Schulangst und Schulphobie - Hans Hopf - E-Book

Schulangst und Schulphobie E-Book

Hans Hopf

4,5

Beschreibung

Schulangst ist weitverbreitet und eine reale Angst, etwa vor Prüfungen, vor Beschämung, Verletzung oder Bestrafung. Mobbing und Bullying sind Ausdruck dieser Atmosphäre im sozialen Raum Schule. Aber auch Prüfungs- und Versagensängste plagen das moderne Kind. Ganz anders das Kind mit einer Schulphobie: Es hat Angst, die Schule zu besuchen, obwohl kein objektiver Grund dafür zu erkennen ist. Es leidet meist an Trennungsangst, die mit vielen seelischen und körperlichen Symptomen verbunden ist. Sowohl Eltern wie auch Lehrer werden in das Geschehen um Schulängste hineingezogen. Sie müssen diese mit ihren Kindern bzw. Schülern mitverarbeiten. Das ist nicht immer einfach, und so bieten die Erfahrung und Kompetenz von Hopf in Sachen Angststörungen eine verlässliche Grundlage, um ein komplexes psychisches Geschehen im sozialen Raum zu verstehen. Hopf gelingt es, dies auf anschauliche Weise hervorragend zu vermitteln.

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Hans HopfSchulangst und Schulphobie

Schulangst ist weitverbreitet und eine reale Angst, etwa vor Prüfungen, vor Beschämung, Verletzung oder Bestrafung. Mobbing und Bullying sind Ausdruck dieser Atmosphäre im sozialen Raum Schule. Aber auch Prüfungs- und Versagensängste plagen das moderne Kind.

Ganz anders das Kind mit einer Schulphobie: Es hat Angst, die Schule zu besuchen, obwohl kein objektiver Grund dafür zu erkennen ist. Es leidet meist an Trennungsangst, die mit vielen seelischen und körperlichen Symptomen verbunden ist.

Sowohl Eltern wie auch Lehrer werden in das Geschehen um Schulängste hineingezogen. Sie müssen diese mit ihren Kindern bzw. Schülern mitverarbeiten. Das ist nicht immer einfach, und so bieten die Erfahrung und Kompetenz von Hopf in Sachen Angststörungen eine verlässliche Grundlage, um ein komplexes psychisches Geschehen im sozialen Raum zu verstehen. Hopf gelingt es, dies auf anschauliche Weise hervorragend zu vermitteln.

Der Autor:

Hans Hopf, Dr. rer. biol. hum., geb. 1942, analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut bis 1995 in eigener Praxis, danach Therapeutischer Leiter im Therapiezentrum Osterhof, Baiersbronn. Dozent und Kontrollanalytiker am Psychoanalytischen Institut Stuttgart und Würzburg. Veröffentlichungen zu Angst, Aggression, Traum und Neurosenlehre. Beiträge für Rundfunk und Fernsehen. Seit 2003 wieder in eigener Praxis tätig, Gutachter. Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft 2013. Bei Brandes & Apsel in 3. Auflage: Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen. Diagnose, Indikation, Behandlung.

Hans Hopf

Schulangstund Schulphobie

Wege zum Verständnisund zur Bewältigung

Hilfen für Eltern und Lehrer

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in dem Bereich Psychoanalyse/Psychotherapie – Globalisierung/

Politisches Sachbuch/Afrika – Interkulturelles Sachbuch – Sachbücher/

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1. Auflage 2014 (E-Book, EPUB)

1. Auflage 2014 (gedrucktes Buch)

© Brandes & Apsel Verlag GmbH, Frankfurt a. M.

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen oder optischen Systemen, der öffentlichen Wiedergabe durch Hörfunk-, Fernsehsendungen und Multimedia sowie der Bereithaltung in einer Online-Datenbank oder im Internet zur Nutzung durch Dritte.

Umschlag und DTP: Felicitas Müller, Brandes & Apsel Verlag,

Frankfurt a. M. unter Verwendung des Fotos Ammersee-Gymnasium © dpa

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95558-076-6 (E-Book, EPUB)

ISBN 978-3-95558-035-3 (gedrucktes Buch)

Inhalt

Vorwort

Teil I: Schulangst

Angst gehört zu unserem Leben!

Schulängste sind reale Ängste

Schläge und Misshandlungen – Blick in die Vergangenheit

Strafen, Beschämungen und Bloßstellungen

Erziehung ohne Strafe?

Schwellensituationen, Schule und Schulpflicht

Michaels Erbrechen

Konflikte werden in Beziehungen getragen – der Lehrer als Objekt für Übertragungen

Die »negative Übertragung«

Die »positive Übertragung«

Belastungen durch Schulstress – macht die heutige Schule krank?

Was ist wirklich hilfreich in der Schule – und was nicht?

Prüfungsangst

»Träumen von der Prüfung«

Prüfungsängste

Ist eine angstfreie Kindheit vorstellbar, kann eine Schule ohne Angst realisiert werden?

Thomas zeigt keine Angst

Das von der Schule überforderte Kind

Was sind »Aufmerksamkeitsstörungen«?

Mobbing und Bullying

Mobbing unter Mädchen

Die Lust, zu entwerten

Ein »Täter«

Die »Opfer«

Cyber-Mobbing

Fremdenhass

Homophobie

Schule ist für alle da – Anpassungsbereitschaft und Toleranz

Zusammenfassung

»Schule schwänzen«

Teil II: Trennungsangst

Wie Trennungsangst entsteht und wie ein Kind lernt, Trennung auszuhalten

Bindung ist ein emotionales Band

Bindung, Erkundung der Welt und Autonomieentwicklung

Fremdeln und Trennungsangst

Über normale und notwendige Trennungsängste und ihre Bewältigung

Die große, gefährliche Welt macht Angst: Wiederannäherungsphase

Innere Bilder von mir und meinen Bezugspersonen: Bildung von Selbst- und Objektrepräsentanzen

Symbolisierung

Das Übergangsobjekt

Triangulierung

Angst und Aggression

Nicht-destruktive Aggressivität

Nicht-affektive Aggressivität

Feindselige Destruktivität (Zerstörung)

Aggression und Loslösung

Eine Idealvorstellung

Notwendige Trennungen

Krankenhaus

Kindertagesstätten

Trennungsangst – eine Angststörung

Regression

Einbruch der Symbolisierungsfähigkeit

Phobische Verarbeitung

Wie Ängste über »Somatisieren« aus dem Bewusstsein verbannt werden können

Rainers Bronchitis

Soll Regression unterstützt werden?

Vermeidungsverhalten

Ein Sonderform des Vermeidungsverhaltens: Schlafen im elterlichen Bett

Angstträume: der allgegenwärtige Konflikt »Regression versus Progression«

Teil III: Schulphobie

Trennungsangst und Schulphobie

Familiensituationen bei Schulphobien

Die Angst vor dem Schwarzen Mann – Geschichte einer Schulphobie

Das auslösende Ereignis

Zur Lebensgeschichte des Mädchens

Familiengeschichte

Untersuchungsergebnisse

Diagnose

Therapieverlauf

Abschluss der Behandlung

Rückschau

Teil IV: Eltern suchen Hilfen für ihr Kind – Verhaltenstherapie oder psychodynamische Verfahren?

Lehrer und Ärzte

Alternative: stationäre Psychotherapie

Zusammenarbeit von Eltern und Therapeuten mit stationären Einrichtungen

Geschlechtsunterschiede

Zusammenfassung

Gedanken zum Schluss

Literatur

Ich widme dieses Buch meiner Lehrerin in der 1. Klasse Elisabeth Schmittner. Sie hat mir im Flüchtlingslager die geistige Welt in liebevoller Weise erschlossen.

Vorwort

In diesem Buch werden die wichtigsten Ängste beschrieben, die sich um die Schule ranken – Trennungsangst, Schulangst, Schulphobie, Prüfungsangst, Schuld- und Schamangst und viele mehr. Wenn es schon so viele Bücher über Angst gibt, warum auch noch dieses Buch? Zum einen hat es mich bewegt, festzustellen, wie viele Ängste direkt und indirekt mit der Schule verknüpft sind. Warum ist das so und das offensichtlich schon so lange, wie es die Institution Schule gibt? Warum ist die Schule ein Angstmacher erster Güte und warum werden so viele Ängste auf sie verschoben, auf sie projiziert? Natürlich kann rasch geantwortet werden: weil sie Leistung verlangt, weil sie Druck ausüben kann, sanft oder brutal. Weil sie belohnt oder bestraft, auszeichnet oder beschämt. Das ist sicherlich die eine Seite. Ich denke aber, die Hauptursache für die Vielfalt der Ängste ist, dass die Schule ein Ort von Begegnung und Beziehung ist, mit ähnlichen, manchmal fast den gleichen Konflikten wie in einer Familie: mit einfühlsamen, verstehenden mütterlichen Haltungen und mit Vaterfiguren, die aufmerksame Beschützer sind und Kindern helfen, Regeln und Gesetze einzuhalten, ihre Affekte zu begrenzen – oder auch nicht!

1964 habe ich mein erstes Staatsexamen als Lehrer an Volksschulen abgelegt; da war ich 21 Jahre alt. Ich hatte hohe Ideale und wollte all das besser machen, was mich in der Schule einst so gequält hatte. Vor allem hatte ich die Vorstellung, immer einen solch guten Unterricht zu halten, dass meine Schülerinnen und Schüler interessiert zuhören und möglichst viel lernen würden. Doch rasch stellte ich fest, dass es einige von ihnen gab, die durch mein »Raster von Idealen« fielen und keineswegs die geistige Nahrung, die ich anbot, annehmen mochten – und hatte ich sie noch so geschickt verpackt. Ich verbesserte die Didaktik, vermied zunächst jeden Druck und warb weiterhin um Interesse, doch vergeblich.

Einer war der neunjährige Rolf. Er war nichtehelich geboren – damals war das noch ein Makel – und wuchs notgedrungen bei seiner Großmutter auf, denn die Mutter war verschwunden. Die Großmutter war schon alt, und sie versorgte Rolf, so gut sie das eben konnte. Rolf war dick und wirkte immer etwas schmuddelig. Ich glaube, schon diese beiden Tatsachen machten deutlich, dass Rolf einerseits emotional vernachlässigt und andererseits über Essen verwöhnt wurde. Rolf verweigerte alle Aufgaben, hatte nie Arbeitsmaterialien dabei und konnte dem Unterricht nicht folgen.

Ein anderer war der zehnjährige Dieter, fünftes Kind einer Familie, die in größter Armut lebte, weil der Vater alles Geld, das er verdiente, für Alkohol ausgab. Dieter konnte kaum rechnen, und er konnte nicht lesen und schreiben – dabei war er in ständiger Unruhe. Zunehmend spürte ich, dass mich solche Kinder hilflos werden ließen, dass sie mich bei meiner Arbeit störten und mich zunehmend auch ärgerten. Ich gehe heute, 50 Jahre danach, davon aus, dass sie vor mir und dem Schulalltag Angst hatten – auch wenn sie diese nicht zeigen konnten, außer über ihre konstante Verweigerung. Heute noch erlebe ich Schuld und Scham darüber, dass ich damals nicht erkannte, dass die Ablehnung, die ich fühlte, jene Ablehnung war, die sie zu Hause erfahren hatten und die sie in mir unterbrachten. Aber gerade weil ich Rolf und Dieter nicht helfen konnte, wollte ich mehr über deren Seelenleben erfahren; dies war einer der Gründe dafür, dass ich Kinderpsychoanalytiker geworden bin. Mit diesem Buch will ich zu meinen Wurzeln als Pädagoge zurückkehren und aus Sicht der Kinderpsychoanalyse und der psychoanalytischen Pädagogik über Schulängste schreiben.

Ein weiterer Grund für dieses Buch sind die Schuldgefühle der Eltern, wenn Kinder Störungen entwickeln. Ich wollte ein Buch über Ängste schreiben, damit Eltern ihre Kinder besser verstehen, ein Buch, in dem sie selbst, aber auch in ihrem Leiden verstanden werden. Da ich viel zu Ängsten und zur Schulphobie veröffentlicht habe, bekomme ich regelmäßig E-Mails und Anrufe aus mancherlei Gegenden. So gut wie immer fragen die hilfesuchenden Mütter – und es sind fast immer Mütter –, was sie denn falsch gemacht hätten. Sie fühlen sich persönlich »schuldig«, weil ihr Kind nicht mehr die Schule besucht. In vielen Fällen hatte man ihnen das auch unverblümt so gesagt.

Nach Resch und Brunner (2013) gehen 5-10 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht regelmäßig zur Schule. Ein großer Anteil von Jugendlichen mit schulvermeidendem Verhalten erlangt keinen Schulabschluss oder bleibt weit hinter den schulischen Leistungserwartungen zurück (S. 547). Besucht ein Kind die Schule nicht mehr, so ist das für die gesamte Familie eine schwierige Situation, die Hoffnungslosigkeit, aber auch Wut verbreiten kann. An jedem Morgen weint das Kind vielleicht bitterlich, es wird bockig, es kommt zu Machtkämpfen, es erbricht sich womöglich. Schuldgefühle sind jedoch die schlechtesten Ratgeber. In den ersten Gesprächen mit den Eltern ist es für die Lehrer, Berater und Therapeuten wichtig, sie bei ihren Schuldgefühlen abzuholen.

Ich habe bereits jetzt von Eltern, nicht von Müttern gesprochen. Über lange Zeit sind in der Tat Mütter als Alleinschuldige für alle negativen Entwicklungen ihrer Kinder auf die Anklagebank gesetzt worden. Es geht jedoch niemals um die Einflussnahme einer Mutter allein, sondern diese steht immer in einem Zusammenhang mit dem mittelbaren und unmittelbaren Einfluss des Vaters. Fortwährend findet eine Kommunikation in einem Beziehungsdreieck statt, gleichgültig, wo sich der Vater befindet, denn auch eine alleinerziehende Mutter ist eine Mutter in einer Familie, in welcher der Vater eventuell abwesend, jedoch verantwortlich ist. Darum muss der Vater immer an einem pädagogischen und therapeutischen Prozess beteiligt werden. Dies ist oft schon in einer intakten Familie schwierig, weil bei Angststörungen das Beziehungsdreieck so gut wie immer verzerrt ist und Väter eine Teilnahme am Prozess zu verweigern suchen. Noch schwieriger ist es, Väter einzubeziehen, wenn die Eltern getrennt sind. Aber der Therapeut muss das zumindest immer versuchen. Ich bin davon überzeugt, dass mit den Eltern anfänglich das Folgende festgestellt und besprochen werden kann.

Bei allen Angststörungen, insbesondere bei einer Schulphobie, leiden die Eltern mit ihrem Kind und auf ihnen lastet ein ebenso großer Leidensdruck. Eltern fühlen sich immer rasch beschuldigt. Sie sind nicht schuldig, aber sie tragen Verantwortung für ihr Kind. Sie sollten darum umsetzen, was richtig und notwendig ist.

Natürlich sind auch Persönlichkeitseigenschaften der Eltern an der Entstehung von Angststörungen ihrer Kinder beteiligt. Doch für diese tragen sie keine »Schuld«. Sie erbten Gene, sie hatten einzigartige Beziehungen zu den eigenen Eltern, sie erfuhren vielleicht Traumata oder belastende Lebensereignisse. All das und vieles andere hat ihre Persönlichkeit geformt, sie vielleicht überbehütend und ängstlich, vielleicht auch etwas uneinfühlsam und streng gemacht. Aber sie haben – aus ihrer Sicht – immer das Beste für ihr Kind angestrebt.

Von jetzt an gilt es, nach vorne zu schauen. Es gilt zu verstehen, welche Persönlichkeitsanteile der Eltern auf die Entstehung der kindlichen Probleme und Konflikte gewirkt haben. Dem müssen sich Eltern stellen, und sie müssen versuchen, sich über wachsende Einsicht zu verändern. Neurotische Ängste, Schulängste und Schulphobien sind behandelbar und heilen in den meisten Fällen auch gut aus. Vor einigen Jahren hielt ich in einer deutschen Großstadt an einem Gymnasium einen Vortrag über Probleme in der Adoleszenz. Nach meinem Vortrag kam ein kräftiger Jugendlicher zu mir und outete sich als Michael, der in jenem Therapiezentrum, in dem ich damals therapeutischer Leiter gewesen war, wegen seiner schweren Schulphobie behandelt worden war und von dem später noch ausführlich die Rede sein wird. Zwei Jahre war er vorher nicht zur Schule gegangen, trotz einer ambulanten Psychotherapie. Er teilte mir mit, dass er sehr gerne an diesem Gymnasium sei und mittlerweile zu den besten Schülern zähle – aber eines wolle er doch wissen: »Hans, kannst du mir verraten, warum ich damals nicht in die Schule wollte – ich verstehe das heute nicht mehr!« Da wusste ich, dass er die störenden Trennungsängste von damals überwunden hatte, und ich sagte zu ihm: »Weil du heute weißt, dass du dich auf dich verlassen kannst!«

In meinem ersten Kapitel berichte ich über Schulangst, Schulstrafen, Schuld- und Schamangst sowie unter anderem über Mobbing und Prüfungsängste – aus Sicht eines Lehrers und Kinderanalytikers. Darin blicke ich auch mit ausgesprochener Lust auf mein Lehrerleben zurück.

Im zweiten Kapitel geht es um die Entwicklung von Kindern und darum, wie sie lernen, »Getrenntheit« auszuhalten. Denn die zentrale Ursache für eine Schulphobie ist die Trennungsangst. Innerhalb einer Phobie wird Angst lediglich verdrängt und auf etwas Äußeres verschoben, die ursächliche Angst ist dann vorerst nicht mehr erkennbar. Bei einer Schulphobie ist die Schule darum lediglich die Bühne, nicht die Ursache der Ängste. Dieses Kapitel ist deshalb den Trennungsängsten gewidmet und zeigt auf, wie manifeste Ängste verarbeitet werden.

Der Hauptbereich besteht dann in einer Darstellung der Schulphobie mit all ihren vielfältigen Konflikten. Ein Schlusswort vervollständigt das Buch.

An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass alle Diagnosen der jeweiligen Störungsbilder, von Schulangst über Mobbing bis Schulphobie, zunächst einmal Schubladen sind. Es muss jedes Mal genau untersucht werden, welche individuellen Konflikte bei jedem Kind oder Jugendlichen zu den typischen Erscheinungsbildern geführt haben.

Noch eine Anmerkung: Ich habe über 40 Jahre pädagogisch und psychotherapeutisch mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Dieses Buch wurde aus der Sicht der Psychoanalyse verfasst, weil das mein Schwerpunkt geworden ist und meine Erfahrungen als Kinderpsychoanalytiker wiedergegeben werden. Auf keinen Fall will ich andere Zugangswege ausschließen oder meine Sicht gar als die beste, um Ängste zu erklären, bewerten. Nach Rom führen bekanntlich viele Wege, und auch ein Berg lässt sich von mehreren Seiten besteigen. Ich habe dieses Buch für Eltern, Lehrer und alle professionell Erziehenden, aber durchaus auch für psychotherapeutisch Tätige geschrieben. Wer sich fachlich weiter informieren möchte, dem empfehle ich mein Buch über Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen, erschienen im gleichen Verlag.

Zum Schluss will ich jenen Personen danken, die mir beim Schreiben dieses Buches geholfen haben. Der Verleger Roland Apsel hat die Entstehung dieses Buches angeregt, geduldig begleitet und mir an vielen Stellen wertvolle Anregungen gegeben. Meine Kolleginnen Silja Bauer und Monica Zimmerman haben mir dankenswerterweise Einblicke in Behandlungen gewährt und mir gestattet, daraus zu berichten. Gabriele Häußler, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin und Redakteurin der Zeitschrift Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie, hat das Manuskript sorgfältig durchgesehen, redigiert und korrigiert.

Mundelsheim, im Januar 2014Hans Hopf

Teil I:Schulangst

Angst gehört zu unserem Leben!

Angst – ein Schreckenswort! Wird von Ängsten gesprochen, so denken viele Mitmenschen sofort an schwere Leiden. Vielleicht haben manche einen Freund oder einen nahen Verwandten, der an Panikattacken leidet. Kinder von Bekannten mögen sich nicht von den Eltern trennen, andere leiden an Schulängsten oder einer Schulphobie. Ein weiteres Kind kann sich nicht in der Höhe aufhalten, ohne Ängste zu bekommen, jemand anderes traut sich nicht, mit dem Aufzug fahren …

Dabei ist Angst zuallererst ein wichtiges Warnsignal vor echten Gefahren. Der große Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter, der viele Untersuchungen zu Ängsten gemacht hat, meinte gar: »Angst ist eine Farbe unseres Lebens«! Wie wichtig sie ist, zeigt sich darin, dass sie auch bei allen Tieren vorkommt. Sogar Meeresschnecken, primitive Wesen, die eher Schleimhaufen gleichen, zeigen Angst. In einem stammesgeschichtlich alten Teil des Nervensystems, das der Mensch mit anderen Säugetieren gemeinsam hat, wird das Verhalten des Menschen gelenkt. Dies geschieht über die Steuerung der Affekte für Angriff, Verteidigung oder Flucht. Weil sie also vor Gefahren warnen, sichern Ängste das Überleben und dienen unserer sozialen Anpassung. Sie folgen aber auch den Forderungen unseres Gewissens, das in der Psychoanalyse »Über-Ich« genannt wird. Der Angstaffekt unterstützt unsere gesamten Sinneswahrnehmungen. Angst ist also kein krankhafter Zustand, sondern eine angeborene sinnvolle Reaktion (vgl. Hopf, 2009, S. 15f).

Angst wird von Körperempfindungen begleitet, von Ruhelosigkeit und Veränderungen des Herzschlags sowie des Blutdrucks. Die meisten Menschen empfinden Angst, wenn eigene Einstellungen, die eigene Person oder die Selbstachtung bedroht werden. Wir reagieren aber auch auf die Abwesenheit von Menschen oder Dingen, die uns Sicherheit geben oder die sogar Sicherheit für uns bedeuten können. Vorbereitende Angst hilft uns, schwierige Situationen gut zu bewältigen, weil wir besser vorausplanen.

Somit warnt und schützt uns Angst vor echten Gefahren und Bedrohungen. Letztendlich unterstützt sie unsere Wahrnehmungen. Eine solche reale Angst wird auch Furcht genannt. Sie ist auf ein bestimmtes Objekt gerichtet, während »Angst« ungerichtet und diffus ist. Angst als Warnsignal kann allerdings nur funktionieren, wenn die Wirklichkeit von der Phantasie unterschieden werden kann.

Wir besitzen ein Bewusstsein, das auch »Ich« genannt wird. Es vergleicht alle Wahrnehmungen und versucht, sie zu integrieren, organisiert Lernen, Erfahrung und Gedächtnis. Ein gesundes Ich kann deshalb äußere Wahrnehmungen von inneren Phantasien trennen, wobei sich allerdings bei jedem Menschen zu bestimmten Zeiten die beiden vermischen können: Reale Ängste können sich mit phantasierten, also »neurotischen« Ängsten verschränken. Bei bestimmten Entwicklungsstörungen können echte Gefahren als größer oder irrealer, als sie es sind, wahrgenommen werden. Sie können aber auch kleiner erscheinen, gering geschätzt und sogar völlig ausgeblendet werden. Dann wird reale Angst verleugnet.

Wir können schon jetzt festhalten: Angst ist lebenswichtig. Ängste können Kindern darum nicht erspart werden, sie steuern einen Teil der Entwicklung. Zu viel Angst und zu wenig Angst – beides ist störend.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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