel getrunken und das Bewusstsein verloren, aber sie roch nicht nach Alkohol. Ich bin also auf ihre andere Seite gegangen, um ihr Gesicht sehen zu können.«
Er kniff die Augen zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich sehe das alles noch vor mir, das werde ich nie wieder vergessen. Ihr linkes Auge sah mich an, es war weit offen und wütend und...«, seine Stimme war kaum noch zu hören. »Das rechte war verschwunden, da gab es nur noch ein blutiges Loch, wer kann so etwas tun? Und das andere Auge starrte mich nur an, klar und unbeweglich.«
Monika bildete sich plötzlich ein, seinen raschen Herzschlag sehen zu können ‒ sein schmächtiger Leib schien zu beben, als er diesen schrecklichen Moment noch einmal durchlebte.
»Und dann, dann kam Klara, und sie...«
Plötzlich stürzte er aus dem Zimmer, und gleich darauf hörten Monika und Idriss die Geräusche eines leeren Magens, der trotzdem verzweifelt versuchte, seinen Inhalt von sich zu geben.
Was da wohl passiert war? Was hatte Klara getan? Was macht ein Hundebaby, das ein herausgerissenes Auge findet? Monika sah Klara an und stellte fest, dass auch ihr mit einem Mal schlecht zu werden drohte.
Erst nach einigen Minuten kam Einar mit feuchtem Gesicht und Händen wieder zurück.
»Verzeihen Sie. Es war nur so schrecklich und so unerwartet, und dass Klara sich dann nicht zusammenreißen konnte.«
Monika schauderte wieder und fragte sich, ob auch sie sich gleich übergeben würde.
»Was genau hat sie gemacht?«
»Gemacht? Herumgeschnuppert, sie wollte spielen.«
»Hat sie nichts mit dem Auge gemacht?«
»Mit dem Auge? Es gab doch kein Auge. Das war ja gerade das Schreckliche.«
»Entschuldigung. Ich dachte, sie hätte das Auge gefunden...« Monikas Stimme versagte, teilweise aus Erleichterung.
»Ich bitte um Verzeihung, das war ein unnötiges Missverständnis.«
Einar holte einige Male tief Luft und fuhr mit zitternder Stimme fort:
»Viel mehr ist dann nicht mehr passiert ‒ ich habe mir Klara geschnappt und bin so schnell wie möglich in meine Wohnung gerannt, ich habe so stark gezittert, dass ich kaum die Nummer wählen konnte, aber dann habe ich es ja doch geschafft, und sie haben einen Krankenwagen geschickt.«
»Wissen Sie noch, ob Sie sonst irgendjemanden gesehen haben?«
»Nein. Die Gegend war menschenleer, das ist um diese Zeit immer so, das weiß ich, ich war jetzt ja seit zehn Tagen immer so früh draußen. Übrigens, ein paar Mal habe ich eine Frau mit einem Einkaufswagen gesehen.«
»Auch heute Morgen?«
»Nein.«
Er hatte sich jetzt einigermaßen gefasst und schien mit seiner Leistung zufrieden zu sein, sich in seiner Rolle als Actionheld fast schon zu bewundern. Monika hatte plötzlich Lust aufzuspringen und Bu! zu rufen.
»Sagen Sie ‒ haben Sie in der Nähe der Toten irgendeinen Gegenstand gesehen?«, fragte sie stattdessen freundlich.
»Nein. Ich habe nichts gesehen, ich glaube nicht, dass dort etwas lag, aber ganz sicher bin ich nicht, ihr schreckliches Gesicht hat irgendwie alles andere ausgelöscht. Hätte ich etwas sehen sollen?«
In ihr keimte der Verdacht, wenn sie nach einer blauen Bowlingkugel gefragt hätte, dann wäre ihm bestimmt eingefallen, dass eine neben Lotties Kopf gelegen hatte. Sie war froh darüber, dass sie mit ihm gesprochen hatten, ehe er zu viele Veränderungen an seinem Erinnerungsbild vornehmen konnte.
»Jetzt habe ich nur noch ein paar Fragen, Einar. Haben Sie Handschuhe getragen?«
»Nein, wieso denn?«, fragte er überrascht.
»Sie haben gesagt, dass Sie die Tote ein wenig an der Schulter gerüttelt haben ‒ würden Sie uns das bitte vorführen?«
Einar berührte mit den Fingerspitzen ein verschlissenes braunmeliertes Kissen und drückte einige Male zu.
»Ungefähr so. Ihre linke Schulter oder eigentlich eher ihren Rücken.«
»Haben Sie den Leichnam oder die Kleider sonst noch berührt?«
»Nein. Nein, wirklich nicht. Warum wollen Sie das wissen? Ich habe nur das getan, was ich Ihnen erzählt habe, Sie glauben doch wohl nicht, ich hätte ihr etwas getan?«
Plötzlich hatte sich seine Heldenhaftigkeit in Luft aufgelöst, und er sah aus, als würde ihm gleich wieder übel.
»Wir glauben noch gar nichts, wir versuchen nur herauszufinden, was passiert ist. Und es war uns eine große Hilfe, mit Ihnen zu sprechen.« Monika fügte diese letzte Bemerkung als eine Art Entschuldigung dafür hinzu, dass sie in Gedanken so viel Kritik an diesem kleinen Mann geübt hatte, der nicht einmal mit einem zehn Wochen alten Hundebaby fertig wurde.
Dann standen sie auf und gingen. Monika hätte gern gewusst, ob irgendein Grund bestand, Einar zu verdächtigen ‒ ob er wohl imstande wäre, jemanden zu ermorden, um dann die Leiche zu finden und von der Polizei befragt zu werden. Der Mann hatte Angst, aber das war ja nicht schwer zu verstehen, er hatte schließlich allerhand mitgemacht. Aber diese banale Erklärung konnte vielleicht einen anderen Grund für seine Angst verdecken. Nicht zum ersten Mal wäre ein scheinbar unwahrscheinlicher Täter als Zeuge aufgetreten. Es konnte sich aber auch um eine Variante des irrationalen Schuldbewusstseins handeln, das viele Menschen überkommt, wenn die Polizei ihnen gegenübersteht. Und dann würde seine Angst sich sicher bald legen.
Im Fahrstuhl dachte Monika vor allem über die Sache mit dem Auge nach. Warum hatte Daga nichts davon gesagt? Wenn ein Auge aus der Augenhöhle gerissen worden war, konnte doch niemand mehr von einem Unfall ausgehen? Das Letzte, was sie sich wünschte, war eine Konfrontation mit einem schwachen Mann und seinem so großen Wunsch nach Macht über andere, dass er zum Mörder wurde und groteske und symbolische Verletzungen hinterließ. An diesem Morgen stellte die Vorstellung eines solchen Täters keine Motivation, sondern nur einen Grund dar, sich ernsthaft nach einem anderen Job umzusehen.
Sie sehnte sich nach Mikael. Was sie über ihre Arbeit dachte und empfand, machte ihr Angst, es war so, als hätte sie plötzlich einen Menschen, mit dem sie seit vielen Jahren zusammenlebte, angesehen und erkannt, dass sie nicht wusste, ob sie dieses Zusammenleben fortsetzen sollte. Sie musste mit jemandem sprechen, doch sie hatte niemanden. Sie musste einfach versuchen, auf irgendeine Weise diesen Tag zu überleben.
Trotz aller Unklarheiten mussten sie sich jetzt mit denen befassen, die von Lotties Tod vermutlich am schwersten betroffen waren, ihren beiden Töchtern.
Erkundigt euch, was Lottie am Sonntagnachmittag gemacht hat, hatte Daga gesagt, als sei das ganz einfach, als müssten sie dafür nicht mit zwei jungen Frauen sprechen, die nachmittags noch eine gesunde, schöne, arbeitsfähige Mutter und jetzt gar keine mehr hatten. Monika konnte sich nicht erinnern, dass die Arbeit ihr jemals so schwer gefallen wäre. Es war doch ein Routineeinsatz, aber gerade an diesem Tag kam er ihr fast unüberwindlich schwierig vor.
Der Verkehr in der Fleminggata war dichter geworden, weshalb sie mit dem Auto kaum schneller vorankamen, als wenn sie zu Fuß gegangen wären. Diese Langsamkeit schien das Schweigen, das zwischen Monika und Idriss herrschte, noch um einiges belastender zu machen. Am Ende sagte sie, vor allem, um überhaupt etwas zu sagen: »Ob die wohl wissen, dass wir kommen? Wir sollten vielleicht mal nachfragen.«
Sie wollte schon nach dem Telefon greifen, überlegte es sich dann jedoch anders. Wenn sie mit Mikael oder einem anderen Kollegen unterwegs gewesen wäre, hätte sie den gebeten, den Anruf zu erledigen. Und es gab keinen Grund, Idriss anders zu behandeln.
»Mach du das doch bitte.«
Jetzt würde es sich ja herausstellen, ob er Befehle von einer Frau entgegennehmen könnte. Monika wusste nicht genau, was sie tun würde, wenn er sich weigerte, aber diese Entscheidung wurde ihr abgenommen, da er einfach nickte und auf der Wache anrief, wobei er wie ein ganz normaler Kollege klang. Sie hörte trotzdem aufmerksam zu, während sie Meter um Meter weiterschlichen. Sie fragte sich, ob sie vielleicht lächeln und aufmunternd nicken sollte ‒ aber das könnte er ja auch als Beleidigung auffassen ‒ oder ob sie überhaupt keine Reaktion zeigen und damit vielleicht unfreundlich wirken könnte. Am Ende fühlte sie sich dermaßen unbehaglich, dass sie sich fragte, wie sie wohl von außen wirkte: wie eine kleine bleiche Frau mit unbeholfener Körpersprache, die verkrampft am Steuer saß, ein passiver Mensch, der aus einer quälenden Situation einfach keinen Ausweg fand. Sie warf einen Rat suchenden Blick in den Rückspiegel und blickte in ihre wie immer neutral wirkenden Augen, die weder blau noch wirklich grau waren, sie sah ihr wie immer ausdrucksloses Gesicht und dieselben öden blonden, halblangen Haare. Dieser Anblick konnte wirklich nicht zur Verbesserung der Lage beitragen.
Sie nahm an, dass sie Mitleid mit ihm haben und deshalb besonders freundlich sein müsste ‒ sie müsste Mitleid mit ihm haben, weil er dunkelbraune Augen hatte, keine blauen, weil er nicht in Schweden geboren war und weil seine Eltern aus dem Irak stammten. Doch sie hatte kein Mitleid mit ihm, wer ihr hier Leid tat, war sie selbst, und deshalb packte sie das Lenkrad mit noch festerem Griff. Sie hoffte wider besseres Wissen, dass die Kollegen von der Wache sie zurückrufen und sagen würden, es sei alles ein Irrtum gewesen, die Ermittlungen seien abgeblasen. Aber nein, sie mussten sich anhören, dass niemand auf die Idee gekommen war, die Töchter zu informieren. Doch das sollte aber sofort geschehen, damit sie nicht unerwartet hereinplatzten. Wie gut, dass mir das eingefallen ist, dachte sie.
Idriss sprach ihre Gedanken laut aus.
»Danke. Es wäre sicher nicht so gut, unangemeldet dort aufzutauchen.«
Danke? Bedankte er sich bei ihr, weil sie ihre Arbeit tat? Wollte er hier entscheiden, was gut oder schlecht war, richtig oder falsch? Glaubte er, er könne ihren Einsatz bewerten und sie dann nach Lust und Laune belohnen? Oder wollte er vielleicht nur höflich sein oder sich vielleicht sogar einschmeicheln? Sie wusste nicht, was sie glauben sollte, deshalb konnte sie sich auch für keine Reaktion entscheiden und nickte einfach nur stumm.
Dann schwiegen sie wieder.
Der Weihnachtsverkehr schien in der Hamngata, wo eine dicht gedrängte Menschenmenge langsam durch die Straßen und über die Zebrastreifen kroch, seinen Höhepunkt zu erreichen. Menschen, die sonst bei Rot immer stehen blieben, ließen sich nun von der Masse leiten und wurden in einem kompakten Strom vorangetrieben, der nicht auf den Versuch der Autos achtete, sich einen Weg zu bahnen. Die Fußgänger betrachteten die Autofahrer mit freundlicher Nachsicht und einer gewissen Schadenfreude ‒ heute sind wir an der Reihe, heute haben wir die Übermacht, heute musst du einfach warten! Die Autofahrer schienen die Lage zu akzeptieren, sie hupten nicht und drängelten auch nicht.
Das Schweigen steigerte Monikas Anspannung noch. Sie brauchte ohnehin immer lange, um sich an neue Menschen zu gewöhnen, und Idriss gegenüber fühlte sie sich so unsicher, wie ihr das schon lange nicht mehr passiert war. Weshalb sie sich dummerweise noch mehr über ihn ärgerte. Es half auch nichts, dass sie einsah, wie unsinnig sie sich verhielt.
Endlich lag das ärgste Gedränge hinter ihnen. Sie fuhr durch den Strandväg und versuchte durch das Betrachten der Häuser auf andere Gedanken zu kommen.
Östermalm war der Teil der Innenstadt, der sie am wenigsten interessierte. Sie fand die Straßen zu breit und zu leer, die Häuser zu aufdringlich, die Mehrzahl der Verbrechen zu ausgefeilt. Sie konnte kaum verstehen und noch weniger verzeihen, dass Gewerkschaftsbonzen und Künstler plötzlich, wenn sie zu Geld kamen, in eine so genannte bezaubernde Jugendstilwohnung in Östermalm zogen, als weise ihr bisheriges Wohnviertel irgendeinen Makel auf, weshalb man von dort fortzog, sobald man es sich leisten konnte. Monika selbst wäre natürlich gern aus ihrem Vorort nach Kungsholmen gezogen, aber sie empfand das nicht als illoyal, da sie Zeit genug gehabt hatte, um diesen Stadtteil sehr genau kennen zu lernen.
Sie fand den Weg zur Storgata ohne Probleme. Nummer 12 erwies sich als prachtvolles, ansprechend hell gehaltenes Eckhaus, von dem sie trotz seiner Lage einfach hingerissen war, und obwohl es von allem ein wenig zu viel hatte, wie eine Zwölfjährige, die eben anfängt, sich zu schminken.
Sie stellten den Wagen vor dem 7-Eleven-Kiosk gegenüber ab. Wäre Mikael dagewesen, hätte Monika gesagt, dass bald jeder Winkel in der Stadt einen rund um die Uhr geöffneten Kiosk haben würde, wo man Kaffee, Schnellmahlzeiten und Grundnahrungsmittel zu einem übertriebenen Preis kaufen konnte, jetzt aber fürchtete sie, dass sie sich übellaunig und quengelig anhören könnte, und deshalb schwieg sie auch weiterhin.
Die Haustür war nicht ganz so reich verziert wie das übrige Haus. Es war eine solide Tür aus dunklem Holz mit großen, geschliffenen Glasfenstern. An der Wand gegenüber war eine kleine Tafel angebracht, die die Gäste darüber informierte, dass das Haus in den Jahren 1905 bis 1906 errichtet und vom Architekten Sam Kjellberg entworfen worden war. Diesen Namen kannte Monika, und sie fragte sich, ob Sam noch weitere Häuser hinterlassen hatte, die so strikt gegen das Gebot, nur ja nie aufzufallen, verstießen wie dieses hier.
Durch die Glasscheiben war eine leere und einfarbige Eingangshalle mit zwei weiteren Türen zu sehen, die wie die elegantere Antwort auf die Haustür wirkten. Sie gaben den Türcode ein, durchquerten die Eingangshalle und erreichten einen der scheußlichsten Fahrstühle, die Monika seit langem gesehen hatte. Ein grüner Blechkasten, der offenbar als Notlösung während einer akuten Fahrstuhlkrise aufgebaut und niemals wieder ersetzt worden war. Monikas Laune wurde noch schlechter. War auch das hier ein Haus, das in den siebziger Jahren politisch unkorrekt gewesen war und sich deshalb diesen Fahrstuhl zugelegt hatte? Waren wohl gleichzeitig Kachelöfen, geschnitzte Verzierungen, Parkett und Stuck herausgerissen worden?
Der Fahrstuhl war von innen ebenso deprimierend wie von außen, brachte sie jedoch ohne zu murren in den vierten Stock hinauf.
Die Tür zu Lotties Wohnung bestand aus demselben dunklen Holz wie die Haustür und war mit zwei selbst gemachten Namensschildern sowie einem aus Messing dekoriert, auf dem einfach nur »Hagman« stand. Auf dem einen der beiden Schilder stand »Hier wohnt Pernilla«, das andere zeigte eine rote und rosa Collage zum Thema Dahlien. Ein Stück weiter unten war mit Klebestreifen eine Visitenkarte angebracht, auf der der Name Sara Gottman geschrieben stand.
Monika fühlte sich ein wenig besser. Sie hatte immer schon gern die Wohnungen anderer Menschen besucht, wo sie häufig das Gefühl hatte, die Gedanken der Menschen vor sich sehen zu können ‒ wer sie sein wollten, wie sie sich selber sahen.
Aber das war auch der einzige Pluspunkt. An Minuspunkten dagegen hatte sie eine reiche Auswahl. Menschen zu treffen, die eben erst einen nahen Angehörigen verloren haben, ist immer schrecklich, und gerade an diesem Morgen wusste Monika nicht, woher sie die Kraft nehmen sollte, diese Begegnung durchzustehen. Außerdem machte ihr Einars überraschende Mitteilung zu schaffen, dass Lottie ein Auge fehle. Sie hatte nicht vor, den Töchtern davon zu erzählen, doch ihr Unbehagen wurde durch dieses Wissen noch vergrößert. Und zu allem Überfluss war da ja noch ihr unwillkommener irakischer Schatten.
Sie drückte auf den Klingelknopf.
Jetzt würde sie auf jeden Fall erfahren, wie Lottie ihre Umgebung gestaltet hatte.
Eine bleiche junge Frau mit verweinten Augen trat zur Seite, um sie eintreten zu lassen. Warme Luft, die nach Duftölen, Tee, Toast und Parfüm roch, strömte ihnen entgegen. Die junge Frau hatte sich in einen viel zu großen Morgenrock gehüllt und erwiderte ihre Blicke nicht, schien sich auf diese Weise gegen ihre unerwünschte Anwesenheit schützen zu wollen. Sie erschauderte ein wenig, vielleicht wegen der Kälte, die mit den Gästen in die Wohnung eindrang.
Die Diele hätte als geräumige Einzimmerwohnung genutzt werden können ‒ das Bett hätte bequem an die linke Wand gestellt werden können, rechts eine Kochnische, und trotzdem wäre noch immer genug Platz für ein kleines Sofa, einen Tisch und zwei Sessel gewesen. Die Diele war jedoch nicht als Wohnung eingerichtet, sondern eben als Diele, als Übergang zwischen der Außenwelt und dem Inneren der Wohnung, und bot ausreichend Platz für die große Menge an Mänteln, die hier aufbewahrt wurden. Und das alles ließ auf die Ausmaße der restlichen Wohnung schließen.
»Legen Sie ab.« Die Stimme klang leise und ausdruckslos. »Ich bin Pernilla. Die jüngste Tochter.«
Monika wollte sich und Idriss vorstellen, doch Pernilla hatte ihnen schon den Rücken gekehrt. Sie führte die Gäste durch einen Bogengang in einen für Monikas Maßstäbe riesigen Raum, in dem es von Möbeln, Katzen und Menschen nur so zu wimmeln schien.
»Da sind sie.« Mit diesen Worten schien Pernilla ihre Pflichten als erfüllt zu betrachten. Sie lief zwischen Stühlen, Hockern, niedrigen Tischen und hohen Kissen umher, bevor sie sich auf die Ecke eines großen roten, abgenutzten Ledersofas sinken ließ.
Bei genauerem Hinsehen stellte es sich heraus, dass sich nur drei weitere Personen in dem Zimmer aufhielten, zwei junge Frauen und ein etwas älterer Mann. Dazu kamen eine lebendige Katze und einige Dutzend aus Ton oder Stoff. Der Eindruck von Gewimmel entstand dadurch, dass die Wände von Plakaten, Portraits und Fotos bedeckt waren, die allesamt Menschen zeigten. Auf dem Couchtisch und dem Flügel standen zahlreiche gerahmte Fotos, zwei Büsten, eine aus Gips und eine aus Ton, flankierten den Bogengang. Die eine stellte vermutlich Lottie im Alter von fünfundzwanzig dar. Es war eines der ungewöhnlichsten und schönsten Zimmer, die Lottie je gesehen hatte.
Die eine Frau erhob sich und kam ihnen entgegen. Ihre Kleidung sorgte dafür, dass man zuerst ihren Körper ansah ‒ groß, durchtrainiert und nahezu ohne Hüften oder Brüste. Als Nächstes fielen die Haare mit ihrem modischen Schnitt und die schmale schwarze Brille mit den dicken Bügeln auf.
»Hallo. Jenny Hagman. Könnten Sie uns sagen, was eigentlich los ist? Zuerst stehen Sie um sechs Uhr morgens vor der Tür und behaupten, meine Mutter sei aller Wahrscheinlichkeit nach schnell und schmerzlos gestorben, dann ruft jemand an und sagt, wir müssten einige Fragen beantworten, und gleich darauf kommen dann Sie.«
Plötzlich erkannte Monika, wen sie vor sich hatte. Jenny Hagman entwarf kühle und nüchterne Kleidungsstücke für kühle und nüchterne Zwanzigjährige, und zwar mit großem Erfolg.
Jetzt war es wohl angebracht, sich endlich vorzustellen.
»Hallo. Polizeiinspektorin Monika Pedersen und Polizeiinspektor Idriss Al-Khalili von der Kriminalpolizei City.«
Monika hasste ihren Titel. Sie wollte Kriminalkommissarin sein, Polizeiinspektorin klang wie etwas ganz anderes, wie Ladenkontrolleurin oder Warenprüferin. Dieser Titel ließ sie kleiner werden. Sie war umklassifiziert worden, ohne dass jemand sie gefragt hätte, was ihr wie eine halbe Kündigung erschien.
Jenny starrte sie noch immer an, deshalb fuhr Monika fort: »Ja, es tut mir Leid, dass wir Sie gerade jetzt stören müssen, wo Sie natürlich in Ruhe gelassen werden wollen, und wir möchten Ihnen unser Beileid aussprechen. Aber wir sind gekommen, um Ihnen zu helfen.«
Sie berichtete kurz über die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung und sagte, dass sie mehr Informationen über Lottie brauchte. Die Sache mit dem Auge ließ sie unerwähnt.
»Sie wissen also nicht, was passiert ist«, sagte Jenny herausfordernd.
»Wir wissen, dass ein einfacher Sturz höchstwahrscheinlich nicht zu diesen Verletzungen geführt haben könnte. Deshalb sind wir hier.«
»Unwahrscheinliche Dinge können aber trotzdem passieren. Hätten Sie nicht warten können, bis Sie sicher sind, falls Sie das überhaupt jemals sein werden? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand, der sie gekannt hat, sie ermordet haben könnte, und wenn es jemand war, der sie nicht kannte, dann können wir Ihnen auch nichts sagen, das weiterhilft.«
Kühle Logik, und interessant. Sie hatte nicht das Übliche gesagt, nämlich, dass niemand Lottie etwas angetan haben könnte, dass sie der liebste Mensch auf der ganzen Welt gewesen sei.
Monika fragte sich, wie sie hier irgendeine Form von Zusammenarbeit entwickeln sollte. Die kleine Menschengruppe in diesem Zimmer hatte sich gegen die Eindringlinge zusammengeschlossen und kam ihr alles andere als hilfsbereit vor. Ein misstrauischeres Gemüt hätte vielleicht angenommen, dass sie etwas zu verbergen hatten, aber Monika konnte sich noch allerlei andere Gründe vorstellen, aus denen sie nichts mit ihr zu tun haben wollten.