Schwarze Blüte, sanfter Tod - Harry Thürk - E-Book

Schwarze Blüte, sanfter Tod E-Book

Harry Thürk

5,0

Beschreibung

Als Privatdetektiv in der Millionenstadt Hongkong kann Lim Tok über Mangel an Aufträgen nicht klagen - das war in der Kronkolonie nicht anders als nach dem Anschluß ans Mutterland. Seine Auftraggeber: Casinobetreiber, Schmuckhändler, schöne und reiche Witwen, Filmstars, Edelrestaurantbesitzer, ein Triadenboss, kurz, der ganz normale Bevölkerungsdurchschnitt. Die Fälle: Mord, Entführung, Geldwäsche, Drogenschmuggel. Harry Thürks Detektiv löst sie mit Charme, Witz und Bravour, nicht zuletzt dank seiner guten Beziehungen zur Polizei und zur Unterwelt.

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Impressum

eISBN 978-3-360-50051-9

© 2006 Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH

Neue Grünstr. 18, 10179 Berlin

Umschlagentwurf: ansichtssache – Büro für Gestaltung

Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de

Harry Thürk

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Hongkong-Krimis

Das Neue Berlin

Das letzte Aloha

Ich erwachte aus meinem Kurzschlaf, als meinem Nachbarn das Essen hochkam und die Stewardeß ihm – über mich hinweg – eine dieser praktischen Tüten reichte.

Sie murmelte etwas von zuviel Tofu im Essen, aber es lag vermutlich doch nicht an dem, was die Fluggesellschaft Essen nannte, sondern daran, daß der Pilot in den Sinkflug gegangen war, ohne Übergang, wie es diese meist in Militärmaschinen ausgebildeten Leute gelegentlich tun, wenn sie vergessen, daß sie Passagiere befördern, nicht Splitter­bomben.

Ich machte ein Gesicht, aus dem Mitgefühl ablesbar sein sollte, aber ob der Nachbar das überhaupt wahrnahm, war ungewiß, denn jetzt tränten ihm auch noch die Augen, so daß ich ebensogut schadenfroh hätte grinsen können.

Er war wohl einer dieser Kantoner Geschäftsleute, die seltsamerweise Fliegen als unangenehm empfinden, weil sie ungeübt darin sind. Sie zogen Wasserfahrzeuge vor, wenn man der allgemeinen Meinung glauben durfte. Aber wer fährt schon mit dem Dampfer von Hongkong nach Honolulu, heute, in der Überschallzeit?

»Hätte Ihnen auf dem Schiff auch passieren können«, versuchte ich ihn zu trösten. Er nickte nur schwach, und die Stewardeß sah mich so strafend an, daß ich froh war, als sie endlich mit der vollen Tüte abschwirrte. Etwas, worüber ich mich bei Stewardessen ziemlich selten freue.

Bobby Hsiang, der alte Freund, der immer noch in Hong­kongs Polizei für Schwerverbrechen zuständig ist, hatte mich um die Reise beneidet, als ich ihm erzählte, daß ich einem Auftrag entgegenflog. Insgeheim glaube ich, er liebt das Essen bei solchen Flügen, im Gegensatz offenbar zu meinem Nachbarn. Das mochte daran liegen, daß Bobby schon seit der Zeit, als wir beide noch als Polizisten Hongkonger Pflaster begangen hatten, solo lebte. Als Single, wie man in der gebildeten Welt zu sagen pflegt. Weiblos. Kinderlos, soweit bekannt. Küchenlos auch. Angewiesen auf das, was Hongkongs Police Department in seiner Kantine aufbietet, um die Mitarbeiter vor Magenknurren zu bewahren. Oder was jemand mal spendiert.

Bobby hatte mich vor der letzten Etappe des Fluges und den hier herrschenden Turbulenzen gewarnt. Er hatte sie vor ein paar Monaten erlebt, als er zu einer Konferenz von Kriminalbeamten nach Honolulu flog. Die Turbulenzen waren ausgeblieben. Dafür übte der Pilot jetzt den Sturzflug. Ich hatte Bobby damals ausgelacht: »Du sprichst immerhin mit dem Sohn eines amerikanischen Marinefliegers!«

Aber er war skeptisch geblieben, was meine väterliche Erbmasse betraf. Hatte mich aufmerksam gemacht: »Ich weiß ja, daß du beim Fliegen kaum Probleme hast, aber du wirst es merken, es ist wie verhext – je näher man der Datumsgrenze kommt, desto unruhiger wird die Luft. Was suchst du eigentlich in Honolulu? Die haben dort ihre eigenen Privatdetektive ...«

Das hatte uns, alte Freunde, die wir waren, auf eine Jugendgefährtin gebracht, mit der zusammen wir so manche Melone gestohlen und gegessen hatten, in den heißen Sommern, als unten in Vietnam der Krieg so richtig begann, und die GI’s, die in meiner Mutter respektablem Restaurant in Wanchai Erholung suchten, uns Knirpsen so manchen Dollar zuwarfen, wenn wir ihnen die Adressen von hilfsbereiten Mädchen besorgten, die billiger waren als das, was man sonst so in Wanchais einschlägigen Quartieren auflesen konnte. Abgesehen davon, daß wir von ihnen für die Vermittlung natürlich auch noch Münze bezogen. Später, als der Krieg härter wurde und die GI’s höhere Löhnung bekamen, lief das Geschäft weniger gut, weil sie nicht mehr so auf den Dollar achteten, aber da hatten wir schon andere Interessen.

»Erinnerst du dich an Laureen Tsiao?«

Bobby erinnerte sich, natürlich. Wir waren alle drei nur mütterlicherseits Chinesen. Die Väter kamen aus anderen Weltgegenden, sie waren dem mandeläugigen Charme unserer Mütter erlegen, wie das Fremden in diesem Teil Asiens öfters geht.

Wer an Laureens Existenz eigentlich schuld war, hatten wir nie genau untersucht. Es hatte uns nicht sonderlich interessiert. Möglicherweise war er als Soldat irgendwo gefallen. Laureens Mutter ließ sich darüber nicht aus, wozu auch. Bis wir dann aus dem Halbwüchsigenalter heraus waren, und Laureen, zur Dame gereift, zog mit diesem Musiker los, der im »Nan Hu« Saxophon spielte; mit der Meisterschaft eines amerikanischen Studenten, der aus dem College geflogen war, und der sich, wie er sagte, den Pazifik erobern wollte. Mit einer flotten Kanne, zugegeben.

»Sie hat ihn geheiratet, damals.«

Auch daran erinnerte sich Bobby Hsiang noch. Und daß sie mit ihm ohne viel Aufhebens nach Amerika gegangen war.

»Sie sind aber bloß bis Honolulu gekommen«, klärte ich den Freund jetzt auf. »Da muß er mit seiner Musik Geld gemacht haben, endlich. Haus in Waialae. Das ist die teuerste Wohngegend, habe ich mir sagen lassen. Ist übrigens verschwunden.«

»Waialae?«

»Der Musiker! Wesley Blair. Der Mann Laureens. Deswegen fliege ich hin.«

Bobby leuchtete nicht so recht ein, daß ausgerechnet ich, der nur vor Jahren auf ein paar Tage in Honolulu gewesen war, jetzt für Laureen dort ihren Mann suchen wollte. Er steckte mir, hilfsbereit wie er nun mal ist, die Adresse eines Kriminalisten in der Stadt zu und schärfte mir ein: »Du mußt ihn nur an mich erinnern, er wird für dich tun, was du willst!«

Ich beurteilte das nicht so zuversichtlich. Polizisten haben seltsame Vorbehalte gegen Privatermittler, auf der ganzen Welt, das erfährt man immer wieder, und das war eigentlich auch in Hongkong so. Nur Bobby in meinem Fall war eine Ausnahme. Aber es konnte ja sein, daß es sich um einen Gefallen handelte, den der Cop in Honolulu Bobby schuldete.

Das Lichtzeichen an der vorderen Kabinenwand mahnte zum Schließen der Gurte. Ich vergewisserte mich, daß der Nachbar wieder einigermaßen bei Farbe war und ihm das Wasser nicht mehr in den Augen stand. Dann sah ich, als die Maschine in Schräglage ging, wie im Seitenfenster die Küste Oahus erschien. Eine Sichel aus feinem, gelbschimmerndem Sand. Dahinter Grün. Satt, mit einem leichten Stich ins Blaue. Davor eine See, von der ich nie gewußt hatte, daß sie so sehr an Türkis erinnern kann.

Die Idylle schwand und machte der Kette von Betontürmen Platz, die sie rahmten. Da blitzten, wie überall in den Großstädten der Welt, Glas und Chrom. Man hätte das auf diese Entfernung glatt für Silber halten können.

Als die Maschine auf der Betonpiste aufsetzte, entfuhr meinem geplagten Nachbarn ein Rülpser. Sein Magen schien wieder Gehorsam zu signalisieren, nach chinesischem Standard sogar Wohlbefinden. Ich lehnte mich zurück und malte mir aus, was mir jetzt blühte, während die Maschine langsam, mit gedrosselten Triebwerken auf die ausfahrbereiten Krakenarme der Empfangshalle zurollte.

Sind Sie mal in Honolulu-International angekommen? Ich hatte das Vergnügen vor geraumer Zeit gehabt, auf einer Art verlängertem Wochenendausflug, und schon damals war mir die Aloha-Romantik beim Empfang ankommender Touristen etwas abgenutzt vorgekommen. Meine Mutter, die auf den Inseln einstmals mit meinem Vater einen, wie sie erzählte, traumhaften Urlaub verlebt hatte, schwärmte seither von den braunen Wahinen, den sanften Gesängen, den wolkenlosen Tagen am türkisblauen Meer, wo die sehnigen Gestalten der einheimischen Wellenreiter jeden bebrillten Geschäftschinesen Hongkongs unweigerlich als Karikatur erscheinen lassen.

Möglicherweise wurde meine Existenz damals in jenen Urlaubstagen meines Vaters beschlossen, vielleicht fand der entscheidende Akt an einer vom Mond beschienenen nächtlichen Palmenhütte statt, im Geplätscher der Wellen, die auf dem Strand verebbten, untermalt vom fernen Gesang einer Hula-Truppe – lassen Sie mich das nicht weiter ausmalen.

Ich habe immer wieder einmal daran gedacht, daß ich auf diese Weise mit den Inseln verbunden bin – vielleicht finde ich es deshalb bedauerlich, daß die freundliche Tradition Hawaiis langsam, aber sicher im Merkantilismus unserer Zeit versinkt. Wie die Hongkongs übrigens auch.

Heute kann man bei Lösung des Flugtickets bereits darüber entscheiden, ob man in der großen Halle in Honolulus Airport bei der Ankunft mit einer Lei geschmückt werden will, einer dieser aus Blumen geflochtenen Halsketten, die einem ein schönes Mädchen umlegt, das überwiegend mit ähnlichen Blumen bekleidet ist.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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