Rund um die Schulfregatte "Scheer" -  - E-Book

Rund um die Schulfregatte "Scheer" E-Book

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Beschreibung

Die Schulfregatte "Scheer" der deutschen Bundesmarine war von 1959-1967 für die Bordausbildung der Marineortungsschule in Bremerhaven in Dienst. Ihre Fahrten führten sie von Gibraltar bis zum Nordkap, durch die Biscaya und rund Schottland. Diese Schrift gibt Erlebnisse der Stammbesatzung, vom Schwarzfuß in der Maschine, über den Seemann an Deck bis zum Kommandanten auf der Brücke, wieder.

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Umschlag

Photo der Schulfregatte „Scheer“ nach ihrem Umbau 1962

Inhalt

Vorwort

Zur Namensgebung von Schiffen der Bundesmarine / Die Schulfregatten der Bundesmarine

Der Namensgeber : Admiral Reinhard Scheer

Die Umbenennungen der Marine in Kiel

Erlebnisse der Bordcrew

1958/59 Erinnerungen an mein Bordkommando –

Ohl

. Nachtrag –

Mey

1959/64 Revue meiner Dienstzeit –

Boie

1959 Mittelwächter und Tee mit Rum

– Janke

1959 Rätselhaftes Schwinden des Navy-Rums –

Janke

1959/60 Der Bolzen –

Warrings

1959/60 Der Sport an Bord –

Janke

1959/67 Das Gästebuch –

Jungdäubl

1960-02 Des einen Freud – der anderen Leid –

Janke

1960 Enttäuschung –

Mey

1961 Bismarck-Hering –

Loth

1961 Die Manöver „Wallenstein“ –

Heinken

1962 Das Scheergedicht –

Philippi

1962 Seegang bei Windstärke 0 –

Weiland

1963-04 Tom Dooley –

Philippi

1963-05 Mittelmeerreise –

Philippi

1963-07 Tag der Flotte –

Piost

1963-08 Kissing the Blarney Stone –

Schiffmann

1963-08 Eine Fast-Katastrophe –

Richter

1963-09 Sowas kommt nie wieder –

Weiland

1963 Salomonisches Urteil –

Sass

1964-04 Navigationsbelehrungsfahrten –

N.N.

1964-04 Kursänderung in letzter Minute –

Steffan

1964-05 Die Z-Flottillen-Arche –

Hansen

1964-06 Eine versteckter Hafen : Glengarriff –

Hansen

1964-08 Nordmeerfahrt –

Hansen

1964-08 Reise zum Nordkap –

Strüder

1964-08 Pottwalzähne, Elfenbein des Nordens –

Rathmer

1964-08 Hafenmelodie –

Hansen

1964-09 Hafenmelodie –

Steffan

1964/65 Künstlicher Seegang –

Steffan

1965-02 Wie kam ich auf die „Scheer“? –

Richter

1965-02 In der Biskaya flogen Teller und Tassen –

Rathmer

1965-03 Erfolgreicher Dienstkenntnis-Unterricht –

Steffan

1965-03 Meine ersten Fahrten als I WO –

Richter

1965-08 Die kaiserlichen Glocken –

Richter

1965-08 Verbleib der Schiffsglocken –

Steffan & Jungdäubl

1965-10 Lübeck und die Zonengrenze –

Richter

1965-10 Ablösung als Kommandant –

Steffan

1965-11 Die Ankermaläse –

Richter

1965-12 Das defekte Spill –

Martin

1965/67 Zahnarzt an Bord –

Wachendorf

1966-03 Rudermaschinenausfall –

Richter

1966-05 Filmaufnahmen –

Wachendorf

1966-08 Gewittersturm im Hafen –

Sass

1966-08 „Scheer“ als Einschraubenschiff –

Wachendorf

1966-08 Fahrt nach Bayonne –

Jungdäubl

1966-08 Der Anker im Kanal –

Sass

1966-08 Der verlorene Anker –

Jungdäubl

1966-08 Wiedersehen in Horten –

Jungdäubl

1966-09 Die „Scheer“ im Manöver –

Meyer

1966-09 Seltener Besuch : Bischöfe an Bord –

Jungdäubl

1966-10 Sparsamkeit –

Meyer

1966 Der abgestürzte Starfighter –

Richter

1966 Ruderversager –

Martin

1966 Wie konnte das passieren? –

Sass

1966/67 Wahrschau Butter –

Sass

1967-05 Schulfregatte „Scheer“ als Totenschiff –

Meyer

1967-06 Verfluchte See –

Meyer

1967-08 Der vermaledeite Anker –

Meyer

1967-09 Ratlosigkeit und Versorgung auf See –

Meyer

1958/1967 Die Schiffsglocke –

N.N.

1967 Das Traumschiff –

Boie

Die Bordhunde

Der erste Bordhund „Malo“ –

Heinken

Der zweite Bordhund „Pushkin“ –

Schmitz

Die Schulfregatte „Scheer“ im Modell

Modelle von Schwarz, Kleimeier, Ostgen, Gehle, Hümmler und

Sass. Schiffsdaten der Schulfregatte „Scheer“

Dankadresse

Quellen- und Medien

Personen

Orte

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungen

Vorwort

Nach der Außerdienststellung der Schulfregatte „Scheer“ im Jahr 1967 bildete sich eine Bordkameradschaft, die bis heute zusammenhält. Das ehemalige Bordleben lebte auch in einer eigenen Homepage fort, die von Heinz-Werner Sass als Webmaster gepflegt wurde. Nach der Neuauflage der „Chronik der Schulfregatte Scheer“ in Taschenbuchformat durch Oswald Jungdäubl und Harald Pinl 2021, tauchte der Gedanke auf, als ergänzende Beiträge zur Chronik, auch die Erinnerungen und Berichte der Bordcrew, wie sie im Internet-Auftritt der Bordkameradschaft erschienen waren, in einer eigenen Sammelschrift herauszubringen. Dies soll hiermit geschehen.

Gesammelt wurden Beiträge und Bilder von ehemaligen Bordangehörigen aus ihrer Zeit an Bord der „Scheer“. Der Name „Scheer“ hat in letzter Zeit die Frage aufgeworfen, ob er noch in die Tradition der Bundeswehr passt. Hierüber wurde ausführlich in der Marine und der Öffentlichkeit mit Konsequenzen diskutiert und die Diskussion soll hier nicht neu angestoßen oder wiedergegeben werden. Zwar wird kurz auf die Namensgebung für Schiffe in der Bundesmarine und die Person Reinhard Scheer eingegangen, aber den Kern dieser Schrift bildet die Dokumentation der in den Jahren 1959 bis 1967 von Bordangehörigen erlebten Ereignisse und wie sie von diesen als persönliche Erlebnisse wahrgenommen wurden. Dies wird als dokumentarischer Beitrag zur Geschichte der Schulschiffe in den Anfangsjahren der Bundesmarine gesehen.

Altencelle / Hänigsen, im Juli 2024

Die Herausgeber

Zur Namensgebung von Schiffen der Bundesmarine

Schauen wir uns die Namen der Schiffe der Bundesmarine in ihren ersten Jahren an, so wurde durchaus an die Schiffsnamen der Vormarinen angeschlossen, ausgenommen solcher, die einen eindeutigen Bezug zum NS-Regime hatten, wie z.B. das Segelschulschiff „Leo Schlageter“.

Nehmen wir zum Beispiel die Schnellboote der Bundesmarine. Bei ihnen finden wir bei der Klasse 149 Namen wie Silbermöwe, Eismöwe oder Seeschwalbe, also die Namen von Seevögeln. Die Seeadler-Klasse 141 erweitert dieses Spektrum mit Namen wie Falke, Habicht oder Sperber auf Raubvögel an Land. Dagegen wurden bei der Jaguar-Klasse 140 außer Vögeln wie Storch, Elster oder Reiher auch Raubtiernamen wie Leopard, Löwe, Tiger oder Panther gewählt. In den nachfolgenden Klassen wurden diese und ähnliche Namen wieder verwendet, die bereits in der Kaiserlichen Marine bei Kanonenbooten, wie der Habicht-Klasse, oder bei Kleinen Kreuzern, wie der Bussard-Klasse, vergeben worden waren.

Bei den Schulfregatten zeigt sich eine „gemischte“ Tradition der Namensvergabe. Bei dem sogenannten „Insektengeschwader“ für die Kadettenausbildung, das aus den fünf ehemaligen Hochseeminensuchbooten „Biene“, „Bremse“, „Brummer“, „Hummel“ und „Wespe“ bestand, gibt es Namensvorläufer bei den Panzerkanonenbooten der Brummer- und Wespenklasse der Kaiserlichen Marine. Die folgenden Schulfregatten trugen Namen von Personen:

F 212 Gneisenau – Artillerieschulschiff, 1958 – 1966

F 213 Scharnhorst – Artillerieschulschiff, 1959 – 1968

F 214 Hipper – Kadettenausbildung, 1959 – 1964

F 215 Graf Spee – Kadettenausbildung, 1959 – 1964

F 216 Scheer – Ortungsschulschiff, i.D. 1959 – 1967

F 217 Raule – U-Jagdschulschiff/Kadettenausbildung, 1958 - 1967

F 218 Brommy – Unterwasserwaffen-Schulschiff, 1959 – 1965

Die Namen von fünf der sieben Schulfregatten der „Sammelklasse 138“ wurden also schon in der Kaiserlichen Marine verwendet. „Gneisenau“, „Graf Spee“ und „Scharnhorst“ hießen Große Kreuzer, Minensuchboote trugen die Namen „Brommy“ und „Raule“. Dagegen treten die Namen „Hipper“ und „Scheer“ erst in der Kriegsmarine als Schlacht- und Panzerschiffsnamen auf, um an die beiden Chefs der Hochseeflotte im I. Weltkrieg zu erinnern.

Warum wurde in der Bundesmarine die Tradition der Schiffsnamen gerade mit diesen Männern fortgeführt? Lässt sich den tradierten Namen eine gewisse „Vorbildfunktion“ im Rahmen der Erziehung von Marinesoldaten zuschreiben?

Admiral Karl Rudolf Brommy war von 1848-1853 Chef der Bundesflotte des Deutschen Bundes im Paulskirchen-Parlament. Er hatte in ausländischen Marinen, der amerikanischen und der griechischen gedient, war ein erfahrener Seemann und auch Theoretiker. 1848 veröffentlichte er in Berlin ein Standardwerk zum Seewesen unter dem Titel „Die Marine – Eine gemeinfassliche Darstellung des gesamten Seewesens“, das noch 2021 in einer von Thomas Rohwer herausgegebenen Neuauflage erschien. 1849 führte er im Seegefecht vor Helgoland auf dem Flaggschiff, der Raddampferfregatte „Barbarossa“, den Kampf gegen dänische Kriegsschiffe, um der Blockade deutscher Häfen zu begegnen.

Ganz anders Benjamin Raule (1634 – 1707), der als flämischer Seereder in Diensten Brandenburgs als Generaldirektor der Marine Kaperfahrten für Brandenburg unternehmen ließ. Er unterstützte den „Großen Kurfürsten“ in der Ausweitung des Seehandels und dem Aufbau einer Marine, u.a. ließ er eine eigene brandenburgische Werft aufbauen.

Die Admirale Ritter von Hipper, Scheer und Graf von Spee sind als Flottenführer im I. Weltkrieg bekannt, Scheer vor allem durch die Skagerrak-Schlacht. Mit Gneisenau und Scharnhorst sind die preußischen Heeresreformen und ihr militärisches Führertum in den Befreiungskriegen 1811 bis 1815 verbunden. So sind diese Männer, mit Ausnahme von Raule, nicht nur in der Kriegskunst oder Seekriegskunst bedeutend gewesen, sondern auch als erfolgreiche militärische Erzieher, jedenfalls nach Auffassung ihrer Zeitgenossen. Dies mag dazu geführt haben, sie auch in der Erinnerung der jungen Bundesmarine zu halten.

Mit der Ausmusterung der Schulfregatten zwischen 1964 und 1967 sind aber alle diese Namen verschwunden. Die Bundesmarine hat sich davon gelöst, die Namen von Personen als traditionsbildende Schiffsnamen zu verwenden und hat künftig als Leitlinie die Verbindung zu Bundesländern und Städten des eigenen Landes betont. Dies hat auch den Vorteil, dass Patenschaften mit den jeweiligen Landesregierungen und Kommunen entstanden sind, die den Besatzungsangehörigen die Gelegenheit geben, auch im Binnenland die Marine zu repräsentieren und auf sie aufmerksam zu machen. Die Patenschaften tragen dazu bei, die Marine in das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft zu rücken..

Der Namensgeber : Admiral Reinhard Scheer

Wie Tirpitz beklagte auch Scheer, dass in den ersten beiden Weltkriegsjahren die Hochseeflotte geschont werden sollte und nur vereinzelt Vorstöße gegen die englische Küste und Flotte in der Nordsee unternommen wurden. Auf eine mit Risiken verbundene Angriffsstrategie der Hochseeflotte wurde aber seitens des Kaisers und des Admiralstabes verzichtet. Dagegen war Scheer mit der Verwendung des Ubootes zum Handelskrieg durchaus einverstanden, da er darin ein neues Gebiet für die Seekriegsführung mit ausschlaggebender Bedeutung für den Kriegsausgang sah. (Vgl. Scheer, Erinnerungen, nach Koerner, Peter: Der Krieg zur See, S.87-88)

„Scheer meinte allerdings eine positive Entwicklung. In Wirklichkeit war der U-Boot-Handelskrieg mitentscheidend für den Kriegseintritt der USA und leitete eine negative Entwicklung der Kriegführung für Deutschland ein.“ (Koerner, S. 88)

Scheer konnte seine Vorstellungen erst als Chef der Hochseeflotte in der Skagerrak-Schlacht 1916 verwirklichen, was ihm den Ruhm als geschickter Seekriegstaktiker einbrachte.

Unrühmlich dagegen ist seine Zustimmung als Chef des Admiralstabes im Oktober 1918, die Hochseeflotte zu einem letzten Gefecht gegen die Grand Fleet einsetzen zu wollen, um die Ehre zu retten, obwohl der Krieg verloren war und der Einsatz nur unnötig Menschenleben gekostet hätte, um einem überkommenen Prestigeund Ehrdenken der Seekriegsleitung nachzukommen.

„Die Flotte, die seit der Schlacht im Skagerrak Ende Mai 1916 nicht mehr zum militärischen Einsatz gekommen war, sollte sich nach dem Willen der Seekriegsleitung aus Gründen ihrer ‚Ehre‘ nochmals in die Annalen des Weltkriegs einschreiben und England in letzter Stunde empfindliche Verluste zufügen. Schwere eigene Opfer wurden dabei ebenso in Kauf genommen wie der Konflikt mit der Reichsleitung und der sie tragenden Reichstagsmehrheit.“ (Winkler: Langer Weg, S. 367)

Noch während der deutsch-amerikanischen Verhandlungen im Oktober 1918 über einen Waffenstillstand, wurde die Flotte für einen Angriff auf die englische Flotte vorbereitet und wurde dazu Ende Oktober auf Schillig-Reede versammelt. Der Befehl der Seekriegsleitung lautete: „Hochseestreitkräfte sollen zum Angriff und Schlagen gegen englische Flotte angesetzt werden“ Der Flottenchef Admiral von Hipper plante den Angriff vor allem gegen den Englischen Kanal zu richten, dem Scheer, seit Juni 1918 Chef des Admiralstabes, zustimmte. (Koerner, S. 119)

Der zu späte Einsatz der Hochseeflotte wird von dem Historiker Heinrich August Winkler als eine Herausforderung des parlamentarischen Systems beurteilt und sogar als „Militärputsch“ beurteilt: „Die Seekriegsleitung trieb Politik auf eigene Faust, und das auf eine Weise, die es rechtfertigt, von einem Putschversuch zu sprechen.“ (Winkler: Langer Weg, S. 367)

„Die Flottenführer hatten jedoch die Rechnung ohne die Antwort Wilsons, der am 24. Oktober die völlige Kapitulation verlangte, und die Kriegsmüdigkeit der Matrosen gemacht. Die Zeit der Begeisterung und Kriegslust des Jahres 1914 war endgültig vorbei, die Ereignisse in Russland im Jahre 1917 und das Auseinanderfallen der monarchistischen Regierungssysteme in Mitteleuropa hatte ein völlig verändertes Weltbild geschaffen. Niemand unter den Matrosen und Soldaten wollte mehr, wie noch bei Coronel, Falkland und am Skagerrak, mit wehender Kriegsflagge untergehen und sich für eine Führung opfern, die offenkundig abgewirtschaftet hatte. Für die führenden Militärs, welche die Situation größtenteils nicht erfassten, waren die Meutereien in Wilhelmshaven und Kiel, die sich dann auf ganz Deutschland ausdehnten, auf ‚bolschewistische Bewegungen‘, wie Admiral Scheer schrieb, zurückzuführen.“ (Koerner, S. 119-120)

In Offizierskreisen wurde davon geredet, lieber ruhmvoll unterzugehen, in Ehre zu sterben, als in Schande zu leben. Diesen „Ruhm“ und diese „Ehre“ hätte man aber schon die Jahre zuvor haben können und nicht erst im Oktober 1918. Der ehemalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Björn Engholm, urteilte über dieses Verhalten:

„Zigtausend Leute bewusst in den Tod zu schicken, nur um hinterher sagen zu können, wir haben unsere Ehre gerettet, wenn auch untergegangen. Dies ist das Unmenschlichste, was sich ein Mensch vorstellen kann.“

(Fernsehdokumentationsfilm auf TV arte: „1918 – Aufstand der Matrosen“, u.a. gesendet am 11.11.2021)

„Als am 27.10.1918 die ‚Todesfahrt‘ der Hochseeflotte gegen die britische Flotte beginnen sollte, um die Waffenstillstandsverhandlungen zu torpedieren, durchkreuzten revolutionäre Heizer und Matrosen den Plan der Marineführung. […] Der Widerstand der Matrosen und Heizer fiel mit der Herausbildung einer revolutionären Krise in Deutschland zusammen. Unverkennbar war der Einfluss der Bremer Linken und der Spartakusgruppe, deren Flugblätter in der Flotte kursierten.“ (Wörterbuch zdMG, S. 830)

Nach der Meuterei in der Hochseeflotte Ende Oktober 1918 meinte Scheer noch durch taktierende Maßnahmen, wie das Aufteilen der Flotte und ihre Stationierung in verschiedenen Stützpunkten die Disziplin in den Griff zu bekommen. Doch wieder wurde das Gegenteil erreicht. Vor allem die nach Kiel beorderten Schiffe trugen dazu bei, dass sich die aufständischen Matrosen in Kiel zunächst mit den Werftarbeitern solidarisierten und dann durch ihre Beurlaubung in ihre Heimatorte dazu beitrugen, dass sich der Aufstand landesweit zur Novemberrevolution entwickelte.

Ein ganz anderer Aspekt, der gegen einen Opfergang der Flotte in letzter Minute spricht, ist die seit dem Mittelalter in das europäische und militärische Denken eingeflossene Auffassung von Ritterlichkeit. Ein Ritter streicht seine Waffen, wenn er einsieht, dass ein Kampf verloren ist. Er setzt nicht unnötig fremdes oder sein eigenes Leben aufs Spiel, wenn der Kampf aussichtslos ist. In diesem Sinne verhielt sich Scheer wenig ritterlich.

Zusammengefasst erscheint uns Reinhard Scheer als ein brillanter Taktiker und Operateur der Seekriegskunst, dem aber der strategische Erfolg versagt blieb. Sein politisches Denken war jedoch vollständig im Zeitgeist einer militärischen Kaste gefangen und bewirkte das Gegenteil von dem, was gewollt war. Der Chef des Admiralstabes verkannte als militärischer Führer die politische Landschaft im Kaiserreich und die sich zuspitzende politische Lage. Allerdings stand Scheer nicht allein, sondern fand sich in Gesellschaft anderer führender Militärs seiner Zeit, wie Tirpitz oder Ludendorff, die auch weiterhin das monarchische System aufrecht erhalten wollten.

Die Umbenennungen der Marine in Kiel

Das Presse- und Informationszentrum Marine (PIZ Marine) meldete am 1. Oktober 2021, dass die größte Liegenschaft der Marine in Schleswig-Holstein seit diesem Tag offiziell umbenannt wurde. „Tirpitz“ und „Scheer“ waren nicht mehr traditions- und zeitgemäß.

Die Kieler Marinebasis heißt jetzt offiziell „Marinestützpunkt Kiel-Wik“, und ihr Hafen nicht mehr „Tirpitzhafen“. Die dort stationierten Soldatinnen und Soldaten waren zuvor – übereinstimmend mit dem neuen Traditionserlass der Bundeswehr – zur Überzeugung gelangt, dass insbesondere die Namen zweier Admirale der Kaiserlichen Marine nicht mehr zeitgemäß und traditionsbeziehungsweise identitätsstiftend sind.

Nach einer internen Beratschlagung hatten Marineangehörige in Kiel einen neuen Namen für den Marinehafen und dessen zugehörige Kasernenanlage vorgeschlagen. Der Inspekteur der Marine hatte die Vorschläge aufgegriffen und nach Zustimmung der Verteidigungsministerin die Umbennung angeordnet.

Die Benennung des Stützpunktes nach dem Stadtteil Kiel-Wik, in dem die Marine seit ihrer Gründung stationiert ist, soll die enge Verbindung zwischen der Stadt Kiel und der Marine zum Ausdruck bringen. Auch die über 150-jährige Geschichte der Kaserne selbst und die daraus erwachsene gegenseitige Bedeutung für die Entwicklung der Stadt und der Seestreitkräfte soll im neuen Namen anklingen.

Streiche „Tirpitz“ und „Scheer“, setze „Gorch Fock“ und „Oskar Kusch“

Die im Süden des Hafens liegende Tirpitzmole wurde in „Gorch-Fock-Mole“ umbenannt. Das verweist auf den langjährigen angestammten Liegeplatz des Segelschulschiffs, das gleichermaßen Symbol für die Marine und ein Wahrzeichen der Stadt Kiel ist. Und der Name erinnert natürlich an den Dichter, der 1916 als einfacher Matrose der Kaiserlichen Marine in der Skagerrak-Schlacht gefallen war.

Johann Wilhelm Kinau, Künst- lername „Gorch Fock“

Die bisherige nördliche Scheermole heißt jetzt „Oskar-Kusch-Mole“. Der Namensgeber war als Oberleutnant zur See Kommandant eines U-Bootes der Kriegsmarine. Er wurde wegen offen geäußerter Kritik am Nazi-Regime 1944 auf dem Schießplatz in Kiel-Holtenau hingerichtet. In diesem Viertel lässt ihm die Stadt mit der Oskar-Kusch-Straße bereits ehrendes Gedenken zuteil werden.

Oskar Heinz Kusch (1918–1944), kam aus der bündischen Jugend, die sich der Gleichschaltung im NS-Regime widersetzt hatte.

Mit den neuen Namen will die Marine zeigen, dass sie sich weder der Geschichte noch ihrem Erbe verweigert. Sie ist vielmehr auch gewillt, mit der Zeit zu gehen und eine eigenständige Interpretation von Traditions- und Erinnerungswürdigkeit zu etablieren.

Der Hintergrund zu Umbenennungen bei der Marine

Die Tradition der Deutschen Marine basiert auf dem Grundgesetz und ist fester Bestandteil der Inneren Führung der Bundeswehr. Die Neufassung des Traditionserlasses hat bereits 2017 festgelegt, dass der Kern des Traditionsverständnisses der Bundeswehr künftig in ihrer eigenen, über 60-jährigen Geschichte, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie im Widerstand gegen Diktaturen und Gewaltherrschaft liegt. In der Kieler Oskar-Kusch-Straße erinnert ein Gedenkstein an den während der Nazi-Diktatur hingerichteten jungen Marineoffizier.

Der Rückgriff auf die Vormarinen ist damit zwar weiterhin ein Teil der Geschichte, aber nicht mehr bestimmendes Element der Traditionspflege der Marine. Nur einzelne Ereignisse, Prinzipien und Personen, die nach wie vor mit heutigen Wertevorstellungen in Einklang stehen, sind immer noch traditions- und erinnerungswürdig.

Infolgedessen hatte noch der frühere Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, angewiesen, alle bestehenden Namen von Kasernen und weiterer Infrastrukturelemente auf ihre Traditionswürdigkeit im Sinne des Erlasses hin zu überprüfen. Da, wo notwendig, sei eine Umbenennung zu veranlassen.

(Nach PIZ Marine vom 01.10.2021)

* * *

Kommentare

Das Informations- und Pressezentrum der Marine gibt die Gründe für die Umbenennung der Liegenschaften in Kiel nur allgemein und pauschal mit den „heutigen Wertevorstellungen“ an. Die Verwendung der Namen von Admiralen der Kaiserlichen Marine ist „nicht mehr zeitgemäß und traditions- beziehungsweise identitätsstiftend“.

Davon abgesehen drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt sinnvoll ist, ins historische Zeitgeschehen eingebundene Personen für den heutigen Alltag mit seinen veränderten Rahmenbedingungen als Vorbilder für spätere Generationen hinzustellen. Es ist oftmals schwierig, die Relevanz eines bestimmten vergangenen Verhaltens deutlich zu machen.

Nach der Kriegsschuldthese von