Schwarze Katze...und das Paradoxon der Rache - Elvy Jansen - E-Book

Schwarze Katze...und das Paradoxon der Rache E-Book

Elvy Jansen

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Beschreibung

In einer neuen Firma wird ein unbekannter Mann ermordet. Nichts deutet darauf hin, wie er das Gebäude betreten hat. Auch gibt es kein Motiv für diesen Mord. Es bleibt rätselhaft. Zudem steht Kommissar Wieland gewaltig unter Stress und das nicht nur beruflich. Laila und die Katzengang nehmen in ihrem "Clubheim" eine obdachlose Frau auf. Sie wird von einem Mann in einem schwarzen Anzug verfolgt! Können sie verhindern, dass der Frau ein Leid geschieht? Aber das ist noch lange nicht alles, in was die Katzen mit involviert werden. Sie sind sogenannte "Ohrenzeugen" als ein Mord geschieht, den sie nicht verhindern können.

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...Getrennte Wege führen oft zusammen ...

Der Schreibtisch wirkte leer und aufgeräumt. An den Stellen, an denen kein Staub war konnte man erkennen, dass der Schreibtisch einst mit Computer, Laptop und sonstigen Technikkram besiedelt war. Nur noch ein traurig wirkender Kaktus mit verdorrten Stacheln, in einem viel zu kleinen Topf mit bröckeliger, trockenen Erde, stand einsam neben einer älteren Zeitschrift. „Wirtschaft und Kapital“ prangten einem als Titel auf dem hochglänzenden Papier entgegen. Der Kaktus schien kein Interesse dafür zu entwickeln, sondern war wahrscheinlich mehr an dem tropfenden Wasserhahn mit dem kostbaren, unerreichbaren Nass interessiert. In aller Ruhe packte der Mensch seine letzten Sachen ein. Dann warf er einen prüfenden Blick in die Wohnung. Das edle Interieur würde er wahrscheinlich nie mehr wieder sehen. Viele persönliche Gegenstände standen noch in der Wohnung. Das teure Bild an der Wand, welches er erst kürzlich auf einer Auktion erworben hatte und verschiedene Skulpturen, an denen besonders sein Herz hing. Es war leider nicht zu ändern und das musste er mit in Kauf nehmen. Aber bei einer Skulptur wurde er schwach. Ein kleiner asiatischer Mönch aus Bronze mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, wanderte vom Regal in seine Reisetasche. Nun fiel ihm der Abschied etwas leichter.

„Nein. Ich habe nichts vergessen.“

Die Wohnungstür ging auf. „Da bist du ja endlich. Ich kann es kaum erwarten von hier wegzukommen.“

„Was heißt hier endlich? Ich bin pünktlich auf die Minute.“

„Ich habe es nicht anders erwartet.“

„In meiner Branche kann man nur so arbeiten. Ich kann mir keine Verspätungen erlauben. Meine Termine sind so eng, dass mir keine Fehler unterlaufen dürfen.“

„Ich bin kein Fehler. Darauf kannst du dich verlassen.“

„Du bist vor allen Dingen eine teure Investition.“

Gemeinsam verließen sie die Wohnung und ließen den traurigen Kaktus alleine zurück. Mit dem unauffälligen Wagen fuhren sie los.

„Was willst du denn hier? Zum Flughafen geht es doch in die andere Richtung?“

„Ich habe etwas vergessen.“

„Was solltest du denn vergessen haben? Alles, was von Bedeutung ist, hatte ich in der Wohnung. Und dort liegt nichts mehr.“

„Es hat nichts damit zu tun.“

„Dann verstehe ich dich nicht.“

Der Wagen blieb an einem Feldweg stehen. „Lass uns das letzte Stück laufen.“

„Warum muss ich mitkommen, wenn du etwas vergessen hast? Ich kann doch besser hier im Auto warten und meine Mails abchecken.“

„Ich will da nicht alleine hingehen.“

„Also gut! Wenn es denn sein muss.“

„Nimm deine Reisetasche mit.“

„Wozu denn das? Für kurze Zeit kann sie doch im Auto bleiben. Wir sind doch gleich wieder hier.“

„Nimm sie mit. Sicher ist sicher.“

Missmutig steckte der Mensch sein Handy wieder in die Tasche, griff nach der Reisetasche und stieg aus. Mittlerweile war es stockfinster. Die Häuser standen still und friedlich an der Straße. Vereinzelt drang Lichterschein von gemütlichen Wohnzimmerlampen nach draußen. Dann hörten die Häuser auf.

„Und was jetzt? Willst du um diese Zeit einen Waldspaziergang machen?“

„Sei nicht so ungeduldig. Wir sind gleich da.“

„Was willst du bloß in dieser gottverlassenen Gegend? Wegen dir verpassen wir noch das Flugzeug!“

„Habe ich dich jemals enttäuscht?“

„Nein. Aber ich kann dich nicht verstehen.“

Nach weiteren Minuten tauchte vor ihnen die Silhouette eines Hauses auf. Es war mehr so eine Art Villa, mit großen Glasfenstern und großzügig angelegter Grünanlage. Kein Lichtschein drang nach außen. Es war das letzte Haus in dieser Straße. Etwas weiter war die Silhouette eines Waldes zu erkennen.

„Wo sind wir hier?“

„Das ist nur ein ganz normales Haus, in einer normalen Stadt.“

„Und was willst du in diesem normalen Haus, in der normalen Stadt? Ich finde es etwas groß für eine normale Bude.“

„Ich habe etwas vergessen.“

Sie gingen durch den Garten und standen vor einer Garage. Sie liefen daran vorbei und standen schließlich vor einer Kellertür. Einer der beiden stolperte über einen Randstein, den er in der Dunkelheit nicht gesehen hatte.

„Kannst du nicht aufpassen?“

„Es ist ziemlich finster. Aber es scheint niemand da zu sein. Willst du etwa einbrechen? Warum sollen wir uns so kurz vorm Ziel noch unnötig in Gefahr bringen?“

„Wozu einbrechen, wenn man einen Schlüssel hat. Meine Güte jetzt schau nicht so entsetzt! In vier Stunden sitzen wir im Flugzeug und keiner weiß, dass wir jemals hier waren. Nimm die Hände vom Zaun und fasse nichts an! Hörst du? Nichts anfassen! Vergiss das nicht!“

Gummihandschuhe tauchten aus der Tasche auf.

„Das wird mir zu heiß. Zieh die an. Dann sind wir auf alle Fälle sicher, dass wir keine Spuren hinterlassen.“

„Die Dinger sind sehr unbequem. Und ich weiß immer noch nicht, warum ich an dieser Exkursion teilnehmen muss.“

„Ich wollte es dir nicht sagen. Aber jetzt muss es raus. Weil ich michin der Dunkelheit fürchte.“

„Soll ich dir die Hand halten?“

„Mit Gummihandschuhen? Bewahre!“

Der Schlüssel drehte sich leise im Schloss.

„Was um Himmelswillen, hast du denn hier vergessen? Wie war es dir überhaupt möglich, hier hereinzukommen? Hat das Haus keine Alarmanlage?“

„Jede Technik kann man überlisten. Jede! Ich bin überrascht, dass ausgerechnet du das bezweifelst. Doch die war hier noch nicht einmal nötig.“

„Aber das funktioniert auch nur, wenn man sich damit auskennt.“

„Auskennt? Das ist ein Witz. Ich hoffe, dass du einen Witz gemacht hast.“

„Das war natürlich blöd von mir. Ich weiß was du meinst.“

„Da bin ich aber erleichtert.“

„Ich werde dich nie mehr enttäuschen.“

„Irren ist menschlich und kostet mitunter viel Geld.“

„Ich bin nicht so orientiert über die Baupläne dieses Gebäudes. Aber, was hast du tief hier unten in diesen Räumen vergessen? Hier ist doch nichts von Bedeutung. Nur Gartenmöbel!“

Die nächste Tür, im letzten Kellergeschoss, öffnete sich wie von Geisterhand. Es roch muffig und feucht. In diesem Raum gab es keine Frischluftzufuhr. Alles wirkte so, als ob er schon immer dagewesen wäre. Der Mensch fühlte sich nicht wohl und bekam so etwas wie Beklemmungen. An der Wand hing ein Werbeplakat.

„Das ist doch ein alter Entwurf. Wie kommt der hierher?“

„Die Mittel und Wege sind manchmal seltsam.“

Das Plakat wurde zusammengerollt und achtlos in die Eckegeworfen. Dann endlich wurde eine Holztür sichtbar. Es dauerte etwas, bis sich die Tür öffnen ließ, die quietschend in den Angeln hing. Dahinter befand sich ein Raum, der nur aus nackten Wänden bestand. Hier war nur purer Fels und Erde zu sehen. Der Boden war feucht und irgendetwas lebendes, mit mehr als vier Beinen, floh vor dem Lichtschein der Handys und verzog sich in eine Ritze.

„Ich bin froh, wenn wir hier wieder draußen sind. Hier ist einfach keine Luft zum atmen.“

„Die braucht man hier auch nicht, aber für meine Belange genügt sie vollends.“

„Ich stelle mir gerade vor wie es wäre, hier unten eingeschlossen und vergessen worden zu sein.“

„Das ist spannend und entspricht manchmal der Wahrheit.“

„Können wir jetzt gehen? Ich fühle mich hier nicht wohl. Was hast du denn hier vergessen? Hier ist nichts. Rein gar nichts!“

Plötzlich sah der Mensch in den Lauf einer Pistole, mit einem Schalldämpfer.

„Ich habe vergessen dich umzubringen.“

„A...aber ich habe dir doch alles gegeben. Was willst du denn noch?“

„Es war nicht genug.“

Ein Plopp,wie aus einer Sektflasche, ertönte. Mit ungläubigem Blick schaute der Mensch in das Dunkel hinter dem grellen Licht des Handys. Als er auf dem Boden aufschlug, war er bereits tot. Geringschätzig warf die Person einen letzten Blick auf die Leiche und zog ihr die Gummihandschuhe aus.

„Ich hätte nicht gedacht, dass man dich so billig einkaufen kann.“ Die Holztür wurde knarrend und quietschend wieder verschlossen. „Ich mache es dir noch gemütlicher. Aber darum kümmere ich mich später!“

In aller Ruhe verschloss der Mensch die schwere Eisentür und verschwand ungesehen im Dunkel der Nacht.

*

In dem neuen Industriegebiet wurde schon wieder ein neues Gebäude fertiggestellt. So ein scheußliches Ding, mit viel zu viel Glas. Manchmal bauen die Menschen Häuser wie Käfige, oder die an eine Mischung zwischen Gewächshaus und Mikrowellenherd erinnern. Also ich kann daran nichts schönes finden. Als es im Bau war, haben wir es des Öfteren erkundet. Man konnte zu dieser Zeit wunderbare Mäuse dort finden. Aber dann war es fast fertig und wir kamen nicht mehr in das Haus hinein. Heute sollte es unser letzter Besuch werden. Edle Möbel aus Spanien wurden angeliefert. Jetzt staunt ihr, woher ich das weiß! Mit einem großen, schwarzen, lärmenden und stinkenden Truck. Ein Mann mit langen grauen Haaren stieg aus, mit Papieren in der Hand. „Da haben wir die „Inotec“. Ich geh' fragen, wo die Möbel abgeladen werden.“ Aber es gelang ihm nicht, das Gebäude zu betreten. Egal welche Tür er anstrebte, alles war verschlossen und als er daran rüttelte, ertönte ein schriller Pfeifton. Ein Mann mit Arbeitskleidung und Helm kam ihm entgegengerannt.

„Warten sie bitte. Sie müssen hinter dem Haus abladen. Vor dem Lastenaufzug.“

„Dort steht der Truck schon in weiser Voraussicht. Aber wie soll ich hier anliefern? Alles ist zugestellt!“

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren stieg aus. Auf ihren Armen waren jede Menge Drachen tätowiert.

„Reg dich doch nicht so auf. Dann müssen eben zuerst die Paletten mit dem Holz weggeräumt werden, und dann klappt das schon. Machen wir in der Zeit Frühstückspause.“

Der Mann mit Helm nickte. „In spätestens zwanzig Minuten ist alles weg.“

Hach, so sieht man sich wieder! Die beiden waren uns wohlvertraut. Rolf und Elvy. Die beiden wären noch viel netter, wenn sie nicht in so einer schwarzen Höllenmaschine herumfahren würden. In diesem Industriegebiet haben wir uns schon öfter getroffen. Ich machte mich durch maunzen bemerkbar.

„Ach sieh mal einer an. Die Bauaufsicht ist auch schon da.“

Bei der Bauaufsicht handelte es sich um meine Wenigkeit, eine kleine, schwarze, etwas zu klein geratene, aber wahnsinnig attraktive Katze, mit Namen Laila; Oscar, den riesigen schwarzweißen Kater, den man leicht mit einem Kalb verwechseln kann, und seiner klugen, schönen, grau gestreiften Mama, der Namenlosen. Sie hatte nie einen Namen angenommen. Zusammen wohnen wir bei unserer Familie Laura, Sebastian und der kleinen Rosa, die bald schon ein Jahr wird. Die Katergang war gerade dabei, einen seltsamen Raum in dem Glaspalast zu begutachten. Bei der Gang handelt es sich um fünf Kater, die sich schrecklich gerne prügelten, aber auch sonst viel Unsinn zusammen anstellten. Ich sollte unbedingt erwähnen, dass wir alle zusammen stolze Paten und Patinnen der kleinen Rosa sind. Boss der Gang war Zorro, ein großer, imposanter, schwarzer Kater. Ihm folgten Richie der rote, Pirat der Einäugige, Robert, der gerne die Gegend absichert, und, der bunt gescheckte, kleine Kater Ekki. Seine Gedankengänge sind manchmal für andere nicht leicht nachzuvollziehen, daher sorgt er immer wieder für Verwirrung. Manche von uns können auch Botschaften versenden. Man kann es nicht erlernen, sondern es ist angeboren und die müssen diese Fähigkeit weiter ausbauen. Warum außer mir und der Namenlosen ausgerechnet Ekki über diese Gabe verfügt, war uns schon immer ein Rätsel.

Rolf und Elvy luden uns zu einem Frühstück ein. Aber sie brachten die leckeren Sachen aus ihrem Truck zu uns, weil mich keine zehn Pferde dazu bringen konnten, diese schreckliche, stinkende Höllenmaschine zu betreten.

„Wo bleibt denn der bunt gescheckte? Mag der keine Schinkenwurst?“

Elvy hatte acht Papierchen mit leckerer Wurst vor sich ausgebreitet. Alle waren da, bis auf einen.

„Das Zimmer bewegt sich und fährt direkt in den Himmel hinein,“ schoss mir eine Botschaft durch den Kopf.

„Ist dir etwas auf den Kopf gefallen, Ekki?“ antwortete ich.

Die Namenlose schaute mich entsetzt an. „Was hat Ekki jetzt schon wieder angestellt?“

„Ich komme hier nie wieder heraus. Elendig und einsam werde ich mein Leben hier beschließen. Könnt ihr bitte meinem Menschen und seiner Freundin Bescheid geben, dass ich nie wieder zu ihnen komme. Ich habe jetzt schon großen Hunger. Und ich muss vor Aufregung pinkeln.“

„Wo bleibt dieser karierte Blödmann?“ schimpfte Zorro. „Selbst wenn es leckere Knusperherzen regnet, vergisst Ekki seine Pfoten aufzuhalten.“

„In dem Zimmer, das sich gerade bewegt, regnet es keine Knusperherzen.“

„Bist du dir da sicher, Laila?“

„Wie kann ich sicher sein, ich weiß doch gar nicht wo er ist.“

Elvy schaute sich suchend um. Und wir wollten nicht ohne Ekki dieses Frühstück einnehmen.

„Irgendwann bringe ich diesen Patchworkkater um,“ schimpfte Zorro. „Irgendwann ganz bestimmt. Der treibt mich noch in den Wahnsinn.“

„Fangt ohne mich an. Die Wurst sieht von hier oben so gut aus. Dieser zartrosa Schimmer. Ich kann förmlich fühlen, wie sie aufmeiner Zunge zergeht. Nie wieder werde ich so etwas leckeres essen können. Übrigens sitzt mit mir zusammen eine Maus in dem fliegenden Zimmer. Ich will sie nicht essen. Wir sind jetzt Freunde. Ich glaube, sie hat euch gerade zugewunken,“ erreichte mich die nächste Botschaft.

„Du kannst uns sehen?“

Ungläubig schauten wir alle nach oben. Rolf und Elvy folgten unserem Blick.

„Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber der kleine Bunte sitzt offensichtlich in dem Lastenaufzug.“

„Allerdings Elvy. Aber wir sollten ihm helfen, alleine findet er nie wieder heraus. Mich interessiert mehr, woher die andern Katzen plötzlich wussten, wo sich der kleine bunte Kater befindet.“

Wir begleiteten Rolf und Elvy. Robert blieb vor den leckeren Wurststückchen sitzen, damit sich kein anderer daran gütlich tun konnte.

„Das zu erklären, würde zu weit führen, und euch geistig völlig überfordern,“ maunzte ich.

In dem Lastenaufzug saß Ekki und schaute auf uns herab. Ab und zu ging die kleine Schnauze auf, aber es war kein Ton zu vernehmen. Aber der Lastenaufzug war nicht so einfach zu bedienen. Es war keine Tastatur zu erkennen. Rolf lief zum Empfang, um Hilfe zu holen. Ekki bekam ein satte Panikattacke und heulte laut los. Die Maus setzte sich zwischen seine Pfoten, um ihn zu beruhigen. Zorro wurde jetzt auch unruhig.

„Was sollen wir nur machen, wenn dieses Glaszimmer nicht mehr herunterkommt und dieser karierte Kater weiterhin so brüllt?“

„Wir könnten ihn notschlachten,“ meinte Pirat.

„An diese Möglichkeit habe ich auch schon gedacht, aber wir kommen nicht in das Innere dieses komischen Zimmers hinein.“

„Wenn die Möglichkeit bestände, in das Zimmer zu gelangen, gäbe es auch eine andere Lösung. Aber ich weiß nicht, welche das sein soll. Weil mich keine zehn Pferde dazu bringen würden, dieses Zimmer zu betreten.“

„Wie willst du Ekki dann notschlachten?“ Pirat wurde jetzt doch ein wenig mulmig zumute.

„Ich will eigentlich nur, dass dieser karierte Blödmann mit seinem neuen Freund aus diesem Glaskasten kommt.“

„Meinst du, er besteht auf dieser Freundschaft mit der Maus? Oder wäre das nicht ein nettes Geschenk für Rolf und Elvy? Dann hätten sie ein kleines Haustier, an dem sie ihre Jagdfähigkeit trainieren könnten.“

„Tot oder lebendig? So ganz sicher ist das noch nicht, dass Ekki und diese bescheuerte Maus dieses Debakel überstehen.“

„Das sind aber auch Probleme.“

Mir war nicht ganz klar, ob die Kater es damit ernst meinten. Ekki und die Maus heulten mittlerweile gemeinsam um die Wette. Eine Frau mit schulterlangen braunen Haaren kam in Begleitung von Rolf zurück. Sie hatte ein Tablet dabei und hantierte damit herum. Wie von Geisterhand kam das Glaszimmer langsam herunter. Als es unten ankam und sich die Tür öffnete, brüllten Ekki und die Maus noch immer. Die Maus hatte sich Schutz suchend hinter Ekki verkrochen. Die Frau schüttelte mit dem Kopf und sagte nur. „Du hast zwanzig Sekunden, danach ist die Tür wieder zu. Und wenn du dann keinen Berechtigungsausweis hast, sieht es sehr schlecht für dich aus. Es ist mir sowieso ein Rätsel, wie du hier hereingekommen bist.“

Das gab Ekki nun doch zu denken. Die Maus krallte sich im dichten Fell von Ekki fest. Dann rannte er in direkter Linie vor die appetitlich angerichtet Wurst.

„Wage es nicht zu essen, bevor wir nicht alle da sind. Sonst werde ich dich höchstpersönlich zu Wurst verarbeiten.“

„Echt Boss? Würzt du mehr mit Thymian oder Majoran? Ich persönlich bevorzuge allerdings lieber Petersilie.“

„Ekki?“

„Ja, Boss?“

„Halt die Klappe und schick endlich die Maus zum Teufel.“

Die Maus warf Ekki noch ein Kußpfötchen zu, bevor sie sich in die nahestehenden, zurechtgestutzten, dichten Hecken zurückzog. „Ich hätte dich gerne zum Essen eingeladen.“

Aber durch unsere pure, in den Augen schimmernde Mordlust, traf sie wohl die klügere Entscheidung und verharrte im Gehölz.

Die Frau sah mit Verwunderung den Katzen nach, wie sie sich alle um die Wurst platzierten.

„Nächste Woche haben wir die offizielle Eröffnung. Die teuren Designer Accessoires aus Spanien geben hier den letzten Schliff. Dann kann es endlich losgehen.“

„Aber ihre Sicherheitsvorkehrungen sind sehr streng. Es war mir nicht möglich, das Gebäude zu betreten.“

„Dann hätten sie diesen kleinen Kater fragen sollen. Er weiß anscheinend, wie man in dieses Gebäude gelangt.“

Ich beobachtete, wie eine Gestalt hinter das Gebäude ging und nicht wieder auftauchte.

*

Wieder und wieder suchte der Mann hektisch in den Unterlagen, die auf dem Schreibtisch lagen. Aber es handelte sich nur um eine für ihn unwichtige Dokumentenmappe.

„Es muss doch hier irgendwo sein.“

Der Monitor stand unbenutzt auf dem Schreibtisch. Er war gesichert und der Mann verfügte über kein Passwort, um ihn anzuwerfen. Das war vergebliche Mühe. Obwohl er in diesem Genre ziemlich tough war, ist es ihm nicht gelungen, an diverse, für ihn wichtige, Informationen zu kommen. Er hatte es aufgegeben, sein Problem digital zu lösen. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Zwei Gemälde hingen an den Wänden. Es waren keine Originale, aber sehr gute Drucke, die auch einiges Wert waren. Hinter den Bilderrahmen fand er einen Schlüssel.

„Meine Güte! Wie altmodisch!“

Aber wozu passte dieser kleine Schlüssel? Für einen eingebauten Wandsafe war er zu klein. Zumal man in der heutigen Zeit so etwas nur noch elektronisch sicherte. Ein Wandsafe? Warum eigentlich nicht? So ein Ding vermittelte Sicherheit. Er tastete die Wand hinter den eingerahmten Bildern ab. Und tatsächlich. Hinter einem Bild bemerkte er eine kleine Unebenheit. Erst auf den zweiten Blick waren feine Umrisse zu erkennen. Der Mann griff in seine Tasche, und förderte ein kleines, scharfes Messer zu Tage. Mühelos entfernte er die Holzplatte. Und tatsächlich tauchte dahinter ein Safe auf. Er war erstaunt, wie leicht er zu knacken war. Aber als er die Tür öffnete, war er bitter enttäuscht. Nur Fotos von Kindern und diverse Spielsachen waren darin zu finden. Ein Gegenstand fand sein Interesse.Völlig überrascht sah er, dass er nicht mehr alleine war.

„Eigentlich kündigt sich Besuch vorher an?“

„Ich wollte keine Ungelegenheiten machen.“

„Das ist sehr nett.“

„In diesem Safe liegen seltsame Dinge.“

„Ich mag seltsame Dinge. Du hast den Code geknackt. Dafür hast du meine Hochachtung verdient.“

„Genau wie du. Er wurde nicht aktiviert. Wie hast du das gemacht?“

„Das fragst du allen Ernstes?“

„Gelernt ist gelernt.“

„Oder du hattest Hilfe.“

„Der Joke war gut.“

„Dafür wurdest du gut bezahlt.“

„Ich hatte schon bessere Honorare.“

„'Augen auf' bei der Berufswahl, kann ich da nur sagen. Jeder Job kann der Letzte sein. Hier hast du deine Aufgabe zum Beispiel nicht ganz erledigt.“

„Ich habe den Code, wie verabredet, geknackt.“

„Aber die Zielperson läuft nach wie vor völlig unbehelligt herum.“

„Die Zeit ist falsch ausgerechnet. Ich bin noch nicht soweit.“

„Dafür ist es jetzt zu spät. Du hast versagt.“

„Dann sollten wir schleunigst versuchen, aus diesem Gebäude herauszukommen.“

„Du vielleicht. Ich nicht.“

Der Mann versuchte, seine Waffe im Schulterhalfter zu erreichen.

„Denk noch nicht einmal daran. Stell dir doch nur einmal diesen Lärm vor!“

„Dir liegt viel daran, dass ich dieses Zimmer nicht mehr lebend verlasse?“

„Das hast du sehr gut erkannt. Ich muss leider so handeln, da das Ergebnis nicht ganz so zufriedenstellend war, wie ich es erhofft habe. Aber weißt du was? Ich baue dir eine Brücke. Hast du eigentlich gefunden, was du suchen solltest? Schließlich ist der Preis dafür sehr hoch!“

„Heißt das, ich kann Bedingungen für mein Leben aushandeln?“

Vor dem Büro waren Schritte zu hören. Irgendwo wurden Türen geöffnet und wieder geschlossen.

„Das kommt auf deine Antwort an. Also ich wiederhole. Hast du etwas gefunden?“

„Ich glaube schon.“ Dann zeigte er auf den Gegenstand in seiner Hand.

„Schön, dass du dich daran erinnerst. Aber was willst du damit?“

Der Mann suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Sein Gegenüber ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen, und schlug entspannt die Beine übereinander.

„Hier ist alles elektronisch und digital gesichert. Warum ausgerechnet am Safe so einen altmodischen Schlüssel?“

Der Mann versuchte, so viel Zeit herauszuschlagen, wie irgend möglich. Auf seiner Stirn entstanden kleine verräterische Schweißperlen. Die edle Krawatte aus Seide empfand er plötzlich als extrem eng. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Die Pulsfrequenz stieg.

„Das sind so Spielereien aus dem vorigen Jahrhundert. Sentimentale und unnötige Spielereien. Mir gefallen sie. Mir gefallen sie sogar außerordentlich!“

„Ich habe sonst leider nichts gefunden, was von Wert sein könnte. Kannst du mir einen Tipp geben?“

„Du bist zu früh. Bis jetzt war hier noch kein Geld zu verdienen.“

Von irgendwo im Haus war ein Geräusch zu vernehmen. Irritiert schaute der Mann zur Tür. Er vernahm, dass sein Gegenüber nicht den leisesten Hauch Unruhe von sich gab. Ein Überleben war jetzt wichtiger als alles andere. Der Mann dachte daran, laut zu schreien.

Der Schalldämpfer war das allerneueste, was es auf dem Markt gab. Ein leises „Plopp“ ertönte. Im Kopf des Mannes breitete sich ein Gewitter in wundersamen Farben aus. Die Konturen des Menschen, mit der Waffe in der Hand, verschwammen, und wurden eins mitdem Gewitter in seinem Kopf. Ströme von Farben flossen ungehindert durch sein Gehirn, immer wieder von Blitzen unterbrochen. Er verspürte keinen Schmerz. Blut lief ihm über die Augen. Das Gewitter nahm schwarz-weiße Farben an, die Blitze wurden weniger, und dann war es nur noch dunkel. Seine rechte Hand ballte sich in einem allerletzten Moment zur Faust. Der Mund stand immer noch weit offen und schien einen stummen Schrei auszustoßen.

*

Die Frau wankte an den Gleisen entlang. Ihr war schwindlig. Das kam die letzte Zeit öfter vor. In dem Rucksack, den sie stets auf dem Rücken trug, lag ein Brötchen mit Käse. Sogar noch in der Tüte und mit Preisetikett. Irgend jemand hatte das Brötchen gekauft, sich dann anders entschlossen und es im Bahnhof in den Abfall geworfen. Ihr fiel ein, dass sie heute Morgen das letzte Mal auf der öffentlichen Toilette etwas Wasser getrunken hatte. Vielleicht war das der Grund für die Schwindelanfälle. Als sie heute Morgen aufwachte, hatte sie rasende Kopfschmerzen. Sie setzte sich vor dem Bahnhof auf eine Bank, um etwas zu verschnaufen und schaute zum Himmel hoch. „Ein Abendessen habe ich. Jetzt muss ich mir nur noch einen Platz für die Nacht suchen. In welcher Stadt bin ich hier eigentlich?“

Das war eine rein rhetorische Frage. Es war ihr vollkommen egal, wo sie sich gerade aufhielt. Und selbst wenn sie im Bahnhof den Namen der jeweiligen Stadt gelesen hätte, wäre er in ihrem Gehirn nicht länger als fünf Minuten gespeichert worden. Aus irgendeinem Grund, der ihr völlig unbekannt war, konnte sie sich auch nicht merken, in welcher Stadt sie sich gerade aufhielt. Sie wusste auch nicht, wie alt sie war. Wenn sie an einem Schaufenster vorbei lief, sah ihr eine Frau, mit blondem, strohigem Haar und großen blauen Augen entgegen. Sie konnte die Vierzig überschritten haben, aber genau so gut war es möglich, dass sie bereits über fünfzig war. Wennes viel geregnet hatte, verspürte sie starke Schmerzen im Rücken. Manchmal, wenn sie sich in einem Schaufenster betrachtete, hatte sie das Gefühl, dass sie von einem Mann in einem schwarzen Anzug beobachtet wurde. Aber wenn sie sich umdrehte, war er verschwunden. Aber es konnte auch sein, dass ihr jetziger Zustand ihr bloß etwas vorgaukelte. Manchmal war sie eben nicht in der Lage, die Wirklichkeit von ihren Träumen zu unterscheiden. Ihre Kleidung sah noch ganz passabel aus. Zu ihr gehörte ein Rucksack, der voll mit Garderobe war. Sie hatte nicht die geringste Ahnung woher der Rucksack stammte. Als sie morgens in einer Nische des Bahnhofs aufwachte, lag er neben ihr. Ihr war entfallen, zu welcher Stadt der Bahnhof gehörte. Als nach einer Weile der Rucksack immer noch auf der Bank lag, hatte sie ihn an sich genommen. Oder war er schon immer ihr Eigentum? Sie hatte keine Ahnung. Aber für sie war er eine große Hilfe. Ihr einziges persönliches Hab und Gut war ein Foto. Darauf war eine junge Frau in eleganter Garderobe zu sehen, die in einem Sessel saß. Auf ihren Beinen war der Umriss eines Schattens erkennbar, aber es gelang ihr nicht, den Schatten zuzuordnen. Das Foto war auf einem Balkon oder einer Terrasse gemacht worden. Die junge Frau auf dem Foto sah ihr weitest gehend ähnlich, und darum nahm sie an, dass das Foto sie selbst zeigte, aber ganz sicher war sie sich da nicht.

„Die Mode mag ich. Aber ich bin mir nicht sicher, dass ich das bin.“

Auf dem Foto war noch der Rand eines weiteren Sessels zu erkennen. Etwas lag darauf, aber die Frau war nicht in der Lage zu erkennen, um was es sich handelte. Die Schwindelanfälle ließen etwas nach. Das kleine Café an der Ecke kam ihr irgendwie bekannt vor. Aber dann fiel ihr ein, dass es ein bekanntes Logo war, und es in jeder Stadt solche Cafés gab. Es war nicht wichtig. Ihr Verstand war nur in der Lage, sich auf den heutigen Tag zu konzentrieren. Morgen fing ein neuer an, der sie voll und ganz beschäftigen würde. Sie hatte relativ schnell verinnerlicht, dass es besser war, wenn sie Menschen meidet, und nur für sich blieb. Mit schleppendem Gang verließ sie das Bahnhofsgelände und wandte sich dem kleinen Güterbahnhof zu.

Er lag größtenteils still und nur eine kleine Rangierlokomotive zog einen Waggon hinter sich her. Neben den Gleisen führte ein Weg in den Wald. Zuerst war sie etwas unsicher. Aber dann steuerte sie doch zielstrebig darauf zu. Die Schwindelanfälle kamen immer öfter. Was sie jetzt brauchte, war ein vernünftiger Platz zum übernachten. Sie musste endlich etwas essen. Es war ihr gelungen, die Wasserflasche in einer öffentlichen Toilette aufzufüllen. In ihrem Nacken spürte sie ein seltsames Kribbeln. Auf dem Weg in den Wald war sie ganz allein. Aber war es normal, dass die Äste der Büsche sich so stark bewegten? Ihr Hunger wurde übermächtig. Sie setzte sich ins Gras und fischte aus dem Rucksack das Brötchen mit Käse. Das Aroma des Brötchens stieg ihr durch die Tüte in die Nase. Die Äste der Bäume bewegten sich stärker, und sie glaubte einen Arm zu sehen, der sich durch das Dickicht wühlte. Überstürzt ließ sie das Brötchen fallen und lief tiefer in den Wald hinein.

*

In meiner Nachbarschaft war so einiges los. In einer Seitenstraße ist ein neues Haus gebaut worden. Wir haben keinen Tag vergehen lassen, ohne uns anzusehen, wie aus einem riesigen hässlichen Loch, ein noch riesigeres hässliches Haus entstand. In dem großen Loch ließen sich gute, fette Mäuse fangen. Aber je weiter das Bauvorhaben stieg, um so weniger Mäuse blieben auf dem Grundstück für uns übrig! Eine Schande so etwas! Also mir gefällt es überhaupt nicht! So ein verschachteltes, modernes Ding mit viel zu vielen Wänden, und Glas vom Boden bis an die Decke. So etwas ungemütliches. Wer denkt sich nur so etwas hässliches aus? Unser Haus hingegen...Ach, das ist so gemütlich. An jedem Fenster sind breite Fensterbänke und auf jedem, ich betone...wirklich, auf jedem, liegen gemütliche Kissen. Schließlich ist es wichtig, von jeder Position aus die Gegend im Auge zu behalten. Aber das allerbeste befindet sich in unserem Wohnzimmer. Vor dem Fenster steht eine kleine Treppe und die istdafür gedacht, dass unser guter Freund Sam, eine fünfundsiebzig Kilo schwere Bordeauxdogge, sich ebenfalls auf dieser besonders großen Fensterbank niederlassen kann. Er wohnt nebenan in einem ebenso schönen, alten, gemütlichen Haus mit Wolfgang und Helga zusammen, die sehr gute Freunde von uns sind.

Ich habe soeben gesehen, dass Rosa, das Junge von Laura und Sebastian, von unseren Knusperherzen geknabbert hat. Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir auch etwas zur gesunden Ernährung der Kleinen beitragen können. Das nächste Mal bringe ich ihr eine blutige, noch dampfende Leber einer Maus mit. Ihre Zähne sind schon soweit entwickelt, dass Rosa lernen kann, wie man Beute aufreißt.

Oscar liegt gemütlich auf der Terrasse in der Schaukel von Rosa, und schläft tief und fest. Nachdem ich ihm erfolglos dreimal ins Ohr gebrüllt habe, muss ich zu härteren Maßnahmen greifen. Voller Argwohn beobachtet mich die Namenlose.

„Muss das unbedingt sein? Er schläft doch gerade so schön. Sieh doch nur wie niedlich er aussieht.“

Ich hatte von niedlich eine gänzlich andere Vorstellung. Er lag in der Schaukel auf dem Rücken, hatte alle Beine von sich gestreckt, der Kopf hing fast bis auf den Boden, und die Zunge hing ihm aus dem Hals. Dabei schaukelte er sachte hin und her.

„Niedlich? Er sieht aus, als ob er überfahren worden wäre.“

Ich sprang ihn ohne Vorwarnung an. Die Schaukel kam ordentlich in Bewegung und Oscar rutschte heraus, wie ein nasses Stück Seife. Irritiert und völlig verschlafen schaute er um sich, bis sein Blick bei mir landete.

„Ich nehme an, du hast etwas damit zu tun, dass ich so unsanft geweckt wurde.“

„Natürlich habe ich etwas damit zu tun. Ich sorge dafür, dass dein Leben bunt und ereignisreich ist. Wenn es nach dir geht, würdest du über die Hälfte deines Lebens im Koma verbringen!“

Oscar runzelte unzufrieden seine Stirn. Mit der Pfote begann er seine Schnurrbart Haare zu bearbeiten. Die Namenlose rollte mit den Augen.

„Was macht denn mein Leben so bunt und ereignisreich, dass du mich auf so brutale Art und Weise wecken musstest?“

„In dem schrecklichen Glashaus sind Menschen eingezogen. Mich interessiert, wie die so drauf sind.“

Oscar steuerte wieder auf die Schaukel zu.

„Dann geh doch. Mich interessiert das nicht die Bohne.“

Die Namenlos schüttelte mit dem Kopf.

„Ich habe eine Nachricht von Ekki bekommen. Demnach muss auch eine anmutige Katzendame eingezogen sein. Zumindest schätzt er sie so ein.“

Manche Katzen von uns sind in der Lage, Nachrichten zu versenden und zu empfangen. Warum ausgerechnet der leicht gestrickte Ekki über diese wunderbare Eigenschaft verfügt, ist uns allen ein absolutes Rätsel. Die Ohren von Oscar standen plötzlich aufrecht wie kleine Pyramiden.

„Eine Katzendame? Dann sagt das doch gleich. Es obliegt mir, zu prüfen, ob sie wirklich so hübsch ist, wie Ekki vorgibt.“

Meine Eifersucht floss wie Lava durch meine Adern. „Ich hätte es wissen müssen! Und wenn das Haus gebrannt hätte, wäre es mir nicht gelungen, dich aufzuwecken. Aber kaum hörst du etwas von einer Katzentussi, bist du hellwach und stehst stramm!“

„Man kann es dir aber auch nicht recht machen, Laila. Können wir jetzt gehen?“

Diese Katzentussi würde ich einer genauen Prüfung unterziehen! Ich habe sie noch nicht zu Gesicht bekommen, aber macht jetzt schon alle Kerle in meinem Umkreis verrückt!

*

Sie verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ihr das nur entgangen sein? Jahrelang hatten sie an diesem Programm gearbeitet. Und nun war ihr jemand zuvorgekommen. Sie musste unbedingt herausfinden, wer dahintersteckte. Der Name sagte ihr zunächst nichts. Er war unverbindlich und sollte den Menschen gut im Ohr bleiben.

„Inotec“

Aber was gab es da lange zu überlegen? Sie waren damals eine Clique, die zusammen studierte und auch privat viel Zeit miteinander verbrachte. Das Leben trieb sie nach Jahren auseinander. Mit den meisten stand sie noch über das Internet in Kontakt. War einer von ihnen dabei, der dieses Konzept durchgezogen hatte? Normalerweise entging ihr doch so etwas nicht. Als Geschäftsführer tauchte ein ihr völlig unbekannter Name auf. Über das Internet war nicht viel über diesen Mann zu erfahren. Wie war es ihm gelungen, dieses System zu vervollständigen? Unauffällig sein, war so ziemlich die beste Tarnung, die es gab. Sie musste unbedingt mehr über ihn erfahren.

*

Susanne schaute auf die Uhr. Sie verfügte noch über genügend Zeit. Stefan war schon lange unterwegs und die Kinder waren bereits in der Schule. Der neue Job fing an, ihr Spaß zu machen. Die Siamkater schauten etwas kritisch, weil sie die letzte Zeit immer zu unregelmäßigen Zeiten das Haus verließ. Das passte ihnen nicht. Missmutig warf Apollo seine Gummiente in die Luft. Und mit noch schlechterer Laune pfefferte Adonis das Spielzeug unter das Sofa.

„Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen! Ich bin jetzt jeden Tag bis neun Uhr morgens Zuhause. Aber heute werde ich wieder eine Runde joggen gehen...und ihr dürft euch freuen! Dann bin ich wieder da, springe kurz unter die Dusche, und dann seht ihr mich erst am späten Abend, zusammen mit den Kindern, wieder. Ich feiere heute in der neuen Firma meinen Einstand. Ihr dürft mich beglückwünschen!“

Adonis setzte sich ans Fenster und tat so, als ob etwas schrecklich interessantes im Garten passieren würde.

„Wir denken nicht einmal im mindesten daran, dich zu beglückwünschen. Da wird bestimmt nur gesoffen und dumm gelabert. Wenn ich das schon höre! Einstand feiern.“

Apollo legte den Kopf schief und dachte nach. „Stell dir nur einmal vor, jede Katze, die neu in unsere Straße zieht, müsste zum Einstand eine Maus an uns abgeben.“

Adonis hob abwägend eine Pfote. „Das hört sich allerdings nicht schlecht an. Vielleicht sollten wir diese Sitte einführen.“

„Das ist etwas völlig anderes, Adonis. Aber in der Familie wollen wir unsere Ruhe wieder haben. So eine Unordnung! Das ist fürchterlich. Wie sollen wir da ungestört unserem Tagesgeschäft nachgehen? Wie findest du das?“

„Ja Apollo! Es ist entsetzlich! Man hat doch schließlich so seine Routine. Zumal hier der Haussegen zur Zeit etwas schief hängt.“

„Diese Familie mutet uns schon allerhand zu. Aber eigentlich ist es nur Susanne, die aus der Reihe tanzt.“

„Und wir müssen darunter leiden.“

„Was sollen eigentlich diese schrillen Klamotten, Adonis? Glaubt Susanne etwa, dass sie damit schneller läuft?“

„Die Dinger haben keinen Motor. Also wird das nichts.“

„Wo soll der auch sitzen? Da passt noch kein Haar einer Maus mehr dazwischen.“

„Also auf mich wirkt das so, als ob sie auf sich aufmerksam machenmöchte.“

Apollo starrte völlig entgeistert seinen Bruder an.

„Willst du damit sagen, dass Stefan nicht mehr das Alphamännchen für Susanne ist?“

Adonis legte die Ohren eng an den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Nur so ein doofes Gefühl.“

Susanne band sich ihre schulterlangen, braunen Haare zu einem Zopf zusammen und steckte ihr Handy in die Tasche.

„Also dann Jungs, bis später!“

Die Siamkater schauten Susanne fassungslos nach, wie sie im flotten Laufstil das Haus verließ. Der Pferdeschwanz wippte im Takt dazu.

„Wenn sie in diesen Klamotten stürzt, platzt sie wie eine Leberwurst auseinander!“

Susanne lief die Straße entlang, bis sie an einem Feldweg ankam. An einer der nächsten Seitenstraßen kam eine Frau auf sie zugelaufen, die ungefähr das gleiche Alter wie sie hatte. Sie hatte ihre dunklen Haare auch zu einem Zopf gebunden. Jeden Morgen trafen sie hier aufeinander. Die nächsten Kilometer würden sie gemeinsam laufen. Susanne blieb einen Moment überrascht stehen. Die Frau trug exakt die gleichen Klamotten wie sie. „Hast du auch das Angebot in dem neuen Sportgeschäft wahrgenommen, Kathrin?“

„Du hast mich neugierig gemacht. Entgegen zu sonst war mein Outfit dreißig Prozent günstiger. Jetzt sind wir Schwestern. Zumindest was das Joggen angeht.“

Das machte unglaublichen Spaß. Es war Frühling, die Temperaturen waren angenehm und die Vögel zwitscherten. Besser kann man einen Tag nicht beginnen. Während des laufens tratschten sie über dies und das, über Mode, und darüber, was gut schmeckt. Ganz belangloses Zeug. Auf dem Rückweg lief die Frau wieder in die Seitenstraße. Sie blieb kurz stehen und stopfte sich Kopfhörer in die Ohren.

„Ich freue mich schon auf morgen, Susanne.“

„Ich mich auch, Kathrin.“

Ihr Handy klingelte, Kathrin hob entschuldigend die Hand und lief mit flottem Tritt weiter.

„Ich bin gleich da. Es gibt keinen Grund sich aufzuregen. Geben sie mir Dreißig Minuten.“

Susanne hörte noch, dass Kathrin langsam ärgerlich wurde.

„Natürlich weiß ich wie wichtig das ist.“

Susanne wandte sich wieder dem Nachhauseweg zu, als ihr Blick auf den Boden fiel. Eine zierliche Börse lag am Wegesrand. Susanne hob sie auf. Es befanden sich mehrere Kreditkarten und eine Firmenkarte darin. Auf der Firmenkarte befand sich ein schemenhaftes Foto.

„Das ist doch Kathrin. Meine Güte! Da hat sie aber einen strengen Blick drauf.“

Susanne konnte gerade noch sehen, dass Kathrin in das neue Industriegebiet abgebogen war.

„Kathrin warte! Du hast etwas verloren.“

Aber Kathrin lief zügig und unbeirrt weiter.

„Du kannst mich nicht hören weil du AirPods trägst.“

Susanne schaute auf ihre Uhr. Ihr blieben immer noch dreißig Minuten Zeit. Sie spurtete los. Unweit davon, im neuen Industriegebiet, war das Gebäude der Firmenkarte zu finden. Eine schwarze Limousine fuhr sehr langsam durch die Straße. Susanne dachte sich, dass der Fahrer oder die Fahrerin eine bestimmte Adresse suchte. So manches Unternehmen befand sich noch im Bau. An vielen Büros hingen Schilder an den Glasfassaden, dass günstig und in exquisiter Lage noch Gewerberäume anzubieten waren. Susanne hatte das Gebäude erreicht. Der schwarze Wagen blieb stehen. Sie musste die Straße überqueren. Der schwarze Wagen fuhr, ohne auf Susanne zuachten, mit hoher Geschwindigkeit an. Im letzten Augenblick gelang es ihr, zur Seite zu springen. Der Wagen blieb kurz stehen. An der Beifahrerseite wurde geräuschlos die Scheibe heruntergelassen.

„Können sie nicht aufpassen? Sie hätten mich beinahe überfahren.“

„Entschuldigung!“ tönte es aus dem Inneren des Wagens. Susanne konnte den Fahrer nicht erkennen. Nur die Hände waren zu sehen. „Wie komme ich aus diesem Industriegebiet wieder heraus?“

„Sie können nicht geradeaus fahren, das ist eine Sackgasse. Nehmen sie die nächste Straße rechts und dann wieder rechts, dann sind sie wieder auf der Hauptstraße.“

„Danke.“ Die schwarze Limousine verschwand mit quietschenden Reifen und leicht schwankend in der nächsten Seitenstraße. Kopfschüttelnd sah Susanne dem Wagen hinterher.

„Ich kann doch nichts dafür, wenn du die Adresse nicht findest.“

Susanne kümmerte sich nicht weiter darum und überquerte endlich die Straße, um zu der Firma zu gelangen. Es handelte sich um ein modernes zweistöckiges Haus, mit dunklen Glasfassaden. Direkt vorne am Eingang saß eine Frau vor einem Monitor. Es gab nur diesen Eingang, und der war durch eine Glastür blockiert. Ein Mitarbeiter zeigte seine Karte und legte sie auf die weiße Apparatur der Tür. Es ertönte ein Summton, die Tür schob sich zurück und gab den Eingang frei. Aber als Susanne mit hinein wollte, ertönte ein schriller Pfiff, und die gläserne Tür schob sich vor ihre Nase. Susanne erschrak und stieß einen kleinen Schrei aus.

„Mit schreien kommen sie hier nicht weiter...sie aktivieren höchstens das Alarmsystem. Kann ich ihnen sonst wie behilflich sein?“

Ihre Stimme wirkte auf Susanne unpersönlich und kalt. Kritisch wanderten ihre Augen auf Susannes pinkenes Sportoutfit hinauf und hinunter. Neben dem Computer stand ein Schild mit ihrem Namen. Desiree Ganzholt. Desirees Gesicht war bis zur Perfektion geschminkt. Aber ihr Antlitz wirkte wächsern und leblos. Susanneerinnerte die Frau an eine dieser seelenlosen Schaufensterpuppen. Susanne probierte es mit ausgesuchter Höflichkeit.

„Oooh ja, das können sie. Guten Morgen, Frau Ganzholt. Hat vor kurzer Zeit eine Frau in gleichen Sportklamotten wie ich dieses Haus betreten?“

Die Schaufensterpuppe in dem beigen Kostüm setzte ihre Lesebrille ab. Die permanent angebrachten Augenbrauen zogen sich entrüstet nach oben. Soweit es die mit Botox behandelte Stirn zuließ.

„Das kann ich kaum glauben! Warum sollte sie ausgerechnet in so schrillen Sportklamotten hier erscheinen? Normalerweise trägt man hier ausgesuchte Businessgarderobe.“

Susanne ärgerte sich über die fehlende Kommunikationsbereitschaft der Schaufensterpuppe. Außerdem lief ihr die Zeit davon. Die Lautstärke ihrer Stimme hob etwas an.

„Hat sie das Haus betreten oder nicht? Was ist an dieser Frage so schwierig?“

„Sie brauchen nicht pampig zu werden. Verfügen sie über einen Ausweis, der sie berechtigt dieses Gebäude zu betreten?“

„Ich brauche einen Ausweis? Nein! So ein Ding habe ich nicht.“

„Dann müssen sie einen beantragen, wenn sie die „Inotec“ betreten wollen.“

„Aber ich will doch nur etwas abgeben.“

„Geben sie es mir und ich werde es weiterleiten. Ansonsten haben sie hier nichts zu suchen. Ich muss sie bitten, das Gebäude umgehend zu verlassen, sonst...“

Susannes Puls beschleunigte sich, und das nicht nur, weil die Zeit immer knapper wurde. Sie wurde langsam böse, weil sie in dem wächsernen Gesicht von Frau Ganzholt keine Emotionen deuten konnte. Und sie hatte schon gar keinen Bock darauf, dieser Nörgeltante etwas persönliches von Susanne auszuhändigen.

„Sonst was? Rufen sie dann die Polizei?“

Die Dame in dem beigen Kostüm griff zum Telefon. Eine blonde elegante Frau, in einem edlen Designerhosenanzug, kam leichtfüßig die Treppe vom Untergeschoss hochgelaufen.

„Was ist denn das für ein Lärm? Und so früh am Morgen? Der Tag hat doch noch gar nicht richtig angefangen!“

Die Schaufensterpuppe am Empfang wies unfein mit dem Finger auf Susanne.

„Diese Frau will sich unter einem scheinheiligen Vorwand Zutritt zum Gebäude verschaffen, und ich bin gerade dabei, sie entfernen zu lassen.“

Die Frau achtete mit keinem Wort auf das aufmüpfige Geschwafel von Frau Ganzholt. Sie wollte ihre Karte auf die Tür legen. „So ein Mist. Wo habe ich sie denn? Bestimmt habe ich sie in meiner Tasche liegen lassen.“

Kathrin fordert Frau Ganzholt auf, die Tür zu öffnen. „Diese Person besitzt keinen Berechtigungsausweis, Frau Siebenstock.“

„Das weiß ich. Öffnen sie trotzdem bitte die Tür?“

„Aber nur unter Protest.“ Die aufgespritzten Lippen von Frau Ganzholt wurden schmal wie Striche. Die Glastür zog sich nach innen zurück.

„Susanne? Was machst du denn hier?“

„Ich habe etwas für dich. Lass uns kurz vor die Tür gehen, Kathrin. Ich mag mich hier nicht so gerne aufhalten. Mach schnell, bevor du wieder diesen Cerberus um Hilfe bitten musst.“

Kathrin trat nach draußen. Die Tür rauschte zu.

„Du, ich habe nur sehr wenig Zeit. Aber die nehme ich mir für dich. Eigentlich bin ich schon viel zu spät.“

Dann wandte sie sich an die Dame am Empfang. Ihre perfekten Lippen waren immer noch Strich zusammengepresst. Dadurch bildeten sich auf ihrer Oberlippe doch tatsächlich so etwas wie kleine Fältchen.

„Es ist alles in Ordnung. Sie können das Level wieder herunterfahren, Frau Ganzholt.“

„Ich dachte, heute sind wir so etwas wie eine geschlossene Gesellschaft. Aber der Zeitplan...“

„Ich weiß, dass ich etwas zu spät bin. Aber glauben sie mir, ich habe alles unter Kontrolle.“

Irritiert warf Frau Ganzholt einen Blick auf ihre Uhr und starrte ungläubig darauf. Sichtlich pikiert wandte sich die Angesprochene ihrem Bildschirm zu. Draußen vor der Tür schaute Kathrin aufmerksam, aber hektisch zu Susanne. Immer wieder wanderte ihr Blick auf ihr Handy.

„Was gibt es denn? Ich habe wirklich nicht viel Zeit?“

Susanne griff in ihre Tasche und übergab Kathrin die zierliche Börse.

„Ich habe dir noch nachgerufen, dass du etwas verloren hast. Aber du hast es nicht mehr wahrgenommen und ich wollte auf keinen Fall, dass diese komische Tante hinter ihrem Bildschirm etwas davon erfährt.“

Kathrin lächelte und umarmte Susanne. Sie öffnete die Börse und stellte erleichtert fest, dass die Firmenkarte drin war und hielt sie triumphierend hoch.

„Ich muss mich bei dir bedanken. Ohne diese Karte hätte ich keinen Zugang zu meinem Büro bekommen. Ich dachte schon, ich hätte sie im Wagen liegen lassen. Alles mit komplizierten Codes gesichert. Kannst du dir vorstellen, was in zehn Minuten hier los gewesen wäre? Ich darf gar nicht daran denken. Denn ausgerechnet heute habe ich eine, ach was rede ich da, die wichtigste Präsentation in meinem Leben, und ich wäre noch nicht einmal in der Lage gewesen, meine Unterlagen beizusteuern. Mein Chef wäre nicht begeistert gewesen, wenn ich das verbockt hätte. Ich kann dir nicht genug danken. Es tut mir leid, Susanne, aber ich muss jetzt los.“

Das Handy klingelte.

„Natürlich bin ich hier. Wo sollte ich denn sonst sein?“

Kathrin warf Susanne einen Blick zu und rollte übertrieben mit den Augen.

„Nein. Ich bin noch nicht in meinem Büro. Und ja, ich weiß, dass es bereits nach acht Uhr ist. Aber in fünf Minuten kann es losgehen. Ja, ich weiß, dass du alles bereit gestellt hast und die Gäste kommen können. Was würde ich nur ohne dich tun? Na, warte! Das hast du nicht umsonst gesagt.“

Kathrin zeigte Frau Ganzholt ihre Karte und betätigte den Öffnungsmechanismus der Tür. Frau Ganzholt nickte unverbindlich und streng. Vorschrift war schließlich Vorschrift. Kathrin winkte Susanne noch einmal zu, aber bevor sie wieder im Gebäude verschwand drehte sie sich noch einmal um.

„Das vergesse ich dir nicht. Dafür werde ich mich noch erkenntlich zeigen. Bis morgen, Susanne!“

Rechts und links des Geländes war noch Natur und nichts bebaut. In den anderen Straßen des Industriegebietes, sah es da schon anders aus. Auf dem großzügigen Parkplatz trafen die ersten Wagen ein. Manche kamen auch mit dem Taxi angereist. Susanne winkte zurück. Auf dem digitalen Werbeschild der „Inotec“ war es acht Uhr und fünf Minuten. Sie war überrascht, dass es bereits nach acht Uhr war. Eigentlich wollte sie um diese Zeit schon Zuhause unter der Dusche stehen. Diesen Morgen würde sie wohl ein wenig zu spät kommen. Und das ausgerechnet heute, an dem sie ihren Einstand feiern wollte. Sie rannte los.

Neugierig sind wir wieder in das Industriegebiet marschiert. Ekkihatte immer noch Respekt vor dem großen Glaskasten. Das Haus war inzwischen mit Menschen bevölkert. Aber es gab keine Möglichkeit, es wieder zu betreten. Das Gelände betrachteten wir als verloren. Ekki hielt Ausschau nach seinem Freund.

„Du glaubst doch wohl nicht, dass die Maus auf dich gewartet hat. Das war eine Notgemeinschaft. Aber jetzt ist dein Freund wieder ganz oben auf unserer Ernährungskette.“

„Du kannst so grausam sein, Pirat.“

„Oooh ja! Sag ihm das, wenn du ihn triffst.“

„Hier ist es stinklangweilig.“

„Lass uns zurück in den Wald gehen.“

Zwei Frauen in gleichen Klamotten kamen uns entgegengerannt. Eine davon haben wir sofort erkannt.

„Das ist doch Susanne. Die Frau von unserem Kommissar. Aber wer ist die andere? Sie sehen aus wie Schwestern.“

„Und warum rennen die so? Oder rennen sie vor etwas davon?“

„Menschen machen so einen sinnlosen Krampf,“ Pirat zog sich ein Stück Holz zwischen den Pfoten heraus. „Und das Beste ist, wenn sie die Hunde noch miteinbeziehen, und die auch noch völlig sinnlos die Gegend verpesten und Haufen machen, die nur jemand überspringen kann, der Leichtathletik macht.“

„Aber die Menschen nehmen doch die Hundehäufchen immer in so entzückenden Tütchen mit.“

„Ich rede von den Menschen. Die nehmen ihre Häufchen nie mit.“

Ekki reckte den Hals, um die Frauen besser zu sehen.

„Ich werde die Menschen nie verstehen. Wer ist die Frau neben Susanne?“

Die Namenlose drehte ihre Ohren nach hinten. „Das ist die Frau, die dir das Leben gerettet hat, Ekki. Mit ihrer schwarzen Tafel hat siedem Glaskasten befohlen nach unten zu fahren. Wenn sie nicht gewesen wäre, würdest du wahrscheinlich immer noch darin sitzen.“

„Aber was will Susanne von ihr? Sie sitzt schließlich nicht im Glaskasten.“

„Nichts. Sie haben sich gerade getrennt, nachdem sie sinnlos in der Gegend herum gerannt sind.“

Aber Susanne hob etwas auf, lief der anderen Frau hinterher und rief mehrmals ihren Namen. Aber die andere reagierte nicht.

„Das will ich jetzt doch genau wissen.“

Weil wir über das Feld liefen, überholten wir Susanne und erreichten vor ihr dieses scheußliche Glashaus. Aber von der anderen Frau war weit und breit nichts zu sehen.

„Wohin ist sie so schnell verschwunden?“

„Das gefällt mir nicht! Das gefällt mir ganz und gar nicht!“

*

Ekki blinzelte träge in die Nachmittagssonne. Er hatte sich in der Wiese eine angenehme Mulde zurechtgelegt, und war so in der Lage, das neue Haus zu beobachten, ohne selbst wahrgenommen zu werden. Sein braun-weiß-schwarz geschecktes Fell verschmolz mit der Umgebung. Die hohen Glasfenster waren mit Jalousien verdeckt. Vor dem Haus fuhr der letzte Möbelwagen weg. Kleine Fenster, unmittelbar über dem Boden, deuteten auf Kellerräume hin. Die dem Garten zugewandte Seite des Glaspalastes verfügte über eine großzügig angelegte Terrasse, mit weißen und grauen Gartenmöbeln und einem eleganten Swimmingpool. Eine breite, ausladende Treppe führte in den perfekt angelegten Garten. Hohe Mauern schützten das Anwesen vor neugierigen Blicken der Nachbarn. Aber was waren schon Mauern für Katzen? Vor allem kein Hindernis. Für Ekkijedenfalls nicht. Eine Bewegung hinter einer Glasfassade hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Sein Hals wurde immer länger. Aber es nützte ihm nichts. Wenn er mehr sehen wollte, musste er sein sicheres Domizil verlassen. Da war es wieder! Unter einer Jalousie war für einen kurzen Augenblick ein entzückendes, zartes Pfötchen zu sehen.

„Das wurde aber auch allerhöchste Zeit, dass in diesem Viertel endlich mal Frischfleisch eingezogen ist!“

Erschrocken wandte Ekki sich um. Hinter ihm saß Pirat, ein getigerter Kater, der leide auf Grund von körperlichen Auseinandersetzungen mit Seinesgleichen, nur noch über ein Auge verfügte. Auf Grund ihres hervorragenden Geruchssinns hatten die beiden natürlich sofort festgestellt, dass es sich hier um eine Katzendame handelte. Ekkis Hals wurde immer länger.

„Glaubst du, dass sie hübsch ist?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Ich habe eine Pfote von ihr gesehen. Das sah schon sehr vielversprechend aus, Pirat.“

Pirat warf einen geringschätzigen Blick auf Ekki.

„Ist dein Gehirn ein Computer?“

Ekki spürte ein leichtes Ziehen im Kreuz, weil es mit langem Hals doch sehr anstrengend war, ständig Ausschau zu halten, und so schloss er den Rest seines Körpers der Höhe des Kopfes an.

„Das verstehe ich nicht,“

„Das war auch nicht anders zu erwarten.“

„Warum sagst du es dann?“

Pirat rollte genervt mit einem Auge.

„Also pass auf. Du fütterst den Computer nur mit dem Katzenpfötchen, und...“

„Das kann man nicht machen, Pirat! Da bin ich absolut dagegen. Dieses entzückende Pfötchen fehlt doch dann der Katze, die zu diesem Pfötchen gehört.“

Pirat nickte nachsichtig.

„Alles klar. Ich habe vergessen, dass man mit dir auf einer komplett anderen Ebene arbeiten muss. Wir fangen noch einmal von vorne an. Also, du gibst ein Foto dieses Pfötchens in den Computer ein, und der Computer ist in der Lage, das Aussehen der Katze zu vervollständigen.“

„Wenn du meinst, Pirat. Ich weiß jetzt nicht wozu das wichtig ist. Aber was hat das alles mit mir zu tun?“

„Vergiss es, Ekki.“

„Was ich nicht verstanden habe, kann ich sehr schnell vergessen.“

Die großzügige Glasfront öffnete sich. Wie durch Zauberhand verschwand ein Glaselement hinter einer Wand. Ein Mann und eine Frau betraten die große Terrasse. Die Frau wirkte einige Jahre jünger als der Mann, der die vierzig bereits überschritten hatte.

„Das ist doch der Wahnsinn! Und funktioniert alles digital.“

Die Frau nickte beeindruckend.

„Es ist schade, dass wir vorläufig noch keine Sauna bauen können, Joschi.“

„Es wird nicht für immer sein. Und eine Ewigkeit kann es auch nicht mehr dauern. Sie ist doch ziemlich hinfällig, Gerda.“

„Ich will nicht, dass du so von ihr sprichst. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir sie nicht im Obergeschoss wohnen lassen!“

Joschi steckte ärgerlich beide Hände in die Tasche.

„Nach meinem Dafürhalten wäre sie besser in einem Altenheim aufgehoben. Dort wird sich Tag und Nacht um sie gekümmert, und sie wäre nicht alleine. Dein Job erlaubt dir doch nicht, dass du dichausreichend um sie kümmern kannst, so wie es nötig ist.“

„Das ist schon schlimm genug. Ich habe ein sehr schlechtes Gewissen, dass wir meine Großmutter in diesem großen Haus in den Keller verbannt haben.“

Der Mann lief ärgerlich auf der Terrasse hin und her.

„Ich weiß jetzt wirklich nicht, was du willst. Was heißt denn hier Keller? Es ist gemütlich eingerichtet, und kein Mensch käme auf die Idee, dass es sich hier um unser, ich nenne es mal, „Untergeschoss“ handelt. Außerdem ist es ebenerdig erreichbar. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Aufwand wird, wenn dein Großmutter aus dem Obergeschoss mit dem Krankenwagen abgeholt werden muss?“

„Noch ist es nicht soweit.“

„Aber so etwas kann schnell gehen. Du hast doch auch gesehen, wie sie sich in letzter Zeit verändert hat.“

„Sie wird sich bei uns wieder erholen.“

„Ich sehe nur, dass sie älter und hinfälliger wird, und jede Menge Mist baut.“

„Du sollst nicht so von ihr reden, Joschi.“

„Man kann sie doch nicht mehr alleine auf die Straße lassen.“

„Ich verstehe so manche Sachen auch nicht.“

„Du solltest dich damit abfinden, dass deine Großmutter nicht mehr ganz zurechnungsfähig ist.“

„Was willst du damit sagen?“

„Das sie in absehbarer Zeit rund um die Uhr betreut werden muss. Deshalb musste sie ihr viel zu großes Haus verlassen und bei uns einziehen.“

Eine zartgliedrige Katze, mit rot leuchtendem Fell, betrat die Terrasse. Pirat und Ekki duckten sich im Gras und pirschten sich näher heran.

„Miranda! Geh zurück ins Haus.“

Die Frau versuchte, die Katze zurück ins Haus zu scheuchen. Miranda sprang hinter einen der ausladenden Sessel, blieb stehen, und hielt witternd ihr entzückendes Näschen in den Wind. Anmutig hob sie eine zarte Pfote hoch.

„Das Mädel ist ein Traum,“ flüsterte Pirat. „Du hattest mit deiner Einschätzung absolut recht. Du verblüffst mich immer wieder, Ekki.“

„Frauen sind absolut mein Ding!“

„Du bist der Womenizer schlechthin.“

„Ich bin ein was?“

Die rote Katze sprang elegant und leichtfüßig in den Garten. Die blonde Frau rannte aufgeregt die Treppe hinunter.

„Hoffentlich läuft sie nicht weg. Das wäre ein Drama. Ich wüsste nicht, wie ich das meiner Großmutter erklären soll.“

Der Mann schüttelte mit dem Kopf und ging zurück ins Haus.

„Die Katze ist genau so bescheuert wie ihr Frauchen. Seit sie einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, ist sie nicht viel besser.“ Miranda tat so, als würde sie die Kater nicht bemerken und stolzierte an ihnen vorbei.

„Miranda sieht nicht nur gut aus, sie riecht auch phantastisch! Wie ein Vanillepudding.“

„Also mich erinnert sie an alles andere, als an einen Vanillepudding, Ekki. Manchmal möchte ich wissen, was in deinem Kopf so vor sich geht.“

„Ich mag eben Vanillepudding.“

„Und ich mag ihren aufregenden, sexy Gang. Es ist alles genau da, wo es hingehört.“

Aus dem unteren Bereich schlug Miranda eine bekannte Witterung entgegen. Zielstrebig lief sie auf den offenen Eingang zu undverschwand im Haus. Die blonde Frau rannte erleichtert hinter ihr her und verschloss die Tür.

„Dein Frauchen kommt heute noch und ist bereits unterwegs. Dann wartest du eben hier auf sie.“

Ist das zu fassen? Nachdem der gestrige Tag in dem Industriegebiet so langweilig war, haben wir uns dieses Haus angesehen. Wir sitzen schon eine Weile hinter diesen bräsigen Katern, und die haben unsere Anwesenheit wegen dieser roten Mieze noch nicht einmal bemerkt. Oscar war, genau wie die anderen, nicht ansprechbar, und glotzte der blöden Katze hinterher. Wütend gab ich ihm eine Kopfnuss. Viel Eindruck hinterließ meine Attacke nicht, und ich schickte noch zwölf Schläge hinterher. Gelangweilt drückte er mir seine Riesenpfote ins Gesicht und ich stand plötzlich im Dunkeln. Seine Pfote roch nach dem Lieblingsbrei von Rosa. Ein Duft von Bananen, Äpfeln und Keksen umhüllte mich.

„Jetzt ist es aber gut, Laila! Dreizehn Kopfnüsse sind genug, sonst sag ich es meiner Mama!“

Die Namenlos schüttelte nur ihren Kopf.

„Was haltet ihr davon, wenn ihr endlich den Erwachsenenstatus erreicht?“

Ein Taxi fuhr vor das Haus.

„Deine Großmutter kommt früher, als erwartet.“

„Das ist sehr gut. Jetzt siehst du, wie wichtig es ist, dass alles gut vorbereitet war.“

Der Mann ließ das Taxi durch das Tor in den Hof einfahren. Diensteifrig sprang der Taxifahrer heraus und öffnete die Tür für seinen Fahrgast.

„Das ist sehr höflich von ihnen. Sie sind sehr aufmerksam.“

Eine ältere, füllige Frau, mit grellrot gefärbten Haaren, nahm dankbar die Hand, die der Taxifahrer ihr reichte, und stieg mühsamaus dem Wagen.

„Diese Fahrt hat mir so viel Spaß gemacht, Achmed.“

„Mir auch. Es war mir eine Freude.“

„Ich habe so viel über ihr Land gelernt. Eigentlich ist es schade, dass die Fahrt schon vorbei ist.“

Der Taxifahrer nahm ihr Gepäck aus dem Kofferraum des Wagens.

„Soll ich es in ihre Wohnung bringen?“

„Nein!“ antwortete Joschi. „Dann läuft nur unnötig der Taxizähler weiter und verteuert die Fahrt. Wir kümmern uns schon darum.“

Die füllige Frau schüttelte unwillig mit dem Kopf. „Meine Güte, Joschi. Zeigst du wieder einmal die ganze Bandbreite deines Könnens? Achmed und ich haben einen Festpreis ausgehandelt und der Geldtransfer hat auch schon stattgefunden. Du regst dich also völlig umsonst auf.“

Die Frau reichte dem Taxifahrer zum Abschied die Hand.

„Vielen Dank für diese herrliche Fahrt. Und wenn ich das nächste Mal heiße Schokolade trinke, werde ich ihren Ratschlag befolgen und etwas Kardamom dazu tun und an sie und ihr Land denken.“

„Und ich freue mich, dass sie mir das Rezept für einen Gugelhupf gegeben haben.“

Der Fahrer stieg in seinen Wagen und fuhr aus dem Hof.

„Oma! Endlich bist du da!“

Überglücklich nahm Gerda ihre Großmutter in die Arme. Die füllige Frau streichelte Gerda sanft über den Kopf und drückte ihr einen zarten Kuss auf das Haar.

„Du weißt, dass du mich nicht Oma nennen sollst.“

„Aber ja, O...äääh ich meine natürlich Magdalena. Aber, dass du meine heißgeliebte Oma bist, darf doch trotzdem jeder wissen. Washast du mit deinen Haaren gemacht?“

„Ich dachte, das ist mal etwas Neues.“

„Ja,“ flüsterte Joschi, „sie sieht aus wie ein Feuermelder. Aber wenn sie wegläuft, kann man sie schon in der Ferne erkennen.“

Magdalena überhörte geflissentlich die Äußerung über ihre Haarfarbe.

„Natürlich bin ich deine Oma. Aber ich fühle mich so schrecklich alt, wenn du mich so rufst. Wie findest du meine neue Haarfarbe? Die Friseurin hat sie speziell für mich zusammengemischt.“