Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Viele Dichter haben über die Liebe geschrieben, aber nur wenige werden ihrer Vielschichtigkeit gerecht. Rilke verzaubert mit Sensibilität und Einfühlsamkeit, mit seinen sanftmütigen, musikalischen und bildhaften Versen zur Liebe, die für ihn nicht bloß ein idealisierter Gefühlszustand zwischen zwei Menschen ist, sondern auch Vergänglichkeit, Einsamkeit und Unerreichbarkeit bedeutet. Er beschreibt Empfindungen, die Spuren hinterlassen und zu Erfahrungen werden.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke
marixklassiker
Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an Deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über Dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn Deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, Dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
Warst Du’s, die ich im starken Traum umfing
und an mich hielt – und der ich mit dem Munde
ablöste von der linken Brust ein Ding,
ein braunes Glasaug wie von einem Hunde,
womit die Kinder spielen …, oder Reh,
wie es als Spielzeug dient? – Ich nahm es mir
erschrocken von den Lippen. Und ich seh,
wie ich Dir’s zeige und es dann verlier.
Du aber, die das alles nicht erschreckte,
hobst Dein Gesicht, als sagte das genug.
Und es schien schauender, seit die entdeckte
geküsste Brust das Auge nicht mehr trug.
Am Anfang war mir das Leben gut.
Es hielt mich warm, es machte mir Mut.
Dass es das allen Jungen tut,
wie konnt ich das damals wissen.
Ich wusste nicht, was das Leben war –,
auf einmal war es nur Jahr und Jahr,
nicht mehr gut, nicht mehr neu, nicht mehr wunderbar,
wie mitten entzwei gerissen.
Das war nicht Seine, nicht meine Schuld;
wir hatten beide nichts als Geduld,
aber der Tod hat keine.
Ich sah ihn kommen (wie schlecht er kam),
und ich schaute ihm zu wie er nahm und nahm:
es war ja gar nicht das Meine.
Was war denn das Meine; Meines, Mein?
War mir nicht selbst mein Elendsein
nur vom Schicksal geliehn?
Das Schicksal will nicht nur das Glück,
es will die Pein und das Schrein zurück
und es kauft für alt den Ruin.
Das Schicksal war da und erwarb für ein Nichts
jeden Ausdruck meines Gesichts
bis auf die Art zu gehn.
Das war ein täglicher Ausverkauf
und als ich leer war, gab es mich auf
und ließ mich offen stehn.
Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte Dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüsste: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in Dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf Dich gelegt;
und sie halten Dich sanft und lassen Dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.
Hörst Du, Geliebte, ich hebe die Hände –
hörst Du: es rauscht …
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst Du, Geliebte, ich schließe die Lider,
und auch das ist Geräusch bis zu Dir.
Hörst Du, Geliebte, ich hebe sie wieder …
… aber warum bist Du nicht hier.
Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.
Du wirst nur mit der Tat erfasst,
mit Händen nur erhellt;
ein jeder Sinn ist nur ein Gast
und sehnt sich aus der Welt.
Ersonnen ist ein jeder Sinn,
man fühlt den feinen Saum darin
und dass ihn einer spann:
Du aber kommst und gibst Dich hin
und fällst den Flüchtling an.
Ich will nicht wissen, wo Du bist,
sprich mir aus überall.
Dein williger Evangelist
verzeichnet alles und vergisst
zu schauen nach dem Schall.
Ich geh doch immer auf Dich zu
mit meinem ganzen Gehn;
denn wer bin ich und wer bist Du,
wenn wir uns nicht verstehn?
Es legt dem Burschen auf die Stirne
die Hand der Genius so lind,
dass mit des Liedes Silberzwirne
er seiner Liebsten Herz umspinnt.
Da mag der Bursch sich süß erinnern,
was aus der Mutter Mund ihm scholl,
und mit dem Klang aus seinem Innern
füllt er sich seine Fiedel voll.
Die Liebe und der Heimat Schöne
drückt ihm den Bogen in die Hand,
und leise rieseln seine Töne
wie Blütenregen in das Land.
Und große Dichter, ruhmberauschte,
dem schlichten Liede lauschen sie,
so gläubig wie das Volk einst lauschte
dem Gotteswort des Sinai.
Nein, ich vergesse Dich nicht,
was ich auch werde,
liebliches zeitiges Licht,
Erstling der Erde.
Alles, was Du versprachst,
hat sie gehalten,
seit Du das Herz mir erbrachst
ohne Gewalten.
Flüchtigste frühste Figur,
die ich gewahrte:
nur weil ich Stärke erfuhr,
rühm ich das Zarte.
Graue Liebesschlangen hab ich aus Deinen
Achselhöhlen gescheucht. Wie auf heißen Steinen
liegen sie jetzt auf mir und verdauen
Lust-Klumpen
Lass mich nicht an Deinen Lippen trinken,
denn an Munden trank ich mir Verzicht.
Lass mich nicht in Deine Arme sinken,
denn mich fassen Arme nicht.
Aus der Trübe müder Überdrüsse
reißt, die wir einander bebend bringen,
uns die Botschaft. Welche? Wir vergingen –
Ach wann waren Worte diese Küsse?
Diese Küsse waren einmal Worte;
stark gesprochen an der Tür ins Freie
zwangen sie die Pforte.
Oder waren diese Küsse Schreie …
Schreie auf so schönen Hügeln, wie sie
Deine Brüste sind. Der Himmel schrie sie
in den Jugendjahren seiner Stürme.
Oh wie fühl ich still zu Dir hinüber,
oh wie gehen mir von Deinem Bild
steigende Gefühle flutend über.
Ungeheuer ist mein Herz gewillt.
In dem Raume, den ich in mich schaute
aus dem Weltraum und dem Wind am Meer,
gehst Du, unbegreifliche Vertraute,
wie sein eigenstes Geschöpf umher.
Nun erst schließ ich, ach nach wie viel Zeiten
meine Augen über mir; nun mag
keine Sehnsucht mehr mich überschreiten;
denn vollendeter wird Nacht und Tag.
Schau ich aber leise auf, so heilt
mir die Welt am milderen Gesichte –,
oh so war ja doch: dass ich verzichte,
allen Engeln noch nicht mitgeteilt.
So wie eine Türe, die nicht zubleibt,
geht im Schlaf mir immer wieder stöhnend
die Umarmung auf. Oh wehe Nächte.
Draußen wird der Garten weich im Mondschein
und die Blüten trüben mir das Fenster
und die Nachtigall ist nicht vergebens.
Dein Herz sei wie ein Nest im Unerreichten.
Hilf keinem zu der Wildnis Deines Baus,
doch manchmal wirf am Morgen einen leichten
neuflüggen Engel in die Himmel aus.
Vergiss, vergiss und lass uns jetzt nur dies
erleben, wie die Sterne durch geklärten
Nachthimmel dringen; wie der Mond die Gärten
voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wies
spiegelnder wird im Dunkel; wie ein Schein
entsteht, ein weißer Schatten in dem Glanz
der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz
hinübertreten in die Welt hinein
die monden ist –
Ein junges Mädchen: das ist wie ein Stern:
die ganze Erde dunkelt ihm entgegen
und ist ihm aufgetan wie einem Regen,
und niemals trank sie einen seligern.
Ein junges Mädchen: das ist wie ein Schatz,
vergraben neben einer alten Linde;
da sollen Ringe sein und Goldgewinde,
doch keiner ist erwählt, dass er sie finde:
nur eine Sage geht und sagt den Platz.
Ein junges Mädchen: dass wir’s niemals sind.
So wenig hat das Sein zu uns Vertrauen.
Am Anfang scheinen wir fast gleich, als Kind,
und später sind wir manchmal beinah Frauen
für einen Augenblick; doch wie verrinnt
das fern von uns, was Mädchen sind und schauen.
Mädchen gewesen sein: dass es das gibt.
Als sagte Eine: einmal war ich dies
und zeigte Dir ein Halsband von Türkis
auf welkem Sammte; und man sieht noch, wie’s
getragen war, verloren und geliebt.
Du duftest aus Dir hinaus,
schon schwindelt von Dir den Sternen.
Heute lass mich die Fernen
weghalten und wie ein Haus
warm sein um Dich und zu.
[Wohn in mir diese Nacht
wach in mir und gib acht]
Wer bist Du, Unbegreiflicher: Du Geist,
wie weißt Du mich von wo und wann zu finden,
der Du das Innere (wie ein Erblinden)
so innig machst, dass es sich schließt und kreist.
Der Liebende, der eine an sich reißt,
hat sie nicht nah; nur Du allein bist Nähe.
Wen hast Du nicht durchtränkt als ob Du jähe
die Farbe seiner Augen seist.
Ach, wer Musik in einem Spiegel sähe,
der sähe Dich und wüsste, wie Du heißt.
Sie ist traurig, lautlos und allein.
Sieh, sie leidet. Deine Nächte legten
sich auf ihre leisen leicht erregten
Nächte wie ein stürzendes Gestein.
Hundertmal in Deiner dumpfen Gier
warst Du ihr Vergeuder und Vergifter;
aber dass Du einmal wie ein Stifter
still und dunkel knietest neben ihr
macht Dich männlich und geht aus von Dir.
Aus unendlichen Sehnsüchten steigen
endliche Taten wie schwache Fontänen,
die sich zeitig und zitternd neigen.
Aber, die sich uns sonst verschweigen,
unsere fröhlichen Kräfte – zeigen
sich in diesen tanzenden Tränen.
Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!
Lass Deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.
In den alten Platanenalleen
wacht der Abend nicht mehr:
sie sind leer.
Und kommst Du mich nicht in das nächtliche Haus
mit Deiner Stimme verschließen,
so muss ich mich aus meinen Händen hinaus
in die Gärten des Dunkelblaus
ergießen …
Ich bin, Du Ängstlicher. Hörst Du mich nicht
mit allen meinen Sinnen an Dir branden?
Meine Gefühle, welche Flügel fanden,
umkreisen weiß Dein Angesicht.
Siehst Du nicht meine Seele, wie sie dicht
vor Dir in einem Kleid aus Stille steht?
Reift nicht mein mailiches Gebet
an Deinem Blicke wie an einem Baum?
Wenn Du der Träumer bist, bin ich Dein Traum.
Doch wenn Du wachen willst, bin ich Dein Wille
und werde mächtig aller Herrlichkeit
und ründe mich wie eine Sternenstille
über der wunderlichen Stadt der Zeit.
Du siehst, ich will viel.
Vielleicht will ich Alles:
das Dunkel jedes unendlichen Falles
und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.
Es leben so viele und wollen nichts,
und sind durch ihres leichten Gerichts
glatte Gefühle gefürstet.
Aber Du freust Dich jedes Gesichts,
das dient und dürstet.
Du freust Dich Aller, die Dich gebrauchen
wie ein Gerät.
Noch bist Du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,
in Deine werdenden Tiefen zu tauchen,
wo sich das Leben ruhig verrät.
… Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht.
Und meine, dürstend, Deine zu entdecken,
will ihre Arme aus dem Alltag strecken,
schaut hinter Deines Lachens Rosenhecken
und lugt und lauscht und findet ihren Klang nicht.
Deine Stube mit den kühlen
Rosen in den vielen Vasen,