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HEIßES HAPPY END IN GRIECHENLAND von PHILIPS, SABRINA Heiße Genugtuung erfasst den Milliardär Orion Delikaris, als er die schöne Adlige Libby in Athen wiedersieht. Nie hat er vergessen, dass sie ihn verließ, als er noch ein Niemand war. Nun soll sie dafür büßen! Das schwört er sich - nur sein Herz hält dagegen. PALAZZO DER LIEBE von WILKINSON, LEE Stephen Haviland hat Sophia nach Venedig eingeladen - der Mann, der dem Bild ihres Traummanns bis aufs Haar gleicht. Und während er ihr die Lagunenstadt zeigt, spürt sie: Stephen ist nicht nur ein zärtlicher Liebhaber, sondern auch der Schlüssel zu ihrem Familiengeheimnis. RIVALINNEN UM FÜRST RICARDO von HOOD-STEWART, FIONA Hochzeitsglocken läuten, Menschen jubeln, und strahlend winkt Gabriella an der Seite des Fürsten Ricardo von Maldoravien. Doch kaum ist die Traumhochzeit vorbei, wird ihre junge Ehe auf eine schwere Probe gestellt ...
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Seitenzahl: 528
Sabrina Philips, Lee Wilkinson, Fiona Hood-Stewart
ROMANA EXKLUSIV BAND 298
IMPRESSUM
ROMANA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Erste Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg, in der Reihe: ROMANA EXKLUSIV, Band 298 – 2018
© 2010 by Sabrina Philips Originaltitel: „Greek Tycoon, Wayward Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christiane Hesse Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 324
© 2007 by Lee Wilkinson Originaltitel: „The Padova Pearls“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gudrun Bothe Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1823
© 2006 by Fiona Hood-Stewart Originaltitel: „The Royal Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anike Pahl Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 262
Abbildungen: neirfy / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733744519
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY
„Laut Umfrage, Mr. Delikaris, liegt Spyros in der Wählergunst leider immer noch vorn.“
Orion starrte auf das Stufendiagramm der Powerpoint-Präsentation. Nach außen hin wirkte er ruhig – lediglich das Zucken eines Wangenmuskels verriet seine innere Anspannung. Schließlich warf er seinem Wahlkampfmanager, der neben ihm an dem blankpolierten Konferenztisch saß, einen eisigen Blick zu. Niemals gestattete Orion sich, einen Fehlschlag auch nur in Betracht zu ziehen, und diese Einstellung erwartete er auch von den Mitgliedern seines Teams. Dafür bezahlte er sie immerhin.
„Wir haben natürlich Fortschritte gemacht“, fügte der Mann, dem die Missbilligung seines Chefs nicht entgangen war, hastig hinzu. „Vor allem, seit der Schwerpunkt unserer Kampagne auf den Investitionen liegt, die Sie für den sozialen Wohnungsbau und das neue Krankenhaus vorsehen. Allerdings reichen die Fortschritte nicht ganz an unsere Erwartungen heran.“
Er wechselte zu einem Vergleichsdiagramm, das ein anderes Umfrageergebnis zeigte – ein weitaus positiveres nämlich. Es brachte Orion erst recht in Rage, denn es verdeutlichte, wie wenig die Prognose seines Teams zutraf.
„Soll das heißen, ein Mann, der genauso korrupt ist wie sein berüchtigter Vater, ist immer noch der beliebtere Kandidat? Obwohl der Schwerpunkt unseres Wahlkampfs genau auf den Themen liegt, die in Metameikos am dringendsten anzugehen sind?“ Orion warf jedem in der Runde einen vernichtenden Blick zu. „Hätte vielleicht einer von Ihnen die Güte, mir zu erklären, wie das möglich ist?“
Ein unbehagliches Schweigen breitete sich im Raum aus.
Schließlich ertönte vom Ende des Tisches eine Stimme: „Vielleicht trauen die Menschen in Metameikos der Sache ja nicht so ganz.“
Es war förmlich zu spüren, wie die anderen Sitzungsteilnehmer den Atem anhielten. Langsam wanderte Orions Blick zu der Person, die gesprochen hatte. Es war Stephanos, ein Assistent des Wahlkampfmanagers und ganz neu im Team – außerdem der Jüngste der Anwesenden.
„Und? Weiter?“
„Die Menschen sehen in Ihnen einen Milliardär, der plötzlich aus einer Laune heraus beschlossen hat, von nun an die Politik in ihrer Provinz zu bestimmen – zumindest fragen sie sich, welche Motive dahinterstecken.“ Stephanos hielt inne und wartete darauf, dass sich Rions Zorn über ihn ergoss. Als das Donnerwetter jedoch ausblieb, fasste er sich ein Herz und fuhr fort: „Auch wenn Sie genau das versprechen, was die Bevölkerung am dringendsten braucht, bleibt man skeptisch, ob Sie den Worten auch Taten folgen lassen. Vielleicht halten die Leute Ihre Kandidatur für eine exzentrische Idee. Oder man befürchtet für den Fall Ihrer Wahl, dass Ihre Geschäfte in Athen Sie zu stark beanspruchen würden, um sich Ihrer neuen Rolle mit vollem Einsatz widmen zu können. Wir wissen natürlich, wie unbegründet diese Befürchtungen sind, aber die Menschen nicht. Sie bleiben lieber beim Altbewährten – bei dem, was sie kennen, auch wenn ihnen das Nachteile bringt.“
Nachdenklich betrachtete Orion Stephanos. Der Junge besaß Rückgrat, das gefiel ihm. Er entdeckte darin eine Ähnlichkeit mit sich selbst. Außerdem begriff er, dass die Mechanismen in der Politik anderen Gesetzen folgten als im Geschäftsleben. An der Wahlurne trafen die Menschen ihre Entscheidung mit dem Herzen und weniger mit dem Verstand. Im Prinzip wusste Orion das auch, doch er hatte ein Phänomen unterschätzt: Anstatt sich auf etwas Neues einzulassen, neigten die Menschen dazu, sich für das Altbewährte zu entscheiden, auch wenn sie dadurch Chancen vergaben. Orion selbst hingegen würde eine neue Gelegenheit jederzeit ergreifen.
„Welche Strategie würden Sie denn vorschlagen?“
Die anderen am Tisch tauschten erstaunte Blicke, und der Wahlkampfmanager sah brüskiert zur Seite.
Stephanos holte tief Atem. „Damit die Menschen Ihnen glauben, muss es Ihnen gelingen, eine Vertrauensebene zu schaffen. Sie müssen sie davon überzeugen, dass Sie ihre Wertvorstellungen – die guten alten griechischen Tugenden – teilen.“
Rion zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Seine Wertvorstellungen entsprachen genau den guten alten Traditionen – und zwar seit jeher. Daran hatte sich nichts geändert. „Immerhin bin ich in Metameikos aufgewachsen“, betonte er, „das spricht ja wohl für sich.“ Seine Kindheit dort hatte ihn geprägt und zu dem gemacht, was er war.
„Dann überzeugen Sie die Menschen davon, dass Sie den Ort noch immer als Ihre Heimat betrachten.“ Allmählich redete Stephanos sich warm. „Überzeugen Sie sie, dass Ihr Haus nicht nur eine weitere Ihrer zahlreichen Immobilien ist, sondern Sie vorhaben, sich dort niederzulassen.“
„Und wie soll mir das – Ihrer Meinung nach – gelingen?“
„Wollen Sie das wirklich wissen?“, fragte Stephanos zögernd. Zum ersten Mal schien er Bedenken zu haben, seine Gedanken freimütig zu äußern. „Meiner Meinung nach wäre es am überzeugendsten, wenn Sie mit einer Ehefrau an Ihrer Seite nach Metameikos zurückkehrten.“
Schlagartig verfinsterte sich Orions Miene. „Dann kann ich nur hoffen, dass Ihnen noch ein anderer Vorschlag einfällt, denn das ist unmöglich.“
Libby starrte auf das wuchtige dreidimensionale Delikaris-Logo vor dem imposanten Eingang des modernen Bürohochhauses. Die riesigen Lettern rotierten in einem Brunnen langsam um die eigene Achse. Wieder sagte sie sich, dass sie das einzig Richtige tat. Wie ein Mantra hatte sie innerlich unablässig ihren Vorsatz wiederholt, seit sie wusste, dass sie für die Dauer von Zoes Schwangerschaftspause die Griechenlandtour übernehmen würde.
Nun war sie schon eine Woche in Athen, hatte ihr Vorhaben jedoch immer wieder herausgezögert – und selbst jetzt wäre sie am liebsten auf der Stelle umgekehrt. Wie lächerlich, denn gerade jetzt war der passende Zeitpunkt, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Schließlich hatten sie und Rion seit fünf Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt.
Nur – in Athen zu sein, das Rathaus und ihre alte Wohnung wiederzusehen, rief alte Erinnerungen wach. Aber sie waren nichts anderes als Schatten der Vergangenheit. Immer noch trauerte sie dem Mann von damals nach. Dem Mann, den sie so leidenschaftlich geliebt hatte. Dabei würde sie ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr erkennen, sollte sie ihm zufällig auf der Straße begegnen.
Allein der Fassade des Bürogebäudes nach zu urteilen, schien er sich stark verändert zu haben – so wie sie selbst. Während sie jedoch als Reiseleiterin für Rucksacktouristen um die halbe Welt flog, musste er Tag und Nacht hier gearbeitet haben, um all dies aufzubauen. Dabei war er wahrscheinlich nicht eine Minute lang aus seinem Designeranzug herausgekommen.
Ob er deshalb nie rechtliche Schritte eingeleitet hat, fragte sich Libby zum hundertsten Mal. War er dermaßen beschäftigt, dass er einfach nicht daran dachte, seine Anwälte zu beauftragen? Wahrscheinlich ja, vermutete sie, als sie sich schließlich zwang, durch die gläserne Drehtür zu gehen und an die Rezeption zu treten.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte die junge Frau am Empfang höflich, während sie Libbys Batikkleid und die Jesussandalen mit einem herablassenden Blick musterte. Plötzlich wurde Libby bewusst, dass sie wohl die einzige Frau in dem belebten Foyer war, die weder Kostüm noch hochhackige Schuhe trug. Sie beschloss, sich davon nicht verunsichern zu lassen.
„Ich habe gehofft, Orion Delikaris sprechen zu …“
„Haben Sie einen Termin?“
Natürlich war es nicht gerade ideal, Rion in seinem Büro aufzusuchen. Da Libby seine Privatadresse jedoch nicht hatte, blieb ihr keine andere Wahl. „Nein, ich dachte … weil doch gleich Mittag ist …“
Die Dame am Empfang ließ ein ungläubiges Lachen ertönen und warf mit Schwung ihre wallende Haarmähne nach hinten. „Da haben Sie falsch gedacht. Mr. Delikaris ist ein viel beschäftigter Mann. Er hat keine Zeit für eine Mittagspause.“
Dann hat sich ja nicht viel geändert, dachte Libby trocken. „Wenn Sie vielleicht trotzdem so freundlich wären, Mr. Delikaris anzurufen und ihm die Entscheidung zu überlassen, ob er mich sehen will?“ Es war ihr einmal gelungen, zweiundzwanzig Kamele für eine Wüstentour auszuleihen, nachdem der Führer, der sie begleiten sollte, nicht aufgetaucht war. Da würde sie sich doch nicht von einer Frau abschrecken lassen, deren einzige Waffe es war, sich hinter einer wilden Lockenpracht und ihrer Rezeption zu verschanzen.
Demonstrativ resigniert griff die Empfangsdame zum Hörer und tippte mit einem perfekt manikürten Fingernagel eine Nummer ein. „Electra, meine Liebe, es tut mir wahnsinnig leid, dich stören zu müssen, aber hier ist eine Frau, die darauf besteht, Mr. Delikaris über ihre Anwesenheit zu informieren … ja, wahrscheinlich wieder eine von denen … sie scheint der Annahme zu sein, er würde sie empfangen.“
Sie blickte auf. „Ihr Name, bitte?“
Libby holte tief Luft. „Ich heiße Libby Delikaris. Ich bin seine Frau.“
Im Sitzungszimmer herrschte Totenstille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
„Ich fürchte, zu meinem Vorschlag gibt es keine Alternative“, erwiderte Stephanos. „Sie können nach Metameikos fahren, sooft sie wollen, die regionalen Geschäfte unterstützen und an lokalen Events teilnehmen, um den Bürgermeister auf Ihre Seite zu ziehen. Das wird meiner Meinung nach nicht wirklich etwas ändern. Außer … Sie heiraten und überzeugen so die Bevölkerung, dass Sie wirklich vorhaben, sich dort niederzulassen.“
Rion verzog das Gesicht. „Ich wiederhole: Eine Heirat kommt nicht infrage.“
Konsterniert sah Stephanos ihn an. Dieser Mann hatte geschworen, alles, aber auch alles dafür zu tun, die Wahl zu gewinnen, und jetzt zog er seinen Vorschlag nicht einmal in Erwägung! Aber wahrscheinlich war es besser, das Thema erst einmal ruhen zu lassen. „Nun gut. Wahrscheinlich sähe es auch zu sehr nach Wahlkampftaktik aus, plötzlich eine Heiratskandidatin aus dem Hut zu zaubern.“
Ein Schrillen unterbrach Stephanos. Unwillig ging Rion zum Schreibtisch und drückte eine Taste der Telefonanlage. „Ja?“, sagte er kurz angebunden.
„Es tut mir sehr leid, Sie unterbrechen zu müssen, Mr. Delikaris“, erklang die Stimme der Sekretärin im Raum, „aber hier ist eine Frau, die darauf besteht, dass wir Ihnen ihre Anwesenheit melden.“
„Um wen handelt es sich?“
Die Rezeptionistin räusperte sich unbehaglich. „Sie sagt, sie heiße Libby Delikaris und … sei Ihre Frau.“
Rion erstarrte. Nicht einmal einen Finger hätte er noch bewegen können.
Sie ist zurückgekommen! Endlich betrachtete sie ihn als ebenbürtig.
Das war der Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte. Nicht, dass ihm etwas an ihrer Wertschätzung lag. Nein! Allein aus dem einen Grund wollte er sie zurück: Jetzt konnte er sich endlich rächen.
Siegessicher straffte er seine Haltung. Und plötzlich wurde ihm bewusst: Günstiger konnte der Zeitpunkt gar nicht sein. Dass sie gerade jetzt zurückgekrochen kam, wo er die Menschen davon überzeugen musste, dass ihm die guten alten griechischen Werte etwas bedeuteten! Ein eigenartiger Glanz trat in Rions Augen, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem diabolischen Lächeln. Was für ein perfektes Timing!
„Vielen Dank. Schicken Sie sie herauf“, ließ er seine Sekretärin wissen.
Im Rücken spürte er die entgeisterten Blicke seiner Mitarbeiter, über die er sich nicht besonders wunderte. Schließlich hatte er Libbys Existenz nie erwähnt. Über Fehlschläge oder die Vergangenheit pflegte er nicht zu reden. Da Libby in beide Kategorien gehörte, bemühte er sich, sie aus seinem Gedächtnis zu streichen. Manchmal gelang ihm das sogar.
Entschlossen drehte er sich um. „Meine Herren, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden! Ich fürchte, wir müssen das Meeting zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.“
Schweigend standen die Männer auf und verließen den Raum. Nur Stephanos blieb zurück. „Jetzt ist mir doch noch eingefallen, wie Sie die Bevölkerung davon überzeugen können, dass Sie sich wirklich in Metameikos niederlassen wollen.“ Er blickte Rion geradewegs in die Augen. „Nichts berührt die Menschen mehr als eine Versöhnung zwischen Ehepartnern.“ Dann verließ er schnell das Büro.
Libby hatte ihren Ehenamen seit fünf Jahren nicht mehr benutzt und sich in all der Zeit auch nie als Rions Frau bezeichnet. Dem Gesichtsausdruck der Rezeptionistin nach zu urteilen, hatte auch er kein Wort über ihre Existenz verlauten lassen. Aber offensichtlich war seine Anweisung, sie in sein Büro vorzulassen, Empfehlung genug. Plötzlich entpuppte sich die Dame als die Freundlichkeit in Person. Da Libby nicht den Lift nehmen wollte, erklärte sie ihr mit ausgesuchter Höflichkeit, wie man über das Treppenhaus zu Orions Büro gelangte.
Während sie langsam die Stufen emporstieg, bemühte Libby sich, ihre Zweifel zu ignorieren. Schließlich ist alles längst vorbei und verarbeitet, sagte sie sich – jetzt geht es lediglich noch um Formalitäten. Die Situation war zwar etwas unangenehm, doch sicherlich konnten sie nach all den Jahren wie zwei vernünftige Erwachsene damit umgehen. Vielleicht … vielleicht würde sie danach endlich das heiß ersehnte Gefühl von Freiheit haben, das sich bisher nie einstellen wollte. Mit dieser Hoffnung im Herzen betrat sie die oberste Etage. Sie ging den schier endlos scheinenden Flur entlang und klopfte schließlich an die schwere Mahagonitür, an der Orions Name stand.
„Herein!“
Im dem Augenblick, als Libby das Büro betrat, wurde es ihr schlagartig klar: Sie hatte sich etwas vorgemacht.
Natürlich hielt sie Orion Delikaris für den begehrenswertesten Mann auf dem ganzen Planeten. Dennoch erwartete sie, dass die Zeit auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen haben würde. Aber abgesehen davon, dass er einen sehr teuren Anzug trug, sah er noch genauso aus wie früher. Dasselbe energische, männliche Kinn, unverändert das dichte dunkle Haar und die geheimnisvollen dunklen Augen, die sie schon als Teenager fasziniert hatten. Diese Augen, in deren Tiefe sie an ihrem Hochzeitstag und später in der Hochzeitsnacht versunken war.
Libby unterdrückte den Impuls, sofort auf dem Absatz kehrtzumachen, um vor längst überwunden geglaubten Gefühlen zu flüchten. „Hallo, Rion“, murmelte sie.
Ein Blick genügte, und Rion wurde von einer Woge der Begierde erfasst. Natürlich ist das nur der Jagdinstinkt, sagte er sich sofort, nichts als ein Adrenalinstoß. Immerhin steht da vor mir die Frau, die mich verlassen hat. Sobald sie ihn anflehen würde, sie zurückzunehmen, würde sein Begehren schlagartig erlöschen. Trotzdem ärgerte es ihn, dass sie immer noch diese Wirkung auf ihn ausübte. Vor allem, da sie so … so anders aussah. Ihr volles blondes Haar, das ihr einst wie ein seidiger Vorhang fast bis zur Taille reichte, trug sie jetzt in einer Art Pagenschnitt – einer Frisur, die Rion immer als unweiblich empfunden hatte. Aber er musste zugeben, der Schnitt stand ihr. Auch ihr Körper hatte sich verändert. Ihre einst so zerbrechlich wirkende Figur erschien ihm jetzt durchtrainiert, mit Kurven an den richtigen Stellen.
Rion presste die Lippen fest aufeinander. Ihrem Teint nach zu urteilen, hielt sie sich oft in der Sonne auf. Wahrscheinlich bei Urlaubsreisen in der Karibik, wo sie ihre Zeit am Strand und in Designerboutiquen verbrachte – natürlich von ihren Eltern finanziert. Allerdings passte ihre Kleidung nicht so ganz zu diesem Bild. Vielleicht stand die Firma ihres Vaters, Ashworth Motors, ja vor dem Bankrott – eine Vorstellung, die Orion durchaus gefiel. Das würde seine Rache nur noch versüßen. Er freute sich schon auf ihr Gesicht, wenn er sie abwies.
„Dann bin ich ja mal gespannt“, sagte er schließlich, „warum du so lange gebraucht hast.“
Überrascht sah Libby ihn an. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. Vor allem nicht den feindseligen Ton – aber eigentlich war der ja verständlich …
„Ich habe die Treppe genommen“, antwortete sie spöttisch. Es lag ihr auf der Zunge, hinzuzufügen: Du weißt doch, ich nehme nie den Lift, aber dann fiel ihr ein, dass er das eben nicht wusste. Eigentlich wusste er sehr wenig von ihr – und sie von ihm. „Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme.“
Rion bedachte sie mit einem schwachen Lächeln. „Ganz im Gegenteil, du kommst genau richtig. Ich meinte damit, dass ich dich eigentlich schon vor Jahren erwartet habe, Liberty.“
„Soll das heißen, du hast versucht, mich zu erreichen? Das tut mir leid, aber ich war die letzten Jahre ununterbrochen auf Reisen.“
„Glaube mir, wenn ich dich hätte erreichen wollen, wäre mir das auch gelungen.“
Aber nichts lag ihm ferner. Wozu auch? Er war sich immer sicher gewesen, eines Tages würde sie auf Knien angekrochen kommen. Und dann wäre es an ihm, sie zu demütigen. Auf diesen Augenblick hätte er auch noch zwanzig Jahre länger gewartet.
Irritiert runzelte Libby die Stirn.
„Ich habe dich schon erwartet, als mein Name zum ersten Mal auf der Liste der reichsten Männer der Welt auftauchte. Oder wolltest du warten, bis ich unter die ersten zehn käme?“
Ungläubig starrte Libby ihn an Das Gefühl der Erleichterung löste sich in Luft auf. Glaubt er tatsächlich, ich bin hier wegen seines Geldes? Plötzlich wusste sie, mit ihrer ursprünglichen Einschätzung lag sie völlig falsch. Er hatte sich verändert – war viel härter und zynischer geworden als damals. Eigentlich sollte sie froh sein, sozusagen einen Fremden vor sich zu haben. Unerklärlicherweise überfiel sie jedoch ein Gefühl tiefer Traurigkeit.
„Ich lese solche Zeitschriften nicht. Das habe ich nie getan.“
Zur Erwiderung breitete Rion die Arme aus. Eine Geste, die sein Büro und die Dachterrasse mit ihrem fantastischen Blick auf die Akropolis einschloss. „Willst du etwa behaupten, du seist über meine veränderten finanziellen Verhältnisse nicht informiert?“
„Doch, schon. Aber das ist nicht der Grund meines Besuches.“
Verächtlich lachte Rion auf. So kannte er sie. Immer noch die gute alte Liberty Ashworth, die so tat, als läge ihr nichts an Geld. Das erklärte natürlich auch ihr etwas unorthodoxes Outfit. Wahrscheinlich Teil des Plans, ihn davon zu überzeugen, materieller Besitz sei ihr gleichgültig.
„Wenn du nicht deshalb hier bist, weshalb dann?“, fragte er schließlich.
Libby atmete tief durch. Jetzt war der gefürchtete Moment gekommen. „Ich bin hier, weil wir uns seit fünf Jahren nicht mehr gesehen haben und es längst überfällig ist, die Situation zu klären.“ Sie öffnete ihre Handtasche, nahm einen Stapel Papiere heraus und legte ihn auf den Tisch.
Eigentlich hörte Rion ihr gar nicht richtig zu. Er beobachtete ihr Gesicht und fragte sich, wie weit sie dieses Spielchen wohl noch treiben würde. Aber als Libby verstummte und ihr Schweigen sich immer mehr in die Länge zog, merkte er, dass sie offensichtlich auf eine Reaktion wartete. Endlich blickte er auf die Papiere, die vor ihm lagen, und plötzlich wurde ihm alles klar.
Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, dann malte sich ungläubiges Erstaunen auf seinen Zügen. Aber damit muss er doch gerechnet haben, sagte Libby sich verblüfft. Trotzdem stieg ein vages Schuldgefühl in ihr auf.
Scheidungsantrag.
Immer wieder las Rion dieses eine Wort. Der anfängliche Schock wich allmählich einer maßlosen Wut. Natürlich, dachte er zynisch, was bedeutet schon Geld? Für sie, die Tochter von Lord und Lady Ashworth, habe ich eben nicht die richtige Abstammung.
„Aber natürlich“, stieß er schließlich bitter hervor.
Ein Kloß schien Libby im Hals zu stecken. Sie schluckte ein paar Mal schwer.
„Das heißt, du stimmst mir zu, dass es längst überfällig ist, die Angelegenheit zu regeln und die rechtlichen Schritte einzuleiten?“
Rion schloss die Augen und atmete tief durch, um den Tumult in seinem Inneren zu beruhigen. Damit hatte er nicht gerechnet – keinen Moment lang. Aber er würde es einfach nicht zulassen, dass sie ihn verletzte. Nicht ein zweites Mal. Sie wollte die Scheidung? Na gut – er auch! Er hatte nur gezögert, weil er sich viel lieber erst an ihr gerächt hätte.
Aber vielleicht war das ja immer noch möglich? Gottes Wege waren bekanntermaßen unerforschlich.
Er hob seinen Blick und registrierte befriedigt, dass sie hochrot angelaufen war. Auch wenn sie nicht mehr seine Ehefrau sein wollte, als Mann begehrte sie ihn immer noch. Genauso wie er sie. So war es eben, ob ihm das behagte oder nicht. Vielleicht sollte ich ihr unter die Nase reiben, überlegte er, dass sie nie von mir loskommen wird, und wenn sie noch so eine schlechte Meinung von mir hat. Es konnte gar nicht schaden, sie daran zu erinnern. Vielleicht würde es ihm sogar nützen – zumindest wäre es eine Genugtuung für ihn.
Ein hämisches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er war auf ihre Wertschätzung gar nicht angewiesen. Was er brauchte, war etwas völlig anderes – nämlich eine Frau an seiner Seite für die Dauer des Wahlkampfes. Und er wollte sie noch einmal in seinem Bett haben. Dann, aber erst dann, würde er sie verlassen. So wie sie ihn damals. Einstweilen genügte es aber, ihr vor Augen zu führen, wie sehr sie ihn immer noch begehrte – über alle Klassenschranken hinweg.
„Nein, gineka mou“, erwiderte er schließlich, die griechische Formulierung für meine liebe Gattin ironisch betonend. „Tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber ich kann dem nicht zustimmen.“
Der Unterton in seiner Stimme war Libby keineswegs entgangen, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Sie versuchte, sich zu beruhigen, und sagte sich, dass sie überreagierte. Rion befürchtete einfach nur, sie wolle ihn finanziell ruinieren. „Warum übergibst du die Angelegenheit nicht einfach deinen Anwälten? Sie können dir dann bestätigen, dass ich auf jegliche Ansprüche verzichte.“
„Selbst wenn das nicht der Fall wäre, würdest du nichts von mir bekommen.“ In seiner Stimme lag eine Kälte, die Libby einen eisigen Schauer den Rücken hinunterjagte und ihre Hoffnung auf eine einvernehmliche Scheidung endgültig zunichte machte.
„Wenn du vielleicht noch die Güte hättest, mich aufzuklären, warum du dich scheiden lassen willst … wenn es angeblich mit Geld nichts zu tun hat?“
„Weil es das einzig Vernünftige ist angesichts dieser absurden Situation. Rechtlich betrachtet bist du der nächste Angehörige für mich – und ich für dich –, und dabei haben wir nicht einmal mehr die Telefonnummer des anderen. Wenn ich ein Formular ausfülle, muss ich immer noch in dem Kästchen ‚verheiratetʻ ein Kreuzchen machen, obwohl ich dich ein halbes Jahrzehnt nicht mehr gesehen habe. Das ist doch alles eine große Lüge, eine Farce.“
„Es war einmal anders“, sagte Rion plötzlich betont ernst.
Dieser Satz traf Libby wie ein Schlag. Vier kleine Worte genügten, um die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Es war einmal anders. Wie ein Kaleidoskop liefen die Erinnerungen vor ihrem inneren Auge ab. Athen im Februar – völlig unerwartet unter einer dreißig Zentimeter dicken Schneedecke begraben. Sie sah sich selbst, wie sie den Saum ihres geliehenen Hochzeitskleides in Gummistiefel stopfte. Wie Rion und sie zwei völlig durchgefrorene Passanten geradezu ins Standesamt zerrten, mit dem Versprechen, sie zu einer Tasse heißem Kakao einzuladen, wenn sie als Trauzeugen fungieren würden. Dieser eine Tag, ihr Hochzeitstag, war der erste in Libbys Leben gewesen, der sich nicht wie eine Charade anfühlte.
Widerstrebend stimmte sie Rion zu. „Richtig. Es gab einmal andere Zeiten. Aber die sind vorbei – und zwar seit fünf Jahren.“
„Genau. Seit fünf Jahren. Du hättest also Zeit genug gehabt, hierherzukommen. Warum erst jetzt?“
Unbehaglich zuckte sie die Schultern. Dieselbe Frage hatte sie sich auch wieder und wieder gestellt. Warum hatte sie so lange gewartet? Hatte sie etwa gehofft …? Nein! Auf keinen Fall! Ihr war immer klar gewesen, dass es kein Zurück mehr gab.
„Irgendwie dachte ich immer, du würdest dich von dir aus melden. Und dann war ich ständig beschäftigt, immer auf Reisen. Aber als mich mein neuer Auftrag nach Athen führte, dachte ich, wir könnten die Angelegenheit jetzt persönlich – wie zwei vernünftige Erwachsene – regeln.“
„Dann hast du wirklich keine Ahnung von griechischen Ehemännern, gineka mou.“
„Ist nicht die Stärke der Griechen ihr logisches Denken? Dann müsstest du eigentlich einsehen, dass es keinen Sinn macht, mit jemandem verheiratet zu sein, für den man nichts mehr empfindet.“
„Wenn das so wäre, vielleicht. Aber es ist nicht so. Du begehrst mich noch immer – das sehe ich dir an. Wie damals.“ Unwillkürlich trat er einen Schritt auf Libby zu. „Die Trennung hat daran gar nichts geändert. Egal, wie weit du auch gereist bist, du willst mich.“
Libby schoss das Blut ins Gesicht. „Selbst wenn du recht hättest, sexuelle Anziehung ist noch lange kein Grund, verheiratet zu bleiben.“ Vor allem, wenn – wie in ihrem Fall – die Anziehung einseitig war.
„Ich finde, das ist ein verdammt guter Grund. Um mich von einer Scheidung zu überzeugen, musst du mir schon ganz andere Argumente liefern.“
Fieberhaft durchforstete Libby ihr Gehirn. „Ich habe jede Menge guter Gründe … vielleicht … vielleicht willst du ja irgendwann neu heiraten.“ Allein der Gedanke daran trieb ihr zwar den kalten Schweiß auf die Stirn, aber sie zwang sich, weiterzusprechen. „Oder vielleicht will ich ja heiraten.“ Das konnte sie sich zwar ebenso wenig vorstellen, aber vielleicht konnte sie Rion so zumindest davon überzeugen, dass es ihr nicht ums Geld ging.
„Ach, das steckt dahinter!“, stieß er hervor. „Wer ist es? Ein Graf vielleicht? Oder ein Herzog?“
Libby zuckte zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet, dass er sofort vermuten würde, es gäbe jemanden in ihrem Leben. Aber als sie sah, wie er nun die Scheidungsunterlagen in die Hand nahm, beschloss sie, ihn in diesem Glauben zu lassen.
„Das ist doch völlig gleichgültig“, sagte sie leichthin, um ihn zu provozieren.
Frustriert biss Rion die Zähne zusammen. Wenn er sich vorstellte, wie sie mit einem jener verweichlichten englischen Aristokraten im Bett lag … All die Jahre hatte er sich verboten, an diesen Aspekt ihrer Beziehung zu denken, denn Libby war die begehrenswerteste und sinnlichste Geliebte in seinem ganzen Leben gewesen. Sie machte ihn verrückt, er war von ihr wie besessen … und deshalb hatte er sich im Bett auch immer ein bisschen zurückgehalten. Er dachte, er könne ihr die Kraft seiner Leidenschaft nicht zumuten. Jetzt bedauerte er das. Am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt und ihr bewiesen, dass kein anderer Liebhaber an ihn heranreichte.
„Tja, du hast recht. Da ich dein dir rechtlich angetrauter Ehemann bin, ist es egal, wer der andere ist.“ Er legte die Papiere wieder zurück auf den Tisch.
Verzweifelt schüttelte Libby den Kopf. Warum war er nur so uneinsichtig?
„Es macht doch gar keinen Sinn, verheiratet zu bleiben. Die Hälfte der Zeit bin ich sowieso am anderen Ende der Welt.“
„Aber jetzt bist du hier.“
Unschlüssig starrte Libby ihn an. Dann beschloss sie, Klartext zu reden. „Willst du damit sagen, statt in die Scheidung einzuwilligen, willst du mich wieder zurück? Als deine Frau?“
„Ja, gineka mou. Genau das will ich damit sagen.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, stotterte Libby.
„Es ist mein voller Ernst.“
Fassungslos starrte sie ihn an. Wie lange hatte sie davon geträumt, genau diese Worte aus seinem Mund zu hören! Sich ausgemalt, wie er ihr eingestand, er könne sie nicht vergessen und wünsche sich, sie würden nun, da sie beide reifer seien, wieder zueinander finden.
Träume sind Schäume, rief sie sich sofort zur Ordnung. Diesem Mann, der da vor ihr stand, lag nichts daran, sie zurückgewinnen – nein, er befürchtete lediglich, sie könnte auf sein Geld aus sein. Um das zu verhindern, würde er alles tun.
Entmutigt wandte sie sich zur Tür. „Ich hätte überhaupt nicht herkommen sollen. Ich werde meinen Anwalt bitten, sich mit dir in Verbindung zu setzen. Vielleicht glaubst du ihm ja, dass ich keinerlei Forderungen an dich habe.“
Mit einem Schritt war Rion bei ihr und hielt sie zurück. „Und du bist überhaupt nicht neugierig, ob der Sex zwischen uns immer noch so gut ist wie damals?“
Sprachlos starrte Libby ihn an. Aus der Nähe nahm sie den unverwechselbaren Duft seiner Haut wahr. Dieser Duft – ein zutiefst männlicher – raubte ihr fast die Sinne. Ihre Haut brannte plötzlich, als stünde sie in Flammen. Ein fast unbezwingbarer Drang, sich in Rions Arme zu stürzen, überfiel sie. Vielleicht wäre es auch so weit gekommen, hätte sie sich nicht daran erinnert, wie zurückhaltend er immer auf ihre Leidenschaft reagiert hatte.
„Ich bitte dich, Rion. Nach all der Zeit kannst du doch zugeben, dass ich dich enttäuscht habe. In jeder Hinsicht – auch im Bett.“
Ungläubig weiteten sich seine Augen. Merkte sie denn nicht, dass er sie am liebsten auf der Stelle genommen hätte? Auf dem Schreibtisch, auf dem Fußboden … egal wo. Sie war die einzige Frau, der es gelang, in ihm eine Leidenschaft zu entfesseln, die ihn völlig seinen animalischen Trieben auslieferte – ihn so aber auch ständig daran erinnerte, aus welch niederen Verhältnissen er stammte.
„Du glaubst, ich mache dir etwas vor? Dann bleib! Mit dem größten Vergnügen beweise ich dir das Gegenteil.“
Abwehrend schüttelte Libby den Kopf. Rion wollte sie nur wieder manipulieren. „Du kannst aufhören mit der Schauspielerei. Du hast nur Angst, ich könnte hinter deinem Geld her sein.“
„Ach ja?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Vielleicht will ich unserer Ehe ja auch einfach eine zweite Chance geben?“
Wieder begann Libbys Herz wild zu pochen. Sie schluckte schwer. „Das willst du eben nicht.“
„Tja, wenn du dir da so sicher bist …“ Ohne mit der Wimper zu zucken, holte er die Unterlagen und drückte sie ihr in die Hand. „Ich nehme an, wir sehen uns dann vor Gericht. Natürlich nur, wenn du die Sache auch wirklich durchziehen willst.“
„Ich …“
„Aber ich würde vorschlagen, du denkst erst einmal in aller Ruhe darüber nach.“ Rasch kritzelte er eine Adresse auf ein Papier und streckte es ihr entgegen. „Ich muss morgen Nachmittag geschäftlich nach Metameikos. Solltest du dich entscheiden, mitzukommen, sei bitte um vier Uhr am Flughafen.“
Libby glaubte, nicht recht zu hören. „Wie bitte?“
„Ich fliege morgen nach Metameikos“, wiederholte Rion, während er ihr weiter den Zettel mit der Adresse hinhielt. „Warum begleitest du mich nicht? Gib mir zwei Wochen, und ich werde dich davon überzeugen, wie unlogisch es ist, sich von mir scheiden lassen zu wollen. Sollte es mir wider Erwarten nicht gelingen, deine Meinung zu ändern, werde ich unverzüglich die Scheidungspapiere unterschreiben.“
Libby stand vor Überraschung der Mund offen.
Sie war sich so sicher gewesen, dass es Rion nur um die Sicherung seines Vermögens ging. Aber jetzt …
„Selbst wenn ich wollte … es geht nicht. Ich muss arbeiten“, stammelte sie. „Ich muss vor der nächsten Saison noch ein paar neue Touren planen.“
Fragend runzelte Rion die Brauen. „Was für Touren?“
„Für meinen Job“, erwiderte sie, während ihr gleichzeitig klar wurde, dass sie ihm den eigentlichen Grund ihres Besuches in Athen noch gar nicht verraten hatte. „Ich arbeite für die Reiseagentur ‚Kates Kleine Fluchten‘.“
Sie ist tatsächlich berufstätig, dachte Rion überrascht. Und zwar in der Reisebranche! Das erklärte immerhin ihre samtige Bräune, jedoch nicht, warum sie es überhaupt nötig hatte, zu arbeiten. Anscheinend warf das Unternehmen ihres Vaters wirklich nicht mehr viel ab. „Das kannst du doch auch in Metameikos. Plane einfach dort eine Tour – die Landschaft ist sowieso die schönste in ganz Griechenland.“
Jetzt kannte Libbys Erstaunen wirklich keine Grenzen mehr.
„Ich … ich sollte …“, mehr brachte sie nicht heraus.
„Wirklich keine übereilten Entscheidungen fällen, gineka mou“, beendete Rion den Satz für sie, während er an ihr vorbei zur Tür ging und sie aufhielt. „Denk in Ruhe darüber nach. Du hast ja Zeit bis morgen.“
Damit schob er sie aus dem Büro und schloss die Tür hinter ihr.
Wie angewurzelt blieb Libby stehen. Völlig verdutzt und verwirrt, konnte sie sich keinen Millimeter bewegen.
Er hat gesagt, er will versuchen, unsere Ehe zu retten, dachte sie ungläubig. Und noch erstaunlicher, er hat mich eingeladen, ihn zu begleiten – in seine Heimat Metameikos.
An sich keine weltbewegende Ankündigung – weder ein Medikament zur Heilung einer tödlichen Krankheit noch ein Geheimrezept für die Sicherung des Weltfriedens, aber Libby erschütterte es in ihren Grundfesten und stellte alles, woran sie bisher geglaubt hatte, völlig auf den Kopf.
Denn es bedeutete, dass es für ihre Ehe womöglich doch noch eine Zukunft gab.
Während der Dauer ihrer Ehe, der drei Monate, die sie als Mann und Frau miteinander verbracht hatten, hatte Rion ihr nie das Gefühl gegeben, gern mit ihr zusammen zu sein. Nie sprach er über seine Arbeit, und als Libby sich nach einer beruflichen Tätigkeit umsehen wollte, war er strikt dagegen. Nie erzählte er von Metameikos, nie erwähnte er, dass ihm etwas an dem Ort lag, an dem er aufgewachsen war.
In Gedanken versunken ließ Libby sich gegen die Tür sinken. Plötzlich standen die Bilder wieder so lebhaft vor ihrem inneren Auge, als hätte sie sie erst gestern erlebt.
Rion hatte sich – vom Tag ihrer Ankunft in Athen an – völlig darauf konzentriert, mit der Vergangenheit abzuschließen und Karriere zu machen. Sie, Libby, wollte zwar ebenso gern alles hinter sich lassen – vor allem ihren tyrannischen Vater –, doch gleichzeitig träumte sie von einem Leben, in dem sich nicht alles um Status und Geld drehte, sondern Liebe und Freiheit das Wichtigste waren. Aber kaum verließen sie das Standesamt, stürzte Rion sich in die Arbeit. Ein 18-Stunden-Tag war keine Ausnahme. Wenn er dann zu Hause war, redete er von nichts anderem, als in eine bessere und größere Wohnung zu ziehen oder für ein Haus zu sparen oder einen Investor für seine Unternehmungen zu finden.
Zuerst war Libby beeindruckt von Rions Zielstrebigkeit. Sie wusste sehr wenig über seine Kindheit, nur, dass er aus sehr armen Verhältnissen stammte. Deshalb konnte sie verstehen, wie wichtig es für ihn war, einen guten Beruf zu haben – vor allem angesichts dessen, wie ihr Vater ihn behandelt hatte. Und dass sie nicht von Luft und Liebe leben konnten, verstand sie auch.
Aber als er jeden Abend später und später nach Hause kam, fand sie ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Das Geld würde auch reichen, wenn er nur acht Stunden arbeitete. Liebte er sie etwa nicht mehr? Sonst würde es ihm doch wichtiger sein, die Abende und die Wochenenden mit ihr zu verbringen statt mit Überstunden.
Offensichtlich war das jedoch nicht so. Woche um Woche ging vorüber, und allmählich fragte Libby sich, ob sie Rion überhaupt jemals etwas bedeutet hatte. Ihm fiel ja nicht einmal auf, dass sie sich ihre Ehe ganz anders vorstellte. Den ganzen Tag lang war sie allein – vielleicht wäre sie damit irgendwie zurechtgekommen, wenn sie beide wenigstens andere Dinge miteinander geteilt hätten. Aber Rion schien nie Zeit zu haben – außer für Sex mitten in der Nacht, wenn er von der Arbeit heimkam. Aber auch davon war er anscheinend enttäuscht – und irgendwann musste sie sich eingestehen, unglücklich zu sein. Das strenge Regime ihres Vaters war lediglich den Fesseln der Ehe gewichen. Das Leben als Mrs. Delikaris unterschied sich nicht sehr von dem als Miss Ashworth. Immer noch hatte sie ihr Leben nicht selbst in der Hand. Wie gern wäre sie einfach nur Libby, einfach nur sie selbst gewesen.
Drei Monate Ehe genügten, um ihr vor Augen zu führen, dass sie unbedingt handeln musste, wollte sie nicht endgültig scheitern.
Und eines Morgens – Rion band gerade seine Krawatte – nahm Libby allen Mut zusammen. „Bevor du zur Arbeit gehst … da ist noch etwas, was ich mit dir besprechen möchte.“
„Ach ja?“
Sie holte einmal tief Luft. „Ich habe beschlossen, mich an der Sprachenschule in unserer Straße zu bewerben.“ Das würde zwar nicht all ihre Probleme lösen, aber zumindest war es ein Anfang. Bereits seit ihrer Ankunft in Athen wollte sie arbeiten – nicht nur zur Aufbesserung der Haushaltskasse, sondern auch, um beschäftigt zu sein. „Sie suchen englische Muttersprachler“, fuhr sie fort, „und ich dachte, wenn ich ein bisschen dazuverdiene, musst du nicht mehr so viele Überstunden machen.“
Abwehrend schüttelte Rion den Kopf. „Ich habe dir schon einmal gesagt, das ist nicht nötig.“
Entmutigt seufzte sie auf. Warum konnte er denn nicht verstehen, dass sie etwas Eigenes brauchte? „Ich will aber. Ich könnte dann auch endlich Griechisch lernen und …“
„Ich habe dir Privatunterricht versprochen“, unterbrach er sie brüsk. „Und den wirst du auch bekommen, sobald ich einen Investor für mein Projekt finde.“
„Aber ich will nicht mehr warten. Ich kann ja nicht einmal die Nachbarn grüßen!“
Rions Miene verhärtete zusehends. „Ich versichere dir, es wird nicht mehr lange dauern.“
„Darum geht es doch gar nicht – nicht nur. Ich möchte Unterricht nehmen, einfach unter Menschen sein. Du bist ja den ganzen Tag bei der Arbeit … ich fühle mich einfach … so einsam.“
„Du kannst ja ein Kind bekommen. Dagegen hätte ich überhaupt nichts einzuwenden.“
Fassungslos blickte Libby ihn an. Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Sie wollte zwar immer eine Familie haben, aber doch erst, nachdem sie etwas von ihrem Leben gehabt hatte – und auf keinen Fall als Notlösung für ein ganz anderes Problem.
Aber Rion schien sie nicht zu verstehen – war das ein Wunder? Eigentlich nicht, gestand sie sich ein. Eigentlich kennt er mich gar nicht wirklich. Nach dieser überstürzten Heirat wusste nicht einmal sie selbst, was sie eigentlich wollte.
In dieser Sekunde, einem jener Momente, in denen die Zukunft sich plötzlich ganz deutlich abzeichnet, wurde ihr klar, dass sie das auch nie herausfinden würde, wenn sie hierblieb. Selbst wenn sie um ihre Rechte kämpfte, nie würde sie unter diesen Umständen ein eigenständiges Leben führen. Dazu blieb ihr nur ein einziger Weg.
Sie sah Rion fest an. „Nein, ein Kind ist nicht das, was ich will. Ich will …“ Kurz hielt sie inne und atmete tief durch. „Genau weiß ich es eigentlich auch nicht, aber das hier ist es nicht. Und deshalb werde ich gehen.“
In diesem Moment wurde offensichtlich, dass auch er von ihr enttäuscht war.
Wie aus der Pistole geschossen, kam seine Antwort. „Dann geh. Von Anfang an war doch klar, dass es so kommen würde.“
Libby seufzte auf und öffnete die Augen. Etwas desorientiert blickte sie um sich, als sei sie verblüfft, sich noch immer vor Rions Bürotür zu finden. Die grelle Flurbeleuchtung blendete sie, sodass sie blinzeln musste. Es war eine harte Entscheidung gewesen. Es zerriss ihr das Herz – gleichzeitig war es aber auch eine Befreiung. Sie hätte so einfach nicht weitermachen können, sie brauchte die Chance, ihr eigenes Leben zu leben.
Und die hatte sie auch bekommen – so wie er offenbar auch.
Vieles mochte sich geändert haben, aber eines war immer noch wie früher: Nach wie vor fühlte sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Diese Tatsache schockierte sie zutiefst, vor allem, da sie nicht wusste, wie sie diese Flamme in sich ersticken sollte. Keinem anderen Mann war es jemals gelungen, ein solches Feuer in ihr zu entfachen, und im Grunde hatte sie schon geglaubt, einfach dem Alter entwachsen zu sein, in dem man intensive Leidenschaft empfand. Aber ein einziger Blick ihres Ehemannes hatte genügt, sie eines Besseren zu belehren.
Ihr Verstand riet ihr zwar, sich in Zukunft einfach an seinen Anwalt zu wenden, aber ihr Körper sehnte sich nach Rions Berührung. Und auch ihr Herz war voller Sehnsucht. Vielleicht gab es ja wirklich eine Chance, und dann wäre es ein Riesenfehler, sich scheiden zu lassen. Selbst eine winzig kleine Chance wäre den Versuch wert.
Plötzlich verlor sie den Halt und fiel … fiel … in Rions Arme. Immer noch gedankenverloren an der Tür lehnend, hatte sie nicht bemerkt, dass diese geöffnet wurde … und fand sich nun unerwartet in seinen Armen wieder. Mit hochrotem Kopf machte Libby sich aus seiner Umarmung frei.
„Ich … ich …“, stotterte sie. Sie hätte sich für ihre Dummheit ohrfeigen können.
„Ist schon gut“, sagte er mit einem süffisanten Lächeln. „Das passiert mir ständig.“
Rion ging an ihr vorbei zum Lift, dessen Türen sich auf einen Knopfdruck hin lautlos öffneten, und machte eine einladende Handbewegung. Libby schüttelte heftig den Kopf.
„Na dann! Bis morgen!“, verabschiedete er sich siegesgewiss.
Bevor Libby überhaupt den Mund öffnen konnte, um zu protestieren, schlossen sich schon die Türen, und er war verschwunden.
Doch im Grunde wusste sie schon jetzt, dass er recht behalten würde.
Nach einer schlaflosen Nacht und einem zergrübelten Vormittag fand Libby sich um halb vier in einem Taxi auf dem Weg zum Flughafen wieder.
Trotz einer warnenden inneren Stimme gelang es ihr, sich einzureden, angesichts der Umstände sei es das einzig Vernünftige, mit Rion nach Metameikos zu fliegen.
Ihre Logik ähnelte der eines Lottospielers. Die Chance, zu gewinnen, war verschwindend gering, aber wenn man die Ziehung der Zahlen nicht verfolgte, konnte man das große Los verpassen. Wenn sie sich jetzt nicht auf seinen Vorschlag einließ, würde sie sich für den Rest ihres Lebens fragen: Was wäre gewesen …?
Dass Rion keinen Sechser im Lotto mehr brauchte, wurde ihr klar, als sie am Hangar ankam und den strahlend weißen Flieger mit dem Delikaris-Logo auf die Startbahn rollen sah.
Anscheinend haben wir uns in völlig entgegengesetzte Richtungen entwickelt, schoss es ihr durch den Kopf. Rion hatte scheinbar nichts anderes im Sinn, als Geld zu scheffeln und seinen Reichtum demonstrativ zur Schau zu stellen. Wenn sie selbst ein so ungeheures Vermögen besäße, würde sie auf der Stelle nach Afrika gehen und dort ein karitatives Projekt starten.
Kopfschüttelnd ging sie näher auf das Flugzeug zu und entdeckte, dass Rion es selbst steuerte. Als es zum Stillstand gekommen war, verließ er das Cockpit und erschien oben an der Gangway. Widerstrebend gestand Libby sich ein, wie atemberaubend sexy und attraktiv sie ihn mit seiner Pilotenbrille und dem blütenweißen Hemd fand, dessen hochgekrempelte Ärmel den Blick auf seine muskulösen sonnengebräunten Unterarme freigaben. Plötzlich überkam sie das Gefühl, keine Luft zu bekommen, und öffnete instinktiv den obersten Knopf ihrer Bluse.
„Ich sehe, schon bei meinem Anblick wird dir heiß, gineka mou“, begrüßte Rion sie trocken. „Das freut mich zwar, aber ich fürchte, du musst bis zur Landung warten. Ich habe zwar einen ausgezeichneten Autopiloten, aber ich glaube, die Zeitspanne, die ich mit dir im Bett zu verbringen gedenke, würde das beste System überfordern.“
Unwillkürlich überlief ein Schauer Libbys Körper. Sie rief sich jedoch gleich wieder zur Ordnung. Die Hoffnung, ihre Ehe sei noch zu retten, war eine Sache, aber zu glauben, Rion begehre sie jetzt stärker als damals, war reines Wunschdenken. Es war besser, sich solche Gedanken gleich aus dem Kopf zu schlagen, sonst war die Enttäuschung vorprogrammiert. Sollte er sie während der kommenden zwei Wochen allerdings vom Gegenteil überzeugen – umso besser.
„Und was ist mit dem Cockpit?“, fragte sie provokativ.
Schockiert weiteten sich seine Augen. Das unschuldige Mädchen von damals hat sich zur routinierten Verführerin entwickelt, dachte er grimmig, konnte aber nicht verhindern, dass sein Körper instinktiv darauf ansprach. Eine unglaublich starke Erregung ergriff hin. Am liebsten wäre er direkt hier auf dem Rollfeld über sie hergefallen.
Seine Reaktion machte ihn unglaublich wütend – aber auch die Tatsache, dass er sich ihr immer noch unterlegen fühlte, wie der arme Bauernbursche der Prinzessin. Zumindest brauchte er sich jetzt nicht mehr seiner Armut zu schämen – wie noch vor fünf Jahren, als es nur für eine schäbige Mietwohnung gereicht hatte. Es war so demütigend gewesen, seiner Frau nichts anderes bieten zu können. Diese Erniedrigung hatte er bis heute nicht vergessen.
Damals wünschte Libby sich insgeheim ein anderes Ambiente – davon war er vollkommen überzeugt. Warum hätte sie sonst so schnell die Flucht ergriffen? Außerdem traute sie ihm offensichtlich nicht einmal zu, für sie sorgen zu können. Sie hatte sich sogar eine Stelle suchen wollen, um ihm unter die Arme zu greifen. Dabei verschonte er sie doch mit den Einzelheiten seines mühseligen Jobs. Anscheinend war es aber nie genug, was er ihr bieten konnte.
Und das wird sich auch nie ändern, flüsterte ihm eine gehässige Stimme ins Ohr. Auch wenn du geglaubt hast, sie würde zu dir zurückkommen, wenn du nur reich genug wirst, und du deshalb bis zum Umfallen gearbeitet hast.
Nein, protestierte er innerlich. Das stimmte nicht. Er hatte es für sich selbst getan – und für Jason, seinen Bruder.
Brüsk wandte Rion sich ab. „Du wirst in der Passagierkabine sitzen und nicht im Cockpit“, warf er ihr über die Schulter zu.
Für Libby ein weiterer Beweis, dass er sie nicht begehrte. Eigentlich wusste sie das doch bereits, warum war sie jetzt nur so maßlos enttäuscht?
„Wieso, sitzt da schon der Kopilot?“, fragte sie leichthin.
„Nein, ich fliege allein.“
„Dann wüsste ich nicht, was dagegen spräche, neben dir zu sitzen.“ Mit diesen Worten marschierte sie nach vorn. Erst als sie saß, wurde ihr klar, was sie sich da eingebrockt hatte. Jetzt würde sie den ganzen Flug über seiner unglaublich erotischen Ausstrahlung ausgesetzt sein.
„Wie lange fliegen wir denn?“, erkundigte sie sich zaghaft.
„Knapp eine Stunde.“
Das werde ich ja wohl überstehen, versuchte Libby sich Mut zu machen. Aber allein der Anblick seiner kräftigen Hände, die ruhig und sicher auf dem Steuerknüppel ruhten, brachte ihr Blut in Wallung. Mein Gott, warum muss ich denn immer sofort an Sex denken, wenn ich Rion nur sehe! Wahrscheinlich, weil er der Erste war, versuchte sie es mit einer rationalen Erklärung. Ihre erste große Liebe. Da war sie fünfzehn gewesen. Und den ersten Mann im Leben vergisst eine Frau eben nicht.
Nie mehr hatte sie sich zu einem anderen Mann derart hingezogen gefühlt. Deshalb gab es für sie nach ihm auch keinen anderen Liebhaber mehr. Sie war einfach auf Rion fixiert. Das war wahrscheinlich die Erklärung – es war wie eine Art Prägung.
„Wann hast du denn den Flugschein gemacht?“, versuchte sie die Atmosphäre etwas aufzulockern.
„Schon vor Jahren – aus geschäftlichen Gründen. Es war das erste Projekt meines Unternehmens: Flugstunden in Verbindung mit einer Luxusreise – das Geschenkerlebnis für Menschen, die eigentlich schon alles haben.“
Libby, die bis dahin noch keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie Rions Vermögen eigentlich entstanden war, schwieg beeindruckt. Die Idee ist schlicht genial, dachte sie bewundernd. Rion erspürte instinktiv die Bedürfnisse und Träume anderer Menschen und besaß dazu noch die Fähigkeit, dies marktgerecht umzusetzen. Eigentlich war das ja schon immer seine Stärke gewesen. Nicht umsonst war er bei ihrem Vater vom einfachen Laufburschen, der lediglich die Autos der Kunden parken durfte, zum Verkaufsleiter aufgestiegen. Er wusste genau, welches Auto zu welchem Käufer passte, und konnte in den Menschen lesen wie in einem offenen Buch – er durchschaute einfach ihre Gestik, Mimik und Körpersprache.
Aber bekommen diese Kunden wirklich, wonach sie sich eigentlich sehnen? Geht es nicht eigentlich um etwas völlig anderes? überlegte Libby resigniert, während das Flugzeug in den Himmel aufstieg.
Für sie war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie träumte davon, Rion zu heiraten, seit sie ihn im Büro der Firma ihres Vaters das erste Mal gesehen hatte. Ein Blick in seine tiefen, schwarzen Augen, und es war um sie geschehen. Hals über Kopf verliebte sie sich und verschwendete keinen Gedanken daran, ob sie beide für eine Ehe überhaupt schon reif genug waren.
Die Tatsache, dass sie sich in Rion verliebte, wunderte sie allerdings kaum. Er war so anders! Libbys Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, während sie abwesend auf Athen und den auf Spielzeuggröße geschrumpften Parthenon hinunterblickte. Rion sah nicht nur ganz anders aus als die anderen Heiratskandidaten, die ihr Vater ihr aufzwingen wollte, er benahm sich auch völlig anders. Weder sprach er ununterbrochen über Geld, noch versuchte er, sich über sie bei ihrem Vater einzuschmeicheln. Im Gegenteil – er fragte sie nach ihren Interessen. Nach den Reisebüchern, die sie so liebte und dutzendweise verschlang, und er erzählte ihr von Griechenland, den Menschen und deren Gebräuchen. Es schien das aufregendste und spannendste Land auf der ganzen Welt zu sein – zumindest in Libbys Augen, die bis dahin Surrey noch nie verlassen hatte und sich auf Ashworth Manor, dem Familiensitz, wie lebendig begraben fühlte.
Beim Gedanken an diese Zeit stieg in Libby wieder die alte Beklemmung auf. Noch als Teenager wurde es ihr nicht gestattet, allein ins Dorf zu gehen.
Da empfand sie die Gespräche mit Rion, so selten sie auch stattfanden, wie ein Fenster zur Freiheit. Sie unterhielten sich kaum über Persönliches – Rion teilte ihr lediglich mit, dass er als Teenager mit seiner Mutter nach England gekommen war, und Libby sprach ihrerseits ungern über sich und ihre Eltern.
Sie schufen sich eine eigene Welt – eine Welt, in der nur die Gegenwart zählte. Und obwohl Libby sich nicht vorstellen konnte, wie eine Heirat mit Rion zustande kommen sollte, hörte sie doch nie auf, davon zu träumen.
Eines Tages im Januar, kurz nach ihrem neunzehnten Geburtstag, als sie zufällig am Autohaus ihres Vaters vorbeiging, wartete Rion auf sie. Er strahlte dermaßen, dass ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte.
„Rion, was ist passiert?“, fragte sie damals.
„Dein Vater – er hat mich befördert! Ich bin jetzt Verkaufsleiter!“
„Das ist ja fantastisch!“ Sie hätte ihm am liebsten die Arme um den Hals geworfen, konnte sich jedoch gerade noch zurückhalten – vielleicht wäre es peinlich geworden, falls sie sich die Gefühle zwischen ihnen nur einbildete. In diesem Moment jedoch nahm Rion sie bei den Händen und blickte ihr tief in die Augen.
„Das bedeutet, dass ich in Zukunft endlich ein anständiges Gehalt haben werde.“
Libby nickte und versuchte, das Beben ihrer Hände zu unterdrücken.
Rion holte tief Luft. „Es gibt etwas, was ich dich schon lange fragen wollte. Bisher … bisher habe ich mich nur noch nicht getraut. Aber jetzt …“
Inzwischen schlug Libbys Herz so schnell, als wolle es zerspringen. Am Zittern in Rions Stimme konnte sie erkennen, wie schwer es ihm fiel, weiterzureden.
„Könntest du dir vorstellen, mich zu heiraten, Liberty Ashworth?“
Diesmal zögerte sie keine Sekunde. Sie fiel ihm um den Hals und bekam den ersten Kuss ihres Lebens – einen Kuss, den sie nie mehr vergessen würde.
„Ich weiß, eigentlich hätte ich zuerst deinen Vater fragen müssen, aber …“
„Nein … nein, genau so habe ich es mir gewünscht.“
Die Entscheidung, wen sie heiratete, lag allein bei ihr selbst – und es bedeutete ihr unendlich viel, dass Rion das intuitiv begriff.
Aber Libbys Vater verweigerte seine Einwilligung. Als Rion ihn um die Hand seiner Tochter bat, feuerte er ihn auf der Stelle wegen dieser Unverschämtheit.
„Ich habe dich vom Laufburschen zum Verkaufsmanager befördert – und das in nur vier Jahren. Du kannst anscheinend nicht genug bekommen. Wie kannst du dir anmaßen, meine Tochter auch nur anzusehen? So dankst du es mir also nach allem, was ich für dich getan habe?“ Anschließend machte er unmissverständlich klar, er würde Libby aus der Familie verstoßen, wenn sie in Zukunft mit Rion auch nur sprechen würde.
Was als Drohung gedacht war, weckte jedoch nur Libbys Widerspruchsgeist. Sie wollte der Unterdrückung entkommen und ein Leben in Freiheit führen. Erst als sie sich als Rions Frau in Athen wiederfand, wurde ihr bewusst, dass die Ehe ihr keineswegs die Eigenständigkeit verschaffte, nach der sie sich so sehnte.
Unwillkürlich seufzte Libby tief auf. Es erschreckte sie, dass ihr nach all den Jahren die Vergangenheit wieder so lebhaft vor Augen stand. Aber sie hatte schon immer ein fantastisches Gedächtnis gehabt. Dieser Fähigkeit verdankte sie auch ihren Job – sie behielt jede Einzelheit, die sie über die verschiedenen Urlaubsziele las.
„Was ist das eigentlich für eine Sache, deretwegen du nach Metameikos musst?“, rief sie laut, um das Dröhnen der Motoren zu übertönen.
Ein belustigtes Lächeln umspielte Rions Mundwinkel. „Ich dachte schon, du hättest ein Schweigegelübde abgelegt. Worüber denkst du so intensiv nach?“
„An nichts Bestimmtes.“
„Und ich hätte geschworen, du hast meine Hände angestarrt und dir vorgestellt, wie es sich anfühlt, wenn ich dich streichle.“
Libby schoss das Blut in die Wangen. „Ach, bist du jetzt unter die Hellseher gegangen?“
„Das ist gar nicht nötig, dein Körper spricht eine eindeutige Sprache, gineka mou.“
Und da er Experte darin war, in den Menschen zu lesen wie in einem offenen Buch, hielt sie es für ratsam, schleunigst das Thema zu wechseln. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet – was du in Metameikos zu tun hast.“
„Ich habe ein paar Meetings, und dann gibt es einige offizielle Anlässe, bei denen meine Anwesenheit erforderlich ist. Außerdem muss ich mich noch um mein Haus kümmern, bevor ich mich dort dauerhaft niederlassen kann.“
Diese Neuigkeit kam für sie völlig überraschend. In der Vergangenheit hatte Rion Metameikos nie erwähnt, geschweige denn den Wunsch geäußert, jemals im Leben noch einmal dorthin zurückzukehren.
„Du willst wieder in Metameikos leben? Ich dachte immer, dort würde dich überhaupt nichts mehr hinziehen?“
Rion presste die Lippen zusammen. „Es ist lediglich aus geschäftlichen Gründen“, antwortete er schließlich knapp.
„Aber deine Geschäftszentrale ist doch in Athen?“
„Richtig.“
Verwirrt runzelte Libby die Stirn. Sie wusste zwar nur wenig über Metameikos, aber doch so viel, dass es nicht gerade eine Art Silicon Valley war. Es war die einzige unabhängige Provinz Griechenlands, die in zwei Teile zerfiel. Bei dem einen Teil – dem, wo Rion aufgewachsen war – handelte es sich um eine der ärmsten Gegenden in ganz Griechenland, während sich in dem anderen Teil die Luxusvillen der reichen Touristen befanden. Und etwa in der Mitte der Insel gab es noch ein relativ gut erhaltenes Amphitheater. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, zu welchem Teil der Insel sie gerade flogen. Aber warum sie überhaupt dorthin wollten, war ihr immer noch ein Rätsel.
„Ich hoffe, in Metameikos auch bald ein Büro zu haben.“
Schweigend nahm Libby die Information zur Kenntnis. Rion hatte alle möglichen Geschäftsinteressen und immer wieder neue Ideen für die Freizeitindustrie, aber trotzdem … Vielleicht ist es ja so eine Art Steueroase, überlegte sie. „Und diese Meetings stehen damit in Zusammenhang?“, fragte sie schließlich.
„Nur indirekt“, antwortete er vage. „Heute Abend werden wir uns ein Theaterstück im Amphitheater ansehen.“
„Ein Theaterstück?“ Es verblüffte sie, dass Rion sich überhaupt für Dinge außerhalb seines Unternehmens interessierte – am meisten jedoch, dass sie ihn begleiten sollte.
Rion presste die Zähne so fest aufeinander, dass die Wangenmuskeln deutlich hervortraten. Sie traut mir nicht einmal ein gewisses kulturelles Interesse zu, dachte er wütend. „Warum liegt dir eigentlich so viel daran, die Vergangenheit ruhen zu lassen, wenn du offensichtlich nicht bereit bist, meinen Hintergrund jemals zu vergessen?“
„Was meinst du damit?“
„Ich meine damit – in den letzten Jahren hat sich vieles verändert.“
„Wirklich?“, fragte sie. In ihrem Herzen glomm ein kleiner Hoffnungsschimmer auf, während Rion eine makellose Landung hinlegte und sie sicher auf den Boden zurückbrachte.
„Warum überzeugst du dich nicht selbst davon?“ Mit dem Kinn deutete er nach draußen, wo sich ein prachtvolles Anwesen ihren Blicken darbot. „Wir sind da.“
Natürlich bezieht sich die Veränderung nur auf die Größe seines Hauses und seines Autos, dachte Libby desillusioniert, als sie in den chromglänzenden Bugatti einstieg. Soviel sie wusste, das einzige Auto, das mehr wert ist als der 1958er Ashworth Liberty, nach dem ihr Vater sie ironischerweise benannt hatte.
Sie ging davon aus, Rions Heim würde sich als eine hochmoderne Luxusvilla entpuppen, wurde aber angenehm überrascht. Als sie näher kamen, sah sie, dass es ein traditionelles Steinhaus mit malerischen Fensterläden war, das sich über zwei Ebenen erstreckte. Auf den Treppen standen Terrakottagefäße, die von einer üppigen Blumenpracht überquollen. Kurz, es war das perfekte Zuhause – gemütlich, weder überladen noch angeberisch. Wenn Libby sich nicht täuschte, befand es sich auch nicht auf der Inselseite der Reichen und Schönen, sondern eher in der Mitte, ganz in der Nähe des Amphitheaters.
„Wie hast du dieses Prachtstück denn gefunden?“, erkundigte sich Libby, nahm ihren Koffer und folgte Rion zum Haus.
Die Frage beschwor ungebetene Erinnerungen in Rion herauf. Er dachte daran, wie er mit seinem Bruder auf den Stufen des Amphitheaters gesessen und sehnsüchtig auf dieses Haus hinuntergeblickt hatte. Es irgendwann zu besitzen, war jahrelang sein einziges Lebensziel gewesen. Bis Jason gestorben war. Bis Libby ihn verlassen hatte. „Als Kind habe ich mir geschworen, dieses Haus würde eines Tages mir gehören“, antwortete er schließlich unwirsch.
Überrascht blieb Libby stehen. Zum ersten Mal hörte sie etwas über seine Kindheit.
Rion wandte den Kopf, um zu sehen, wo sie blieb. „Meinst du nicht, es ist ein bisschen spät, jetzt noch einen Rückzieher zu machen, gineka mou?“
„Mache ich doch gar nicht“, protestierte sie. „Ich bewundere nur deinen Besitz.“
Und wahrscheinlich versuchst du schon, abzuschätzen, wie viel er wert ist, dachte Rion grimmig und bat Libby hinein in die kühle Eingangshalle.
Plötzlich erklangen Schritte im oberen Stockwerk. Rion hob den Kopf, und ein warmes Lächeln erhellte sein Gesicht.
„Sofia“, rief er erfreut, als eine Frau, die in den Sechzigern sein musste, mit einem Staubwedel in der Hand die Treppe herunterkam. „Das Haus ist in einem fantastischen Zustand. Ich hoffe, du hast nicht den ganzen Tag hier geschuftet?“
Auf der letzten Stufe blieb die Frau stehen, nahm Rions Kopf in die Hände und gab ihm einen mütterlichen Kuss auf die Stirn. „Du weißt doch, das tue ich gern für dich. Willkommen daheim!“
Erst jetzt entdeckte sie Libby. „Orion Delikaris“, tadelte sie ihn, „wie kannst du deinen Gast einfach da stehen lassen, ohne uns einander vorzustellen?“
Rion seufzte in gespielter Zerknirschung. „Libby, das ist Sofia, meine Haushälterin und älteste und beste Freundin. Sofia, darf ich dir Libby vorstellen?“ Er zögerte kurz. „Meine Frau.“
Überrascht riss Sofia die Augen auf. Dann begann sie zu strahlen, umarmte Libby und küsste sie herzhaft auf die Wangen.
Libby war starr vor Staunen. Nicht über die herzliche Begrüßung, sondern weil Rion sie als seine Frau vorgestellt hatte. In Athen wusste niemand von ihrer Existenz, und sie war davon ausgegangen, dass es auch weiterhin ein Geheimnis bleiben würde. Warum sollte er sich die Blöße geben und das Scheitern seiner Ehe eingestehen? Es sei denn, er ging davon aus, sie würde nicht scheitern.
Bei dem Gedanken begann Libbys Herz wild zu pochen. Sofort ermahnte sie sich, dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung beizumessen. Wenn Sofia wirklich eine langjährige Vertraute war, konnte Rion sich auf ihre Verschwiegenheit verlassen. Libby reichte der Haushälterin die Hand und begrüßte sie auf Griechisch.
Verblüfft sah Rion sie an, enthielt sich jedoch eines weiteren Kommentars.
„Sofia, vielen Dank für deine Mühe, aber Libby und ich möchten uns vor der Theateraufführung heute Abend noch etwas ausruhen. Du kannst also für heute Schluss machen.“
„Aber natürlich“, erwiderte die Haushälterin augenzwinkernd. „Ich bin gleich weg. Falls jemand Appetit hat – in der Küche sind frisch gebackene Walnussplätzchen.“
„Vielen Dank“, sagte Rion. „Und Sofia, nimm doch bitte die nächsten zwei Wochen Urlaub – bezahlten Urlaub natürlich. Libby und ich brauchen ein bisschen Zeit für uns allein. Dafür hast du doch sicher Verständnis?“
Einen Augenblick wirkte Sofia verletzt, dann nickte sie achselzuckend und wandte sich zum Gehen.
„So hast du wenigstens Zeit für deinen Lustknaben, der daheim auf dich wartet“, rief Rion ihr nach, um die Atmosphäre etwas zu entspannen.
In gespielter Entrüstung drehte die Haushälterin sich um und erklärte Libby: „Er ist gerade mal drei Jahre jünger als ich, also zweiundsechzig, und er …“, sie deutete auf Rion, „tut so, als hätte ich einen Zwanzigjährigen.“
Libby lächelte ihr zu, aber sobald Sofia verschwunden war, folgte sie Rion in die riesige Wohnküche. „War es denn wirklich nötig, sie wegzuschicken?“
„Ach, du möchtest gern von vorn bis hinten bedient werden? Dafür würdest du wohl auch in Kauf nehmen, wenn es zu – sagen wir mal – Indiskretionen kommen würde!“
Verwirrt runzelte Libby die Stirn. „Du meinst, wenn Sofia merken würde, wie es wirklich um unsere Ehe bestellt ist?“
„Nein, meine Liebe. Ich meine, wenn sie uns dabei ertappt, wie wir übereinander herfallen: in der Dusche, auf dem Küchentisch, auf dem Teppich …“
Libby hatte das Gefühl, im Erdboden zu versinken – nicht, weil ihr die Vorstellung peinlich war, sondern weil sie alles bildhaft vor sich sah … und es sie maßlos erregte. „Nur weil wir vor dem Gesetz ein Paar sind, heißt das noch lange nicht, dass du mit mir schlafen musst.“
Ungläubig sah Rion sie an. Dachte sie wirklich, er würde sie nicht begehren? Wahrscheinlich ja, denn welcher Mann mit Stolz würde eine Frau noch wollen, die ihn verlassen hatte, weil sie ihn für nicht gut genug befand?
„Du hast recht“, stieß er hervor, „ich sollte dich eigentlich nicht wollen, aber leider spricht mein Körper eine ganz andere Sprache.“