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Die Lehren des Buddha wurden im Laufe der Jahrtausende in ganz unterschiedliche Kulturen aufgenommen. Jedes Mal wurden sie neu interpretiert und angepasst, um in der neuen Gesellschaft Fuß fassen zu können. Aktuell findet dieser Prozess im Westen statt, wo der Buddhismus in unserem kulturellen Umfeld Wurzeln schlägt. Der ehemalige Mönch und Meditationslehrer Stephen Batchelor entwickelte dazu auf Basis der ältesten Quellen in "Jenseits des Buddhismus" eine praxisorientierte Interpretation des Dharma für Menschen in unserem säkularen Zeitalter. Das Arbeitsbuch zu "Jenseits des Buddhismus" fasst die zentralen Botschaften zu jedem Kapitel von Batchelors Werk zusammen und gibt Denkanstöße in Form von Fragen zum Dharma. Die inspirierenden Fragen dienen dazu, sich selbst zu reflektieren und die eigene Praxis weiterzuentwickeln. Das Arbeitsbuch unterstützt sowohl beim Selbststudium als auch bei der Gruppenarbeit. Dieses Arbeitsbuch stützt sich auf einen 16 Unterrichtseinheiten umfassenden Lehrgang, der auf "Jenseits des Buddhismus" basiert und von Winton Higgins mit zwei Sanghas in Sydney erarbeitet wurde. Die sechzehn Unterrichtseinheiten folgen den Kapiteln von Stephens Buch. Um einen größtmöglichen Nutzen zu erzielen, sollten "Jenseits des Buddhismus" und das Arbeitsbuch gemeinsam gelesen werden. Den Autoren der englischen Originalausgabe Winton Higgins, Jim Champion und Ramsey Margolis gelang es, ein humorvolles und leicht zu lesendes Arbeitsbuch zu schaffen, ohne die Tiefe von Batchelors Erfahrungswissen und Ideen zu beeinträchtigen. Sie sind wie die Herausgeber und Übersetzerin der deutschen Ausgabe, die Buddha-Stiftung, im internationalen "Säkularen buddhistischen Netzwerk" aktiv. "Ich hoffe sehr, dass dieses Arbeitsbuch es Ihnen ermöglicht, die in "Jenseits des Buddhismus" vorgestellten Ideen weiter zu erforschen: den Dharma für ein säkulares Zeitalter zu überdenken." (Aus dem Vorwort von Stephen Batchelor zur deutschen Ausgabe)
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Seitenzahl: 160
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Säkularer
Buddhismus
Ein Arbeitsbuch zu Stephen Batchelors „Jenseits des Buddhismus“
mit Jim Champion und Ramsey Margolis
Übersetzt von Saskia Graf
Deutsche Erstausgabe 2020
© Verlag Mittlerer Weg
Ein Projekt der Buddha-Stiftung, gemeinn. Stiftung für säkularen Buddhismus
1. Auflage
Deutsche Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autoren und Tuwhiri
Winton Higgins, Jim Champion and Ramsey Margolis
Dieses Werk (Übersetzung und Original) unterliegt einer Creative Commons Lizenz "Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International (CC BY-NC 4.0)"
Englisches Original zuerst veröffentlicht 2018 von
The Tuwhiri Project
PO Box 6626
Wellington 6141
Aotearoa New Zealand
www.tuwhiri.nz
Übersetzung: Saskia Graf, Buddha-Stiftung
Lektorat: Jochen Weber, Buddha-Stiftung
Umschlagsbild: Foto von Quino Al auf Unsplash
Umschlagsdesign: Claudia Tröscher, Art Direktorin, München
ISBN 978-3-753107-89-9
Für
Warum dieses Buch?
Arbeitsbuch für säkular buddhistische Gruppen und zum Selbststudium
Wer einen säkularen buddhistischen Weg geht, ist zunächst einmal auf sich gestellt, da es keine organisierten Gruppen oder Organisationen gibt, wie sie in traditionellen buddhistischen Schulen (z.B. Zen, Rigpa) die Regel sind.
Statt einer traditionellen, hierarchischen Organisation weisen säkular buddhistischen Organisation eher die Struktur eines Netzwerks von Individuen mit gleicher Zielrichtung auf.
Das Projekt des „Säkularen buddhistischen Netzwerks“ dient dem Ziel, ein solches Netzwerk im deutschsprachigen Raum aufzubauen. Weltweit sind regionale Netzwerke im Aufbau, z.B. das der Autoren dieses Buches in Australien und Neuseeland.
Das „Säkulare buddhistische Netzwerk“
Das unabhängige „Säkulare buddhistische Netzwerk“ will Menschen einer Region zusammenbringen, die sich selbst organisieren, um gemeinsam zu praktizieren, zu diskutieren und zum Aufbau einer Kultur des Erwachens beizutragen.
Wir sind der Überzeugung, dass unabhängige, demokratische Gemeinschaften und Netzwerke den Einzelnen auf seinem individuellen Weg unterstützen können. Zudem dienen sie auch jedem anderen und unserem Planeten.
Dieses Arbeitsbuch basiert auf dem Grundlagenwerk von Stephen Batchelor, „Jenseits des Buddhismus“. Es begleitet das Lesen dieses Buches mit Kommentaren und Zusammenfassungen. Fragen zu jedem Kapitel dienen der Diskussion in einer Gruppe oder der persönlichen Reflektion.
DANKSAGUNG
Dieses Buch wäre nicht ohne die Vorarbeit und Hilfe zahlreicher Menschen zustande gekommen. Dies sind zunächst Stephen Batchelor, dessen Buch Jenseits des Buddhismus die Grundlage dieses Arbeitsbuches ist und die Autoren dieses Buches, Winton Higgins, Jim Champion und Ramsey Margolis. Auf dem Fundament ihrer kreativen Arbeit fußt die Übersetzung.
Mein besonderer Dank gilt Saskia Graf vom Team der Buddha-Stiftung, die mit der Übersetzung den größten Teil der Arbeit geschultert hat, und meiner Frau Regina für den kreativen Input während der Arbeit am Buch und unseren Freunden des säkularen buddhistischen Netzwerks.
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Ich freue mich, dass Jenseits des Buddhismus: Ein Arbeitsbuch jetzt auch auf Deutsch erhältlich ist. Ich möchte Dr. Jochen Weber und der Buddha-Stiftung in Heidelberg danken, die meine Arbeit über die Jahre so großzügig und konsequent unterstützt haben. Insbesondere bin ich Saskia Graf dankbar, dass sie dieses Buch aus dem Englischen übersetzt hat.
Ich hoffe sehr, dass dieses Arbeitsbuch es Ihnen ermöglicht, die in „Jenseits des Buddhismus“ vorgestellten Ideen weiter zu erforschen: Den Dharma für ein säkulares Zeitalter überdenken. Möge es Ihnen gut gehen.
Vorwort zur englischen Ausgabe
In After Buddhism:rethinking the dharma for a secular age [Deutscher Titel: Jenseits des Buddhismus - Eine säkulare Vision des Dharma] kulminieren mehr als vierzig Jahre Studium und Praxis der Buddha-Lehre. Das Buch verwebt vielfältige Vorstellungen und Themenbereiche, die mich als Praktizierender und Schriftsteller während all dieser Zeit eingehend beschäftigt haben. Dieser Prozess war ein fortwährendes Bemühen, den Dharma in einer zeitgemäßen, von den metaphysischen und kosmologischen Ansichten des alten Indiens befreiten Sprache zu formulieren. Es war gleichermaßen ein fortlaufendes Bestreben, den Dharma von den dogmatischen Fallstricken und der monastischen Autorität zu befreien, die nach wie vor die buddhistische Religion prägen. Im Nachhinein betrachtet, sehe ich dieses Werk als Teil einer umfassenderen Bewegung hin zu einer unverhohlen säkularen Vision dessen, was der Buddha lehrte.
Ich bin Winton Higgins außerordentlich dankbar dafür, dass er seinen Lehrgang zu After Buddhism entwickelt und unterrichtet hat, aus dem nun dieses Arbeitsbuch hervorgegangen ist. Ich hoffe, dass dieses Buch nicht nur Ihr Verständnis dessen, worum es in After Buddhism geht, vertieft, sondern Sie auch dazu ermutigt, den Text kritisch zu untersuchen, und Sie dadurch in die Lage versetzt, „unabhängig von anderen“ in Ihrer eigenen Praxis des Mensch-seins zu werden. Vielen Dank auch an Jim Champion dafür, dass er die Fragen zu Vertiefung beigesteuert hat, und an das Tuwhiri Projekt dafür, dieses Buch verfügbar zu machen.
Stephen Batchelor
Aquitaine, April 2018
Einleitung
Sie haben beschlossen, sich eingehend mit Stephen Batchelors After Buddhism: rethinking the dharma for a secular age [Jenseits des Buddhismus: Eine säkulare Vision des Dharma] zu befassen. Ausgezeichnet! Sein Buch erschließt den frühen Buddhismus in neuer Weise und beschreibt seine tiefgründige Bedeutung und Praxis in Begriffen, die für die Lebensumstände im 21. Jahrhundert für uns von Bedeutung sind.
Sein Haupttitel suggeriert Kritik an gängigen Ausprägungen des „Buddhismus“, die der Westen von den alteingesessenen Institutionen und Lehrern Asiens übernommen hat. Diese Varianten verkörpern typischerweise wenig nachvollziehbare, kulturell geprägte Sichtweisen, Annahmen und Ausschlusskriterien, die die aktuelle Relevanz der frühen Lehren der Überlieferung gerade für die heutigen Westler verschleiern. Kurz gesagt: Stephen versucht, die frühen Lehren aufzugreifen und sie auf unsere heutige Lebensweise anzuwenden. Auf gar keinen Fall möchte er damit andeuten, der Dharma an sich sei überholt.
Dieses Arbeitsbuch stützt sich auf einen16 Unterrichtseinheiten umfassenden Lehrgang, der auf After Buddhism basiert und von Winton Higgins mit zwei Sanghas in Sydney durchgeführt wurde (jeweils mit den Praxisgemeinschaften Bluegum und Golden Wattle). Es folgt den gleichen sechzehn Unterrichtseinheiten wie der Lehrgang, welche wiederum die Kapitelstruktur von Stephens Buch widerspiegeln. Der Lehrgang und dieses Arbeitsbuch teilen einige der umfangreicheren Kapitel von Jenseits des Buddhismus in zwei Unterrichtseinheiten auf.
Zahlreiche Teilnehmende aus beiden Sanghas regten an, dass der Kurs breiter zugänglich gemacht werden sollte. Daher entstand dieses Arbeitsbuch, das gleichermaßen Gruppen- und Selbststudium unterstützen soll. Um einen größtmöglichen Nutzen zu erzielen, sollten Jenseits des Buddhismus und das Arbeitsbuch gemeinsam gelesen werden. Die Übungsfragen, die jede Unterrichtseinheit abschließen, wurden von Jim Champion beigesteuert und sollen sowohl Gruppendiskussionen als auch individuelle Reflexion anregen.
Die Lesenden finden eine Auswahl an Literaturhinweisen am Ende dieses Buchs. Dort sind Bücher und andere Quellen aufgeführt, die im Haupttext explizit oder implizit genannt werden.
Wir sind Stephen Batchelor für seine Unterstützung dankbar und allen, die uns bei der Anschubfinanzierung unterstützt haben sowie John Houston in London für die Gestaltung des Covers und des Designs dieses Arbeitsbuchs.
Sollten Sie Fragen zu After Buddhism oder zu diesem Arbeitsbuch haben, schreiben Sie bitte an [email protected].
Winton Higgins, Sydney
Jim Champion, Southampton
Ramsey Margolis, Wellington
April 2018
Anmerkung des Verlages zur Handhabung des Arbeitsbuchs
Worum geht es in Jenseits des Buddhismus?
Stephen sah sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, die gleichermaßen allen Buchautoren begegnet – wie man das verdammte Ding nennen soll. Ein Buchtitel muss eine unmittelbare Botschaft transportieren und diese Botschaft in Beziehung zu allen anderen Büchern setzen, die in diesem Themengebiet gerade aktuell sind. Auf Anraten seines Herausgebers folgte er der heute gängigen Weisheit: Gib dem Buch einen griffigen „allgemeinen“ Titel, gefolgt von einem Untertitel, der informativer ist. Daher: Jenseits des Buddhismus: Eine säkulare Vision des Dharma.
Bei der Wahl des Titels folgte er (unter anderem) Gianni Vattimo, dem post-metaphysischen Philosophen, der sich dafür entschied, katholisch zu bleiben, wenn auch auf einer eigenwilligen Basis, der sein Buch, das diese Entscheidung untersucht, Jenseits des Christentums nannte. In beiden Fällen wird ein althergebrachtes Konzept einer Tradition ersetzt, die zwar Reichtümer birgt, die jedoch nun verschüttet sind unter veralteten oder unangemessen Ausdrucksformen und ritueller Praxis.
In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch in Erinnerung rufen, dass das Konzept und der Begriff „Buddhismus“ eine europäische Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts sind. Soweit ich weiß, gibt es dafür keine Entsprechung in irgendeiner asiatischen Sprache und ganz sicher nicht in den klassischen Sprachen der Überlieferung – Pali, Sanskrit, Chinesisch und Tibetisch. Wir können also aus Stephens Haupttitel (Jenseits des Buddhismus) herauslesen, dass er etwas in der Art bedeutet, wie „nachdem wir über das heute gebräuchliche Verständnis dessen, was Buddhismus ausmacht, hinausgegangen sind, einschließlich der Vorstellung, dass er nur für eine einzige starre Tradition steht“. Als Ganzes betrachtet, stellt sein Titel diesen „Buddhismus“ jener lebendigen Dharma-Tradition gegenüber, die Gotama (ca. 480-400 v.Chr.), „der historische Buddha“ im Ganges-Becken in Nordostindien begründet hat.
Das durch den Untertitel propagierte Projekt, den Dharma für ein säkulares Zeitalter neu zu überdenken, enthält mit ziemlicher Sicherheit einen impliziten Bezug zur Entwicklung eines säkularen Christentums im Verlauf des letzten halben Jahrhunderts. In seinem Vorwort erwähnt Stephen als eine seiner wichtigsten Quellen der Inspiration die progressiven protestantischen Theologen Paul Tillich und Don Cupitt, die in vergleichbarer Weise versuchten, das Christentum für unser säkulares Zeitalter neu zu überdenken.
Die Problemfelder beider Traditionen überschneiden sich. Zu diesem Punkt bitten wir Sie, im Internet die Transkription eines öffentlichen Gesprächs zwischen Stephen Batchelor und Don Cupitt aufzurufen, das 2012 von London Insight Meditation veranstaltet wurde – moderiert von der Guardian Journalistin Madeleine Bunting. Es ist online verfügbar auf
https://secularbuddhism.org/batchelor-cupitt/.
Hier spricht Don Cupitt – nach 50 Jahren als anglikanischer Priester – über Jesus als einen humanistischen, radikalen und diesseitigen Lehrer aus dem 1. Jahrhundert n.Chr., dessen Botschaft durch „die ersten Geistlichen“ Petrus, Jakobus und Paulus ca. 50 n.Chr. mystifiziert und mythologisiert wurde. Es hat nicht lange auf sich warten lassen! (Wie wir sehen werden, hat es auch im Fall des Dharma nicht lange auf sich warten lassen.) Danach entwickelte sich das kirchliche Christentum mit seinem sozialen Konservatismus und seinen Sorgen um das Jenseits.
Das Christentum für ein säkulares Zeitalter neu zu überdenken, bedeutet, mit dem zu beginnen, worum es ursprünglich ging, bevor die „Geistlichen“ auftauchten. Dies bedeutet keineswegs, Nützliches abzulehnen, was die vielen Generationen von Geistlichen im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, aber es legt die Grundlagen der lebendigen Tradition frei und ehrt auf diese Weise jene Tradition auf bestmögliche Weise – nämlich auf eine intelligente und skeptische Weise
Die Parallele zum Dharma ist frappierend. Der Buddha war ebenfalls ein geerdeter, radikaler, diesseitig-existenzialistischer Lehrer, aber die hauptamtlichen „Geistlichen“ (mit Kassapa an der Spitze) traten nach seinem Tod schnell auf den Plan und überführten die Überlieferungen in jenseitige Gefilde, metaphysische Glaubensvorstellungen, ausgeklügelte Institutionen und Rituale. Wieder einmal besteht die Herausforderung für diejenigen, die den Dharma als eine lebendige Tradition praktizieren möchten, darin, zu versuchen, zur Quelle zurückzukehren, wie der Gründer ihn hinterlassen hat, und von dort ausgehend herauszufinden, wie man ihn in unserem eigenen säkularen Zeitalter anwenden kann, unter Beachtung nützlicher Beiträge, die andere in der Zwischenzeit geleistet haben.
Stephens Buch ist somit keine säkulare buddhistische Polemik und noch weniger ein Versuch, eine neue Orthodoxie zu etablieren. Vielmehr ist es eine erfrischende Untersuchung dessen, was der große und unsystematische Pali-Kanon tatsächlich enthält. Es ist eine Rückbesinnung auf die zentrale Frage, die der Dharma aufwirft (um die traditionelle Ch’an-Formulierung zu verwenden): wie sollen wir „dieser großen Angelegenheit von Leben und Tod“ begegnen? Wie können wir instinktiv unser Leben als verletzliche, sterbliche Wesen, die mit Bewusstsein ausgestattet sind, verstehen? Wie gestalten wir dieses Leben sinnhaft und würdevoll – vollständig menschlich? Wie sollen wir das menschliche Vermögen bestmöglich ausnutzen?
Stephen bringt seine eigene Suche auf einfache und persönliche Weise zum Ausdruck: „Als praktizierender Buddhist betrachte ich die Lehrreden nicht als bloße Mine, in denen ich nach weiteren intellektuellen Erkenntnissen schürfe, sondern ich will mit meiner eigenen Geburt und meinem Tod ins Reine kommen“ (S. 39).
In Jenseits des Buddhismus präsentiert er uns u.a. einen neuen Ansatz, aus dem Pali-Kanon zu schürfen. Ein Aspekt seines Ansatzes besteht darin, jene Lehren hervorzuheben, die ureigen vom Buddha stammen und nicht einfach aus der Kultur seiner Zeit und seiner Umgebung, solche, die jeder beliebige zeitgenössische spirituelle Lehrer formuliert haben könnte. Ein zweiter Aspekt von Stephens Ansatz besteht darin, den Geschichten einiger der interessanteren Charaktere des Kanons zu folgen. Der frühe Dharma wird nicht nur von uniformen, heiligen Entsagenden bevölkert – es gibt dort auch eifrige Laien wie uns und einige von ihnen waren Verwandte und enge Freunde des Buddha.
Diese Menschen waren in ihrem Alltag und ihren inneren psychologischen Verstrickungen mit erheblichen Anforderungen konfrontiert, erlangten aber dennoch die Anerkennung des Buddha als „Sehende des Todlosen“. Dies bedeutet, dass sie, zumindest zeitweise, in einem Empfindungsvermögen weilten, das von der Einsicht in die Bedingtheit („abhängiges Entstehen“) und der Erfahrung des Nicht-Selbst durchdrungen war. Ihre Begegnungen mit ihm und sein Feedback an sie waren außerordentlich berührend. Sie erzählen uns viel darüber, wie der Dharma ein gewöhnliches menschliches Leben durchdringt und es außergewöhnlich werden lässt.
Und auf diese Weise lernen wir Mahānāma kennen (den Cousin des Buddha, der unter schwierigen Begleitumständen zum Oberhaupt der kleinen Republik Sakiya wurde – zuvor hatte Buddhas Vater Suddhodana diese Position inne), Pasenadi (den König von Kosala) und Jīvaka (den Arzt am Hofe von Magadha). Solche Menschen übten grundlegende Funktionen in der Gesellschaft aus und die Art und Weise, wie der Buddha sie beriet, spiegelt seine eigene Vorstellung einer intakten Gemeinschaft und einer vorbildlichen Gesellschaft wider.
An dieser Stelle können wir ein Gefühl für die bürgerliche Rolle eines Dharma-Praktizierenden bekommen. All dies bildet einen Kontrast zur herkömmlichen Beschäftigung des Buddhismus mit dem gleichmütigen Ordensmitglied, das politische oder andere weltliche Verpflichtungen beim Streben nach persönlicher Befreiung scheut. In ähnlicher Manier greift Stephen die Erfahrung, den Dharma zu praktizieren, heraus und die niemals endende Herausforderung, eine Lebensweise zu kultivieren, die dessen Werte verwirklicht. Im Fall eines Mönchs, dem wir hier begegnen, Sunakkhatta, erweist sich die Veränderung als zu tiefgreifend und er wirft resigniert hin.
Er stellt die Frage: Spricht eine säkulare Herangehensweise an die Dharma-Praxis gegen Religion? Nicht, wenn man Paul Tillichs Vorstellung akzeptiert, worum es grundlegend in der Religion geht – ein „unbedingtes Anliegen“ zu verfolgen, wie die oben genannten existentialistischen Fragen.
Wie oben erwähnt, umfasst Stephens unbedingtes Anliegen die existentialistischen Fragen, die auftauchen, wenn er sich mit seiner eigenen Geburt und seinem eigenen Tod auseinandersetzt. Gemäß seiner Interpretation bietet der Buddha vier zentrale einzigartige Leitgedanken für dieses Vorhaben an: seine „vier Ps“:
das Prinzip der Bedingtheit
die Praxis der vierfachen Aufgabe
die Perspektive des achtsamen Gewahrseins
der Primat (Kraft, power im Original) der Eigenständigkeit (S. 48)
Gut, fangen wir an.
Fragen zur Vertiefung
Was würden Sie jemandem antworten, der mit aufrichtigem Interesse fragt: „Sind Sie Buddhist?“
Was halten Sie von Stephens Herangehensweise an den Pali-Kanon: jene Äußerungen des Buddha zusammenzutragen, die in einzigartiger Weise von ihm stammen, im Gegensatz zu denen, die jeder beliebige Lehrer seiner Zeit hätte äußern können?
Wo haben sie gesucht, um mit Ihrer Geburt und Ihrem Tod zurechtzukommen?
Mussten Sie jemals etwas von Grund auf neu überdenken? Wie ist es verlaufen?
Wie hilfreich (oder überhaupt möglich) ist es, zu versuchen, zu den Anfängen von etwas zurückzugehen, das eine so lange Geschichte hat, wie der Buddhismus?
Haben die einleitenden Bemerkungen über eine säkulare Herangehensweise an Religion bei Ihnen Anklang gefunden? Falls ja, warum? Und falls nein, warum nicht?
Jenseits des Buddhismus?
In dieser Unterrichtseinheit sehen wir uns das erste Kapitel von Stephens Buch an, das ebenfalls „Jenseits des Buddhismus“ heißt. Hier entfaltet er die Zielrichtung in Zusammenhang mit diesem Buch und den Gegenstand seiner Untersuchung. In der einführenden Unterrichtseinheit haben wir Stephens Buchtitel in eine Reihe mit anderen Büchern eingeordnet, deren Titel mit „Jenseits [„After“]“ beginnen: Gianni Vattimos Jenseits des Christentums, Don Cupitts Nach Gott (beides Texte von christlichen gedanklichen „Verwandten“ von Stephen) und die Essay-Sammlung After mindfulness, die 2014 von seinem Zen-Freund, dem existenzialistischen Psychotherapeuten Manu Bazzano herausgegeben wurde. In allen vier Fällen impliziert „jenseits“, dass wir über die traditionellen, gewohnheitsmäßigen, institutionalisierten und nicht hinterfragten Darstellungen des betreffenden Themas hinausgehen.
In den letzten Abschnitten des Kapitels bezeichnet Stephen sein Projekt als eine Erforschung eines säkularen Buddhismus, welcher, wie er schreibt, „eine Rückkehr zu den Wurzeln der Tradition anstreben und den Dharma neu denken und neu ausdrücken“ werde (S. 37). Teil des „Rückkehr“-Aspekts ist es, aus den frühen Lehren so zu schürfen, wie diese waren, bevor „die ersten Geistlichen“ begannen, an ihnen herumzubasteln und sie mit institutionell linientreuen Überarbeitungen, Ergänzungen und Kommentaren zu überlagern.
Der Teil „neu denken und neu ausdrücken“ bezieht sich darauf, die Nützlichkeit und Anwendbarkeit dieser Lehren zu erschließen für die Menschen des „säkularen Zeitalters“ mit unserer diesseitigen Ausrichtung, unserer diesseitigen Skepsis, unserem auf Evolutionsbiologie, Urknalltheorie, Neurowissenschaft, usw. basierenden Realitätskonstrukt. Für diejenigen unter uns, die sich die Zeit nehmen können, und die an philosophischen Fragen interessiert sind, wäre Charles Taylors‘ 1297 Seiten umfassendes Buch „Ein säkulares Zeitalter“ eine hervorragende Begleitliteratur. Die zwei Hauptaspekte, die Taylor anführt sind:
Säkularität und Religion schließen sich nicht gegenseitig aus, zumal Säkularität ein Produkt der langfristigen religiös-kulturellen Entwicklung im Westen ist und
In religiöser Hinsicht entsteht unser säkulares Zeitalter aus „veränderten Glaubensbedingungen“: Wir glauben nicht mehr an überlieferte Mythen und übernatürliche und metaphysische Behauptungen – und können nicht einmal mehr deren Sinn verstehen. Daher muss jeder von uns die Verantwortung dafür übernehmen, was er glaubt, wissend, dass es reichlich alternative Sichtweisen gibt – wissend, dass keiner von uns für sich beanspruchen kann, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein.
Stephens Interpretation eines säkularen Buddhismus
Stephens säkularer Buddhismus versucht den Dharma als
lebendige Überlieferung
wiederzubeleben und distanziert sich energisch von zwei verwandten quasi-säkularen
Unterwanderungen
der Überlieferung in der Gegenwart:
Der Bewegung, die „alle Spuren von Religiosität ablegen will. Ich strebe keinen Dharma an, der wenig mehr als eine Anzahl von Selbsthilfetechniken ist, die uns helfen, in einer kapitalistischen Konsumgesellschaft gelassener und effektiver zu funktionieren.“ Dies schließt eine Achtsamkeits-Industrie ein, die „eine solipsistische Isolation des Selbst verstärkt, indem sie Praktizierende gegen beunruhigende Emotionen, Impulse, Ängste und Zweifel, die unsere fragilen Egos überfallen, immunisiert“ (S. 34). Unter anderem „entzaubert“ diese Säkularisierungstendenz die Welt, während Stephen versucht, sie „wieder zu verzaubern“, indem er ein Gefühl des Staunens, der Verblüffung und des Erhabenen im alltäglichen Leben stärkt und
Dem Angebot (und der Vermarktung) buddhistischer Praktiken und Vorstellungen auf eine Art und Weise, die sie für diejenigen „schmackhaft machen möchte, die kein Interesse daran zeigen, sich auf die zentralen Werte des Dharma einzulassen“ (S. 34).
Stephens säkularer Buddhismus ist weitaus radikaler als solche Erscheinungsformen, weil er, als ein ethisches Unterfangen, alle Aspekte unseres Lebens durchdringt und einer Abschottung widersteht.
Ein Thema, das wir aufgreifen sollten, betrifft seine Darstellung der früheren Laienbewegung und Modernisierung des Buddhismus, die ebenfalls für eine säkulare Tendenz steht. Das einschlägigste Beispiel, das er nennt, sind die Vipassanā-Schulen, die im späten 19. Jahrhundert in Burma, Sri Lanka und Thailand als eine Form des Widerstands gegen das Eindringen protestantischer christlicher Missionare entstanden sind.
Die Gründer der Schulen gingen in zweifacher Hinsicht vor wie die Protestanten: Sie machten den Laien die Texte zugänglich (auch in Umgangssprachen), werteten die Laienpraxis auf und würdigten sie. Der Protestantismus war selbst ein Vorbote der Moderne und der „protestantische Buddhismus“ der Vipassanā-Schulen repräsentierte sicherlich Modernisierung und eine gewisse Laisierung. Aber andererseits bewahrten diese Bewegungen die althergebrachten Lehren, Hierarchien und Institutionen des bereits bestehenden Buddhismus.