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Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Liebe, Lust und Leidenschaft zu wissen glaubten - denn Anne West weiß es besser! Mit ihren sexy Bestsellern über das freundliche Miteinander der Geschlechter hat Anne West bereits eine riesige Fangemeinde erobert, der sie nun rasante, witzige, indiskrete, rührend-zärtliche und immer erotische Schmutzige Geschichten erzählt - über Männer, die lieben, Frauen, die begehren, und Paare, die ungeahnte Abenteuer in den Untiefen der Erotik erleben. Schmutzige Geschichten von Anne West: Prickelnde Erotik im eBook!
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Seitenzahl: 293
Anne West
Schmutzige Geschichten
Fantasien für erotische Momente
Knaur e-books
Am Ende eines Lebens bereut man meist all das,was man nicht getan hat.
Für alle Liebenden,Sehnsüchtigen, Träumer, Erotomanen, Lebenslesersowie Gio und Ninotschka
Ich kannte mal einen Mann, der am Heck eines Schiffes stand und rauchte. Dann schwang er sich über die Reling und sprang. In das kühle, dunkle Wasser, das gurgelnd und schmatzend nach ihm griff. Und er war ganz still dabei.
Wie das kam?
Ich schwöre, ich habe nicht auf seine Hose gestarrt. Und wenn, sollte er froh darüber sein – wer wie er in seiner innig geliebten Jeansjacke zu schlafen scheint, sollte sich überhaupt freuen, einen zweiten Blick geschenkt zu bekommen. Mein Typ war er ja nicht gerade, er war nicht mal schön. Allein wie er schon redete: »Gnä’ Frau, schaun’s wieder fesch aus heut’ Abend, küss die Hand, darf ich Sie belästigen oder zumindest mit Rosenstielen peitschen?«
Asam kam aus Wien. Er war mir so lange nicht aufgefallen, bis er seinen ganzen Mut aufbrachte und mich kurz vor Mitternacht ansprach, um mit mir einen Absacker zu trinken. Ein Nein wollte er nicht akzeptieren, auch nicht zwei oder drei und auch nicht zehn, also ließ ich ihn stehen, mitten auf diesem Anlegesteg. Ein Bekannter legte ihm einen Arm um die Schultern, lallte betrunken: »Mach dir nix draus.« Doch Asam hörte nicht auf ihn und schlich hinter mir her, den ganzen Weg bis zu dieser Bar, in der meine Mitternachtsverabredung wartete. Das Echo seiner Schritte folgte mir in fünfzig Meter Abstand. Die anderen, die sich den ganzen Abend zwischen ihn und mich geschoben hatten, zerstreuten sich in der Schwärze der Nacht.
Diese Mitternachtsverabredung war eine Frage des Geldes. Nun bin ich keine Professionelle, sondern genieße es nur wie jede andere Frau, wenn man ihr in den Mantel hilft, die Tür aufhält oder im Bett den Vortritt lässt, und ich ziere mich auch nicht, wenn er die Rechnung übernehmen will. Mit dieser Verabredung war ich bisher nur zum Mantel und der Rechnung gekommen. Doch ich wusste, er hatte jedes Mal ein Zimmer reservieren lassen, in diesem Hotel gegenüber der Oper, für alle Fälle. Er hatte jedes Mal die Chipkarte zu dem Zimmer im Portemonnaie gehabt, und beim Zahlen hielt er es so, dass ich die Karte sehen konnte. In seinen Augen sezierende Neugier. Und Hunger. Der Hunger eines längst gesättigten Raubtiers, das nur aus Interesse von dem warmen Blut eines jungen Fohlens trinken würde.
Und nun also der Wiener. Er war mir gefolgt, hielt sich an der Bar fest und knabberte Reisplätzchen, während er mich aus seinen blauen Augen beobachtete. Aus seinen klugen, blauen Augen. Wie ich mir einen Drink nach dem anderen bezahlen ließ und an den richtigen Stellen lachte, wenn das Raubtier seine Zähne schimmern ließ.
Zum Schluss sprang ich einfach. Das Wasser war so kalt, dass ich nicht einen Ton rausbrachte, kein »Ich liebe dich«, wie ich es mir vorgenommen hatte, um sie damit zu demütigen. Neben mir schwamm die Zigarette, die ich eben noch geraucht hatte, und da oben stand sie, blickte starr nach unten. So, wie sie es die ganze Zeit gemacht hatte. Auf mich herabgeschaut.
Wie das kam?
Ich schwöre, sie hat mir auf die Hose gestarrt. Es war auf diesem Schiff, ähnlich jenem, das gerade von mir wegfährt, während ich den Drang unterdrücke, mit den Beinen zu strampeln. Sie wird mich nicht retten, ich ahne es, aber eins weiß ich genau: dass sie diesen Blick hatte. Zwischen ihr und mir lag nichts in der Luft, die ganzen sechs Stunden nicht und die ganzen drei Monate vorher auch nicht, als ich mit ihr und den anderen Leuten auf dem Dampfer durch den Abend schaukelte. Ein Fest von zufällig zusammengeführten Kollegen. Ich kannte ihren Beruf, sonst wusste ich nichts von ihr. Dann ging sie an mir vorbei und musterte dabei den jungen Kellner, der ihren Körper mit Blicken streichelte, bevor er ihr einen Teller mit orientalischen Süßigkeiten reichte. Beim Zurückgehen streifte ihr Blick mich, doch anstatt den meinen festzuhalten, wanderte sie mit ihren Augen an meiner Wange hinab, verharrte auf meinen Lippen, um dann dort zu verschwinden, wo Er ruhte. Danach ruhte gar nichts mehr, und sie merkte es. Dann sah sie mir wieder ins Gesicht, lächelte aber nicht. Es war dieses Kosen ihrer Augen – und sie wusste doch, wie schnell man diesem Blick verfiel, musste sie da nicht darauf acht geben, wem er galt?
Jedes Nein von ihr war eine Lüge. Angeblich hatte sie eine Verabredung. Ich ging ihr nach, beobachtete, wie ihr Schatten die Fassaden streifte und sie damit adelte.
In der Bar: schwarz gekleidete Menschen, bornierte Kellner, raschelndes Nylon, schwere, rote Vorhänge zur Straßenseite, Gläser voll mit crushed ice. Ich trank noch ein Bier. Ihre Verabredung war ein Prolet, getarnt mit grauem Anzug und einstudierten werbenden Gesten. Seine Hand streichelte wie unabsichtlich ihren Nakken, als er ihr aus dem Mantel mit dem Pelzkragen half, und wenn sie lachte und dabei den Kopf zurückwarf, betrachtete er das Muttermal auf ihrem Brustansatz. Es war so klein wie ein Stecknadelköpfchen, lugte nur ab und zu hervor, wie zufällig. Sie sah mich an, schaute jedoch durch mich hindurch und schüttelte nur einmal ansatzweise den Kopf.
Als sie auf die Toilette ging, folgte ich ihr.
Der Mann beobachtete mich, aber was er auch dachte, es war mir gleich. Dass ich sie in Schwierigkeiten brachte, war mir nur recht.
Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn mich einer quer durch den Raum hinweg anstarrt und auf alles achtet, was ich tue. Ich beginne dann, selbst darauf zu achten, was ich tue, und sogar mir Feuer geben zu lassen gerät dabei zur Farce: Beine gekonnt übereinanderschlagen, wie weit den Oberkörper beugen, über der Flamme in die Augen schauen oder nicht? Ziehen, kurz innehalten, ausatmen und dabei sanft zurückfallen lassen. Gespielt. Was war nur los mit dem Wiener? Diesen Drang zur Selbstkasteiung haben sie alle, die Österreicher, diese Todessehnsucht, Melancholie, hinter jedem Sein vermuten sie ein Meer von Abgründen.
Meine Verabredung, ein bulliger Typ mit Stiernakken im maßgeschneiderten Anzug, machte Konversation, während ich permanent meinen Körper, meine Gesten, mein Gesicht zurechtrückte. Ich mag das wirklich nicht. Dem einen durch Natürlichkeit zu gefallen, während der andere offenkundig durchschaut, dass es nur ein Spiel ist, und jede falsche Bewegung registriert. Ich fühlte mich wie auf einer gnadenlos unterbezahlten Bühne, wie eine Elevin ohne Ausbildung. Vielleicht wäre ich heute mit dem Stier auf dieses Zimmer gegangen, vielleicht hätte ich an den Wiener gedacht währenddessen – aber gewiss nicht, solange er dasaß, herüberstarrte und dabei seine Jacke mit Reiskeksen vollkrümelte.
Ich ging auf die Toilette, weil ich wusste, dass er mir folgen würde wie ein Schatten.
Dazu musste ich eine Wendeltreppe hinabsteigen, und als ich in der letzten Kurve ankam, hörte ich schon das Tarapp, Tarapp seiner Budapester. Ich ging durch die Schwingtür und den Gang hinunter, Mädchen links, Jungs rechts, dazwischen Spiegel bis auf den Boden.
Ich blieb stehen, als er hinter mich trat und mich im Spiegel musterte.
»Gibt er dir Geld, damit du so zu ihm bist?« fragte er. Ich drehte mich um und schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht. Er starrte mich an. Etwas brach in ihm. Die Tür zu seinem verborgenen Seelenzimmer schwang auf.
»Danke«, sagte er und ging vor mir auf die Knie. Wie ein Krieger vor seinem König, wie ein Schwertmann vor seinem Feind, um sich zu ergeben. Ich sah diesem Drama in den Spiegeln zu und wusste nicht, ob mir gefiel, was ich erblickte. Ein Mann, der vor einer Frau kniete, den blanken Nacken dargeboten, sie hoch aufgerichtet in ihren Stiefeln, den Strümpfen die nur bis zur Mitte des Oberschenkels reichten, was er jedoch nicht sehen konnte, und dem engen Seidenrock, alles in Schwarz. Er wartete immer noch.
»Kann es nicht anders sein?« flüsterte ich.
Ich hätte es verkraftet, wenn ein Fremder hereingekommen und peinlich berührt an uns vorbeigeschlichen wäre, mühsam den Blickkontakt vermeidend und gleichzeitig bemüht, alles genau mitzubekommen. Doch es war meine Mitternachtsverabredung, die uns so sah.
»Interessant«, sagte er.
Mit ihrem Schlag entblätterte sich meine Demut. Ich roch ihr Parfüm, noch ehe ihre Hand meine Wange berührte, und ging vor diesem Gefühl der gezähmten Lust in die Knie. Normalerweise mag ich es, einer Frau den Hof zu machen. Ihr Blumen zu schicken, sie mit Komplimenten zu verwöhnen – in wohlüberlegten Dosen –, bei langen Spaziergängen zuzuhören, was sie bewegt, um sie so für mich einzunehmen. Ich mag es, zu sehen, wie ihr Widerstand schwindet, sich in romantische Sehnsucht verwandelt, langsam, im Lauf der Zeit. Ich mag das Gefühl, nicht zu wissen, wann sie anruft, ich mag die Bedächtigkeit des Flirts. Ich schätze meine Rolle als Mann, als Werbender, der die Sache steuert. Der weiß, was eine Frau will, noch bevor sie es ahnt.
Da sie die Regeln brach, weil ich die Grenze überschritten hatte mit meiner Frage, zerbrach auch etwas in mir. Eine Mauer der Zurückhaltung, die ich nie ganz aufgebe, wenn es um Frauen geht.
Als der Prolet im Anzug hereinkam, war es mir egal, mein Stolz hatte sich längst gewandelt in die Gewissheit, dass sie mich in Besitz genommen hatte. Würde definiert man selbst, nicht ein anderer. Ich sehnte mich danach, sie zu küssen, in ihrem Mund zu vergehen und an ihrer Zunge zu lecken.
»Soll ich gehen?« fragte der Anzug, eine kultivierte Stimme, dazu ein Gesicht, wie mit dem Spaten gestochen, »oder darf ich zusehen?« Er hatte seine Worte sorgsam gewählt, als ob ihm die Idee nicht ganz fremd war.
Zusehen … bei was? Ich hatte mich schon immer gefragt, wie sich eine Frau fühlt, die etwas tut, weil man vorher das Finanzielle geregelt hat. Tat Eva es deshalb, oder weil sie es wirklich wollte? Sie griff in mein Haar und bog mir den Kopf zurück.
»Zusehen«, sagte sie, und kurz bevor der Schmerz so stark wurde, dass ich mich wehren müsste, küsste sie mich. Ihre Augen blieben dabei offen. Ihre Lippen – warm. Nachgiebig. Sie küsste zarter, als es aussah, unsere Zungen berührten sich nicht, und der Spannungsschmerz an meinem Hinterkopf strömte den Rücken hinab und erreichte meinen Steiß. Selten hatte ich meinen Rücken so sehr gespürt. Ich hätte mich ihr sofort auf den Fliesen hier ergeben.
Als wir zu dritt in den Fahrstuhl stiegen, hatte er längst bezahlt. Ihre Drinks, mein Bier. Er trug auch ihren Mantel über dem Arm. Ich bemerkte, wie er sie musterte, eingehend, aber ohne Regung. Was tat ich hier eigentlich?
»Zeig ihm, was du drunter anhast«, befahl er ihr unvermittelt, und sie schaute mich wieder nur an, als sie ihren Seidenrock hob. Die Strümpfe waren halterlos, ohne Spitze, wie ein schwarzer Hauch umfassten sie ihre Beine, die helle Haut, sie schimmerten, der Slip war schwarz und lag eng an. Auch er schimmerte.
»Runter«, sagte der Anzug.
Ich bewegte mich zuerst, kniete nieder, ein Bein aufgestellt. Und atmete, den Mund dicht an ihren Slip gelehnt, langsam ein und aus, ein durch die Nase, um ihren Geruch einzusaugen, aus durch den Mund. Sie würde die Wärme spüren. Sie stellte die Beine etwas weiter auseinander. Spannte die Oberschenkel leicht an, meine Lippen registrierten, wie sich ihr Venushügel verhärtete, die Sehnen leicht heraustraten, die ihre Vulva flankierten. Sie roch nach Rotwein und Cashewnuss, nach Chanel No. 5 und Milch, sie roch, als ob es nur so aus ihr herausflösse. Würde ich sie jetzt berühren, würde meine Hand glänzen.
Im achten Stock stiegen wir aus.
Er saß die ganze Zeit in einem Sessel und rauchte, während sie mit mir schlief. Er regte sich nicht einen Augenblick, auch dann nicht, als ich sie gegen den mannshohen Spiegel stieß, ihre Hände am Rahmen festhielt und ihr befahl, so stehenzubleiben. Ich zog ihren Arsch nach hinten, spreizte ihre Beine, ließ sie in der Hüfte abknicken, umfasste ihre Brüste, die sich nach meinem Willen formten, und stieß zu. Sie sah mich im Spiegel unverwandt an, während in meinen Ohren das Blut rauschte, dazu ihr leises Stöhnen.
Ich fragte mich, was ich da tat. Asam hatte etwas an sich, das mich dazu brachte, ihn unterwerfen zu wollen. Er ließ sich so leicht überwältigen, er genoss es förmlich, und dieser Genuss brachte mich zur Raserei. Dass sich meine Mitternachtsverabredung als Initiator vorkam, war ein zusätzlicher Kitzel. Ich war nicht betrunken, als ich im Lift meinen Slip abstreifte, nachdem ich Asam von mir fortdrückte und den Rock wieder hatte herunterrutschen lassen, bis fast zu den Knien. Ich zog ihn so aus, dass meine Scham bedeckt war. Meine Verabredung kaufte ihn mir ab, mit einem knisternden neuen Schein, er war grün. Der Kerl roch an dem Slip und steckte ihn ein.
In dem Zimmer brannte nur eine kleine Lampe auf dem Tisch. Das Glas blutorange, der Tisch weiß, die Vorhänge herrisch fallender Samt im Rot eines Sonnenuntergangs.
Wenig später lagen dort zwei Bündel Geldscheine. Eines gehörte mir, eines Asam. Mit jeder Anweisung, was wir tun sollten, legte meine Verabredung mit dem Anzug einen Schein mehr hin. Für jeden unabsichtlichen, hungrigen Kuss auf den Mund nahm er einen weg, von beiden.
Als Asam das Spiel unvermittelt umkehrte, mich von sich stieß und zum Spiegel drängte, vergaß ich den Voyeur mit seiner Abneigung gegen Schecks dort im Sessel. Meine Arschbacken an seinen Lenden, sie waren ganz warm, und ich ließ ihn in mir rasen, vergehen, schweben, gleiten, explodieren fast. Doch dann trat meine Mitternachtsverabredung von ihrem Posten zu mir, umschlang meinen Kopf mit einer Hand und drückte mich noch weiter nach unten, so dass ich im Spiegel nicht mehr in Asams kluge, blaue Augen sehen konnte, sondern mir selbst auf die Knie blickte und auf drei Fußpaare. Hohe Hacken, schwarze Pumps. Nackte Füße, hüftbreit auseinander, Fesseln, die unter den pumpenden Bewegungen rhythmisch einknickten. Und handgenähte Rahmenschuhe.
»Er wird nicht in dir kommen«, flüsterte der Anzug, und gehorsam verströmte sich mein Wiener auf meinem Steiß. Dann strich er leicht über die Nässe, und hieß mich den Finger ablecken. Ich tat es.
Wir drei trafen uns seitdem jede Woche in diesem Hotel gegenüber der Oper. Nie wusste ich, ob einer der beiden nicht kam, aber sie waren immer da. Wir hatten uns keinmal abgesprochen, doch etwas schien uns dorthin zu treiben. Wenn ich Asam im echten, wirklichen Leben sah, schauten wir uns nur an. Er war ein Romantiker, das weiß ich, sonst hätte nicht jedes Mal ein Strauß Rosen in einer Farbe, nach der ich mich verzehrt hätte, wenn ich lieben würde, auf mich gewartet, nach jeder Nacht, in der ich ihn nahm. Auf den geraunten Befehl, in welcher Position ich mich über ihn zu stülpen hatte. Und in der er mich nahm, auf Geheiß. Hockend, mit dem heißen Gesicht an die Fensterscheibe gelehnt. Mit dem Rücken zu ihm, an die Bettkante gekrallt, den Blick mit der Mitternachtsverabredung verhakt. Auf dem Stuhl, die Beine fest auf dem Boden, die Hände in den Hüften. Ich hätte ihn so gerne geküsst. Das Küssen fehlte mir, und Asams Hände wussten so genau, was sie tun sollten.
Es war wirklich ein Nehmen – er reagierte auf mich, er ließ sich fallen, er tat, was ich ihm sagte, und er wahrte höchsten Respekt, wenn ich nichts tat. Ich glaube, er steckte das ganze Geld in die Blumen.
Meine Mitternachtsverabredung hat nie versucht, mitzumachen oder Asam wegzuschicken. Ich weiß nicht, ob ich es für Geld mit ihm getan hätte. Ich denke nicht – denn so hätte ich ihm zu Willen sein müssen. Dann doch lieber das Wiener Blut. Er hatte einen sehnigen Körper, sehr hell, ich mag diese Farbe von Marmor. Sein Haar war schwarz, und wenn er schwitzte, glänzte es. Ich vermisste das Küssen.
Ich nahm mir vor, nicht wieder hinzugehen.
Sie hatte gestern nacht neue Dessous. Ich durfte sie anschauen, sie stand einfach über mir, während ich sie ansah. Ich war süchtig nach diesen Nächten, und ich spürte ihren Mund überall an mir, doch niemals wieder auf meinen Lippen. Ich wollte mit ihr allein sein, aber wollte sie es auch? Meine Nachrichten an den Blumen ignorierte sie. Ob ich den Kerl hätte umbringen sollen? Er hat uns zusammengeführt, wachte darüber, was wir taten. Einmal habe ich mit ihm gesprochen, als wir warteten und Eva nicht kam. Ich fragte ihn, ob er ahne, dass sie genug davon habe.
»Sie kommt«, sagte er nur, wie immer in grauem Anzug und schwarzem Hemd, und zündete sich eine Zigarette an. Dieses Schnappen des Zippos verfolgt mich manchmal bis in meine Träume, denn das war das einzige, was ich von ihm hörte, wenn ich Eva vor seinen Augen liebte.
»Wieso schlafen Sie nicht mit ihr?« fragte ich das Spatengesicht.
»Sie muss es freiwillig tun«, sagte er, und das brachte mich dazu, mich selbst zu verachten. Seit wann musste man eine Frau bezahlen, damit sie mit mir schlief?
Es gab da ein Mädchen, das so war wie die Frauen, die ich vorher hatte. Ein wenig spröde, ein wenig nachgiebig, eine Frau zum Verlieben, ganz normal, wie es die Leute eben machen, und nicht dieses kranke Verhältnis. Sie hieß Katharina.
Ich hätte nicht auf die Nächte mit Eva verzichten können. Das war das Problem. Das Geld war Nebensache. Ich kenne keinen Mann, der Geld dafür nimmt. Noch dazu von einem anderen Mann. Es war so erotisch, dass ich es kaum erwarten konnte, bis Eva endlich kam, und so fragte ich den Mann, ob er etwas dagegen habe, wenn ich ihm einige Küsse abkaufte. Ich musste sie einfach küssen. Er schaute mich an und sagte: »Lachhaft.« Dann nahm er mein Geld.
Ich bin dann doch wieder in das Hotel gegangen. Sie warteten auf mich in der Halle, wie immer, und standen ohne ein Wort gleichzeitig auf. Der eine, um mir den Mantel abzunehmen, der andere, um mir den obligatorischen Gin Tonic einzuschenken. Die beiden schienen vertraut miteinander geworden zu sein. Es gab da dieses Nicken. Unter Männern. So etwas mag ich nicht.
Asam hat mich geküsst in jener Nacht, als ob es das Letzte wäre, was er in seinem Leben tat. Kein Schein weniger deshalb.
Ich sagte Asams Namen, als ich kam. Ich hatte mich während des Ritts gedreht, eine Wade auf Asams Schulter, die andere auf seinem Oberschenkel, lenkte ich seine Bewegungen mit meinen Händen an seiner Hüfte. Gehorsam folgte er den kreisenden Bewegungen meines Beckens. Nicht stoßend, kreisend. Ich wollte mich so weit öffnen, wie ich konnte, für ihn, ich wollte geliebt und gefickt werden, und gerade, als dieser Gedanke zum Bild wurde, löste ich mich unter ihm auf.
Meine Mitternachtsverabredung stand auf, legte sich neben mich und sah mir prüfend in die Augen, während mich noch die letzten Zuckungen eines Orgasmus überfluteten und hinwegtrugen.
Ich schlief nur noch mit Asam. Oft überlegte ich schon Tage vorher, was ich mit ihm machen würde, und wunderte mich über meine Dominanz, die erst durch die Mitternachtsverabredung geweckt worden war. Er zahlte für diese dunkle Seite, den Schatten in mir, als stummer Zeuge. Ich ließ Asam niederknien, nackt, damit er sein Gesicht an meinen Schenkeln vergrub, sich durch die Netzstrümpfe und den kleinen Slip kämpfte, zwang ihn, so lange nicht aufzuhören, bis unsere Lippen verschmolzen. Ich zwang ihn, nach mir zu kommen. Ich fesselte ihn an allen Gelenken an den Hocker, bevor ich zu ihm kam. Ich verband ihm die Augen und ließ Wachs auf seinen Körper tropfen, bis er hilflos flehte, ganz leise, eigentlich nur mit den Augen. Sagen konnte er nichts. Ich knebelte ihn mit meinem Slip und hätte ihn doch am liebsten in den Armen wiegen wollen.
Vorher war ich es gewohnt, mit sanfter Konsequenz geführt zu werden, auch oder erst recht im Bett. Dreh dich um, mach die Beine breit, leck meinen Schwanz, das waren Dinge, die ich kannte. Vorher. Vorher gab es auch Beziehungen, in denen weder Geld noch Macht eine Rolle spielte. Es ging immer nur darum, wer zuerst das Wort »Liebe« aussprach und damit der Unterlegene war.
War ich verliebt? Ich wusste nichts über den Wiener. Ab und an sah ich ihn mittags mit einer jungen blonden Frau, Katja oder Katharina oder so ähnlich, einmal setzte ich mich in dem Café am Rathaus neben sie. Sie zierte und sträubte sich, dazu das ganze Rumgeflirte, das alte Spiel von Jagd und Beute. Am liebsten wäre ich aufgestanden und zu ihr gegangen, hätte zu ihr gesagt: »Hör zu, sag ihm, wie du es gerne hast, da steht er drauf.« Statt dessen bin ich zu ihm rüber, als sie sich »mal eben frisch machen« ging, und befahl ihm, es sich selbst zu besorgen. Er sollte aufstehen, sobald sie zurückkam, sich kurz entschuldigen und auf die Toilette verschwinden. Er tat es. Ich zahlte dafür die Rechnung für beide Tische.
In der folgenden Nacht ging ich so wütend mit ihm um, dass er fast schrie. Ich hätte nie gedacht, dass meine Hand so brennen könnte vor Schlägen. Dann nahm ich seinen Gürtel. Meine Mitternachtsverabredung vergaß das Rauchen und ergoss sich in die Hose.
Das musste aufhören, alles.
Sie hatte mich voll im Griff. Nach der Sache in dem Café wusste ich, dass ich nicht von ihr loskommen konnte. Ich schickte ihr weiterhin Blumen. Ich schlief mit ihr jeden Donnerstag. Ich trug ihre Bisse, ihre Kratzer, ihre Spuren in der Sauna zur Schau wie Male der Tapferkeit. Sie liebte mich nicht, aber ich liebte sie. Wenn das der einzige Weg war, sie zu bekommen, dann musste ich ihn einschlagen.
Katharina wusste nicht, was los war. Ich fing an, mit ihr auszugehen, doch es war nicht dasselbe. Als ob es ohne Publikum, ohne zahlendes Publikum, nicht mehr funktionierte. Händchen halten einen Zehner, in den Hals beißen auch, es ihr mit der Zunge machen fünfzig, ihre kleine Hand klatschend in meinem Gesicht hundert. Katharina wäre entsetzt gewesen.
»Du bist so männlich«, flüsterte sie mir mal ins Ohr. Wir saßen im Kino, und ich dachte: Kleines Mädchen, du hast ja keine Ahnung, was ich wirklich bin.
Am Nachmittag wollte ich zu Eva gehen und sie um ein Date bitten. Ein Rendezvous. Ich wollte, dass wir nachholten, was wir übersprungen hatten. Ich wollte, dass sie mich begehrte.
Sie war nicht in dem kleinen Büro, wo sie sonst saß und schrieb. »Kommt doch nur dreimal die Woche, Asam, wusstest du das nicht? Wir sind nicht ihre einzigen Kunden!«
Nein, das wusste ich nicht. Ich wusste gar nichts über sie, nicht einmal, ob sie Kaffee zum Frühstück trank, denn wir wachten niemals gemeinsam auf. Ob sie laut atmete, wenn sie schlief, weil ich sie nie halten durfte, hinterher. Ob sie über Komödien lachte oder lieber bei Dramen weinte, ob sie beim Autofahren sang oder lieber duschte als badete. Sie duschte dort nie. Sie nahm den Duft des Zimmers und meiner Haut mit nach Hause. Ich duschte immer dort, sonst hätte ich die ganze Nacht nicht schlafen können. Wenn ich aus dem Bad kam, im Hotel, waren beide schon längst weg – er, und Eva auch. Nur das Geld, das lag da noch.
Einmal vergaß sie ihren BH. Es war einer, in dem die Brüste nur auf einer Art Balkon ruhen, er umschloss sie nicht ganz. Ich nahm ihn mit nach Hause.
Eines Donnerstags war ich spät dran. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr kommen. Eva saß allein in der Halle.
»Wo ist er?« hörte ich mich fragen.
»Brauchen wir ihn?« fragte sie zurück und nahm mich bei der Hand.
Es war seltsam, mit dem Wiener allein. Wir nestelten aneinander herum, ich befahl ihm, sich auszuziehen, während ich meinen Mantel anbehielt. Er war bereit, doch ich vermisste die geflüsterten Aufforderungen meiner Mitternachtsverabredung. Konnte ich nicht mehr ohne? Es war verrückt – ich hätte mit Asam machen können, was immer ich wollte, aber was genau wollte ich, verdammt?
Asam bemerkte mein Zögern und kam auf mich zu. Er umarmte mich fest und begann mich zärtlich zu küssen, so zärtlich, wie er es noch nie getan hatte. Fast hätte ich geweint, weil die Zartheit mein Herz rührte wie Schmetterlinge auf meiner Seele, weil es sich richtig anfühlte und weil wir es so falsch angefangen hatten. Er legte meine Hand auf sein Herz.
»Ich liebe dich«, sagte er. Ich wollte antworten, doch statt dessen küsste ich ihn, um nicht sprechen zu müssen, noch nicht, aber gleich, dann …
Dann klopfte es. Er war endlich da, schloss nach dem eher rhetorischen Klopfen die Tür auf, mit einer Zweitkarte, und Asam schob mich hastig von sich weg, wie ertappt.
»Habe ich was verpasst?« fragte der Anzug. Er holte seine Geldbündel heraus und warf sie aufs Bett. »Abschiedsvorstellung«, sagte er anschließend. Alle Kraft wich aus meinen Armen.
»A tergo und auf den Knien. Teppich«, fügte er hinzu, als wir uns nicht rührten. Ich ließ mich auf allen vieren nieder, und der Anzug dirigierte Asam erst zu meinem Mund, dann zu meiner Mitte.
Mittendrin gab Asam auf. Seine Lust schien wie verflogen.
Er hatte mich aufgerichtet, meinen Oberkörper aufs Bett gelegt, sein Gesicht an meiner Schulter versteckt. Bis ich spürte, wie er mir entglitt und wie ein Vogel aus dem Nest fiel. »Liebst du mich nicht mehr?« flüsterte ich an seinem Ohr, da stand er auf, griff seine Sachen, die verloren auf dem beigen Teppich lagen, und verschwand ohne eine Antwort.
Ich blieb, denn die Antwort wäre der Halt gewesen, der mich vor dem Sturz hätte bewahren können, so aber ergab ich mich dem Anzugträger. Ich blieb einfach zur Hälfte, mit den Brüsten, auf dem Bett liegen, der Stoff fühlte sich an wie Seifenwasser, beobachtete den Anzug, wie er zum nackten Tier wurde. Sich mit der rechten Hand an den Schwanz ging und ihn anwichste. Spucke darauf verteilte. Zu mir auf die andere Seite des Betts kam, um sich hinter mich zu knien. Er sah ohne Kleider anders aus als gedacht, nicht so sehnig wie Asam, sondern bullig und breit, und seine Art zu lieben fühlte sich an, als würde er mich in Besitz nehmen wollen. Er biss mich in den Nacken wie ein Steppentier, wie eine Großkatze. Die Bettkante drückte in meinen Leib.
»Sieh mich an!« raunte er immer wieder, als er mich vor den Spiegel stellte, wie es Asam beim ersten Mal getan hatte. »Sieh mich endlich an!« Ich hielt den Blick gesenkt. Ich fand meine Knie sehr interessant, so rot, wie sie waren, aufgerieben von dem beigen Teppich. Eine Trilogie von Rot in diesem Zimmer.
Danach bin ich donnerstags immer zu Hause geblieben.
Manchmal frage ich mich, wie Asam wirklich war. So ohne Zuschauer.
Ob ich sie nicht mehr liebte, wollte sie wissen. Ha! Dabei blieb sie noch drei Stunden mit ihm da oben, während ich gegenüber in meinem Wagen saß und wartete. Wäre sie mitgekommen, hätte ich sie nie mehr gehen lassen. Sie schien in den Knien einzuknicken, als sie auf die Straße trat. Sie schwankte. Bebte hin und her wie der Wipfel einer Kiefer. Und ob er es ihr besorgt hatte! Ich überlegte kurz, zu warten und seine Hirnmasse auf der Straße zu verteilen, aber dann ging ich einen Kaffee trinken, das ging schneller.
Am folgenden Donnerstag war sie nicht mehr da, der Anzugträger auch nicht. Hatten sie sich wohl endlich gefunden?
Ja, ich war da, und?
Gott, wie ich sie vermisste! Wenn ich sie bei uns im Büro traf, tat sie alles, um nur ja nicht mit mir allein zu sein.
Nach nur drei Monaten war es vorbei.
Und es stand schon wieder so ein merkwürdiges Betriebsfest an, manchmal ist es schlimm, in einer gutgehenden Agentur zu arbeiten, die ihre Leute permanent bei Laune hält. Eva war auch eingeladen, ich wusste es und dachte, hoffentlich werden sich genug Leute zwischen uns schieben, so dass ich sie nicht ansehen muss. Wenn Eva lacht, ist es ein bisschen so, als ob sie kommt. Es ist die gleiche Kopfbewegung, sie schließt kurz die Augen, bevor es aus ihr herausbricht. Dann klappt sie nach vorne, wie erschöpft.
Ich hörte sie nur noch selten lachen, und Katharina war bald darauf mit jemandem aus der Grafik liiert.
Es war wieder mal auf einem verdammten Schiff. Ich ging nach einigen Stunden, in denen ich nur etwa ein dutzend Mal zu Eva hinübergesehen hatte, nach hinten aufs Deck, um eine zu rauchen. Ich benutzte ein Zippo.
Sie kam mir hinterher. Lehnte sich neben mich an die Reling, legte behutsam ihren Kopf an meine Schulter. Ich strich ihr übers Haar, rauchte weiter.
»Muss ich dir Geld geben, damit du weiter so zu mir bist?« stellte sie die falsche Frage.
Und dann bin ich einfach gesprungen, sie stand nur reglos da und schaute auf mich herab, wie sie es immer getan hatte.
Der Dampfer fährt weiter, während ich gegen meinen Überlebenswillen ankämpfe, denn eigentlich will ich nicht mehr. Ich will mich ergeben, aus eigenem Willen. Stark genug, um schwach zu sein?
Ach, Eva, sag mir doch, was ich tun soll, und wenn mir der Anzug über den Weg läuft, schlage ich ihn tot.
Ich stellte ihm die falscheste aller Fragen, doch eigentlich nur, weil ich nicht wusste, wie ich mit ihm darüber reden sollte, dass ich ihn wiedersehen wollte. Ja, er war nicht schön, er war nicht mal mein Typ, aber musste er denn gleich springen?
Seufzend ziehe ich die teuren Schuhe aus, solche, die man sich nur leisten kann, wenn man einen lukrativen Nebenjob in Hotels gegenüber der Oper hat, genauso wie das Jäckchen mit Echtfellbesatz, und springe ihm hinterher, in voller Fahrt.
Das Wasser ist kalt, und er schaut mich aus seinen blauen, klugen Augen an, bevor er sich mir entgegenstreckt.
Wie wir dann in dieser Änderungsschneiderei sitzen an dem bulligen Öfchen und ich sie halte, während sie friert, fragt der Großvater dort, ob wir uns schon länger kennen.
»Nein«, sage ich, »wir haben uns eben erst getroffen. Beim Schwimmen.«
Ich tu’s mit jeder. Sie müssen nicht schön sein, ich hab nicht mal einen Typ Frau, auf den ich besonders abfahre. Ob sie geliftet sind oder nicht, Kissen in der Brust haben oder nicht, ob sie Geld haben oder nicht – nebensächlich.
Eins allerdings hatten sie alle gemeinsam, meine Frauen: Sie waren nicht allein für mich bestimmt. Im Gegenteil: Die Abenteuerlust trieb sie zu mir, um auszubrechen aus ihrem Alltag, aber dann stets reumütig und gleichzeitig triumpherfüllt wieder in den Käfig zurückzukehren.
Ich bin der geborene zweite Mann. Der geheime Liebhaber, der, vor dem Männer sich fürchten, aber niemals wissen sie, dass ich es bin, der ihre Frau fickt.
Mein System ist unschlagbar. Ich will nichts und gebe nur das, was sich mit Hautkontakt erledigen lässt. Bis auf meine Telefonnummer. Sie kann mich jederzeit anrufen, wenn ihr danach ist, aufs Kreuz gelegt zu werden. Ich habe den ganzen Tag Zeit, nächtelang. Sagen Sie nicht, ich hätte keine Freunde. Ich hab doch Sie. Ihnen kann ich es ja erzählen, außerdem wäre mir sonst langweilig, wenn ich nicht jemanden hätte, mit dem ich meine Liebschaften teilen könnte, oder? Meinen Sie, ich brauch ne Therapie? Sagen Sie’s mir doch! – Aber darum geht’s hier jetzt nicht.
Ich könnte es nicht besser haben. Keine Frau wird jemals mit Plüschaugen bei mir vor der Tür stehen und mit mir durchbrennen wollen, dazu sind alle meine Frauen zu eingebunden in ihre Verbindlichkeiten.
Meine Ex-Therapeutin sieht das natürlich sehr speziell. Für sie bin ich ein »Poacher«, einer, der Beziehungen aus dem Weg geht und sich nur an Frauen ranmacht, die verheiratet sind. Ach was. Und dafür zahle ich Geld, für diese Erkenntnis, die auf der Hand liegt? Das habe ich ihr doch gleich gesagt, also wo liegt das Problem? Sie machte erst eins draus! Dann setzte sie noch eins drauf: Einem Rivalen die Frau auszuspannen törnt mich an. Mehr, als die Frau selbst zu erobern. Das Wissen, es einem anderen Kerl gezeigt zu haben, potenziere die Begierde. Sie bildete sich doch tatsächlich ein, dass ich es damit meinem Vater zeigen wollte. So als kleine Rache, dass er meine Mutter vögeln durfte, ich aber nicht. Die kam mir glatt mit Ödipus, können Sie sich das vorstellen?!
Ich würde dem direkten Vergleich aus dem Weg gehen, nur scheinbar auf dem Feld der Sexualität gewinnen, in Wahrheit jedoch mir selbst immer wieder eine Ablehnung inszenieren: Keine wird sich je für mich entscheiden. Alle wollen mich nur als Tankstelle missbrauchen. Scheinbar emotional, aber letztlich nur als Versuchung, ohne Versprechen, rein körperlich.
Missbrauchen? Da lach ich doch.
Ich bin der Snack-Mann. Das Sex-Häppchen für zwischendurch. Das Spiel geht nach meinen Regeln, und nur so weit, wie ich es will.
Meine Ex-Therapeutin kann mir da viel erzählen. Ich find’s einfach praktisch, na und?
Deshalb bin ich ja jetzt auch zu Ihnen gekommen. Sie sind ein Mann, und ich denke, Sie werden das leichter verstehen. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Frauen nie so recht über ihre sexuellen Wünsche reden können? Es fällt ihnen schwer, und dauernd verbinden sie irgendeine emotionale Geschichte mit Sex, also ich reagiere da völlig verspannt drauf, wenn sich eine ziert, von hinten genommen zu werden, nur weil sie damit eine Demütigung aus vergangenen Zeiten mit einem ganz anderen Mann verbindet, was weiß denn ich, vielleicht fand er ihren Hintern zu fett? Ich mein, ich vögele sie jetzt, also was sollen die ganzen Typen auf der Bettkante?
Und außerdem sah keine wie meine Mutter aus. Die war ganz anders, eine kleine, zarte Person, durchscheinende Haut, immer im Kostüm. Strumpfhalter dazu. Wenn ich zu ihren Füßen spielte, so mit fünf, sechs Jahren, saß sie oft bei einer Träumerei – sie träumte viel, meine Mutter – und schlug die Beine übereinander und wippte immer nur mit einem Fuß. Dann rutschte ihr Rock hoch, und ich sah, wie ihre hellen hautfarbenen Strümpfe von sahnefarbenen Strapsen gehalten wurden, die irgendwo im Dunkel verschwanden.
Manchmal hörte ich einfach auf zu spielen und betrachtete die Strumpfhalter meiner Mutter. Fragte mich, wo sie begannen, wo sie endeten und warum sie keine Strumpfhose trug.
Inzwischen weiß ich es.
Manchmal wurde sie gewahr, was sie tat. Dann hielt sie inne und betrachtete mich, ich fühlte mich ertappt. Aber statt ihren Rock zu richten, wippte sie weiter mit dem Fuß und guckte wieder aus dem Fenster, als ob sie auf irgendwas wartete, etwas, was sie sich erträumte. »Spiel weiter, Henry«, sagte sie nur ab und an, und ich gehorchte ihr und ließ meinen Holzlaster direkt unter ihren Stuhl fahren, kroch hinterher und holte ihn wieder. Und roch dabei heimlich an ihren Kniekehlen.
Ich persönlich stehe ja nicht unbedingt auf Tanzgürtel, wie die Dinger genannt werden. Aber bitte. Wenn eine Frau meint, sie komme damit sexy rüber, will ich es ihr auch nicht ausreden. Aber mal ernsthaft, manche sehen damit aus wie ein Kissen mit Kniff oder wie eine verkleidete Bonbonniere. Vor allem wenn’s so Kreischfarben sind wie Rostrot oder Gelb oder Grün, da mache ich lieber schnell das Licht aus oder schlage eine gemeinsame Dusche vor, bloß damit sie das Zeug auszieht. Finden Sie nicht?
Sind Sie nur zum Zuhören da, oder haben Sie auch ne eigene Meinung?
Na gut. Dann eben nicht. Meinen Sie wirklich, ich sollte mich nicht hinlegen? Mich irritiert es ungemein, wenn Sie mir in die Augen sehen, während ich von den Strapsen meiner Mutter erzähle.