Schulen im Spannungsfeld analoger und digitaler Kommunikation (E-Book) -  - E-Book

Schulen im Spannungsfeld analoger und digitaler Kommunikation (E-Book) E-Book

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Der digitale Wandel stellt Schulen vor neue Herausforderungen – nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch in anderen Aufgabenbereichen. In diesem Sammelband thematisieren wir, wie digitale Kanäle neue Möglichkeiten und Herausforderungen für die Schulkommunikation schaffen. Wir präsentieren Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsprojekten, welche sowohl an der PHBern als auch an der PH Schwyz und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (zhaw) durchgeführt wurden. Diese fokussierten einerseits spezifische Zielgruppen wie Erziehungsberechtigte oder Lehrpersonen, andererseits untersuchten sie schulische Kommunikation als Ganzes.

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Seitenzahl: 130

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Sonja Beeli-Zimmermann / Evelyne Wannack (Hrsg.)

Schulen im Spannungsfeld analoger und digitaler Kommunikation

 

ISBN Print: 978-3-0355-2354-6

ISBN E-Book: 978-3-0355-2355-3

 

1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 hep Verlag AG, Bern

 

hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Überblick

2 Chancen und Herausforderungen digitaler Schulkommunikation am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

2.1 Generelle Potenziale und Herausforderungen digitaler Schulkommunikation

2.2 Bedingungen für eine gelingende digital unterstützte Kommunikation am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

2.3 Fazit und Empfehlungen

3 Mit einem gemeinsam entwickelten Kommunikationsverständnis dem digitalen Wandel begegnen

3.1 Einleitung

3.2 Kommunikationsverständnis als Kern des schulischen Kommunikationskonzepts

3.3 Schule A: Partizipativer Entwicklungsprozess als Chance

3.4 Schule B: Dialog als Kernelement im Entwicklungsprozess

3.5 Fazit und Ausblick

4 Kommunikation im digitalen Wandel weiterentwickeln – eine zentrale Aufgabe von Schulleitungen

4.1 Einleitung

4.2 Die Rolle der Schulkommunikation im digitalen Wandel der Schule

4.3 Kommunikationsentwicklung über relevante Handlungsdimensionen steuern

4.4 Schulleitungen als Schlüsselpersonen einer gezielten Kommunikationsentwicklung

4.5 Ergebnisse zur Handlungsdimension «Rollengestaltung Schulleitung»

4.6 Fazit

5 Überlegungen von Lehrpersonen bei der Nutzung digitaler Kommunikationskanäle

5.1 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Familie

5.2 Fragestellungen

5.3 Ergebnisse

5.4 Fazit und Hinweise für die Praxis

6 Erziehungsberechtigte als Zielpublikum von Schulwebsites

6.1 Einleitung

6.2 Elternarbeit und digitaler Wandel

6.3 Ergebnisse

6.4 Diskussion und Fazit

7 Schulkommunikation aus Sicht der Erziehungsberechtigten

7.1 Einleitung

7.2 Partnerschaftliche Elternarbeit?

7.3 Erkenntnisse aus den Interviews

7.4 Fazit

8 Schlussbetrachtungen aus Sicht der Praxis und der Forschung

8.1 Implikationen für die Praxis

8.2 Implikationen für die Forschung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

1Einleitung und Überblick

Sonja Beeli-Zimmermann, Evelyne Wannack

Das erste Axiom von Watzlawick zur menschlichen Kommunikation – man kann nicht nicht kommunizieren – gilt auch für Institutionen wie Schulen. Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation im Klassenzimmer, sondern auch um Absprachen zwischen Kolleg*innen oder den Austausch mit Eltern und Erziehungsberechtigten[1]. Die Vielfalt und Anzahl der beteiligten Personen und Gruppen vermitteln den Eindruck, dass das schulische Umfeld ein besonders herausfordernder Kommunikationskontext sein kann. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn wir die heute eingesetzten digitalen Technologien berücksichtigen: Im schulischen Alltag findet Kommunikation parallel auf den verschiedensten Kanälen statt. Lehrpersonen geben Unterlagen auf Papier ab, Schulleitungen führen Telefonate, alle tauschen Informationen über Kommunikationsapps aus oder berichten Neuigkeiten in Blogs auf der Schulwebsite. Mit diesem Band wollen wir die Thematik der schulischen Kommunikation aus unterschiedlichen Blickwinkeln, insbesondere aus der Perspektive verschiedener Personengruppen, unter die Lupe nehmen. Im Vordergrund steht dabei die Kommunikation mit den Erziehungsberechtigten, während die schulinterne Kommunikation eher am Rande behandelt wird.

Anlass für diesen Band war ein Symposium im Rahmen des Jahreskongresses 2022 der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung SGBF. Unter dem Titel «Digitale Kommunikation in der Schule – eine mehrperspektivische Annäherung» wurden Ergebnisse aus drei Forschungsprojekten präsentiert. Diese Projekte wurden an unterschiedlichen Institutionen – der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), PH Schwyz und PHBern – durchgeführt. Der Austausch im Rahmen des Symposiums zeigte, wie gewinnbringend die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven sein kann, wenn es darum geht, sich einem komplexen Phänomen wie der schulischen Kommunikation zu nähern. Allen präsentierten Perspektiven gemein ist die Einsicht, dass der digitale Wandel Schulen auch als Organisationen betrifft. Schulen müssen neue Technologien nicht nur im Unterricht wirksam einsetzen, sondern diese auch für andere Aufgaben – wie den Kontakt mit Eltern und Erziehungsberechtigten – gewinnbringend nutzen. Für diesen Band haben wir die ursprünglichen Beiträge um weitere ergänzt, um nachfolgende Arbeiten aus den jeweiligen Projekten zu berücksichtigen und die gesetzten Themen zu erweitern. Damit präsentieren wir an dieser Stelle Beiträge, die aus unserer Sicht für unterschiedliche Zielgruppen von Lesenden interessant sind: Für Lehrpersonen, die über Kommunikationsapps mit Eltern und Erziehungsberechtigten kommunizieren; für Schulleitungen oder Gemeindebehörden, die systematisch über die Kommunikation an ihrer Schule nachdenken wollen, oder für kommunikationsinteressierte Personen, die einen Einblick in Schulen gewinnen möchten.

Wie in Abbildung 1.1 erkennbar ist, verfolgen wir in diesem Band einen modularen Aufbau: Während das erste und letzte Kapitel übergreifende Informationen und Überlegungen beinhalten, sind die anderen Kapitel (2–7) in sich geschlossen. Sie können jeweils als thematisch fokussierte, alleinstehende Beiträge gelesen werden. Mit dieser Modularität soll unterschiedlichen Zielgruppen ein direkter Zugang zu den Themen, die für sie jeweils von Interesse sind, ermöglicht werden. Dabei wird in Kapitel 2 ein Überblick über aktuelle Themen an der Schnittstelle Schulkommunikation und digitaler Wandel gegeben. Alle anderen Kapitel berichten aus spezifischen Forschungsprojekten. Kapitel 3 und 4 sowie Kapitel 6 und 7 stammen jeweils aus denselben Projekten und werden jeweils von derselben Autorinnengruppe verantwortet. Sie ergänzen sich also besonders gut und geben zusammen einen umfassenderen Einblick in den jeweiligen Kontext.

Abb. 1.1: Aufbau des Bandes im Überblick (eigene Darstellung)

Kapitel 3 bis 7, welche spezifische Resultate aus unterschiedlichen Forschungsprojekten berichten, sind identisch aufgebaut: Sie beginnen mit einer kurzen Einleitung. Darauf folgen Hinweise auf spezifische Modelle, Konzepte oder Theorien, anschliessend werden Resultate berichtet und diskutiert. Jeweils spezifische forschungsmethodische Informationen zur Umsetzung der einzelnen Projekte werden in separaten, blau hinterlegten, Infoboxen dargestellt. So wird ersichtlich, welche Datenerhebungen als Basis für die Ergebnisse verwendet werden.

 

Die modularen Kapitel fokussieren dabei die folgenden Themen:

In Kapitel 2 geben Doreen Prasse und Jasmin Bastian einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Themenfeld digitale Schulkommunikation. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen fokussieren sie insbesondere auf die Kommunikation an der Schnittstelle Schule–Elternhaus und legen dar, was wir schon aus empirischen Studien über Gelingensbedingungen dazu wissen.

Einen gesamtheitlichen Blick nehmen auch die Autorinnen des dritten Kapitels, Colette Schneider Stingelin, Katharina Krämer, Nicole Rosenberger, Carmen Koch, Angelica Hüsser und Julia Grundisch, ein. Anhand zweier Schulen stellen sie dar, wie die gemeinsame Entwicklung eines gesamtschulischen Kommunikationskonzeptes erfolgen kann. Sie beschreiben typische Spannungsfelder von Schulkommunikation und zeigen, welche Rolle ein geteiltes Verständnis von Kommunikation spielt.

Kapitel 4, welches von denselben Autorinnen wie Kapitel 3 verfasst wurde, beleuchtet die Rolle und Aufgaben der Schulleitung. Diese Rollengestaltung ist eine von neun Dimensionen der Kommunikationsentwicklung, welche die Autorinnen auf der Basis von Fallstudien identifiziert haben. Sie berichten erste Resultate aus einem von ihnen entwickelten Online-Self-Assessment für Schulangehörige und zeigen, wie unterschiedlich die Rolle der Schulleitung wahrgenommen wird.

In Kapitel 5 stehen die Lehrpersonen im Vordergrund. Daniel Hürzeler und Doreen Prasse berichten in diesem Beitrag, wie Lehrpersonen die Kommunikation mit der App «Klapp» erleben und beurteilen. Mithilfe eines Einstellungs-Verhaltens-Modells analysieren sie Interviewdaten und identifizieren relevante Einstellungen, beispielsweise die wahrgenommene Annehmlichkeit und Schnelligkeit. Zudem berichten sie, für welche Inhalte die App vorwiegend verwendet wird, und benennen damit verbundene Herausforderungen.

Kapitel 6 fokussiert einen weiteren digitalen Kommunikationskanal, nämlich Schulwebsites. Auf der Basis einer Analyse von Startseiten von 40 Schulen kristallisieren Melodie Burri, Anne-Sophie Ewald, Sonja Beeli-Zimmermann und Evelyne Wannack drei Typen der Anrede von Eltern und Erziehungsberechtigten heraus. Zusätzlich illustrieren sie anhand von Interviews mit Schulleitungen, in welchen Spannungsfeldern sich Schulen bewegen, wenn sie sich auf ihren Websites an diese Zielgruppe wenden.

Im letzten Kapitel kommen schliesslich die Eltern/Erziehungsberechtigten zur Sprache. Die Autorinnen von Kapitel 6 nutzen Interviews mit 26 Müttern und 9 Vätern, um einen Einblick in die Wahrnehmung der Schulkommunikation aus ihrer Perspektive zu geben. Sie beschreiben, wie vielfältig diese Personengruppe ist und wie sie sich gekonnt zwischen den verschiedenen Kanälen bewegt und mehrheitlich damit zufrieden ist.

Die in diesem Band versammelten Beiträge zeigen eindrücklich, wie vielfältig sich die Thematik der Schulkommunikation präsentiert und wie diese von spezifischen Gruppen gestaltet und wahrgenommen wird. Während insbesondere digitale Kommunikationsapps unsere alltäglichen Praktiken fundamental verändern, sind analoge Kanäle noch nicht verschwunden. Es gilt also immer wieder, bestehende Praktiken zu reflektieren und bei Bedarf neu zu gestalten. Wir hoffen, mit diesem Band einen Beitrag dazu zu leisten und insbesondere Verständnis für die Situation aller Beteiligten zu fördern.

2Chancen und Herausforderungen digitaler Schulkommunikation am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

Doreen Prasse, Jasmin Bastian

Die Digitalisierung schulischer Prozesse beeinflusst die Art und Weise wie schulische Akteure miteinander zu lern-, unterrichts- und schulrelevanten Themen kommunizieren. Dabei wird digitalen Medien das Potenzial zugeschrieben, den Informationsfluss oder die Zusammenarbeit in der Schule zu verbessern. Allerdings werden die hier bestehenden Chancen von Schulen noch nicht ausgeschöpft und es ergeben sich neue Herausforderungen. Im Folgenden sollen wichtige Aspekte zur Rolle digitaler Medien in schulischen Kommunikationsprozessen herausgearbeitet und am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule vertieft werden, welche Bedingungen solche Veränderungen fördern oder behindern.

2.1 Generelle Potenziale und Herausforderungen digitaler Schulkommunikation

Die meisten Lehrpersonen, Schüler*innen und Eltern verfügen heute über digitale mobile Geräte, was eine umfangreiche und allgegenwärtige Nutzung digitaler Anwendungen, wie Kommunikations- und Kollaborationswerkzeuge oder schulische Lernplattformen, ermöglicht (Prasse et al., 2021). Dazu kommt eine während der Corona-Pandemie entstandene Intensivierung digitaler Kommunikationskanäle – nicht nur für die Lernbegleitung der Schüler*innen, sondern auch für die Kommunikation zwischen den Lehrpersonen sowie zwischen Schule und Eltern (Huber et al., 2020). Es ist davon auszugehen, dass die Relevanz digital unterstützter Kommunikations- und Kooperationsformen weiter steigen wird. Mit dem verstärkten Einsatz digitaler Anwendungen in schulischen Kommunikationsprozessen sind vielfältige Hoffnungen verbunden. Dazu gehören beispielsweise die Beschleunigung und Intensivierung der Informationsflüsse an der Schule, eine bessere und effizientere Verteilung, Verfügbarkeit und Dokumentation von Informationen (orts- und zeitunabhängig), eine Erweiterung sozialer Netzwerke und eine intensivere Beteiligung schulischer Akteure in Schulentwicklungsprozessen. Diese Erwartungen sind nicht völlig neu und wurden bereits Anfang der 2000er-Jahren formuliert (Breiter et al., 2008). Inzwischen sind sie auch in bildungspolitischen Stellungnahmen verankert (Kultusministerkonferenz, 2016, swissuniversities, 2022). Schulen sind angehalten, die Potenziale digitaler Medien für ihre Kommunikationsprozesse auszuschöpfen und diese durch schulspezifische Kommunikationskonzepte umzusetzen (z.B. Rosenberger et al., 2021). Dies betrifft nicht nur die Kommunikation innerhalb der Schule, sondern auch diejenige mit den Eltern oder dem weiteren Schulumfeld.

Insgesamt wissen wir aus der Forschung im deutschsprachigen Raum nur wenig darüber, wie und in welchem Umfang die Möglichkeiten digital unterstützter Kommunikation in der Schulpraxis konkret genutzt, erlebt und ausgestaltet werden. Waffner (2020) folgert basierend auf einer Metaanalyse, dass digitale Medien im beruflichen Alltag von Lehrpersonen mittlerweile auch als Kommunikationsmedium etabliert sind. Auch in der Kommunikation zwischen Schule und Eltern findet eine zunehmende Nutzung digitaler Medien statt (Cohen et al., 2021), die in vielen Fällen als eine Verbesserung der Kommunikationsprozesse erlebt wird (Blau & Hameiri, 2017). Solche digital unterstützten Kommunikationsprozesse betreffen vor allem den arbeitsbezogenen Austausch von Informationen und Materialien mit anderen Lehrpersonen der Schule oder den Eltern (z.B. über E-Mail, Social Media) und die vorsichtig wachsende Nutzung von Lernmanagementsystemen (Thompson et al., 2015). Letztere werden im deutschsprachigen Raum allerdings deutlich weniger genutzt als etwa im englischsprachigen Raum (Breiter & Ruhe, 2018; Tengler et al., 2020). Auch ein digital unterstützter informeller Austausch mit Lehrkräften ausserhalb der Schule, wie ihn Fischer et al. (2019) am Beispiel von Twitter-Communitys untersucht haben, wird zumeist nur von besonders medienaffinen Lehrpersonen praktiziert (Fütterer et al., 2021).

Zu differenzierten Einschätzungen kommen Studien, die sich mit den unterschiedlichen Funktionen schulinterner Kommunikation beschäftigen. In solchen Studien wird – oft basierend auf dem Modell von Gräsel et al. (2006) – zwischen drei wichtigen Kommunikationsformen unterschieden: a) Kommunikation als reiner Austausch von Informationen und Materialien, b) Kommunikation zum Zweck der Arbeitsteilung und c) der Kommunikation zu Zwecken der Ko-Konstruktion. Gerade Letzteres kann von Lehrenden als besonders herausfordernd erlebt werden, da solche Kommunikationsformen in der Regel ein hohes Mass an gegenseitiger Abhängigkeit schaffen und damit viel Vertrauen bei den Beteiligten voraussetzen (ebd.). Dabei gehen digitale Kommunikationskanäle mit gewissen Unsicherheiten hinsichtlich der Gestaltung guter persönlicher Beziehungen einher. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass solche anspruchsvollen, digital unterstützten kollaborativen Kommunikationsformen in Schulen deutlich weniger praktiziert werden (Drossel & Heldt, 2022). Auch Cohen et al. (2021) kommen in ihren Fallstudien zum Schluss, dass der Einsatz digitaler Medien für die schulische Kommunikation und Kooperation in den Schulen noch nicht ausreichend verankert ist und bisher vornehmlich für die Verbreitung von Informationen genutzt wird. Dies gilt auch für die digitale Kommunikation zwischen Schule und Eltern, die sich zumeist auf den reinen Informationsaustausch und weniger auf Angebote zur Mitgestaltung schulischer Prozesse richtet (Bonanati et al., 2022).

Aus der theoretischen Perspektive einer tiefgreifenden Mediatisierung schulischer Prozesse und Strukturen (Krotz 2017) wird zudem betont, dass die digital veränderte Kommunikation in der Schule eng mit dem sozialen Gefüge des schulischen Miteinanders verwoben ist. So können die durch die Digitalisierung veränderten Kommunikations- und Interaktionslogiken auch zu veränderten Rollenerwartungen, Verantwortlichkeiten und Werthaltungen führen (Hepp & Hasebrink, 2017), die jeweils neu ausgehandelt und verändert werden müssen. Dies bringt auch Herausforderungen mit sich. Als Beispiel können hier beobachtete Entgrenzungserscheinungen zwischen Beruflichem und Privatem genannt werden, die sich im Zuge der Digitalisierung für Lehrpersonen zu verschärfen scheinen (Dehmel et al., 2020). Lehrpersonen sind theoretisch rund um die Uhr und relativ niedrigschwellig kontaktierbar. Die Grenzen zwischen formellen und informellen Kommunikationsanlässen verschwimmen, z.B. durch eine mit digitalen Medien «lockere» Gesprächsführung (vgl. Kapitel 5 in diesem Band). Ein weiterer Aspekt betrifft die zunehmende «Datafizierung» (Dehmel et al., 2020). Dieser Begriff verweist darauf, dass im Hintergrund digitaler Kommunikationsprozesse permanent Daten über Personen und ihr Verhalten gesammelt und theoretisch auch zusammengeführt und analysiert werden können. Auch dieser Aspekt kann Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten haben. Beispielsweise können die nun digital kommunizierten Informationen anders und vor allem umfassender dokumentiert und archiviert werden und stehen später auch für andere als die ursprünglich intendierten Zwecke zur Verfügung. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Daten von Schüler*innen zur formativen Beurteilung später aggregiert und zur Qualitätsmessung von Unterrichts- und Schulangeboten verwendet werden. Hier können digitalisierte Kommunikationsprozesse Einfluss auf die Logik und Umsetzung schulischer Steuerungs- und Kontrollmechanismen nehmen. Ein weiteres Beispiel betrifft die zunehmende digitale Dokumentation von Lernergebnissen (z.B. digitale Schüler*innen-Dossiers), zu denen auch Eltern Zugang erhalten. Dadurch können Eltern als Adressaten stärker in den Fokus rücken, was die Dokumentation der pädagogischen Arbeit von Lehrpersonen verändern kann (Knauf, 2020).

Ob und wie digitale Medien in schulischen Kommunikationsprozessen konkret genutzt werden, hängt eng damit zusammen, welche Potenziale und Herausforderungen die schulischen Akteure (Lehrpersonen, Schulleitende, Eltern etc.) für ihre Arbeit oder ihre Rolle sehen (Macià Bordalba & Garreta Bochaca, 2019; Prasse et al., 2017). In der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (Venkatesh et al., 2012) wird ebenfalls betont, dass die Nutzung neuer Technologien zwar mit der eigenen wahrgenommenen Kompetenz zusammenhängt, vor allem aber auf persönlichen Überzeugungen zu den positiven oder negativen Konsequenzen für das eigene Aufgabenfeld oder die eigene Rolle beruht. Auch in Bezug auf die digitale Kommunikation scheinen sowohl die Nutzungskompetenz als auch die Einstellungen und Befürchtungen von Lehrpersonen einen Einfluss zu haben (Palts & Kalmus, 2015). Darüber hinaus konnte im Kontext der Integration digitaler Medien in schulische Abläufe und Prozesse in zahlreichen Studien die Bedeutung organisationaler bzw. schulkultureller Bedingungen nachgewiesen werden (u.a. Schaumburg & Prasse 2019).

2.2 Bedingungen für eine gelingende digital unterstützte Kommunikation am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

Ob digitale Medien die Kommunikation zwischen den Beteiligten verbessern und positive Effekte zeigen, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, darunter den speziellen Charakteristika der beteiligten Akteure und den jeweiligen schulischen Rahmenbedingungen. Für eine differenzierte Betrachtung möglicher Bedingungen ist es jedoch wichtig, die beteiligten Akteursgruppen mit ihren jeweiligen Erwartungen und Bedürfnissen in den Blick zu nehmen. Im Folgenden wollen wir dies deshalb am Beispiel der Kommunikation zwischen Lehrpersonen und Eltern ausführen, da dies ein wichtiger, oftmals aber zu wenig beachteter Faktor für die akademische und soziale Entwicklung von Schüler*innen ist (z.B. Boonk et al., 2018).

Faktoren auf Ebene der Lehrpersonen