Rushing In - Claire Kingsley - E-Book
SONDERANGEBOT

Rushing In E-Book

Claire Kingsley

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Einzige, die er nicht lieben dar f. Grübchen und sein teuflisch-charmantes Grinsen - Feuerwehrmann Gavin Bailey ist der Draufgänger der fünf Bailey Brüder und der Frauenschwarm von Tilikum. Als er dann auf Skylar Stanley trifft, beißt er auf Granit. Frisch getrennt hat sie nur noch den Wunsch sich zu verkriechen und ihren Seelenfrieden zu finden. Gavin möchte ihr helfen – als guter Freund, der ihr zuhört und sie wieder zum Lachen bringt. Und je mehr Zeit er mit Skylar verbringt, umso mehr wird ihm bewusst, dass sie alles hat, was er sich immer von einer Frau gewünscht hat. Doch er darf sich nicht in sie verlieben, denn sie ist die Tochter seines Chefs und so sehr Gavin die Gefahr auch liebt – Skylar wäre ein Risiko der ganz anderen Art. Eines, das es unbedingt zu vermeiden gilt …  "Rushing In"- der vierte Teil der "Bailey Brothers" Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 572

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Die Einzige, die er nicht lieben darf.

Grübchen und sein teuflisch-charmantes Grinsen – Feuerwehrmann Gavin Bailey ist der Draufgänger der fünf Bailey Brüder und der Frauenschwarm von Tilikum. Als er dann auf Skylar Stanley trifft, beißt er auf Granit. Frisch getrennt hat sie nur noch den Wunsch sich zu verkriechen und ihren Seelenfrieden zu finden.

Gavin möchte ihr helfen – als guter Freund, der ihr zuhört und sie wieder zum Lachen bringt. Und je mehr Zeit er mit Skylar verbringt, umso mehr wird ihm bewusst, dass sie alles hat, was er sich immer von einer Frau gewünscht hat.

Doch er darf sich nicht in sie verlieben, denn sie ist die Tochter seines Chefs und so sehr Gavin die Gefahr auch liebt – Skylar wäre ein Risiko der ganz anderen Art. Eines, das es unbedingt zu vermeiden gilt …

»Rushing In«- der vierte Teil der »Bailey Brothers« Reihe von Bestsellerautorin Claire Kingsley. Wir empfehlen die Titel in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen. Ein Leben ohne Kaffee, E-Reader und neu erfundene Geschichten ist für sie nicht vorstellbar. Claire Kingsley lebt mit ihrer Familie im pazifischen Nordwesten der USA.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

https://www.aufbau-verlage.de/newsletter-uebersicht

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Claire Kingsley

Rushing in

Übersetzt von Nicole Hölsken aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Newsletter

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Epilog

Impressum

Prolog

Skylar

»Skylar, wir müssen reden.«

Nicht nur diese – an sich schon unheilvollen – Worte sorgten dafür, dass ich es mit der Angst zu tun bekam. Sondern auch Cullens Ton. Er war ausdruckslos. Gefühllos.

»Klingt ernst«, sagte ich leichthin. Vielleicht war meine Reaktion ja doch übertrieben. Womöglich wollte er nur mit mir darüber sprechen, in welches Restaurant wir heute Abend gehen wollten, oder über ein ähnlich harmloses Thema.

Cullen stand in der Küche unserer Wohnung. Mit seinen eisblauen Augen, der sonnengebräunten Haut und den natürlichen Strähnchen in seinem dichten dunkelblonden Schopf war er ganz und gar der gut aussehende Kalifornier. Man hätte sein Button-Down-Hemd und die Stoffhose bloß noch gegen Surfshorts und Muscleshirt austauschen müssen, und fertig war der Sonnyboy vom Strand.

Bei dieser Vorstellung hatte ich gleich folgendes Bild vor mir: An einem verlassenen Strand bei Sonnenaufgang entdeckt ein junger Surfer aus Kalifornien eine Leiche …

»Siehst du?«, blaffte Cullen. »Du hörst ja nicht mal richtig hin.«

»Tut mir leid. Mir kam nur gerade eine Idee. Was hast du gerade gesagt?«

»Es ist vorbei.«

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube, und vor Schreck bekam ich erst einmal keinen Ton heraus. Ich starrte ihn an und beobachtete, wie er sein Handy aus der Gesäßtasche holte und sich sein Mundwinkel zu der Andeutung eines Lächelns verzog.

»Wie bitte?«

Er steckte das Handy wieder weg, und sein Blick schnellte erneut zu mir hoch. Verärgert verzog er das Gesicht. »Du willst sogar, dass ich es wiederhole? Lass mich raten, du hast es nicht genau mitbekommen, weil du gerade weitere Plots für Bücher entwickelst, die du nie schreiben wirst.«

Autsch. Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. »Nein. Ich habe bloß nicht verstanden, was du gerade gesagt hast.«

»Warum machst du es uns so schwer?«

»Wieso bin ich diejenige, die es schwer macht? Du wirfst mir die Worte Es ist vorbei an den Kopf, einfach so, ohne jeden Anlass, und ich soll einfach so weiterleben wie bisher?«

»Na ja, genau das sollst du eben nicht.«

»Was soll ich denn dann deiner Meinung nach darauf antworten? Natürlich frage ich dich, was du damit meinst.«

»Na gut«, entgegnete er, als sei meine Bitte um eine Erklärung die unverschämteste Forderung der Welt. »Ich bin nicht glücklich. Schon seit Langem nicht mehr. Das war’s also. Ich bin fertig mit dir.«

»Seit wann bist du nicht mehr glücklich?«

»Ich habe doch gerade gesagt, schon seit Langem nicht mehr.«

Verstört starrte ich ihn an. Cullen war noch nie das gewesen, was man gemeinhin als glücklichen Menschen bezeichnete. Er war ernsthaft und stoisch. Konzentriert und verantwortungsbewusst. Glücklich zu sein gehörte nicht zu seinem Charakter. Aber die Vorstellung, dass er mit mir unglücklich gewesen war, war mir trotzdem fremd und unverständlich.

Es hatte keinerlei Vorwarnung gegeben. Überhaupt keine. Ich hatte geglaubt, es gehe ihm gut.

Ich dachte, zwischen uns sei alles in Ordnung.

Und das war beileibe nicht alles. Ich dachte, wir würden für immer zusammenbleiben.

Das Brummen des Kühlschranks dröhnte plötzlich in meinen Ohren. Ich versuchte, ganz stillzustehen – nicht zu zucken. Er würde mich nur wieder als Dramaqueen hinstellen. Beruhige dich, Skylar, der Kühlschrank ist in Wirklichkeit gar nicht laut.

Das Vibrieren schien meinen Rücken hinaufzukriechen. Ich konnte jetzt nicht mehr stillstehen. Nicht hier. Bloß mit Mühe hielt ich mich davon ab, mir die Ohren zuzuhalten, und floh ins Wohnzimmer.

»Das alles kommt nur … so unerwartet«, sagte ich.

»Das ist nicht meine Schuld.«

»Wie bitte?« Ich wirbelte zu ihm herum. »Du trennst dich von mir, und es ist nicht deine Schuld?«

Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein, es ist nicht meine Schuld, dass dich das überrascht. Du hättest es kommen sehen müssen.«

»Wie hätte ich das denn kommen sehen sollen? Wir hatten letzte Nacht noch Sex. Und du kamst mir alles andere als unglücklich vor, als dein Schwanz in mir war.«

»Du meine Güte, Skylar. Nun werde nicht auch noch vulgär!«

»Warum sagst du nie etwas? Warum hast du mir nicht gesagt, dass du nicht glücklich warst?«

»Es ist schließlich nicht so, als hättest du viel für unsere Beziehung getan. Du warst monatelang nicht hier.«

»Ich habe mich bei meiner Mom einquartiert, um nach ihrer Operation für sie sorgen zu können. Was hat denn das damit zu tun, dass du dich von mir trennen willst?«

»Damals sprachst du zunächst von ein paar Wochen, aber einen Monat später hast du immer noch bei ihr gewohnt.«

Mit offenem Mund sah ich ihn an. »Ich bin doch dann zurückgekommen. Und sie ist meine Mom, Cullen. Sie brauchte meine Hilfe.«

Er zuckte mit den Schultern, als spiele es keine Rolle, in welcher verwandtschaftlichen Beziehung sie zu mir stand. »Wir haben uns bereits vor langer Zeit auseinandergelebt. Du warst bloß viel zu sehr mit deinen Gedanken ganz woanders, um es zu bemerken.«

Ich schluckte trocken. Stimmte das? Ich war in der Tat häufig abgelenkt. Hatte ich so in meiner eigenen Welt gelebt, dass ich seine Unzufriedenheit nicht mitbekommen hatte? Hatte ich ihn so sehr vernachlässigt, dass er sich entliebt hatte?

Wieder zückte er sein Handy und tippte irgendetwas.

»Was machst du da?«

Er beendete die Nachricht, dann schob er das Telefon wieder in die Hosentasche. »Nichts.«

»Hörst du wohl auf, mit jemand anderem zu schreiben, während du mein Leben zerstörst?«

»Nun sei nicht so dramatisch!«

»Bin ich gar nicht. Lässt du mich als Autorin dann auch fallen?«

»Das ist für alle Beteiligten das Beste.«

Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Cullen Bell war nicht nur seit drei Jahren mein Freund und der Mann, mit dem ich momentan zusammenlebte. Er war außerdem mein Literaturagent. Meine Verbindung zu den Lektoren in den großen Verlagshäusern.

Auch zu dem Verlag, der mich im vergangenen Jahr fallen gelassen hatte.

Und zu anderen Verlagen, die mich womöglich unter Vertrag nehmen würden.

Obwohl ich schon seit Monaten nichts mehr geschrieben hatte.

O mein Gott.

»Das war’s also? Du bist fertig mit mir?«

Er wollte den Mund öffnen, um mir zu antworten, aber in diesem Moment vibrierte sein Handy, und er zog es erneut aus seiner Hosentasche hervor.

Da dämmerte es mir. Dunkler Rauch schien den Raum zu erfüllen, und mir wurde übel.

»Wer ist sie?«

Er blickte auf. Seine Miene war völlig ausdruckslos. »Nicht.«

»Betrügst du mich?«

»Skylar, mach es nicht noch schlimmer!«

»Beantworte meine Frage.«

»Tu dir das nicht an. Immerhin versuche ich, dir die Sache leichter zu machen.«

»Indem wir so tun, als sei unsere Trennung meine Schuld?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Wer ist sie?«

Er wandte den Blick ab.

»Wenn du mich wegen einer anderen Frau verlässt, solltest du mir ihren Namen verraten. Das ist das Mindeste, was du tun kannst, damit ich …«

»Pepper Sinclair.«

Ich schloss den Mund. Vielleicht hatte er recht. Ich hätte es kommen sehen müssen.

Pepper Sinclair war einfach vollkommen. Eine New York Times Bestseller-Autorin, die inspirierende Frauenliteratur schrieb. Sie war atemberaubend schön, mit einer Wahnsinnsfigur, tollen Haaren, makelloser Haut, einem bezaubernden Lächeln und jener Art von Brüsten, für die die meisten Frauen eine Menge hingeblättert hätten.

Auf Social Media hatte sie Millionen von Followern, Männer und Frauen hingen ihr gleichermaßen an den Lippen und schrien förmlich nach Einblicken in ihr perfektes Leben.

Alle liebten sie.

Mein Freund offenbar auch. Der im Übrigen auch ihr Agent war.

»Moment mal, Pepper ist doch verheiratet!«

»Nicht dass es dich etwas anginge, aber sie lässt sich scheiden.«

Anscheinend war sie doch nicht ganz so vollkommen.

Aber das war unerheblich. Das Einzige, was zählte, war, dass sie mir meinen Freund ausspannte.

Ich wandte den Blick ab, und Tränen brannten in meinen Augen. Cullen hatte ihre Vertretung erst im letzten Jahr übernommen, nachdem sie sich auf einer Autorenkonferenz in Denver kennengelernt hatten. Ich war ebenfalls dort gewesen und hatte pflichtbewusst die Meetings hinter mich gebracht, die Cullen mit Lektoren vereinbart hatte, um dem rasanten Abwärtstrend meiner Karriere entgegenzuwirken.

Und ich hatte die beiden zusammen in der Hotelbar gesehen.

Sie hatten sich damals nicht berührt. Doch wie er sie angesehen hatte …

Wochen später, nachdem ich viel zu lang darüber nachgedacht hatte, hatte ich ihn danach gefragt. Er war wütend geworden. Hatte mich beschuldigt, ihm nicht zu vertrauen.

»Wie lange geht das schon?«, hörte ich mich fragen.

»Ist das wichtig?«

»Ja. Wie lange?«

»Warum machst du es dir denn noch schwerer?«

»Weil ich die Wahrheit wissen will.«

Er stieß verärgert den Atem aus. »Es fing in Denver an.«

Meine Unterlippe zitterte. Ich nahm sie zwischen die Zähne, um nicht loszuheulen. Keinesfalls würde ich vor seinen Augen in Tränen ausbrechen.

Ich atmete tief durch die Nase ein. »Du betrügst mich seit letztem Jahr mit Pepper Sinclair?«

»Aus deinem Mund klingt es schlimmer, als es ist. In Denver haben wir …«

Er verstummte und wandte erneut den Blick ab. Aber weder an seiner Körpersprache noch an seinem Gesichtsausdruck konnte ich so etwas wie Scham ablesen. Er wollte diese Unterhaltung einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen, um dann wieder zur Tagesordnung übergehen zu können.

»Was ist in Denver zwischen euch gelaufen?«

»Warum machst du …«

»Ich bin nicht diejenige, die uns die Sache schwer macht, Cullen. Dafür bist ganz allein du verantwortlich. Ich habe dich nicht veranlasst, eine Affäre mit einer verheirateten Frau zu beginnen, die zu allem Überfluss auch noch eine deiner Autorinnen ist. Das warst du selbst und niemand sonst.«

»Gut, du willst mich dazu bringen, es auszusprechen? In Denver haben wir noch nicht miteinander geschlafen, aber … es ergaben sich andere Dinge. Seither habe ich mich mit ihr immer getroffen, wenn ich in New York war. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich dich nicht deprimieren wollte. Es war bereits schlimm genug für dich, dass deine Serie eingestellt wurde. Ich wollte dir Zeit geben, damit du zumindest wieder zu schreiben anfängst. Aber offensichtlich wird daraus nichts, und ich kann nicht noch länger darauf warten, dass du beschließt, deine Schreibblockade zu überwinden.«

Die Worte wollten mir kaum über die Lippen kommen, und meine Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern: »Die ganze Zeit?«

»Was hast du erwartet? Du bist doch immerzu mit den Gedanken woanders, grübelst ständig über den einen oder anderen Plot nach, hast aber schon wer weiß wie lange nichts mehr zu Papier gebracht. Du verbringst deine Zeit damit, dir True-Crime-Dokus über Serienkiller anzusehen, giftige Haushaltschemikalien nachzuschlagen oder zu überlegen, wie man eine Leiche am besten verschwinden lässt. Das ist schon ziemlich beunruhigend.«

»Ich schreibe Spannungsromane. Das ist Recherche.«

»Es ist, als lebe man mit diesem gruseligen Emo-Girl zusammen, das in der Schule immer in der letzten Reihe saß und die anderen mit Voodoo-Puppen bedrohte. Nur dass du hübscher bist, denn schließlich siehst du völlig normal aus.«

Wenn ich mich je gefragt hatte, wie es sich wohl anfühlen mochte, ganz und gar abgelehnt zu werden, bekam ich jetzt die Antwort.

»Jedenfalls musst du ausziehen«, schloss er. »Pepper wird es heute ihrem Ehemann sagen und bringt danach ihr Zeug her.«

»Du lässt sie hier einziehen?«

»Na ja, schon, immerhin verlässt sie ihren Mann. Da wird sie wohl kaum weiterhin dort wohnen können.«

»Du bist doch derjenige, der mich verlässt. Warum ziehst du nicht aus?«

Er sah mich an, als wäre ich völlig übergeschnappt. »Die Wohnung gehört mir.«

Das Summen des Kühlschranks verstummte und hinterließ eine beinahe greifbare Leere in der Luft. Dies war seine Wohnung. Er hatte zuerst hier gelebt. Tatsächlich gehörte ihm auch die gesamte Einrichtung. Als ich eingezogen war, war sie vollständig möbliert gewesen, die Küche und die Bäder komplett ausgestattet. Ich besaß so gut wie nichts.

Ich war nichts weiter als ein Gast, der längere Zeit hier übernachtet hatte.

Ein Gast, der die Gastfreundschaft des Wohnungsbesitzers überstrapaziert hatte.

Ruhig wandte ich mich um und begab mich ins Schlafzimmer. Holte meinen Koffer aus dem Schrank und fing an zu packen.

Es war vollkommen still. Tödlich ruhig.

Der Anfang eines Beziehungsthrillers schoss mir durch den Kopf. Eine betrogene Frau wird gezwungen, wegen der Untreue ihres Mannes aus dem Haus auszuziehen, das sie liebt. Am nächsten Morgen wird der Mann tot aufgefunden. Sie gilt als Hauptverdächtige, und …

»Was machst du denn da?«

Ich sah mich um und betrachtete den Mann, von dem ich dachte, ihn eines Tages zu heiraten. Meine Stimme klang seltsam ausdruckslos. »Du hast dich gerade von mir getrennt, also packe ich.«

»Du hast die Wand angestarrt.«

Ich wandte mich zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Weißt du was, Cullen? Fick dich! Du hast nie versucht, mir das alles leichter zu machen oder mir Zeit zu geben, um wieder mit dem Schreiben anzufangen, oder zu verhindern, dass ich Depressionen bekam. Du wolltest dich einfach nur davor drücken, mir zu gestehen, dass du ein beschissener Betrüger bist. Denn tief im Innern weißt du, dass der Fehler bei dir liegt. Du weißt, dass du mich hintergangen hast. Und irgendwann wirst du aufwachen und es erkennen. Und dir wird klar werden, was du verloren hast. Aber dann bin ich schon lange fort. Also verschwinde und lass mich packen!«

Er hielt ergeben die Hände in die Höhe und wich ein paar Schritte zurück. »Na gut.«

Wieder widmete ich mich der Aufgabe, meine Klamotten zusammenzufalten und ordentlich in meinem Koffer zu verstauen. Sie würden nicht alle hineinpassen, aber eine andere Tasche besaß ich nicht.

Deshalb beschloss ich, Cullens Koffer zu nehmen.

Der Teufel sollte ihn holen!

Doch als ich seinen Koffer aus dem Schrank holte – er sah genauso aus wie mein eigener –, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Schon bald schluchzte ich hemmungslos, so dass feuchte Haarsträhnen an meinen Wangen klebten. Ich legte meine Hand auf die Brust, denn plötzlich wurde mir schmerzhaft klar, was gemeint war, wenn jemand sagte, man habe dem Betreffenden das Herz gebrochen.

Ich hatte geglaubt, ihn zu lieben. Und dass er mich liebte.

Anscheinend hatte ich mich geirrt. Und zwar gewaltig.

Ich musste unbedingt meine Mom anrufen. Ich würde zu ihr ziehen müssen. Ich gehörte nicht zu den Frauen, die viele Freunde hatten; dafür war ich zu schüchtern. Und meine beste Freundin Ginny wohnte weit weg. Glücklicherweise konnte ich sicher sein, dass meine Mom nichts dagegen haben würde.

Trotzdem scrollte ich durch meine häufigsten Kontakte – was ganze drei Personen waren, nämlich Mom, Cullen und Ginny – und blieb weiter unten an einer anderen Nummer hängen.

Dad.

Norman Stanley. Brandmeister beim Tilikum Fire Department.

Keine Ahnung, warum ich plötzlich den Drang verspürte, ihn anzurufen. Normalerweise pflegte ich mich in Krisen nicht an ihn zu wenden, sondern an meine Mutter. Ich besuchte ihn nicht mal oft.

Aber aus irgendeinem Grund sehnte ich mich in meinem Liebeskummer nach der tröstlichen Stimme meines Vaters.

Wenn er überhaupt dranging. Wahrscheinlich war er gerade im Dienst. Er schien ohnehin kaum etwas anderes zu tun als zu arbeiten.

Dennoch beschloss ich, einen Versuch zu wagen. Ich rief seine Nummer auf und wählte sie.

Bereits nach dem ersten Klingeln ging er dran. »Hey, Skylar.«

Eine Flut neuerlicher Tränen lief mir über die Wangen, und nur mit Mühe stieß ich ein einziges Wort hervor.

»Daddy.«

Kapitel 1

Gavin

Schweiß rieselte mein Rückgrat hinab, und die heiße Luft war stickig vom Rauch.

»Wie sieht es da oben aus, Gav?«, ertönte die Stimme des Chiefs knisternd aus dem Funkgerät.

Ich schaltete das Remote Microphone meines Funkgeräts ein, um ihm zu antworten. »Heftige Rauchentwicklung. Vielleicht sollte Dirk seiner Crew eine kleine Pause gönnen, sobald wir die Schneise freigebrannt haben. Die Jungs sehen ein bisschen mitgenommen aus.«

Wie aufs Stichwort fing ein Typ etwa drei Meter unter mir an zu husten.

»Verstanden. Sorgt nur dafür, dass kein brennbares Material mehr herumliegt, und dann raus da!«

»Machen wir, Chief.«

Rauchwolken stiegen aus den Bäumen empor und tauchten die Landschaft in schmuddeligen Dunst. Der Rauch hinterließ einen beißend-bitteren Geschmack auf der Zunge. Ein paar Zentimeter vor meinen Füßen befand sich ein Abhang – nicht zu steil, um ihn nicht mit dem Motorrad runterfahren zu können, aber dennoch gewagt –, der abrupt in dem darunterliegenden Tal endete. Ein trockenes Flussbett schlängelte sich unter mir durch das Land.

Dahinter tobte der Brand so heftig, dass der Wald rot erglühte.

Wie das sprichwörtliche Höllenfeuer.

Neben mir dröhnte Levis Kettensäge, mit der er einen auf dem felsigen Grund wachsenden kleinen Baum fällte. Dann trat er dagegen, so dass er den Abhang hinunterrollte. Seine Zweige kratzten über den Boden und wirbelten jede Menge Staub auf.

Ich hievte meinen dreißig Kilo schweren Notfallrucksack auf den Rücken, schnappte mir meine Pulaski – ein Werkzeug zur Waldbrandbekämpfung, einerseits Axt, andererseits horizontal verlaufende Klinge – und attackierte damit den übrig gebliebenen Stumpf.

Der Chief hatte einmal zu mir gesagt, dass die Bekämpfung von Waldbränden häufig stundenlange, monotone Knochenarbeit bedeutete, die von kurzen Augenblicken blanker Angst durchsetzt war. Meiner bisherigen Erfahrung nach lag er mit dieser Einschätzung goldrichtig.

Außer mit der Angst. In der letzten Saison hatte ich direkt am Rande eines außer Kontrolle geratenen Waldbrandes gekämpft, aber keinerlei Furcht empfunden. Das einzig Ungewöhnliche war das Adrenalin gewesen, das durch meine Adern pumpte.

Unsere Hauptarbeit bestand nämlich darin, eine Feuerschneise freizulegen.

An unserer Seite arbeitete ein Spezialisten-Team zur Waldbrandbekämpfung. Sie waren bereits seit ein paar Wochen hier draußen, um das Feuer in Schach zu halten, das sich aus den North Cascades durch die trockenen Bergwälder hinabgefressen und Zehntausende Hektar Land verwüstet hatte. Staatliche Feuerwehr-Departments wie das unsrige waren nicht immer an der Bekämpfung solcher Großbrände beteiligt. Buschfeuer, das schon. Aber Großflächenbrände gehörten normalerweise nicht zu unserem Spezialgebiet.

Nur wenn sie wirklich groß waren oder der Stadt zu nahe kamen.

Bei diesem hier war beides der Fall.

Levi reckte sich und wischte sich Schmutz und Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn. »Fuck, ist das heiß.«

»Was du nicht sagst.«

Unsere Gesichter waren mit Ruß und Dreck bedeckt, der sich mit dem Schweiß der bestimmt fünfzig Grad Celsius heißen Luft vermischte. Die Septembersonne schien erbarmungslos auf die Berge herab. Der Sommer war heiß und trocken gewesen, ohne auch nur einen einzigen Tropfen Regen in den letzten beiden Monaten. Und selbst jetzt, kurz vor dem Herbst, gab es keine Anzeichen für Niederschlag.

Ohne weitere Klage machten Levi und ich uns wieder an die Arbeit. Wir hatten zu tun. Herumzumeckern würde es nicht besser machen.

Außerdem war es mir gleichgültig, dass die Arbeit hart war. Dass meine Muskeln schmerzten, meine Hände wund waren, die rauchdurchtränkte Luft mir in den Lungen brannte und die Hitze bloß darauf aus zu sein schien, mir auch noch den letzten Rest von Kraft und Energie zu rauben. Ich lebte für diesen Mist. Ich brauchte ihn.

Aus unerfindlichen Gründen nannte Gram mich Otter – was der am wenigsten männliche Tiername überhaupt war –, aber in Wirklichkeit war ich ein Hai. Nicht weil ich ein blutrünstiges, böses Raubtier war – eigentlich war ich sogar ein ganz netter Kerl –, sondern weil Haie ständig in Bewegung bleiben mussten, wenn sie nicht sterben wollten.

Das war ich. Ein Hai, ständig in Bewegung.

Mit dieser bestechenden Argumentation hatte ich versucht, Gram dazu zu bringen, mir diesen anderen Spitznamen zu geben, doch sie hatte mich nur ausgelacht.

Und dennoch: Während ich hier draußen eine Feuerschneise grub, damit den Flammen das Material ausging, falls sie beschlossen, diese Seite des Tals hinaufzujagen, bewegte ich mich tatsächlich unermüdlich.

Außerdem hatte ich mich schließlich nicht zum Feuerwehrmann ausbilden lassen, um meine Tage damit zu verbringen, Katzenjunge von Bäumen herunterzuholen.

Levi und ich holten den Baumstumpf aus der Erde und warfen ihn ebenfalls den Abhang hinab. Die Jungs neben uns gruben, sägten und rodeten ebenfalls. Wir mussten alles bis auf den Mineralboden entfernen, damit nichts übrig blieb, das noch brennen konnte. Die Spitze eines Felsens war keineswegs der ideale Ort für eine Feuerschneise – bei der es sich normalerweise um einen bis zu einen Meter breiten Graben handelte –, und momentan drang das Feuer auch gar nicht in unsere Richtung vor. Aber keine fünfzig Meter von uns entfernt stand ein Haus, weshalb wir kein Risiko eingehen wollten, falls die Brandrichtung sich änderte. Wenn das nämlich geschah, konnte es sehr schnell zur Katastrophe kommen.

Das Gesicht von Dirk, dem Hauptmann der Spezialeinheit, war genauso schmutzig wie zweifellos auch meines. Rußpartikel verklebten die Fältchen um seine Augen. Im Vorübergehen nickte er uns zu und ließ den Blick über den Boden schweifen, um sich zu vergewissern, wie gut wir vorankamen.

Er war genauso versessen, hier wieder wegzukommen, wie wir.

Ein Luftzug streifte mein Gesicht, so dass es mir in der Nase kribbelte. Ich hielt inne, senkte meine Pulaski. Atmete tief ein. Es roch immer noch nach Rauch – nicht mehr als vor ein paar Minuten –, aber irgendetwas war anders.

Ich fühlte es einfach.

»Das Feuer wechselt die Richtung«, verkündete ich.

Levi warf mir einen Blick zu. »Meinst du?«

Ich scannte den rot glühenden Wald hinter uns, der Rauchwolken in den Himmel spie. Es sah alles gleich aus. Noch. Aber ich war mir so gut wie sicher.

»Ja.« Ich schnüffelte wieder. »Irgendetwas riecht komisch.«

Levi nickte. »Funk den Chief an! Ich sag es Dirk.«

Normalerweise hätte Levi nicht auf mich gehört. Ich wusste es, und er wusste es auch. Ich war sein kleiner Bruder. Der ständig nur Mist baute. Der Wilde. Wenn wir jetzt zu Hause oder in einer Bar oder eine Straße entlanggefahren wären, hätte er bloß abgewunken. Aber in Krisensituationen, wenn es gefährlich wurde, waren meine Instinkte … na ja, sie waren schon verdammt merkwürdig, zugegeben. Ich hatte so gut wie immer recht.

Ich funkte den Chief an.

»Schieß los!«

»Chief, nur zur Warnung. Ich glaube, das Feuer dreht bald.«

»Verstanden.« Auch der Chief kannte meine Instinkte. »Meinst du, wir sollten evakuieren?«

Ich sah zum Haus zurück. Es gehörte Wayen und Mary Risley. Sie wohnten seit dreißig Jahren hier. Wir konnten es nicht so einfach den Flammen überlassen. »Noch nicht. Wir können das hier vorher schaffen.«

»Okay. Die Helitack-Crew ist unterwegs zum Löschwasser-Abwurf.«

Eine weitere Rauchwolke wehte zu uns herüber, und der Typ unter mir hustete wieder. »Sie sollten voranmachen.«

»Sag ich ihnen. Geh kein Risiko ein, Gav! Das ist ein Befehl.«

Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Natürlich nicht, Chief.«

Eigentlich begab ich mich niemals unnötig in Gefahr. Zumindest nicht nach meinen eigenen Maßstäben. Meine Umgebung schien da anderer Meinung zu sein, aber ich hielt meine Aktionen stets für völlig vernünftig.

Es gab nur eines, das verrückt gewesen wäre: meinen Instinkten zu misstrauen.

In diesem Moment kam Levi zurück. »Dirk hat den Einsatzleiter angefunkt. Der Löschhubschrauber muss jeden Moment hier sein.«

»Ja, hat der Chief mir schon durchgegeben.«

»Wir sollten – Shit!«

Ich wirbelte herum und sah, was los war.

Am Ende der Reihe arbeitete eine Gruppe von Feuerwehrmännern an einem Baumstumpf – einem toten Baum, der gefährlich nah an der Kante saß. Der Holzsäger hatte das Gleichgewicht verloren und ließ seine verdammte Kettensäge fallen. Der Kerl unter ihm versuchte der tödlichen Klinge auszuweichen.

Und rutschte aus.

Die Kettensäge kam klirrend auf den Felsen auf und spie Staub in die Luft. Sie verfehlte den Typen unten und glitt an ihm vorbei in die Tiefe. Dröhnend fiel sie den Abhang hinab und über die Kante.

Ich hatte mich bereits in Bewegung gesetzt. Denn der Typ am Abhang würde jeden Moment abstürzen.

Meine Füße bewegten sich wie Kolben, als ich am Holzsäger vorbeiraste. Wie vom Donner gerührt stand er da, die leeren Hände zu beiden Seiten ausgebreitet.

»Warte, Gavin!«, rief Levi mir hinterher.

Verzweifelt krallte der Kerl am Abhang die Finger in die struppigen Büsche am Boden, um sich festzuhalten. Seine Füße scharrten im Staub, als würde etwas von unten nach seinen Knöcheln greifen. Ein Feuerdämon, der ihn als sein nächstes Opfer in die rot glühende Tiefe ziehen wollte.

Verdammter Mist.

Ich wandte mich zur Seite und kletterte den Abhang hinab auf ihn zu, wobei ich die Füße schräg stellte, um den Halt nicht zu verlieren. Unter meinen Stiefeln lösten sich ein paar Steine, die ebenfalls hinabregneten. Es gab fast nichts, woran man sich festhalten konnte, außer ein paar kümmerlichen Wurzeln und ein paar trockenen Büschen, die sich in den felsigen Untergrund krallten, aber ich war seit Jahren ein geübter Kletterer. Würde schon gut gehen.

»Halt durch, Kumpel!«, schrie ich.

Er drehte die Füße nach außen, wodurch er seinen Abgang etwas verlangsamte. Die Hände auf den Boden gepresst blickte er zu mir auf, die Augen weit aufgerissen vor Angst.

Ich überließ mich der Schwerkraft, und durch die Reibung meiner Stiefel ging es nun unkontrolliert abwärts. Mein Herz hämmerte heftig in meiner Brust, und die Hitze des Tages, der Rauch und die Erschöpfung in meinen Armen waren verflogen. Nichts. Unwichtig. Das Adrenalin spülte alles fort wie eisig kaltes Flusswasser.

Ich würde den Kerl da rausholen. Ihn in Sicherheit bringen. Ich wusste es.

Deshalb hatte ich keine Angst.

Ihm jedoch ging es anders, und das war blöd. Jemanden zu retten, der in Panik war, war immer ein Risiko.

Nachdem ich mich ihm ein Stück weit genähert hatte, wurde ich langsamer und fand einen größeren Felsvorsprung, an dem ich meinen Fuß abstützen konnte. »Hey, Kumpel. Beweg dich nicht, okay? Wie heißt du?«

»Robby.«

»Wie lange bist du schon bei der Spezialeinheit?«, fragte ich, um ihn durch Reden abzulenken, während ich ein Nylonseil aus meinem Rucksack zog.

»Das ist meine erste Saison.«

»Echt jetzt?« Der Rauch um uns herum wurde immer dichter und brannte in meinen Augen. »Dann wirst du ja eine ganz schön krasse Geschichte zu erzählen haben, wenn du nach Hause kommst. Dass du von einer verdammten flüchtigen Kettensäge einen Abhang hinuntergejagt wurdest.«

Sein Mund wollte sich zu einem Grinsen verziehen, aber dann riss er die Augen noch weiter auf. Und ehe ich noch einmal Luft holen, geschweige denn nach ihm greifen konnte, rutschten seine Füße ab.

Mit vor Todesangst verzerrtem Gesicht fiel er rücklings nach unten.

Ich hörte, wie er auf dem Boden aufschlug. »Fuck.«

Oben schrien Leute. Wahrscheinlich beschworen sie mich, wieder nach oben zu klettern. Niemand wollte, dass Robby starb – ob sie nun seinen Namen kannten oder nicht –, ihrer Meinung nach würde ich als einzelner Mann ohne vernünftige Rettungsausrüstung allerdings nicht viel ausrichten können. Zumal der Hang viel zu steil war und unter ihm ein wütender Waldbrand Rauch in die Luft pumpte.

»Robby!«, rief ich.

»Hier«, antwortete er mit schmerzverzerrter Stimme. Er war am Leben, jedoch verletzt.

»Blutest du?«

Eine Pause. »Äh, nein. Aber ich glaube, ich habe mir das Bein gebrochen.«

Shit. Das hieß, dass Robby nicht aus eigener Kraft wieder hochklettern konnte.

Wir brauchten ein Rettungsteam. Sofort.

»Er ist hier unten!«, rief ich Levi weiter oben zu. »Hat sich wahrscheinlich das Bein gebrochen.«

»Komm wieder rauf, Gav!«, rief Levi zurück.

Das hatte ich auch vor. Wirklich. Ein Rettungsteam würde kommen und Robby da rausholen. Sie würden das ohnehin besser hinkriegen als ich selbst, denn sie verfügten über die geeignete Ausrüstung und …

Als ich ein warmes Flackern an der Wange spürte, wandte ich den Kopf.

Es kam. Das Feuer würde dieses trockene Flussbett überqueren, wie ein Tsunami aus Flammen das Tal durchtosen und alles in seinem Weg auffressen.

Einschließlich Robby.

Ich fing Levis Blick auf. Er öffnete den Mund, wahrscheinlich, um mich nochmals aufzufordern, sofort hochzukommen. Aber Robby blieb keine Zeit mehr.

Meine Entscheidung stand fest. Also packte ich ein Ende der Leine und warf Levi das andere zu. Er fing es auf, schrie allerdings weiter.

Doch ich konzentrierte mich ausschließlich auf das eine: Robby hier rauszuschaffen.

Ich verlagerte die Füße und glitt zur Kante hinab, von der aus es in die Tiefe ging. Dann ließ ich das Seil über die Kante baumeln, zog meinen Rucksack aus und ließ ihn hinabgleiten.

Anschließend stieß ich mich von dem Hang ab und sprang.

Mir war klar, dass ein Sprung aus dieser Höhe riskant war. Ich machte mich locker und ließ mich nach dem Aufprall über den Boden rollen. Trotzdem zuckte ein scharfer Schmerz durch Schulter und Rücken.

Ich ignorierte ihn. Pausierte eine halbe Sekunde, um sicherzugehen, dass es sich um keine ernsthafte Verletzung handelte – war es nicht –, und kam auf die Füße.

Hier unten war der Rauch noch undurchdringlicher und konnte durch den Abhang nicht abziehen. Das Feuer war nicht mehr weit entfernt – glühende Hitze hüllte mich ein.

»Gavin, bitte melden! Sofort!«, brüllte Levis Stimme aus dem Funkgerät.

»Mir geht’s gut. Sichere die Leine! Ich schaffe ihn hoch.«

Robby lag in etwa drei Metern Entfernung auf dem Rücken und hielt sich den Oberschenkel.

»Ich hab’ dich, Kumpel«, versicherte ich ihm, schnappte mir meinen Rucksack und joggte zu ihm hinüber. »Alles wird gut.«

In einer idealen Situation hätte ich erst einmal sein Bein geschient, ehe ich ihn bewegte. Doch dazu war keine Zeit mehr.

»Robby, ich will dich nicht anlügen. Das wird gleich total ätzend. Aber immer noch besser, als verbrannt zu werden.«

Unter dem Ruß war sein Gesicht bleich, und Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Doch er nickte. »Ja, okay. Was machen wir?«

Ich holte ein zweites Seil aus meinem Rucksack und band es um seinen Körper wie ein provisorisches Geschirr. »Ich entschuldige mich schon mal im Vorhinein bei deinen Eiern, aber später werden sie mir sicher dankbar sein, weil sie noch an einem lebendigen Körper hängen.«

Trotz Angst und Schmerz gluckste er leise vor sich hin. Gut. Er lachte. Tougher Kerl! Er würde es schaffen.

Ich blickte zu den Flammen hinüber. Die Bäume ragten wie züngelnde Masten in die Luft, und die glühende Asche kam mir vor wie tausend spöttische Augen. Tödlich heißer Rauch waberte empor und tauchte den klaren Himmel in Grau. Eine Hitzewelle hüllte uns ein, so dass Robby zusammenzuckte und sich die Hand vors Gesicht hielt.

Es kam.

Im trockenen Flussbett lag jede Menge totes Gestrüpp herum. Das Feuer würde sich unaufhaltsam weiterfressen, den Hang hinauf und bis zu unserer Schneise. Wo ihm das Material ausging.

Heute würden wir noch nicht sterben, sagte ich mir. Wir würden hier wieder rauskommen.

»Kannst du stehen?«, fragte ich.

»Ich versuch’s.«

Ich half ihm auf die Beine und legte seinen Arm um meine Schultern. Während ich ihn stützte, hüpfte er wie auf Krücken bis zum Abhang, von dem immer noch mein Seil herabbaumelte. Ich zerrte daran und funkte Levi an.

»Ich habe Robby angegurtet. Sein Bein ist gebrochen, weshalb er euch beim Hochziehen nicht unterstützen kann.«

»Großer Gott, Gav. Verstanden.«

»Dafür macht er mir später sicher die Hölle heiß«, sagte ich, während ich das Seil an Robbys Geschirr befestigte. »Aber wenn er sieht, wie schnell sich das Feuer diesen verdammten Abhang hochfrisst, wird er natürlich wissen, dass ich recht hatte.«

»Danke, Mann«, sagte Robby mit zitternder Stimme.

Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. »Du schaffst das. Hast du gehört? Beiß die Zähne zusammen und beweg deinen Arsch nach oben.«

Er nickte. »Verstanden.«

»Levi, zieh ihn hoch.«

Die Leine spannte sich. Während sie ihn hochzogen, versuchte Robby, seine Retter so gut es ging mit Händen und dem gesunden Bein zu unterstützen.

Verdammt, er musste tierische Schmerzen haben.

Aber zu sterben wäre noch schlimmer gewesen, also …

Ich trat einen Schritt zurück, um Robby durch den Rauch hindurch zu beobachten. Sobald sie ihn oben in Empfang genommen hatten, konnten sie mir das Seil wieder zuwerfen. Bis zur Felskante hochzuklettern war leicht. So was machte ich schließlich andauernd.

Natürlich nicht unbedingt mit einem wütenden Feuer im Rücken, aber hey, ich liebte neue Erfahrungen.

Die Stimme des Feuers hinter mir verhieß mir den Tod. Es würde mich zu Asche verbrennen, mich auf nichts reduzieren. Mich vom Angesicht der Erde tilgen.

Irrte ich mich, oder wurde es immer heißer?

Langsam sah ich mich um, dann funkte ich Levi an.

»Hey, wann sagtest du, kommt der Löschhubschrauber?«

»In knapp zehn Minuten sind sie da.«

Verdammter Mist. So viel Zeit hatte ich nicht mehr.

Kapitel 2

Gavin

»Gavin, komm da raus!«, rief Levi durchs Funkgerät.

Hektisch sah ich mich um, suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. »Sag bloß. Ich arbeite dran. Hat da oben sonst noch jemand ein Seil?«

»Vielleicht. Bleib dran.«

Ein Seil gehörte für die Spezialeinheiten nicht zur Standardausrüstung. Dass ich immer eins dabeihatte, war mein ganz persönlicher Spleen – was für Robby verdammt viel Glück gewesen war. Aber sie hatten ihn immer noch nicht ganz nach oben gezogen. So lange, bis sie mir sein Seil wieder zuwerfen konnten, durfte ich nicht mehr warten.

Beschissener hätte meine Lage nicht sein können. Ob ich mich nun nach links oder rechts am Abhang entlangbewegte, die Flammen würden mich erwischen. Es gab kein Entkommen. Ich musste nach oben.

Schlimmer konnte es gar nicht mehr kommen.

Damit konnte ich leben.

Zeit, mich ans Klettern zu machen.

Also begann ich mich an den Steinen festzuhalten und den Felsen zu erklimmen. Ich musste es nur bis zur Kante schaffen, wo der Felsen in den steilen Hügel überging. Wenn ich dort war, konnte ich hochkrabbeln, und sei es auf Händen und Füßen. Vielleicht war Robby bis dahin ja auch oben und sie konnten mir das Seil zuwerfen.

Unterdessen würden mir meine ganzen Freeclimbing-Stunden zugutekommen.

»Gavin, melde dich«, sagte der Chief. »Sie bringen alle hinter die Feuerschneise.«

Ich klemmte meine Stiefel in den Felsen, so dass ich eine Hand frei hatte, dann antwortete ich. »Ich klettere hoch. Haben sie Robby schon rausgeschafft?«

Ich bekam einen Windstoß ab, der heiß genug war, um mir die Haare auf meinem Arm zu versengen.

Nicht gerade ideal.

»Ihm geht’s gut. Aber, Gav, genau da, wo du bist, gibt es gleich einen Feuersturm.«

Ich griff nach oben, tastete umher. Grub meine Finger in den Felsen, als könne ich ihn dadurch zwingen, mir mehr Halt zu geben, und stieß mich mit den Füßen ab.

Ich bewegte mich nur wenige Zentimeter.

Und mir blieb keine Zeit mehr.

Ich würde an diesem Felsen verbrennen.

Nein, keinesfalls würde ich so enden.

Ein letztes Mal griff ich nach meinem Funkgerät und rief den Chief an. »Springe wieder runter. Stelle Fire Shelter auf. Holt mich, wenn es vorbei ist, Chief!«

Mir blieb keine Zeit mehr, um auf seine Antwort zu warten. Zum zweiten Mal am heutigen Tag sprang ich von einem Felsen herunter.

Im Fallen rollte ich mich auch jetzt wieder ab. Ein Beinbruch war nun wirklich das Letzte, was ich brauchen konnte. Ich sprang wieder auf die Füße und rannte zu meinem Rucksack hinüber.

Ein weiterer heißer Luftschwall traf mich, und einen Moment lang glaubte ich schon, es sei zu spät. Ich hörte Stimmen über das Funkgerät, aber mir blieb keine Zeit zum Antworten. In etwa dreißig Sekunden würde das Feuer das Tal überziehen und alles in seinem Weg auffressen. Wenn wir oben Erfolg gehabt hatten, würde es dort haltmachen. Die Crew und die Häuser hinter der Schneise würden unversehrt bleiben.

Was mich anging, war ich da nicht ganz so sicher.

Ich zerrte den Fire Shelter aus meinem Rucksack und packte die Schlaufen. Dann drehte ich den Flammen den Rücken zu und schüttelte den Feuerschutz in Form eines silbernen Schlafsacks aus.

Durch den glühend heißen Wind wurde der Aufbau des Shelters ziemlich schwer. Doch ich hatte die Prozedur schon Dutzende von Malen geübt, und zwar unter dem Beschuss von Laubbläsern, um entsprechende Bedingungen zu simulieren.

Plötzlich schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Ich brauchte zwanzig Sekunden, um den Shelter aufzubauen, hatte aber das Gefühl, dass Minuten vergingen, bis ich darunter Schutz gesucht hatte. Ich schob die Füße in den Fußraum und stieg durch die rechteckige Öffnung in den Feuerschutz hinein. Danach deckte ich mich zu, legte mich mit dem Gesicht auf den Boden, führte die Arme durch zwei seitliche Fixierschlaufen und deckte mich mit dem silbernen Material zu. Mit Ellbogen, Knien und Stiefelspitzen hielt ich es am relativ kühlen Boden fest. Seine Hauptfunktion bestand nicht nur darin, mich davor zu bewahren, bei lebendigem Leib zu verbrennen, sondern auch, Atemluft zu speichern. Wenn ich das hier überleben wollte, brauchte ich einen ordentlichen Vorrat an Sauerstoff.

Einen Moment lang wurde alles still. Ich hörte bloß noch den Klang meines eigenen Atems.

Dann das Brausen.

Verdammt nochmal, war das laut! Ich biss die Zähne zusammen, hielt den Shelter mit Händen, Ellbogen, Knien und Füßen fest am Boden. Heißer Wind attackierte mich, als tose ein Tornado durch das Tal. Ich fragte mich, ob es mir tatsächlich gelingen würde, mich am Boden festzuhalten. Trotz der Schutzschichten des Shelters war die Hitze enorm.

Ich wurde von brennendem Gestrüpp getroffen, ebenso wie von einem nahestehenden Baum – oder was auch immer das war –, der mit ohrenbetäubendem Knall in Flammen aufging. Es klang wie die verdammte Apokalypse da draußen.

Keine Ahnung, wie lange die Feuerwalze über mich hinwegtoste. Vielleicht eine Viertelstunde. Vielleicht länger. Ich beschloss, mich aufs Schlimmste einzustellen und das Beste zu hoffen. Dass ein Rettungsteam hier unten ankäme, bevor ich auch nur einen Blick hinausgeworfen hatte, um nachzusehen, ob ich schon in Sicherheit war.

Die Flammen brausten über mich hinweg, heiß und laut wie die Hölle. Über das Funkgerät drang die schwache Stimme des Chiefs an mein Ohr. Er mahnte zur Ruhe. Beweg dich nicht. Bleib liegen. Atme.

Ich lauschte ihm, der einzigen Verbindung zur Welt der Lebenden, während nur wenige Zentimeter von meiner Haut entfernt das Inferno wütete. Wie gut, dass ich nicht ganz allein war.

Das alles war zwar ätzend, aber zumindest würde ich es überleben.

Höchstwahrscheinlich.

Ich sehnte mich nicht insgeheim nach dem Tod, auch wenn meine Brüder das immer behaupteten. Ich hatte einfach bloß gern meinen Spaß. Verdammt, wenn das nicht das genaue Gegenteil von Todessehnsucht war! Ich wollte das Leben in vollen Zügen genießen, denn ich wusste nur zu gut, wie schnell es vorbei sein konnte. Ich würde meines nicht vergeuden.

Fuck.

Schweiß tropfte von meiner Nase in den Staub. Die Luft roch mittlerweile abgestanden und stickig. Es war höllisch heiß hier drin.

Würde der Sauerstoffvorrat reichen?

Besser wär’s, verdammt nochmal.

Der Wind wurde wieder stärker, fegte in heißen Böen über mich hinweg. Der Lärm übertönte alles, was die Stimmen im Funkgerät mir sagen wollten. Ich glaubte, das Wort Bucket zu hören. Hoffentlich hieß das, dass die Helitack-Crew Löschwasser von oben abwarf. Sie würden die ganze Gegend mit Löschmittel überziehen, um mich schneller retten zu können.

Noch mehr brennende Asche regnete auf mich herab. Ich verlagerte die Beine, um den Shelter ganz dicht am Boden halten zu können. Meine Kehle war trocken und rau, aber damit musste ich mich erst mal abfinden. Ich hustete in den Dreck und hoffte, dass nichts Großes auf mir landete.

Mit der Zeit ließ der Höllenlärm nach. Der Sturm schien sich zu legen, peitschte zumindest nicht mehr wie ein verdammter Tornado über mich hinweg. Ich wusste, es war zu früh, um meine Lage zu checken, aber verdammt, ich wollte es eben. Es fiel mir schwer, nicht aufzuspringen und mich umzusehen. Doch wenn ich mich zu schnell aus dem Shelter befreite, würden sich meine Lungen sofort mit heißer Asche füllen und ich innerhalb weniger Sekunden sterben.

Jetzt war ich so weit gekommen, dass der Tod keine Option mehr war. Ich brauchte nur noch ein bisschen Geduld.

Wenn meine Brüder mich das nächste Mal als impulsiv bezeichneten, würde ich ihnen diese Geschichte erzählen.

Bei der Erinnerung an meine Brüder musste ich unwillkürlich an Gram denken. Ich hoffte, dass sie nicht wusste, was gerade los war. Ich würde es ihr später erzählen. Dann würde sie bloß den Kopf schütteln und vor Erleichterung seufzen, weil ihr jüngster Enkel dem Schicksal getrotzt hatte – wieder einmal.

Schließlich tat ich das immer.

Das Brüllen des Infernos kehrte nicht zurück. Entweder brannte das Feuer aus oder der Bucket hatte sein Wasser bereits abgegeben und den Brand hier eingedämmt. Wahrscheinlich hätte ich den Shelter nun ein Stück weit öffnen und einen Blick über den Boden werfen können, aber ich beschloss, vorsichtshalber doch noch ein wenig länger auszuharren.

»Gav, melde dich, wenn du kannst!« Die Stimme des Chiefs klang gleichförmig, ganz geschäftsmäßig. Professionell. Aber ich kannte ihn. Ich hörte die Sorge in seiner Stimme, auch wenn er sie zu verbergen versuchte.

Mein Herz pochte wild, und meine Gliedmaßen kribbelten vor Adrenalin, so dass ich kaum abschätzen konnte, wie viel Zeit vergangen war. Also zählte ich von dreihundert an rückwärts. Noch etwa fünf Minuten, dann würde ich meine Umgebung checken.

Bei zweihundert immer noch keine neuen Geräusche.

Hundertfünfzig. Keine Asche mehr, die auf mich herabregnete.

Hundertzwanzig. Die Luft schien sich beruhigt zu haben.

Einhundert. Nichts Neues.

Als ich bei sechzig angelangt war, war ich ziemlich sicher, dass keine zweite Feuerwalze auf mich zukam. Trotzdem zählte ich weiter bis eins herunter.

Ich fühlte mich, als sei ich in Beton gegossen worden. Meine vorsichtigen Bewegungen ließen die Oberfläche über mir knacken. Morgen würde ich einen tierischen Muskelkater haben. Ich positionierte mich ein wenig anders, zog eine Kante des Shelters unter mir hervor und spähte hinaus.

Alles war schwarz und rot.

Die Luft war nach wie vor von Asche und Rauch erfüllt, und der Boden war von Glutnestern übersät. Es war heiß, aber nicht tödlich heiß. Nur ich-will-nicht-zu-lang-hier-unten-bleiben-heiß. Die Luft, die ich in meinem Shelter gesammelt hatte, kam mir im Vergleich zu der beißenden, branderfüllten Atmosphäre meiner Umgebung geradezu frisch und sauber vor. Aber immerhin konnte ich atmen.

Ich kam auf die Füße und ließ den Fire Shelter fallen. Es sah aus wie der verdammte Weltuntergang. Geschwärzte Bäume, überall Asche und verkohlte Büsche. Ich wandte mich um und sah, dass der Abhang des Hügels komplett versengt war.

Ich holte mein Funkgerät heraus. »Chief, hier ist Gavin. Wollt ihr mich jetzt hier rausholen?«

»Großer Gott, Gav!«, rief er so emotional, wie man es bloß selten bei ihm erlebte. »Sie kommen. Bist du verletzt?«

»Glaub nicht. Sind alle noch rechtzeitig rausgekommen?«

»Ja, allen geht es gut, auch dem Jungen, den du gerettet hast. Er wird gerade ins Krankenhaus gebracht. Die Crew ist auf dem Weg zum Kommandoposten.«

Ich schloss einen Moment lang die Augen und stieß den Atem aus. Fuck, ja. »Toll.«

Über mir hörte ich das Surren eines Helikopters. Gott sei Dank musste ich nicht auch noch aus dieser Wüste rausklettern.

»Ich sehe den Hubschrauber. Hol mir schon mal was zu trinken. Ein kaltes Bier könnte ich nun wirklich brauchen.«

»Geht mir genauso. Und spring auf dem Rückweg nicht aus dem Helikopter!«

Ich grinste. »Habe ich nicht vor, Chief.«

Der Helikopter schwebte über mir, so dass die Rotoren Asche und Staub aufwirbelten. Ich zog mir das Halstuch vors Gesicht, um nicht zu viel davon einzuatmen, und beschirmte das Gesicht mit meinem Arm. Die Crew ließ eine Rettungsleine herunter, die mir vorkam wie das Beste, das ich an diesem Tag gesehen hatte.

Sie brachten mich zu dem Landeplatz in der Nähe des Kommandopostens. Eric, einer der Feuerwehr-Sanitäter, nahm mich dort in Empfang. Obwohl ich mich durchaus selbstständig fortbewegen konnte, bestand er darauf, mich auf der Unfallstation durchchecken zu lassen. Ich fügte mich.

Keine Verletzungen. Meine Haut war wund, aber es handelte sich nur um leichte Verbrennungen, die nicht behandelt werden mussten. Ich war vornehmlich schmutzig, müde und dehydriert. Eric bereitete mir eine Flasche mit pinkfarbenem Zeug zu – ein Elektrolyte-Drink –, bevor er mich mit der strikten Anweisung entließ, in den nächsten vierundzwanzig Stunden die von ihm empfohlene Flüssigkeitsmenge auf jeden Fall zu mir zu nehmen.

Ich versicherte ihm, gehorsam darauf zu achten, verschwieg jedoch, dass ich vorhatte, mir in der Stadt einen Großteil dieser Flüssigkeit in Bierform zuzuführen.

Als Levi zur Sanitätsstation herübergestapft kam, sah er aus, als wollte er jeden Moment das erledigen, was das Feuer nicht geschafft hatte – mich umbringen.

»Verdammt und zugenäht, du hast mir eine Scheißangst eingejagt!« Er packte mich und drückte mich fest an sich.

Ich umarmte ihn auch und schlug ihm dann ein paar Mal auf den Rücken. »Mir geht’s gut, keine Sorge.«

»Das war ganz schön dumm von dir.« Er löste sich von mir und sah mich an. »Wirklich eine Riesendummheit.«

»Was fandst du denn so dumm? Dass ich einem Typen das Leben gerettet habe?«

Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Du bist heute beinahe abgekratzt. Kümmert dich das gar nicht?«

»Nein, ich habe heute überlebt.« Ich nahm noch einen großen Schluck von dem widerlichen pinkfarbenen Zeugs. »Ebenso wie Robby.«

»Eines Tages wirst du elendig sterben, wenn du weiter solche Risiken eingehst. Niemand kann immer gewinnen.«

Ich grinste ihn an. »Ich schon.«

Das machte ihn nur noch wütender. »Du warst total leichtsinnig, Gav. Das darf man in diesem Job nicht!«

Ich trat einen Schritt näher. »Der Youngster wäre gestorben, wenn ich nicht runtergegangen wäre. Das wissen wir doch beide. Ich hatte meine Schutzausrüstung. Und der Fire Shelter hat mir gute Dienste erwiesen.«

Er biss die Zähne aufeinander.

»Komm mit.« Ich legte ihm einen Arm um die Schulter. »Ich muss mich beim Chief melden.«

Eine Stunde später und nach einem ähnlichen Vortrag vom Chief kehrten Levi und ich in die Stadt zurück, um unsere verpflichtende achtundvierzigstündige Ruhepause anzutreten. Eigentlich hatte ich gar keine Lust – eine heiße Dusche und danach ein ruhiger Abend mit ein paar Bier, und schon war ich morgen wieder fit genug, um aufs Neue loszuziehen. Aber Regeln waren nun mal Regeln, und in einem Fire Shelter überlebt zu haben, war offenbar keine Kleinigkeit.

Auf dem Weg zur Feuerwehrstation schrieb ich Logan und schickte ihm ein heimliches Selfie von mir und Levi. Wir hatten verschiedene Schichten, weshalb er bereits am nächsten Morgen wieder an der Feuerfront kämpfen würde.

An der Feuerwache angelangt, beschloss ich, nicht länger auf mein Bier zu warten. Und ja, ich wollte mit den anderen abhängen und damit angeben, nur knapp überlebt zu haben. Der Ruß auf meinem Gesicht würde der Geschichte noch einen zusätzlichen Kick geben.

»Wir können doch später duschen«, sagte ich. »Lass uns ein Bier trinken. Komm schon, immerhin bin ich heute fast gestorben.«

Wütend funkelte Levi mich an.

Mein Handy meldete eine Textnachricht von Logan. Er und ein paar der Jungs waren schon im Caboose.

»Ich geh jetzt jedenfalls ins Caboose. Du kannst machen, was du willst.«

»Egal«, antwortete Levi. »Ich muss allerdings erst mal dringend unter die Dusche.«

»Wie du meinst. Ich spendiere dir ein Bier, sobald du da bist.«

Das Caboose war nur ein paar Straßen von der Feuerwache entfernt. Immer noch high vom Adrenalin machte ich mich zu Fuß auf den Weg zu dem Restaurant mit Bar, das seit Jahren unser Stammlokal war. Logan und ein paar andere Jungs warteten schon auf dem Parkplatz.

»Da ist ja unser Held!«, rief Logan.

Er und die anderen applaudierten. Ich blieb auf dem Gehsteig stehen und verbeugte mich.

»Ganz normaler Arbeitstag im Büro«, rief ich grinsend und trat vom Bürgersteig auf die Straße. »Ihr Jungs …«

Rums!

Ich landete auf dem Asphalt, blendender Schmerz durchzuckte mich, und mir wurde schummrig vor Augen, während mir eine seltsame Frage durch den Kopf ging.

Hatte ich etwa gerade einen Waldbrand überlebt, bloß um von einem verfluchten Auto überfahren zu werden?

Kapitel 3

Skylar

O mein Gott.

Mir blieb fast das Herz stehen. Dann schnappte ich entsetzt nach Luft und löste mühsam die Hände vom Lenkrad.

Ich hatte jemanden angefahren.

Mit meinem Auto.

Mach schon, Skylar. Wähl den Notruf. Tu was.

Ich sprang aus dem Wagen und eilte zu dem Typ hinüber, der ein paar Schritte von meiner vorderen Stoßstange entfernt auf dem Asphalt lag. Er hob den Kopf und blinzelte mich an. Und dann tat er etwas total Seltsames.

Er lächelte.

Seine Mundwinkel bogen sich nach oben, und unter dem Dreck auf seinem Gesicht entdeckte ich ein paar sehr süße Grübchen.

Warum dachte ich jetzt daran, wie süß seine Grübchen waren? Schließlich hatte ich den Kerl gerade angefahren.

»Hey«, sagte er.

Ich hockte mich neben ihm nieder. »O mein Gott, tut mir so leid. Geht es Ihnen gut? Natürlich nicht, was für eine Frage! Ich rufe einen Krankenwagen.«

Unsere Blicke trafen sich, und einen Moment lang war ich wie gelähmt. Als ich in seine sanften braunen Augen sah, durchflutete mich eine wohlige Wärme. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch. Ohne nachzudenken, streckte ich die Hand aus und strich ihm zärtlich das Haar aus der Stirn.

Mein Gott, er sah wahnsinnig toll aus!

Er machte den Mund auf, um noch etwas zu sagen, aber da kamen von dem angrenzenden Parkplatz auch schon ein paar Männer herübergerannt und brachen den Zauber.

»Großer Gott, Gavin.«

»Geht es dir gut?«

»Kannst du dich bewegen?«

Ich erhob mich und versuchte mit zitternden Fingern, mein Smartphone aus der Tasche zu holen, doch einer der Männer legte mir eine Hand auf den Arm.

»Schon gut. Hilfe ist bereits unterwegs.« Er hatte ein Handy am Ohr. »Wir sind vom TFD.«

Vom TFD. Dem Tilikum Fire Department. Diese Jungs waren Feuerwehrleute? Wenn das kein glücklicher Zufall war!

»Halt durch, Gav!«, sagte einer der Jungs. Er kniete neben dem Opfer nieder. Meinem Opfer. »Das wird schon wieder.«

»Ich habe versucht zu bremsen«, sagte ich, obwohl mir niemand zuhörte. Und doch stimmte es. Nachdem ich um die Ecke gebogen war, war er mir direkt vors Auto gelaufen. Er hatte nicht mal nach rechts oder links geschaut.

Es dauerte nicht lange, bis mit blitzenden Lichtern ein Krankenwagen auftauchte. Und kurz darauf ein Polizeiauto. Die Sanitäter legten Gavin auf eine Trage. Wenigstens hatte ich ihn nicht umgebracht. Zumindest nicht sofort. Im Geiste ging ich alles durch, was ich über innere Verletzungen wusste. Warum waren sie so langsam? Er konnte vor unseren Augen verbluten und …

»Miss?«

Ich keuchte erschrocken. Jemand versuchte, mit mir zu reden. »Was?«

Ein etwa fünfzigjähriger Mann in Sheriff-Uniform legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Kommen Sie erst mal weg von der Straße, okay?«

»Ich wollte ihn nicht überfahren. Er ist mir direkt vors Auto gelaufen. Ich habe noch versucht zu bremsen. Aber …«

»Ich weiß.« Seine Stimme klang gelassen und beruhigend. »Er wird wieder gesund.«

»Aber sie müssen ihn auf innere Blutungen untersuchen. Er könnte einen Milzriss haben. Oder schlimmer noch eine Verletzung der Leber. Ohne Milz kann man leben. Ohne Leber nicht so gut. Und wenn innere Blutungen übersehen werden, kann er daran sterben.«

»Sie werden sich gut um ihn kümmern.« Er führte mich auf den Gehsteig. »Wie heißen Sie?«

»Skylar Stanley.«

Er hob die Augenbrauen. »Sind Sie verwandt mit Norman Stanley?«

»Ja, er ist mein Dad.«

»Okay. Ich ruf ihn an.«

Na toll. Kaum war ich in der Stadt, hatte ich als Erstes mal schnell jemanden überfahren. Da wird dein Daddy aber stolz sein, Skylar!

Die Türen des Krankenwagens wurden geschlossen. Ich wollte gerade fragen, ob ich ihn begleiten sollte, hielt dann aber doch lieber den Mund. Blanker Unsinn! Die Sanitäter würden sich um ihn kümmern; er brauchte mich nicht.

Dennoch war ich seltsam enttäuscht, als er weggebracht wurde.

Offensichtlich stimmte irgendetwas nicht mit mir. Hatte ich mir vielleicht den Kopf am Lenkrad gestoßen? Vielleicht sollte ich ebenfalls einen Arzt aufsuchen.

Die kleine Gruppe hatte sich zerstreut, und der Cop – er stellte sich mir als Jack Cordero vor – schob mein Fahrzeug auf den Seitenstreifen. Dann checkte er meine Papiere und stellte mir jede Menge Fragen zum Unfallhergang. Ich antwortete so gut ich konnte und versuchte, mich wie eine Erwachsene zu verhalten und nicht in Tränen auszubrechen.

Was gar nicht so einfach war.

Keinesfalls wollte ich eine dieser Heulsusen sein, die eine Szene machten, nur um sich selbst Ärger zu ersparen. Es war ein Unfall gewesen – er wusste es, ich wusste es. Trotzdem hatte ich Mühe, mich zu beherrschen.

Obwohl es bei meinem momentanen Pech gar nicht anders zu erwarten gewesen war, dass ich an meinem ersten Tag in der Stadt einen Fußgänger angefahren hatte. Mein Leben war ohnehin ein Scherbenhaufen. Da konnte ich doch genauso gut noch einen draufsetzen, oder?

Im letzten halben Jahr hatte mein Verleger mich fallen lassen, mein Freund hatte mich betrogen und sich von mir getrennt. Demzufolge hatte ich auch noch meinen Literaturagenten verloren – denn genau das passierte, wenn man mit seinem Agenten zusammen war, er fremdging und einen dann abservierte. Ich hatte kein Dach mehr über dem Kopf – unsere gemeinsame Wohnung hatte ihm und nicht mir gehört – und schließlich beschlossen, in die Stadt zurückzuziehen, in der ich zuletzt gewohnt hatte, als ich in den Kindergarten ging.

Träumte denn nicht jede junge Frau von Anfang zwanzig, die nicht wusste, wo sie sonst hinsollte, und beruflich sowieso nicht mehr auf die Beine kam, davon, wieder bei ihrem Vater einzuziehen?

Endlich kam Dad in seinem Tilikum Fire Department-Wagen angefahren. Als er ausstieg und mich mitleidig ansah, liefen mir dann doch ein paar Tränen über die Wangen. Hastig wischte ich sie fort.

»Skylar, geht es dir gut?«, fragte er.

»Ja, alles bestens.«

»Sie ist nicht allzu schnell gefahren«, erklärte Jack Cordero. »Ist um die Ecke gebogen, als gerade Gavin die Straße überqueren wollte.«

»Sie hat Gav angefahren?«, fragte Dad und riss erstaunt die Augen auf.

Jack nickte und schien seltsamerweise nicht überrascht zu sein. Er machte ein Gesicht, als wollte er sagen: Wen hätte sie denn sonst anfahren sollen, wenn nicht Gavin?

»Brauchst du noch was von ihr, oder kann sie gehen?«, erkundigte sich Dad.

»Wir sind hier fertig.«

Sie schüttelten sich die Hände.

»Danke, Jack. Echt nett von dir.«

»Keine Ursache.«

Dad wandte sich mir zu und atmete tief aus. Er wirkte müde und erschöpft, als hätte er schon eine ganze Weile keinen Schlaf mehr gefunden. »Fahren wir nach Hause.«

Nach Hause. Was für eine seltsame Formulierung. Eigentlich hatte ich das Gefühl, gar kein Zuhause mehr zu haben.

»Okay.«

Bevor ich ins Auto stieg, sah ich mich noch mal um und blickte in die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war. Ich fragte mich, ob es Gavin gut ging.

Kapitel 4

Skylar

Ich stellte meinen Wagen neben dem Truck meines Dads ab und blickte an seinem alten zweistöckigen Haus empor. Dort hatte ich zwar als kleines Mädchen gewohnt, trotzdem waren meine Erinnerungen an diese Zeit bestenfalls bruchstückhaft.

Seltsam, dass er das Haus behalten hatte. Als er und Mom sich vor zwanzig Jahren hatten scheiden lassen, hatte mich Mom mit in ihre Heimatstadt Spokane mitgenommen, die eine mehrstündige Fahrt von hier entfernt war. Dad war hiergeblieben und wohnte seither ganz allein in diesem großen Haus mit den vier Schlafzimmern. Obwohl ich ihn selten in Tilikum besucht hatte – normalerweise war er nach Spokane gekommen, um mich zu sehen –, hatte er sich nie nach einer kleineren Behausung umgesehen.

Früher hatte ich nie sonderlich darüber nachgedacht, aber nun, da ich vor diesem für einen allein viel zu großen Haus stand, fragte ich mich unwillkürlich, warum er nie umgezogen war. Vielleicht war es ihm ja einfach zu lästig gewesen. Und wahrscheinlich hielt er sich die meiste Zeit über sowieso in der Feuerwache auf. Oder es war ihm egal.

Das Haus war in gutem Zustand, der Garten gepflegt. Ein gepflasterter Pfad führte von der Auffahrt zur Tür, und die Vorhänge am Vorderfenster waren zugezogen. In der Diele stand kein einziges Möbelstück, nur ein großer Teppich lag auf dem Ahornparkett, und auch das Esszimmer war ähnlich kahl.

Offenbar hielt er sich vornehmlich im hinteren Teil des Hauses auf. Dort befanden sich eine Küche mit Frühstücksecke und ein Wohnzimmer mit Couch, Relaxsessel und Fernseher. Der einzige Versuch, diesem schmucklosen Raum eine persönliche Note zu geben, bestand aus ein paar gerahmten Fotos von mir. Die meisten waren älteren Datums. Einige zeigten mich als kleines Mädchen, andere bei meinem Highschool-Abschluss. Alles war sauber, jedoch spartanisch eingerichtet. Natürlich, denn immerhin wohnte er allein hier. Wie viel Unordnung konnte eine einzelne Person anrichten?

»Wahrscheinlich kennst du dich ja noch aus.« Er legte die Schlüssel auf die Anrichte in der Küche. »In deinem alten Zimmer steht noch ein Bett, aber falls dir ein anderer Raum lieber ist, können wir es auch dort aufbauen.«

»Ach, passt schon.«

»Soll ich dir helfen, das Auto auszuräumen?«

Ich ließ mich auf einen Stuhl an dem kleinen weißen Frühstückstisch sinken. »Das wäre nett, danke. Allzu viel besitze ich gar nicht. Aber können wir das auch später machen? War ein langer Tag.«

»Ja, für mich auch.«

»Dad, ich habe den Typen auf der Straße wirklich nicht gesehen. Es war ein Unfall.«

»Ich weiß.«

»Wird er wieder gesund?«

Er setzte sich auf den gegenüberliegenden Stuhl. »Ja, auf dem Weg hierher habe ich mit einem seiner Brüder gesprochen. Es geht ihm gut. Er hat nur ein gebrochenes Bein. Er wird die Nacht schon wieder in seinem eigenen Bett verbringen.«

»Er sah schrecklich zugerichtet aus.«

»Na ja, er war gerade erst zurückgekehrt. Hatte an vorderster Front gegen einen Waldbrand im Norden gekämpft.«

Ich riss die Augen auf. Das wurde ja immer schlimmer. »Machst du Witze?«

»Nein. Hat heute einem Typen das Leben gerettet und hätte seines dabei fast verloren. Ich vermute, er wollte bei einem Bier feiern, als er dir vor den Wagen lief.«

»Also ist er einer deiner Feuerwehrmänner und damit im Grunde ein Held.« Und der tollste Mann, den ich je gesehen hatte, aber daran dachte ich jetzt natürlich überhaupt nicht. »Ich hätte ihn beinahe umgebracht. Damit bin ich gleich bei allen durch.«

»Mach dir darüber keine Sorgen. Du weißt doch, wie es läuft. Die Leute zerreißen sich eine Weile das Maul, doch dann vergessen sie es wieder. Früher oder später geschieht wieder etwas anderes, worüber sie reden können.«

Ich strich mir eine Strähne meiner glatten braunen Haare hinters Ohr. Eigentlich wusste ich keineswegs, wie so etwas lief. Ich konnte mich kaum daran erinnern, wie es war, in Tilikum zu wohnen. Doch ich wollte das Thema nicht vertiefen. »Sollte ich ihn vielleicht im Krankenhaus besuchen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ist nicht nötig. Wie gesagt: Sie werden ihn gar nicht über Nacht dabehalten.«

Enttäuscht wandte ich den Blick ab. Warum war ich so versessen darauf, ihn wiederzusehen? »Ich kann immer noch nicht glauben, dass ausgerechnet mir so was passiert.«

»Unfälle kommen halt vor. Das weiß sogar Gavin. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass es so lange gedauert hat, bis er von einem Auto angefahren wurde.«

»Wie bitte?«