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Eine Leidenschaft, die die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits überwindet
Als die Kellnerin Casey an einem besonders nervenaufreibenden Abend ins Stolpern kommt, wird sie im letzten Augenblick aufgefangen – von einem Mann, der zu gut aussieht, um wahr zu sein. Was Casey nicht ahnt: Theron ist tatsächlich kein normaler Sterblicher. Er gehört den ewigen Wächtern an, die die Grenzen zur Unterwelt bewachen. Und er ist aus einem ganz bestimmten Grund hinter Casey her ...
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Seitenzahl: 497
Das Buch
Sie ist die eine – sie muss sterben, um das Überleben der Götter zu sichern. Für Theron, direkter Nachfahre des Herkules, besteht kein Zweifel daran. Doch er hat sich seine Mission nicht so verdammt schwer vorgestellt: Schon beim ersten Blick in ihre Augen droht er sich zu verlieren und der Macht, die ihn zu Casey hinzieht, hat er trotz all seiner göttlichen Kräfte nichts entgegenzusetzen ...
Casey weiß in dem Augenblick, als der Mann den Club betritt, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Exemplare wie er existieren einfach nicht in der Realität – und vor allem interessieren sie sich nicht für Casey. Genau das aber tut der umwerfend attraktive Fremde: Er steuert genau auf sie zu. Dunkel ahnt Casey, dass sich ihr Leben für immer ändern wird ...
»Sherrilyn Kenyon und Patricia Briggs in einem: Sinnlich, dunkel und teuflisch sexy!« New York Times-Bestsellerautorin Angie Fox
Die Autorin
Elisabeth Naughton lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Oregon. Das Schreiben von romantischen, übersinnlichen Liebesromanen ist inzwischen nicht mehr nur eine Leidenschaft, sondern ihr Beruf. Wenn sie in Gedanken gerade nicht bei den Unsterblichen weilt, geht sie laufen – und denkt sich dabei neue Geschichten und Abenteuer aus.
ELISABETH NAUGHTON
Schwur der Ewigkeit
Roman
Aus dem Englischen
von Sabine Schilasky
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Das Original MARKED erschien
bei Dorchester Publishing, New York
Vollständige deutsche Erstausgabe 02/2012
Copyright © 2010 by Elisabeth Naughton
Copyright © 2012 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der
Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,
unter Verwendung eines Fotos von © shutterstock/stryjek
Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-641-06405-1
www.heyne.de
Für Alice,
die als Erste von der Buchidee hörte
und mich ermunterte, die Geschichte zu schreiben.
Alice, du bist schuld.
Danksagung
Wie alle Projekte, hätte ich auch dieses Buch nicht ohne die Hilfe meiner Freunde, meiner Familie und meiner Kollegen fertigstellen können. Ein besonderer Dank geht an Lisa Catto, meine Fachfrau für alles, was mit griechischer Mythologie zu tun hat; an meine wundervolle Kritikerin Joan Swan, die mich von Anfang bis Ende in die richtige Richtung lenkte; meine Freundinnen Becky Hakes und Kendra Elliot für ihr Lob, wenn ich etwas richtig hinbekam, und dafür, dass sie mich nie verspotteten, wenn ich gewaltig danebenlag. Ich danke auch Nicholas Roussos, der mir in letzter Minute beim Übersetzen half, sowie meiner wunderbaren Agentin, Laura Bradford, die dieses Manuskript so oft las, dass sie es am Ende auch selbst hätte schreiben können. Und ein großes Dankeschön auch an meine Verlegerin, Leah Hultenschmidt, sowie die gesamte Mannschaft von Dorchester für all die harte Arbeit, die sie meinetwegen leisteten.
Und schließlich möchte ich meinem Mann Dan und unseren drei Kindern danken, dass sie mir die Chance gaben – und mich ermutigten – zu schreiben, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich liebe euch alle.
Und nach diesem erblickt‘ ich die hohe Kraft Herakles
Seine Gestalt; …
Ringsum schrie, wie Vögelgeschrei, das Geschrei der ge-scheuchten
Flatternden Geister um ihn; er stand der greulichen Nacht gleich …
Erstes Kapitel
An manchen Abenden wollte eine Frau einfach ihren Schädel gegen eine Wand rammen, um nicht zu loszuschreien. Für Casey Simopoulos war es einer dieser Abende.
»Ey, Süße, meine Zunge befeuchtet sich hier nicht von alleine!« Der blonde Möchtegern-Burschenschaftler am anderen Ende ihres Tischbereichs breitete die Arme weit aus und bedachte sie mit einem Wie-blöd-bist-du-eigentlich-Blick. »Kriegen wir jetzt was trinken oder was?« Die beiden Idioten neben ihm an dem kleinen runden Tisch klopften ihm lachend auf die Schultern, in dieser »Du bist voll cool, Alter«-Manier, so dass Casey die Zähne zusammenbiss.
Oh ja, sie hätte eine Menge Erwiderungen auf seinen dämlichen Spruch, aber weil sie in diesem Tempel des Anstands nicht das böse Mädchen mimen würde, verkniff sie sich die. Stattdessen setzte sie ein gekünsteltes Lächeln auf, stellte die Biere auf Tisch elf und steuerte dann direkt die Krachmacher an.
Ihr volles Tablett balancierte sie über dem Kopf, während sie sich im Zickzack durch das XScream schlängelte. Um sie herum dröhnten wummernde Bässe aus verborgenen Lautsprechern in den Wänden und brachten den Boden zum Vibrieren, so dass ihr das Hirn dröhnte. Sie hatte mörderische Kopfschmerzen, und dieses tiefe Summen, das sie die letzten dreißig Minuten wahrnahm, strapazierte ihr gemeinhin ausgeglichenes Gemüt aufs Äußerste. Hätte sie nicht unlängst gegessen, wäre sie drauf und dran gewesen, es als Unterzuckerung abzutun; aber Dana nötigte sie, in der Pause einen Burger herunterzuschlingen, also konnte es das nicht sein. Und Casey war es leid, dauernd zu grübeln, was mit ihr los war.
Jetzt schon angefressen von dem Job, was? Oh Mann, wenn ich …
Sie schüttelte den Gedanken ab und bahnte sich ihren Weg um die Tische herum, vorbei an Holzfällern, Lehrern und sogar dem Bürgermeister. Nichts läge ihr ferner, als über die zu urteilen, die sich in solch einem Schuppen amüsierten. Rechts von ihr mühte sich Anna nach Kräften ab, und aus dem Augenwinkel glaubte Casey, einen BH – oder war das ein Tanga? – zu sehen, der durch die Luft flog, aber auch den ignorierte sie. So wie jeden Abend.
Die College-Jungs, aus deren Ecke der blöde Spruch gekommen war, johlten und grölten, während sie Anna zusahen, die sich mit einem lüsternen Grinsen vorbeugte und mit ihrem Size-zero-Hintern wackelte. Offenbar entging den dreien, dass Annas neckisches Zwinkern und Lippenbenetzen einzig dem Broterwerb galt, aber das verwunderte eigentlich nicht. Die drei Typen wirkten nicht gerade wie Raketenforscher.
Sie beachteten Casey kaum, als sie sich ihnen näherte, was ihr nur recht war. Die superkurze Schuluniform, die alle Kellnerinnen auf Weisung Karls zu tragen hatten, schmeichelte nicht gerade ihrer Figur , denn bei fast einem Meter achtzig funktionierte dieser Look nicht wirklich. Deshalb konnte Casey es nicht erwarten, dass ihre Schicht endete und sie schnellstmöglich aus diesen Klamotten kam.
Sie stellte das erste Bier vor dem Rotzlöffel Nummer eins auf den Tisch, ging hinter dem Blonden vorbei, der in Ja-Baby-Manier mit dem Kopf wippte und sabbernd Anna zuguckte. Casey griff nach dem nächsten Glas, doch ehe sie es abstellen konnte, stieß sie jemand seitlich an, so dass sie stolperte, die Gläser umkippten und sich schaumig goldene Flüssigkeit über ihr Tablett ergoss.
»Hey!«, rief sie, bemüht, das Tablett zu balancieren, bevor alles über den Tisch neben ihr schwappte. »Pass doch auf!«
Das Surren in ihrem Kopf wurde stärker, und sie hatte die Worte noch nicht ausgesprochen, da setzte ein Kribbeln an ihrer Hüfte ein, strahlte von dort in ihren unteren Rücken ab, worauf sie das Gleichgewicht verlor.
Casey schwankte, wollte sich am Tisch festhalten, aber leider streiften ihre Fingerspitzen bloß die Kante und glitten ab. Mist, dachte sie noch im Fallen, hörte das Schaben von Stuhlbeinen und die erschrockenen Rufe der College-Jungs. Allerdings landete sie nicht auf dem Fußboden, denn plötzlich legte jemand seinen stählernen Arm um ihren Oberkörper, und schnellte mit dem anderen Arm vor, um das Tablett zu retten.
Ihr fehlte die Zeit, zu reagieren, sie konnte nur vor Schreck nach Luft ringen. Der mysteriöse Mann, der sie fast umgeworfen hatte, drehte sie in seinen Armen um und stellte sie federleicht wieder auf ihre Beine. Dann reichte er ihr das Tablett, nickte und sagte mit einem auffälligen Akzent, »Verzeihen Sie mir.«
Und Casey konnte nicht mehr sprechen.
Er war riesig, locker zwei Meter, und bestand aus mindestens zweihundertfünfzig Pfund festen Muskeln. Seine Beine waren wie Baumstämme und seine Brust so breit, dass sie Caseys gesamtes Blickfeld ausfüllte. Und dieses Gesicht! Griechischer Gott, fiel ihr bei seinem olivfarbenen Teint, dem schulterlangen, mitternachtsschwarzen Haar und den sündig dunklen Augen ein. Vor allem aber war es die Art, wie er sie ansah, die Casey stutzig machte: Als würde er sie kennen, konnte sie jedoch nicht zuordnen – und wäre nicht begeistert. Nein, er schien vielmehr zu denken, dass sie die letzte Person auf dem Planeten war, die er in diesem Moment sehen wollte.
»Oh Mann«, rief einer der drei hinter ihr, »bist du hirntot oder was?«
Verdammt! Diese dämlichen College-Idioten.
Sie wollte sich umdrehen und die Situation entschärfen, doch der griechische Gott kam ihr zuvor, indem er den dreien einen Blick zuwarf, bei dem sie eigentlich zu Salzsäulen erstarren müssten. Tatsächlich klappte der Witzbold geräuschvoll den Mund wieder zu, und er wie auch seine Freunde ließen Casey in Frieden.
Zum ersten Mal an diesem Abend ließen ihre Kopfschmerzen etwas nach. Gern hätte sie sich die verdatterten Mienen der Typen hinter ihr angesehen, nur brachte sie es nicht fertig, ihren Blick von dem Mann vor ihr abzuwenden. Dass sie ihn anstarrte, musste ihm aufgefallen sein, denn er schüttelte kaum merklich den Kopf und begab sich auf die andere Seite des Clubs.
Erst als er bereits quer durch das Lokal gegangen war, holte Casey wieder Luft.
Ach du Schande. Was war das denn?
Ihre Lunge fühlte sich auf einmal zu eng an. Sie rang nach Atem, rieb sich mit einer Hand über die Stirn und versuchte, ruhig durchzuatmen, während sie dem Mann weiter hinterherguckte. Er blieb bei einer Sitznische nahe der Wand stehen und unterhielt sich mit jemandem, der dort saß.
Und dieser Jemand war weiblich, blond, zierlich. Vor ungefähr einer halben Stunde war sie allein in den Club gekommen und hatte sich in die schattige Nische gesetzt, um von da aus die Show anzusehen.
Casey hatte nicht sonderlich auf sie geachtet, denn dass gelegentlich eine Frau allein in den Club kam, war nicht außergewöhnlich. Nun hingegen, da ihr Held in Schwarz auf die blonde Schönheit zugegangen war, wollte Casey doch ein bisschen mehr über die beiden wissen.
»Willst du die ganze Nacht rumglotzen oder endlich mal was tun?«
Die Stimme hinter ihr riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich zu den drei College-Jungs um, die sie anguckten, als wäre sie hoffnungslos umnachtet. Die Unverschämtheit der drei wurde durch die Szene eben kein bisschen erträglicher, und abermals geriet Caseys Tablett ins Wanken. Sie konnte es gerade noch abfangen, ehe die halbleeren Gläser erneut überschwappten.
»Tut mir leid«, murmelte Casey, nahm den Lappen von ihrem Tablett und wischte die Pfützen auf dem Tisch auf. Was war mit ihr? »Entschuldigt.«
»Oh Mann!« Der Blonde schüttelte sich Bier von den Fingern. »Was ist mit dir? Stimmt mit dir im Kopf was nicht oder was?«
Casey ignorierte die Bemerkung und putzte weiter den Tisch. »Ich bringe euch drei frische Biere. Die gehen natürlich aufs Haus.«
»Das will ich auch hoffen«, ranzte der Typ rechts von ihr, der sich schon wieder zur Stripperin, die gerade tanzte, umwandte.
Auch das ignorierte Casy, räumte die leeren Gläser ab und blickte wieder zu dem großen dunkelhaarigen Mann mehrere Tische entfernt.
»Machen die Typen dir Ärger?«, fragte Nick Blades, als sie näher kam.
»Nicht mehr als sonst.« Vorsichtig hob Casey die durchnässten Servietten von seinem Tisch und ließ sie auf ihr Tablett fallen. Er war beinahe so groß wie der griechische Gott, auch wenn sich damit die Ähnlichkeiten der beiden erschöpften. Nicks blondes Haar war militärisch kurzgeschoren, er besaß eine ganze Reihe seltsamer Tattoos und Piercings, und es fiel schwer, ihn anzusehen, ohne auf die gezackte Narbe zu starren, die sich von seiner linken Schläfe bis zum Kinn hinunterzog. Er saß immer in Caseys Bedienbereich, und obgleich sie sich schon tausend Mal gesagt hatte, dass er harmlos war, wollte es ein Teil von ihr partout nicht glauben. Andererseits hatte sie schon miterlebt, wozu er fähig war. Und so dankbar, wie sie ihm auch war, wollte sie das lieber nicht noch einmal sehen.
Er beobachtete sie aufmerksam, doch sie vermied den Augenkontakt zu ihm. »Du warst da drüben wohl ein bisschen abgelenkt.«
Casey hielt inne und dachte an den groß gewachsenen griechischen Gott, worauf ihre Wangen heiß wurden und sie den Kopf nach unten neigte, um Nicks Tisch noch emsiger zu wischen. Es war vollkommen logisch, dass ein Mann wie dieser an ihr vorbeisah und eine so aufreizende Erscheinung wie die Frau in der Ecke anvisierte. Männer bemerkten spindeldürre Amazonen gemeinhin nicht, wenn kurvige kleine Blondinen in der Nähe waren.
»Willst du noch einen, Nick?«
Auf sein Schweigen hin blickte Casey doch auf und bemerkte, dass Nick nicht sie anguckte, sondern misstrauisch hinüber zu dem griechischen Gott und seiner blonden Verführung blickte. Da war kein Anflug von Bewunderung, Faszination oder gar Neid in seinem Ausdruck. Nein, Nick sah eindeutig feindselig aus, und es war offensichtlich, dass er den Mann erkannte.
Komisch. Woher kannte jemand wie Nick einen Mann wie den? »Nick?«
Nicks Miene wurde sofort wieder verschlossen, als er sich zu ihr drehte. »Klar, wieso nicht?«
Das Kribbeln unten an Caseys Rücken wurde wieder stärker, als sie einen Schritt von Nicks Tisch zurücktrat. »Ich bin gleich wieder da.«
Sie eilte zur Bar, wobei sie sich fortwährend einredete, dass es sie nicht interessierte, was Nick Blades von wem hielt. Sie hatte wahrlich andere Sorgen. Seufzend stellte sie ihr Tablett auf die polierte Tresenfläche und reichte Dana, der Barfrau, ihre Bestellungen.
Dana zapfte drei Pints für die drei Jungen, deren Tisch Casey geflutet hatte, und sah hinüber zu Nick. »Guck mal, dein Verehrer ist heute Abend auch wieder da.«
Casey runzelte die Stirn. Sie würde Nick ganz sicher nicht als ihren Verehrer bezeichnen. Wie sie ihn überhaupt nicht gern ihr Was-auch-immer nennen wollte. Allerdings hatte sie Dana den wahren Grund nie verraten und würde es jetzt auch nicht tun. »Ich weiß.«
»Irgendwie süß, obwohl nicht gerade dein Typ zu sein scheint.«
Casey fand es überhaupt nicht süß. Vielmehr wurde es ihr in letzter Zeit zusehends unheimlicher. Trotzdem tat sie es mit einem Achselzucken ab. »Ich habe gar keinen bestimmten Typ.«
Schmunzelnd stellte Dana die Biere auf Caseys Tablett. »Und hättest du, wäre es garantiert nicht der Böse-Biker-Typ.«
Casey war nicht gerade froh darüber, dass sie so berechenbar zu sein schien. »Beurteile nie ein Buch nach dem Einband, Dana.«
Dana fixierte sie, während sie Wodka in ein Glas füllte und Orangensaft aus einem Krug hinzugab. »Sagte die Buchhändlerin. Wie läuft es eigentlich so im Laden?« Sie ließ eine Kirsche in den Drink plumpsen und stellte ihn aufs Tablett.
»Gut. Es ist nicht so viel los wie hier, aber ich verkaufe ja auch keinen Sex im Leineneinband.«
»Solltest du vielleicht.«
Casey musste lächeln. »Ja, vielleicht.«
Sie wartete, bis Dana alle Bestellungen zusammenhatte, und klopfte derweil den Takt zu Justin Timberlakes »Sexy Back« auf dem Tresen. Auf der Bühne war jetzt Jessica, die sich bereits aus ihren Hotpants schälte, doch Nick beachtete sie nicht. Caseys Blick streifte durch den Raum, und für einen flüchtigen Moment fragte sie sich, was ihre Großmutter sagen würde, sähe sie Casey jetzt.
»Acacia, Meli, was ist mit dir passiert?«
»Nichts, Gigia. Es ist nur vorübergehend.«
»Das ist es bei dir immer, Meli.«
»Bist du bald durch?«
Danas Frage riss Casey aus ihren Gedanken. »Ja, Gott sei Dank. Nur noch eine Viertelstunde, dann gehe ich in ein freies Wochenende. Der Buchladen hat morgen und Montag geschlossen.«
»Sehr gut. Du arbeitest viel zu viel, Casey. Ich begreife nicht, wie du das schaffst, den ganzen Tag im Laden und nachts hier. Versprich mir, dass du wenigstens ein heißes Date hast.«
Casey griff nach dem Tablett. »Ja, mit einem guten Buch.«
»Du musst mehr ausgehen, Case. Such dir einen gut aussehenden Knaben, der dich daran erinnert, worum es im Leben wirklich geht.«
Casey dachte unweigerlich an den griechischen Gott. Sie wollte wetten, dass er sie gewiss daran erinnern könnte.
Doch den Gedanken verwarf sie sofort wieder, sie hievte ihr Tablett hoch und drehte sich um. »Ich habe keine Zeit für heißes Dates.«
»Wenn du die serviert hast, mach Schluss für heute. Ich übernehme den Rest.«
Casey sah zu Dana. »Ehrlich?«
Dana zuckte lächelnd mit den Schultern, während sie ein Glas auswischte. Ihr hellrotes Haar schimmerte im gedämpften Licht. »Klar doch. Mach schon. Falls irgendwas ist, schicke ich Jane an deine Tische.«
»Danke«, sagte Casey seufzend. Auf einmal war sie sehr müde.
»Eines noch, bevor du gehst. Wenn du nach Hause kommst, guck doch bitte mal nach, ob ich neulich Abend mein Handy bei dir vergessen habe. Ich finde das Ding nirgends.«
»Klar, ich sehe nach und ruf dich zu Hause an.«
Dana zwinkerte ihr zu. »Lieb von dir. Schönes Wochenende, Casey, du hast es verdient.«
Casey ging als Erstes an den Tisch der drei College-Jungs und brachte ihnen ihr Bier, dann sah sie wieder nach hinten. Die Blonde erhob sich schwerfällig aus der Nische und stolperte, sowie sie aufstand, was merkwürdig war, denn Casey wusste genau, dass sie nichts getrunken hatte. Der griechische Gott fing sie ebenso auf wie vorhin Casey.
Nein, ein bisschen anders als bei Casey, denn mit dieser Frau ging er eindeutig sanfter um. Er zog sie an sich, als wäre sie aus Glas, und keine zwei Sekunden später hatte er sie in seine Arme gehoben und trug sie zur Hintertür heraus. Das war wie eine Szene aus Ein Offizier und Gentleman.
Nur dass der Mann hier zehnmal so groß und Millionen mal heißer war als Richard Gere.
Wieder begannen Caseys Wangen zu glühen, und Neid – das einzige Wort, das ihr für die befremdliche Enge in ihrer Brust einfiel – überkam sie. Wie musste es sich wohl anfühlen, wenn ein solcher Mann ihr all die Aufmerksamkeit schenkte?
Die Tür schlug hinter ihm zu, und nichts als Dunkelheit und die wummernden Bässe blieben im Club zurück. Mürrisch atmete Casey tief ein und drehte sich weg.
Es war blödsinnig, über Dinge nachzudenken, die sie niemals haben könnte. Und für die sie sowieso gar keine Zeit hatte. Zuerst musste sie ihre Schicht beenden, dann nach Hause fahren und diesen lästigen Virus ausschlafen, mit dem sie seit Tagen kämpfte. Danach sollte sie sich zusammennehmen, damit sie nächsten Dienstag wieder von vorn anfangen konnte.
Sie ging zu Nick und reichte ihm seine Cola. »Ich geh jetzt, Nick. Falls du noch was willst, wende dich einfach an Dana.«
Er hob sein frisches Glas hoch. Lange Ärmel verhüllten seine Arme, und fingerlose Handschuhe bedeckten seine Hände bis auf die Fingerspitzen. »Okay. Übrigens, Casey?«
Sie erstarrte mitten in der Drehung. »Ja?«
»Der Typ, der dich fast umgerannt hat, weißt du noch? Wenn du ihn irgendwo wiedersiehst, sag mir Bescheid.«
Casey sah ihn fragend an. »Warum?«
»Ist was Persönliches.«
Nun, das war ebenfalls komisch.
»Und wenn du klug bist, halte dich von ihm fern«, fügte Nick leiser hinzu. »Weit fern. Er ist gefährlich.«
Die Stelle unten an Caseys Rücken begann erneut zu kribbeln, und sie reckte trotzig das Kinn. Freundliche Besorgnis war eine Sache; Bevormundung eine ganz andere. Zwar sagte ihr Gefühl ihr, dass sie den griechischen Gott ohnehin nie wiedersähe, dennoch war Nicks Bemerkung überflüssig.
»Ja, ja, Nick«, murmelte sie, ehe sie zur Personalumkleide ging, »tue ich sicher.«
»Theron, lass mich runter!« Isadora stemmte sich mit der freien Hand an seiner Brust ab, womit sie wenig mehr erreichte, als ihm auf die Nerven zu fallen.
Er würde nicht die Beherrschung verlieren. Die Tatsache, dass er vier Tage gebraucht hatte, um sie aufzuspüren, war hier und jetzt unerheblich. Dasselbe galt für den Umstand, dass er seine Leute im Stich ließ und ihr nachjagte. Er würde sie eben nach Hause bringen, bevor der Rat entdeckte, dass sie verschwunden war, und die Hölle losbrach.
»Theron, ich meine es ernst!«, sagte sie nochmals, als die Tür zum Stripclub der Menschen hinter ihnen zufiel und Theron sich vom Gebäude entfernte.
»Zeit, nach Hause zu gehen, Isadora. Du hattest deinen Spaß.«
Isadora blickte enttäuscht über seine Schulter zum Haus zurück. »Du verstehst das nicht. Ich brauche sie.«
Sie brauchen? Von wegen! Er war der Einzige, den sie momentan brauchte. Falls ihr Vater herausfand, was sie im Schilde geführt hatte …
Er biss die Zähne zusammen und trottete weiter. Läge es bei ihm, müsste niemand erfahren, wo sie die letzten Tage gewesen war oder was sie vorgehabt hatte. Das Letzte, was er – der Anführer der Argonauten und direkter Nachfahre Herakles‘, des größten Helden aller Zeiten – gebrauchen konnte, war, dass seine Kriegerbrüder vom Menschenfrauenfetisch seiner zukünftigen Frau erfuhren.
Bei dem Gedanken verzog er das Gesicht. Bei beiden Gedanken, genaugenommen: »Menschenfrau« wie auch »zukünftige Frau.«
Isadora zappelte in seinen Armen, bis sie schließlich seufzend aufgab. Was Theron sehr recht war, denn er fühlte sich kaum in der Stimmung, freundlich zu sein.
Die Luft war kühl, doch Theron spürte es praktisch nicht. Ein ersticktes Wumm-Wumm-Wumm hallte aus dem Club hinter ihnen. »Sie war wunderschön, nicht wahr?«, sagte Isadora leise. »Anmutig und groß. Ich … ich hätte nicht gedacht, dass sie so groß ist.«
Sekündlich gereizter ob Isadoras irritierendem Betragen, beschleunigte Theron seine Schritte. Erst als sie wieder seufzte und ihren Kopf an seine Brust lehnte, entsann er sich, wie berauscht sie sein musste und wie fest er sie an sich drückte.
Er lockerte seinen Griff und zwang sich, ruhig zu sprechen; leider klang er immer noch grob. »Isadora, du darfst nicht einfach davonlaufen.«
»Ich … ich weiß«, hauchte sie, während ihr Körper in seinen Armen erschlaffte. Sie erschauderte und schmiegte sich dichter an ihn. »Ich wünschte nur …«
Ihre verebbende Stimme rief ihm ins Gedächtnis, dass sie im Club Mühe gehabt hatte, aufzustehen. Erst jetzt fiel ihm ein, dass kein Glas auf ihrem Tisch gestanden hatte. Nicht einmal ein Rand von einem unlängst abgeräumten war dort zu sehen gewesen. Er verlagerte sie auf einen Arm und befühlte ihre Stirn. Ihre Haut war kühl und feucht.
Seine Verärgerung wich ernster Sorge. Isadora war nicht betrunken, sondern krank.
Skata. Er musste sie zurück nach Argolea bringen. Sofort! »Halt dich an mir fest«, flüsterte er ihr streng ins Ohr und schob seinen Arm wieder unter ihre Beine. »Ich bringe dich nach Hause.«
Sie schloss die Augen, und nach einem Moment, in dem sie unglaublich traurig und gequält aussah, nickte sie höchst widerwillig. »Ja. Ja, du hast Recht. Es wird höchste Zeit. Bring mich heim, Theron.«
Doch schon nach einem Schritt veränderte sich die Luft. Sie wechselte binnen eines Sekundenbruchteils von Feucht und Lau auf Eisig, und Theron wusste ohne hinzusehen, dass sie nicht mehr allein waren.
Vier Dämonen, Bestien der Unterwelt, gefangen zwischen Sterblichkeit und Gottheit, mit spitzen Hörnern und gebleckten Zähnen, tauchten gleichsam aus dem Nichts auf. Einer war vor ihnen, zwei zu Therons Rechten, einer links. Ihre Körper waren die von Menschen, gekleidet in Leder und in Trenchcoats, die bei jeder Bewegung hinter ihnen aufwehten. Ihre Gesichter indes waren grotesk, wie eine Mischung aus Löwe, Wolf und Ziege.
Isadoras Muskeln entspannten sich in Therons Armen. Er war nicht sicher, ob sie eingeschlafen oder ohnmächtig geworden war aufgrund ihrer Krankheit, aber das war gleich. Sie war allemal besser dran, wenn sie nicht sah, womit sie konfrontiert wurden.
»Gib die Prinzessin frei, Argonaut, und wir verschonen dein Leben«, verkündete der Dämon direkt vor ihm mit raspelnder Stimme.
Ein hämischer Laut entfuhr ihm, während er zugleich überlegte, wie er sich aus dieser Lage befreite. Seine Männer waren viel zu weit weg, denn er hatte sich allein auf die Suche nach Isadora gemacht. »Seit wann sind Dämonen für ihre Gnade bekannt?«
Der Anführer knurrte. »Unsere Gnade ist das Einzige, was dich retten kann. Lass sie los. Sofort. Eine zweite Chance bekommst du nicht.«
Soweit Theron es beurteilen konnte, standen ihre Chancen denkbar schlecht. Er blickte zu der bewusstlosen Isadora hinab. Seit fast zweihundert Jahren diente er seinem Geschlecht, weil es seine Pflicht war. Und obgleich sie nicht seine erste Wahl war, hatte er sich bereitgefunden, Isadora zu heiraten, um ihre Welt zu erhalten. Heute Abend aber würde er der Gynaíka dienen, die eines Tages die Königin von Argolea sein sollte, auf dass ihr Leben und das ihres Volkes gerettet wurden. Selbst wenn es bedeutete, dass er seines verlor.
Die beiden Dämonen rechts kamen näher. Theron schloss die Augen und wandte seine gesamte Kraft auf, um einen Schutzschild um Isadora heraufzubeschwören. Die Anstrengung schwächte ihn zunehmend, und er hatte keine Energie mehr für den Kampf übrig, der zwangsläufig folgte.
Sobald sie vor den Dämonen sicher war, legte er Isadora zu seinen Füßen auf den Asphalt. Sie rollte sich zusammen, zeigte sonst jedoch keinerlei Regung. Theron richtete sich zur vollen Größe auf und sah die vier Dämonen an, die nach wie vor halb über ihm schwebten. »Wenn ihr sie wollt, Jungs, kommt und holt sie euch.«
Der in der Mitte, der fraglos das Sagen hatte, kicherte, was allerdings nicht amüsiert klang. »Welche Arroganz, Argonaut. Und man bedenke, dass du in Falle sitzt. Atalanta dürfte deine Kühnheit überaus lustig finden.«
»Atalanta ist eine dämliche Vettel mit Dauer-PMS. Und lass mich raten … Als ihr Schläger Nummer eins, gewährt sie dir welches Privileg? Du darfst ihr den Arsch abwischen?« Er lachte, denn auch wenn er wusste, dass er damit nur das Tier in sich wütend machte, wollte er seinen garantierten Untergang wenigstens als einen triumphalen erleben. »Eine Frage, Hundevisage, wie unbedeutend ist deine Art eigentlich für Hades, dass er euch so leichthin einer Kuh auf Rädern wie Atalanta überlässt?«
Die vier knurrten unisono, und die Augen des Anführers leuchteten grün auf. »Reiz uns ruhig, Argonaut. In ein paar Minuten wirst du uns anbetteln, dich zu töten.«
Sie bewegten sich geschlossen auf ihn zu, als würden alle vier von einem Gehirn gesteuert. Und ohne zu zögern legte Theron seine Finger zusammen, bis die Markierungen auf den Handrücken von innen heraus zu schimmern begannen. Blitzartig öffnete sich das Portal und schloss sich gleich wieder, worauf er allein mit den Dämonen auf dem Parkplatz zurückblieb.
In der kurzen Stille, die sich ähnlich einer dunklen Wolke über alle senkte, trat greller Zorn auf die Gesichtszüge der Dämonen, gefolgt von einem Brüllen, wie es allein Götter zu hören bekamen.
»Die Prinzessin heimzuschicken, war dein letzter Fehler, Argonaut«, fauchte der Rudelführer.
Sie attackierten ihn im Verbund, warfen ihn hart auf den Asphalt, noch ehe er nach seinen Waffen greifen konnte. Die ausgefahrenen Reißzähne gebleckt, rissen und zerrten sie an ihm.
Als sein Rücken aufschlug und der letzte Rest Kraft in ihm verpuffte, kam Theron ein flüchtiger Gedanke.
Das würde übel. Und ehe es vorbei war, würde es noch sehr, sehr viel schlimmer.
Zweites Kapitel
Im Hinterzimmer des Clubs wechselte Casey eilig zurück in ihre Jeans und das weiße T-Shirt. Dann schlüpfte sie in ihre Keds, schleuderte die erbärmliche Servieruniform in ihren Rucksack und ging zum Lieferanteneingang seitlich vom Gebäude.
Als sie die Tür aufstieß, warf sie einen letzten Blick in den Club und sah, dass Nick sie immer noch beobachtete.
Ihr wurde noch unheimlicher zumute, aber sie sagte sich, dass nichts zu befürchten war, solange sie ihre Autoschlüssel parat hatte und es schnell über den Parkplatz schaffte. Die Septembernacht am Fuße der Cascades im westlichen Oregon war ausgesprochen mild und es lag nur so ein Hauch in der Luft, dass man den nahenden Herbst spürte. Ein oder zwei Wochen noch, dann bräuchte sie einen Pullover, wenn sie nach der Arbeit aus dem Club kam.
Sie entriegelte die Fahrertür ihres Taurus und setzte sich hinters Lenkrad, wobei sie nicht hinsehen musste, um zu wissen, dass Nick an der Tür stand und sie beobachtete. Sowie sie die Zündung startete und die Scheinwerfer aufleuchteten, würde sie ihn dort stehen sehen.
Denk nicht dran!
Würde sie nicht.
Sie verdrängte den Gedanken und sagte sich, sie sollte dankbar sein, statt sich mulmig zu fühlen, als sie vom Parkplatz fuhr. Er hatte sie schon einmal gerettet. Hätte er vorgehabt, ihr irgendwas anzutun, wäre das längst geschehen. Sie drehte die Lautstärke ihres CD-Players voll auf, als sie um den Club herumfuhr, um sogleich in die Bremsen zu treten, weil sie eine Rotte Tiere sah, die sich über irgendein bedauernswertes Opfer hermachten – einen Waschbären, ein Opossum oder ein Reh.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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