Schutzrechte in Forschung, Studium und Lehre - Christian Newton - E-Book

Schutzrechte in Forschung, Studium und Lehre E-Book

Christian Newton

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Beschreibung

Die Thematik des Geistigen Eigentums (IP) spielt an Hochschulen eine zunehmend wichtige Rolle. Ziel dieses Buches ist es, einen komprimierten und leicht verständlichen Überblick sowie Leitfaden zu dem umfassenden und komplexen Thema der Schutzrechte wie Patente, Marken, Designs und des Urheberrechts zu geben. Voraussetzungen, Charakteristika und Besonderheiten der jeweiligen Schutzrechte werden verständlich vermittelt. Berücksichtigt sind die speziellen Anforderungen, aber auch Chancen und Potentiale aus Sicht von Wissenschaft, Studium und Lehre sowie des Hochschulmanagements.

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Schutzrechte in Forschung, Studium und Lehre

Leitfaden für Wissenschaft, Studierende und Hochschulmanagement

von

Dr. Christian NewtonHochschule Osnabrück und Universität Osnabrück

und

Dr. Alexander Albert JeschkeWeidner Stern Jeschke Patentanwälte PartGmbB, Bremen

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-041632-1

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-041633-8

epub: ISBN 978-3-17-041634-5

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Die Thematik des Geistigen Eigentums (IP) spielt an Hochschulen eine zunehmend wichtige Rolle. Ziel dieses Buches ist es, einen komprimierten und leicht verständlichen Überblick sowie Leitfaden zu dem umfassenden und komplexen Thema der Schutzrechte wie Patente, Marken, Designs und des Urheberrechts zu geben. Voraussetzungen, Charakteristika und Besonderheiten der jeweiligen Schutzrechte werden verständlich vermittelt. Berücksichtigt sind die speziellen Anforderungen, aber auch Chancen und Potentiale aus Sicht von Wissenschaft, Studium und Lehre sowie des Hochschulmanagements.

Dr. Christian Newton, Patentingenieur - Zuständiger für Transfer und IP-Management der Universität und Hochschule Osnabrück. Dr. Alexander Jeschke ist geschäftsführender Partner der Patentanwaltskanzlei Weidner Stern Jeschke Patentanwälte Partnerschaft mbB.

Zusammenfassung

Geistiges Eigentum in Form gewerblicher Schutzrechte und des Urheberrechts spielt für Hochschulen eine zunehmend wichtige Rolle. Allein für die technischen Schutzrechte gilt, dass ein Großteil des weltweiten technischen Wissens in ca. 16 Millionen Patenten niedergeschrieben ist (2020).*1 Sie erweitern sukzessive den Stand der Technik, bilden das Fundament unserer technologischen Welt und tragen damit maßgeblich zu mehr Wohlstand und einer höheren Lebensqualität bei.

Hochschulen liefern durch ihre Forschung einen entscheidenden Beitrag. Entsprechend wichtig ist das Wissen um den richtigen bzw. zielführenden Umgang mit Schutzrechten. Dies gilt sowohl vor dem Hintergrund der Erzeugung geistigen Eigentums als auch des Umgangs mit bestehenden Schutzrechten Dritter im Kontext von Forschung, Studium und Lehre.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Schutzrechtsthematik nicht nur für technisch ausgerichtete Hochschulen und Fächer zum Tragen kommt. Zwar ist insbesondere die technisch ausgerichtete Hochschulforschung intensiv mit der Frage nach Patenten und Gebrauchsmustern verwoben, das Urheberrecht jedoch ist von fächerübergreifender Relevanz. Auch erfährt in der Hochschulpraxis der Markenschutz eine zunehmend wichtige Funktion für die Reputation und Sichtbarkeit von Forschungsprojekten und Arbeitsgemeinschaften mit Transfer- und Praxisbezug. Ebenfalls wird der Designschutz von einer zunehmenden Zahl an Hochschulen für Projekte mit gestalterischem Ergebnis in Anspruch genommen.

Im Gegensatz zu der wachsenden Bedeutung der Thematik an und für Hochschulen besteht weiterhin eine große Unsicherheit in Bezug auf die Erfordernisse im Umgang mit den jeweiligen Schutzrechten. Die Anzahl an Experten, die sich mit der Thematik an Hochschulen befasst, ist in der Regel überschaubar. Nicht selten wird das Thema dezentral und in einer Gemengelage mit anderen Aufgabenbereichen nur rudimentär bearbeitet. Die Wissenslücken zu den gesetzlichen Voraussetzungen, erforderlichen Prozessen und Verfahren sind oftmals eklatant. Dies wird den aktuellen Anforderungen, Chancen aber auch Herausforderungen nicht gerecht.

Hochschulen benötigen ein professionelles und nachhaltiges Management ihres geistigen Eigentums, kurz IP (Intellectual Property), dass auf einer konzertierten IP-Strategie der jeweiligen Hochschule basiert. Nur so ist es möglich, die enormen Potentiale gewinnbringend einzusetzen.

Das vorliegende Buch richtet sich sowohl an Wissenschaftler, das Hochschulmanagement und IP-Manager, als auch Studierende, Patentanwälte und Patentverwertungsagenturen, die eng mit Hochschulen verflochten sind sowie alle Interessierte, welche die Bedeutung von Geistigem Eigentum in Forschung, Studium und Lehre kennen lernen möchten.

In dem Buch wird u. a. aufgezeigt, welche Schutzrechte es gibt, welche Vorteile und Chancen sie für Hochschulen haben und worauf Wissenschaftler sowie das IP- und Hochschulmanagement achten sollten. Hierbei werden auch die rechtlichen Konstellationen beleuchtet, die Klarheit über die Eigentumsverhältnisse zwischen Erfindern, Urhebern und dem Arbeitgeber liefern.

Die praktische Bedeutung der jeweiligen Schutzrechte wird anhand gängiger Beispiele aus dem Hochschulalltag verständlich dargestellt und abgerundet. Zudem werden detailliert die Verwertungsmöglichkeiten von Schutzrechten erläutert und dabei IP-Verträge, wie Lizenz-, Veräußerungs-, Options- und Geheimhaltungsverträge beleuchtet.

Abschließend wird die optimale organisatorische Verortung des IP-Managements innerhalb der Hochschule aufgezeigt.

Das Buch liefert Antworten auf praxisrelevante Fragen der Hochschul-Community und hat zum Ziel, ein hilfreicher multiperspektivischer Wegweiser zum zielführenden Umgang mit geistigem Eigentum an Hochschulen zu sein.

Die beiden Autoren sind seit vielen Jahren als Patentingenieur für zwei Hochschulen und als freiberuflicher Patentanwalt bestens mit der Materie aus theoretischer und praktischer Sicht vertraut und lassen neben ihrem gewonnenen Know-How ihre Erfahrungen, gesammelten Fragen, erfolgreichen Lösungsansätze und Empfehlungen in das Buch einfließen.

Vorwort

Deutschland zählt seit Jahrzehnten zu den wirtschaftsstärksten und wohlhabendsten Nationen. Dies basiert weniger auf dem Vorhandensein gefragter Rohstoffe, sondern auf seiner Fähigkeit, Wissen und vor allem Innovationen zu generieren und marktwirtschaftlich zu nutzen. Erfindungen Made in Germany haben die Technikgeschichte auf globalem Maßstab entscheidend geprägt.

Wissen, sowohl in expliziter als auch impliziter Form, ist von zentralem Stellenwert für die deutsche Volkswirtschaft und hat sich im 21. Jahrhundert neben der klassischen Faktor-Trias Arbeit, Boden und Kapital zu einem gleichwertigen Faktor entwickelt. Aufgrund der abnehmenden Halbwertzeit wirtschaftlich verwertbaren Wissens und der zunehmenden Schnelllebigkeit technologischer Entwicklungen ist es für den Standort Deutschland eine der größten Herausforderungen, aktuelle Entwicklungen entscheidend mitzugestalten, neue Entwicklungen zu antizipieren und durch Forschung und Entwicklung selbst Maßstäbe zu setzen.

In dem Wettbewerb einer zunehmend wissensbasierten und global vernetzten Ökonomie spielen Schutzrechte eine immanent wichtige Rolle. Sie tragen dazu bei, dass die umfassenden Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung einer Amortisation zugänglich sind, machen eine intangible Ressource greif- und handelbar und verleihen dem Immateriellen einen dem Materiellen gleichstehenden Eigentumswert. Wissen und Innovation werden nach marktwirtschaftlicher Logik nur dann dem Markt zugeführt, wenn sie von jenen geschützt werden können, die sie erarbeitet haben. Wegweisende Erfindungen als Ergebnis kostenintensiver Forschung und Entwicklung würden nicht oder deutlich weniger realisiert, wenn die darauf aufbauenden Gewinne woanders entstünden. In einer innovationsbasierten Volkswirtschaft bilden Schutzrechte die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und den damit einhergehenden positiven Wirkungen auf Wertschöpfung und Arbeitsmarkt. Sie entfalten ebenso positive Wirkungen für die mit wirtschaftlichem Erfolg eng verknüpften staatlichen Einnahmen und dem daraus hervorgehenden staatlichen Leistungsspektrum für das Gemeinwohl. Darüber hinaus tragen sie zu einer Diffusion von Innovationen bei, die zu einer graduellen Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Um die Gesellschaft von innovativen Ideen und technologischem Fortschritt profitieren zu lassen, sind Schutzrechte, wie z. B. Patente, unerlässlich.

Wirft man nun einen Blick in den Prozess der Wissens- und Innovationsgenerierung so ist festzustellen, dass in den nationalen Innovationssystemen fortgeschrittener Marktwirtschaften ca. zwei Drittel der Investitionen in Forschung und Entwicklung seitens der Wirtschaft getätigt werden. Hierbei handelt es sich vornehmlich um industrienahe und anwendungsorientierte Forschung. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass ein Drittel der Forschungsinvestitionen woanders getätigt werden: Dies sind Hochschulen und außerhochschulische Forschungseinrichtungen. Das Wissenschaftssystem ist demnach ein bedeutender Faktor für das nationale Innovationsgeschehen und eng mit dem Themenfeld der Schutzrechte verknüpft.

Der Fokus und die Zielsetzungen der Wissensgenerierung sind an Hochschulen anders gelagert, als in Unternehmen. Während Grundlagenforschung in der Wirtschaft aufgrund ihres nur rudimentären Marktbezugs und unklaren Return on Invest als risikobehaftet gilt und nur selten Gegenstand industrieller Forschung ist, erfährt sie an Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen eine deutlich stärkere Ausprägung. Dies gilt insbesondere für Universitäten. Da Hochschulen zumeist öffentliche Einrichtungen sind, ist auch ein Großteil der Forschung öffentlich finanziert und die Etats weitestgehend von den Erfordernissen des Marktes und des Wirtschaftsgeschehens entkoppelt.

Hochschulen besitzen in Bezug auf die Grundlagenforschung mehr Freiheitsgrade, so dass sie in besonderer Weise zur Entstehung neuen Grundlagenwissens und disruptiver Innovationen beitragen. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die Generierung neuen Wissens an Hochschulen durchaus mit der Perspektive der l’art pour l’art im ursprünglichen Sinne der Erkenntniserweiterung in Einklang steht.

Auf den ersten Blick besteht zwischen Wirtschaft und Hochschulen eine Arbeitsteilung in Forschung und Entwicklung und der Generierung neuen Wissens, die positive Impulse für das gesamte Innovationsgeschehen induziert, da sich Anwendungs- und Grundlagenorientierung sinnvoll und quasi komplementär ergänzen. Oberflächlich betrachtet müssten gewerbliche Schutzrechte somit primär Gegenstand der Wirtschaft und weniger der Hochschulen sein. Auf den zweiten Blick wird allerdings klar, warum Schutzrechte für Hochschulen eine bedeutende, wenn nicht gar eine zentrale Rolle in der Forschung spielen.

Trotz der unterschiedlichen Ausrichtungen und Absichten in Bezug auf Forschung und Entwicklung ist (und war) eine klare Trennung zwischen Wirtschaft und Hochschulen nicht gegeben. So sind Hochschulen im Kontext des Wissens- und Technologietransfers in der Regel intensiv mit ihrer jeweiligen Region vernetzt. Zudem weist ein signifikanter Anteil der Forschung an Hochschulen einen praktischen Anwendungsbezug auf. Hier sind insbesondere die Fachhochschulen zu nennen.

Auftragsforschung, Drittmitteleinnahmen und Stiftungsprofessuren sind nur wenige Schlagworte, welche die enge Verquickung zwischen Wirtschaft und Hochschulen widerspiegeln. Eine überaus wichtige Rolle in der Verzahnung hochschulischer Forschung und Wirtschaft nimmt der Wissens- und Technologietransfer als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ein. Aufgrund dieser engen Verflechtung erfahren gewerbliche Schutzrechte für Hochschulen eine mannigfaltige Bedeutung. Zum Beispiel können Schutzrechte, vor allem Patente und Gebrauchsmuster, von Hochschulen gehalten und an interessierte Unternehmen lizenziert, verkauft werden oder in Start-Ups aus dem Hochschulumfeld einfließen. Hochschulen fungieren hierbei oft als regionale Impulsgeber für Innovationen. Neben den technischen Schutzrechten ist auch das Urheberrecht von großer Bedeutung für Hochschulen. Darüber hinaus erleben Marken für Forschungsprojekte mit Marktbezug einen immer größeren Stellenwert.

Der gesamtgesellschaftlichen und vor allem der hochschulischen Bedeutung von Schutzrechten steht jedoch eine relativ große Unschärfe in der Kenntnis ihrer praktischen Voraussetzungen sowie Chancen und Risiken gegenüber.

Während gewerblichen Schutzrechten in der Wirtschaft seit Jahrzehnten mit dem notwendigen Pragmatismus begegnet wird, ist der Umgang mit ihnen an Hochschulen häufig von Unsicherheit geprägt. Vor dem Hintergrund, dass Hochschulen als Innovationsschmiede kontinuierlich, intensiv und in mannigfaltiger Couleur mit Schutzrechten in Berührung kommen, erscheint ein strategisch überlegtes Vorgehen und Management wichtiger denn je. Sie zu verstehen, ihre Möglichkeiten und ihr Potential auszuschöpfen, aber auch die Fallstricke zu erkennen ist in der Wissensgesellschaft der heutigen Zeit und in einer zunehmend engeren Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft im Sinne eines erfolgreichen Technologietransfers unerlässlich.

Vor diesem Hintergrund führt das Buch in verständlicher Art und Weise und auf praktischen Erfahrungen basierend an das Themenfeld der Schutzrechte an Hochschulen heran.

Die wesentlichen Merkmale und Voraussetzungen zur Erlangung werden dargestellt, Potentiale und Chancen aufgezeigt und praktische Handlungsempfehlungen für deren erfolgreiche Verwertung gegeben. Das Buch liefert Antworten auf praxisrelevante Fragen zum Umgang mit geistigem Eigentum an Hochschulen. Nicht zuletzt stellt es einen Beitrag zur besseren Ausschöpfung des Schutzrechtspotentials an und für Hochschulen dar und fungiert sowohl als Leitfaden als auch Gedanken- und Impulsgeber. Nicht zuletzt sollen die positiven Erfahrungen der Autoren im Zuge der sukzessiven Professionalisierung ihres IP-Managements weitergegeben werden und anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen dienlich sein.

Osnabrück/Bremen, im Mai 2023 Christian NewtonAlexander Albert Jeschke

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1.Der Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen – Bedeutung, Chancen, Potentiale

1.1.Drittmitteleinnahmen3

1.2.Beitrag zur Innovationsdiffusion4

1.3.Unterstützung von Gründungsaktivitäten5

1.4.Sichtbarkeit der Forschungsstärke5

1.5.Aufwertung der Publikationshistorie6

1.6.Profilschärfung durch Beitrag zum weltweiten Stand der Technik7

1.7.Einwerbung von Fördermitteln7

1.8.Studium und Lehre8

2.Geistiges Eigentum (Intellectual Property) – Eine Definition

2.1.Technische Schutzrechte13

2.1.1.Patente13

 2.1.1.1.Technizität15

 2.1.1.2.Neuheit16

 2.1.1.3.Erfinderische Tätigkeit18

 2.1.1.4.Gewerbliche Anwendbarkeit19

 2.1.1.5.Ausführbarkeit20

 2.1.1.6.Ausnahmen von der Patentierbarkeit20

 2.1.1.7.Patentansprüche28

 2.1.1.8.Klarheit32

 2.1.1.9.Ablauf des Anmeldeverfahrens34

 2.1.1.10.Schicksal des Patents nach Erteilung37

 2.1.1.11.Prioritätsrecht38

 2.1.1.12.Internationale Patente – Europäisches Patent39

 2.1.1.13.Internationale Patente – Europäisches Einheitspatent42

 2.1.1.14.Internationale Patente – US-Patente47

 2.1.1.15.Internationale Patente – PCT-Verfahren48

2.1.2.Gebrauchsmuster50

2.1.3.Halbleiterschutz53

2.1.4.Sortenschutz53

2.2.Design54

2.3.Marken57

2.4.Urheberrecht62

2.4.1.Das Werk64

2.4.2.Der Urheber66

2.4.3.Verwertungsrechte69

2.4.4.Nutzungsrechte70

2.4.5.Schrankenregelungen71

3.Gewerbliche Schutzrechte an Hochschulen – Entstehung, Besonderheiten und Chancen

3.1.Wem gehören die Schutzrechte? Das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen76

3.2.Patente und Gebrauchsmuster in Forschung und Studium80

3.2.1.Entstehung80

3.2.2.Meldung81

3.2.3.Analyse86

3.2.4.Anmeldung89

3.2.5.Verwertung93

3.2.6.Portfoliomanagement93

3.2.7.Erfindungen im Kontext des Studiums95

3.2.8.Vor- und Nachteile von Patentierungsprozessen an Hochschulen98

3.3.Marken an Hochschulen100

3.4.Designs an Hochschulen103

3.5.Urheberrecht an Hochschulen105

3.6.Bedeutung der Schutzrechte für das Hochschulmanagement107

4.Praxisbeispiele

4.1.Praxisbeispiele für Patente und Gebrauchsmuster111

4.2.Praxisbeispiele für Marken124

4.3.Praxisbeispiele für Designs126

4.4.Praxisbeispiele für das Urheberrecht128

5.Die Verwertung gewerblicher Schutzrechte an Hochschulen

5.1.Veräußerung131

5.2.Lizenzierung133

5.3.Veräußerung vs. Lizenzierung135

5.4.IP for Shares136

5.5.Verwertung durch Start-Ups136

5.6.Verwertung bei Gemeinschaftserfindungen138

5.7.Know-How-Verwertung140

5.8.Die Rolle von Patentverwertungsagenturen in der IP-Verwertung141

5.9.IP-Abstracts als Verwertungsvariante144

5.10.Erfordernisse und Empfehlungen in der Verwertungspraxis147

6.IP-Verträge

6.1.Lizenzvertrag150

6.2.Veräußerungs-/Übertragungsvertrag156

6.3.Memorandum of Understanding (MoU) und Letter of Intent (LoI)158

6.4.Optionsvertrag159

6.5.Geheimhaltungsvertrag (GHV)160

6.6.Material Transfer Agreement (MTA)161

6.7.Kooperationen, Auftragsforschung und Werkverträge – IP-Klauseln in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft162

7.Organisatorische Verknüpfungen des IP-Managements innerhalb der Hochschule

8.IP bezogene Handlungsempfehlungen für Hochschulen

8.1.Mission, Vision, Strategie und Implementierung eines operativ-taktischen IP-Managements168

8.2.Roadmap für eine erfolgreiche IP-Strategie172

9.Fazit und Ausblick

Stichwortverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Aufgabentrias bundesdeutscher Hochschulen

Abbildung 2:Multidimensionaler Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen

Abbildung 3:Differenzierung zwischen Patentanmeldung und Patent sowie den Patenttypen

Abbildung 4:ABS-System nach klassischer Regelsystematik

Abbildung 5:ABS-System als Software-Realisierung

Abbildung 6:Schutzbereich von Patentansprüchen

Abbildung 7:Darstellung des Prioritätsprinzips

Abbildung 8:Exemplarische Darstellung des Validierungsprinzips bei einer EP-Anmeldung

Abbildung 9:Geographische Reichweite des EP- und des Unionspatents

Abbildung 10:Gemeinsame und divergierende Wege des Bündelpatents und Unitären Patents

Abbildung 11:Klassische Verortung des Urheberrechts in der Systematik des Geistigen Eigentums

Abbildung 12:Vermengung des Urheberrechts mit den gewerblichen Schutzrechten

Abbildung 13:Wichtige Abschnitte des Urhebergesetzes und des Urheberrechts

Abbildung 14:Wichtige Schranken des Urheberrechts

Abbildung 15:ArbnErfG als Ergebnis der Interessenabwägung der Erfindungs- und Rechtsprinzipien

Abbildung 16:§ 42 ArbnErfg und seine Ausnahmeregelungen für Hochschulen

Abbildung 17:Wesentliche Elemente des IP-Managements im Bereich Patente/Gebrauchsmuster an Hochschulen

Abbildung 18:Analyseschwerpunkte für Erfindungsmeldungen an Hochschulen

Abbildung 19:Erforderliche Einreichungsunterlagen für eine Patentanmeldung

Abbildung 20:Kernbestandteile eines Portfoliomanagements

Abbildung 21:Exemplarische Darstellung der Übertragung einer studentischen Erfindung auf eine Hochschule

Abbildung 22:Die zwei Markendimensionen an Hochschulen

Abbildung 23:Auslösende Faktoren, Erfordernisse und strategische Überlegungen im Markenbildungsprozess an Hochschulen

Abbildung 24:Exemplarische und abstrakte Darstellung der Bedeutung gewerblicher Schutzrechte für das Hochschulmanagement

Abbildung 25:Eingeschränkte Verwertungsmöglichkeiten bei Gemeinschaftserfindungen mit der Industrie

Abbildung 26:IP-Prozesscluster und Zuordnung der Leistungserbringung nach Hochschule und PVA

Abbildung 27:Beispielhafte Darstellung einer Technologiebeschreibung zur IP-Vermarktung

Abbildung 28:Zu berücksichtigende Dimensionen bei der IP-Lizenzvergabe

Abbildung 29:Organisatorisch-funktionale Vernetzung des IP-Managements innerhalb des Gesamtsystems Hochschule

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:Unterschiede zwischen Europäischem Bündelpatent und Unitärem Patent

Tabelle 2:Unterschiede zwischen den technischen Schutzrechten Patent und Gebrauchsmuster

Tabelle 3:Werkarten des Urheberrechts nach UrhG mit Beispielen aus dem Hochschulbereich

Tabelle 4:Voraussetzungen für die Erlangung der Urheberschaft

Tabelle 5:Trias der Urheberpersönlichkeitsrechte

Tabelle 6:Kernelemente der novellierten Wissenschafts- und Bildungsschranke für die Bereiche Lehre und Forschung im Überblick

Tabelle 7:Exemplarischer Ausschnitt von Filterfragen eines Erfindungsmeldebogens an einer Hochschule

Tabelle 8:Exemplarische Inhalte einer Erfindungsmeldung

Tabelle 9:Exemplarische Darstellung der relevanten Daten für das IP-Management im Zuge des Erfindungsmeldeprozesses

Tabelle 10:Exemplarische Darstellung wichtiger Fristen im Kontext des Portfoliomanagements

Tabelle 11:Darstellung wesentlicher urheberrechtlich relevanter Werke an Hochschulen, untergliedert nach Werkarten

Tabelle 12:Exemplarische Darstellung des Abgleichs der Zieldimensionen eines Hochschulmanagements und der jeweiligen Schutzrechtsarten

Tabelle 13:Vor- und Nachteile des Verwertungsmodells der IP-Veräußerung

Tabelle 14:Vor- und Nachteile des Verwertungsmodells Lizenzierung

Tabelle 15:Aufteilung der Arbeitsschritte eines IP-Prozesses zwischen Hochschule und PVA auf Basis der WIPANO-Evaluation des Fraun­hofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (N: 156)

Tabelle 16:Inhalte und Besonderheiten unterschiedlicher Formen der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen

1.Der Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen – Bedeutung, Chancen, Potentiale

1Die primäre Ausrichtung von Hochschulen ist dem Studium, der Lehre und der Forschung gewidmet. In den Hochschulgesetzen der Länder ist jedoch neben den Kernaufgaben Studium/Lehre und Forschung auch der Transfer im Sinne eines Wissens- und Technologietransfers verankert. So ist im Hochschulrahmengesetz (HRG), dass u. a. die Aufgaben der bundesdeutschen Hochschulen festlegt, in § 2 explizit gefordert, dass Hochschulen den Wissens- und Technologietransfer fördern sollen.1 In § 3 des niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) ist geregelt, dass Hochschulen nicht nur den klassischen Wissens- und Technologietransfer fördern, sondern diesen auch über Ausgründungen forcieren sollen.2 Ähnliche Regelungen finden sich in jedem Landeshochschulgesetz.

Vor diesem Hintergrund ist in dem Hochschulmanagement oftmals von der Aufgabentrias der Hochschulen oder dem Drei-Säulen-Modell die Rede. Der Transferbereich wird auch als Third Mission bezeichnet.3

Abbildung 1: Aufgabentrias bundesdeutscher Hochschulen

2Wissens- und Technologietransfer ist daher an deutschen Hochschulen institutionalisiert und entweder als Stabsstelle, Abteilung oder, in seltenen Fällen, als ausgelagerte Gesellschaft organisiert. Die Organisationseinheiten tragen unterschiedliche Bezeichnungen. Häufig werden sie als Transferstelle, Technologietransfer oder Transfer- und Innovationsmanagement tituliert. Unabhängig der unterschiedlichen Bezeichnungen ist die inhaltliche Ausrichtung deckungsgleich. Als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft als auch Gesellschaft im weiteren Sinne, ist es eine Kernaufgabe des Transfers, wissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse in wirtschaftlichen Nutzen und Mehrwert zu überführen. Nicht selten fungieren die Transfereinheiten als regionalwirtschaftliche Impulsgeber, da sie vornehmlich den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der jeweiligen Region unterstützen, lancieren und forcieren. Durch ihre enge Anbindung an die regionale Wirtschaft und die zumeist intensive Vernetzung mit wirtschaftsnahen Institutionen wie Handelskammern oder Wirtschaftsförderungen sind sie oft erster Ansprechpartner für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

In diesem Kontext spielen Schutzrechte eine bedeutende Rolle, weshalb das Schutzrechtsmanagement in der Regel dem Transfer zugeordnet bzw. dessen integraler Bestandteil ist.4 Häufig kommt es in Kooperationsprojekten und Auftragsforschungen zu Erfindungen oder markenrechtlich relevanten Ergebnissen, die eines professionellen Schutzrechtsmanagements bedürfen und die den Hochschulen die Möglichkeit der Verwertung ihrer Forschungsergebnisse und Erfindungen bieten.

Der Mehrwert von Schutzrechten an Hochschulen ist jedoch nicht nur in der Veräußerung oder Lizenzierung zu sehen. Schutzrechte entfalten für Hochschulen eine mehrdimensionale Bedeutung, die deutlich über das Ziel von Drittmitteleinnahmen, z. B. in Form von Lizenzeinnahmen oder Veräußerungserlösen, hinausgehen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Vielfältigkeit der Bedeutung von Schutzrechten für Hochschulen.

Abbildung 2: Multidimensionaler Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen

3Im Folgenden werden die einzelnen Mehrwerte von Schutzrechten für Hochschulen einer näheren Erläuterung zugeführt.

1.1.Drittmitteleinnahmen

4Häufig wird der Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen in erster Linie vor dem Hintergrund der Verwertungsmöglichkeiten gesehen. Das Ziel sind Einnahmen, die durch die Verwertung von Patenten oder Gebrauchsmustern in Form von Veräußerungen oder Lizenzierungen entstehen.

5Hochschulen bietet sich im Kontext des Technologietransfers die Möglichkeit, ihr Patentportfolio interessierten Unternehmen zu präsentieren und es über eine Veräußerung oder Lizenzierung einer monetären Verwertung zuzuführen. Da Hochschulen i. d. R. nicht wirtschaftlich tätig sind, ist die Verwertung über Dritte die einzige Möglichkeit, finanziell von technischen Schutzrechten wie Patenten und Gebrauchsmustern zu profitieren.5 Durch eine gezielte und nachhaltige Vermarktung von Schutzrechten können Hochschulen signifikante Drittmitteleinnahmen generieren, die je nach Schutzrechtsmanagement und IP-Strategie der jeweiligen Hochschule zur Co-Finanzierung von Forschungsprojekten oder zur Amortisation angefallener Patentierungskosten herangezogen werden können.

6Gleichwohl ist zu betonen, dass eine zu einseitige Fokussierung auf das Drittmittelpotential von Schutzrechten nicht sinnvoll erscheint. So ist der Anteil an Erfindungen, die sich als Markterfolg erweisen, recht überschaubar. Ein Großteil der deutschen Hochschulen gibt an, dass sie mit Patenten keine signifikanten Drittmitteleinnahmen generieren und die Patentierungskosten deutlich höher ausfallen, als die Verwertungserlöse. Eine durch das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsförderung (ISI) durchgeführte Analyse des WIPANO-Förderprogramms für Patentierungsaktivitäten an Hochschulen hat die monetär defizitäre Bilanz von Patentverwertungen bestätigt.6 Bedeutende Einnahmen aus einer Patentverwertung entstehen zumeist bei einzelnen, besonders marktgängigen und innovativen Erfindungen und sind weniger für die Breite aller Erfindungen kennzeichnend. Bestand noch im Kontext der Novellierung des Arbeitnehmererfindergesetzes (ArbnErfG) im Jahr 2002 und des damit einhergehenden Wegfalls des Hochschullehrerprivilegs eine wissenschaftspolitische Euphorie, dass nun Hochschulen, wie Unternehmen auch, einen materiell-rechtlichen Zugang zu Erfindungen ihrer Wissenschaftler bzw. Arbeitnehmer haben und durch Patenteinnahmen erhebliche Drittmittelzuflüsse generieren können, so wich nur wenige Jahre später bei der Betrachtung der hochschulischen Verwertungsergebnisse diese Erwartungshaltung einer realistischeren bzw. nüchternen Perspektive. Auch die mit der Novellierung des Arbn­ErfG stärker in den Vordergrund rückenden und die Hochschulen in der Verwertung ihrer Schutzrechte unterstützenden und flankierenden Patentverwertungsagenturen konnten bis dato die Erwartungen an den Drittmitteleffekt nur partiell erfüllen.7 Mittlerweile ist selbst das für das deutsche Hochschulsystem vielzitierte Vorbild der US-amerikanischen Patentverwertung an Hochschulen, die insbesondere nach dem Bayh-Dole-Act von 1980 ermöglicht wurde, einer Relativierung unterzogen worden, da auch dort nur wenige Hochschulen mit der Verwertung von Schutzrechten erhebliche Einnahmen erzielen.8

Die Drittmitteleinnahmen sind damit zwar ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor in der Ermittlung des Mehrwerts von Schutzrechten für Hochschulen, allerdings nicht hinreichend, um ihre Bedeutung und ihr Potential in Gänze zu erfassen.

1.2.Beitrag zur Innovationsdiffusion

7Hochschulen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Diffusion von Innovationen in Deutschland.

Hierbei sind zwei Ebenen der Innovationsdiffusion zu unterscheiden. Die originäre (zumeist öffentlich finanzierte) „Wissensproduktion“ durch Forschung an Hochschulen ist bereits ein wichtiger Faktor in der Ausbreitung neuen Wissens, dass zumeist gemeinfrei zur Verfügung steht und wichtige Impulse für praktische Applikationen setzt.

Die zweite Ebene ist auf die Innovationsdiffusion im Rahmen von Forschungsverbünden fokussiert.

Diese bestehen zunehmend mit Partnern aus Gesellschaft, Politik, Verwaltung, Kultur und vor allem Wirtschaft. Es ist zu beobachten, dass Hochschulen im Kontext verstärkter Transferaktivitäten diesen Austausch proaktiv suchen und forcieren. In diesem Kontext leisten sie einen direkten Beitrag und Impuls zur Verbreitung ökonomischen, technischen und sozialwissenschaftlichen Wissens. Wie der Stifterverband herausstellt, arbeiten bereits über 70 % der Hochschulen in Forschungsverbänden mit nicht-akademischen Partnern.9 Dahinter steht eine zunehmende Tendenz zur Öffnung der Hochschulforschung für die Partizipation von Institutionen und Personen im außerhochschulischen Umfeld.

Beispielhaft dafür sind Reallabore, Innovationsplattformen und -workshops sowie der Öffentlichkeit zugängliche Forschungsinformationssysteme.

Im Zuge dieser Kooperationen nehmen Schutzrechte eine bedeutende Funktion ein, da sie wesentlich zur Verbreitung von Innovationen beitragen. Ohne die Möglichkeit, die der Innovationen vorangehenden Forschungs- und Entwicklungskosten, durch Schutzrechte einer Amortisation zugänglich zu machen, würden insbesondere durch die Wirtschaft co-finanzierte Forschungskooperationen zurückhaltender angegangen.

Die Voraussetzungen für die Diffusion von Innovationen sind primär dann positiv, wenn sie geschützt werden können und nicht frei zu Verfügung stehen.

Dies mag konterintuitiv sein, wird aber u. a. durch die Innovationsdiffusionsforschung bestätigt und findet sich auch in den Grundüberlegungen zu staatlichen Förderprogrammen zur Co-Finanzierung von Patentierungsprozessen, wie WIPANO, wieder.10 Schutzrechte, vornehmlich Patente und Gebrauchsmuster tragen in Forschungsverbünden maßgeblich zur Diffusion von Innovationen bei, da insbesondere Kooperationspartner aus der Wirtschaft jene Schutzrechte für die Verwertung des neu entstandenen Wissens benötigen.

Hinweis: Für Hochschulen bietet sich durch die Übertragung oder Lizenzierung jener Schutzrechte die Gelegenheit, einen signifikanten Beitrag zur Verbreitung nützlichen Wissens und fortschrittlicher Technologien zu leisten und somit einen gesellschaftlichen Mehrwert zu generieren.

1.3.Unterstützung von Gründungsaktivitäten

8Hochschuleigene Schutzrechte weisen mannigfaltige Verwertungsmöglichkeiten auf. Dass der dahinter befindliche Transfergedanke, der eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Gesellschaft bzw. Wissenschaft und Wirtschaft nicht nur auf arrivierte Unternehmen oder sonstige Institutionen im außerhochschulischen Umfeld abzielt, zeigen die in den letzten Jahren und durch diverse Förderprogramme unterstützte Verwertungsoffensiven im Bereich hochschulischer Ausgründungen, sogenannter Hochschul-Spin-Offs bzw. Start-Ups.

Hierbei sind zwei Bereiche zu unterscheiden, die u. a. auch im Förderprogramm EXIST des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für Gründer aus den Hochschulen zum Tragen kommen. Zum einen können von der Hochschule gehaltene Schutzrechte als Kern- oder flankierende Idee für ein Start-Up durch Studierende, Wissenschaftler oder Absolventen angeboten und überführt werden, zum anderen können im Zuge des EXIST-Forschungstransfers Schutzrechte, die direkt aus einem Forschungsvorhaben stammen, in eine Geschäftsidee einfließen. Beide Ebenen bieten Möglichkeiten, hochschulbasierte Start-Ups über Schutzrechte zu fördern.

Die hochschulischen Ausgründungen sind damit eine Sonderform des Wissens- und Technologietransfers, der über die Errichtung von Unternehmen geht. Schutzrechte können die Geschäftsidee des jeweiligen Start-Ups erfolgreich flankieren oder, sofern sie dessen Basis sind, zum nachhaltigen Erfolg der Gründung beitragen.

9Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Hochschulen „ihre“ Start-Ups vor dem Hintergrund der EU-Beihilfeordnung nicht subventionieren, sondern ihnen zu gleichen Konditionen wie anderen Unternehmen die Verwertung zugänglich machen. Ist eine erfolgreiche Übertragung oder Lizenzierung des jeweiligen Schutzrechtes erfolgt, so ist dies zudem ein beschleunigender und begünstigender Faktor für das Start-Up in Bezug auf die Einwerbung von Risiko- und Fremdkapital durch Investoren, die häufig eine IP-Strategie oder patentgeschützte Geschäftsideen als Sicherheit oder Gegenleistung für Investitionsbereitschaft sehen wollen.

Schutzrechte bieten somit insbesondere vor dem Hintergrund der stark geförderten Gründeraktivitäten und des Gründungsökosystems an Hochschulen ein großes Verwertungspotential, dass sowohl Drittmitteleinnahmen generiert, als auch zur Diffusion von Innovationen durch unternehmerische Aktivitäten beiträgt.

1.4.Sichtbarkeit der Forschungsstärke

10Die Sichtbarkeit der Forschungsstärke ist ein Reputationsfaktor, der weitreichende Wirkungen hat und von erheblichem praktischem Nutzen für die jeweilige Hochschule ist. Schutzrechte, allen voran Patente, reflektieren die Forschungsstärke einer Hochschule und tragen somit maßgeblich zu ihrem guten Ruf bei. Forschungsstarke Hochschulen lassen sich nicht nur über Drittmitteleinnahmen und Publikationen identifizieren, sondern ebenfalls über die Anzahl gehaltener Schutzrechte und angemeldeter Erfindungen. Reputation ist allerdings kein Selbstzweck. Insbesondere jene Hochschulen, die nicht zu den großen Traditionshochschulen Deutschlands zählen, befinden sich häufig in starkem Personalwettbewerb um exzellente Wissenschaftler.

Eine intensive Patenttätigkeit geht mit positiver Sichtbarkeit einher und fungiert als Anziehungsfaktor in der Personalakquise.

Hochschulen, die ihre Forschungsstärke durch intensive Patentaktivtäten unterstreichen, induzieren zudem langfristig positive Impulse für ihre Außenwirkung, die über die Personalakquise hinausreichen. Dies betrifft insbesondere Studienanfänger, die im Zuge ihrer Hochschulwahl Abwägungen vornehmen, die auch die Forschungsreputation der jeweiligen Hochschule implizieren.

Nicht zuletzt ist die Sichtbarkeit der Forschungsstärke wiederum wichtig für die Einnahmen von Drittmitteln im Kontext von Auftragsforschungen und Kooperationsprojekten mit anderen Hochschulen und, vor allem, Partnern aus der Wirtschaft. Unternehmen tendieren dazu, hochschulische Partner mit entsprechendem Forschungsrenommee zu beauftragen und entsprechende Projekte zu lancieren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sichtbarkeit der Forschungsstärke durch Patentaktivitäten sowie gehaltene Schutzrechte zunimmt und sich diese positive Wirkung sowohl in der Personal- und Studierendenakquise als auch der Einwerbung von Kooperations- und Forschungspartnerschaften entfaltet.

1.5.Aufwertung der Publikationshistorie

11Die Publikationsliste ist für viele Wissenschaftler ein zentrales Aushängeschild ihrer akademischen Vita. Unabhängig der Tatsache, dass seit 2002 Erfindungen von Professoren bzw. Hochschullehrern als Diensterfindung von der jeweiligen Hochschule materiell-rechtlich in Anspruch genommen werden können, steht den Erfindern das sogenannte Erfinderpersönlichkeitsrecht zu. Praktisch bedeutet dies, dass die Erfinder auf den Patentanmeldungen und veröffentlichten Patenten namentlich aufgeführt werden. Die Erfinder bleiben so stets mit ihrer Erfindung verbunden und können sie als wesentliche Leistung ihrer wissenschaftlichen Laufbahn als auch Nachweis ihrer wissenschaftlichen Qualifikation auflisten.11

Patente sind ein bedeutender Beitrag zum weltweiten Stand der Technik. Durch die Erlangung eines Patents wird die Erfindung als wissenschaftliche Leistung nicht nur gewürdigt, sondern sie zählt zur Speerspitze des weltweiten Wissens in dem jeweiligen Themengebiet. Eine Patentierung ist somit eine besondere Form der Publikation und ist mit der internationalen Anerkennung der Forschungsleistung innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft, aber auch darüber hinaus, verbunden.

Hinweis: Hochschulen, welche Erfindungen ihrer Wissenschaftler erfolgreich zum Patent führen, erweisen damit den Erfindern einen persönlichen Mehrwert und festigen im Rahmen der Würdigung der Erfindungsleistung das positive Verhältnis sowie Zugehörigkeitsgefühl zwischen der Statusgruppe der Wissenschaftler und der Hochschule als Institution.

1.6.Profilschärfung durch Beitrag zum weltweiten Stand der Technik

12Patente sind nicht nur aus Sicht der Erfinder von großer Bedeutung, sondern auch für die jeweilige Hochschule, die sie materiell-rechtlich hält und als Institution einen Beitrag zum weltweiten Stand der Technik liefert. Dies ist eine bedeutende Leistung innerhalb der Scientific Community, vor allem aber geht es mit der Möglichkeit der Profilschärfung einher. Diese ist für Hochschulen in einer zunehmend unübersichtlich werdenden und verstärkt von Wettbewerb gekennzeichneten Hochschullandschaft von zentraler Bedeutung.12 Nicht zuletzt hat die Exzellenzinitiative des Bundes den Weg zur Profilbildung an Hochschulen beschleunigt.13 Ein klares Profil trägt durch Konturierung zur Sichtbarkeit bei und ermöglicht es Studierenden, Wissenschaftlern, Unternehmen sowie allen Stakeholdern eine passgenaue Hochschule für ihren Bedarf oder ihre Belange zu ermitteln. Die Tendenz der Suche nach Profilschwerpunkten an Hochschulen dient darüber hinaus der Identifikation mit sich selbst, der Priorisierung von Forschungs- oder Lehrschwerpunkten und damit letztendlich auch der Vermeidung von Beliebigkeit.

Hinweis: Patente können, sofern sie vermehrt aus einem Forschungsbereich stammen oder sogar in bestimmten Profilschwerpunkten speziell gefördert werden, nachhaltig dazu beitragen, dass die Hochschulen ihre Profilbildung über einen signifikanten Beitrag zum weltweiten Stand der Technik untermauern und nach außen sichtbar machen.

Insofern können die Patentaktivitäten im Speziellen und die Schutzrechtsstrategie im Allgemeinen ein überaus nützliches strategisches Instrument für die vertikale als auch horizontale Ausdifferenzierung im Wissenschaftssystem sein.14

1.7.Einwerbung von Fördermitteln

13Die Bedeutung von Schutzrechten, vornehmlich Patenten, im Kontext der Einwerbung von Fördermitteln ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. So ist zu beobachten, dass die schutzrechtliche Sicherung von Forschungsergebnissen oder zumindest die Bereitschaft dafür ein wesentlicher Faktor in der Fördermittelakquise ist. Gerade im Hinblick auf Fördermittel im Gründungsbereich werden häufig sogenannte IP-Strategien von den Gründern verlangt, die einen systematischen und vorausschauenden Umgang mit Schutzrechten beinhalten. Fördermittelgeber erwarten die Berücksichtigung der IP-Frage vor allem vor dem Hintergrund der Sicherung öffentlich co-finanzierter Projektergebnisse.

Neben öffentlichen Fördermittelgebern sind private Kapitalgeber oftmals daran interessiert, dass Gründer patentierbare Elemente ihrer Geschäftsidee absichern, so dass eine mittelfristige Amortisation der Investments zu erwarten ist.

Auch die Identifikation potentiell im Wege stehender Patente Dritter im Zuge einer Freedom-to Operate-Analyse (FTO) spielt für die Einwerbung von Fördermitteln eine zunehmend wichtige Rolle. Projektziele und -ergebnisse, die mit aktuellen Schutzrechten Dritter kollidieren, sind ein Hindernis in der erfolgreichen Einwerbung von Fördermitteln. Insofern spielt nicht nur ein vorausschauender Umgang mit eigenen oder zu erwartenden Schutzrechten eine Rolle, sondern auch die frühzeitige Sondierung des weltweiten Standes der Technik. Das Schutzrechtsmanagement an Hochschulen führt derartige Analysen wie die FTO durch und kann damit richtungsweisend für weitere Schritte im Förderantragsprozess sein.

1.8.Studium und Lehre

14Gemäß der in Abbildung 1 gezeigten Aufgabentrias an Hochschulen bildet der Bereich Studium und Lehre einen eigenständigen Aufgabenbereich, der als Kern einer jeden Hochschule betrachtet werden kann. Die Dreigliederung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jeweiligen Segmente durchaus miteinander verflochten sind und sich gegenseitig (positiv) beeinflussen. Die bildungspolitischen Anforderungen an Hochschulen sind bereits seit langem nicht nur auf die fachliche Qualifikation der Studierenden fokussiert, sondern zunehmend auf Querschnittsfähigkeiten oder sogenannte Future Skills, die neben dem fachlichen Know-How zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt beitragen sollen.

Hierzu zählen Themenfelder wie

–  soziale Kompetenzen,

–  Kommunikationsfähigkeiten,

–  wissenschaftlich geleitetes und methodisches Denken

–  grundlegende Kenntnisse für den Weg in die Selbstständigkeit sowie

–  der Umgang mit Schutzrechten.

Hochschulen, die im Rahmen eines eigenen IP-Managements und einer Schutzrechtsstrategie das Themenfeld professionell bearbeiten, liefern gute Anknüpfungspunkte, um schutzrechtsrelevantes Wissen curricular einzubinden oder als Querschnittsqualifikation zur Verfügung zu stellen. Ein elementares Wissen zu den Voraussetzungen der Erlangung von Schutzrechten, deren wirtschaftliche Bedeutung, Chancen und Herausforderungen sind ein wichtiges Wissen im Arbeitsmarkt; nicht nur für Selbstständige, sondern im Sinne des Binnenunternehmertum-Gedankens (Intrapreneurship) auch für Angestellte.

Hinweis: Das Management von Schutzrechten an Hochschulen bietet somit nicht nur für den Transfer und die Forschung, sondern auch für Studium und Lehre mehrere zielführende Anknüpfungspunkte, die der Qualifikation der Studierenden dienen.

Die Ausführungen zeigen, dass der Mehrwert von Schutzrechten für Hochschulen bei genauerer Betrachtung deutlich über die Verwertungsfrage hinausreicht. Einer realistischen Einschätzung der Potentiale und Chancen von Schutzrechten an Hochschulen sollte daher immer eine multidimensionale Analyse zugrunde liegen. Die Ausführungen konzentrieren sich primär auf die gewerblichen Schutzrechte. Nicht außer Acht gelassen werden darf die Bedeutung des Urheberrechts, dem Kapitel 2.4 gewidmet ist.

2.Geistiges Eigentum (Intellectual Property) – Eine Definition

15Das folgende Kapitel widmet sich den jeweiligen Schutzrechtstypen des Geistigen Eigentums und verdeutlicht deren Besonderheiten und Voraussetzungen. Die Kenntnis der charakterisierenden Eigenschaften, der Voraussetzungen, des Schutzumfangs und der Möglichkeiten der jeweiligen Schutzrechtstypen sind essentiell für den zielgerichteten Umgang mit Schutzrechten an Hochschulen.

Geistiges Eigentum, im englischsprachigen Bereich als Intellectual Property bzw. IP bezeichnet, umfasst Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 (1) GG und § 903 BGB an immateriellem Eigentum, das durch Schöpfungen des menschlichen Geistes oder Intellekts entstanden ist.15 Hierbei kann es sich u. a. um Erfindungen, literarische und künstlerische Werke oder ästhetische Formgebungen handeln.

Ihnen gemein ist, dass sie immateriell bzw. intangibel sind. Die daraus hervorgehenden Rechte und Pflichten sind jedoch denen des materiellen Eigentums gleichgestellt.

Das Rechtsgebiet in Bezug auf das geistige Eigentum wird als gewerblicher Rechtsschutz bezeichnet. Der Begriff gewerblicher Rechtsschutz zeigt, dass es sich hierbei um die Interessen von Unternehmen, Gewerbetreibenden und Freiberufler handelt, welche am Markt gewerblich handeln und mit ihren Produkten und Dienstleistungen Umsätze erwirtschaften. Aufgrund dessen, dass sich eine Vielzahl von Akteuren am Markt befindet (Unternehmen, Verbraucher, öffentliche Einrichtungen), interagiert der gewerbliche Rechtsschutz intensiv mit anderen Rechtsgebieten, wie dem Privatrecht. Im engeren Sinne zählen zum gewerblichen Rechtsschutz die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht. Teilweise wird auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Kartellrecht (GWB) dazugezählt. Ergänzend wird das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Handelsgesetzbuch (HGB) hinzugezogen. Sämtliche Rechte sind selbstverständlich in das rahmengebende Grundgesetz (GG) eingebettet.

16Die gewerblichen Schutzrechte selbst wiederum unterteilen sich in

–  technischen Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster und Halbleiterschutz)

–  Kennzeichenrechte

–  Designs.16

Der Halbleiterschutz hat praktisch nur noch eine geringe Bedeutung.17 Für Hochschulen und wissenschaftliche Institute sind insbesondere Patente und Gebrauchsmuster wichtig.

Die Kennzeichenrechte, zu denen die eingetragene Marke gehört, spielen für Hochschulen zwar eine eher nachrangige, aber zunehmend wichtige Rolle.18

Das Design beziehungsweise das Geschmacksmuster hat besonders bei gestaltenden Hochschulen praktische Relevanz. Insbesondere im Produktdesign können Werke entstehen, welche später am Markt von erheblicher Bedeutung sein können.

Auch, wenn das Urheberrecht nicht zu den klassischen gewerblichen Schutzrechten zählt, so hat es für Hochschulen durchaus praktische Bedeutung, da durch die Wissenschaftler eine Vielzahl von Werken, sei es schriftlicher oder gestalterischer Natur, geschaffen werden. De facto übertragen viele Hochschullehrer bei der Publikation in entsprechenden wissenschaftlichen Zeitschriften die Nutzungs- und Verwertungsrechte an den Verlag. Ein häufig vergessener Bereich, bei dem gerade das Urheberrecht eine zentrale Rolle spielt, ist die Erstellung von Softwarecodes, welche als Sprachwerk ebenfalls dem Urheberrecht unterliegen.

17Gewerbliche Schutzrechte sind rechtlich legitimierte Monopole.

Häufig wird daher die Frage aufgeworfen, ob sie für den Markt- und Innovationsstandort Deutschland nicht eher hinderlich sind. Zudem konfligieren Monopole mit dem Kartellrecht.

Die Thematik gewerblicher Schutzrechte wird daher teils sehr emotional diskutiert, was sich u. a. in Schlagzeilen wie

„Patente auf Lebewesen“

„Pandemiepatente freigeben“

oder auch

„Softwarepatente abschaffen“

manifestiert.19 Die gesellschaftlich kontrovers geführte Diskussion soll hier jedoch nicht vertiefend betrachtet werden.

18Die Befürworter des geltenden Schutzrechtssystems argumentieren im Wesentlichen, dass zuerst einmal in unserer Rechtsordnung im privaten wie auch gewerblichen Bereich grundsätzlich der Anspruch auf Nachahmungsfreiheit besteht. Das Wort „grundsätzlich“ impliziert jedoch Ausnahmen. Vollständig müsste es heißen:

„Jedem ist es erlaubt Alles nachzumachen, es sei denn, es ist von Gesetzes Wegen oder aufgrund anderer Rechte verboten“.

Zu diesen Gesetzen und anderen Rechten gehören gewerbliche Schutzrechte, die eine Ausnahme bzw. Schranke zu dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit bilden.

19Historisch betrachtet sind gewerbliche Schutzrechte eng mit der modernen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verknüpft. In gesetzlich kodifizierter Form entstanden Vorläufer der heutigen Schutzrechte erst in der späten Neuzeit, hauptsächlich im Zeitalter der Industrialisierung, der gewerblichen Ausdifferenzierung und Massenproduktion.

Dennoch lassen sich weitaus früher diverse Ansätze mit schutzrechtsähnlicher Wirkung identifizieren.

In der Antike spielten gewerbliche Schutzrechte noch keine Rolle, allerdings trugen Waren oftmals Signets mit Hersteller- und Herkunftsangaben. Ein bemerkenswertes Zitat stammt vom Historiker Phylarchos aus dem 8. Jahrhundert v. Chr., in dem bereits wesentliche Merkmale gewerblicher Schutzrechte nach heutigem Verständnis auftauchen:

„Wenn einer der Köche ein neues, köstliches Gericht erfinden würde, so sollte es keinem anderen vor Ablauf eines Jahres gestattet sein, von dieser Erfindung Gebrauch zu machen, sondern nur dem Erfinder selbst. Während dieser Zeit sollte er den geschäftlichen Gewinn davon haben, damit die anderen sich anstrengten und wetteifernd sich in solchen Erfindungen zu übertreffen suchten. […]“20

In diesem werden sowohl

–  die Neuheit (§ 3 PatG),

–  das zeitlich begrenzte Monopol (§ 16 PatG) bzw.

–  das Verbietungsrecht gegenüber Dritten (§ 9 PatG),

die damit verknüpften Amortisationseinnahmen

–  als auch das Prinzip der Anregung zur technischen Weiterentwicklung durch Offenbarung (§ 31 PatG)

angesprochen.

Dennoch waren Erfindungen in der Antike und dem Mittelalter weitestgehend Gemeingut und unterlagen keinen nennenswerten Regelungen. Erste Nachahmungsverbote für Waren und Muster setzten sich vereinzelt innerhalb bestimmter Zünfte durch. Diese Schutzmechanismen basierten weniger auf einem flächendeckend wirksamen Gesetz, sondern auf Herrschererlasse oder Regelungen innerhalb der Zünfte. Zu nennen ist diesbezüglich eine Festlegung der Florentiner Zunft Porta Maria aus dem Jahr 1418, die ein strafbewährtes Nachahmungsverbot über 2 Jahre für Muster aussprach, um Nutzen und Ehre dem Erfinder zukommen zu lassen.21 Als erstes Patentgesetz gilt das Patentgesetz von Venedig aus dem Jahr 147422.

Dennoch wurden patentrechtliche Monopole bis in die späte Neuzeit hauptsächlich über Herrscher einzeln verliehen. Diese sogenannten litterae patentes (offene Briefe), im Französischen als lettre patente oder im Englischen als patent letters bezeichnet, waren so gestaltet, dass sie von jedermann gelesen werden konnten. Diese Vorversionen heutiger Patente umfassten jedoch mehr als das Monopol auf technische Erfindungen, sondern auch Konzessionen zur Ausübung bestimmter Professionen oder Landnahmen.23

Mit dem statute of monopolies (1623) in England und dem ersten Patentgesetz in Frankreich (1791) wurden moderne Kodifizierungen der gewerblichen Schutzrechte vorgenommen. In Deutschland hingegen entstanden entsprechende Verrechtlichungen relativ spät. Zu nennen sind das Urheberrechtsgesetz (1871), das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (1876), das als Vorläufer des Geschmacksmuster- bzw. Designgesetzes gilt, das Deutsche Patentgesetz (1877), das Gebrauchsmustergesetz (1891) und das Warenbezeichnungsgesetz als Vorgänger des Markengesetzes (1894).

Diese, Ende des 19. Jahrhunderts etablierten, Gesetze bilden bis heute in mehrfach revidierter und modifizierter Fassung die rechtliche Grundlage des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland.

20Nicht unerwähnt bleiben soll der lange währende Diskurs des für und wider einer Schutzrechts- bzw. Patentgesetzgebung. So existierten Mitte des 19. Jahrhunderts diverse Freihandelsbewegungen, die den Patentschutz grundlegend in Frage stellten und ihn als hinderlich für die wirtschaftliche Entwicklung betrachteten (Antipatentbewegung). Letztendlich setzten sich jedoch die Befürworter durch.24

21Da gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den meisten Industrienationen die rechtlichen Grundlagen für gewerbliche Schutzrechte vorlagen, konnte auch auf internationaler Ebene ein Rechtsrahmen etabliert werden, der 1883 mit der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) geschlossen wurde. Der zunehmende internationale Handel machte es erforderlich, dass eine Anerkennung und Harmonisierung von Schutzrechten erfolgte.

Wesentliche Errungenschaften waren

–  das Prioritätsrecht für Patente und Gebrauchsmuster (Art. 4 PVÜ) und

–  die Inländerbehandlung (Art. 2 PVÜ).

Demnach war es von nun an möglich, Patentschutz innerhalb eines Jahres auf das Ausland zu erstrecken und dafür als maßgebliches Datum, das Anmeldedatum der Erstanmeldung zu verwenden.25

In Bezug auf den im Ausland erhaltenen Patentschutz sollte zudem die gleiche schutzrechtliche Wirkung entfallen, wie auf Patente von Inländern des jeweiligen Landes (Gleichbehandlung).

22Als folgenreich erwies sich Art. 19 der PVÜ, der Sonderabkommen zwischen den Verbandsmitgliedern ermöglichte, sofern diese mit den PVÜ-Regelungen konform sind. In der Folge entstanden mit der Europäischen Patent Übereinkunft (EPÜ)/European Patent Convention (EPC) und dem Patent Cooperation Treaty (PCT) die international bedeutendsten Patentübereinkommen.

23Das PCT wurde 1970 geschlossen und ermöglicht es, mit einer einzigen Patentan­meldung internationalen Patentschutz in den gewünschten Staaten zu erreichen.26 Es ­handelt sich hierbei jedoch nicht um ein internationales Patent, sondern eine Art Bün­del­anmeldung, die nach der internationalen Phase in nationale Erteilungsverfahren mündet. Die Anmeldung erfolgt i. d. R. bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO).27

Mit der Anmeldung wird auch der Prioritätstag festgelegt, sofern es sich um die Erstanmeldung handelt.

Nach Anmeldung wird eine Recherche durchgeführt, die erste Einschätzungen für den Patenterfolg gibt. Innerhalb einer Frist von 30/31 Monaten muss die PCT-Anmeldung in den gewünschten Staaten nationalisiert werden.28 Das PCT-Abkommen ist eine historische Wegmarke in der Geschichte der gewerblichen Schutzrechte, da seitdem unkompliziert Patentschutz in vielen Staaten der Welt mit nur geringen Anmeldekosten verbunden ist.

24Das EPÜ und die darauf aufbauende Europäische Patentorganisation (EPO) etablierte 1977 die Möglichkeit eines Europäischen Bündelpatents (EP), das bei dem Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet und dort geprüft wird. Somit konnten von nun an Anmelde-, Recherche- und Prüfungskosten durch eine zentralisierte Bündelanmeldung deutlich reduziert werden. Nach Patenterteilung durch das EPA wird das Europäische Patent in den gewünschten Staaten Europas validiert bzw. in nationales Patentrecht übertragen.29 Im Gegensatz zu der PCT-Anmeldung ist die Prüfung durch das EPA für die zu validierenden Staaten bindend, so dass ein einmal erteiltes Europäisches Patent nicht mit weiteren Prüfungsprozessen in den gewünschten Validierungsstaaten einhergeht.

2.1.Technische Schutzrechte

25Zu den technischen Schutzrechten gehören

–  Patente

–  Gebrauchsmuster

–  Halbleiterschutz.

Letzterer hat in jüngerer Zeit sowohl für Hochschulen, als auch allgemein praktisch keine größere Bedeutung, so dass hier im Weiteren nur rudimentär darauf eingegangen wird.

Patente und Gebrauchsmuster sind jeweils im Wesentlichen zueinander unabhängige Schutzrechte. Da jedoch aus einer Patentanmeldung häufig auch ein Gebrauchsmuster abgezweigt, und somit „neu“ erzeugt, werden kann, ergänzen sich diese beiden Schutzrechte gut. Neben inhaltlichen Gemeinsamkeiten haben sie jedoch unterschiedliche Schutzvoraussetzungen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die oftmals anzutreffende Bezeichnung „kleines Patent“ für Gebrauchsmuster eine Fehlbezeichnung ist. So existiert eine Vielzahl an Fällen, bei denen ein Patentschutz nicht und ein Gebrauchsmusterschutz sehr angebracht ist.

Bevor auf etwaige Anmeldestrategien eingegangen wird, welche die Vor- und Nachteile einer Patent- und Gebrauchsmusteranmeldung widerspiegeln, werden im Weiteren das Patent und das Gebrauchsmuster näher erläutert.

2.1.1.Patente

26Patente sind weltweit recht einheitlich geregelt. Aus diesem Grunde wird vorliegend im Wesentlichen auf deutsches Patentrecht und ggf. auf ebenfalls in Deutschland geltendes europäisches Patentrecht eingegangen. Die aufgezeigten Konzepte gelten meist ähnlich oder nur leicht abgeändert in den meisten Rechtsordnungen weltweit, sodass ein Verständnis für deutsches Patentrecht i. d. R. auf das Patentrecht anderer Länder übertragbar ist.

Bei einem Patent handelt es sich um ein geprüftes Schutzrecht. Wichtig ist, das Patent von einer Patentanmeldung abzugrenzen. Sehr häufig werden die Begriffe fälschlicherweise synonym verwendet. Dies kann, sofern mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt wird, sogar ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen.

Folgender Merksatz differenziert die beiden Begrifflichkeiten:

Eine Patentanmeldung wird durch Erteilung zum Patent!

Formal wird also eine Patentanmeldung bei einem Amt, wie beispielsweise dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht und dort einer Prüfung unterzogen. Bei positivem Bescheid wird die Patentanmeldung durch einen Verwaltungsakt zu einem Patent.

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Patentanmeldung und Patent auch deswegen, weil häufig bestimmte Rechte nur aus einem Patent, nicht aber aus einer Patentanmeldung geltend gemacht werden können.

Patente sind ein räumlich und zeitlich begrenztes Nutzungsmonopol. Grundsätzlich beträgt die Laufzeit eines Patentes 20 Jahre ab Anmeldetag.30 Nicht immer werden die 20 Jahre voll ausgeschöpft. Da ab dem 3. Jahr regelmäßig und ansteigend Aufrechterhaltungsgebühren zu zahlen sind, werden viele Patente bereits zu früheren Zeitpunkten fallen gelassen. Ein weiterer Grund für die nicht vollständige Ausschöpfung der Laufzeit ist das Veralten der hinter dem Patent stehenden technischen Lehre.

Patente können auf technische Erfindungen vergeben werden, sofern sie neu (§ 3 PatG), erfinderisch (§ 4 PatG) und dem Markt zugänglich (§ 5 PatG) sind. Mit einem Patent bzw. einer technischen Lehre können unterschiedlichste Bereich der Technik geschützt werden. Im Wesentlichen wird zwischen Erzeugnis- und Verfahrenspatenten differenziert. Die folgende Abbildung verdeutlicht das Erfordernis der Differenzierung sowohl in Bezug auf die Patentsystematik als auch zwischen Patentanmeldung und Patenterteilung.

Abbildung 3: Differenzierung zwischen Patentanmeldung und Patent sowie den Patenttypen

27Erzeugnisse sind Gegenstände. Dazu zählen Vorrichtungen wie Maschinen, Maschinenteile, elektrische Schaltungen aber auch der Stoffschutz (z. B. Medikamente und Pflanzenschutzmittel).

Beispiel: So kann eine Signalfolge, welche mittels einer elektromagnetischen Trägerfrequenz übertragen wird oder auch ein moduliertes Lichtsignal quasi-gegenständlich geschützt werden. Es wird also auf eine physikalisch messbare Eigenschaft der beanspruchten Erfindung abgezielt.

Verfahren/Prozesse schützen u. a. Verfahren zur Herstellung eines Produkts, Arbeitsverfahren und die Verwendung eines Produktes oder Stoffes. Hierbei geht es zumeist um einen geschützten technischen Handlungsablauf, welcher zu einem bestimmten Ergebnis führt.

Zu den Verfahrenspatenten zählen

–  Verfahren im engeren Sinne

–  Verwendungen.

Bei einer Verwendung ist der Stoff oder die Vorrichtung selbst i. d. R. bereits bekannt, jedoch wird dieser Stoff oder diese Vorrichtung ungewöhnlich eingesetzt, sodass die spezielle Art der Verwendung patentrechtlichen Schutz genießt.

Beispiel: Acetylsalicylsäure wirkt gegen Fieber und Schmerzen. Auf die „Entdeckung“ der blutgerinnungshemmenden Wirkung kann trotz der Bekanntheit des Wirkstoffes ein Verwendungsschutz (Verwendung zum Behandeln von Gerinnungsstörungen) erfolgen.31

Verwendungsansprüche sind in der Pharmazie und Chemie sehr geläufig, da bestimmte bekannte Wirkstoffe auf unterschiedlichste Krankheiten getestet werden und dabei neue Behandlungen etabliert werden können. In solchen Fällen erfährt die neuartige Verwendung einen Erfindungsstatus und Patentschutz.32

Um ein Patent beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder dem Europäischen Patentamt (EPA) erteilt zu bekommen, müssen fünf materielle Voraussetzungen erfüllt werden.33 Bereits vier Kriterien ergeben sich aus § 1 Abs. 1 PatG:

„Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“34

2.1.1.1.Technizität

28Eine Erfindung muss Technizität aufweisen, um patentierbar zu sein. Dies geht direkt aus § 1 PatG hervor, wonach Patente nur für Erfindungen erteilt werden können, die auf dem Gebiet der Technik liegen, um einen wertvollen Beitrag zum Stand der Technik zu liefern und diesen zu erweitern.35 Um eine rechtliche Definition für Technizität im Sinne des PatG zu geben und sich somit vom eher vagen Alltagssprachgebrauch abzuheben, existieren mehrere Definitionsansätze. Da es (bis heute) keine patentgesetzliche Definition des Technizitätsbegriffes gibt, gilt die Rechtsprechung als Orientierungshilfe.

So beschreibt der BGH in einem Urteil aus dem Jahr 1969 Technizität als eine technische Lehre zum planbaren Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs.36

Dieses Urteil gilt bis heute als Standarddefinition des Begriffs.37 Damit sind bloße Ideen, Theorien, Anleitungen, Regeln, Formeln und Entdeckungen vom Patentschutz ausgeschlossen.38

29Eine Sonderstellung im Begriffskontinuum der Technizität nehmen Software-Erfindungen ein. Noch zu Beginn der 2000er Jahre wurde Software der technische Charakter aberkannt. Dies ist auch weiterhin für reine Algorithmen in § 1 (3) Nr. 3 PatG festgehalten. Diese Sichtweise wurde in der Praxis und Rechtsprechung gelockert, da Software auf technischen Artefakten bzw. Computern abgespielt wird und dabei durchaus physikalisch-technische Prozesse ablaufen.

So erfüllt ein Verfahren, dessen Gegenstand die Abarbeitung einzelner Verfahrensschritte mit Hilfe klassischer EDV-Schritte ist, bereits dann das Technizitätserfordernis des PatG, wenn die Verarbeitung, Übermittlung und Speicherung von Daten mittels eines technischen Geräts (i. d. R. ein Computer) vorgenommen wird. Jene Erfindungen werden daher als computerimplementierte Erfindungen bezeichnet.39 Dies heißt jedoch nicht, dass Software einer einfachen Patentierung zugänglich ist, sondern dass sie nur in Verbindung mit einem technischen Artefakt Bestandteil eines Patentes sein kann und dass der Algorithmus nicht im Vordergrund der Erfindung stehen darf.

Der patentrechtliche Technizitätsbegriff findet sich nicht nur in § 1 des Patentgesetzes wieder, sondern zieht sich durch viele Paragraphen, wie § 3 PatG (Neuheit, Vergleich mit dem Stand der Technik), § 4 PatG (Erfinderische Tätigkeit bzw. Beziehung zum Stand der Technik) und den gesetzlich fixierten Strukturen und Zuständigkeiten des DPMA wie § 26 (2) und (3) (technische Mitglieder des DPMA).

2.1.1.2.Neuheit

30Eine weitere Patentierungsvoraussetzung ist die Neuheit. Im Rahmen von Patenten wird von der sogenannten absoluten Neuheit gesprochen. Gemäß § 3 (1) PatG gilt

„eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört“.40

Der Stand der Technik umfasst alle weltweit vorhandenen Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibungen, durch Benutzung, Ausstellung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Varianten erzielt worden sind.41 Was als öffentlich zugänglich gilt, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und unterliegt der Rechtsprechung.

So urteilt der BGH, dass eine öffentliche Zugänglichkeit gegeben ist, wenn nicht nur eine theoretische und nicht nur eine entfernt liegende Möglichkeit besteht, dass beliebige Dritte, u. a. auch Fachkundige, zuverlässige und ausreichende Kenntnis von der Erfindung erlangen.42

Wesentlich dabei ist, dass für den Stand der Technik primär die Zugänglichkeit zu der technischen Lehre relevant ist. Hierbei ist nicht entscheidend, ob tatsächlich und nachweislich von Dritten Einblick in die Veröffentlichung genommen wurde, sondern allein die Möglichkeit der Einsicht genügt, um eine Erfindung zum Stand der Technik werden zu lassen!

31Da im Patentrecht die kleinste Zeiteinheit der Tag ist, müsste spätestens an jenem Tag, an dem eine Erfindung (vorschnell) veröffentlicht wurde, eine Patentanmeldung beim Patentamt eingereicht werden, um die Neuheitsanforderung des Patentrechts zu erfüllen.43 Diesbezüglich gibt es sogenannte Eilanmeldungen und provisorische Anmeldungen, die den Neuheitsschutz wahren.44

32Eine Besonderheit bei der Neuheitsrecherche ist die (nicht einsehbare) eingereichte patentrechtliche Literatur Dritter, die bis zur Offenlegung seitens des Patentamtes, i. d. R. 18 Monate nach Einreichung, der eigenen Patentanmeldung im Wege stehen kann, da erste mitunter früher eingereicht wurde und nach § 3 (2) PatG den älteren Zeitrang zugeteilt bekäme.45 Man bezeichnet diesen Zeitraum auch als Blackbox-Phase, da etwaige Schriften temporär nicht einsehbar sind.46

33Bei der Prüfung auf Neuheit wird als Recherchegrundlage zumeist der Hauptanspruch im Anspruchssatz der Patentschrift herangezogen. Allerdings ist bei der Neuheit zu beachten, dass eine neuheitsschädliche Kenntnis oder Stand der Technik sämtliche Merkmale der in Betracht stehenden Erfindung vorwegnehmen muss. Ob ein Merkmal, dass vom Stand der Technik abweicht, wichtig ist oder nicht, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Sofern nur ein Merkmal nicht genannt ist, wird bereits patentrechtlich von Neuheit ausgegangen.47 Mithin sind sogar offensichtliche Abwandlungen neu.

Beispiel: Im Stand der Technik wird eine Schraube verwandt und in der Erfindung ein Nagel. Auch wenn es offensichtlich ist, dass ein Nagel wie eine Schraube als Befestigungsmittel wirkt, ist das Merkmal „Nagel“ als Befestigungsmittel patentrechtlich als neu zu werten.

Somit sind Neuheitseinwände durch entsprechende Merkmalsüberarbeitung durchaus ausräumbar.

2.1.1.3.Erfinderische Tätigkeit

34Die in der patentrechtlichen Praxis größte Herausforderung, ein Patent auf eine Erfindung zu erhalten, ist das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit bzw. innovativen Höhe, die bereits in § 1 PatG angesprochen wird und in § 4 PatG einer Konkretisierung unterliegt.48 Sie macht es erforderlich, Ansprüche so zu formulieren, dass sie einen ausreichenden Abstand zum Stand der Technik aufweisen. Dahinter verbirgt sich die wirtschaftspolitische Intention, keine Patente auf triviale Erweiterungen des Standes der Technik zu verleihen, um eine unverhältnismäßige Erschwernis des Wirtschaftens zu vermeiden. Nur jene Erfindungen, die eine erfinderische Tätigkeit bzw. wesentliche Verbesserung des Standes der Technik mitbringen, haben das Potential zu einem Patent.49

Viele Patentanmeldungen scheitern letztlich nicht an der Neuheit, sondern an den Voraussetzungen des § 4 PatG. Ein Großteil der Zurückweisungen, Widerrufe und Nichtigkeitserklärungen ist auf diese Patentvoraussetzung zurückzuführen. Die Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs ist im Laufe des Patentierungsverfahrens häufig Auslöser für Bescheidserwiderungen, in denen entweder die Ansprüche modifiziert werden oder bei Beibehaltung eine Begründung dafür geliefert wird, warum die erfinderische Tätigkeit gegeben ist.50

35Trotz des unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen Bemühungen einer verbindlichen Eingrenzung. Das Patentgesetz versteht unter erfinderischer Tätigkeit, dass eine Erfindung für einen (fiktiven) Fachmann nicht naheliegend zum Stand der Technik sein darf.51 In anderen Worten dürfen der Erfindung nahestehende veröffentliche Dokumente nicht dazu führen, dass durch Kombination oder Abwandlung ein Fachmann mit zumutbarem Aufwand selbst auf die Idee der Erfindung kommen würde.52

Eine exakte Definition für Erfinderische Tätigkeit ist nicht vorhanden, da in jeder Definition bereits Annahmen für eine spätere erfinderische Leistung implizit enthalten wären.

Es wird im Allgemeinen auf den Fachmann abgezielt, der ein juristisches Konstrukt ist und der eine Person beschreibt, die in dem Fachgebiet der Erfindung mit durchschnittlichen akademischen und technischen Kenntnissen sowie Fähigkeiten ausgestattet ist.

In der Praxis wird häufig ein Fachhochschulabsolvent mit mehrjähriger Berufserfahrung als fiktive Person herangezogen.

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