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Ein Junge, der zur lebenden FACKEL wird. Ein unsichtbares Wesen, schnell wie der BLITZ. Eine VerfolgungsJAGD, die niemals zu enden scheint. Wer ist Freund, wer FEIND? Paula, Ergun und Ulla wissen nicht, wem sie trauen können. Da helfen ihnen auch ihre SUPERkräfte nichts. Gemeinsam versuchen sie, ihren Verfolgern zu entkommen und geraten dabei in große GEFAHR ...
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Seitenzahl: 141
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Oliver Pautsch, 1965 in Hilden geboren, lernte in Solingen laufen, ging in Hilden zur Schule und studierte in Düsseldorf. Er wohnte und arbeitete lange Jahre in Köln. Heute lebt der Autor mit seiner Frau und drei Kindern wieder in Hilden.
Wenn er behauptet, die Region besser als den Inhalt seiner Schreibtischschublade zu kennen, kann man ihm ruhig Glauben schenken. Der Autor hat in der Region viele Jahre lang Klaviere und Flügel transportiert. Das tut er noch heute manchmal – falls er nicht gerade Romane oder Drehbücher schreibt.
Der Autor freut sich über einen Besuch seiner Heimseite: www.pautsch.net
Für Jakob
Was bisher in S.U.P.E.R. – Mehr als ein Held, dem ersten Band der Trilogie, geschah:
Der zwölfjährige Ergun kann plötzlich fliegen – und zwar völlig ohne weitere Hilfsmittel!
Nur leider beherrscht er seine neue Fähigkeit noch nicht so ganz und gerät bei einem Übungsflug in Schwierigkeiten. Er bekommt Hilfe von der gleichaltrigen Paula. Auch sie verfügt über besondere Kräfte. Ihre fünf Sinne sind sehr viel stärker ausgebildet und um ein Vielfaches schärfer als die Sinne normaler Menschen. Paula hat eine Erklärung für die neuen Kräfte – es muss etwas mit der Pubertät zu tun haben!
Ergun und Paula werden von einer geheimnisvollen Frau beobachtet. Sie folgt den beiden heimlich auf Schritt und Tritt. Als Paula sie bemerkt, stellt sich die Frau als Nivert vor und führt ein neues Mitglied in die Gruppe ein: Ulla. Sie kann jedes beliebige Material durchdringen, indem sie damit verschmilzt. So kommt sie sogar durch dicke Steinmauern hindurch! Bald stellt sich heraus, dass der »Flieger«, die »Hochsensitive« und die »Formwandlerin« von einer Gruppe unheimlicher Herren in schwarzen Anzügen verfolgt werden. Mit Niverts Hilfe gelingt Paula, Ulla und Ergun zwar die Flucht, doch dann finden die Kinder heraus, dass Nivert mit den schwarzen Herren gemeinsame Sache zu machen scheint …
Kapitel
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Nachwort
Die Flammen schlugen meterhoch in den Himmel.
»Jemand muss doch helfen!«, ertönte eine Stimme aus der Menge vor dem Schulzaun.
»Die Feuerwehr ist alarmiert«, war eine andere aufgeregte Stimme zu hören.
Die Anzahl der Schaulustigen wuchs von Minute zu Minute. Dichter Rauch quoll dunkel aus den kleinen schräg stehenden Oberlichtern über den Fenstern der Schulcontainer, die zur Straße hin lagen.
Als Paula, Ulla und Ergun die Brandstelle erreichten, waren die Schüler aus den Containern bereits von Lehrern in Sicherheit gebracht worden.
Plötzlich horchte Paula erschreckt auf. »Da drin ist immer noch einer«, sagte sie. »Ich kann ihn husten hören!«
»Wir müssen etwas tun!«, antwortete Ulla.
»Aber was?«, fragte Ergun. Er stand mit Ulla und Paula am Zaun vor der Schule zwischen all den anderen Menschen. Sie waren sofort zum Schulgelände geeilt, als Paula, das blonde Mädchen mit den übermenschlich scharfen Sinnen, den Brand bemerkt hatte.
»Wer kann denn hier fliegen? Du oder ich?«, zischte sie nun leise.
»Aber wie soll ich da reinkommen?«
»Los, kommt mit!« Ulla zog Ergun und Paula um eine Straßenecke.
Drei Container standen nebeneinander vor dem eigentlichen Schulgebäude. Man hatte sie mit Türen verbunden und die Schulklassen für die Dauer der Renovierung der Schule übergangsweise darin untergebracht.
Zuerst hatte der rechte Schulcontainer Feuer gefangen. Dort befand sich leider auch die Metalltreppe mit dem einzigen Eingang. Die Kinder rannten über den Rasen zur Rückwand des rauchenden Containers, aus dem Paula das Husten gehört hatte.
»Auf dieser Seite gibt es überhaupt keine Fenster, nur diese Oberlichter«, stellte Paula keuchend fest.
»Halt durch! Wir holen dich da raus!«, rief Ulla. Sie legte eine Handfläche auf die dunkelgrün gestrichene Rückwand. Ihre Hand mit den schwarz lackierten Fingernägeln im Gothic-Stil begann sich grünlich zu verfärben. Weder Paula noch Ergun wunderten sich darüber. Beide wussten, dass Ulla eine Formwandlerin war. Sie hatte die Fähigkeit, mit jedem Material zu verschmelzen und es zu durchdringen.
»Kommst du da durch? Kannst du mich reinbringen?«, fragte Ergun hektisch.
Ulla zog mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand weg. »Nein, die verdammten Wände sind bereits viel zu heiß.«
Die drei Kinder standen völlig allein auf der Wiese zwischen den qualmenden Containern und dem Schulgebäude.
»Da drin hustet immer noch jemand«, sagte Paula, dann rief sie Richtung Oberlicht: »Leg dich auf den Boden, hörst du? Dort ist der Rauch nicht so dicht. Auf den BODEN!«
»Hat er dich verstanden?«, wollte Ergun wissen. »Ja, aber er klingt nicht gut … Wo bleibt die Feuerwehr? Ich höre nicht einmal Sirenen.«
»Mist, das ist schlecht«, zischte Ulla. Denn sie wusste, dass Hilfe noch sehr weit entfernt sein musste, wenn selbst Paula mit ihrem unglaublich guten Gehör bisher keine Sirene hören konnte.
»Hey! Hörst du mich? Bist du unten? Auf dem Boden?«, rief Ergun. Dann horchte er. Doch außer Paula konnte niemand die Antwort hören. »Er hat dich verstanden.« Sie hörte einen Moment zu. »Vorn kann er aber nicht raus, sagt er. Weil er nichts sehen kann. Er röchelt und kriegt kaum noch Luft.«
»Wir haben keine Zeit mehr. Es muss tierisch heiß da drin sein!«
Ergun dachte nach. Er sah sich hektisch auf der Wiese und in den Büschen vor dem Schulgebäude um.
»Was suchst du?«, wollte Ulla wissen.
»Irgendwas, um die Scheiben der Oberlichter einzuwerfen, damit ich rein kann«, antwortete Ergun. In diesem Moment klirrte es. Durch die Hitze war aus der Scheibe eines schmalen Oberlichtfensters scheppernd eine Ecke herausgebrochen.
»Ist die Öffnung groß genug für dich?«, fragte Ulla skeptisch.
»Ich muss es versuchen«, antwortete Ergun. Er knöpfte sich die Jeansjacke zu und stellte den Kragen hoch.
»Denk dran, Ergun. Nicht das Feuer ist das Schlimmste bei einem Brand, sondern der Rauch!«
Paula strich durch Erguns dichtes schwarzes Haar. »Die meisten Opfer verbrennen nicht, sie ersticken!«
»Du machst ihm ja wirklich Mut«, sagte Ulla genervt.
»Ich will nur, dass Ergun die Risiken kennt!«
»Ja, Mama!«, erwiderte Ulla provozierend.
»Mädels … Für einen Zickenkrieg haben wir jetzt wirklich keine Zeit!«
Ergun hob langsam vom Boden ab. Er schwebte mit den Füßen zuerst vor das Oberlichtfenster und trat ein loses Stück Glas weg.
»Hey! Du da drin! Kriech unter das Oberlicht!«, rief er in den Qualm. Als Antwort hörte er ein Husten aus dem Inneren.
»Ich komme zu dir. Das muss alles verdammt schnell gehen, wenn ich drin bin. Hast du gehört?«
Ein letzter Blick zu den beiden Mädchen, die ihn besorgt ansahen, dann schwebte Ergun Dervis, der zwölfjährige Junge mit der Fähigkeit zu fliegen, mit den Füßen voraus in den qualmenden Schulcontainer.
Er hielt den Atem an und konzentrierte sich auf das Husten am Boden unter seinen Füßen. Keine drei Meter von ihm entfernt brannte die Holzverkleidung neben der Tafel lichterloh. Die Flammen hatten sich die Wand entlang nach oben gefressen und schlugen durch eine Ecke des bereits weggebrannten Dachs in den freien Himmel. Obwohl er bereits seine eigenen verbrannten Haare riechen konnte, war Ergun erleichtert über das Brandloch im Containerdach. Er tastete nach dem Körper des hustenden Jungen, fand eine Hand, einen Arm und schließlich einen Oberkörper, den er umklammern konnte.
»Halt durch, Mann!«, flüsterte er erstickt, hustete und konzentrierte sich. Dann schossen die beiden Körper wie eine Doppelrakete durch den Qualm und die Funken des brennenden Containers lautlos in den Himmel.
Er ist total verbrannt!, dachte Ergun verzweifelt, als er im hellen Tageslicht die Hautfarbe des geretteten Jungen bemerkte. Doch dann erkannte er, dass die Haut des Jungen keineswegs durch Hitze oder Feuer dunkel war. Im Gegenteil: Der afrikanisch aussehende Junge mit dem kurzen krausen Haar war völlig unversehrt. Seine Haut fühlte sich glatt, weich und angenehm kühl an.
Wenn er nur nicht so furchtbar laut schreien würde, dachte Ergun. Er musste seine ganze Kraft aufbringen, um den nicht gerade leichten Kerl so schnell wie möglich aus dem Blickfeld der neugierigen Passanten über die Wolkendecke zu fliegen.
»Hör auf zu zappeln!«, rief Ergun dem Jungen durch den Fahrtwind zu. Doch der riss einfach nur seine riesigen Augen auf und schrie sich weiter die Seele aus dem Leib.
Die feuchtkalte Wolkenluft klatschte Ergun ins Gesicht. Wie immer genoss er das Gefühl, eine Wolke zu durchfliegen. Wenn es plötzlich nass und merklich kühler um ihn herum wurde. Doch etwas irritierte ihn, als er unter seinen Händen die Gänsehaut des Jungen spürte, den er in rasender Geschwindigkeit durch die Wolkendecke transportierte.
Der Typ ist ja … NACKT!
Nun schrie auch Ergun auf. Vor Schreck ließ er seinen komplett entkleideten Fluggast für einen Moment lang los. Die panischen Schreie wurden schnell leiser. Mit atemberaubender Geschwindigkeit raste der Junge Richtung Boden zurück.
Ergun musste sich ganz schön beeilen, den rundlichen Jungen einzuholen, bevor dieser auf der Erde aufschlug. Bei seinem Senkrechtflug musste Ergun sich darauf konzentrieren, nicht auf den dunklen, im Fahrtwind flatternden Penis des Jungen zu starren. Das gehörte sich irgendwie nicht, fand er.
Sie rasten gemeinsam auf die Wiesenfläche des Spielplatzes namens »Räuberwäldchen« zu. Zum Glück war keine Menschenseele zu sehen, denn niemand wollte sich den Brand knapp hundert Meter weiter auf dem Schulgelände entgehen lassen. Einer der Container brach gerade funkenstiebend und knisternd in sich zusammen, als Ergun die Brust des Jungen umfasste und den gemeinsamen Sturzflug bremste.
»Aaaaaahhhhhhhhhhhh«, schrie der Junge immer noch, als müsste er niemals Luft holen.
»HÖR! AUF ZU! SCHREIEN!«, brüllte ihm Ergun ins Ohr. Und tatsächlich: Auf einmal wurde es still.
Der Junge zitterte am ganzen Körper, als Ergun ihn neben dem Kletterhaus im Sandkasten absetzte. Seine nackten Füße mit den hellen Fußsohlen hinterließen eine tiefe Spur im Sand, als er wegrannte.
»Warte doch mal«, rief Ergun. Doch der Junge flüchtete in Richtung der Hecken vor dem Zaun, der den Spielplatz vom Schulgelände trennte.
»Jetzt bleib doch stehen. Du kannst meine Jacke haben!« Doch der Junge hörte nicht auf ihn und verschwand hinter einem Baum.
»Du sturer Hund!«, murmelte Ergun verärgert und sah sich um, ob auch wirklich niemand da war. Er überlegte, dem Jungen hinterherfliegen, doch dann riss er sich zusammen und folgte ihm das kurze Stück zu Fuß.
Als Ergun gerade zwischen zwei Pappelstämmen hindurchlief, hatte der Junge bereits eine Jogginghose an und hielt ein schwarzes Batman-T-Shirt in den Händen, um es überzuziehen. Hinter ihm lehnte ein Fahrrad mit Satteltaschen am Zaun.
»Sorry …« Der Junge grinste verlegen und schlüpfte in sein T-Shirt.
»Kein Problem«, antwortete Ergun. »Mein Name ist Ergun.«
»Und du kannst fliegen«, stellte der Junge fest. Er schien sich beruhigt zu haben. Sonderlich überrascht oder geschockt wirkte er jedenfalls nicht mehr.
»Na ja. Wir müssen diese Sache ja nicht unbedingt an die große Glocke hängen, oder?«, antwortete Ergun.
»Mann … Du bist durch die Luft gerast wie dieser verdammte Supermann«, sagte der Junge beeindruckt und schlüpfte in ein Paar schwarze Sneakers von Converse, die er aus einer Satteltasche gezogen hatte.
»Hör mal: Meinst du, das könnte unter uns bleiben? Schließlich habe ich dich gerettet und …«
»… hast meinen dicken Hintern nackt gesehen«, ergänzte der Junge und lächelte verlegen.
Ergun grinste. »Nicht nur deinen Hintern, Alter. Nicht nur den.«
Die beiden sahen sich an, nach einer Sekunde fingen beide an zu lachen.
Im Hintergrund waren endlich die Sirenen zu hören, auf die Ulla, Paula und Ergun zuvor so sehnlichst gewartet hatten.
Doch jetzt dürfte es zu spät sein, dachte Ergun, und laut sagte er: »Die drei Containerkisten sind bis auf die Bodenplatte runtergebrannt, schätze ich.«
Der Junge reichte Ergun die Hand. Seine Handflächen waren etwas heller als der Rest seiner dunklen Haut.
»Tja«, meinte er gedankenverloren, als Ergun einschlug. »Mein Name ist Sam. Ich fürchte, das mit dem Feuer ist meine Schuld.«
»Echt jetzt?«, fragte Ergun verblüfft. »Spielst du gern mit Streichhölzern oder wie?«
Doch Sam schüttelte nur den Kopf und hielt Ergun seinen rechten Arm hin. »Kneif mich mal.«
»Wie bitte?«
»Na, kneif halt mal rein«, wiederholte Sam und sah Ergun aufmunternd an. »Richtig fest.«
Ergun zögerte. Schließlich hatte er Sam nicht aus dem brennenden Containern gerettet, um ihm jetzt Schmerzen zuzufügen. Doch Sam hielt ihm den Arm immer noch hin, also kniff Ergun schließlich hinein.
»Fester«, sagte Sam.
Ergun kniff fester.
»Nicht wie’n Mädchen, Alter! Mach mal richtig fest!«
Ergun kniff erneut. Richtig fest. Er sah in Sams glasigen Augen, dass es ihm wehtat und hörte sofort wieder auf. Doch da hatte der Ärmel von Erguns Jeansjacke bereits zu kokeln begonnen.
»Scheiße!«, rief er und fiel vor Schreck auf den Hintern. Seine Hand war ganz heiß geworden. Als er endlich sicher war, dass er sich nicht verletzt hatte, stand er auf und bemerkte gleichzeitig Sams brennenden nackten Arm.
»Wie machst du das?«, stotterte Ergun. Er war total verblüfft.
»Nun … Eigentlich kann ich nichts dafür. Das warst du«, antwortete Sam.
»Weil ich dir wehgetan habe?«
»Richtig.«
Ergun näherte sich Sams brennendem Arm. Die Stelle, wo er ihn gekniffen hatte, schien der Brandherd zu sein. Dort loderte eine blaue Flamme, die sich an den Rändern von Dunkelrot über Orange bis Hellgelb über den ganzen Arm ausbreitete. Dabei blieb Sams Haut absolut unversehrt. Keine Wunden, keine Brandblasen, nichts!
»Tut das nicht weh?«, fragte Ergun, obwohl er die Antwort bereits zu kennen glaubte.
»Mir nicht. Die Hitze kann mir nichts anhaben. Aber du solltest deine Hand besser nicht ins Feuer legen.«
»Kannst du das irgendwie steuern?«
Erguns Frage erzeugte einen traurigen Ausdruck auf Sams Gesicht. Er deutete ein Kopfschütteln an.
»Ich bin ziemlich gut im Kopfrechnen geworden, seit ich kapiert habe, dass mir Ablenkung hilft, cool zu bleiben. Aber wenn es richtig wehtut …«
Ergun nickte in Richtung Schulgelände, von wo die Sirenen und Megafonstimmen der Feuerwehr inzwischen deutlich zu hören waren.
»Soll das heißen, in den Baracken hat dich jemand aufgemischt? Bist du angegriffen worden?«
»Nicht direkt …« Sam blickte zu Boden.
Er sieht aus, würde er gleich zu heulen beginnen, fand Ergun. »Hey, Sam … Alles okay mit dir? … Aua!«
Erguns Hand zuckte zurück. Die Luft um Sam herum hatte zu flimmern begonnen, als würde man über glühende Grillkohlen hinwegschauen. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen beobachtete Ergun, wie sich das knallgelbe Batman-Emblem auf Sams T-Shirt durch die Hitze immer dunkler verfärbte.
»Komm wieder runter, Alter!«, flüsterte Ergun eindringlich. »Ich frage dich auch nicht mehr, was in der Baracke passiert ist. Abgemacht?«
Es dauerte einen Moment, dann sah Sam wieder auf. »Abgemacht.« Er klang dabei gleichermaßen erschöpft und erleichtert. Dieses Mal berührte Ergun ihn so vorsichtig an der Schulter, als würde er mit einem angefeuchteten Finger eine heiße Herdplatte testen. Doch Sam war absolut cool, im besten Sinn des Wortes. Er lächelte sogar.
»Weißt du was? Ich finde, du musst unbedingt meine Freunde kennenlernen«, sagte Ergun.
»Können die auch fliegen?«, fragte Sam, während er sein Fahrrad mit den großen Satteltaschen aus den Büschen fädelte.
»Nicht direkt. Aber die Mädels haben andere tolle Sachen drauf.«
Die beiden gingen nebeneinander her und verließen das Räuberwäldchen, das schon lange kein Wald mit Bäumen mehr war, sondern ein mit Gras bewachsener Spiel- und Sportplatz. Ergun erzählte von seiner Fähigkeit zu fliegen. Es kam ihm völlig normal vor, dieses streng gehütete Geheimnis mit Sam zu teilen, bis der auf dem Bürgersteig zwischen Schule und Räuberwäldchen plötzlich stehen blieb und Ergun unterbrach.
»Hör mal … Du wirst den Mädchen doch nichts davon erzählen, dass du mich nackt gesehen hast?«
Ergun musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. »Du hast mein Wort! Ich will ja nicht, dass du das ganze Viertel in Schutt und Asche legst.«
Erst ein paar Schritte später fiel ihm etwas an dem auf, das Sam zu der Situation in der Baracke gesagt hatte. Die beiden waren gerade an der Absperrung angelangt, die die Feuerwehr um die Brandstelle errichtet hatte.
»Sag mal … Du und die Hitze … Passiert dir das nur bei körperlichem Schmerz, Sam?«
Der Junge schwieg. Ergun hakte nach. »Oder wird es auch heiß, wenn man dich beschimpft oder beleidigt? Wegen deiner Hautfarbe zum Beispiel?«
»Tierisch heiß«, bestätigte Sam murmelnd, den Blick zu Boden gerichtet. »Ging es darum? Ich meine, in dem Container?«, fragte Ergun leise.
Sam antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken.
In diesem Augenblick rannten Ulla und Paula auf die beiden zu, umarmten Ergun und bestürmten ihn und Sam mit Fragen.
»Du willst uns also erzählen, dass du die Container an der Schule in Schutt und Asche gelegt hast? Ganz allein?«, fragte Paula skeptisch, ohne sich zu Sam umzudrehen. Sie stand im Turm der Nikolauskirche und sah konzentriert in einen staubbedeckten, antik anmutenden Holzschrank mit Glastüren.
Sam schwieg und starrte eine ausgetretene Holztreppe an. Sie führte an den Turmwänden entlang nach oben in den Glockenstuhl der Kirche.
»Er kann das wirklich«, sagte Ergun eilig. Er wollte nicht, dass sich Sam aufregte. Doch der rundliche Junge neben ihm schien absolut cool zu bleiben. Noch …
»Aha, und das macht er also ohne Streichhölzer, Feuerzeug und Benzin? Einfach so?« Ulla stand auf der anderen Seite des Raumes und forderte mit einem provozierenden Lächeln: »Dann mach doch mal Feuer, Dickerchen.«