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Nicht selten hat man das Gefühl, das Leben wird von Außen bestimmt. Im Alltag scheint ein Autopilot uns zu leiten und wir bewegen uns wie Akteure durch das Leben – ohne selbst Verantwortung zu übernehmen. Wie aber können wir die Kontrolle über unser Leben zurückgewinnen und unser Leben wieder in die eigene Hand nehmen?Mit dem Begriff der "Inneren Achtsamkeit" führt Åsa Nilsonne ihre Leser zurück zu sich selbst. Sie zeigt uns mit einfachen Mitteln, wie man seine eigenen Gedanken und Taten gezielt steuern kann und damit die Regie über sein eigenes Leben zurückgewinnt.WER FÜHRT REGIE IN MEINEM LEBEN ist ein kluger Ratgeber für alle, die Lust haben, sich selbst besser zu verstehen. Mit praktischen Tipps!Åsa Nilsonne ist eine schwedische Ärztin, Professoren für Psychiatrie und der Karolinska Universität und Autorin. Sie wurde 1949 geboren und verbrachte als Diplomatenkind einen Großteil ihrer Kindheit in Libanon, Äthiopien, Thailand und Schweden. 1991 debütierte Nilsonne mit dem Roman "Tunnare än blod"(dt. "Dünner als Blut") als Krimiautorin. Seitdem schreibt sie neben ihrer Tätigkeit als Professoren für Psychiatrie sowohl Romane als auch Sachliteratur. Für ihre Kriminalromane wurde Nilsonne im Herbst 2000 mit dem schwedischen Poloni-Preis ausgezeichnet. Ihr bekanntestes Sachbuch ist der psychologische Ratgeber "Vem är det som bestämmer i ditt liv?" (dt. "Wer führt Regie in meinem Leben"). Åsa Nilsonnes Romane und Sachliteratur wurden in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt und begeistert fortwährend internationales Publikum. -
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Seitenzahl: 148
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Åsa Nilsonne
Saga Egmont
Wer führt Regie in meinem Leben?
Aus dem Schwedischem von Knut Krüger nach
Vem är det som bestämmer i ditt liv?
Copyright © 2004, 2017 Åsa Nilsonne og Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711466032
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach
Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Als ich 14 Jahre alt war, wurde mein Vater, ein Diplomat, nach Bangkok versetzt. In den folgenden drei Jahren lernte ich den Buddhismus als Religion und Lebensstil kennen. Es war unmöglich, sich nicht für einen Verhaltenskodex zu interessieren, der auf Toleranz und Respekt basierte – und sich so wesentlich von dem unterschied, was ich in christlichen oder muslimischen Gesellschaften erlebt hatte.
Es war mir eine große Freude, an diese Zeit anknüpfen zu können, als ich mich in den letzten zehn Jahren mit der Dialektischen Verhaltenstherapie (DVT) beschäftigt habe, deren therapeutische Interventionen nahezu alle auf dem Zen-Buddhismus gründen.
Wie wunderbar, dass die Psychiatrie so großen Nutzen aus einer Lebensphilosophie ziehen kann, die nicht in erster Linie für Menschen mit psychischen Problemen entwickelt wurde, sondern für alle Menschen, die nach einem Weg suchen, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Innerhalb der Psychiatrie kommen wir kaum umhin, eine Trennlinie zwischen Klient und Therapeut zu ziehen, doch könnte es lohnenswert sein, einmal darüber nachzudenken, ob die Schwierigkeiten, denen wir in unserem Leben begegnen, nicht ähnlicher Natur sind. Der Unterschied könnte mehr eine Frage des Grades als der Art sein.
Dieses Buch basiert im Wesentlichen auf den praktischen Erfahrungen, die ich im Umgang mit meinen Patienten gesammelt habe. Zum einen liegt dies auf der Hand, zum anderen möchte ich daran erinnern, dass die Grenze zwischen Patienten und Nicht-Patienten nicht immer klar zu erkennen ist.
Mein Buch richtet sich an Menschen, deren Probleme so schwerwiegend sind, dass sie professioneller Hilfe bedürfen, aber auch an jene, die sich darum bemühen, ihr »normales« Leben – mit all den üblichen Problemen, die nun mal dazugehören – in den Griff zu bekommen. Da die geistige Dimension der therapeutischen Arbeit schwer zu erlernen ist, hoffe ich, dass dieses Buch auch für Therapeuten von Nutzen sein kann, die das Prinzip der Inneren Achtsamkeit in ihre Arbeit integrieren wollen.
Nach unserer gemeinsamen Arbeit an dem Buch Dialektische Verhaltenstherapie bei emotional instabiler Persönlichkeitsstörung hatten Anna Kåver und ich unabhängig voneinander dieselbe Idee: Wir wollten beide ein kleines, hübsches, praktisches Buch schreiben. Was wir auch getan haben: Wir haben unsere Bücher alleine geschrieben und doch eng zusammengearbeitet!
Mein Buch erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende Einführung in die Prinzipien des Zen-Buddhismus oder der Meditation zu sein – es gibt andere ausgezeichnete Werke, die diesen Zweck erfüllen. Ich hatte vielmehr im Sinn, eine konkrete Einführung zu einigen Anwendungsmöglichkeiten der Inneren Achtsamkeit (mindfulness) zu schreiben. Die Auswahl der Anwendungsmöglichkeiten entspringt meiner subjektiven Perspektive. Sie haben mir und vielen meiner Klienten das Leben erleichtert. Ein anderer Psychotherapeut, der sich mit Innerer Achtsamkeit beschäftigt, hätte sicherlich andere Schwerpunkte gewählt ich als, was vollkommen in Ordnung ist.
Ein Letztes: Innere Achtsamkeit ist eine Fertigkeit. Was damit gemeint ist, dürfte nicht schwer zu verstehen sein, doch braucht es Übung, Übung und nochmals Übung, um die Innere Achtsamkeit in den wechselvollen Momenten des Lebens auch wirklich zur Entfaltung kommen zu lassen.
Viel Glück dabei!
Åsa Nilsonne
Mein Dank gilt in erster Linie Anna Kåver, meiner geschätzten Mitautorin von Dialektische Verhaltenstherapie bei emotional instabiler Persönlichkeitsstörung, die darüber hinaus jahrelang Mitglied meines Teams war. Dieses Mal haben wir unabhängig voneinander – und doch gemeinsam – geschrieben, was ebenfalls eine schöne und lehrreiche Erfahrung war.
Ein besonderer Dank geht an Professor Marie Åsberg, die mit viel Umsicht dafür gesorgt hat, dass sich die DVT in Schweden so schnell etablieren konnte. Ohne Maries persönliche, finanzielle und praktische Unterstützung hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können.
Ebenso großer Dank gebührt Professor Marsha Linehan, deren Bücher meiner Arbeit zugrunde liegen. Gedankt sei auch Alan Fruzzetti, Heidi Heard, Armida Rubio-Fruzzetti sowie dem DVT-Team mit Eva Andersson, Tord Berndtson und Håkan Götmark, die mir alle geholfen haben, das Wesen der Inneren Achtsamkeit zu verstehen und für meine Arbeit nutzbar zu machen.
Erst die praktische Erfahrung mit DVT hat dieses Buch möglich gemacht – ich danke allen Patienten und Therapeuten, die mich auf diesem Weg begleitet haben!
Klara Hedefalk und Pernilla Juth bin ich für ihre konstruktiven Kommentare dankbar. Ein ganz besonderer Dank gilt Lena Forssén und Lena Albihn vom Verlag »Natur och Kultur«, deren positive und kompetente Unterstützung einmal mehr von unschätzbarem Wert war.
Ein letzter Dank geht an mein kleines, feines iBook, das mir in den verschiedensten Zusammenhängen treue Dienste leistete.
Wir leben hier begrenzte Zeit,
mit viel Beschwer und großem Leid.
Muss das Leben wirklich so viel Beschwer und Leid mit sich bringen? Diese Frage hat die Menschen von jeher beschäftigt, und meist ist es die Religion gewesen, die uns erklärt hat, woher das Leid kommt und wie wir ihm begegnen können.
Doch das Monopol der Religion, die Nöte und Orientierungslosigkeit der Menschen zu interpretieren, ist ins Wanken geraten. Das wird deutlich, wenn wir uns die Einstellung zum Selbstmord anschauen – der wohl äußersten Konsequenz menschlichen Schmerzes. Früher wurde Selbstmord als Sünde betrachtet, als Verstoß gegen Gottes Gebote. In moderner Zeit sah man ihn als weltliches Verbrechen an, und die Justiz hat zwischenzeitlich in manchen Ländern den missglückten Versuch unternommen, das Verhalten der Menschen zu lenken, indem sie die Todesstrafe für Selbstmordversuche einführte. Dann setzte sich allmählich eine medizinische Betrachtungsweise durch: ein suizidgefährdeter Mensch gilt mittlerweile als krank und hilfsbedürftig.
Heutzutage muss die Medizin ihr Territorium verteidigen. Zwar ist im Allgemeinen das Gesundheitswesen für psychische Leiden verantwortlich, doch existiert eine riesige Grauzone. Wohin sollen wir uns wenden, wenn wir über den Sinn des Lebens sprechen wollen, wenn wir unglücklich sind und nicht weiterwissen, wenn wir daran verzweifeln, dass unser Leben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen in anderen Bahnen verlaufen, als wir uns das vorgestellt haben?
Hier scheinen Spiritualität und Psychotherapie zu Schwestern im Geiste geworden zu sein – beide bieten den Menschen aus unterschiedlicher Perspektive ihre Hilfe an, um das Leben in den Griff zu bekommen. Zeitweise waren sie erbitterte Rivalen. Deshalb ist es begrüßenswert, dass wir nun in der Lage sind, zwei Sichtweisen miteinander zu versöhnen, die früher als unvereinbar galten. Die Form der Religion/Spiritualität, auf die ich in diesem Buch abziele, ist mindfulness, ein schwer zu übersetzender Begriff aus dem Zen-Buddhismus, den ich im Folgenden als »Innere Achtsamkeit« bezeichnen werde.
Der Buddhismus hat im Laufe seiner Geschichte verschiedenste Ausprägungen erfahren, und der Begriff der »Inneren Achtsamkeit« ist vielgestaltig beschrieben worden. Ich halte mich an Thich Nhât Hanh, der unter »Innerer Achtsamkeit« die Kunst versteht, ganz im gegenwärtigen Moment zu leben und jeden einzelnen Augenblick des Tages mit nicht nachlassender Präsenz zu begleiten. Mit anderen Worten: Man sollte nicht nur stets wissen, wo man sich gerade befindet, sondern auch, wohin der Weg führt.
Da der Begriff der Inneren Achtsamkeit mittlerweile Gegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Definitionen geworden ist, lässt sich seine Bedeutung nicht mehr eindeutig festlegen. Dennoch ist er ins Blickfeld von Psychiatern und Psychologen gerückt, weil er sich als wertvolle Ergänzung zur psychotherapeutischen Terminologie erwiesen hat. Derzeit ist man bemüht, die Anwendbarkeit des Begriffs in der modernen Psychologie zu klären, was sich als nicht ganz einfach erweist. Innere Achtsamkeit kann als psychologischer Prozess verstanden werden – oder auch als Resultat dieses Prozesses. In der Psychotherapie wird die Innere Achtsamkeit teils als psychotherapeutische Technik, teils als Sammelbegriff für verschiedene Techniken beschrieben.
Als Psychiaterin interessiert mich vor allem die praktische Anwendung: Wozu ist Innere Achtsamkeit gut? Inwieweit kann sie uns helfen?
Meine Antwort darauf ist, dass Innere Achtsamkeit es uns erleichtert, die Kontrolle über uns und unser Leben zu gewinnen. Sicherheitshalber sollte ich hinzufügen, dass es keinesfalls darum geht, eine übertriebene Selbstkontrolle auszuüben. Es geht eher darum, sich der Realität zu öffnen, die eigenen Reaktionen zu verstehen und somit kluge Entscheidungen treffen zu können.
Im Laufe unseres Lebens werden wir mit Liebe und Betrug, mit Fortschritten und Rückschlägen konfrontiert. Wir müssen damit leben, dass andere nicht nach unserer Pfeife tanzen und – was viel schlimmer ist – dass selbst unsere eigenen Handlungen nicht immer unserem Willen gehorchen. Oft wissen wir nicht, was wir tun sollen. Und wenn wir es wissen, gibt es immer noch viele Gründe, die uns davon abhalten, dieses Wissen in die Tat umzusetzen. Es kann äußerst schwierig sein, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und das Leben im Allgemeinen zu meistern.
In diesem Buch widme ich mich einem praktischen Aspekt der Inneren Achtsamkeit, der meist als »Selbstbeobachtung« (guarding the mind) bezeichnet wird. Es geht mir vor allem um deren konkrete Anwendung. Die technische Diskussion über die Definition der Inneren Achtsamkeit überlasse ich den psychologischen Theoretikern, die religiöse Diskussion den religiösen Autoren.
Vor ungefähr 2500 Jahren zog im nördlichen Indien ein junger Prinz in die Welt, um das Leben besser verstehen zu lernen. Sein Name war Gautama Siddharta. Seine Gedanken und Erfahrungen bilden die Grundlage des Buddhismus – einer Lebensphilosophie oder Religion, die in ganz Asien Verbreitung fand. Auf seinem Weg gen Osten wurde der Buddhismus vom chinesischen Taoismus beeinflusst und schließlich, nachdem er Japan erreicht hatte, Zen genannt.
Der Zen-Buddhismus ist keine Religion, die dem Christentum oder dem Islam vergleichbar wäre. Es handelt sich eher um eine Philosophie, deren Schwerpunkt auf der geistigen Entwicklung liegt. Diese wird vor allem durch Meditation gefördert. Im Gegensatz zum Judentum, Christentum und Islam gibt es nicht die Vorstellung eines allmächtigen Gottes, der seine Gebote und Verbote ausspricht.
Ein zentraler Aspekt des Zen-Buddhismus ist der Glaube, dass alles, was wir denken, empfinden und tun, Konsequenzen für uns selbst und andere hat. Daher sollten wir bestrebt sein, unser Inneres zu verstehen und zu lenken, damit wir so klug wie möglich denken, empfinden und handeln können. Da unsere Handlungen an die Gegenwart gebunden sind, legt der Zen-Buddhismus großen Wert darauf, diese Gegenwart bewusst zu erleben und zu begreifen. Ziel ist es, im Hier und Jetzt zu leben, ohne unsere Umwelt oder unsere Reaktion auf sie als gut oder schlecht, richtig oder falsch zu beurteilen. Dieses Streben nach einem nicht wertenden Verhalten bedeutet jedoch keineswegs, dass man nicht reagieren oder mit seiner Meinung hinterm Berg halten soll. Das Resultat eines nicht wertenden Verhaltens könnte vielmehr so aussehen: Anstatt jemanden als »herzlos und egoistisch« zu beschimpfen, könnte man sagen: »Wenn du mir dein Auto nicht leihen willst, obwohl du es selbst nicht benutzt und ich es dringend brauche, macht mich das traurig und wütend.« Wir werden im nächsten Kapitel darauf zurückkommen.
Die Innere Achtsamkeit – unser Vermögen, der Gegenwart mit wachen Sinnen zu begegnen – fördert unser Verständnis dafür, wie wir unsere Umwelt zur Kenntnis nehmen, sie beurteilen und auf sie reagieren. Bringen wir dem gegenwärtigen Augenblick diese Achtsamkeit entgegen, steigern wir unsere Wahrnehmungsfähigkeit und lernen etwas darüber, wie uns die Umwelt beeinflusst.
Doch was müssen wir tun, um achtsamer zu werden? Zunächst beobachten und dann beschreiben, ohne ein Werturteil zu fällen. Der nächste Schritt ist die vollkommene innere Beteiligung an allem, was um uns herum geschieht. Wir konzentrieren uns auf unser Leben und gewinnen zunehmend Kontrolle darüber.
Denken Sie daran, was geschieht, wenn wir ein Computerspiel spielen. Weil unablässig etwas passiert, dürfen wir unsere Konzentration in keiner Sekunde vernachlässigen. Innere Achtsamkeit bedeutet, jedem Moment des Alltags dieselbe Konzentration entgegenzubringen.
Ich habe vorhin von Selbstbeobachtung gesprochen. Sie vermittelt uns eine Vorstellung davon, wie die Innere
Beobachten: Unsere Handlungen, Gefühle, Gedanken und Reaktionen bewusst zur Kenntnis nehmen. Konzentration auf den Augenblick.
Beschreiben: Unsere Eindrücke in Worte fassen. Unsere Reaktionen von den Vorgängen unterscheiden, die sie verursacht haben. Unsere Gedanken und Gefühle als subjektiven Reflex auf Situationen und Handlungen begreifen.
Nicht werten: Beobachten und beschreiben, ohne sich Werturteilen wie »richtig« oder »falsch« zu bedienen. Seine Aufmerksamkeit hingegen auf Handlungen und Konsequenzen richten.
Anteil nehmen: Flexibel und spontan an den Geschehnissen der Umwelt teilnehmen ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten.
Modifiziert nach Marsha Linehan
(siehe Literaturhinweise)
Achtsamkeit uns einen größeren Einfluss auf unser Leben ermöglicht. Indem wir uns vergegenwärtigen, welche Sinneseindrücke, Gedanken und Gefühle unser Bewusstsein prägen, können wir auch verstehen, inwieweit wir uns von äußeren Eindrücken beeinflussen lassen.
Indem wir unsere Aufmerksamkeit kontrollieren, können wir selbst entscheiden, auf welche Aspekte der Umwelt wir reagieren wollen. Wir erhalten quasi ein funktionierendes Werkzeug, das wir benutzen können, um unsere Ziele zu erreichen.
Das Bild, das mir am meisten geholfen hat, das Prinzip der Inneren Achtsamkeit zu verstehen, ist die Theaterbühne. Auf diesem Bild baut das Buch auf.
Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, dass all Ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle auf einer inneren Bühne vor sich gehen. Sie selbst sitzen entspannt im dunklen Zuschauerraum und lauschen mehr oder minder konzentriert. Um zu verstehen, was ich meine, können Sie auch folgende Übung durchführen:
Lesen Sie zunächst die folgenden zwei Absätze. Wenn Sie das getan haben, schließen Sie die Augen und konzentrieren sich voll und ganz auf die Geräusche Ihrer Umgebung. Fahren Sie ein, zwei Minuten damit fort; bleiben Sie ganz ruhig; nehmen Sie immer mehr Geräusche wahr; registrieren Sie, wie sie sich verändern, und füllen Sie die Bühne mit diesen Geräuschen. Nichts anderes mehr ist von Bedeutung.
Dann widmen Sie sich einem anderen Sinneseindruck – öffnen Sie die Augen und konzentrieren Sie Ihren Blick auf einen Gegenstand in Ihrer Umgebung. Es spielt keine Rolle, auf welchen. Versuchen Sie Ihre Aufmerksamkeit für ein, zwei Minuten nur auf diesen Gegenstand zu richten. Falls Sie die Konzentration verlieren, versuchen Sie es erneut. Möglicherweise müssen Sie mehrere Anläufe nehmen, bis es Ihnen gelingt. Halten Sie durch!
Dies ist der Anfang.
Was ist geschehen? Sie haben entschieden, was auf Ihrer inneren Bühne im Rampenlicht stehen soll. Wahrscheinlich haben Sie einige Hintergrundgeräusche gehört, die Sie erst wahrnahmen, nachdem Sie die Augen geschlossen hatten. Vermutlich haben Sie bei dem Gegenstand, den Sie danach angesehen haben, auch mehr Details entdeckt als zuvor. Damit hat sich Ihre Wahrnehmung der Umwelt bereits ein wenig geändert. Das ist die tragende Idee dieses Buches: Es soll Ihnen helfen, Ihre Sinne zu schärfen. Darüber hinaus werden Sie ein paar praktische Tipps erhalten, welchen Nutzen Sie daraus ziehen können.
Ich betrachte die Innere Achtsamkeit als eine Möglichkeit, bei Bedarf das Kommando auf der eigenen inneren Bühne zu übernehmen. Wer soll auftreten? Wem will ich zuhören? Wovon will ich mich beeinflussen lassen?
Das ist die eine Seite der Medaille. Das steuern zu können, was sich auf unserer inneren Bühne abspielt, ist in mehrfacher Hinsicht von unschätzbarem Wert. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir gut daran tun, unser Repertoire zu vernachlässigen. Diese andere Seite der Medaille heißt Akzeptanz – die Fähigkeit, die Vorgänge auf unserer inneren Bühne wahrzunehmen, ohne sie beeinflussen zu wollen. Ideal ist eine ausgewogene Balance zwischen Steuerung und Akzeptanz, damit sich das Theater den wechselnden Umständen anpassen kann.
Wenden wir uns wieder unserer Wahrnehmungsfähigkeit zu. Sie können sich Ihre Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer vorstellen. Wenn Sie die Kontrolle über den Scheinwerfer haben, können Sie beispielsweise einen nebensächlichen Gegenstand ins Rampenlicht rücken. Versuchen Sie es mit der nächsten Übung:
Vermutlich schenken Sie Ihrer Zunge im Alltag nur wenig Beachtung. Sie ist nur ein Statist. Wenn Sie während des Lesens etwas essen oder trinken, wird Ihnen die Zunge allenfalls einen Geschmack oder eine Temperatur mitteilen.
Lassen Sie der Zunge auf Ihrer inneren Bühne nun eine Hauptrolle zukommen. Richten Sie Ihre volle Konzentration auf sie. Spüren Sie, wie sie in Ihrem Mund liegt und mit der Spitze die Vorderzähne berührt. Fahren Sie mit ihr an den hinteren Zähnen entlang. Registrieren Sie, wie sich ihre Oberseite an den Gaumen presst und wie sie sich in der Kehle anfühlt.
Überprüfen Sie nun, wie sich Ihre Wahrnehmung geändert hat. Die meisten, die sich derart auf ihre Zunge konzentrieren, haben das Gefühl, sie schwelle an. (Keine Sorge, diese Übung ist absolut ungefährlich.) Das ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie aus einer Neben-eine Hauptrolle werden kann – oftmals auf Kosten anderer, eigentlich interessanterer Darsteller.
Die innere Bühne befindet sich in unserem Gehirn. Ein Umstand, der die alten Griechen, die glaubten, Gedanken und Gefühle gingen vom Herzen aus, sicher überrascht hätte. Die Arbeitsbeschreibung des Gehirns lässt sich etwa so formulieren:
Informationen über die Umwelt und den Körper einholen
Entscheiden, wie wir uns unter den gegebenen Umständen verhalten sollen; Ausarbeiten eines intelligenten Plans
Ausführen!
Resultat prüfen
Bei Bedarf den Plan revidieren und einen neuen Versuch starten
Unterstützt wird das Gehirn von unserer Sinneswahrnehmung. Manche Sinne richten sich nach außen (hören, sehen, riechen), während andere nach innen gerichtet sind: Empfindsame Sensoren stellen fest, wie viel Zucker, Säure und Kohlendioxid in unserem Blut vorhanden sind. Sie geben die Körpertemperatur bekannt und berichten über Liebkosungen und schmerzhafte Berührungen.
Einige der Sinne lassen sich steuern – wir entscheiden selbst, was wir ansehen, schmecken oder berühren wollen. Andere stehen mit Teilen des Gehirns in Verbindung, die unserem Bewusstsein nicht zugänglich sind – Herzschlag und Atmung funktionieren quasi »von allein«. Ein Schmerz meldet sich gemeinhin, auch wenn wir nicht nach ihm suchen.
Informationen werden ständig weitergegeben, doch nur ein verschwindend kleiner Teil von ihnen erreicht unsere innere Bühne. Interessant daran ist, nach welchen Kriterien sie ausgewählt werden.