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**Hüte dich vor den Geheimnissen des Kronprinzen …** Kaaya hat keine Vergangenheit, keine Erinnerungen, keine Familie. Nichts außer Arian, der sie einst von den Straßen geholt und bei sich aufgenommen hat. Doch bevor sie ihrem besten Freund sagen kann, was sie wirklich für ihn empfindet, wird seine Seele von einem Schattenelfen gestohlen und er bleibt als Hülle zurück. Um ihn zu retten, reist die 18-Jährige ins Reich der Schatten, wo sie sich inmitten eines uralten Krieges wiederfindet. Das, was Kaaya dort über sich erfährt, bringt alles ins Wanken, an das sie bisher geglaubt hat. Sie muss erkennen, dass sie niemandem mehr vertrauen kann, nicht einmal sich selbst und ihren eigenen Gefühlen – gerade wenn es um den mysteriösen Kronprinzen Ilias geht, der seine ganz persönliche Mission verfolgt … Folge deinem Herzen und entdecke dein wahres Erbe. //Dies ist der erste Band der magischen Dilogie »Schattenthron« von Beril Kehribar. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: -- Schattenthron 1: Erbin der Dunkelheit -- Schattenthron 2: Bringerin des Lichts// Beril Kehribar ist eine der bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands. Auf ihrem Instagram-Account @berilria.books schreibt sie über besondere Geschichten, wunderschöne Schmuckausgaben und alles, was sie in der Welt der Fantasy und Romance inspiriert und fasziniert. Ihr Debütroman »Schattenthron. Die Erbin der Dunkelheit« schaffte es ab der ersten Verkaufswoche auf die SPIEGEL-Bestsellerliste.
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Beril Kehribar
Schattenthron: Erbin der Dunkelheit
Kaaya hat keine Vergangenheit, keine Erinnerungen, keine Familie. Nichts außer Arian, der sie einst von den Straßen geholt hat. Doch bevor sie ihrem besten Freund sagen kann, was sie wirklich für ihn empfindet, wird seine Seele von einem Schattenelfen gestohlen und er bleibt als Hülle zurück. Um ihn zu retten, reist die 18-Jährige ins Reich der Schatten, wo sie sich inmitten eines uralten Krieges wiederfindet. Das, was Kaaya dort über sich erfährt, bringt alles ins Wanken, an das sie bisher geglaubt hat. Sie muss erkennen, dass sie niemandem mehr vertrauen kann, nicht einmal sich selbst und ihren eigenen Gefühlen – gerade wenn es um den mysteriösen Kronprinzen Ilias geht, der seine ganz persönliche Mission verfolgt …
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Vita
Danksagung
© privat
Die gebürtige Berlinerin Beril Kehribar ist eine der bekanntesten Buchbloggerinnen Deutschlands. Auf ihrem Instagram-Account @berilria.books schreibt sie über besondere Geschichten, wunderschöne Schmuckausgaben und alles, was sie in der Welt der Fantasy und Romance inspiriert und fasziniert. »Schattenthron. Erbin der Dunkelheit« ist ihr mit Spannung erwarteter Debütroman.
Für meinen Vater, ohne den es dieses Buch nie gegeben hätte.
Danke, dass du deine Fantasy-Liebe an mich weitergegeben hast.
Für meine Mutter, ohne deren Unterstützung ich nicht die wäre, die ich heute bin.
Danke, dass du immer mein größter Fan bist.
Für meinen Verlobten, ohne den ich mich aufgegeben hätte.
Danke, dass ich mit dir alle meine Träume leben darf.
Und für meine Community, ohne die ich nie den Mut gefunden hätte, diesen Weg zu gehen.
Danke, dass ihr an meiner Seite seid.
Battlefield – Svrcina
Surrender – Natalie Taylor
Hurts Like Hell – Fleurie
Wrecked – Imagine Dragons
Still Here – Digital Daggers
Dark Paradise – Lana Del Rey
Revolution – Unsecret (feat. Ruelle)
Wicked Game – Ursine Vulpine (feat. Annaca)
Hurricane – Fleurie
Remembrance – Tommee Profitt (feat. Fleurie)
Fire On Fire – Sam Smith
You Should See Me In A Crown – Billie Eilish
Minefields – John Legend, Faouzia
Control – Halsey
War Of Hearts – Ruelle
Arcade – Duncan Laurence
Drivers License – Olivia Rodrigo
Love And War – Fleurie
3 Jahre zuvor
Kaaya
Mit wild pochendem Herzen musterte Kaaya die gut besuchte Straße aus ihrem Versteck heraus. Der Händler des Gewürzstandes sah immer wieder zu ihr herüber, doch er würde keinen Alarm schlagen, solange sie sich nicht an seinen Waren vergriff. Wie gut, dass das auch gar nicht ihr Plan war. Der sonnige Tag hatte heute genügend andere Menschen auf den größten Marktplatz Silbersturms gelockt. Routiniert ließ sie ihren Blick weiter über die vielen Besucher schweifen und entdeckte endlich ein paar wohlhabende Kaufleute.
Einer davon schlenderte gerade an dem Stand entlang, hinter dem sie hockte, und sie duckte sich noch etwas tiefer. Die langen, weiten Roben, die der alte Mann trug, waren aus Seide gefertigt und das Hemd, das darunter hervorlugte, aus feinstem Leinen. Sie brauchte nicht weiter nachzudenken, um eine Entscheidung zu fällen: Er würde ihr nächstes Opfer sein.
Nachdem der Kaufmann weitergegangen war, richtete Kaaya sich auf und lief unauffällig in seine Richtung. Wie immer ignorierte sie das aufkeimende schlechte Gewissen und das nervöse Kribbeln in ihren Adern. Wenn das hier fehlschlug, würde sie heute Abend erneut mit knurrendem Magen einschlafen müssen.
»Oh!«, rief sie, als sie sich scheinbar unbeabsichtigt fallen ließ. Sie unterdrückte ein erleichtertes Aufatmen, als der Mann sie wie geplant auffing. »Bitte verzeiht!«
»Ist ja gerade noch gut gegangen.« Er richtete seinen Hut, nachdem er sie losgelassen hatte. »Alles in Ordnung bei dir?«
»Ja, m-mir geht es gut.«
Der Mann schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, neigte den Kopf zum Abschied und setzte seinen Weg fort.
»Danke!«, rief Kaaya ihm hinterher, ehe auch sie schnellen Schrittes weiterlief. Zielsicher schritt sie über den Marktplatz, auf dem sich noch immer viel zu viele Menschen umtrieben. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie das Hafenviertel und bog in eine schmale, dunkle Gasse.
Die Luft hier war feucht und ein salziger Dunst legte sich auf ihre Haut. Einen erleichterten Seufzer ausstoßend senkte sie die Lider und nahm einen tiefen Atemzug. Der immerwährende Geruch nach Fisch und Algen stieg ihr in die Nase. Der Geruch von Zuhause. Sie öffnete ihre Augen und schüttelte den Kopf. Silbersturm war nicht ihr Zuhause.
Mit zitternden Fingern klemmte sie sich eine ihrer goldbraunen Haarsträhnen, die ihr nass auf der Stirn klebte, hinters Ohr und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Sie wollte gerade nach ihrem kleinen Lederbeutel greifen, den sie an ihrem Gürtel befestigt hatte, als der Klang einer tiefen Stimme sie hochschrecken ließ.
»Nette Darbietung!«
Kaayas Herz setzte einen Schlag aus, um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuschlagen. Sie wirbelte herum und sah sich einem Jungen gegenüber, der nicht viel älter zu sein schien als sie selbst.
Mit einem schiefen Grinsen musterte er sie, bevor er mit einer knappen Kopfbewegung auf den Lederbeutel deutete. »Wie viel hast du erbeutet?«
Misstrauisch beäugte Kaaya ihn und machte einen vorsichtigen Schritt nach hinten. »Bist du mir gefolgt?«
Der Junge hob abwehrend die Hände. »Du musst nicht weglaufen. Und da kommst du ohnehin nicht rüber«, fügte er hinzu und deutete hinter sie.
In dem Moment spürte sie den Zaun in ihrem Rücken.
»Ich will nicht weglaufen.« Sie bückte sich, um mit einer raschen Bewegung hinter eine der Abfalltonnen zu greifen, die sich in der Gasse drängten. Als sie ihm ihr Schwert unter die Nase hielt, weiteten sich seine Augen für einen kurzen Moment, dann sah er sie wieder belustigt an.
»Was willst du von mir?« Sie funkelte ihn an.
Nun war er derjenige, der einen Schritt zurückwich, die Hände noch immer in der Luft. Ihr Blick glitt unweigerlich über das zerknitterte weiße Hemd, das er trug. Er hatte es falsch geknöpft, außerdem war das Kleidungsstück viel zu groß – oder er viel zu schmal. Vermutlich hatte er nicht viel Geld bei sich.
»Ich habe nur gesehen, wie du den Mann bestohlen hast.«
Sie reckte ihm die Schwertspitze weiter entgegen. »Und?«
»Das war beeindruckend.«
»Was?«
»Ich habe schon viele Diebe kennengelernt. Männer, die ihre ehrliche Arbeit verloren haben und stehlen müssen, um die Kinder zu ernähren, die zu Hause mit knurrenden Mägen auf sie warten. Männer, die zu schwach sind, um sich ihr Brot mit harter körperlicher Arbeit zu verdienen.« Er senkte die Hände und sah ihr fest in die Augen. »Jungen, die zu Hause aushelfen müssen, damit die kranke Mutter nicht allzu bald dem geliebten Vater unter die kalte Erde folgt. Aber ein kleines Mädchen?« Nun trat er einen Schritt auf sie zu, wobei ihm eine pechschwarze Haarsträhne in die Stirn fiel. »Was machst du auf der Straße?« In seinem Gesicht stand keine Spur mehr von Belustigung.
»Ich bin kein kleines Mädchen.« Sie hielt seinem Blick stand, dann senkte sie das Schwert. Er würde ihr nicht gefährlich werden. »Und was machst du auf der Straße?«
»Ich bin Arian«, sagte er nur und reichte ihr die Hand.
Skeptisch betrachtete sie diese, bevor sie nach ihr griff. »Kaaya.«
Seine Augen blitzten für den Bruchteil einer Sekunde auf und erst jetzt bemerkte sie ihre ungewöhnliche Farbe. Sie waren von einem hellen Grau, das fast schon an flüssiges Silber erinnerte.
»War schön, dich kennenzulernen, Kaaya.« Wieder setzte er sein schiefes Grinsen auf und deutete hinter sich. »Ich muss weiter zur Arbeit.«
»Bist du ein Hafenarbeiter?« Die Worte hatten ihre Lippen verlassen, bevor sie sie aufhalten konnte. Wieso sollte es sie interessieren, wo er arbeitete?
»Nein, ich helfe bei einem Obsthändler aus. Gleich dort drüben auf dem Marktplatz.«
Sie zuckte betont gelassen mit den Schultern. »Dann … leb wohl.«
Arian lächelte sie ein letztes Mal an, bevor er sich umdrehte und in Richtung Marktplatz verschwand.
___
Allmählich zog sich die Sonne zurück und es wurde dunkler über den Dächern der Hauptstadt. Kaaya hatte sich nach einem weiteren Ausflug zum Marktplatz wieder in ihre Gasse zurückgezogen und holte die Decke hervor, die sie gemeinsam mit ihren anderen Habseligkeiten hinter der Abfalltonne versteckt hatte, um sie sich um die Schultern zu legen. Von den Kupfermünzen des Kaufmanns hatte sie sich ein Stück Brot kaufen wollen, doch der Bäcker hatte sie fortgejagt. Vermutlich hatte sie ihn einmal zu oft bestohlen.
Zitternd und mit leerem Magen saß sie in der Gasse und hoffte, dass der Schlaf bald kommen würde, um sie zumindest für einige Stunden von ihrem Elend zu erlösen. Ihr Blick wanderte die Gasse entlang zur gegenüberliegenden Anlegestelle der Schiffe, und plötzlich musste sie an den Jungen denken, der sie verfolgt hatte. Arian. Seine Kleidung war abgenutzt gewesen, doch seine Hände hatten sauber gewirkt. Da war kein Dreck unter seinen Fingernägeln gewesen wie bei ihr. Vermutlich gehörten seine Eltern dem Mittelstand an, vielleicht waren sie Bedienstete eines Adligen. Unwillkürlich schweiften Kaayas Gedanken zu ihrer eigenen Familie und ließen sie zusammenzucken. Es war jetzt vier Jahre her, dass sie ihren Vater das letzte Mal gesehen hatte. Damals war sie noch ein Kind gewesen, gerade elf Jahre alt.
Seufzend ließ sie die Stirn auf ihre Knie sinken, die sie fest an ihren Körper gezogen und mit dem linken Arm umschlungen hatte. Mit ihrer rechten Hand umklammerte sie wie jede Nacht den Griff ihres Schwerts, um gewappnet zu sein, wenn sich ihr jemand näherte. Und dass das auch dringend nötig war, bestätigte sich, als sie eine Berührung an ihrer Schulter spürte. Verschlafen riss sie den Kopf hoch und bemerkte einen Schatten über sich. Blitzartig griff sie nach dem Handgelenk ihres Angreifers, richtete sich auf und drehte ihm seinen Arm auf den Rücken, während sie ihm ihr Schwert von hinten an die Kehle hielt.
»Au, verdammt!«
Schwer atmend verengte sie die Augen. »Du schon wieder!« Sie lockerte ihren Griff und gab Arians Arm frei. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Himmel inzwischen pechschwarz war. Nur der Mond, der riesig über ihren Köpfen prangte, warf sein Licht in die Gasse.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, murmelte er, während er sich das Handgelenk rieb und sich zu ihr umdrehte.
»Dann solltest du dich vielleicht nicht anschleichen, während ich schlafe.«
»Tut mir leid.« Arian zuckte mit den Schultern. »Du hast schlecht geträumt.«
Sie hob die Augenbrauen. Wovon sprach er da? »Ich träume nie.«
»Das sah aber anders aus. Du hast sogar im Schlaf gesprochen.«
»Was habe ich gesagt?«
»Du hast … dich entschuldigt.«
Kaaya lachte, um ihre Unsicherheit zu überspielen, aber als die nächsten Worte über seine Lippen kamen, hielt sie inne.
»Willst du mit zu mir kommen?«
Ihre Kinnlade klappte herunter. »Ich bin doch keine Prostituierte!«
»Das meinte ich nicht!«, erklärte er hastig, während sich eine leichte Röte auf seine Wangen schlich. »Ich dachte nur, wegen deiner Knie.«
Irritiert folgte Kaaya seinem Blick und sah an sich hinunter. Ja, ihre Hose war an einigen Stellen zerschlissen, aber was machte das schon? »Das ist nichts«, murmelte sie achselzuckend. Als sie wieder zu ihm hochschaute, knurrte ihr Magen.
»Ich habe auch etwas zu Essen dabei.« Arian bückte sich und hob einen Korb auf, in dem sich verschiedenste Sorten Obst und Gemüse befanden. Er musste ihn fallen gelassen haben, als sie ihn angegriffen hatte. Trotz schlechtem Gewissen spürte Kaaya, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief. »Manchmal darf ich nach der Arbeit etwas von den übrig gebliebenen Waren mitnehmen.«
»Hast du bis jetzt noch gearbeitet?«
Arian nickte. »Wir hatten viel zu tun.«
»Wie spät ist es überhaupt?«
»Bald Mitternacht.«
Sie weitete überrascht die Augen. Wenn Arian ihr etwas zu essen gab, müsste sie sich morgen früh nicht schon wieder mit dem Bäcker streiten. »Nehmen wir an, ich komme mit dir. Was erwartest du im Gegenzug?«
Als Arian leise auflachte, bemerkte sie ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Bauch. »Ich erwarte gar nichts«, sagte er und Wärme trat in seinen Blick.
»Und du bist auch kein Meuchelmörder oder so was?«
»Ich bin sicher, du würdest mir die Eingeweide aus dem Körper schneiden, bevor ich nur eine falsche Bewegung machen könnte.« Er deutete auf Stahlschwinge, ihr Schwert. »Woher hast du es?«
Arian hätte nicht ahnen können, wie sehr die Frage sie treffen würde. Sie hatte ja selbst nicht gewusst, wie tief der Schmerz noch saß.
Als sie nicht antwortete, setzte er erneut zum Sprechen an. »Du bist eine Diebin, du hast es sicher –«
»Ich habe es nicht gestohlen«, unterbrach sie ihn entschieden. »Es war ein Geschenk.«
Arians amüsierter Gesichtsausdruck wich einem zerknirschten und er erwiderte nichts weiter. Kaaya musterte ihn neugierig, während er verlegen den Blick gesenkt hatte. Sie konnte es sich nicht erklären, aber er hatte irgendetwas an sich, das ihr sagte, dass sie ihm vertrauen konnte. Und was hatte sie schon zu verlieren? Zur Not wusste sie, wie sie sich verteidigen konnte.
»Dann lass uns gehen.«
Er sah überrascht hoch. »Sicher?«
»Sicher.«
Schnell sammelte Kaaya ihre Habseligkeiten zusammen und folgte Arian bis tief in den dunklen Erlenwald, der sich um Silbersturm herum erstreckte. Sie mussten mindestens vier Kilometer gelaufen sein, als sie in der Ferne eine kleine Holzhütte am See ausmachen konnte.
»Da wohnst du?«, fragte sie. Ihr Herz machte einen Satz, als er zu ihr runterblickte. Er war mindestens einen Kopf größer als sie.
»Ja.«
»Es gibt nicht viele Menschen, die … Nun ja, im Wald leben.«
Arian lächelte. »Das Haus gehörte meiner Tante. Sie ist eine Elfe.«
Kaaya wäre beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert, so sehr überraschte sie Arians Aussage. Nachdem die Elfen vor fast eintausend Jahren nach Eseria gekommen waren, war es nicht unüblich, ab und an auf sie zu treffen, obwohl sie lieber in ihren eigenen kleinen Siedlungen lebten, die sie sich hier in den Wäldern aufgebaut hatten. Manchmal zogen sie durch die Städte und veranstalteten Feste. Sie waren inzwischen ein Teil von Eseria und doch kannte Kaaya keinen Elfen persönlich. Und wenn sie Arians Ohren betrachtete, so war auch er kein Elf – zumindest kein reinblütiger.
»Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte er, noch immer lächelnd. »Ich bin ein Halbelf. Oder Menschelf, falls du den Begriff bevorzugst.«
»Nein!«, gab sie rasch zurück. Menschelf klang so herabwürdigend, und sie hatte nichts gegen Verbindungen zwischen Menschen und Elfen, obwohl es diese nicht oft gab. »Und du lebst nun allein hier?«, warf sie ein, weil sie nicht wusste, ob er das Thema weiter ausführen wollte.
Arian nickte und schritt auf das Haus zu, das sie inzwischen erreicht hatten. Ein angenehm kühler Wind wehte Kaaya entgegen, als er die kleine Zauntür, die sein Zuhause einrahmte, mit einem Quietschen nach innen stieß. Neugierig folgte sie ihm in den Garten und ließ ihren Blick über die Holzhütte wandern, die von schmalen Baumstämmen zusammengehalten wurde. Äste rankten sich an ihnen hinauf und umschlossen ein moosbewachsenes Dach. Die ganze Konstruktion schien ein Teil des Waldes zu sein, ein Stück Natur, weit abgelegen vom Lärm der Hafenstadt, auf deren dreckigen Straßen sie die letzten Jahre verbracht hatte.
Ungläubig strich sie mit ihren Fingern über das raue Holz der Tür, dann drehte sie sich zu Arian. Er nickte ihr zu, als Bestätigung, dass sie eintreten durfte. Sie senkte den Blick, wandte sich wieder der Tür zu und drückte die Klinke hinunter.
Ein wohliges Gefühl empfing Kaaya, als sie über die Schwelle ins Haus trat, Arian dicht hinter ihr. Die Wärme musste ihren Ursprung in dem kleinen Kamin haben, der sich in der Wand gegenüber befand. Neben ihm stand ein riesiges, dunkles Sofa, das über und über mit bunten Kissen bestückt war. Bei dem Anblick entwich ihr ein überraschtes Keuchen. Sie trat einige Schritte weiter in das Zimmer hinein, ihr Blick huschte über den runden Esstisch, die Stühle, den Teppich unter ihren Füßen und fand schließlich den Vorratsschrank in der Ecke neben einem kleinen Ofen.
»Wie lange hast du auf der Straße gelebt?« Arians Stimme klang rau. »Was ist mit deinem Zuhause?«
Hin- und hergerissen, ob sie ihm die Wahrheit erzählen sollte oder nicht, hüllte Kaaya sich in Schweigen. Als sie sich schließlich zu ihm umdrehte, stellte Arian gerade den Obstkorb auf den Tisch, bevor er auf den Schrank zuging und seine Türen mit einem leisen Knarren öffnete.
»Ich habe auch ein wenig Brot da. Irgendwo muss außerdem ein Stück Käse sein. Obst allein wird uns nicht satt machen.« Er kramte in dem Schrank. »Wenn du möchtest, kannst du in den Waschraum gehen.«
Kaaya nickte nur, obwohl er ihr noch immer den Rücken zugewandt hatte. Sie sah sich ein weiteres Mal in dem behaglichen Raum um und musste erst den Kloß in ihrem Hals hinunterschlucken, bevor sie etwas sagen konnte. Wann hatte sie zuletzt die Wärme eines Zuhauses gespürt?
»Ich habe kein Zuhause.« Arian drehte sich langsam zu ihr um. Verlegen schaute sie auf den Boden. »Mein Vater hat mich rausgeworfen, nachdem meine Mutter und mein Bruder gestorben sind.«
Als Arian nicht reagierte, hob sie doch wieder den Kopf, nur um seinem durchdringenden Blick zu begegnen.
»Das tut mir leid.« Es klang aufrichtig.
»Ich erinnere mich nicht mehr an sie«, sagte sie nach einer Pause. Arian runzelte die Stirn, erwiderte jedoch nichts. »Ich bin gemeinsam mit ihnen an der Seuche erkrankt. Nur bin ich nicht daran gestorben. Aber ich habe mein Gedächtnis verloren.« Seine Augen weiteten sich. Sie hatte diese Worte bisher nie laut ausgesprochen und jetzt vertraute sie ihr dunkelstes Geheimnis einem Fremden an. Die Blutseuche, die Eseria damals fest im Griff gehabt hatte, hatte Tausenden von Menschen das Leben gekostet. Ein bitteres Lächeln trat auf ihre Lippen. »Ist schon in Ordnung. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt.« Eine Lüge. Sie räusperte sich. »Wo ist der Waschraum?«
»Direkt hinter dir.« Das Lächeln in Arians Gesicht wirkte gequält. »Lass dir ruhig Zeit.«
Kaaya nickte, dankbar, dass er das Thema nicht vertiefte. Sie ging in den angrenzenden kleinen Raum und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, während sie dem Klappern von Geschirr lauschte. Nachdem sie sich auch die Hände gewaschen hatte, setzten sie sich gemeinsam an den Tisch. Den Käse hatte Arian anscheinend nicht finden können, aber das störte sie kein bisschen. Während sie sich über ein paar Rosinen oder eine Handvoll Nüsse gefreut hätte, befanden sich allerlei Sorten Obst auf dem Tisch und ein ganzer Laib Brot.
»Ich muss morgen bei der Ernte helfen«, sagte er zwischen zwei Bissen. »Ich könnte dich danach … abholen?«
Kaaya trank ihren letzten Schluck Tee. »Und dann kommen wir wieder hierher?«
»Ja. Also, nur, wenn du das möchtest.«
Ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. »Das klingt gut.«
»Ich begleite dich noch zurück zu deinem Schlafplatz.« Er wollte sich gerade erheben, da griff sie nach seiner Hand. »Bitte nicht. Du hast dir meinetwegen bereits genug Umstände gemacht.«
Arian starrte auf ihre Hand, die noch immer auf seiner lag. »Das habe ich gern gemacht. Und es ist stockdunkel, das ist –«
»Gefährlich?« Sie hob einen Mundwinkel an. »Das weiß ich zu schätzen, Arian, ehrlich.« Und das tat sie wirklich. Aber sie hatte die letzten vier Jahre nachts auf den Straßen verbracht und wusste sich zu verteidigen.
»Hast du denn keine Angst?«, fragte er leise.
»Mir sind schon viele schlimme Dinge passiert. Und ich habe sie alle überlebt. Danke für heute«, fügte sie hinzu, als Arian nicht reagierte.
Nun hob er seinen Blick und hielt ihren fest. »Dann bis morgen, Kaaya. Pass auf dich auf.«
Den ganzen Weg zurück musste sie an Arian denken. Konnte es wirklich sein, dass er einfach nur nett zu ihr war?
Hast du denn keine Angst?
Natürlich hatte sie Angst. Das war das einzige Gefühl, das ihr geblieben war. Zumindest bis zu diesem Moment. Denn nun war da noch etwas anderes, ein Funken Hoffnung, der auch am nächsten Tag entflammte, als Arian sein Wort hielt und wieder in ihrer Gasse auftauchte. Er trug erneut einen Korb in den Armen und hielt ihn ihr hin, damit sie hineinschauen konnte.
Augenblicklich hellte sich ihre Miene auf und begeistert griff sie in den Korb. »Mareenabeeren!«
Gerade wollte sie eine der purpurfarbenen Beeren an ihren Mund führen, da griff Arian sachte nach ihrem Handgelenk. »Wir sollten sie erst waschen«, lachte er. »Prior hat sie mir geschenkt, da sie bis morgen früh sicher säuern. Zu Hause kannst du das Grünzeug abrupfen und dann bereiten wir uns ein Festmahl zu.«
Zu Hause.
Kaaya lächelte breit.
Heute
Kaaya
Es war noch früh am Morgen, als Kaaya das Haus verließ. Auch wenn sie ihre täglichen Übungen mit Stahlschwinge liebte, so verabscheute sie den Wind, der ihr eisig ins Gesicht blies und ihr langes Haar in alle Richtungen wirbelte. Fröstelnd schloss sie die Tür hinter sich und trat in den Garten. Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen und sog die Luft ein, die nach Kräutern und elfischen Beeren roch. Da der Herbst allmählich Einzug hielt, würden sich Letztere leider ein wenig Zeit lassen, ehe sie reif für die Ernte waren. Aber wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde sie die Mareenabeeren wieder mit großem Vergnügen genießen.
Lächelnd blickte sie zu dem Strauch herüber, an dem die Beeren wuchsen. Seit ihrer ersten Begegnung mit Arian verband sie so viel mit ihnen. Unweigerlich schweiften ihre Gedanken zu jenem Tag in der Gasse und ein wärmendes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Arian hatte ihr nicht nur etwas zu essen gegeben.
»Weißt du noch, wie du mich nach meinem Zuhause gefragt hast?«
Er hatte sie überrascht angesehen. »Ja.«
»Na ja … Du bist jetzt mein Zuhause.«
Sie erinnerte sich genau daran, wie schnell ihr Herz geschlagen hatte, als sie auf Arians Reaktion gewartet hatte. Kurz bevor sie eingeschlafen war, hatte er dann vorsichtig die Decke über ihren Körper gezogen und geflüstert: »Und du meins.«
Zuhause. Er hatte ihr ein Zuhause geschenkt, das aus weitaus mehr bestand als aus vier Wänden.
Noch immer lächelnd wandte Kaaya ihren Blick wieder von den elfischen Beeren ab. Sie holte ein weiteres Mal tief Luft und balancierte das Schwert in ihrer rechten Hand. Sein Gewicht war ihr so vertraut wie nichts anderes auf der Welt.
»Irgendwann wird es sich so anfühlen wie ein Teil von dir. Wie eine Verlängerung deines Arms.« Die Worte ihres Lehrmeisters hallten immer wieder in ihr nach. Wie recht er doch gehabt hatte. Obwohl Stahlschwinge inzwischen nur noch selten zum Einsatz kam, da sie sich nicht länger auf der Straße verteidigen musste, fühlte sich das Führen des Schwerts vertraut an, fast schon natürlich. Um dieses Gefühl nie zu verlieren, hatte sie es sich angewöhnt, jeden Tag für ein paar Stunden zu üben.
Kaaya hob Stahlschwinge und umfasste den Griff nun mit beiden Händen. Tief durchatmend drückte sie den Rücken durch, stellte ihren rechten Fuß zurück und brachte ihre Hüfte in Position. Während sie ausatmete, holte sie aus und schnitt in die Luft, noch mal und noch mal. Bei ihrer nächsten Bewegung legte sie mehr Schwung in den Hieb, drehte sich dabei, um auch ihre Verteidigung nicht zu vernachlässigen. Immer schneller und schneller bewegte sie sich, fand ihren Rhythmus, in dem sie stundenlang weitermachen konnte.
Als sie irgendwann wieder aus dem schon fast tranceähnlichen Zustand erwachte, in den sie die Schwertabfolgen meist versetzten, sah sie Arian direkt vor sich stehen, die Klinge nicht weit von seiner Brust entfernt.
»Ich gehe einfach mal davon aus, dass du nicht vorhattest, mich aufzuspießen?« Er hatte die Hände erhoben und das schiefe Grinsen aufgesetzt, das sie jedes Mal um den Verstand brachte und sich schon bei ihrer ersten Begegnung still und heimlich in ihr Herz geschlichen hatte.
Kaaya senkte ihr Schwert und lächelte zurück. »Natürlich nicht. Sonst würdest du jetzt blutend am Boden liegen.« Sein Grinsen wurde noch breiter, während sein Blick liebevoll über ihr Gesicht und ihre Lippen glitt. »Ich habe vorhin nach den Mareenabeeren gesehen«, warf sie ein, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
Als sie bemerkte, dass er sie weiterhin ansah, deutete sie mit ihrem Kopf auf den Strauch nicht weit von ihnen. Aber seine hellgrauen Augen ruhten weiter auf ihrem Gesicht. »Was ist?«, fragte sie atemlos, während ihr Herz raste, als wollte es aus ihrer Brust springen.
Arian schüttelte lächelnd den Kopf und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Elektrische Funken sprangen dabei von seiner Haut auf ihre über. »Ich habe dir doch gesagt, die Beeren kommen dieses Jahr nicht zurück. Du weißt, ich würde dir auf der Stelle welche wachsen lassen, wenn ich könnte«, fügte er leise hinzu.
»Ich weiß«, flüsterte sie und hielt seinen Blick fest, Herzschlag für Herzschlag. Und da waren sie wieder. Die unausgesprochenen Worte zwischen ihnen.
»Kaaya, ich –«
»Sehen wir uns nachher beim Fest?«, fiel sie ihm ins Wort und schloss noch im selben Moment die Augen. Sie konnte nicht zulassen, dass er es sagte. Das hier war zu wichtig. Er war zu wichtig.
Nur langsam zog Arian seine Hand wieder zurück, und Kaaya hätte sich für ihre Worte ohrfeigen können, als sie spürte, wie sehr ihr seine Berührung fehlte. Verstohlen blinzelte sie zu ihm hoch und zuckte zusammen, als sich ihre Blicke trafen. Schmerz stand in seinem, doch er verflüchtigte sich mit dem nächsten Wimpernschlag.
»Oriana wird auch da sein«, murmelte sie schließlich in die entstandene Stille hinein.
Oriana war die Schwester seines leiblichen Vaters, und Arian hatte ihr weitaus mehr zu verdanken als das Dach, unter dem er und Kaaya seit drei Jahren gemeinsam lebten. Die Elfe hatte ihn damals bei sich aufgenommen, als er von zu Hause weggelaufen war. Weggelaufen vor seinem Stiefvater, der ihn jeden Tag hatte spüren lassen, dass er nicht sein Sohn war, sein Fleisch und Blut. Noch immer spürte Kaaya Wut in sich hochkochen, wenn sie sich auch nur einen Augenblick erlaubte, daran zu denken.
»Denkst du, sie bringt ihren Seelengefährten mit?«, fragte Arian zögerlich.
Oriana und Ferodan kannten sich schon ein Leben lang. Das konnte bei Elfen eine sehr lange Zeitspanne umfassen. Ihren Seelenbund waren sie aber erst vor einigen Jahren eingegangen. Kaaya kannte sich mit den Gesetzen der Elfen nicht allzu gut aus, so etwas wollte jedoch gut überlegt sein, da es einige Konsequenzen nach sich zog.
»Ich weiß es nicht.«
Sie hatte die rothaarige Elfe vor einigen Jahren kennengelernt und seitdem schon öfter getroffen. Ferodan hingegen war sie noch nie begegnet und Arian auch nicht.
»Vielleicht … vielleicht hat sie inzwischen etwas von meinem Vater gehört.«
Kaaya wusste genau, wie sehr er sich wünschte, seinen leiblichen Vater kennenzulernen. Den Elfen, der damals das Bett seiner Mutter geteilt hatte. Danach war er gegangen. Verbindungen zwischen Elfen und Menschen waren vor allem bei Elfen nicht gerne gesehen. Oft wurden sie von ihresgleichen verstoßen, wenn sie ihre Seele der eines sterblichen, nicht-magischen Wesens verschrieben. Außerdem war Arians Mutter mit einem anderen Mann verheiratet. Dem Mann, der Arian Tag für Tag daran erinnert hatte, wer er war: ein Mischlingsbastard, ein Menschelf und der lebende Beweis der Untreue seiner Frau.
»Vielleicht«, flüsterte Kaaya. »Aber, Arian –«
»Ich mache mir keine Hoffnungen«, unterbrach er sie und lächelte knapp. »Und ich sollte jetzt reingehen, ich muss bald aufbrechen, sonst muss Prior den Obststand allein aufbauen.«
Sie nickte. »Ich übe noch ein wenig, dann koche ich uns was.«
»Lass das Essen ja nicht wieder anbrennen.« Seine Augen blitzten auf und diesmal war sein Lächeln wärmer.
Kaaya schlug ihm spielerisch gegen die Schulter. »Du kannst froh sein, dass ich dich überhaupt bekoche!« Als sie in sein belustigtes Gesicht sah, musste sie lachen.
___
Arian
Erschöpft streckte Arian den Rücken durch und ließ den Blick über den Marktplatz schweifen. Inzwischen war der Tag fast vorüber, und der Ansturm an Kunden, die den Obststand belagerten, ließ nach. Für ihn ein gutes Zeichen, denn nun konnte er sich mit Prior an den Abbau des Standes machen. Seufzend strich er sich die Haare aus dem Gesicht und machte sich für heute ein letztes Mal an die Arbeit.
Als alle vollen Kisten in dem kleinen Lager neben dem Verkaufstresen abgestellt waren, trat der Obsthändler zu ihm. »Danke, mein Junge«, sagte Prior freundlich. »Nimm dir von den Birnen ein paar mit nach Hause. Und eine Dorane ist auch noch übrig. Mir schmecken die Dinger einfach nicht.«
Die blassgelbe, runde Frucht erinnerte an eine Kreuzung aus Melone und Gurke, hatte aber eine festere Konsistenz. Wie viele andere Pflanzen wuchs der Doranenstrauch erst seit einigen Jahrzenten in Eseria. Vieles an Obst und Gemüse hatte sich erst nach und nach entwickelt, seit die Elfen hierhergekommen waren. Geflohen aus ihrem Zuhause, nachdem eine Naturkatastrophe beinahe die Hälfte Medazars zerstört hatte. Die Ausmaße der Katastrophe waren so verheerend gewesen, dass nicht einmal alle verbliebenen Erdmagier gemeinsam ihre Welt zu retten vermocht hatten. Die wenigen hundert Elfen, die nach Eseria gekommen waren, waren von den Menschen zunächst skeptisch empfangen worden, doch man hatte schnell ein gemeinsames Miteinander gelernt. Die Elfen hatten geschworen, die Menschen zu beschützen und ihre Lebensweise zu respektieren, und die Menschen hatten im Gegenzug versprochen, sie in Frieden unter sich leben zu lassen. Dieser Tag jährte sich heute.
»Ich danke dir, doch heute nicht. Wir gehen gleich auf das Fest.«
»Das Memoriana?« Priors Augen wurden groß. »Wenn ich alter Mann nicht so müde wäre, würde ich mitkommen.«
Arian musste lachen. »Kaaya hätte sich gefreut, dich wiederzusehen!«
»Ein andermal, Junge. Aber hier, dann nimm wenigstens das.« Er griff sich in die Hosentasche und drückte Arian einige Münzen in die Hand. »Amüsiert euch, ja?«
»Prior, ich –«
Der Obsthändler winkte ab. »Ich muss jetzt nach Hause. Du schaffst den Rest doch allein, oder?«
»Natürlich. Wir sehen uns morgen. Und danke.«
»Bis morgen, Junge. Und richte Kaaya meine Grüße aus.«
Arian nickte und baute draußen schnell noch den Rest vom Stand ab, ehe er sich auf den Weg machte. Die Festlichkeiten würden auf dem größten Platz des Stadtzentrums stattfinden. Sein Magen knurrte, und er freute sich auf die Köstlichkeiten, die man an jedem Stand bekam, an dem man vorbeilief. Aber noch mehr freute er sich darauf, Kaaya zu sehen. Seit er sie vor drei Jahren bei sich aufgenommen hatte, hatten sie kaum einen Tag getrennt verbracht. Lediglich die kurzen Zeitspannen, in denen er mit Prior auf die Plantagen fuhr. Sich von ihr zu verabschieden war ihm mit jedem Mal schwerer gefallen, und inzwischen hatte er fast schon Angst vor dem nächsten Tag, den er ohne sie verbringen musste.
Arian seufzte. Er wollte es Kaaya sagen. Er wollte es von den Dächern schreien. Er wollte der ganzen Welt erzählen, wie sehr er sich in das Mädchen mit den traurigen Augen verliebt hatte. Aber Kaaya ließ ihn nicht und er wollte ihre Grenzen nicht überschreiten. Irgendwann würde sie so weit sein. Sie hatten noch genügend Zeit. Jetzt freute er sich erst mal darauf, den Abend mit ihr auf dem Memoriana zu verbringen.
In der Ferne entdeckte er schon die hellen Lichter, die wie bunte Sterne über den Köpfen der Besucher funkelten. Es waren winzige Flammen, die von Feuermagiern beschworen wurden. Nachher würde bestimmt wieder eine Aufführung stattfinden, bei der die Elfen ihre Gaben zur Schau stellten.
»Arian!« Er wandte seinen Kopf nach links und beinahe stockte ihm der Atem. Kaaya trug ein langes, sandfarbenes Kleid, das nicht nur ihre Bräune zur Geltung brachte, sondern auch ihre Augen, deren helles Braun unter den Lichtern schimmerte wie flüssiger Honig. Sie neigte ihren Kopf, auf dem sie einen Blumenkranz trug. »Arian?«
»E-entschuldige«, stammelte er und rieb sich unbeholfen über den Hinterkopf. »Du siehst wirklich hübsch aus. Wunderschön. Ich meine, einfach nur hübsch. Sehr hübsch.«
Sie biss sich zaghaft auf die Unterlippe, während ein Lächeln an ihren Mundwinkeln zupfte. »Danke.« Unvermittelt griff Kaaya nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her ins Getümmel. »Ich habe schon den Kuchenstand entdeckt!«
Als er das Leuchten in ihren Augen sah, konnte er nicht anders, als ihr lachend zu folgen.
»Sieh doch!« Sie zeigte auf kleine Törtchen mit einer Zuckerhaube. »Die Dame hat gesagt, die wären mit Konfitüre gefüllt.«
»Mareenabeerenkonfitüre«, lachte die Elfe hinter dem Verkaufsstand. »Willst du deiner Freundin keinen Kuss schenken?«
Arian zog überfordert die Augenbrauen hoch, während Kaaya neben ihm leise kicherte. »Die Törtchen heißen Mareenaküsse.«
»Oh«, machte er und spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel. »Wie viel kosten die?« Er griff nach den Kupferstücken, die Prior ihm gegeben hatte.
»Zwei Kupfer das Stück, mein Herr.«
»Dann nehme ich zwei.«
»Eine gute Entscheidung.« Sie reichte ihnen die Törtchen über den Tresen. »Ob Mensch, ob Elf – Kuchen verbindet uns.«
Grinsend nahmen sie das Gebäck entgegen und schlenderten essend über den Platz. Hier und da hielten sie an, um sich die verschiedenen Ausstellungen anzusehen, die in diesem Jahr besonders schön waren. Einige Elfen präsentierten ihre Kunst, andere trugen Gedichte vor. Schließlich kamen sie an einem Stand vorbei, an dem sich besonders viele Besucher tummelten. Arian konnte einen Blick auf den selbst gemachten Schmuck erhaschen, der dort verkauft wurde, und wünschte sich, er hätte mehr Geld, um Kaaya etwas davon zu schenken. Er hatte sein Erspartes jedoch erst kürzlich für etwas anderes ausgegeben.
»Es geht gleich los!«, sagte Kaaya neben ihm und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie zeigte auf die Bühne, auf der sich allmählich die ersten Elfen sammelten. Noch bevor die Sonne gänzlich unterging, begannen die Vorführungen der magischen Gaben. Jeder Elf besaß mindestens eine, es gab aber auch Elfen, die zwei oder drei Affinitäten hatten.
Der erste Elf, der die Bühne betrat, war ein Wassermagier und beschwor Wasserfontänen, die er durch die Luft wirbelte. Die Menge applaudierte fröhlich, und die Begeisterung hörte nicht auf, als anschließend ein Erdmagier Blumen aus seinen Händen wachsen ließ. Er warf einige von ihnen ins Publikum, und ehe Arian es sich versah, fing er eine davon auf. Kaaya klatschte aufgeregt in die Hände und lächelte bis über beide Ohren. Er musste gar nicht lange überlegen und reichte ihr die rote Rose.
»Mylady.« Er verbeugte sich und entlockte ihr ein leises Lachen.
»Wie aufmerksam von Euch, werter Lord!«
Als er sich wieder aufrichtete, bemerkte er, dass ihre Wangen rosig waren. Noch immer lächelnd roch sie an der Rose, während ihre Augen seine fixierten. Er spürte, wie eine zarte Hoffnung in ihm aufkeimte, wie alles in ihm danach schrie, ihr dieses Lächeln von den Lippen zu küssen.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Raunen durch die Menge um ihn herum ging. Eine Feuermagierin war auf die Bühne getreten und ließ Flammenringe tanzen. Sie verwandelten sich schließlich in Feuersäulen und das Publikum brach in tosenden Applaus aus. Arian warf noch mal einen verstohlenen Blick zu Kaaya herüber, aber auch sie beobachtete inzwischen gebannt das Schauspiel, das sich ihnen bot.
Der nächste und vermutlich letzte Elf, der seine Magie präsentierte, trug kein Hemd. So konnte Arian die ineinander verschlungenen Runenmuster deutlich erkennen, die über seine nackte Brust liefen. Weiß und Blau hoben sie sich von seiner dunkelbraunen Haut ab.
»Ein Luft- und Wassermagier«, sagte Kaaya neben ihm.
Wie um ihre Beobachtung zu bestätigen, hob der Mann in diesem Augenblick die Hände und beschwor einen Eisregen. Noch bevor die ersten Tropfen auf die Besucher des Fests treffen konnten, verdichtete er die Luft über ihren Köpfen zu einem Schild, der sie schützte.
Die Menge johlte und Arian konnte nicht anders, als mit einzustimmen. In diesem Moment wünschte er sich nicht zum ersten Mal, er wäre mehr als nur ein nicht-magischer Halbelf.
»Schade, dass diesmal wieder ausschließlich Elementarmagier da waren«, meinte Kaaya, nachdem die Aufführung für beendet erklärt worden war und sie sich an den anderen Besuchern vorbeischoben. »Das war wirklich atemberaubend, aber ich hätte zu gerne gesehen, was Blutmagier können. Oder Gedankenmagier.«
»Oder Seelenmagier«, fügte Arian hinzu.
Kaaya zuckte mit den Achseln. »Die gibt es nicht mehr.«
»Die gibt es hier nicht mehr«, korrigierte er sie und erntete einen Stupser gegen die Schulter.
Man hatte die letzten Seelenmagier vor Jahrhunderten verbannt, das war bekannt. Auch wenn man dann und wann Gerüchte hörte, die anders lauteten.
»Das weiß ich doch«, gab sie zurück und ließ ihren Blick durch die Menge schweifen. »Hast du eigentlich Oriana entdeckt?«
Er hatte ganz vergessen, dass sie sich hier treffen wollten. »Nein.«
»Soll ich eben nach ihr sehen? Ich muss ohnehin noch mal zu der Elfe mit dem Kuchenstand, ich habe Stahlschwinge bei ihr gelassen.«
»Du hast sie dabei?« Arian hob die Augenbrauen, war aber nicht wirklich überrascht. Kaaya ging nur selten ohne ihr Schwert aus dem Haus.
»Und unter dem Kleid trage ich meine Ausrüstung. Ich dachte, dass es vielleicht einen Übungsstand gibt oder ein kleines Turnier.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin gleich wieder da. Warte hier, sie wird eine gute Sicht auf dich haben, wenn sie hier irgendwo ist.«
Arian nickte perplex und blickte ihr hinterher, bis sie in der Menge an Menschen und Elfen verschwunden war. Anschließend hielt er Ausschau nach dem roten Haarschopf seiner Tante, konnte sie aber nirgends entdecken. Ein magischer Brunnen erregte seine Aufmerksamkeit, und eine Weile beobachtete er, wie das Wasser darin alle paar Sekunden in verschiedenen Farben durch die Luft gewirbelt wurde. Der Anblick fesselte ihn, und nur aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie sich die Masse an Besuchern lichtete. Wie lange war es her, dass Kaaya gegangen war, um ihr Schwert zu holen? Sie war immer noch nicht zurückgekehrt und allmählich wurde er ungeduldig. Ein nervöses Kribbeln breitete sich in seinen Gliedern aus und er ging nun doch zum Kuchenstand.
»Tut mir leid, mein Herr, ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist«, erklärte die Verkäuferin. »Sie hat sich ihr Schwert abgeholt und sagte, sie wolle gleich gehen.«
Arian bedankte sich und kaufte noch zwei der buttrigen Törtchen. Er beschloss, zum Ausgang des Fests zu gehen, vielleicht wartete Kaaya ja dort auf ihn.
Doch auch hier war sie nicht. Das Kribbeln, das sein Herz mit jedem Schlag durch seine Adern pumpte, wurde stärker. Nervös ließ er seinen Blick erneut über den immer leerer werdenden Platz schweifen, ehe er das Fest verließ und in Richtung der Stadttore aufbrach. Er spähte in die Dunkelheit des angrenzenden Waldes. Ob sie schon vorausgegangen war, weil sie ihn nicht mehr gefunden hatte? Langsamen Schrittes machte er sich auf den Weg und biss schon mal in eins der kleinen Küchlein.
Aber auch als er in der Ferne bereits das sanfte Glitzern des Sees, an dem ihr Haus lag, entdeckte, war Kaaya noch nicht aufgetaucht. Ihn beschlich immer mehr ein ungutes Gefühl und er beschleunigte seine Schritte. Plötzlich hörte er ein Geräusch, das er nicht sofort zuordnen konnte. Es klang wie ein leises Ächzen, als ob jemand vor Anstrengung keuchte. Sofort läuteten sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf.
»Kaaya?«
Keine Antwort. Er blickte mit gerunzelter Stirn um sich, konnte jedoch niemanden ausmachen.
Während er nur langsam weiterging, hielt er die Augen offen und rief immer wieder ihren Namen, doch da war nichts außer dem leisen Zirpen der Grillen. Er war schon fast zu Hause angekommen, als das Geräusch ein weiteres Mal ertönte, diesmal lauter. So als wäre die Person, von der es stammte, nun näher. Arian wandte seinen Blick suchend nach links, als er plötzlich eine eiskalte Hand spürte, die sich um seinen rechten Oberarm schloss. Er schrie erschrocken auf, doch noch immer war da niemand in seinem Sichtfeld. Auch sein anderer Arm wurde von eisigen Fesseln gepackt. Die Kälte breitete sich innerhalb von Sekunden in seinem gesamten Körper aus und lähmte ihn. Das übrig gebliebene Törtchen fiel aus seiner Hand und landete auf dem Boden.
»Wer ist da? Was ist hier los?«, schrie er und versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken. Das musste doch eine logische Erklärung haben. Erneut blickte er hektisch umher und da bemerkte er sie. Eine geduckte Gestalt, die hinter einem Baum hervorkam und sich allmählich aufrichtete. Das Mondlicht offenbarte einen Mann mit glattem dunklem Haar. An den Seiten lugten zwei lange, spitze Ohren hervor. Nur langsam wandte er Arian sein bleiches Gesicht zu und taxierte ihn aus nachtschwarzen Augen.
Kein gewöhnlicher Elf, schoss es Arian durch den Kopf. Noch immer war er unfähig, sich zu bewegen.
»Was willst du von mir?«
»Ich kam hierher, um irgendeine Seele mitzunehmen.« Die Stimme des Elfen klang rau und trocken, als hätte er seit Tagen nichts mehr getrunken. »Aber dann zog mich eine Macht an, der ich nicht«, er stockte kurz und atmete schwer, »nicht … widerstehen konnte.«
Der Elf leckte sich gierig über die Lippen, was Arian innerlich zum Zittern brachte. Was war das für eine Kraft, die ihn festhielt? Luftmagie? Konnte man so etwas mit Luftmagie? Warum sollte ein Elf ihn angreifen? Und wieso sprach er von Seelen? War er etwa …? Das konnte nicht sein …
Seine Gedanken verstummten, als sich ein Grinsen auf den schmalen Lippen des Elfen ausbreitete. Ein dunkler Schatten schwirrte um seine Finger, die mit violetten Runen übersät waren.
Also doch.
Ein Seelenmagier.
Ohne weitere Worte ließ er den Schatten auf Arian los. In Sekundenschnelle strömte die dunkle Magie auf ihn zu, drang in ihn ein und entlockte ihm einen Schmerzensschrei. Es fühlte sich an, als würde sich seine Haut ablösen, als würde sein Fleisch darunter verbrennen und seine Organe sich auflösen.
»Aber bevor ich sie mir nehmen kann, muss ich dich brechen.«