Schmerzedukation - Nadine Schüßler - E-Book

Schmerzedukation E-Book

Nadine Schüßler

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Beschreibung

Schmerzexpertise in den Feldern der Gesundheitsversorgung Schmerz ist ein multidimensionales Phänomen und betrifft Menschen aller Altersstufen und Erkrankungen in jedem Stadium ihres Lebenslaufs. Neben den körperbezogenen Faktoren rücken zunehmend psycho-soziale Faktoren in den Fokus der Schmerzexpert_innen. Sie koordinieren den therapeutischen Prozess, beraten die Patient_innen und ihre Zu- und Angehörigen, fördern ihre Lebensqualität und gestalten maßgeblich ihre gesundheitliche Versorgung. In ihrer spezifischen Nähe zu Menschen mit Schmerz sind sie die professionellen Fachkräfte für Assessment, Diagnostik, Intervention und Evaluation in einem multiprofessionellen Kontext. Die insgesamt vier Bände zum Thema orientieren sich am Curriculum der European Pain Federation (EFIC) und verknüpfen die interdisziplinären Perspektiven mit praxisorientierten Erkenntnissen. Band 3: Edukative Kompetenzen im Schmerzmanagement Die Erfahrungen der Schmerzpatient_innen und die individuelle Bewältigung ihrer Situation sind der Anker der Beratung im Schmerzmanagement. Kaum eine Aufgabe erfordert so viel unmittelbar abrufbare Expertise und Kompetenz in der Pflege wie jene "sprechenden" Tätigkeiten der Edukation. Das Fachbuch zeigt auf, wie die Informationen gezielt und situationsadäquat vermittelt werden können, verweist auf die Besonderheiten bei unterschiedlichen Gruppen und deren beeinflussende Faktoren.

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Nadine Schüßler

Irmela Gnass

(Hrsg.)

Schmerzedukation

Schmerzexpertise nach dem EFIC-Curriculum

unter Mitarbeit von

Stefanie Berger

Ruth Boche

Anja Dragstra

Gundula Göbel

Rita Gruber

Nicola Hagen

Markus Heisel

Martina Kaufmann

Sven Kernebeck

Katharina Lex

Nadja Nestler

Ismail Özlü

Martina Petter

Dagmar Schäfer

Martin Schieron

Simone Schmidt

Manuel Schwanda

Erika Sirsch

Manuela Sternig

Tim Szallies

Roswitha Wimmer-Grötzl

Thomas Wittling

Schmerzedukation

Nadine Schüßler, Irmela Gnass (Hrsg.)

Programmbereich Gesundheitsberufe

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Gesundheitsberufe

Sophie Karoline Brandt, Bern; Jutta Berding, Osnabrück; Sinje Gehr, Göttingen; Heidi Höppner, Berlin; Heike Kubat, Feldbach; Christiane Mentrup, Zürich; Sascha Sommer, Bochum; Birgit Stubner, Erlangen-Nürnberg; Ursula Walkenhorst, Osnabrück; Claudia Winkelmann, Berlin

Nadine Schüßler, M.Sc. Pflegewissenschaft, Studierende im Nursing and Allied Health Sciences (Ph. D.) Programm der PMU Salzburg, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU), Salzburg

Irmela Gnass, Ass.-Prof.in Dr.in, Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU), Salzburg

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe AG

Lektorat Gesundheitsberufe

z.Hd.: Barbara Müller

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Barbara Müller

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: SDI Productions, GettyImages.com

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96216-0)

(E-PUB-ISBN 978-3-456-76216-6)

ISBN 978-3-456-86216-3

https://doi.org/10.1024/86216-000

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Schmerzedukation

1.1 Curriculum zur speziellen Schmerzpflege

1.1.1 Von der Algesiologischen Fachassistenz zur Speziellen Schmerzpflege

1.1.2 Zielsetzung des Curriculums

1.1.3 Orientierung am DQR-Qualifikationsrahmen

1.1.4 Spezielle Schmerzpflege im interprofessionellen Team

1.1.5 Förderung der Selbstpflegekompetenz und Edukation in der Speziellen Schmerzpflege

1.1.6 Ausblick

1.2 Suffizientes Schmerzmanagement bei und nach Entlassung aus dem Akutkrankenhaus

1.2.1 Schmerzmanagement im innerklinischen Bereich

1.2.2 Transfer des Schmerzmanagements in den extramuralen Bereich

1.2.3 Extramurales Schmerzmanagement

1.2.4 Konklusion

1.3 Menschen mit chronischen Schmerzen beraten

1.3.1 Chronische Schmerzen

1.3.2 Beratung in der Pflege

1.3.3 Fazit

2 Edukation zum pflegerischen Schmerzmanagement in der präoperativen Phase

2.1 Präoperative Edukation

2.1.1 Erkenntnisse zur präoperativen Edukation

2.1.2 Fazit

2.2 Edukation zur Bewältigung des akut-postoperativen Schmerzes

2.3 Edukation nach Operationen in der poststationären Phase

2.3.1 Edukation zur Steigerung der Gesundheitskompetenz und des Selbstmanagements

2.4 Patient_innenedukation von Health Professionals aus Sicht der Erwachsenenbildung (Andragogik)

2.4.1 Patient_innenedukation – eine Frage der Haltung

2.4.2 Die Rollen und Beratungsformen für die Patient_innenedukation

2.4.3 Die Rolle des Fachexpert_innen und die Fachberatung

2.4.4 Die Rolle des Coaches

2.4.5 Reflexion

2.5 Edukation mit transsexuellen Personen

2.5.1 Schmerzedukation

2.5.2 Adäquate Beratungssituation von Transgender-Personen bei Schmerzen

2.5.3 Schlussbetrachtung

3 Edukation von Menschen mit Schmerz in sozialen Netzwerken

3.1 Familiale Edukation zur Kariesprävention bei Kindern

3.1.1 Projektarbeit

3.1.2 Ergebnisse

3.1.3 Reflexionstreffen nach der Projektarbeit

3.1.4 Reduktion von Behandlungskosten durch Primärprävention

3.1.5 Resümee

3.2 Familienorientierter Ansatz in der Edukation

3.2.1 Inhalte der Edukation

3.2.2 Durchführung der Edukation

3.2.3 Problematiken und Lösungsansätze während der Edukation

3.2.4 Überprüfung edukativer Maßnahmen

3.2.5 Abschluss

3.3 Palliative Care und Edukation

3.3.1 Vorsorgeplanung – Herausforderungen für neurodegenerativ erkrankte Menschen

3.3.2 Vorsorgeplanung und Schmerzen

3.3.3 Reflexion

3.4 Pflegebedürftige alte Menschen und ihre Angehörigen

3.4.1 Als Pain Nurse in der Inneren Abteilung

3.4.2 Zusammenarbeit mit den Hausärzten und Hausärztinnen

3.4.3 Schulung der Fachpflegekräfte

3.4.4 Reflexion

3.5 Die Rolle meines Schmerzes in meinem Beziehungsgefüge

4 Gesundheitskompetenz in der Schmerzedukation

4.1 Health Literacy und Selbstmanagementfähigkeiten: Bedeutsame Faktoren für die Edukation

4.1.1 Formen der Patient_innenedukation

4.1.2 Gesundheitsförderung als Basis für die Edukation

4.1.3 Implikationen für die Edukation von Menschen mit Schmerzen

4.2 Digitale Gesundheitskompetenz

4.2.1 Abgrenzung zwischen Gesundheitskompetenz und digitaler Gesundheitskompetenz

4.2.2 Messung der digitalen Gesundheitskompetenz

4.2.3 Ergebnisse zur eHealth Literacy in Deutschland

4.2.4 Determinanten und Folgen einer geringen eHealth Literacy

4.2.5 Relevanz der digitalen Gesundheitskompetenz im Bereich der Schmerzedukation

4.2.6 Reflexion

4.3 Edukationsmaterialien auswählen

4.3.1 Die Wittener Liste

4.3.2 Bildbewertung – Die Erweiterung zur Wittener Liste

4.3.3 Beurteilung von Filmen

4.3.4 Information im Internet

4.3.5 Fazit

5 Edukation intraprofessionell

5.1 Schulung und Edukation

5.1.1 Zuständigkeitsbereiche von Pflegefachassistent_innen

5.1.2 Vermittlung von Schmerzerkennung und -erfassung

5.1.3 Methodisches Vorgehen

5.1.4 Fazit

6 Schmerzedukation implementieren

6.1 Schmerzedukation aus der Perspektive der Kostenträger implementieren

6.1.1 Chronische Schmerzen – ein Syndrom mit verschiedenen Risikopflegediagnosen

6.1.2 Phänomen Schmerz im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit und Pflegebedarf

6.1.3 Pflegerische Schmerzexpert_innen nach § 7a SGB XI

6.2 Schmerzedukation am Beispiel der NNN-Taxonomie

6.2.1 Fallbeispiel und NNN-basierte Pflegeplanung im Zusammenhang mit Schmerz

6.2.2 Fallanalyse und Pflegeplanung

6.2.3 Reflexion

6.3 Schmerzbezogene Kennzahlen und deren Nutzung in der Edukation am Beispiel psychiatrische Pflege

6.3.1 Schmerzmanagement in der Psychiatrie als Impuls für die Pflegepraxis

6.3.2 Beratung der Patient_innen und der Bezugsperson

6.3.3 Evaluation

6.3.4 Audit

6.3.5 Indikatoren

6.3.6 Fazit

Verzeichnis der Herausgeber_innen und Autor_innen

Sachwortverzeichnis

|9|Vorwort

Sehr geehrte Leser_innen,

kaum eine Aufgabe erfordert so viel unmittelbar abrufbare Expertise und Fachkenntnis in der Pflege, wie jene „sprechenden“ Tätigkeiten der Edukation. Mit meist weniger, als mehr Vorbereitung sind fach-, situations- und zielgruppenspezifische Informationen abzurufen und auf mehr oder weniger drängende Fragen von Patient_innen zu reagieren.

Wir freuen uns daher sehr Ihnen ein weiteres Buch der Buchreihe Schmerzexpertise präsentieren zu können, dass der Edukation der Patient_innen aber auch der Kolleg_innen Raum lässt und neben der fachlichen Expertise rund um das Thema Schmerz auch die edukativen Kompetenzen unterstützen, fördern und auf einen aktuellen Stand bringen will.

Leitend für die thematische Gestaltung war dabei – wie bereits bei den ersten Bänden dieser Reihe – das EFIC® Core Curriculum for European Diploma in Pain Nursing, welches das Rückgrat der Pain Nurse Ausbildung im deutschsprachigen Raum darstellt.

Alle Autor_innen beleuchten mit ihren Beiträgen zudem Elemente, die sich in den Empfehlungen vom Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz widerspiegeln. Mit der zunehmenden Verbreitung des Konzeptes als Edukationsziel können hierzu auch in der Schmerzedukation große Potentiale gehoben werden. Schmerzedukation richtet sich an Menschen mit u. a. chronischer Erkrankung, deren Schmerz sie „in allen Lebenswelten“ beschäftigt und erhebliche Gesundheitskompetenz erfordern kann.

Die Edukation im Schmerzmanagement bezieht sich auf die Vermittlung von Erkenntnissen (Informationen), der gezielten Unterweisung von Maßnahmen (Schulungen) die im Selbstmanagement zur Verbesserung der Gesundheitssituation, hier Schmerzsituation angewendet werden können. Ebenfalls spielt die Beratung im Schmerzmanagement, z. B. zur Schmerztherapie eine wesentliche Rolle zur Förderung der Gesundheitskompetenz. Die Edukation und Erfahrungen mit dem Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen werden hierbei von Betroffenen wie Behandlern und Forschenden berichtet. Im vierten Kapitel des Buches wird diesem Konzept zudem die digitale und organisational-mediale Gesundheitskompetenz zur Seite gestellt.

Mit dem ersten Kapitel eröffnet die Schmerzedukation, wie diese curricular verankert wurde sowie im Kontext chronischer Schmerzen und in einer Aufnahmesituation umgesetzt werden kann den Reigen der thematischen Auseinandersetzung. Das zweite Kapitel widmet sich ganz der perioperativen Schmerzsituationen, jedoch auch über den Klinikaufenthalt hinaus bis in die Rehabilitation, wo über das Konzept des Coachings als edukativer Zugang reflektiert wird. Das soziale Netz als Motor, Bremsklotz – aber in jedem Fall Anwendungsrealität von schmerzbezogenen Maßnahmen steht im drit|10|ten Kapitel aus verschiedensten Perspektiven im Zentrum der Betrachtung.

Sicherlich ausbaufähig ist das Thema der kollegialen Beratung über Qualifikationsgrenzen und professionelle Zuständigkeiten hinweg, welchem im fünften Kapitel dennoch aus pädagogisch-praktischer Perspektive begegnet wird. Aus zahlreichen Schulungs- und Fortbildungssituationen ist uns gut bekannt, dass Schmerzedukation nur sehr wenig Raum erhält, wenn es um die Implementierung systematischen Schmerzmanagements geht. Aus diesem Grund haben wir mit dem sechsten Kapitel einige Eckpunkte hierzu zusammengestellten, die einen Implementierungsprozess darstellt und mit den Mitteln der NANDA-Pflegediagnosen und konkreten Kennzahlen implementierenden Schmerzexpert_innen die Aufgabe vielleicht erleichtern kann.

Wir wünschen Ihnen nun viel Freude beim Lesen der sehr diversen Perspektiven auf die Edukation im pflegerischen Schmerzmanagement.

|11|1  Schmerzedukation

Nadine Schüßler und Irmela Gnass

Die zentrale pflegerische Aufgabe, Menschen mit individuellen Schmerzen situationsspezifisch und an individuelle Möglichkeiten orientiert entsprechend zu beraten, steht als übergeordnete Thematik im Zentrum dieses Kapitels. Im aktuellen Curriculum der Deutschen Schmerzgesellschaft, das Erika Sirsch im ersten Kapitel vorstellt wurden diese Anforderungen neu überarbeitet und angepasst berücksichtigt. Gundula Göbel nimmt sich in ihrem Beitrag die Entlassungsvorbereitung und Entlassungsplanung von Patient_innen mit Schmerzproblemen unter der Frage vor, wie hier die notwendige Beratung geleistet werden kann. Zuletzt zeigt Markus Heisel, welche Auswirkungen das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (im weiteren PflBRefG) aus dem Jahr 2017 für die beratenden Aufgaben Pflegender nicht nur in der Schmerzedukation hat. Mit spezifischem Blick auf Menschen mit chronischen Schmerzen zeigt er, dass mit der besonderen Expertise der Pflegenden ein zentraler Schritt gegen das Wissensdefizit von Betroffenen unternommen werden kann.

|13|1.1  Curriculum zur speziellen Schmerzpflege

Erika Sirsch und Nadja Nestler

Das aktuelleCurriculum zum pflegerischen Schmerzmanagement (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021) löste im Oktober 2021 das bis dahin bestehende Curriculum zur zertifizierten Weiterbildung „Algesiologische Fachassistenz“ ab. Dabei wurde das Curriculum erweitert, so dass nun ein Programm zur Qualifizierung von Pflegefachmänner und Pflegefachfrauen sowohl in der berufsfachschulischen als auch in der hochschulischen Aus-, Fort- und Weiterbildung vorliegt. Zentrale Veränderungen zum bislang bestehenden Curriculum sind neben der konsequenten Kompetenzorientierung die Ausformulierung dieser Kompetenzen für die unterschiedlichen beruflichen Qualifikationsstufen der pflegerischen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Zudem wurde der Name des Curriculums verändert, der Begriff der Fachassistenz wurde durch die „Pflegefachfrau, bzw. den Pflegefachmann für Spezielle Schmerzpflege“ ersetzt.

Dieser Beitrag bietet einen Überblick zur Konzeption dieses Curriculums mit einem Blick auf exemplarische Inhalte zum Schwerpunkt Edukation.

1.1.1  Von der Algesiologischen Fachassistenz zur Speziellen Schmerzpflege

Bereits vor über 20 Jahren entwickelten die Mitglieder des Arbeitskreises Krankenpflege und medizinische Assistenzberufe in der Schmerzmedizin1 der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. das erste Curriculum zur „Algesiologische Fachassistenz“. Im Jahr 2001 startete in Köln die erste Weiterbildung zum pflegerischen Schmerzmanagement. Von Beginn an wurde dieses Basiscurriculum einer Qualitätssicherung unterzogen, kontinuierlich evaluiert und entsprechend adaptiert. Diese Qualitätssicherung wurde durch die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V., als größte themenbezogene interprofessionelle Fachgesellschaft, begleitet. Weiterbildungen, die auf diesem Curriculum basieren, wurden durch die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. zertifiziert (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Dadurch konnte das Curriculum zur „Algesiologischen Fachassistenz“ über 20 Jahre hinweg sehr erfolgreich etabliert werden.

Mit dem Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [BMFSFJ], 2022) wurde allerdings eine sehr grundsätzliche Überarbeitung erforderlich. Im Pflegeberufegesetz ist erstmalig geregelt, dass neben der fachschulischen Ausbildung zur/ zum „Pflegefachfrau / -mann“ [sic] auch ein grundständig berufsqualifizierendes Bachelorstudium möglich ist. Damit sind nicht nur eine parallele berufsfachschulische und hochschulische Ausbildung möglich, auch eine jeweils darauf aufbauende berufsfachschulische und hochschulische Fort- und Weiterbildung im Bereich der Schmerzpflege ist dadurch erforderlich. Auch ein, auf das primärqualifizierende Bachelorstudium aufbauender (ggf. schmerzbezogener) Masterstudiengang, bspw. zur Advanced Practice Nurse (APN) ist nunmehr denkbar. Zudem erfordert die generalistische Ausbildung, dass alle Altersgruppen in der Pflege von Menschen mit Schmerzen – vom Säugling bis zum hochbetagten Menschen – differenziert berücksichtig werden müssen.

Aufgrund dieser strukturell veränderten Situation und des stetig komplexer werdenden Schmerzmanagements setzten das interprofessionell besetzte Präsidium und der Ständige Beirat der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. eine Ad-hoc-Kommission „Curriculum |14|Pflegefortbildung und Schmerz“ ein, die eine Überarbeitung des bisherigen Curriculums vornehmen sollte. Die Mitglieder dieser Ad-hoc Kommission wurden absichtsvoll mit unterschiedlicher Expertise ausgewählt, sie arbeiten bspw. in der direkten Versorgung von Menschen mit Schmerzen als Expert_innen in Schmerzdiensten, sind in der ständigen, interprofessionellen Kommission für Aus-, Weiter- und Fortbildung der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. aktiv oder in der Forschung und Lehre als Pflegewissenschaftler_innen tätig2.

1.1.2  Zielsetzung des Curriculums

Zu Beginn der Überarbeitung wurden von den beteiligten Expert_innen grundlegende Entscheidungen zur Zielsetzung getroffen. Das aktualisierte Curriculum sollte an das europäische „Core Curriculum for the European Diploma in Pain Nursing“ der European Pain Federation (EFIC, 2019) anschlussfähig sein. Damit war die Fokussierung auf Fach- und personale Kompetenzen verbunden, die bislang gültige Orientierung an der Formulierung von Inhalten zur Schmerzpflege wurde aufgegeben.

Zudem orientiert sich das Curriculum am Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) (Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz, 2022) und schafft damit einen Rahmen für die beruflichen Kompetenzstufen 4–7 und bildet sowohl die berufsfachschulische als auch die hochschulische Aus-, Fort- und Weiterbildung ab (Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz, 2022).

Ein weiterer Auftrag des Präsidiums der Deutschen Schmerzgesellschaft war, dass bei dieser grundlegenden Überarbeitung auch Schnittstellen zu anderen Kursen oder Schulungen (insbesondere in der Palliative Care) geklärt und der Dialog zur Anerkennung des Curriculums auch mit den bereits bestehenden oder sich etablierenden Pflegekammern geführt werden sollte (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Bei dieser Fülle an Anforderungen war rasch klar, dass es sich weniger um eine Überarbeitung als vielmehr um eine Neuformulierung des Curriculums handelte.

Als zentrale Zielsetzung wurden fachliche und personale Kompetenzen zur speziellen Schmerzpflege auf unterschiedlichen DQR-Level formuliert. Diese sind in übergeordnete Kapitel gegliedert, die an das EFIC-Curriculum angelehnt sind:

Schmerzwissenschaft und Wissen

Interprofessionelles Arbeiten und Lernen

Grundsätze des Assessment und der Einschätzung von Schmerz

Grundsätze der Behandlung

Spezielle Patient_innengruppen

Edukation

Qualitätssicherung des Schmerzmanagements

1.1.3  Orientierung am DQR-Qualifikationsrahmen

Die im DQR-Qualifikationsrahmen definierten Niveaus umfassen Bildungsabschlüsse von unterstützenden Berufen ohne differenzierte Ausbildung bis hin zur Promotion. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022) weist auf seiner Homepage aus, dass der regulierende Qualifikationsrahmen Bildungswege und Anschlussmöglichkeiten definiert, die innerhalb eines Bildungssystems existieren

Der DQR unterscheidet zwischen acht Niveaus zur allgemeinen Beschreibung der Kompetenzen, die im deutschen Bildungssystem erworben werden können.

Die acht Kompetenzstufen (DQR-Niveaus) werden in drei Ebenen gegliedert:

|15|

Abbildung 1-1:  DQR-Niveaus des Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) (Sirsch, 2022a, S. 21)

Im Rahmen der Überarbeitung, bzw. der Neuerarbeitung des Curriculums fokussierten die Expert_innen in einem ersten Schritt auf die DQR-Niveaus 4 bis 7, entsprechend der berufsfachschulischen Ausbildung (DQR 4), der Fachweiterbildung (DQR 5), sowie den hochschulischen Abschlüssen Bachelor (DQR 6) und Master (DQR 7). Die in diesen Ebenen angelegten Niveaus werden auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz differenziert für alle beruflichen Abschlüsse ausgewiesen (Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz, 2022; Sirsch, 2022a):

„(…) Niveau 4: beschreibt Kompetenzen zur selbständigen Planung und Bearbeitung fachlicher Aufgabenstellungen in einem umfassenden, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld.

Niveau 5: beschreibt Kompetenzen zur selbständigen Planung und Bearbeitung umfassender fachlicher Aufgabenstellungen in einem komplexen, spezialisierten, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld.

Niveau 6: beschreibt Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.

Niveau 7: beschreibt Kompetenzen zur Bearbeitung von neuen komplexen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in einem wissenschaftlichen Fach oder in einem strategieorientierten beruflichen Tätigkeitsfeld. Die Anforderungsstruktur ist durch häufige und unvorhersehbare Veränderungen gekennzeichnet. (…)“ (Beschreibung der beruflichen DQR-Niveaus 4–7; Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz, 2022)

Die Orientierung am DQR-Qualifikationsrahmen hatte zur Folge, dass die übergeordneten Kapitel für die jeweils adressierten Kompetenzniveaus im Curriculum ausformuliert werden mussten.

Der spezifische Fachqualifikationsrahmen Pflege (FQR-Pflege) greift diese Einteilung für die DQR-Niveaus 6–8 (Abbildung 1-1) mit hochschulischer Bildung auf (Dangel et al., 2013; Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021; Sirsch, 2022a). Darin werden, wie im DQR, übergeordnet die Fach- und Personale Kompetenz unterschieden. Die Fachkompetenz gliedert sich wiederum in Wissen und Fertigkeiten, die Personale Kompetenz umfasst die Haltung der handelnden Person.

Im FQR-Pflege für hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen werden die Kompetenzlevel entlang des Pflegeprozesses formuliert. Unter dem Begriff des Wissens werden die Kenntnisse, vor allem auch wissenschaftliche Erkenntnisse und das Verständnis verortet, während der Begriff der Fertigkeiten die Analyse, die Planung, die Durchführung sowie die Evaluation geplanter und durchgeführter Maßnahmen umfasst. Die personale Kompetenz der |16|Haltung bezieht sich auf die Professionalität der Pflegefachpersonen (Dangel et al., 2013; Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021; Sirsch, 2022a, S. 22).

Dieser Auslegung von Kompetenz, wie sie im FQR-Pflege definiert ist, schlossen sich die Expert_innen bei der Überarbeitung des Curriculums zur Speziellen Schmerzpflege an. Für alle DQR-Niveaus werden daher die Kompetenzen in den Dimensionen Wissen, Fertigkeiten und Haltung ausgewiesen.

1.1.4  Spezielle Schmerzpflege im interprofessionellen Team

Mit der Einführung des Begriffs der Speziellen Schmerzpflege wurde mehr als nur eine kosmetische Korrektur des Titels des Curriculums vorgenommen. Der Begriff der „Fachassistenz“ entspricht seit langem nicht mehr dem professionellen Berufsverständnis von Pflegefachpersonen. Pflegefachpersonen sind bspw. in stationären Settings vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen der Woche im direkten Kontakt mit betroffenen Menschen. Pflegefachpersonen sind für den Pflegeprozess verantwortlich und damit auch für das Schmerzmanagement im Alltag der Menschen mit Schmerzen. Auch durch die Zuordnung von vorbehaltlichen Aufgaben an Pflegefachpersonen durch den Gesetzgeber entspricht eine „Assistenzrolle“ von Pflegefachkräften faktisch nicht mehr den erforderlichen Kompetenzen im Schmerzmanagement (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021; Weidner, 2021). Durch die Regelungen des Pflegeberufegesetz ist es Pflegefachfrauen und -männern vorbehalten den individuellen Pflegebedarf zu erfassen und den Pflegeprozess auf dieser Basis zu steuern und zu evaluieren.

„Die pflegerischen Aufgaben im Sinne des Absatzes 1 umfassen die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs (…), die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses (…), die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege (…)“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [BMFSFJ], 2022).

Allerdings ist das Schmerzmanagement nicht ausschließlich monoprofessionell, also nicht nur einer Profession vorbehalten. Das bedeutet für Pflegefachpersonen, dass bspw. die Erfassung des Pflegebedarfes in eine interprofessionell umfassende Schmerzdiagnostik eingefügt werden muss. Damit wird die Grundlage für die interprofessionelle Behandlungsplanung zum Phänomen Schmerz gelegt. Nur so kann die Steuerung und Evaluierung des gesamten Schmerzmanagementprozesses gelingen.

Eine weitere Grundvoraussetzung einer gelingenden interprofessionellen Zusammenarbeit ist, dass die Kompetenzen aller beteiligten Akteur_innen für alle Beteiligten transparent sind und der Kompetenz der handelnden Personen gegenseitig vertraut wird (Sirsch, 2022b).

Der Aufbau des aktuellen Curriculums trägt dieser Anforderung an interprofessionelles Arbeiten Rechnung, in dem die Kompetenzlevel der Pflegefachpersonen auf der persönlichen und fachlichen Ebene – in Abhängigkeit der beruflichen Qualifikationsstufe – definiert und offengelegt werden. Damit geht das Curriculum in seinem beruflichen Geltungsbereich über den Expertenstandard zum Schmerzmanagement hinaus (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), 2020). Dieser richtet sich an berufsfachschulisch ausgebildete Pflegefachpersonen, ohne zusätzliche Aus- oder Weiterbildung zum Schmerzmanagement.

Das Curriculum zur Speziellen Schmerzpflege hingegen adressiert die Kompetenzen in den berufsfachschulischen (DQR 4 & DQR 5) und hochschulischen Aus-, Fort- und Weiterbildungen (DQR 6 & DQR 7).

In der inter- und intraprofessionellen Zusammenarbeit ist es von Bedeutung, dass die jeweiligen Kompetenzen allen handelnden Personen |17|bekannt sind. Dabei sollte im interprofessionellen Team transparent sein, dass in der pflegerischen Grundausbildung, ob nun berufsfachschulisch (DQR 4) oder hochschulisch als berufsqualifizierender Bachelorstudiengang (DQR 6) Basiskompetenzen im Schmerzmanagement vermittelt werden. Eine berufsfachschulische (DQR 5) oder hochschulische (DQR 7) Basisqualifizierung in Spezieller Schmerzpflegte sollte dem Stand des Expertenstandard zum Schmerzmanagement (DNQP, 2020) entsprechen. Eine über diese Basisqualifizierung hinausgehende spezielle Schmerzpflege bedarf sowohl auf dem DQR-Niveau 4 als auch auf dem DQR-Niveau 6 einer qualifizierten Fort- bzw. Weiterbildung. Dazu bietet das vorliegende Curriculum einen programmatischen Rahmen.

Der Begriff der Speziellen Schmerzpflege fügt sich zudem in den Kanon der interprofessionellen Namensgebung innerhalb der, von der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. entwickelten Curricula ein. So sprechen bspw. auch Ärzt_innen von Spezieller Schmerzmedizin, die Psycholog_innen von Spezieller Schmerzpsychotherapie und die Physiotherapeut_innen von Spezieller Schmerzphysiotherapie.

Um der Anschlussfähigkeit Rechnung zu tragen, wurde das Curriculums einem mehrstufigen Review Verfahren unterzogen. Dazu wurden Expert_innen in und nach der Schmerzversorgung, Vertreter_innen der Pflegeverbände und Gesellschaften gebeten, den Entwurf kritisch zu prüfen und die, aus der jeweiligen Perspektive (u. a. der Fachgruppe Pflegeexpert/innen [sic] Schmerz des DBfK, der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, einem Vertreter der Palliativmedizin, dem Arbeitskreis Physiotherapie oder dem Deutschen Pflegerat) relevante Ergänzungen, Veränderungen oder Anmerkungen schriftlich zu formulieren. Das Curriculum wurde daraufhin angepasst und den Expert_innen erneut zur kritischen Prüfung vorgelegt, bevor es durch das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. final verabschiedet wurde. Damit sollte eine größtmögliche Akzeptanz aller beteiligten Akteur_innen erreicht werden.

1.1.5  Förderung der Selbstpflegekompetenz und Edukation in der Speziellen Schmerzpflege

Bei aller Professionalität der handelnden Akteur_innen, für die dieses Curriculum gilt, sind es aber vor allem die betroffenen Menschen mit Schmerz und ggf. ihre An- und Zugehörigen, die von den Kompetenzen profitieren sollen. Die betroffenen Menschen können und müssen aktiv an ihrem Behandlungsprozess mitwirken. Dabei können Pflegefachpersonen unterstützen, denn, um mit Virginia Henderson zu sprechen, basiert Pflege auf den Unterstützungen, die:

„(…) dem kranken oder auch gesunden Menschen bei der Verrichtung von Aktivitäten (…), die seiner Gesundheit oder Wiederherstellung (oder auch einem friedlichen Sterben) förderlich sind und die er ohne Beistand selbst ausüben würde, wenn er über die dazu erforderliche Stärke, Willenskraft oder Kenntnis verfügen würde.“ (Henderson, 1997).

Pflegefachpersonen können dazu beitragen, indem sie Bedarfe identifizieren und analysieren, soweit möglich selbstfördernde oder edukative Maßnahmen planen, durchführen und evaluieren. Sie sind nicht zuletzt durch die vorbehaltlichen Aufgaben dazu verpflichtet.

Auszugsweise werden nachfolgend einige der Kompetenzen zu Wissen, Fertigkeiten und Haltung von Pflegefachpersonen vorgestellt. Dabei wird zwischen den Basisqualifizierungen der berufsfachschulischen und hochschulischen Ausbildungen, sowie den jeweiligen Weiterqualifizierungen differenziert.

An zwei Stellen im Curriculum wird auf die pflegerischen Kompetenzen zur Förderung der Selbstpflege und der Edukation Bezug genommen. Zunächst sind erforderliche pflegerische Kompetenzen zur Förderung der Selbstpflegefähigkeit von Menschen mit Schmerzen dem Kapitel „Grundsätze der Behandlung“ vorange|18|stellt (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Damit wird deutlich, dass die Schmerzbehandlung ein aktiver Prozess ist, der die Teilhabe und die Mitwirkung der betroffenen Menschen und ggf. ihrer An- und Zugehörigen erfordert. Der eigentlichen Edukation ist zudem ein eigenes Kapitel gewidmet (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021), womit der zunehmenden Bedeutung von pflegerischen Aufgaben in der Edukation Rechnung getragen wird. Zum Vergleich: Auch der Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ widmet der Beratung von Menschen mit Schmerzen eine eigene Standardebene (DNQP, 2020).

Basisqualifikation

Als Basiskompetenz (DQR 4) zur Förderung der Selbstpflegekompetenz sollten Pflegefachpersonen die Präferenzen und Bedürfnisse der Menschen mit Schmerzen berücksichtigen, sie sollten Maßnahmen benennen und die entsprechenden Maßnahmen unterstützen können (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Bachelorabsolvent_innen (DQR 6) sollten zudem in der Lage sein, geeignete Konzepte zu identifizieren, den Inhalt in die Pflegepraxis zu transferieren und die evidence-basierte Förderung im interprofessionellen Team kritisch zu diskutieren (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021).

Kompetenzen nach einer Weiterqualifizierung

Berufsfachschulisch weiterqualifizierte Pflegefachpersonen (DQR 5) sollten u. a. darüber hinaus in der Lage sein, methodische und fachliche Grundlagen der Schulungs- und Beratungsgespräche zu benennen und ggf. für die Nutzung zu adaptieren. Sie sollten Maßnahmen zur Förderung konzipieren können und diese im interprofessionellen Team kritisch reflektieren (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Masterabsolvent_innen (DQR 7) sollten zudem Konzepte inhaltlich und methodisch bewerten können, in der Lage sein, diese anzuwenden sowie die Integration in den beruflichen und privaten Alltag der betroffenen Menschen zu gestalten (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021).

Damit unterscheidet sich die Förderung der Selbstpflegekompetenzen von edukativen Maßnahmen. Darunter werden im Curriculum explizit pädagogisch/psychologische Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes verstanden. Das Ziel von Edukation ist es demnach Menschen mit Schmerzen und bei Bedarf ihre Angehörigen dazu zu befähigen, sich notwendiges Wissen über ihre Krankheit und die damit einhergehenden Veränderungen anzueignen, um den Alltag zu bewältigen (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021). Edukation ist als kontinuierlicher Prozess elementarer Bestandteil der Schmerzbehandlung.

Pflegefachpersonen sollten daher über das Wissen und die Fertigkeiten verfügen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation und der Ressourcen die Gestaltung und Steuerung von Edukation für unterschiedliche Zielgruppen und Schmerzarten anzuwenden und situativ anzupassen (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz, 2021).

Auch hier sind für die unterschiedlichen DQR-Kompetenzniveaus unterschiedliche Verantwortungsbereiche zur Edukation definiert. Auch diese Verantwortungsbereiche differenzieren sich in den berufsfachschulischen und hochschulischen Grund- und Weiterqualifizierungen.

Der Kompetenzerwerb zur Gestaltung und Steuerung einfacher und individueller Edukationsangebote ist Teil der berufsqualifizierenden |19|berufsfachschulischen und hochschulischen Basisqualifikation:

DQR 4 = Steuerung und Gestaltung einfacher Edukationsangebote zum Thema Schmerz.

DQR 6 = Steuerung und individuelle Ausgestaltung von Edukations-angeboten; Recherche aktueller Wissensbestände zur Edukation von Menschen mit Schmerzen

Die Verantwortungsübernahme und Evaluation erweiterter Edukationsangebote ist an berufsfachschulisch oder hochschulisch fort- oder weitergebildete Pflegefachpersonen gebunden:

DQR 5 = Übernahme der Verantwortung zur Steuerung, Ausgestaltung und Evaluation erweiterter individueller Edukationsangebote

DQR 7 = Steuerung und Ausgestaltung individueller Edukationsangebote und Evaluation spezieller Versorgungssituationen. Konzeptionelle Ausgestaltung der erforderlichen Rahmenbedingungen und Inhalte. Begleitung von Forschungsvorhaben.

Kompetenzen zu spezifischen Inhalten der Edukation werden in den Fort- und Weiterbildungen (DQR 5 und 7) vermittelt. So z. B. bei Fort- und Weiterbildungen im berufsfachschulischem DQR-Niveau 5 das Wissen zu spezifischen Edukationsinhalten, zu Theorien und Konzepten zur Edukation sowie zu Bewältigungsstrategien zur Verbesserung des Selbstmanagements und der Bedeutung der Selbstwirksamkeit. Die Fertigkeiten erstrecken sich in diesem Niveau u. a. darauf, dass individuelle Informationen bei spezifischen Schmerzerkrankungen gegeben und individuelle Edukationsinhalte umgesetzt werden können. Die Pflegefachpersonen sollten die Bedeutung der Edukation und ihren eigenen Fortbildungsbedarf reflektieren können.

Hochschulisch weiterqualifizierte Pflegefachpersonen (DQR 7) sollten darüber hinaus wissenschaftliche Grundlagen beschreiben und bewerten, Informationen zu individuellen Schmerzerkrankungen auswählen und einsetzen können. Diese Masterabsolvent_innen sollten in der Lage sein, Theorien und Konzepte zur Entwicklung von Selbstpflegekompetenzen einzusetzen. Sie sollten sich in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs zur Edukation von Menschen mit Schmerzen einbringen können.

Neben der Edukation für Menschen mit Schmerzen ist auch die Edukation für Angehörige anderer Gesundheitsberufe eine Aufgabe für Pflegefachpersonen. Diese wird im Curriculum, entsprechend des DQR-Kompetenz-Niveaus ebenfalls adressiert.

1.1.6  Ausblick

Was ist nun der Mehrwehrt eines solchen Curriculums und ist mit der Veröffentlichung dieses Kompetenzrahmens die Arbeit abgeschlossen?

Die Veränderungen im Pflegeberuf erfordern, dass Aus-, Fort- und Weiterbildungskonzepte zukunftsweisend ausgerichtet sind. Das ist mit dem Curriculum angestrebt worden. Und nein – die Arbeit ist natürlich nicht abgeschlossen, sondern geht in die zweite Runde. Nach dem Curriculum ist sozusagen vor dem Curriculum. Aktuell steht es an, Übergangsregelungen vom „alten“ zum „neuen“ Curriculum zu schaffen und bspw. Anerkennungsregelungen zu definieren.

Langfristig könnte auch ein curricularer Rahmen für die DQR-Niveaus 1 bis 3 geschaffen werden. Damit für alle Pflegepersonen, die in der Schmerzpflege tätig sind, ein Kompetenzrahmen zur Verfügung steht.

Danksagung

Die Autorinnen bedanken sich bei den Mitautor_innen des Curriculums der Ad-Hoc Kommission:

Prof. Dr. Thomas Fischer MPH, Professor für Pflegewissenschaft mit dem Schwerpunkt Altenpflege und Gerontologie, Evangelische Hochschule Dresden

Eveline Löseke BA, Sprecherin des Arbeitskreises Pflege und Schmerz, Qualitäts|20|management Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL)

Dr. Dipl. Psych. Paul Nilges, Sprecher der Kommission für Aus-, Weiter- und Fortbildung, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz

Petra Paul, stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises Pflege und Schmerz, Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin, KLW St. Paulus GmbH

Dipl. Pflegewirtin Birgit Wolff, Abtl. für Interventionelle u. perioperative Schmerztherapie, Sana Kliniken Sommerfeld, Kremmen.

Literatur

Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz. (2022). Der DQR – DQR Niveaus. Verfügbar unter https://www.dqr.de/dqr/de/der-dqr/dqr-niveaus/dqr-niveaus_node.html

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). (2022). Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz–PflBRefG). Verfügbar unter unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesan​zeiger_BGBl&jumpTo=bgbl117s2581.pdf#__bgbl_​_%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl11​7s2581.pdf%27%5D__1614269350443

Dangel, B., Dütthorn, N., Fesenfeld, A., Greb, U., Hülsken-Giesler, M., Korporal, J., Müller, A. C., Recken, H. & Sieger, M. (2013). Fachqualifikationsrahmen Pflege für die hochschulische Bildung. FQR Pflege, 6–8. Verlag Purschke + Hensel GmbH.

Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Ad-hoc-Kommission Curriculum Pflegefortbildung und Schmerz. (2021). Curriculum zum pflegerischen Schmerzmanagement. Verfügbar unter /https://www.schmerz​gesellschaft.de/fileadmin/2021/pdf/DS_Curr​ciulum_Schmerzmanagement_Pflege_20102021_Screen.pdf

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP). (2020). Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege. Aktualisierung 2020. Zugriff am 03.12.2022 unter https://www.dnqp.de/expertenstandards-und-auditinstrume​nte/

European Pain Federation (EFIC). (2019). Core Curriculum for the European Diploma in Pain Nursing. Available from https://europeanpainfederation.eu/wp-content/uploads/2019/11/EFIC-CORE-NURSING-WEB-FINAL-Published-on-website.pdf

Henderson, V. (1997). Das Wesen der Pflege. In D.Schaeffer, M.Moers, H.Steppe &A.Meleis (Hrsg.), Pflegetheorien. Beispiele aus den USA (S. 39–54). Hans Huber Verlag.

Sirsch, E. (2022a). Bezugsrahmen Kompetenz. In I.Gnass &E.Sirsch (Hrsg.), Die Komplexität des Schmerzes (S. 20–23). Hogrefe Verlag.

Sirsch, E. (2022b). Interprofessionelles Lernen. In I.Gnass &E.Sirsch (Hrsg.), Die Komplexität des Schmerzes (S. 157–161). Hogrefe Verlag.

Weidner, F. (2021). Vorbehaltsaufgaben in der Praxis – Vorbehaltsaufgaben in der Praxis. Die Schwester, Der Pfleger, 60(12), 20–25.

|21|1.2  Suffizientes Schmerzmanagement bei und nach Entlassung aus dem Akutkrankenhaus

Gundula Göbel

Vorab: der Terminus „Management“ hat Konjunktur und wird in vielen Zusammenhängen verwendet. Was genau bedeutet dieser Terminus aber? Management bedeutet: planvolles Handeln unter Einsatz von Ressourcen zur Erreichung eines angestrebten Zieles.

Schmerzmanagement beschäftigt sich also mit dem Ziel der Schmerzfreiheit oder – wenn Schmerzfreiheit trotz aller Anstrengungen nicht erreicht werden kann – zumindest größtmöglicher Schmerzlinderung einer betroffenen Person. Damit dies gelingen kann, braucht es einen etablierten Standard, entspringend aus einer Leitlinie, sowie entsprechende Ressourcen.

Während es innerhalb von Akutkrankenanstalten immer häufiger etablierte Standards, Leitlinien oder Standard Operating Procedures (SOP) gibt, fehlen besagte Strukturen und Prozesse im extramuralen Bereich häufig. Entlassungen aus dem akutstationären Bereich bergen die Gefahr von Versorgungseinbrüchen, also der Verschlechterung des bereits erzielten Behandlungserfolgs. Jedoch muss es das Ziel jeder Patient_innenüberleitung aus Akutkrankenanstalten in weiterbetreuende Bereiche sein, Versorgungsbrüche zu vermeiden und erreichte Behandlungserfolge nachhaltig abzusichern.

Dieser Anspruch ist nicht lediglich ein ethischer, sondern auch ein ökonomischer. Ob und unter welchen Bedingungen suffizientes Schmerzmanagement bei Entlassung aus einem Akutkrankenhaus gelingt und welchen Beitrag pflegerisches Schmerzmanagement dazu leisten kann, davon handelt dieser Beitrag.

1.2.1  Schmerzmanagement im innerklinischen Bereich

Schmerzen sind innerhalb von Akutkrankenanstalten ein allgegenwärtiges Phänomen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (2019) leiden mehr als 3,4 Millionen Menschen in Deutschland an chronischen Schmerzen. Hinzu kommen noch unzählige Menschen mit akutem Schmerzerleben. Oftmals sind Schmerzen primär der Aufnahmegrund in Krankenanstalten, dies vor allem bei Patient_innen mit chronischen Schmerzleiden, bei Patient_innen nach Unfällen oder mit akuten Krankheiten. Oder aber Schmerzen treten in Zusammenhang mit einer chirurgischen oder anderen ärztlichen Intervention auf.

Innerhalb von Krankenanstalten gibt es oftmals implementierte Regimes für das Schmerzmanagement: Dies kann die tägliche ärztliche Visite sein, bei welcher das subjektive Schmerzempfinden der Patient_innen erfragt und die Schmerzmedikation ggf. an sich verändernden Bedarf angepasst wird. Es gibt Selbsteinschätzungsinstrumente (z. B. VAS), routinemäßige Ausgabe von Schmerzmedikation und bei Bedarf auch zusätzliche Schmerzmedikamente. Die Dokumentation der verabreichten Medikamente erfolgt standardisiert. Im Idealfall (aber durchaus nicht immer) begleiten nichtmedikamentöse Maßnahmen (z. B. Physiotherapie, Psychotherapie, Entspannungsübungen, Massagen) den Behandlungsversuch.

Bei nicht verbal kommunikationsfähigen Patient_innen ist die pflegerische Beobachtung und Interpretation von Indikatoren für Schmerzempfinden sowie die Weitergabe dieser Einschätzung an den behandelnden Arzt, die behandelnde Ärztin oder das interprofessionelle Schmerzmanagementteam zentral für das weitere innerklinische Schmerzmanagement.

Das Schmerzmanagement ist meist in die innerklinischen Routinen eingebettet, die Befragung zu subjektivem Schmerzempfingen bzw. die Beobachtung von Schmerzempfinden, die Festschreibung von Art und Menge der Schmerzmedikation sowie die Verfügbarkeit |22|und Ausgabe von Medikamenten sind sichergestellt. Gleichfalls sichergestellt sollte die Verfügbarkeit bzw. Unterstützung beim gleichzeitigen Einsatz von nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung sein.

Im Idealfall gibt es in einer Klinik einen etablierten Schmerzmanagement-Prozess, konzipiert auf Grundlage eines Standards für Schmerzmanagement, welcher konsequent umgesetzt wird. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) hält dies in seinem Standard fest: S2a „Die Einrichtung verfügt über eine interprofessionell gültige Verfahrensregelung zum Schmerzmanagement für Betroffene mit chronischem Schmerz.“ (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege [DNQP], 2020, S. 27)

Jedoch merkt hierzu die European Pain Federation (EFIC) in ihrer Publikation vom September 2019 kritisch an:

„Although clear guidelines exist in many areas of pain management, these are not always followed, leading to unnecessary suffering of people in hospital und community settings. The consequences of uncontrolled pain are significant; longer hospital stay, hospital readmissions and lower patient or family satifsfaction. Furthermore, unrelieved acute pain can lead to the development of chronic pain.“ (European Pain Federation [EFIC], 2019, S. 8)

Die EFIC bringt es mit ihrem Statement auf den Punkt: durch Ignoranz bestehender Standards zum Schmerzmanagement entstehen – nebst hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten – unnötigerweise Einschränkungen in der Lebensqualität der Betroffenen durch Schmerzen, ein Umstand, den niemand goutieren kann.

Selbstverständlich werden aber Patient_innen mit chronischen Schmerzen und Patient_innen mit Schmerzen nach diagnostischen und/oder therapeutischen Eingriffen aus Akutkrankenanstalten entlassen. Um den erreichten Erfolg in der Schmerzbehandlung nachhaltig zu konservieren, kommt der Entlassungsvorbereitung und Entlassungsplanung dieser Patient_innen eine große Bedeutung zu. Für die Entlassungsplanung gibt es – ebenso wie für das Schmerzmanagement – einen Standard, um sämtliche für den „Entlassungserfolg“ relevante Parameter abzubilden. Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) führt dies in seinem Expertenstandard Entlassungsmanagement mit folgendem Statement aus: „Jede*r Patient*in [sic] mit erwartbaren poststationären Versorgungsproblemen und einem daraus resultierenden Pflege- und Unterstützungsbedarf erhält ein individuelles Entlassungsmanagement zur Sicherung einer kontinuierlichen bedarfsgerechten Versorgung“ (DNQP, 2019, S. 25).

Das DNQP zeigt hierbei auf, welche Ressourcen in Form von Prozessstandards, Assessmentinstrumenten, Personal, Expertisen, Räumlichkeiten, Schulungsmaterialen und Zeitressourcen das Akutkrankenhaus vorhalten muss, um grundlegende Voraussetzungen für eine gelungene Entlassung der Patient_innen zur Verfügung zu stellen. Die Notwendigkeit, Bedeutung und Wirksamkeit von patient_innenedukativen und/oder angehörigenedukativen Maßnahmen ist in der wissenschaftlichen Literatur hinlänglich ausgeführt (Schieron et al., 2021; Redman, 2009).

Sämtliche Prozesse und Konzepte, die erarbeitet wurden, entfalten ihre Wirkung jedoch nicht zwangsläufig durch ihre Niederschrift, sondern dadurch, dass sie erfolgreich implementiert und gelebt werden. Dies trifft auch auf die Implementierung von „neuem Wissen“ in die Praxis zu (Moers et al., 2017). Hierbei kommt den Pflegepersonen eine sehr zentrale Rolle bei der proaktiven Initiierung eines Kommunikationsprozesses mit den intra- und extramuralen Partner_innen zu.

1.2.2  Transfer des Schmerzmanagements in den extramuralen Bereich

Wie suffizient das Schmerzmanagement betroffener Personen im extramuralen Bereich ver|23|läuft, hängt von drei Faktoren ab, die in folgenden Fragen Beantwortung finden:

Wie erfolgreich war das innerklinische Schmerzmanagement?

Wie erfolgreich war der erforderliche Informationstransfer in den extramuralen Bereich?

Wie erfolgreich wird das Schmerzmanagement im extramuralen Bereich verfolgt und umgesetzt? (Abbildung 1-2)

Abbildung 1-2:  Informationstransfer (eigene Darstellung)

Innerklinisches Schmerzmanagement

Um herauszufinden, ob und inwieweit das innerklinische Schmerzmanagement erfolgreich ist/war, müssen folgende Fragen gestellt und beantwortet werden:

Waren Schmerzen der primäre Grund für die Aufnahme in ein Akutkrankenhaus oder waren Schmerzen eine Nebendiagnose oder aber eine (unvermeidbare) Nebenwirkung eines diagnostischen oder therapeutischen Eingriffes?

Erfolgte eine Schmerztherapie nach einem etablierten Standard bzw. nach einem implementierten Prozess?

Welche medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Schmerzbehandlung kamen zum Einsatz?

Waren die umgesetzten medikamentösen und ggf. nichtmedikamentösen Maßnahmen erfolgreich? Im Sinne von:

Wurde Schmerzlinderung erreicht?

Wenn nicht: Blieben Optimierungspotentiale unausgeschöpft?

Wurden medikamentöse und/oder nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Erreichung von Schmerzlinderung eingesetzt und mangels Erfolg wieder aufgegeben?

Wenn ja: welche Maßnahmen waren dies?

Ist die von Schmerzen betroffene Person in der Lage, proaktiv am Schmerzmanagement-Prozess teilzunehmen bzw. diesen maßgeblich mitzugestalten?

Sind patient_innenedukative Maßnahmen erforderlich, um die von Schmerzen betroffene Person zu befähigen, eine aktive und gestaltende Rolle im Prozess des Schmerzmanagements wahrzunehmen?

Sind zur Erreichung und zum Erhalt einer stabilen Schmerzsituation patient_innen- und ggf. angehörigeneduktive Maßnahmen erforderlich?

Sofern patient_innen- und/oder angehörigenedukative Maßnahmen erforderlich sind, um das innerklinisch begonnene Schmerzmanagement erfolgreich außerhalb des Krankenhauses weiterzuführen, sind weitere Aspekte zu beleuchten:

Ein Abgleich der für die Fortführung eines erfolgreichen Schmerzmanagements im extramuralen Bereich erforderlichen Maßnahmen mit den kognitiven und feinmotorischen Möglichkeiten der betroffenen Person ist erforderlich.

Sind die kognitiven und/oder feinmotorischen Fähigkeiten nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorhanden, muss in einem weiteren Schritt abgeklärt werden, ob es andere Personen im sozialen Umfeld der betroffenen Person gibt, welche diese proaktive Rolle im Prozess für die von Schmerzen betroffene Person übernehmen können.

Ist diese Abklärung erfolgt und ggf. Konsens hergestellt, müssen erforderliche patient_innen- oder angehörigenedukative Maßnahmen durchgeführt werden, dies bedeutet konkret: Erforderliche Kenntnisse und Fer|24|tigkeiten für die Fortführung des Schmerzmanagements müssen den Betroffenen und/oder angehörigen Kontaktpersonen entsprechend vermittelt werden.

Sind diese Fragen gestellt und hinlänglich beantwortet worden, müssen für die erfolgreiche Umsetzung des Schmerzmanagements im extramuralen Setting folgende weitere Aspekte beachtet werden: Wird die Person – erstmalig oder erneut – in eine Langzeitpflegeeinrichtung oder eine Rehabilitationseinrichtung entlassen, so ist in jedem Fall ein/eine Adressat_in für den Informationstransfer aus dem Akutkrankenhaus in die weiterbetreuende Einrichtung identifizierbar. Die Pflegekraft in der Akutkrankenanstalt, welche autorisiert ist, den Entlassungsprozess zu koordinieren, ist in der ausdrücklichen Verantwortung im Sinne von Zuständigkeit, in ausreichend zeitlicher Entfernung zum geplanten Entlassungstermin proaktiv Kontakt zur weiterbetreuenden, stationären Einrichtung aufzunehmen, eine für die Weiterführung des Schmerzmanagement-Prozesses zuständige Person zu erfragen und dieser sämtliche Aspekte des Schmerzmanagements hinreichend darzulegen. Nebst dieser vor der Überleitung stattfindenden Kommunikation ist bei der tatsächlichen Überleitung ein schriftliches Format (Transferbericht), welcher sämtliche relevanten Informationen enthält, mitzureichen. Etwaige Utensilien und/oder Verordnungen, welche von der nachsorgenden Einrichtung früher benötigt werden, als die nachsorgende Einrichtung diese selbst organisieren kann, sind in ausreichender Menge/Anzahl von der für das Entlassungsmanagement im Akutkrankenhaus zuständigen Person mitzugeben. Der Transferbericht hat darüber hinaus auch explizit den Namen und die Erreichbarkeit der koordinierenden Pflegekraft des Akutkrankenhauses zu enthalten.

Unter Einhaltung dieser Grundsätze und angenommener Empfänglichkeit der nachsorgenden Einrichtung ist das Gefahrenpotential für einen Versorgungseinbruch nach Überleitung minimiert. Herausfordernder gestaltet sich meist eine Entlassung in die häusliche Betreuung.

Informationstransfer

Welche Person/Profession/Rolle des multiprofessionellen Schmerzmanagement-Teams im innerklinischen Setting ist verantwortlich für den Informationstransfer in den extramuralen Bereich?

Welche Person im extramuralen Bereich ist verantwortlich, diese Informationen entgegenzunehmen und den übrigen Mitgliedern des Versorgungsteams im extramuralen Bereich zu kommunizieren bzw. die Übergabe zu dokumentieren?

Rechtzeitig vor der tatsächlichen Entlassung aus dem innerklinischen Setting muss folgende Frage beantwortet werden:

Welche Maßnahmen sind erforderlich, um den Status quo (zufriedenstellende Schmerzsituation) im extramuralen Setting zu erhalten bzw. zu verbessern (falls innerklinisch noch nicht sämtliche Optimierungspotentiale ausgereizt wurden)?