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Zwillingsschwestern in gefährlichen Zeiten: „Sarabande“, ein historischer Schicksalsroman von Philippa Carr, jetzt als eBook bei dotbooks. Während sich Mitte des 17. Jahrhunderts die Situation zwischen Charles I. und seinem Parlament immer mehr zuspitzt, wachsen auf dem idyllischen Landsitz der Familie Landor zwei höchst unterschiedliche Schwestern heran: die sanfte Angelet und die ungestüme Bersaba. Die beiden sind sich sicher, dass nichts und niemand sie jemals trennen kann – doch sie haben nicht mit intriganten Verwandten, verbotenen Gefühlen und den Schicksalsschlägen des Lebens gerechnet. Während England von Umbrüchen und blutigen Kämpfen heimgesucht wird, müssen die Schwestern feststellen, dass das enge Band zwischen ihnen tatsächlich reißen könnte – mit dramatischen Folgen! Ein Roman aus der international erfolgreichen Saga „Die Töchter Englands“: Bestsellerautorin Philippa Carr verwebt große historische Ereignisse mit den Lebensgeschichten starker Frauenfiguren zum mitreißenden Lesevergnügen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Sarabande“ von Philippa Carr, auch bekannt als Jean Plaidy und Victoria Holt. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 622
Über dieses Buch:
Während sich Mitte des 17. Jahrhunderts die Situation zwischen Charles I. und seinem Parlament immer mehr zuspitzt, wachsen auf dem idyllischen Landsitz der Familie Landor zwei höchst unterschiedliche Schwestern heran: die sanfte Angelet und die ungestüme Bersaba. Die beiden sind sich sicher, dass nichts und niemand sie jemals trennen kann – doch sie haben nicht mit intriganten Verwandten, verbotenen Gefühlen und den Schicksalsschlägen des Lebens gerechnet. Während England von Umbrüchen und blutigen Kämpfen heimgesucht wird, müssen die Schwestern feststellen, dass das enge Band zwischen ihnen tatsächlich reißen könnte – mit dramatischen Folgen!
Ein Roman aus der international erfolgreichen Saga »Die Töchter Englands«: Bestsellerautorin Philippa Carr verwebt große historische Ereignisse mit den Lebensgeschichten starker Frauenfiguren zum mitreißenden Lesevergnügen!
Über die Autorin:
Philippa Carr ist – wie auch Jean Plaidy und Victoria Holt – ein Pseudonym der britischen Autorin Eleanor Alice Burford (1906–1993). Schon in ihrer Jugend begann sie, sich für Geschichte zu begeistern: »Ich besuchte Hampton Court Palace mit seiner beeindruckenden Atmosphäre, ging durch dasselbe Tor wie Anne Boleyn und sah die Räume, durch die Katherine Howard gelaufen war. Das hat mich inspiriert, damit begann für mich alles.« 1941 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem in den nächsten 50 Jahren zahlreiche folgten, die sich schon zu ihren Lebzeiten über 90 Millionen Mal verkauften. 1989 wurde Eleanor Alice Burford mit dem »Golden Treasure Award« der Romance Writers of America ausgezeichnet.
Eine Übersicht über den Romanzyklus »Die Töchter Englands« finden Sie am Ende dieses eBooks.
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eBook-Neuausgabe März 2017
Copyright © der Originalausgabe 1976 by Philippa Carr
Die Originalausgabe erschien 1976 unter dem Titel »Saraband for two sisters«.
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1982 by Franz Schneekluth Verlag, München
Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Kiselev Andrey Valerevich und VanderWolf Images
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-95824-982-0
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Philippa Carr
Sarabande
Roman
Aus dem Englischen von Erika Remberg
dotbooks.
ANGELET
Gestern, am 12. Tag des Monats Juni im Jahre 1639, war unser Geburtstag – meiner und der von Bersaba. Es trifft sich gut, daß wir im Juni geboren sind, unter dem Zeichen der Zwillinge, wir sind nämlich auch Zwillinge. In unserer Familie werden Geburtstage immer fröhlich gefeiert, dafür ist unsere Mutter verantwortlich. Es gibt Frauen, die dazu geboren sind, Mütter zu sein, und sie ist eine davon. Ich glaube, ich bin das nicht, und Bersaba schon gar nicht. Aber vielleicht irre ich mich auch, vielleicht ist das eine Qualität, die man erst im Stadium der Mutterschaft entdeckt. Eines habe ich gelernt: Man irrt sich oft! Eine der weniger erfreulichen Erkenntnisse während des Heranwachsens. Einmal habe ich Bersaba gesagt, daß unsere Mutter Gott an jedem Geburtstag dankt, daß er uns ihr geschenkt hat, und Bersaba antwortete, daß sie das täglich tue. Meine Mutter, Tamsyn Landor, war schon fünf Jahre verheiratet, bevor unser Bruder Fennimore auf die Welt kam, und dann vergingen noch einmal sieben Jahre, ehe sie uns – ihren Zwillingen – das Leben schenkte. Ich glaube, sie hatte sich immer eine große Familie gewünscht, aber jetzt sagt sie, sie hätte genau das bekommen, was sie sich gewünscht hatte. Sie ist nämlich eine Frau, die imstande ist, die Realität ihren Träumen anzupassen, und das ist – ich bin alt genug, das zu verstehen – eine seltene Gabe.
Unser Geburtstag wurde wie üblich gefeiert. Juni ist ein wunderschöner Monat für Feste, weil man bereits im Freien feiern kann. Es wurde zur Gewohnheit, daß wir an unserem Geburtstag, wenn das Wetter schön war, hinaus auf die Wiesen ritten und ein Picknick veranstalteten. Es bestand aus kaltem Geflügel und sogenannten West Conntry Tarts, Törtchen, gefüllt mit Früchten der Saison – in unserem Fall waren es Erdbeeren –, darüber eine Eiercreme oder Schlagsahne, eine ganz besondere Delikatesse. Natürlich hat es auch verregnete Geburtstage gegeben, an denen wir mit Freunden und Nachbarn, die uns besuchen kamen, im Haus bleiben mußten. Dann spielten wir Spiele wie Blindekuh und Verstecken, verkleideten uns, führten Charaden auf oder Stücke, die die Komödianten zur Weihnachtszeit gespielt hatten. Wie immer auch das Wetter war, Geburtstage waren Tage, auf die wir uns freuten, und jedes Jahr wieder sagte ich zu Bersaba, daß wir zwei nur einen Geburtstag hätten, und der müsse besonders schön gefeiert werden.
An unserem letzten Geburtstag hatten wir schönes Wetter gehabt, und wir spielten draußen auf der Wiese mit den jungen Leuten von Kroll Manor und Trent Park: Ballspiele und Kayles, ein Spiel, bei dem man mit einem Stock oder einem Ball Kegel umwerfen muß, und danach Verstecken. Plötzlich konnten wir Bersaba nicht mehr finden, was große Aufregung verursachte. Besonders Mutter hat immer Angst, uns könnte etwas Schreckliches zustoßen. Eine ganze Stunde lang suchten wir Bersaba, dann kam sie von selbst aus ihrem Versteck. Als sie sah, daß meine Mutter sich so große Sorgen um sie gemacht hatte, spielte sie die Reuevolle, aber ich kannte sie besser: Sie liebte es, wenn man sich Sorgen um sie machte. Bersaba ließ oft durchblicken, wie wichtig es für sie sei, unsere Zuneigung zu spüren. Danach gingen wir alle zusammen zurück nach Trystan Priory, wo wir zu Hause waren, und spielten und feierten weiter. Als es dunkel wurde, kamen Bedienstete aus Kroll Manor und Trent Park, um unsere Freunde heimzubegleiten. Das war wieder einmal das Ende eines Geburtstages, dachten wir, aber wir hatten uns geirrt.
Mutter kam in unser Zimmer. Wir hatten immer eins zusammen, aber manchmal dachte ich, jetzt, da wir größer werden, sollte jede von uns ein eigenes Appartement haben. Ich wartete darauf, daß Bersaba diesen Vorschlag machte, und vielleicht wartete sie darauf, daß ich es tat. Aber nachdem keiner von uns etwas unternahm, wohnten wir eben weiter in ein und demselben Zimmer.
Unsere Mutter wirkte ziemlich feierlich.
Sie setzte sich in den großen Sessel, um den Bersaba und ich uns früher immer gestritten hatten. Es war ein wunderschöner Sessel, mit geschnitzten Fabeltieren an den Armlehnen. Ich hatte stets ein herrliches Gefühl von Überlegenheit, wenn ich darin saß, aber nachdem Bersaba genauso empfand, hielten wir oft Wettrennen ab, wer zuerst dort war. Nun saß unsere Mutter da und sah uns mit zärtlicher Liebe an, die ich damals noch für selbstverständlich hielt und an die ich mich später mit Wehmut erinnern sollte.
»Siebzehn Jahre«, sagte sie. »Das ist ein Wendepunkt. Jetzt seid ihr keine Kinder mehr. Ist euch das eigentlich bewußt?« Bersaba saß ruhig da, die Hände im Schoß gefaltet. Sie war überhaupt sehr ruhig, was man von mir nicht behaupten konnte. Ich habe mich oft gewundert, warum die Leute uns nicht auseinanderhalten konnten. Obwohl wir uns völlig gleichsahen, waren wir so verschieden, daß man uns an unseren unterschiedlichen Charakteren hätte erkennen müssen.
»Nächstes Jahr seid ihr achtzehn«, fuhr meine Mutter bedächtig fort. »Die nächste Geburtstagsparty wird anders sein. Ihr werdet erwachsen sein und keine Spiele mehr spielen wie heute.«
»Werden wir dann einen Ball geben?« fragte ich, und meine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung, denn ich liebte es, zu tanzen, und tanzte auch sehr gut.
»Ja, und es werden mehr Leute kommen. Ich habe letztes Mal, als euer Vater zu Hause war, mit ihm darüber gesprochen, und er war einverstanden.«
Ob sie jemals verschiedener Ansicht waren? Darüber nachzudenken war müßig. Ich glaube nicht.
»Aber bis dahin haben wir noch ein ganzes Jahr Zeit«, sagte sie, als ob sie froh darüber wäre. »Noch etwas: In unserer Familie ist es Tradition, daß alle weiblichen Familienmitglieder ihr Tagebuch schreiben. Dieser seltsame Brauch geht lückenlos zurück bis zu eurer Ururgroßmutter, Damask Farland, die damit begonnen hat. Ihr könnt unsere Familiengeschichte an Hand dieser Tagebücher verfolgen. Jetzt, da ihr langsam erwachsen werdet, könnt ihr ihres und das eurer Urgroßmutter Catherine lesen. Ich könnte mir vorstellen, daß sie für euch von größtem Interesse sind.«
»Und das von Großmutter Linnet und deines?« fragte Bersaba.
»Das ist noch zu früh.«
»O wie schade!« rief ich aus, aber Bersaba machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte ernst: »Wenn die Leute wüßten, daß andere das lesen, was sie schreiben, würden sie nicht die Wahrheit schreiben … oder zumindest nicht die ganze Wahrheit.«
Unsere Mutter nickte Bersaba leise lächelnd zu. Bersaba besaß eine gewisse Weisheit, die mir fehlte. Ich sprach immer aus, was mir in den Kopf kam, ohne groß darüber nachzudenken. Bersaba dachte immer erst gründlich nach, bevor sie den Mund aufmachte.
»Warum nicht?« fragte ich. »Wo ist der Witz an einem Tagebuch, wenn man nicht die Wahrheit sagt?«
»Manche Menschen sehen die Wahrheit so, wie sie sie haben möchten«, antwortete Bersaba.
»Wie kann es dann die Wahrheit sein?«
»Für sie ist es die Wahrheit, weil es das ist, was sie glauben oder empfinden. Und wenn sie für Leute schreiben, die dabei waren, worüber sie gerade berichten, erzählen sie eben ihre Version von dem Erlebten.«
»Auch darin liegt eine gewisse Wahrheit«, sagte meine Mutter. »Euer Tagebuch ist euer Geheimnis. Das muß so sein. Erst viele Jahre später wird es ein Teil des Familienbesitzes sein.«
»Wenn wir tot sind«, sagte ich, und mir lief eine Gänsehaut über den Rücken, denn ich dachte an all die Generationen, die über mein Leben lesen würden. Ich hoffte nur, es würde der Mühe wert sein, gelesen zu werden.
»Jetzt, da ihr langsam erwachsen werdet, schlage ich vor, ihr beginnt euer Tagebuch«, fuhr Mutter fort. »Morgen werde ich jeder von euch ein Tagebuch und einen Schreibtisch geben, in dem ihr es einschließen könnt, nachdem ihr eure Eintragungen gemacht habt. Sie sollen euer ureigenster Besitz sein.«
»Schreibst du auch immer noch an deinem Tagebuch, Mutter?« fragte Bersaba.
Sie lächelte freundlich. »Ja, manchmal. Früher habe ich ziemlich viel geschrieben. Das war, bevor ich euren Vater geheiratet habe. Damals hatte ich eine Menge zu schreiben.« Ihre Miene wurde ernst, ich wußte, sie dachte an den schrecklichen und geheimnisvollen Tod ihrer Mutter. »Jetzt schreibe ich nur noch selten. Es gibt nichts Dramatisches zu berichten. Das Leben ist in den letzten Jahren glücklich und friedlich gewesen, aber Glück und Frieden haben einen Nachteil – man kann nicht viel darüber schreiben. Ich hoffe, ihr werdet nur glückliche Dinge in euren Tagebüchern zu berichten wissen. Aber schreibt trotzdem, schreibt über die glücklichen, alltäglichen Begebenheiten eures Lebens.«
»Ich kann es kaum mehr erwarten, damit anzufangen«, rief ich. »Schon morgen beginne ich, ich werde alles von heute erzählen – unserem siebzehnten Geburtstag.«
»Und was ist mit dir, Bersaba?« fragte meine Mutter.
»Ich werde zu schreiben anfangen, wenn ich etwas Interessantes erlebt habe«, antwortete meine Schwester.
Meine Mutter nickte. »Ach, übrigens, es wird Zeit, daß wir euren Großvater wieder einmal besuchen. Wir werden nächste Woche reisen, ihr habt also noch genügend Zeit, euch darauf vorzubereiten.«
Sie gab uns einen Kuß und ließ uns allein.
Am nächsten Tag erhielten wir unsere Schreibtische und Tagebücher – und ich begann mit obenstehendem Bericht.
Es war nichts Ungewöhnliches daran, daß wir unseren Großvater in Schloß Paling besuchten. Das taten wir mehrmals im Jahr. Das Schloß liegt nicht weit von uns entfernt, nur ein paar Meilen weiter an der Küste. Wenn wir dahin aufbrachen, war ich immer aufgeregt. Schloß Paling war eigentlich ein Spukschloß; schreckliche Dinge hatten sich dort vor nicht allzulanger Zeit zugetragen. Meine Mutter hatte so etwas angedeutet, und sie mußte es wissen, sie hatte ihre Kindheit dort verbracht. Ihre Mutter – unsere Großmutter Linnet Casvellyn – war dort auf mysteriöse Art und Weise ums Leben gekommen. Ich glaube, sie ist ermordet worden, obwohl das nie jemand zugegeben hat. Unser Großvater lebt noch. Ein seltsamer Einsiedler, in seinem aufs Meer blickenden Turm, seinen Mitmenschen und besonders sich selbst eine ständige Prüfung. Onkel Connell und Tante Melanie lebten mit ihren vier Kindern in einem anderen Flügel des Schlosses. Sie wären eine ganz normale Familie gewesen, hätten nicht die extremen Kontraste zwischen der Gelassenheit meiner Tante Melanie und der Leidenschaftlichkeit meines Großvaters eine geradezu bedrohliche Atmosphäre geschaffen.
Da Schloß Paling nur fünf Meilen vom Meer entfernt liegt ist die Nähe des Meeres eine der Attraktionen des Schlosses. Selbst innerhalb seiner dicken Mauern kann man das Rauschen der Wellen hören, besonders wenn die See stürmisch ist. Damit verglichen, schien unser Haus unendlich friedlich. Und für ein siebzehnjähriges, abenteuerlustiges Mädchen kann Friede gleichbedeutend sein mit Langeweile.
Unser Haus war ein schönes Haus, obwohl ich das erst bemerkte, als ich wegging. Die alte Propstei wurde zerstört, als die Klöster aufgelöst wurden, und unser Haus ist an derselben Stelle, mit den alten Steinen, wieder aufgebaut worden. Da es zu Zeiten von Königin Elizabeth erbaut worden ist, hatte man es – als Kompliment für die Königin und weil es zur Bauweise der damaligen Zeit gehörte – in der Form eines großen E errichtet. Es war voller geheimnisvoller Nischen und Gänge, mit Speise- und Geschirrkammern und einer schönen alten Küche. Besonders das Grundstück war herrlich. Es gab einen Rosengarten, einen großen Park mit einem Weiher, einen Küchen- und einen Kräutergarten. Meine Mutter kümmerte sich hauptsächlich darum, wie sie sich eigentlich um alles im Hause kümmerte, weil es das Heim ihrer heißgeliebten Familie war. Das merkte man besonders nach einem Besuch auf Schloß Paling, wo einen trotz Melanie – die ganz anders war als meine Mutter – das Gefühl von lauernder Gefahr nie verließ.
Bersaba spürte das genauso wie ich, aber es hatte unterschiedlichen Einfluß auf uns, was für unsere Charaktere bezeichnend war.
Am Tag nach unserem siebzehnten Geburtstag fragte ich Bersaba, ob sie sich freue, daß wir in der darauffolgenden Woche nach Schloß Paling reisen würden. Wir befanden uns gerade im Schulzimmer, wo uns unsere Gouvernante allein gelassen hatte, damit wir unsere Hausaufgaben machen konnten.
Sie zuckte mit den Schultern, senkte ihren Blick und biß sich mit den Vorderzähnen auf die Unterlippe. Ich kannte sie und ihre Angewohnheiten so gut, daß ich sofort wußte, sie war irgendwie beunruhigt. Vielleicht waren es aber auch nur gemischte Gefühle, denn es gab eine Menge Dinge, die sie an Schloß Paling haßte. Aber eines liebte sie: unseren Cousin Bastian.
»Ich möchte wissen, wie lange wir bleiben werden.«
»Höchstens eine Woche«, antwortete sie. »Du weißt ganz genau, Mutter haßt es, zu lange von zu Hause weg zu sein, aus Angst, Vater könnte in ihrer Abwesenheit zurückkommen, und sie wäre nicht da, ihn zu begrüßen.«
Unser Vater war oft fort, manchmal sogar monatelang. Er hatte eine Menge mit der East India Company zu tun, ein zu Beginn blühendes Unternehmen, das sein Vater unter anderem mit gegründet hatte. Jetzt, im Jahre 1639, war die Gesellschaft nicht mehr ganz so erfolgreich, aber für einen Mann wie meinen Vater war dies eine Herausforderung. Viele Leute, die etwas mit der Company zu tun hatten, besuchten uns in Trystan Priory. Immer gab es Anlaß, darüber zu diskutieren. Im Augenblick wurde viel von der neuen Niederlassung geredet, die die Gesellschaft am Ufer des Hooghly Rivers in Indien gründen wollte.
»Fennimore wird uns benachrichtigen, sobald das Schiff in Sicht ist«, erinnerte ich sie.
»Ja, schon, aber sie ist lieber hier.«
»Ich nehme meinen neuen Muff mit«, verkündete ich stolz.
»Einen Muff, im Sommer – du bist verrückt!« sagte Bersaba. Ich war niedergeschlagen. Der Muff war ein Geburtstagsgeschenk gewesen. Ich hatte ihn mir gewünscht, weil ich gehört hatte, daß die Damen an König Charles’ Hof jetzt Muff trugen, was bedeutete, daß es große Mode war.
»Abgesehen davon, wo würdest du auf Schloß Paling schon einen Muff tragen? Ich nehme lieber meinen Zeichenblock mit«, sagte Bersaba.
Bersaba zog sich ein Blatt Papier heran und begann zu zeichnen. Das konnte sie sehr gut; mit wenigen Strichen gab sie ihre Eindrücke wieder. Zum Beispiel das Meer mit den Teufelszähnen, diesen düsteren, gefährlichen Felsen. Man hatte beinahe das Gefühl, auf Schloß Paling zu sein und aus einem der Turmfenster zu schauen.
Jetzt fing sie an, Großvater Casvellyn zu zeichnen. Was für ein furchterregender Mann er doch gewesen sein mußte, als er noch gehen konnte. Später wirkte er etwas pathetisch, weil er immer so grimmig dreinschaute. Dabei war er gelähmt und lag meistens auf der Couch oder saß in seinem Rollstuhl. Seit zwölf Jahren schon war er gelähmt, und uns schien, als hätte er schon immer in seinem Rollstuhl gesessen. Wie der Fliegende Holländer! Aber statt über das Meer zu segeln, war er dazu verdammt, seine schrecklichen Sünden in seinem Stuhl sitzend abzubüßen.
»Ich freue mich schon, unsere Vettern wiederzusehen«, sagte ich hinterhältig.
Bersaba zeichnete weiter, aber ich wußte, sie dachte an Bastian. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und sah Tante Melanie erstaunlich ähnlich, war nett und freundlich und hatte nie diese gönnerhafte Haltung angenommen, die ältere Leute jüngeren gegenüber oft an den Tag legen. Unser Bruder Fennimore übrigens auch nicht. Mutter hätte das in unserem Haus auch nicht gestattet, aber Schloß Paling war anders. Ich glaube, Bastian mußte Bersaba bei irgendeiner Gelegenheit einmal vorgezogen haben, womit er ihre Zuneigung gewonnen hatte; denn sie reagierte spontan auf jede Art von Anerkennung.
Wir hatten drei Cousinen, Melder, die älteste, war schon sechsundzwanzig und einer Heirat abgeneigt. Sie liebte alles, was mit dem Haushalt zu tun hatte, und war die einzige, die gut mit Großvater auskam. Vor allem, weil sie ruhig blieb, wenn er sie und alles um sich herum verfluchte, und in aller Ruhe fortfuhr, das zu tun, womit sie gerade beschäftigt war. Danach kam Rozen, sie war neunzehn, und Gwenifer, siebzehn Jahre alt.
Nachdem die Schwester meines Vaters, Tante Melanie, den Bruder meiner Mutter, Onkel Connell, geheiratet hatte, bestand zwischen uns eine doppelte Verbindung. Aber vielleicht war das auch Tante Melanies Verdienst, die eine sehr häusliche, familienbewußte Frau war – genau wie meine Mutter. Beide waren der Ansicht, daß Familien zusammenhalten müssen.
Bersaba fing jetzt an, Bastian zu zeichnen.
»So hübsch ist er gar nicht«, protestierte ich.
Sie wurde rot und zerriß das Papier in zwei Hälften.
Sie liebt Bastian wirklich, dachte ich im stillen, aber im nächsten Moment hatte ich es wieder vergessen.
Eine Woche später machten wir uns auf den Weg nach Schloß Paling; meine Mutter, Bersaba und ich, drei Reitknechte und zwei Dienstmädchen. Eigentlich brauchten wir keine Dienstboten, denn auf Paling gab es genügend, aber die Straßen waren nicht sicher, und die Diener beschützten uns. Mein Vater hatte deshalb meiner Mutter das Versprechen abgenommen, niemals ohne Begleitung auszureiten. Obwohl wir die Straße zwischen Trystan Priory und Schloß Paling sehr gut kannten, fügte sie sich seinen Wünschen.
Bersaba sah hübsch aus an jenem Morgen. Der Juni ist ein wunderschöner Monat. Die Hecken waren voller wilder Rosen, und üppig blühender Ginster leuchtete in den Niederungen. Auf den Feldern kam schon der rote Sauerampfer zum Vorschein. Bersaba trug ihren dunkelroten Rock, den wir immer zum Reiten anzogen, und ich hatte einen blauen an. Auch wenn wir uns gleich anzogen, trugen wir doch nicht immer dieselben Farben. Das machte uns manchmal Spaß, weil wir gerne Leute an der Nase herumführten. Ich konnte Bersaba sehr gut nachmachen, und sie mich. Wir übten es regelrecht, und eine der großen Freuden unserer Kindheit war, Leute auf diese Weise hinters Licht zu führen. Wir konnten uns bis zur Hysterie amüsieren, wenn jemand zu ihr sagte: »Also wirklich, Miß Angelet, es hat keinen Zweck, so zu tun, als wärt Ihr Miß Bersaba. Ich erkenne Euch doch.«
»Das verleiht uns eine gewisse Macht«, sagte ich damals zu Bersaba. Manchmal, in gewissen Situationen, hat uns das schon sehr geholfen. Also an jenem Tag trug sie ihren roten Rock und ich meinen blauen. Wir hatten dazu passende Umhänge und weiche braune Stiefel. Auf dieser Reise bestand also keine Gefahr, uns zu verwechseln, aber in Paling würden wir ab und zu gleiche Kleider anziehen und uns darüber freuen, die Leute hereinzulegen.
Wir ritten links und rechts von unserer Mutter. Sie war ein wenig nachdenklich. Wahrscheinlich dachte sie an unseren Vater und wo er sich in diesem Moment wohl aufhielt. Sie war immer ängstlich. So viele Gefahren drohten auf hoher See, und wir waren nie sicher, ob er wiederkehren würde.
Als ich dies ihr gegenüber einmal aussprach, sagte sie, wenn sie nicht so viele Ängste auszustehen hätte, würde sie sich nicht so freuen, wenn mein Vater endlich wieder nach Hause käme. Wir sollten immer daran denken, daß das Leben aus Licht- und Schattenseiten bestehe, und je dunkler der Schatten, um so heller das Licht. Meine Mutter war eine Philosophin und versuchte uns begreiflich zu machen, daß wir das Leben so nehmen müßten, wie es war. Sie glaubte, eine derartige Haltung wirke im Falle eines Unglücks wie ein Kissen.
Wären mein Vater und mein Bruder mit uns nach Schloß Paling geritten, wäre Mutter vollkommen glücklich gewesen. Ich dachte zärtlich an sie und fing an zu singen und Gott zu danken, daß er sie mir geschenkt hatte:
»Nimm unser Leben mit Hey und mit Ho, einem Hey nonnyno, der Frühling krönt die Liebe … «
Meine Mutter lächelte mich an, als wüßte sie, was ich dachte, fiel in den Gesang mit ein und forderte die Diener auf, es ihr gleichzutun. Abwechselnd sangen wir die erste Zeile eines Liedes unserer Wahl, und die anderen stimmten ein. Als die Reihe an Bersaba kam, sang sie, ganz allein, Ophelias Lied:
»Wie soll ich dein Feinsliebchen von einem anderen erkennen? An seinem Hut, seinem Stock, an seinen Wanderschuhen.
Er ist tot und dahin, Lady, tot und dahin; Zu seinem Haupte ein grüner Rasen, zu seinen Füßen ein Stein.«
Bersaba hatte eine seltsam eindringliche Stimme, und als sie diese Worte sang, stellte ich mir vor, wie sie ertrunken im Fluß lag, ihr langes Haar auf dem Wasser treibend, ihr Gesicht weiß und tot. Bersaba hatte schon immer etwas Seltsames an sich, etwas, das ich nicht verstand, auch wenn die Leute noch so oft sagten, sie sei ein Teil von mir. Sie hatte eine Art, sich niemals einzumischen, und trotzdem konnte sie die Stimmung aller verändern.
Sie hatte es fertiggebracht, daß wir den Junimorgen vergaßen, die Sonne, die Blumen, die Lebensfreude, weil sie uns an den Tod erinnerte. Wir hörten auf zu singen und ritten schweigend weiter, bis das Schloß in unser Blickfeld rückte.
Der Granit glitzerte in der Sonne wie tausend Diamanten. Es war ein beeindruckender Anblick, der nie seine Wirkung auf mich verfehlte. Herausfordernd, kühn und arrogant, erschien mir das Schloß immer wie etwas Lebendiges, und jedesmal war ich stolz darauf. Unser Haus machte einen viel freundlicheren Eindruck, obwohl die Steine, aus denen es erbaut worden war, genauso alt waren wie die des Schlosses – oder fast so alt. Trystan Priory schien freundlich und anheimelnd, verglichen mit Schloß Paling. Seine vier Türme zeugten von der ehemaligen Festung, die sechs Jahrhunderte uneinnehmbar geblieben war. Erbaut zur Zeit von Wilhelm dem Eroberer, waren im Laufe der Jahrhunderte immer neue Trakte dazugekommen. Jedesmal, wenn ich es wiedersah, wurde meine Phantasie angeregt, und ich sah die Verteidiger des Schlosses, wie sie Öl und Pfeile auf ihre Feinde hinunterprasseln ließen, die es stürmen wollten. Auf einer schweren eisenbeschlagenen Eichentür am Pförtnerhaus waren heute noch Spuren zu sehen, die von Mauerbrechern stammten.
Wir näherten uns dem Schloß von Westen, deshalb konnten wir zwei der vier Türme nicht sehen – Ysellas Turm, in dem es spuken sollte, und den, der über das Meer blickte, in dem Großvater Casvellyn sein Unwesen trieb.
Ich warf meiner Mutter einen Blick zu. Sie war ernst geworden, und ich fragte mich, was sie wohl beim Anblick des Schlosses dachte. Eines Tages würde ich in diesem Schloß über ihr Leben lesen, das früher unglücklich und voller Abenteuer gewesen war. Das mußte auch der Grund dafür sein, daß sie jetzt so zufrieden war.
Auch Bersabas Miene hatte sich verändert. Sie hatte ein klargeschnittenes Profil, hohe Backenknochen und mandelförmige Augen mit goldenen Wimpern. Ich sah sie oft an und dachte, wenn ich sie beschreibe, beschreibe ich auch mich, denn ich sehe genauso aus. Nur durch den Ausdruck vermochte man unsere Gesichter zu unterscheiden. Unsere Mutter hatte einmal gesagt: »Wenn ihr älter werdet, werdet ihr euch weniger ähnlich sehen. Erfahrungen verändern ein Gesicht, und es ist kaum zu erwarten, daß ihr die gleichen macht.«
Vielleicht sehen wir uns schon jetzt nicht mehr ähnlich, dachte ich; denn Bersaba hatte sich verändert, seit wir auf Schloß Paling waren. Sie entfernte sich von uns, und ich hatte das Gefühl, dort gelang ihr, was sie immer versuchte – sie löste sich von mir. Es hat Zeiten gegeben, da wußte ich immer, was sie dachte, aber jetzt schloß sie mich aus. Ich habe mich oft gefragt, warum das ausgerechnet auf Schloß Paling so war.
Als wir über die Falltür in den Hof ritten, hörte ich Bozens Stimme rufen: »Sie sind da!«
Und dann kamen Tante Melanie, Melder und Gwenifer aus einer Seitentür des Schlosses gelaufen, und es folgte das übliche Durcheinander der Begrüßung, während unsere Pferde von den Reitknechten weggeführt wurden und die Dienstboten sich des Gepäcks annahmen.
Dann schritten wir durch die ehemalige Wachstube in die große Halle, an deren Steinmauern Hellebarden und Lanzen über Kreuz hingen sowie etliche Eisenrüstungen von unseren Vorfahren.
»Kommt erst ins Wohnzimmer«, sagte Tante Melanie, »und nehmt eine kleine Erfrischung. Dann könnt ihr auf eure Zimmer gehen. Schön, euch alle wiederzusehen! Die Zwillinge sehen gut aus.« Sie lächelte uns an, und ich sah ganz genau, daß sie nicht wußte, welche von uns wer war.
Wein und Kuchen standen in dem Zimmer bereit, das Tante Melanie ähnlich wie die in Trystan Priory eingerichtet hatte. Wenn ich die beiden zusammen sah, beschäftigte mich immer der Gedanke, daß Tante Melanies jetziges Zuhause früher das meiner Mutter war, und umgekehrt.
Wir schienen alle gleichzeitig zu sprechen, wie bei jedem Wiedersehen.
Anschließend begaben wir uns in unsere Zimmer. Bersaba und ich teilten uns eins, und Rozen und Gwenifer kamen und halfen uns beim Auspacken. Gwenifer erzählte viel von den Bällen, auf denen sie in der letzten Saison war. Obwohl sie noch nicht ganz achtzehn war, durfte sie, zusammen mit ihrer älteren Schwester, bereits ausgehen. Rozen glaubte, daß George Kroll um sie anhalten würde, und obwohl dies keine glänzende Partie war, wäre es doch immerhin eine, über die nachzudenken sich lohnte.
»Es gibt hier so wenig Menschen«, schmollte sie. »Ich wünschte, wir wären bei Hof!«
Bei Hof! Das Wort allein versetzte uns in Träume. Bälle, Bankette, glanzvolle Staatsempfänge, elegante Kleider und kostbare Pelze.
Rozen trug eine lockige Ponyfrisur, die wir alle bewunderten, und sie erzählte uns, sie hätte gehört, Königin Henrietta Maria hätte diese Frisur zur neuesten Mode gekürt. Rozen war fröhlich und mochte George Kroll eigentlich sehr gerne, obwohl er nicht ganz dem Galan entsprach, den sie sich erträumt hatte.
»Eine Menge Schwierigkeiten brauen sich in Hofkreisen zusammen«, sagte Bersaba.
Alle sahen sie erstaunt an. Das war typisch Bersaba, mit etwas Ernstem herauszuplatzen, wenn wir uns nur amüsieren wollten.
»Vater, macht sich wegen der Schiffssteuern Sorgen«, fuhr sie fort.
»Schiffssteuern!« rief Rozen bestürzt. »Wir reden über die neueste Mode.«
»Meine liebe Cousine«, sagte Bersaba in überlegenem Ton, »wenn es Schwierigkeiten gibt zwischen dem König und seinem Parlament, gibt es auch keine neueste Mode mehr.«
»Wer von euch beiden bist du denn?« fragte Rozen ärgerlich. »Sicherlich Bersaba.«
»Natürlich«, antwortete ich an ihrer Stelle.
»Bitte, Angelet, mach, daß sie den Mund hält.«
Ich verschränkte meine Arme und lächelte meine Zwillingsschwester an. »Ich habe keine Macht über sie.«
»Es ist dumm, den Tatsachen nicht ins Auge zu schauen«, sagte Bersaba beleidigt. »Angelet, du weißt ganz genau, daß alle Leute, die Vater besuchen kommen, beunruhigt sind.«
»Sie sind immer beunruhigt«, sagte Gwenifer. »Die Leute von der East India Company beklagen sich ständig über irgendwas.«
»Sie leisten hervorragende Arbeit für unser Land«, unterstützte ich meine Zwillingsschwester.
»Ach, ihr zwei und eure Eltern mit dem Heiligenschein!«
sagte Gwenifer. »Laßt uns über etwas Interessantes reden.«
»George Kroll wird also um Rozen anhalten?« fragte ich.
»Das ist schon so gut wie sicher«, erwiderte Rozen. »Und Vater wird ja sagen, denn die Krolls sind eine gute Familie. Mutter wird zustimmen, weil sie glaubt, George wird ein guter Ehemann.«
»Damit haben wir einen weniger auf der Liste«, bemerkte Bersaba lakonisch.
»Wie kann man darüber nur so reden!« rief ich aus.
»Es stimmt doch«, beharrte Bersaba. »Wir kommen auch bald an die Reihe.«
»Ich werde mir meinen Mann schon alleine aussuchen«, sagte ich bestimmt.
»Ich auch«, antwortete Bersaba.
Wir sprachen also über Bälle, und unsere Kusinen schauten sich unsere Kleider an. Die Konversation bewegte sich weiter auf heiterer Ebene, was mir Spaß machte, aber Bersaba fand es ziemlich öde. Sie zog sich in ihr Schweigen zurück, was uns besonders rasend machen konnte, weil es so aussah, als verachte sie uns.
Wir dinierten alle zusammen in der großen Halle, eine große Gesellschaft von neun Personen. Auch Bastian und Onkel Connell, die draußen die Felder besichtigt hatten, waren am späten Nachmittag heimgekommen.
Als wir uns umzogen, schlug ich Bersaba vor: »Laß uns heute abend unsere blauen Kleider anziehen.«
Sie zögerte, dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. »Wie du willst.«
»Wir könnten eine Menge Spaß haben«, sagte ich. »Du tust so, als wärst du ich – und umgekehrt.«
»Ein paar von ihnen kennen den Unterschied.«
»Wer?«
»Mutter, zum Beispiel.«
»Mutter kennt uns natürlich auseinander.«
Wir zogen also unsere blauen Kleider an, mit den mit Korsettstangen versehenen Leibchen, den blauen Schärpen und den geschlitzten Röcken, unter denen man unsere Satinunterröcke sehen konnte. Wir hatten sie letztes Jahr bekommen, und obwohl sie bereits damals nicht mehr der neuesten Mode entsprachen, standen sie uns doch sehr gut.
»Wir stecken uns die Haare hoch«, schlug Bersaba vor. »Alle sagen, man trägt sie nicht mehr so.«
»Aber es sieht gut aus zu unseren hohen Stirnen«, gab sie zu bedenken, und damit hatte sie recht.
Wir standen Seite an Seite und lachten über unser Spiegelbild. Obwohl wir an unsere Ähnlichkeit gewöhnt waren, amüsierte sie uns doch von Zeit zu Zeit.
Unten in der Halle küßte uns Onkel Connell herzlich. Er gehörte zu den Männern, die Frauen immer mögen, ob alt oder jung, dick oder dünn. Er war groß und stark, ein bißchen wie Großvater Casvellyn. Man bekam eine Vorstellung, wie Großvater in seiner Jugend gewesen sein mußte. Trotzdem hatte man manchmal das Gefühl, daß sogar er vor Großvater Angst hatte. Und das war der Unterschied zwischen den beiden, denn Großvater hatte vor niemandem Angst. Connell hielt uns eng umschlungen und herzte und küßte uns. Er legte eine Hand unter mein Kinn und fragte: »Welche bist jetzt du?«
»Ich bin Angel«, antwortete ich.
»Na, ein Engel scheinst du nicht gerade zu sein.«
Alle lachten.
»Und du bist Bersaba, eh? Komm, gib deinem Onkel einen Kuß.«
Bersaba zögerte, deshalb gab Onkel Connell ihr zwei Küsse, als ob diese Wiederholung es ihr schmackhafter machen würde!
Ich hatte gehört, daß Connell ein richtiger Casvellyn war, der mehrere Mätressen auf dem Land hatte, und daß mehr als einer der Bastarde im Dienstbotenquartier von ihm gezeugt worden waren.
Oft überlegte ich mir, was Tante Melanie wohl dazu sagte. Sie ließ niemals durchblicken, ob es ihr etwas ausmachte. Auch mit Bersaba hatte ich darüber gesprochen, und sie meinte, sie nähme es als etwas Unabwendbares im Leben. Solange es nicht ihren Haushalt und ihre Familie beeinflußte, würde sie eben ein Auge zudrücken.
»Ich würde schon den Mund aufmachen, wenn ich an ihrer Stelle wäre«, erklärte ich. »Du nicht?«
»Ich würde etwas dagegen unternehmen«, antwortete sie. Da erschien Bastian. Ich fand ihn genauso hübsch, wie Bersaba ihn gezeichnet hatte. Er war groß wie sein Vater und die Tatsache, daß er das Aussehen seines Vaters und den Charakter seiner Mutter geerbt hatte, machte ihn irgendwie interessant.
Er blickte von Bersaba zu mir und wieder zurück. Bersaba mußte lachen und sagte: »Ich bin Bersaba.« Da küßte er sie als erste und dann mich.
Onkel Connell bat zu Tisch, und wir setzten uns. Er nahm am Kopfende der langen Tafel Platz, und meine Mutter und Melder setzten sich ihm zur Seite. Bersaba und ich ließen uns rechts und links von Tante Melanie nieder und Bastian neben Bersaba.
Hauptsächlich wurde über Landwirtschaft und Geschäfte gesprochen und alles, was es auf einem Gut so zu tun gab. Meine Mutter erwähnte die wachsenden Schwierigkeiten, mit denen die East India Company konfrontiert wurde, und die, wie sie hoffte, gemeistert würden, sobald die Niederlassung in Indien errichtet sein würde.
Bastian sagte: »Überall gibt es Schwierigkeiten. Die Leute scheinen sie bloß nicht zu bemerken. Sie schließen einfach die Augen. Aber eines Tages werden uns die Probleme über den Kopf wachsen.«
»Bastian ist ein richtiger Jeremias«, sagte Rozen.
»Es gibt nichts Dümmeres, als seine Augen vor Tatsachen zu verschließen, nur weil sie unangenehm sind«, gab ihm Bersaba recht und stellte sich damit auf Bastians Seite. Er lächelte sie vielsagend an, und sie errötete vor Freude.
»Der König und seine Minister liegen sich in den Haaren«, fing Bastian an.
»Mein lieber Sohn«, fiel sein Vater ihm ins Wort, »solange es Könige und Minister gibt, liegen sie sich in den Haaren.«
»Welcher andere König noch hat sein Parlament verabschiedet und regiert ohne einen einzigen Minister? Und das schon seit zehn Jahren!«
»Wir haben den Unterschied gar nicht bemerkt«, lachte Onkel Connell.
»Das wird schon noch kommen«, erwiderte Bastian. »Der König glaubt, er sei Regent von Gottes Gnaden. Es gibt Menschen, die da nicht mit ihm übereinstimmen.«
»Könige … Parlamente«, sagte Onkel Connell, »sie haben alle nur ein Interesse, nämlich Steuern und nochmals Steuern zu kassieren, um ihre Tollheiten bezahlen zu können.«
»Als Buckingham ermordet wurde, habe ich gedacht, das würde die Lage ändern«, sagte meine Mutter.
»Nein«, antwortete Bastian, »der König muß sich ändern.«
»Und wird er das?« fragte Bersaba.
»Er muß … oder er wird gestürzt«, antwortete Bastian. »Kein König kann lange ohne das Wohlwollen seiner Untertanen regieren.«
»Armer Mann«, meinte meine Mutter, »wie traurig sein Leben sein muß.«
Onkel Connell lachte. »Meine liebe Tamsyn, der König schert sich wenig um den Beifall seines Volkes. Er schert sich nicht einmal um die Meinungen seiner Minister. Er ist vollkommen davon überzeugt, im Recht und von Gott gelenkt zu sein. Wer weiß, vielleicht ist er es auch.«
»Wenigstens scheint sein Familienleben jetzt glücklicher zu sein«, sagte Tante Melanie. »Ich glaube, am Anfang war er alles andere als glücklich. Er ist ein guter Mensch und ein guter Vater, was immer er als König sein mag.«
»Es sollte ihm wichtiger sein, ein guter König zu sein«, murmelte Bastian.
»Man sagt, die Königin sei vergnügungssüchtig. Sie liebt Tanz und elegante Kleider«, bemerkte Rozen.
»Und sich in fremde Dinge zu mischen«, fügte Bastian hinzu.
»Immerhin ist sie die Königin«, sagte ich.
»Armes Kind«, sagte meine Mutter, »es muß schlimm sein, mit sechzehn aus dem Haus geschickt zu werden. Jünger als ihr Zwillinge seid.« Sie lächelte uns an. »Stellt euch das nur einmal vor: In ein fremdes Land, zu einem fremden Ehemann … Und sie ist Katholikin, während der König aus einem protestantischen Land stammt. Kein Wunder, daß es Zwietracht und Mißverständnisse zwischen ihnen gegeben hat. Wenn sie sich jetzt endlich verstehen, sollten wir Gott für ihr Glück danken.«
»Das tue ich von ganzem Herzen«, wurde sie von Melanie unterstützt.
»Sie werden nie ihr Glück finden, solange der König nicht auf seine Minister hört und wir wieder ein Parlament haben, das unsere Gesetze macht«, sagte Bastian.
»Wir sind so weit vom Hof entfernt«, sagte Melanie, »was immer dort geschieht, uns berührt es kaum. Wir erfahren es doch erst Monate später.«
»Es ist wie das Kräuseln der Wellen«, erinnerte uns Bastian.
»Irgendwann erreichen sie das Ufer doch.«
»Wie geht es Großvater Casvellyn?« wechselte meine Mutter das Thema.
»Wie gewöhnlich«, sagte Melanie. »Er weiß, daß ihr da seid. Ich schlage vor, wenn ihr fertiggegessen habt, geht ihr zu ihm. Sonst beschwert er sich wieder, daß ihr euch nicht um ihn kümmert.«
Meine Mutter nickte und lächelte.
»Melder wird mit euch hinaufgehen und darauf achten, daß ihr nicht zu lange bleibt.«
»Er hat heute seinen zänkischen Tag«, sagte Melder.
»Hat er den nicht immer?« fragte Connell.
»Heute ist er besonders schlimm«, antwortete Melder. »Aber er wird sich freuen, euch zu sehen.«
Ich lächelte vor mich hin, Bersaba auch. Keine von uns konnte sich erinnern, daß Großvater jemals Freude über unsere Anwesenheit gezeigt hätte.
Bersaba, Mutter und ich gingen mit Melder hinaus. Als wir durch den engen Gang zu Nonnas Turm am Meer schritten, fühlte ich, daß jemand meine Hand nahm. Bastian ging neben mir. Der Druck seiner Finger schien etwas zu bedeuten.
Großvater Casvellyn blickte uns finster entgegen. Obwohl ich auf ihn vorbereitet war und wußte, wie er aussah, verspürte ich immer einen kleinen Schock, wenn ich ihm gegenübertrat. Seine Beine waren unter einer Decke versteckt. Verkrüppelt, wie sie waren, wären sie sicherlich kein schöner Anblick gewesen. Seine Schultern waren breit; von der Taille aufwärts sah er stark und kräftig aus. Oft habe ich mir gedacht, wenn er klein wäre, wäre das alles gar nicht so schlimm. Er hatte einen durchdringenden Blick, und seine Augen schienen aus dem Kopf zu treten, als ob er uns verschlingen wollte. Nie werde ich die Nacht vergessen, als er in einem Boot hinausgerudert war – einem starken und schönen Boot – und sich in den Teufelszähnen verfing, die aus ihm den Mann machten, der er heute war.
Er vollführte mit seinem Rollstuhl eine Kehrtwendung und fuhr auf uns zu.
»Da seid ihr ja«, sagte er und sah meine Mutter an.
»Ja, Vater.« Sie schien sich nicht ein bißchen vor ihm zu fürchten, was mich bei der sanftmütigen und friedliebenden Frau immer wieder verblüffte. Mir schoß ein Gedanke durch den Kopf: Vielleicht weiß sie etwas … etwas, wovon ihm lieber wäre, daß sie es nicht wüßte, und das ihr Macht über ihn gab. Wie ich unsere Mutter kannte, würde sie diese Macht nur soweit ausnützen, daß sie keine Angst vor ihm hatte.
»Und das sind deine Mädels. Wo ist dein Sohn?«
»Er hat zu Hause zu tun. Sein Vater kann jeden Tag zurückkehren. Jemand muß da sein, um ihn zu begrüßen.«
Ein höhnisches Lächeln erschien auf seinen Lippen: »Wieder nach Ostindien unterwegs, was?«
»Aber natürlich«, sagte meine Mutter gelassen.
»Und das sind die beiden Mädchen … gleich zwei auf einmal … wie ein Paar Stiefel unter dem Bett. Das sieht dir ähnlich, zwei Mädchen in die Welt zu setzen. Wir brauchen Söhne! Und dein Bruder hier hat auch nur Mädchen und einen einzigen Sohn. Nach so vielen Ehejahren!«
»Es scheint in der Familie zu liegen. Auch du hattest nur einen Sohn, Vater, du kannst dich also nicht über Connell beschweren.«
»Weil unsere Frauen uns im Stich lassen.«
»Du hast keinen Grund, unzufrieden zu sein: Melanie ist dir eine gute Tochter, und Melder versorgt dich ausgezeichnet.«
»Ja, natürlich, ich muß mich in meinem eigenen Haus für eure Gnade bedanken. Ich muß dankbar sein, daß ich unter meinem eigenen Dach leben darf. Warum stehen diese Mädchen wie Strohpuppen herum? Kommt her und laßt euch anschauen!«
Mutter zog uns vorwärts.
»Müssen sie deine Hand halten, wenn sie sich in die Höhle des Löwen wagen?« brüllte Großvater. »Kommt mir nicht zu nahe, Kinder, ich könnte euch fressen!«
Dabei waren wir ihm schon erschreckend nahe. Seine Augenbrauen waren dicht und buschig und die Augen darunter stechend. Er streckte eine Hand aus und erwischte mich am Arm.
»Welche bist du?«
»Angelet«, antwortete ich schüchtern.
»Und die da?«
»Bersaba.«
»Ausländische Namen!«
»Schöne alte Namen aus Cornwall«, sagte meine Mutter.
»Eine ist nach den Engeln benannt und die andere nach einer Weibsperson, die kein Engel war. Bathseba heißt das Original.« Er war sehr interessiert an alten Namen und ihrem Ursprung und alten Bräuchen. Linnet, seine Frau, stammte aus Devon, und er war stolz auf sein Cornwall-Blut. Er starrte Bersaba von oben bis unten an, als würde er ihre Qualitäten abschätzen. Furchtlos erwiderte diese seinen Blick. Dann versetzte er ihr einen kleinen Schubs und sagte: »Schon bald erwachsen, was? Heirate gut und krieg Söhne!«
»Ich werde mein Bestes tun«, antwortete Bersaba.
Er mochte sie, das konnte man sehen. Sie interessierte ihn mehr als ich. Was mich verwunderte – er bemerkte einen Unterschied zwischen uns, den andere nicht sahen.
»Und laß dir nicht zu viel Zeit. Ich möchte meine Urenkel noch sehen, bevor ich sterbe.«
»Die Zwillinge sind erst siebzehn, Vater«, wendete meine Mutter ein.
Er fing vergnügt an zu lachen und gab Bersaba noch einen Schubs. »Die sind reif genug.«
Bersaba wurde über und über rot.
»Wir bleiben ein paar Tage hier, Vater. Wir kommen dich noch einmal besuchen.«
»Das ist eine der Strafen, wenn man hierherkommt«, sagte mein Großvater. »Man erwartet von euch nicht nur, daß ihr euch mit der Familie amüsiert, nein, ihr müßt euch auch um den alten Menschenfresser kümmern.«
»Einer der Gründe, warum wir überhaupt kommen, ist, um dich zu sehen«, protestierte meine Mutter.
»Eure Mutter hat immer die Konventionen eingehalten«, sagte mein Großvater, »aber ich glaube nicht, daß ihr in ihre Fußstapfen steigt.« Dabei sah er Bersaba an.
Melder sagte: »Also gut, dann gehen wir jetzt hinunter.«
»Ja, natürlich«, schrie mein Großvater, »der Wachhund findet es an der Zeit, daß ihr geht, bevor ich meine Zähne blecke. Eure Kusine Melder ist das schrecklichste Frauenzimmer, das ich kenne. Und widerspenstig! Dieses Weib lehnt sich gegen jeden Mann auf! Sie hat etwas gegen uns, weil sie kein Mann zur Frau begehrt.«
»Also bitte, Vater!« protestierte meine Mutter. »Ich bin überzeugt … «
»Du bist überzeugt? Was dich anbelangt, bin ich nur von einem überzeugt: Du sagst, was du für richtig hältst, ganz egal, ob das der Wahrheit entspricht oder nicht. Diese Kreatur ist ein Witz! Frauen sind auf der Welt, um Männern zu gefallen und fruchtbar zu sein!«
Kein Anzeichen verriet, daß Melder von dieser Tirade verletzt gewesen wäre, er sah sie auch gar nicht an. Sein Blick ruhte auf uns, hauptsächlich auf Bersaba.
Plötzlich fing er an, lauthals zu lachen. Sein Lachen war so furchterregend wie sein Ärger.
Melder hielt die Türe auf.
»Morgen besuchen wir dich wieder«, sagte Mutter, als wäre dies ein durchaus angenehmes Wiedersehen gewesen.
Die Tür schloß sich hinter uns, und Großvater lachte noch immer.
»Mal wieder schlechter Laune«, war der Kommentar meiner Mutter.
»Die hat er jeden Tag«, bemerkte Melder sachlich. »Der Anblick von jungen Mädchen veranlaßt ihn immer zu derartigen Ausbrüchen. Es scheint ein Ausgleich dafür zu sein, daß er sie nicht beschimpfen kann. Es bedeutet nichts … es erleichtert ihn nur.«
»Du mußt morgen nicht mitkommen«, sagte meine Mutter. Innerlich mußte ich lachen. Ich wußte, sein Gerede vor uns über die weiblichen Körperfunktionen störte meine Mutter.
Sie wollte uns, solange sie konnte, vor der Welt beschützen, aber wir waren, wie die meisten Kinder, viel aufgeklärter, als unsere Mutter ahnte. Wie wäre dies auch zu vermeiden gewesen! Wir hörten die Dienstboten darüber reden, wir haben sie zusammen in den Wald gehen sehen, wir wußten, daß Bessie Camus schwanger geworden war und daß Mutter sie mit einem Stallburschen verheiratet hatte. Wir wußten, daß Babys nicht unter dem Wacholderbusch wuchsen und auch nicht vom Klapperstorch gebracht wurden.
Unser eigenes Zuhause, in dem das Leben ruhig verlief und vollkommene Harmonie zwischen unseren Eltern herrschte, war ganz anders als Schloß Paling. Unsere Kusinen wußten noch viel mehr über die Beziehungen zwischen den Geschlechtern als wir. Rozen hat einmal gesagt: »Vater ist seine ganze Ehe hindurch unserer Mutter untreu gewesen. Wenn ein neues Dienstmädchen ins Haus kommt, nimmt er sie sofort unter die Lupe. Er glaubt, als Schloßherr hat er ein Recht auf sie. Wenn er der erste war, sucht er dem Mädchen einen Mann und gibt ihnen eine Hütte; sozusagen als Aussteuer. Darum sind auch so viele Kinder hier unsere Halbbrüder beziehungsweise Halbschwestern.«
Es war schwer für uns, uns mit dieser Lebensart anzufreunden, aber wir wußten, daß diese Dinge eben passierten.
Als wir abends im Bett lagen, versuchte ich mit Bersaba über all dies zu sprechen.
»›Die sind reif genug‹«, äffte ich den Großvater nach. »Großvater sieht in jeder Frau nur eine mögliche Bettgespielin für den Mann.«
»Glaubst du, er ist bereits jenseits von Gut und Böse?«
»Menschen wie er sind das wahrscheinlich nie.«
»Er hat dich die ganze Zeit angestarrt«, erinnerte ich sie.
»Unsinn!«
»Doch, das hat er. Als wäre ich überhaupt nicht vorhanden.«
»Ich will jetzt schlafen«, sagte Bersaba.
»Ich möchte nur wissen, warum er dich so angesehen hat.«
»Hat er gar nicht. Gute Nacht!«
Obwohl ich mich gerne weiter mit ihr unterhalten hätte, gab sie vor zu schlafen.
Zwei Tage gingen ins Land. Wir ritten mit unseren Kusinen aus, manchmal machten wir auch Streifzüge durch das Schloß. Ich ging hinunter ans Meer und suchte am Strand nach Muscheln und Halbedelsteinen. Wir hatten eine beachtliche Kollektion an Rohamethysten, Topasen und interessanten Quarzsteinen, die wir im Laufe der Zeit gefunden hatten.
Ich liebte es, am Strand zu stehen, wenn sich die Wellen tosend brachen und ihre Gischt über mich sprühten. Und ich schrie vor Vergnügen, wenn es mir gerade noch gelang, zurückzuspringen, bevor ich vollkommen durchnäßt wurde.
Ich liebte es auch, mich an die Schloßmauern zu lehnen und ihre Stärke zu bewundern. Die Mauern und das Meer waren für mich wie zwei Gegner: das Werk der Natur und das Werk von Menschenhand. Natürlich war das Meer gewaltiger; es wäre ihm ein leichtes, dieses mächtige Gebäude. wegzuschwemmen; aber selbst dann könnte es das Schloß nicht vollkommen zerstören. Großvater Casvellyn hatte das Meer herausgefordert, und das Meer hatte den Kampf gewonnen – aber nicht vollständig; denn er lebte immer noch in dem dem Meer zugewandten Turm und drohte mit den Fäusten.
Auch Bersaba hatte früher Steine am Strand gesammelt, aber jetzt hatte sie das Interesse daran verloren und fand es nur noch kindisch. Pferde waren ihr lieber – mir auch. Am ersten Tag ritten wir mit unseren Kusinen aus, und es dauerte nicht lange, da bemerkten wir, daß Bersaba nicht mehr bei uns war. Sie liebte es, zu verschwinden. Rozen, Gwenifer sowie zwei Reitknechte waren mit uns gekommen.
Ich sagte: »Entweder sie findet uns wieder, oder sie reitet zurück zum Schloß. Manchmal ist sie lieber alleine.«
Wir machten uns nicht viel Sorgen um sie.
Natürlich hatte ich recht: Sie kam zurück zum Schloß und sagte, sie hätte uns verloren, aber keine Lust gehabt, ihren Ausritt abzubrechen. Sie kannte die Gegend sehr gut und hatte keine Angst vor Räubern, weil sie davon überzeugt war, schneller zu reiten als sie.
»Du weißt, Mutter mag es nicht, wenn wir alleine reiten.«
»Meine liebe Angel, wir werden langsam erwachsen. Vielleicht werden wir bald noch mehr Dinge tun, die Mutter nicht gefallen.«
Sie entglitt mir. Das unsichtbare Band, das uns zusammenhielt, war dem Zerreißen nah. Sie war mir eine Fremde, ein Geheimnis geworden. Eines Tages, dachte ich, werden wir nur noch ganz gewöhnliche Geschwister sein.
Am nächsten Tag, als wir wieder ausreiten wollten, erwischte ich irrtümlich ihr Reitkleid und entdeckte Farnkraut und Schlammspuren daran.
»Wahrscheinlich ist sie gestürzt«, dachte ich.
Als sie mich sah, starrte sie ihren Rock an.
»Schau her!« rief ich. »Was ist passiert? Bist du gestürzt?«
»Unsinn!« sagte sie und riß mir den Rock aus der Hand. »Natürlich bin ich nicht gestürzt.«
»Schwester, dieser Rock hatte Bodenkontakt. Das ist so klar wie Wasser.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schien sie nachzudenken. »O ja, ich weiß. Das stammt von meinem Ausritt gestern. Da war ein wunderschöner Teich, und es war still und friedlich, so daß ich Lust hatte abzusteigen und mich eine Weile hinzusetzen.«
»Das hättest du nicht tun sollen … schon gar nicht allein. Stell dir vor, jemand wäre gekommen … ein Mann … «
Sie lachte mich aus und drehte sich um.
»Eines Tages müssen wir erwachsen werden, Angelet« sagte sie und bürstete ihren Rock aus. »Das war’s«, meinte sie und hängte den Rock in den Schrank. »Und warum schnüffelst du in meinen Sachen herum?«
»Ich habe nicht herumgeschnüffelt. Ich habe gedacht, es ist mein Rock.« Verwirrt ließ sie mich zurück.
Am nächsten Tag geschah etwas Seltsames. Es war Mittag, und wir saßen in der großen Halle bei Tisch. Tante Melanie meinte, da wir so viele seien, wäre es besser, in der Halle als im Eßzimmer zu essen, das nur für kleinere Gesellschaften geeignet war.
Auf Schloß Paling hatte es immer eine große Tafel gegeben. Großvater Casvellyn liebte es, herzhaft zu essen, ebenso Connell. In der Familie meines Vaters dagegen gab es nur mäßige Esser, obwohl unsere Speisekammern wohlgefüllt waren. Auch wenn unerwarteter Besuch kam, haben wir nie so riesige Mahlzeiten verschlungen, wie es auf Schloß Paling der Brauch war. Tante Melanie war sehr stolz auf ihre Speisekammern, und Melder half ihr beim Kochen. Unentwegt zwang sie uns, irgendwelche Delikatessen zu versuchen, die sie und Melder sich ausgedacht hatten.
Meine Mutter und Tante Melanie sprachen über ihre Gewürzbeete, die sie mit so viel Sorgfalt bepflanzt hatten, und Tante Melanie erzählte, daß der Saft der Butterblumen Rozen so zum Niesen gebracht hätte, daß ihr Stirnhöhlenkatarrh dadurch geheilt worden sei.
Da plötzlich klopfte es draußen.
»Besuch«, sagte Onkel Connell und sah zu Tante Melanie. »Ich möchte nur wissen, wer«, antwortete sie.
Tante Melanie stand auf und eilte aus der Halle; Onkel Connell hinter ihr her.
Bei Tisch hörten wir erstaunte Ausrufe von draußen und gleich darauf kamen die beiden mit zwei Damen zurück – zwei sehr ungewöhnlichen Erscheinungen. Oft, wenn ich daran zurückdenke, glaube ich, das Leben wollte uns auf das Kommende vorbereiten, uns warnen.
Als ich damals bei Tisch saß und die beiden Neuankömmlinge musterte – eine der Damen war im Alter meiner Mutter, die andere etwa so alt wie ich –, hatte ich keine Ahnung, daß ihre Ankunft eines der wichtigsten Ereignisse in unserem Leben sein sollte.
Tante Melanie rief: »Tamsyn! Weißt du, wer das ist? Senara!«
Meine Mutter erhob sich, wurde erst weiß, dann rot. Die beiden älteren Damen starrten sich ein paar Minuten an und stürzten sich gegenseitig in die Arme.
Sie lachten, und meine Mutter war den Tränen nahe. Sie umklammerte die Schultern der Fremden und sah ihr forschend in die Augen.
»Senara!« rief meine Mutter. »Was ist geschehen?«
»Zu viel, um dir jetzt alles zu erzählen«, antwortete die fremde Dame. »Schön, dich wiederzusehen … « Sie zog ihre Kapuze zurück und schüttelte ihr prächtiges schwarzes Haar. »Nichts hat sich verändert … nicht ein bißchen. Und du, du bist immer noch die alte Tamsyn.«
»Und das … ?«
»Das ist meine Tochter. Carlotta, komm und begrüß Tamsyn.« Das Mädchen mit dem Namen Carlotta trat zu meiner Mutter, aber als diese sie umarmen wollte, wich das Mädchen zurück und machte einen tiefen Knicks. Schon damals bemerkte ich ihre unendliche Anmut! Sie sah sehr fremdländisch aus, hatte dunkles Haar wie ihre Mutter, große mandelförmige Augen und so dichte Wimpern, daß sie mir im ersten Augenblick aufgefallen waren. Ihr Gesicht war sehr weiß, bis auf die leuchtendroten Lippen und die kohlschwarzen Augen.
»Das also ist deine Tochter … liebe Senara, das ist wundervoll! Du mußt uns so viel erzählen!« Sie blickte sich nach uns um. »Meine Töchter sind auch hier.«
»Du hast Fennimore also doch geheiratet?«
»Ja, ich habe Fennimore geheiratet.«
»Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende?«
»Ja, ich bin sehr glücklich. Angelet, Bersaba … «
Wir erhoben uns und traten zu unserer Mutter.
»Zwillinge!« staunte Senara. Ein fröhliches Lachen schien in ihrer Stimme mitzuschwingen, auch das hatte ich von Anfang an bemerkt. »Oh, Tamsyn, du und Zwillinge!«
»Ich habe auch einen Sohn. Er ist sieben Jahre älter als die Zwillinge.«
Senara ergriff meine rechte Hand und Bersabas linke und musterte uns aufmerksam.
»Eure Mutter und ich waren wie Schwestern … während unserer ganzen Kindheit, bis wir getrennt wurden. Carlotta, komm und begrüße diese beiden Mädchen, die ich ihrer Mutter wegen bereits ins Herz geschlossen habe.«
Carlotta sah uns abschätzend an und nickte uns anmutig zu.
»Bist du weit geritten?« fragte Melanie.
»Ja, wir kommen aus Plymouth. Gestern nacht haben wir in einem sehr mittelmäßigen Gasthaus übernachtet. Die Betten waren hart, das Schweinefleisch versalzen, aber ich habe es kaum bemerkt, so ungeduldig war ich, nach Schloß Paling zu kommen.«
»Was für ein Glück, daß du uns hier angetroffen hast. Wir sind nur zu Besuch hier.«
»Natürlich, du bist ja in Trystan Priory zu Hause. Wie geht es dem guten Fennimore?«
»Zur Zeit ist er auf See. Wir erwarten ihn aber bald zurück.«
»Wie ich mich freue, euch alle wiederzusehen!«
»Erzähl uns alles, was geschehen ist!«
Melanie lächelte. »Ich weiß, was du empfindest, uns nach all den Jahren wiederzusehen, aber du mußt müde sein. Ich werde dir und deiner Tochter ein Zimmer herrichten lassen. Du bist doch sicherlich hungrig.«
»Ach, Melanie, du bist immer so lieb gewesen, so praktisch … Und Connell, ich hätte dich und die lieben Kinder fast vergessen … Ja, ich bin hungrig und meine Tochter auch. Wenn wir uns die Spuren der Reise von Gesicht und Händen waschen und etwas von diesen köstlichen Speisen versuchen dürfen … hinterher dann sprechen wir von alten Zeiten und der Vergangenheit.«
Connell stellte sich neben seine Frau und sagte: »Ruf die Dienstboten, sie sollen alles für unsere Gäste herrichten.«
Melder, als gute Hausfrau, die sie war, war bereits unterwegs, um die entsprechenden Anweisungen zu erteilen.
»Wir werden das Essen warmstellen«, sagte Melanie. »In der Zwischenzeit könnt ihr in mein Zimmer kommen und euch etwas erfrischen. Eure Zimmer sind noch nicht fertig.«
Sie und meine Mutter gingen mit den Neuankömmlingen hinaus, und Stille breitete sich an der Tafel aus.
»Wer sind diese Leute?« fragte Rozen. »Mutter und Tante Tamsyn scheinen sie ja gut zu kennen.«
»Die ältere ist hier auf Schloß Paling geboren«, erwiderte Onkel Connell. »Ihre Mutter ist das Opfer eines Schiffsunglücks gewesen und ist hier an der Küste an Land gespült worden. Senara kam ungefähr drei Monate später zur Welt. Sie hat ihre ganze Kindheit hier verlebt, und als unsere Mutter gestorben ist, hat unser Vater Senaras Mutter geheiratet.«
»Dann war sie also hier zu Hause?«
»Ja, sie war hier zu Hause.«
»Und sie ist weggegangen und hat nie mehr etwas von sich hören lassen?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Connell. »Sie ging fort, weil sie einen Puritaner heiraten wollte. Hinterher ist sie nach Holland gegangen. Wir werden es schon noch erfahren.«
»Und nach all den Jahren kommt sie jetzt erst zurück? Wie lange ist es her, daß sie weggegangen ist?«
Connell dachte nach. »Es muß an die dreißig Jahre her sein.«
»Sie muß sehr alt sein … diese Senara.«
»Sie war höchstens siebzehn, als sie ging.«
»Dann ist sie ja siebenundvierzig. Das ist doch nicht möglich.«
»Wahrscheinlich kennt sie Mittel und Wege, sich jung zu halten.«
»Wie denn, Vater?« fragte Rozen.
»Senara war schon immer schlau. Die Dienstboten dachten damals, sie sei eine Hexe.«
»Wie aufregend!« rief Gwenifer aus.
»Damals wurde eine Menge über Hexen geredet«, sagte Connell. »Manchmal kommen sie in Mode. Der letzte König war ein Fanatiker, was Hexen betraf. Die Leute hier dachten alle, Senaras Mutter sei eine Hexe, und das kann gefährlich sein. Also ist sie fortgegangen.«
»Was ist aus ihr geworden?«
»Das haben wir nie erfahren. Aber nachdem sie weg war, kamen die Leute ins Schloß und wollten Senara holen. Ihre Mutter ist an Allerheiligen an den Strand gespült worden, und an Allerheiligen ist sie auch verschwunden. Alles schien darauf hinzudeuten, daß sie eine Hexe war, und die Leute kamen und suchten sie. Als sie herausfanden, daß sie nicht mehr da war, wollten sie Senara an ihrer Stelle mitnehmen, und da ist sie geflohen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört – bis jetzt.«
»Und du und Mutter habt ihr geholfen?«
»Natürlich, wir haben ihr alle geholfen. Sie war uns wie eine Schwester.«
»Und jetzt ist sie zurückgekommen«, flüsterte Bersaba.
Wir schwiegen eine Weile. Ich sah alles deutlich vor mir. Wie Senaras Mutter an Land gespült und als Hexe gebrandmarkt wurde, wie dieser furchterregende Mann da oben im Turm sie geheiratet hatte, nachdem Linnet gestorben war, und wie sie ihm dann davonlief, was mich überhaupt nicht erstaunte. Und der Mob, der Senara holen wollte … die damals noch ganz jung war und Augen hatte wie ihre Tochter Carlotta. Und wer war Carlottas Vater? Wir würden es schon noch erfahren, davon war ich überzeugt.
Begleitet von meiner Mutter und Tante Melanie, kamen Senara und Carlotta zurück in die Halle. Die Wangen meiner Mutter waren gerötet, sie schien der neuen Gäste wegen glücklich und aufgeregt zu sein.
Ich konnte meinen Blick nicht von Carlotta wenden. Sie war das interessanteste Geschöpf, das ich je gesehen hatte. Ihr Haar schimmerte bläulich im Schein der Kerze, und ihre großen mandelförmigen Augen blickten geheimnisvoll. Ihre Haut hatte einen zarten, seidigen Glanz, und ihre Nase war schmal und wunderschön geschnitten. Sie hatte etwas Feines, Zerbrechliches an sich, was sie besonders attraktiv machte. Meine Kusinen konnten ihren Blick genausowenig von ihr losreißen wie Bersaba und ich. Ihre Mutter war immer noch eine schöne Frau, aber auch wenn sie den Jahren getrotzt hatte, war die Zeit nicht ohne Spuren an ihr vorbeigegangen. Als sie so jung war wie Carlotta, mußte sie ebenso schön gewesen sein.
»Senara, setz dich zu mir«, rief meine Mutter. »Wie schön, dich hier zu haben! Fast könnte ich glauben, wir wären wieder jung. Du mußt uns alles erzählen.«
»Aber laß sie erst einmal essen«, bat Melanie lächelnd.
Eine dampfende Suppenterrine wurde hereingebracht. Senara erklärte, die Suppe sei wunderbar und sie könnte sich noch daran erinnern, daß Melanie genauso eine gekocht hatte, bevor sie fliehen mußte.
»Von Zeit zu Zeit tue ich andere Kräuter hinein. Wir versuchen immer, sie zu verbessern.«
»Sie war schon immer so gut, sie braucht gar nicht verbessert zu werden«, erklärte Senara. »Schau doch, wie ungeduldig Tamsyn ist! Gleich wird sie uns auszanken, daß wir über Suppen sprechen, wenn es doch so viel zu erzählen gibt.«
Meine Mutter sagte: »Iß, Senara, du mußt halb verhungert sein. Wir haben alle Zeit der Welt, hinterher zu erzählen.«
Sie aßen herzhaft von der Suppe, danach gab es Lammpastete und als Nachtisch Erdbeeren mit Schlagsahne.
»Ich habe tatsächlich das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein«, strahlte Senara. »Ist es nicht genauso, wie ich es dir prophezeit habe, Carlotta?«
»Madre, du hast von nichts anderem gesprochen als von Schloß Paling und deiner Schwester Tamsyn, seitdem du dich entschlossen hattest herzukommen.«
Wir konnten es kaum abwarten, bis die letzte Erdbeere verspeist war, und als die Dienstboten die Teller abgeräumt hatten, sagte Senara: »Ihr seid ungeduldig, ihr wollt hören, was geschehen ist. Ich werde euch einen kurzen Überblick geben. Ich kann euch nicht auf einmal von allen kleinen Einzelheiten berichten, die ein Leben ausmachen. Aber nach und nach werdet ihr alles erfahren. Ihr jungen Leute habt vielleicht von mir gehört. Als ich noch hier war, ist eine Menge über uns geredet worden … aber aus den Augen, aus dem Sinn. Mit meiner Mutter war es etwas anders. Sie ist auf höchst mysteriöse Art und Weise hier aufgetaucht, sie ist an Land gespült worden. Sie war eine noble Dame, die Frau eines Grafen, und sie trug sein Kind im Leib … mich. Ich bin hier geboren im Roten Zimmer. Existiert das Rote Zimmer noch?«
»Das ist doch das Spukzimmer!« rief Rozen.
»Stimmt«, fuhr Senara fort, »das Spukzimmer. Aber darin spukte es bereits, bevor meine Mutter auftauchte. Colum Casvellyns Frau ist darin gestorben, nachdem sie ein totes Kind zur Welt gebracht hatte. Das war, bevor er Tamsyns Mutter heiratete. Ja, schon damals spukte es in dem Zimmer, meine Mutter hat lediglich einen weiteren Geist hinzugefügt.«
»Nach Einbruch der Dunkelheit sind die Dienstboten nicht mehr dazu zu bewegen, es zu betreten«, warf Gwenifer aufgeregt dazwischen.
»Alles Unsinn«, erwiderte Melanie. »In dem Zimmer spukt es gar nicht. Irgendwann werde ich alle alten Möbel rausschmeißen und neue hineinstellen.«
»Schon andere hatten diese Idee«, sagte Senara. »Ist es nicht seltsam, daß niemand es wirklich getan hat?«
»Bitte, erzähl weiter«, bat Bersaba.
»Meine Mutter brachte mich auf die Welt und ging fort. Und ich wuchs zusammen mit Tamsyn auf. Als ihre Mutter starb, kam meine Mutter zurück und heiratete Colum Casvellyn. Wir waren immer zusammen, nicht wahr, Tamsyn? Wie oft habe ich dich schockiert, aber du hast mich immer als deine Schwester betrachtet.«
»Ja, immer«, gab ihr meine Mutter recht.