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Zwölf schaurige Geschichten von zwölf Autoren über zwölf reale Orte auf Mallorca, angelehnt an Legenden und Ereignisse von der Römerzeit bis in die Gegenwart: Wie ein berühmter Steinschleuderer der Antike zum Vorbild für einen Jungen wird, der eine fatale Entscheidung trifft. Warum unterhalb der Burg von Alaró eine berüchtigte Räuberhöhle auch heute noch zum urigen Speisen einlädt. Als zwei hingebungsvolle Ärzte versuchten, die schreckliche Pest aus Palma zu vertreiben. Weshalb das Verwirrspiel um die Weihnachtslotterie zum verhängnisvollen Ende einer Freundschaft führt u. a.
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Seitenzahl: 253
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Lutz Kreutzer (Hrsg.)
Schaurige Orte auf Mallorca
Unheimliche Geschichten
Schauer und Grusel auf Mallorca Zwölf schaurige Geschichten auf Mallorca, angelehnt an Legenden und Ereignisse von der Römerzeit bis in die Gegenwart: Wie ein Steinschleuderer aus der Antike zum Vorbild wird und eine tragische Entscheidung verursacht. Warum unterhalb der Burg von Alaró eine berüchtigte Räuberhöhle auch heute noch zum Speisen einlädt. Als über die Inquisition und die Franco-Zeit eine ewige Familienfehde zum Vorschein kommt. Wie zwei Ärzte versuchen, die Schrecken der Pest aus Palma zu vertreiben. Weshalb das Verschwinden katalanischer Höhlenforscher mit dem Schatz der Templer zusammenhängt. Als der Turm der Seelen für Angst und Schrecken sorgt. Was einer Schmugglertruppe am Hafen von Sóller zum Verhängnis wird. Wie der Cristo Rei einem Mann über den Verlust seiner Familie hinweghilft. Weshalb die Weihnachtslotterie zum Ende einer Freundschaft führt. Was die Jungfrau von Cura mit der Rettung eines Kindes zu tun hat. Von der Rache eines Toten im Bunker bei El Toro und wie die weiße Dame beim Königspalast in Sineu Angst und Hoffnung bringt.
Lutz Kreutzer, 1959 in Stolberg geboren, schreibt Thriller, Kriminalromane sowie Sachbücher und gibt Kurzgeschichten-Bände heraus. Auf den großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig sowie auf Kongressen coacht er Autoren, ebenso richtet er den Self-Publishing-Day aus. Am Forschungsministerium in Wien hat er ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit gegründet. In Hörfunk und TV wurden zahlreiche Beiträge über seine Arbeit gesendet. Seine beruflichen Reisen und alpinen Abenteuer nimmt er zum Anlass, komplexe Sachverhalte in spannende Literatur zu verwandeln. Lutz Kreutzer war lange als Manager in der IT- und Hightech-Industrie tätig. Seine Arbeit wurde mit mehreren Stipendien gefördert. Heute lebt er in der Nähe von Salzburg. Mehr Informationen zum Autor unter: www.lutzkreutzer.de
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2023 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Susanne Tachlinski
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Donald / stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-7758-4
Zum Buch
Impressum
Inhalt
Karte
Der Steinschleuderer
von Lutz Kreutzer
Die Räuberhöhle von Alaró
von Ruprecht Frieling
Der Schädel von Alfabia
von Thomas Fitzner
Im Auge des Todes
von Brigitte Lamberts
Auf der Spur des Templerschatzes
von Alex Conrad
Der Turm der Seelen
von Martin Breuninger
Hoy hay fiesta – Heute ist Party
von Lilly Hess Antic
Wie der Cristo Rei zu seinem Freund wurde
von Renate Nolden
El Gordo
von Elke Becker
Gesegnet sei die Jungfrau von Cura
von Andreas Schnurbusch
Der Doppelgänger
von Barbara Ludwig
Sa Dama Blanca
von Jan Lammers
Die Autoren
Lesen Sie weiter …
1: Der Steinschleuderer
2: Die Räuberhöhle von Alaró
3: Der Schädel von Alfabia
4: Im Auge des Todes
5: Auf der Spur des Templerschatzes
6: Der Turm der Seelen
7: Hoy hay fiesta – Heute ist Party
8: Wie der Cristo Rei zu seinem Freund wurde
9: El Gordo
10: Gesegnet sei die Jungfrau von Cura
11: Der Doppelgänger
12: Sa Dama Blanca
Link zur interaktiven Karte:
http://schauer-mallorca.lutzkreutzer.de/
Die Ureinwohner Mallorcas waren die besten Steinschleuderer des Altertums. Auch heute gibt es wieder Wettbewerbe, die den besten »Foner Balear« ausstreiten – den Meister der Steinschleuderer.
Den Karthagern und später den Römern dienten die Steinschleuderer in ungezählten Schlachten als tödlichste Schützentruppe, weshalb sie bei den Griechen, also ihren Feinden, bald zur Legende wurden und dadurch ihrer Heimat einen Namen gaben. Denn der Name der Inselgruppe »Balearen« ist vom altgriechischen Wort »bállein« hergeleitet, was »werfen« oder »schleudern« bedeutet.
Trotz der ungeheuren Kampfkraft der Foners Balears schaffte es im Jahre 426 n. Chr. zu Zeiten der Völkerwanderung ein germanischer Stamm, Mallorca zu erobern und die Römer zu vertreiben. Das Teatre Romà in den Ruinen von Pollentia steht heute noch sinnbildlich für die kulturelle Hochblüte jener längst vergangenen Zeiten.
*
»Wieso macht sie das?«, fragte Juan verzweifelt. Er schlug die flache Hand auf den Felsblock, auf dem er neben seinem Großvater saß, einem raubeinigen Mallorquiner mit einem großen Herzen.
Der alte Mann streichelte sein blondes Haar und antwortete: »Sie meint es gut mit dir, mein Junge.«
»Sie meint es gut«, zischte Juan. »Wirklich? Ich bekomme nur was zu essen, wenn ich die Zielscheibe treffe, hat sie gesagt. Ansonsten gibt sie mir einfach nichts!«
Der Großvater griff in seine Tasche und holte ein kleines Päckchen heraus. »Da, für dich. Iss!«
Juan griff zu und biss genüsslich in das Sandwich aus mallorquinischem Brot, Schinken, Käse und einem Salatblatt. »Aber warum muss gerade ich das Schleudern lernen?«, grummelte er mit vollem Mund. »Mir macht es gar keinen Spaß. Und dann faselt sie andauernd von der glorreichen Vergangenheit, den Römern und so«, schimpfte er und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. Seine Stirn zeigte Zornesfalten und sein Großvater legte ihm die Hand auf den dünnen Oberschenkel.
»Hör zu, mein Junge«, sagte der Alte sanft, wobei sein üppiger Schnurrbart wippte und mit den gleißenden Sonnenstrahlen zu spielen schien. »Die Römer muss man nicht mögen. Sie waren brutal und taten nicht immer alles, um uns das Leben angenehm zu machen. Aber sie haben uns immerhin lange gegen andere Eindringlinge verteidigt.«
»Und? Hat es geholfen?«, fragte Juan angriffslustig, wobei er versehentlich ein Stückchen Brot ausspuckte.
Der Großvater hob resigniert die Schultern. »Nein, die Vandalen haben schließlich unsere alte römische Hauptstadt verwüstet. Nur die paar Ruinen hier hinter uns sind von Pollentia noch übrig geblieben.«
Juan schluckte. »Das … das ist eine traurige Sache, was damals passiert ist, oder?«, fragte er mit belegter Stimme und sah in das Halbrund des Teatre Romà, oder besser gesagt dessen, was davon übrig war.
»Ja, das ist es.« Der Großvater lächelte kurz und hob die Hand. »Hör zu, Juan. Ich erzähle dir eine Geschichte. Von dem alten Mallorca. Sie handelt von einem Jungen, der so alt war wie du und nur eine Bestimmung hatte. Dann wirst du deine Mutter vielleicht besser verstehen …«
*
420 nach Christus
»Ich habe Hunger!«, schrie der Junge seiner Mutter ins Gesicht.
»Na und? Alle haben irgendwann Hunger. Wenn du essen willst, dann musst du treffen«, pflaumte sie ihn an. Mit ausgestrecktem Arm stand sie vor ihm und zeigte auf den Baum, in dessen Astgabel ein Stück mallorquinisches Bauernbrot platziert war.
Für seine zwölf Jahre war der Junge zwar hochgewachsen, aber seine Arme und Beine waren spindeldürr, sodass er ungelenk wirkte, als er immer wieder vor Wut das geflochtene schmale Band aus Grasfasern auf den großen Stein schlug, der vor ihm lag.
»Lass das!«, fuhr seine Mutter ihn an und gab ihm einen Klaps auf den Kopf. »Diese Schleuder hat dein Vater für dich gemacht, in einer Vollmondnacht hat er das Espartogras geerntet und getrocknet. Und nur für dich geflochten, damit du mit ihr umzugehen lernst, anstatt sie achtlos zu missbrauchen und zu zerstören!«
»Warum?«, blaffte der Junge.
»Andere in deinem Alter müssen das auch lernen!«
Wütend pfefferte er das lange Geflecht auf den Boden und rannte auf den Baum zu. Am Fuß des Stamms machte er Anstalten, hinaufzuklettern. Doch seine Mutter war schnell hinter ihm. »Wag es!«, drohte sie und zog ihn an seinem Gürtel herunter, bevor er das Brot erreicht hatte. Als er zu Boden fiel, beugte sie sich über ihn. »Wenn du es nicht lernen willst, dann sollst du hungrig bleiben.« Sie warf ihm noch einen strafenden Blick zu und ging zurück zu der Stelle, die sie als Abwurfpunkt für Nelio vorgegeben hatte.
Der Junge hatte Tränen in den Augen, weniger vor Schmerz als vor Zorn. Er hob den Kopf, verschränkte die Arme und sah zur Seite.
»Hör zu, Nelio, komm her«, befahl sie. Doch der Junge blieb wie angewurzelt stehen und reckte den Kopf noch höher in die Luft.
»Nun komm schon, du Dickkopf«, frotzelte sie und winkte ihn zu sich.
Als Nelio kurz zu ihr hinübersah, schien ihr Lächeln seinen Zorn zu schmelzen. Er grinste kurz zurück und schlenderte auf sie zu.
Sie nahm ihn in die Arme und knuffte ihn liebevoll. »Dein Vater war einer der Besten, die für die Römer gekämpft haben. Dafür ist er den Heldentod gestorben. Und daher ist es unsere Pflicht, aber auch eine Ehre, diese Tradition aufrechtzuerhalten. Die Steinschleuderer haben schon für Karthago gegen die Griechen gekämpft. Nach mallorquinischer Sitte ist diese Kunst das Wertvollste und Wehrhafteste, was wir haben. Ich werde aus dir einen Foner Balear machen, einen der besten. Ach, was rede ich!«, rief sie und warf die Hände in die Höhe. »Den besten!«
Nelio starrte sie griesgrämig an und schnitt eine gequälte Grimasse.
»Junge, die Steinschleuderer gelten als die zuverlässigsten und treffsichersten Krieger der Römer, seit sie Mallorca erobert haben. Aber dazu muss man eben üben, üben und nochmals üben! Verstehst du das, Nelio?«
Der Junge sah erst zu Boden, dann tief in ihre Augen und klagte: »Aber ich habe Hunger!«
»Dann triff!« Sie wandte sich um und entfernte sich.
Der Junge fluchte leise. Aber so war es eben. Alle jungen Burschen mussten üben und sich ihr Essen verdienen. Doch Nelio war mindestens ebenso störrisch, wie seine Mutter streng war. Er tapste lustlos umher, trat gegen ein paar kleine Steine und lugte immer wieder zu seiner Mutter hinüber, die in ihrer lilafarbenen Tunika auf der Veranda saß und ihn beobachtete, während die beiden großen Hunde neben ihr auf dem Boden lagen und hechelnd die Sonne genossen.
Immer wieder derselbe Vortrag, wie gut es für ihn sei, eines Tages in einer römischen Legion zu dienen. Und um als Mallorquiner in ihren Reihen als Steinschleuderer kämpfen zu dürfen, müsse man verdammt gut sein. Und trainieren, von Kindesbeinen an. Immer das gleiche Gerede!
Vor einem halben Jahr hatte seine Mutter einen römischen Zenturio kennengelernt. Sie war so vernarrt in den Soldaten, dass sie ihm sogar diesen neuen Vornamen gegeben hatte: Nelio, »der aus dem Geschlecht der Cornelier Stammende«. Dabei hatten sie keinen einzigen Römer in ihrer Ahnenreihe. Wie die Römer lebten, handelten und arbeiteten, wusste Nelio jedoch inzwischen bestens, denn sie lebten nun in dem römischen Haushalt des Zenturio in Pollentia, der Hauptstadt im Norden der großen Insel. Und dort, mit diesem überheblichen Getue, den ewigen Reinigungsritualen, der überbordenden Körperpflege, dem penetranten Geruch nach Duftölen und dem allgegenwärtigen Gebell überzüchteter Hunde, fühlte er sich wie in einem Carzer, so als hätte man ihn eingesperrt. Daher war Nelio immer froh, wenn seine Mutter ihn ziehen ließ, weil sie mit ihrem Zenturio allein sein wollte.
Doch heute musste er sich erst im Schleudern ertüchtigen. Allmählich sah er ein, dass er den Blicken seiner Mutter auf der Veranda nicht entkam. Selbst die beiden Hundsviecher schienen darauf zu warten, dass er seine Pflicht erfüllte. Also hob er das zwei Ellen lange Band vom Boden auf und hängte die geflochtene Schlaufe des einen Endes in den Daumen der rechten Hand, während er das andere Ende mit den vier Fingern gegen den Handballen presste. In die Beuge des Bands, dorthin, wo es mit einem kleinen Lederstück verstärkt war, legte er sorgsam einen gerundeten Flussstein. Dann sah er lustlos zum Baum hinüber. Vorsichtig ließ er das geflochtene Band in der Luft kreisen und beschleunigte derart, dass der Stein nach der dritten Umdrehung, als Nelio ein Ende des Bands ausließ und sich dadurch ein Knall wie von einer Peitsche löste, mit rasantem Tempo an dem Baum vorbeischoss. Das Brot hing immer noch in der Astgabel. Er sah hinüber zur Veranda, wo die Hunde den Kopf hoben und ihn zähnefletschend auszulachen schienen.
Nelio wiederholte den Versuch. Doch diesmal visierte er das Stück Brot genau an und dachte fest an die Flugbahn, die der Stein nehmen musste. Jetzt schoss der Stein genau auf den Baum zu und katapultierte das Brot aus der Astgabel. Grimmig grinste er in sich hinein und ging ruhig auf den kleinen Laib zu, der im Staub lag. Er hatte von dem Stein eine deutliche Delle abbekommen. Nelio hob ihn auf, rieb den Staub an seinem Gewand ab, biss genüsslich hinein und schlenderte erhobenen Hauptes auf seine Mutter zu. Er wusste nicht, ob es ein Zufallstreffer gewesen war, doch er genoss es, dass seine Mutter ihm gegenüber endlich ihren Stolz zeigen konnte und die Hunde schwanzwedelnd vor ihm standen.
*
»Und was sollte das mit dem Brot?«, fragte Juan seinen Großvater.
»Das hat Nelio damals dazu gebracht, die Sache wirklich ernsthaft zu betreiben. Ähnlich wie in Sparta bei den Griechen, da mussten sich die Jungs ihr Essen nachts stehlen gehen, und wehe, wenn sie dabei erwischt wurden, dann setzte es Prügel. Das hat ihre Geschicklichkeit gefördert.«
»Und das soll gut sein?«, fragte Juan empört.
»Heute sicher nicht mehr, da sieht man das Gott sei Dank anders. Man kann so was nicht erzwingen. Du bist also zu Recht empört. Aber die Steinschleuder perfekt bedienen zu können, ist nach wie vor eine gute Sache und es bringt dir heutzutage wieder Ruhm hier auf der Insel ein. Du weißt, dass es bei uns ein sehr beliebter Sport ist.«
Juan nickte. »Wie ist es Nelio weiter ergangen?«
*
Ende 425 nach Christus
Fünf Jahre später war aus Nelio ein stattlicher junger Mann geworden. Er war immer noch schlank, aber viel kräftiger. Seine Augen glühten, als er seine Mutter ansah, seine pechschwarzen, kurz geschnittenen Haare glänzten matt in der Sonne.
»Heute ist dein Tag, Nelio«, sagte sie stolz. »Heute wirst du beweisen, was du kannst. Du wirst es allen zeigen! Ich bin so stolz auf dich!«
Nelio fasste seine Mutter bei den Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Danke, Mutter, danke für alles. Mit einem Stück Brot und einem knurrenden Magen hat damals alles angefangen«, sagte er lachend, »und heute werde ich es abschließen, indem ich alles dafür tue, dir und meinem Vater Ehre zu machen.«
Die längste Schleuder für die großen Entfernungen trug er um die Hüfte gewickelt, sodass sie gleichzeitig als Gürtel für seine einfache helle Tunika diente. Eine zweite, etwas kürzere hatte er als Haarband um seinen Kopf gebunden und eine dritte, die sein Vater ihm geflochten hatte, für die kürzesten Distanzen, hielt er in der linken Hand. In einen Lederbeutel, den er mit einem Riemen über der rechten Schulter trug, hatte er zehn sorgsam ausgewählte Flusssteine gepackt. Außerdem hatte er einige kugelförmige Metallgeschosse hineingesteckt, in die er jeweils den Namen seines Vaters eingeritzt hatte.
Die Ränge im theatrum romanum von Pollentia waren bereits bis zum letzten Platz gefüllt. Die Kämpfer, alle in Nelios Alter, betraten die Arena und verneigten sich vor den Zuschauern, die lauthals jubelten und Applaus spendeten. Auf der freien Fläche gegenüber dem Halbrund der Ränge waren in verschiedenen Distanzen hölzerne Zielscheiben aufgestellt, die in der Mitte eine Eisenplatte mit dem Durchmesser eines Männerkopfes trugen. Ein Richter schritt die drei Zielscheiben ab und schlug mit einem Hammer gegen jede einzelne Platte, wodurch ein glockenartig scheppernder Klang ertönte.
Nacheinander waren die zehn Kämpfer an der Reihe. Zuerst schossen sie auf die kurze Distanz von 20 Schritten. Die jungen Männer benutzten alle die kurzen Schleudern, und jeder von ihnen traf die Eisenscheibe mit einem lauten metallischen Knall. Das Publikum applaudierte lange, während sich die Männer erneut verneigten. Vor lauter Aufregung fiel die Mutter eines der Wettbewerber auf den Rängen in Ohnmacht, woraufhin sie von ein paar Burschen in den Schatten eines Johannisbrotbaums getragen wurde.
Die Schützen nahmen ihre mittellangen Bänder von ihren Köpfen und stellten sich diesmal in umgekehrter Reihenfolge auf. Fast alle wählten einen etwas dickeren Stein, legten ihn in ihre Schleuder, und einer nach dem anderen katapultierte sein Geschoss in Richtung der zweiten Zielscheibe, die etwa 50 Schritte entfernt stand.
Nur vier von ihnen trafen das Metall in der Mitte, die anderen sechs nur die Holztafel und waren deshalb ausgeschieden. Nelio hatte seinen Wurf konzentriert absolviert und war somit unter den letzten vieren, die nun auf die Scheibe zielen mussten, die in etwa 100 Schritten Entfernung mitten auf dem frisch gerodeten Feld stand. Der Zeremonienmeister hob zu einem unverständlichen Spruch an. Ein Raunen ging durch die Menge. Die vier Glücklichen stellten sich diesmal nebeneinander auf. Nelio war der letzte Werfer.
Der erste band sich seine Langschleuder von den Hüften, hielt den Wurfarm sehr hoch und wählte einen noch größeren Stein. Der Kerl hatte Oberarme, so dick wie Nelios Oberschenkel. Kraftvoll setzte er an, verzog das Gesicht und ließ den Stein erst nach der fünften Umdrehung fliegen, wobei sein ganzer Oberkörper nach vorn schnellte. Er tänzelte auf seinem rechten Fuß, ohne sein mit Stierblut rot gefärbtes Geschoss aus den Augen zu lassen. Der rote Stein zog seine Bahn und traf die Holztafel mit voller Wucht, allerdings nicht auf der Eisenplatte, aber so heftig, dass die gesamte Staffel umfiel. Sofort rannte einer der Richter los, um sie an Ort und Stelle wieder aufzurichten. Erneut war ein lautes Raunen zu vernehmen. Der Werfer hob beide Arme in die Höhe, drehte sich zum Publikum und lief vor den Rängen hin und her, bevor er von einem der Richter ermahnt wurde, sich zu setzen.
Die beiden nächsten Schützen bewiesen weniger Geschick. Beim ersten flog der Stein weit an der Zielscheibe vorbei, während beim nächsten Schützen der Stein bereits fünf Ellen vor dem Ziel mit einer Staubwolke im Boden einschlug.
Nelio war vollkommen ruhig. Er gürtete seine Langschleuder ab und küsste den Stein, den er mit Blättern grün eingefärbt hatte. Sorgsam legte er ihn auf das Lederstück, hob seine Schleuder, ließ sie konzentriert kreisen und richtete seinen Blick auf die Eisenplatte. Eins, zwei, drei, vier und Peitschenknall. Der Stein schien surrend seinem Blick zu gehorchen, als würde er ihn ins Ziel tragen, um ihn wenige Augenblicke später mit einem lauten metallischen Scheppern auf der Eisenplatte zerbersten zu lassen. Meisterhaft. Nelio verneigte sich. Dann nahm er eine Bronzekugel aus seiner Tasche, hielt sie hoch und rief ins Publikum: »Diese soll den Feind treffen, wo immer wir ihm begegnen werden. Für meinen Vater!«
Man konnte förmlich hören, wie die Zuschauer den Atem anhielten. Eins, zwei, drei, vier und Knall. Noch schneller als der grüne Stein flog die Kugel hinaus über die freie Fläche und donnerte auf die Eisenplatte, diesmal jedoch dumpfer als zuvor. Der Richter lief zur Zielscheibe, schüttelte den Kopf und brachte sie vor. Als er die Ränge damit abschritt, brachen die Menschen in unaufhörliches Gejohle aus. Die Kugel hatte die Eisenplatte eingedellt und steckte, nur wenig abseits der Mitte, fest, als ob Nelio sie dort eingeschmiedet hätte.
Nun ging der kleine kräftige Schütze auf Nelio zu und umarmte ihn. Die anderen folgten seinem Beispiel, schulterten Nelio und trugen ihn fünfmal im Kreis, während die Menschen ihn bejubelten. Nelio war der wahre Meister und ab jetzt ihr Anführer. Und seine Mutter saß in der obersten Reihe der Ränge und weinte stille Tränen des Glücks.
*
»Aber wie hat er das geschafft?«, fragte Juan. »Ich meine, auf diese Distanz?«
»Es ist wirklich erstaunlich«, antwortete der Großvater. »Die Steinschleuderer konnten teilweise bis auf eine Entfernung von 150 Meter einen Mann treffen und töten. Bis zu 200 Stundenkilometer schnell flogen ihre Geschosse. Sie galten als die wirklich allerbesten Schützen innerhalb ihrer jeweiligen Armee. Sie waren viel schneller und zielgenauer als beispielsweise Bogenschützen, die es ja damals auch bereits gab. Und unser Nelio, ja, er hat eben sehr gut trainiert, seit er noch ein Junge war wie du.«
Juan war beindruckt. »Und was geschah weiter?«
*
426 nach Christus
»Sie kamen über das Meer. Gehört hatte man bereits von ihnen. Die Vandalen. Als sie ihre Schiffe anlegen wollten, begannen Nelio und seine Männer, eine Art Schleier aus Steingeschossen vor ihnen auszubreiten. Viele der rauen Gesellen waren bereits tot oder kampfunfähig, bevor sie auch nur drei Schritte an Land gesetzt hatten. Doch am Ende waren es zu viele. Irgendwann erlahmten die Arme der Schleuderer und es gingen ihnen die Geschosse aus, die sie in einem großen Leintuch über ihrer Schulter getragen hatten, um blitzschnell zugreifen zu können. Die Formation der Steinschleuderer wich schließlich zurück und überließ wie geplant der römischen Infanterie den Platz, denn außer ihren Wurfschlingen hatten die Foners Balears nur hölzerne Spieße, mit denen sie gegen die Schwerter, Schilde und Helme der Vandalen kaum etwas ausrichten konnten. Nun rückten die römischen Legionäre in Schildkrötenformation vor. Sie warteten, bis die Eindringlinge auf sie zustürmen würden. Das Gemetzel war fürchterlich. Nelio und seine Schützen konnten nichts mehr ausrichten. Die Vandalen fielen in ihrer mächtigen Überzahl dergestalt über die Römer her, dass sie deren kriegserprobte und an sich wehrhafte Formation in kurzer Zeit aufgerieben hatten.«
»Und Nelio?«, fragte Juan bange.
»Nelio und seinen Schleuderern blieb nichts anderes übrig, als sich ins nahe Hügelland abzusetzen und sich dort mit den Bewohnern von Pollentia vor den Vandalen zu verstecken. Sie schworen damals, alles dafür zu tun, dass ihre furiose Kampftechnik, das Steinschleudern, auch für die späteren Generationen erhalten bleiben würde. Und so haben alle Nachfahren Nelios ihren männlichen Kindern beigebracht, eine Schleuder zu flechten, die runden Steine sorgsam auszuwählen und diese mit der Schleuder sicher ins Ziel zu führen.«
»Und die Mädchen?«, fragte Juan.
»Die ersten Steinschleuderinnen gibt es erst seit ein paar Jahren. Und sie sind gar nicht so schlecht!«
Juan stutzte. »Diese Vandalen, woher kamen sie?«
»Die Vandalen, das war ein germanischer Stamm, der einst weitgehend friedlich im heutigen Polen lebte«, erklärte der Großvater. »Sie wurden von den Goten vertrieben, die zuvor dem Ansturm der asiatischen Hunnen weichen mussten. Die Vandalen hinterließen dann, selbst gepeinigt und geschändet, auf ihrem Weg durch das heutige Frankreich eine Spur der Verwüstung und wanderten bis nach Südspanien, wo sie ein Reich gründeten, dessen Name heute noch an sie erinnert: Andalusien. Sie setzten sogar nach Afrika über, eroberten die dort ansässige römische Flotte und konnten mit diesen starken Schiffen schließlich Mallorca angreifen.«
Juan schnaubte vor Wut. »Ich hasse diese Germanen!«, zischte er. »Verwüsten, das machen sie doch heute auch noch mit unserer Insel.«
»Schimpf nicht zu sehr auf sie, denn deine blonden Haare hast du vielleicht von ihnen. Immerhin haben die Vandalen, nachdem sie die Römer vertrieben hatten, ein paar Jahrzehnte bei uns gelebt.«
Juan warf ihm einen empörten Blick zu. »Päh, als ob ich von Germanen abstamme, das soll wohl ein Witz sein? Ich bin Mallorquiner durch und durch. So wie mein Vater einer war.«
»Hör mir auf mit deinem Vater!«, sagte der Alte so sanft wie möglich. »Du musst das endlich erkennen, Juan: Er hat leider viel Unheil über deine Mutter und dich gebracht.«
»Das sagst du ja nur, weil sie deine Tochter ist!« Noch im selben Moment taten Juan seine Worte leid und er besann sich. »Ich weiß«, stöhnte er traurig, »Mutter sagt oft, dass ich kein Versager werden darf wie er.«
»Du bist alt genug, das zu verstehen. Er war ein abgehalfterter Banderillero. Er war im Vollrausch, als er vor einem Jahr vor dem prächtigen Stier in der Arena von Alcúdia strauchelte und zu Tode getrampelt wurde.«
Juan senkte den Kopf. »Aber ich hatte ihn so gern!«, schniefte er und presste die Hände zwischen seine Knie.
»Das verstehe ich, mein Junge. Er konnte ja auch ein prima Kerl sein. Wenn er nicht gerade trank. Das begreifst du doch, oder?«
Juan nickte und rieb sich die Nase. Der Großvater reichte ihm ein Taschentuch.
»Und … und wer war dieser Nelio?«, fragte Juan mit fast erstickter Stimme.
Der Großvater richtete seinen Oberkörper auf, sah den Jungen ein paar Sekunden lang an und lächelte, wobei seine Augen glänzten. »Nelio, ja, unser Nelio, das war einer meiner und damit auch deiner Vorfahren.«
Ungläubig starrte Juan seinen Großvater an. »Wirklich?«
»Ja, er ist Vorbild für uns alle, die nach ihm kamen, so auch für mich. Deine Mutter hat das Steinschleudern nie trainiert, aber sie würde sich freuen, wenn ihr Sohn es tun würde. Und daher hoffe auch ich, dass du es doch noch lernen möchtest. Wie einst Nelio.« Er machte eine Pause und fixierte seinen Enkel. »Willst du?«
Juans Mund verzog sich langsam zu einem erwartungsvollen Lächeln. »Meinst du, ich werde es wirklich lernen können?«, fragte er gespannt.
Der Großvater hob die rechte Hand. »Los, schlag ein! Ich bin absolut überzeugt davon, dass du das Zeug zu einem echten Foner Balear hast!«
»Aber Mutter, wird sie es auch so sehen? Wird sie stolz auf mich sein?«
»Aber sicher, mein Junge, deine Mutter wird sehr stolz auf dich sein, weil du der Beste von allen werden wirst.«
»Und wie?«
»Ich zeige es dir. Vertrau mir nur.«
*
Jahre später
Juan war tatsächlich der beste Schleuderer an seiner Schule geworden. Dort konnte ihm niemand das Wasser reichen. Von 100 seiner Würfe auf die Kurzdistanz trafen im Schnitt 99 die Eisenplatte. Das sollte ihm erst mal jemand nachmachen.
Sein Großvater hatte ihn über die Jahre jede Woche dreimal trainiert. »Du musst deinem Blick vertrauen, deinem Blick! Dann wirst du alle schlagen können.« Das war sein sich stets wiederholendes Mantra gewesen. Bis er voriges Jahr von ihm gegangen war. Juan hatte nach der Beisetzung drei Tage lang an seinem Grab gesessen. Seine Mutter hatte versucht, ihn nach Hause zu holen, doch er war einfach sitzen geblieben. Einer seiner besten Freunde brachte ihm abends etwas zu essen und zu trinken, damit er die lauen Sommernächte besser überstehen konnte. Doch Juan aß nichts. Nur das Wasser trank er. Am vierten Tag stand er auf, biss in ein Stück Brot und ging zum Trainingsplatz. Den ganzen Tag schleuderte er Steine auf die Zielscheibe, bis er abends völlig erschöpft zusammenbrach. Es dauerte Wochen, bis er wieder zu Kräften fand.
Heute aber war der große Tag gekommen. Es ging um die mallorquinische Meisterschaft im Steinschleudern, und da es diesen Sport nur hier gab, ging es gleichzeitig auch um den Weltmeistertitel. Menschen aus aller Herren Länder waren zugelassen. Jede Menge Balearen, aber auch ein paar Briten, Australier, Amerikaner, ein Franzose und ein Deutscher waren im Startaufgebot.
Die 100 Männer traten in vier Gruppen zu je 25 Mann gegeneinander an. Jeder hatte vier Versuche. Einen Punkt gab es für einen Treffer der Holztafel, zwei Punkte, wenn die Eisenplatte schepperte. Jeweils die ersten 15 aus jeder Gruppe kamen weiter.
Im nächsten Durchgang traten drei Gruppen zu je 20 Mann gegeneinander an, von denen jeweils die besten zehn weiterkamen. Danach drei Gruppen mit je zehn Mann, bis die 15 besten Schleuderer übrig waren.
Bisher hatte Juan keine Probleme gehabt, er hatte die meisten Punkte in seinen Gruppen erkämpft. Unter den 15 Mann wurden wiederum die besten fünf ausgefochten: ein Australier, Juan, zwei seiner Freunde und der Deutsche.
Juan war zuversichtlich, er würde gewinnen können, keine Frage. Der Australier hatte eine sehr gute Technik, aber er zielte nicht perfekt. Wenn er die Eisenplatte traf, dann nur am Rand – er hatte viel Glück gehabt, überhaupt so weit zu kommen. Seine beiden Freunde würde er besiegen, da war sich Juan sicher, der Amerikaner war schwer einzuschätzen, ihn hatte er kaum beobachten können. Und der Deutsche, na ja. Sicher, er traf, aber er schien das Ganze nicht so ernst zu nehmen, denn zwischen den einzelnen Würfen trank er jeweils eine Dose Bier, was laut Statuten nicht verboten war. Aber er hatte eine große Fangemeinde, die ihn lauthals unterstützte und sich am Rande der Wettkampfstätte äußerst übel aufführte: Überall ließen diese betrunkenen Leute leere Getränkedosen, kaputte Glasflaschen und Verpackungen liegen und verloren sich in haarstäubendem Gebrüll, das sich anhörte, als stamme es von einer sprichwörtlichen Horde von Vandalen.
Das Finale fand nach einer längeren Pause am frühen Abend statt. Die Deutschen hatten die meisten Plätze bereits besetzt, bevor die Einheimischen eintrafen, um Juan und seine beiden Freunde zu unterstützen. Lauter Jubel brandete auf, als Willi Sievers aus Hannover die Wettkampfstätte betrat. Er trug ein schwarzes Achselhemd mit dem schrillen Aufdruck »Sangria saufen ist wie Koma kaufen«. Willi hatte sich zudem eine gelbe Krone aus Pappe einer Fastfood-Kette aufgesetzt, ein überheblicher Scherz.
Der Wettbewerb ging los. Vorausschauend hatten die Veranstalter am Abend Dosen und Flaschen verboten, was die deutschen Fans aber nicht daran hinderte, jede Bewegung ihres Landsmannes lautstark zu bejubeln.
Juans beide Freunde waren schnell ausgeschieden, der Australier wurde Dritter, sodass Juan und Willi nun die letzten beiden waren, die um den Titel kämpften.
Willi war der Erste, der den finalen Wurf auf 100 Meter tätigen musste. Er holte aus, ließ die Schleuder viermal kreisen und zog ab. Peng, der Stein traf die Holztafel mit voller Wucht. Willi riss die Arme hoch und ließ sich von seinen Fans feiern. Zweimal schritt er am Publikum vorbei. Als er auf der Höhe von Juans Mutter war, die ganz vorne einen Ehrenplatz innehatte, zwinkerte Willi ihr zu, wobei er unverschämt grinste. Und seine Mutter, kein Kind von Traurigkeit, zwinkerte zurück und lachte.
Juan hatte das Gefühl, dass ihm gleich der Hals platzte. Sein Herz schlug wie wild vor Zorn. Dieser unverschämte Kerl! Seine Verachtung für diesen Willi nahm ihm schier die Luft. Der Schiedsrichter hob die Hand, die Aufforderung an Juan, sich in Position zu bringen.
Als er nach vorne ging, strauchelte er kurz. Die Menge stimmte Buh-Rufe und Pfiffe an. Was war hier los?, fragte Juan sich. Zögerlich grub er nach einem Stein in seiner Tasche, war sich unsicher, welchen er nehmen sollte. Er zitterte. Dann starrte er seine Schleuder an, die sein Großvater ihm geschenkt hatte. Immer noch irritiert legte er den Stein auf das Lederstück und beschleunigte eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, er konnte nicht loslassen, sieben, acht, neun und los. Der Stein flog davon, Juans Blick fiel nur kurz auf die Holztafel, dann auf Willi, der mit hochgerecktem Kopf, die Hände in die Hüften gestützt, feixend zusah. Der Stein aber flog einige Meter an der Zielscheibe vorbei. Aus!
Der Deutsche sprang auf und hüpfte wie besessen auf und ab. Willi Sievers, Weltmeister im Steinschleudern, der beste Foner Balear der Welt.
Juan war immer noch blass. Drei Tage lang hatte er im Bett gelegen. Frustriert, weinend und allein. Er hatte zwar den zweiten Platz belegt, aber für ihn fühlte es sich an wie der letzte. Seine Mutter hatte heute schon am Morgen das Haus verlassen, sie konnte ihn in diesem Zustand nicht ertragen, hatte sie gesagt. Ja, so war sie eben, mit Verlierern wollte sie nichts zu tun haben.
Juan raffte sich auf und wollte dorthin, wo Nelio einst gewonnen hatte, in das Teatre Romà, das theatrum romanum, sich besinnen, wieder Konzentration sammeln. Danach würde er zurück an die Wettkampfstätte gehen. Er würde die Zielscheibe wieder aufbauen und seine Scharte auswetzen, auch wenn das nur für ihn allein Bedeutung hatte. Er musste treffen, ansonsten könnte er nicht mehr in den Spiegel sehen.