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Der 2. Teil der Secret-Angel-Reihe
Secret-Angel Mary findet eine einfache, aber höchste effektive Lösung, mit der sich die Menschen von allen ihren Problemen befreien können. Doch sie wird unerwartet mit einem Phänomen konfrontiert, das ihre geheime Mission deutlich komplizierter macht. Die Menschen sprechen in diesem Zusammenhang von »partnerschaftlicher Liebe«. Mary erkennt, dass diese Liebe kein Gefühl ist, sondern eine Lebensweise. Es ist das Miteinander, mit dem sich die Menschen das Leben schöner machen. Gleichzeitig ist es auch das Füreinander, wenn es einem von ihnen mal schlecht geht. Und es ist sogar das Gegeneinander, wenn die Menschen sich zusammenraufen müssen, um wieder gemeinsam am gleichen Strang zu ziehen.
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Seitenzahl: 602
Secret-Angel Mary findet eine einfache, aber höchste effektive Lösung, mit der sich die Menschen von allen ihren Problemen befreien können. Doch sie wird unerwartet mit einem Phänomen konfrontiert, das ihre geheime Mission deutlich komplizierter macht. Die Menschen sprechen in diesem Zusammenhang von »partnerschaftlicher Liebe«. Mary erkennt, dass diese Liebe kein Gefühl ist, sondern eine Lebensweise. Es ist das Miteinander, mit dem sich die Menschen das Leben schöner machen. Gleichzeitig ist es auch das Füreinander, wenn es einem von ihnen mal schlecht geht. Und es ist sogar das Gegeneinander, wenn die Menschen sich zusammenraufen müssen, um wieder gemeinsam am gleichen Strang zu ziehen.
Bodo Deletz ist Bestseller-Autor der Ella-Kensington-Buchreihe und gehört mit einer Million verkaufter Bücher und über 40.000 Seminarteilnehmern seit fast 40 Jahren zu den erfolgreichsten Trainern Deutschlands. So wird er gemessen an seinen Leistungen für gewöhnlich vorgestellt. Er selbst bezeichnet sich jedoch in erster Linie als Forscher und Entwickler.
Homepage: bodo-deletz.de
YouTube: youtube.com/@bodo-deletz
Bodo Deletzalias Ella Kensington
Aus Liebe zum Miteinandern
Band 2: Brauchens
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Originalausgabe September 2024
Copyright © 2024: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Uno Werbeagentur, München
Satz und E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
LG ∙ CB
ISBN 978-3-641-32876-4V001
www.goldmann-verlag.de
Ich bin Mary Soul, einer von neun Secret-Angels, die in menschlicher Gestalt auf die Erde geschickt wurden, um die Menschen davon abzuhalten, sich selbst zu vernichten. Ursprünglich sollte meine Mission nur wenige Wochen andauern, doch ich verliebte mich während meiner Teilnahme an einer Fernsehshow namens Shameless in Paradise in einen ganz wundervollen Mann und beschloss, wegen ihm auf der Erde zu bleiben.
Gemeinsam mit einigen weiteren ganz tollen Menschen, die ich während der Show kennenlernen durfte, fanden wir heraus, dass die Menschen seit Jahrhunderten nur deshalb ihre Außenwelt immer mehr zerstören, weil sie ihre Innenwelt noch nicht gut genug verstehen.
Meine Mission besteht darin, den Menschen genau dabei zu helfen, was ihnen selbst ein deutlich leichteres und schöneres Leben ermöglicht und gleichzeitig der Natur ihres Planeten eine reale Überlebenschance gibt.
Ich wollte gerade mit meinen Lieblingsmenschen über einen Sachverhalt sprechen, der bei uns Engeln als die große Täuschung bezeichnet wird, da tauchten plötzlich Agenten der Homeland Security in der Villa auf und brachten uns mit einem Helikopter zum Hawaii Regional Security Operations Center, einem bombensicheren Stützpunkt der NSA auf Hawaii – auch bekannt als Kunia-Tunnel.
Die Homeland Security hatte uns kurz vor dem Flug darüber informiert, dass nur Brian, Dylan, Ava, BeautyQueen, Nuno und ich in Gefahr waren. Genaueres wollte man uns jedoch nicht sagen. Wir würden dann im Stützpunkt der NSA über alles ausführlich informiert werden. Die Show hatte man aus Sicherheitsgründen trotzdem abgebrochen. Die anderen sechs Teilnehmer, die nicht gefährdet waren, wurden zum Flughafen gebracht, damit sie nach Hause fliegen konnten.
Brian, Dylan und BeautyQueen sahen sehr aufgewühlt und überfordert aus, als wir im Helikopter saßen. Ava hingegen war recht entspannt für ihre Verhältnisse, nachdem ich ihr auf dem Weg zum Helikopter versichert hatte, dass für uns keinerlei Gefahr bestand. Sie wusste sofort, dass ich auf die Guardian-Angels anspielte, die ich bei unserem Vieraugengespräch auf ihrem Zimmer erwähnt hatte, und schenkte mir ein dankbares Lächeln. Nuno fand das alles recht amüsant. Er grinste mir ständig zu und schien sich noch mehr als ich auf das kommende Abenteuer zu freuen.
Während des Fluges konnten wir kaum miteinander sprechen, da es unglaublich laut war. Man hatte zwar jedem von uns ein Headset mit Kopfhörern und Mikrofon gegeben, doch die Tonqualität war so schlecht, dass man kaum verstehen konnte, was der andere sagte. Unser Hubschrauber landete schließlich auf einem unscheinbaren Gelände, das sich in der Mitte der Ortschaft Kunia auf der Insel O’ahu befand. Das gesamte Areal war mit einem hohen Zaun aus Stacheldraht umgeben. Überall waren Sicherheitskameras angebracht. Wir wurden von schwer bewaffneten Soldaten der Homeland Security vom Hubschrauberlandeplatz zu einem streng bewachten Tor eskortiert, das in den Sicherheitsbereich des unterirdischen Komplexes führen sollte. Dort nahmen uns die Sicherheitskräfte des Hawaii Regional Security Operations Centers in Empfang und geleiteten uns ins Innere der Anlage. Das Tor wurde hinter uns sofort wieder geschlossen.
Wir fanden uns in einem Zwischenraum wieder, der einer üblichen Sicherheitskontrolle in einem Flughafengebäude ähnelte. Hinter dem Kontrollposten befand sich ein zweites Tor, das derzeit noch geschlossen war und von bewaffneten Soldaten bewacht wurde.
Zunächst wurden wir alle einzeln fotografiert, wobei Nuno von einem netten Sicherheitsbeamten viele anerkennende Worte für sein rosa Tutu und seine Flügelchen bekam, was ihn sichtlich freute. Dann mussten wir unsere Schuhe ausziehen und alle Gegenstände aus unseren Taschen entfernen. Alles wurde durch einen Röntgen-Scanner geschickt. Anschließend bat man uns, durch eine elektronische Schleuse zu gehen. Danach wurden wir von zwei Beamten gründlich durchsucht, was Nuno überaus zu amüsieren schien. Er war sehr kitzlig und zuckte ständig lachend weg, wenn der Beamte ihn anfasste. Dann versuchte er, einen Scherz zu machen, der aber von dem Beamten komplett ignoriert wurde. Offenbar hatte dieser Mensch ähnlich große Schwierigkeiten wie ich, Scherze zu verstehen. Deshalb versuchten wir anderen es auch gar nicht mehr bei ihm. Insgesamt verhielten sich meine Lieblingsmenschen generell sehr zurückhaltend, was ich von ihnen gar nicht gewohnt war. Ich war gespannt darauf, mehr über die Hintergründe ihres ungewöhnlichen Verhaltens zu erfahren.
Zwei bewaffnete und ebenfalls humorlose Sicherheitskräfte eskortierten uns anschließend durch das zweite Tor ins Innere der Anlage. Auch sie reagierten auf Nunos Scherze eher unangemessen mit offensichtlicher Ignoranz. Sie brachten uns zu einem weiteren Checkpoint. Dort wurden unsere biometrischen Daten wie Retina-Scan und Fingerabdrücke von zwei Beamtinnen erfasst. Die wirkten deutlich sympathischer als die humorlosen Sicherheitskräfte. Vermutlich hatten sie deshalb auch einen angenehmeren Job bekommen. Sie alberten ein wenig mit Nuno herum, während sie unsere Hände und unsere Netzhaut scannten. Danach bekamen wir alle einen Besucherausweis, den wir stets sichtbar tragen sollten.
Anschließend führten uns die beiden Sicherheitsbeamten durch einen 400 Meter langen Tunnel, in dem wir auf Schritt und Tritt von Überwachungskameras gefilmt wurden. Es waren einige Menschen in Zivilkleidung in diesem Tunnel unterwegs, die so aussahen, als würden sie gerade zur Arbeit gehen oder von der Arbeit kommen. Sie beachteten die Sicherheitskräfte kaum, die uns durch den Tunnel begleiteten. Für diese Menschen schien es nichts Ungewöhnliches zu sein, dass wir von einer bewaffneten Eskorte begleitet wurden. Für Nuno in seinem rosa Tutu hatten sie jedoch ein freundliches Lächeln.
Meine Lieblingsmenschen redeten die ganze Zeit über kein einziges Wort. Ich vermutete, dass dies in dieser Umgebung wohl nicht angemessen war, und sagte deshalb auch nichts mehr. Nuno hingegen begrüßte weiterhin jeden Menschen, dem wir in diesem Tunnel begegneten, mit einem freundlichen »Hallo« und einem Lächeln.
Wir wurden zu einem weiteren Checkpoint gebracht. Zwei Sicherheitskräfte kontrollierten zunächst unsere Besucherausweise, nickten unserer Eskorte zu und ließen uns passieren. Hinter diesem Checkpoint verzweigte sich der Tunnel in mehrere Richtungen. Man erhielt einen ersten Eindruck von der beeindruckenden Größe dieses unterirdischen Komplexes, der aus mehreren Gebäuden zu bestehen schien. Ich war begeistert von diesem Abenteuer.
Man brachte uns zu einem Fahrstuhl, der uns in das erste Untergeschoss der Anlage bringen sollte. Als wir den Fahrstuhl verließen, befanden wir uns in einem modernen Großraumbüro. Mir fielen die vielen Sicherheitskameras auf. Jeder einzelne Mitarbeiter wurde hier offensichtlich permanent überwacht.
Schließlich brachte man uns in einen Besprechungsraum. Drei Wände dieses Raumes waren aus Panzerglas. In der Mitte stand ein großer, ovaler Konferenztisch aus schwarzem Glas. An der Wand gegenüber der Tür befand sich ein großer Bildschirm, der auf eine Weltkarte zoomte.
Ein Mann in dunklem Anzug wartete bereits im Raum auf uns. »Guten Tag«, begrüßte er uns höflich. »Ich bin Agent Johnson. Bitte nehmen Sie Platz. Sie befinden sich in einem Hochsicherheitsbereich des Hawaii Regional Security Operations Centers«, erklärte er uns, nachdem wir uns an den Tisch gesetzt hatten. »Hier sind Sie absolut sicher.«
»Und warum brauchen wir solche Sicherheitsmaßnahmen?«, fragte Brian sichtlich irritiert.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass eine Spezialeinheit der Wagner-Gruppe geplant hatte, Sie über den Seeweg aus der Villa zu entführen und mit einem U-Boot außer Landes zu schaffen. Die Wagner-Gruppe ist eine paramilitärische Privatarmee, die für ihre Verbindung zum russischen Geheimdienst bekannt ist. Insgesamt gehören 50 000 Söldner zu dieser Privatarmee, die auch eine Spezialeinheit beinhaltet, die vorwiegend aus ehemaligen Geheimagenten des KGB besteht. Die USA haben die Wagner-Gruppe als transnationale kriminelle Organisation eingestuft. Wir vermuten, dass diese Spezialeinheit vorhatte, die überlegene Intelligenz von Miss Soul für militärische oder terroristische Zwecke auszunutzen. Über die genauen Absichten der Wagner-Gruppe konnten wir bisher nichts herausfinden. Klar ist nur, dass sich die Bedrohung nicht nur auf Miss Soul beschränkt. Sie alle sollten entführt werden. Wir vermuten, dass man über Sie Druck auf Miss Soul ausüben und sie damit zur Mitarbeit zwingen wollte.«
»Und was passiert jetzt mit uns?«, hakte Brian fassungslos nach.
»Sie bleiben erst einmal hier, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben«, erklärte Agent Johnson. »Leider müssen wir davon ausgehen, dass diese Bedrohung langfristig bestehen bleibt. Auch müssen wir davon ausgehen, dass nicht nur die Wagner-Gruppe auf diese Idee gekommen ist. Mehrere ausländische Geheimdienste könnten versucht sein, Sie in ihre Gewalt zu bringen. Aber keine Sorge. Wir werden eine Lösung finden. In diesem Stützpunkt gibt es Unterkünfte für Mitarbeiter, die an hochsensiblen Projekten arbeiten und deshalb besonders geschützt werden müssen. Wir haben eine dieser Residenzen geräumt und für Sie vorbereitet. Zwei Sicherheitsbeamte werden Sie jetzt dorthin begleiten. Haben Sie noch Fragen?«
»Ja, was ist mit meinem Mann?«, fragte Ava sichtlich geschockt von der ganzen Situation und schaute mich direkt an. »Ist er in Sicherheit?«
Ich nickte kurz mit einem unscheinbaren Lächeln, um ihr zu signalisieren, dass er genau wie wir permanent von Guardian-Angels beschützt würde, was sie sofort beruhigte.
»Ihr Mann wurde von der Homeland Security in Gewahrsam genommen«, antwortete Agent Johnson. »Er ist bereits auf dem Weg hierher und wird noch heute zu Ihnen gebracht. Machen Sie sich daher keine Sorgen. Ihr Mann ist in Sicherheit.«
»Vielen Dank«, sagte Ava lächelnd.
»Falls Sie keine weiteren Fragen haben, schlage ich vor, dass man Ihnen jetzt Ihre Unterbringung zeigt«, sagte Agent Johnson. »Ihre Residenz befindet sich in einem Bereich der Secure Compartmented Information Facility. Dies ist ein besonders geschützter Bereich, der ausschließlich für die Arbeit mit hochsensiblen Informationen vorgesehen ist. Der Zugang zu diesem Bereich ist auf eine streng begrenzte Anzahl von Personen beschränkt und erfordert eine spezielle Sicherheitsfreigabe. Es ist mit anderen Worten der sicherste Ort des gesamten Stützpunkts. Innerhalb des SCIF werden Sie von einem speziell geschulten Sicherheitspersonal zu Ihrer Residenz begleitet.«
Daraufhin stand er auf und öffnete die Bürotür, um den beiden Sicherheitsbeamten, die dort Wache standen, ein Zeichen zu geben. Wir standen auf und folgten ihnen. BeautyQueen, Brian und Dylan wirkten eingeschüchtert, während Ava für ihre Verhältnisse recht entspannt wirkte. Ich konnte Nuno ansehen, dass er wie ich alles sehr aufregend und spannend fand.
Unsere beiden Wachen führten uns zurück zum Fahrstuhl und fuhren mit uns ganz nach unten ins dritte Untergeschoss. Als wir ausstiegen, befanden wir uns in einem weitläufigen, breiten Tunnel, von dem links und rechts zahlreiche Stahltüren abgingen. Wir mussten erneut eine umfassende Sicherheitskontrolle durchlaufen, bevor wir weitergehen durften. Die beiden Männer, die uns mit dem Fahrstuhl hierhergebracht hatten, fuhren wieder nach oben.
Zunächst wurden unsere Besucherausweise kontrolliert. Dann wurde ein Scan unserer Fingerabdrücke und unserer Netzhaut durchgeführt. Anschließend mussten wir unsere Taschen wieder leeren, die Schuhe ausziehen und durch eine elektronische Schleuse gehen. Am Ende erhielt jeder von uns noch eine elektronische Schlüsselkarte. Danach wurden wir von zwei Agenten in dunklen Anzügen durch den Tunnel geführt.
Wir gingen an einigen Türen vorbei, die mit elektronischen Sicherheitsschleusen versehen waren und die offensichtlich nur für autorisiertes Personal zugänglich waren. Aus einigen war das Summen von Computersystemen oder Servern zu hören. Was sich jedoch genau hinter diesen Türen verbarg, konnten wir nicht erkennen. Einer unserer Begleiter öffnete uns mit Hilfe seiner Schlüsselkarte und einem Passwort eine dieser Sicherheitstüren, die uns den Zugang zu einer langen und engen Tunnelröhre aus Stahlbeton und Stahlplatten ermöglichte. Einige Kabel und Rohre verliefen durch diesen Tunnel, die vermutlich für die Stromversorgung und Klimatisierung verwendet wurden. Auch in diesem Tunnel wurden wir auf Schritt und Tritt von Sicherheitskameras überwacht.
Nach etwa 100 Metern kamen wir am Ende des Tunnels an einer verschlossenen Stahltür an. Einer der beiden Agenten hielt seine Schlüsselkarte vor den Scanner, gab erneut ein Passwort über ein Tastenfeld ein, legte seine Hand auf einen Fingerabdruck-Scanner und schaute abschließend in einen Retina-Scanner. Erst dann öffnete sich die Stahltür, die so dick war wie die Tür eines Tresorraums. Dahinter kam ein kleiner Vorraum zum Vorschein mit einer weiteren Schleuse.
»Bitte halten Sie Ihre Schlüsselkarte vor diesen Scanner, und gehen Sie dann einzeln durch die Schleuse«, bat uns der Agent, der zuvor die schwere Stahltür geöffnet hatte. »Sie werden bereits erwartet. Man wird Ihnen Ihre Unterkünfte zeigen und Ihnen alles erklären.«
Nachdem wir alle die Schleuse passiert hatten, gelangten wir durch eine weitere Tür ins Innere der Residenz. Dort wurden wir von zwei bewaffneten Sicherheitskräften und einer netten Frau empfangen, die uns mit einem freundlichen Lächeln begrüßte.
»Herzlich willkommen«, sagte sie zu uns. »Ich bin sicher, Sie werden sich hier wohlfühlen. Mein Name ist Gabriella. Ich werde für die Zeit Ihrer Anwesenheit Ihre Ansprechpartnerin sein. Das Gebäude, in dem Sie sich hier befinden, wurde ursprünglich als unterirdischer Geheimdienst-Kommandoposten für den Fall eines Atomkrieges eingerichtet. Das Innere der Residenz ist mit modernster Technologie ausgestattet. Wir verfügen über eine unabhängige Stromversorgung, Klimaanlage und Lüftungssystem sowie einen Wasservorrat, der mindestens ein Jahr lang ausreichen würde. Sämtliche Systeme werden regelmäßig überprüft und gewartet. Zu Ihrer Sicherheit gibt es ein System von Überwachungskameras, das jeden Winkel der Residenz abdeckt, sowie einen dedizierten Sicherheitsdienst, der Sie rund um die Uhr bewacht. Jede Person, die das Gebäude betritt oder verlässt, wird einer strengen Sicherheitskontrolle unterzogen. Insgesamt bietet diese Residenz alles, was man für den Aufenthalt während eines Atomkrieges benötigen würde – und noch mehr. Es ist ein Ort der Sicherheit und des Komforts inmitten der Unsicherheit und des Chaos und ein Symbol dafür, wie ernst die NSA die Bedrohung nimmt, der Sie gerade ausgesetzt sind.
Dieses Gebäude liegt 30 Meter unter der Erde, hat zwei Stockwerke und bietet insgesamt 36 vollständig möblierte und ausgestattete Apartments, die Ihnen eine komfortable und sichere Wohnumgebung ermöglichen. Jedes Apartment ist mit allen notwendigen Annehmlichkeiten ausgestattet. Aus Sicherheitsgründen haben Sie jedoch leider keinen Zugang zum Internet oder dem öffentlichen Telefonnetz. Sollten Sie jemanden außerhalb dieses Gebäudekomplexes kontaktieren müssen, dann zögern Sie bitte nicht, mich anzusprechen. Ich werde hier zusammen mit Ihnen in diesem Gebäude wohnen und bin jederzeit für Sie ansprechbar.
Neben den 36 Apartments in diesem Stockwerk gibt es einen voll ausgestatteten Speisesaal, in dem Sie, falls gewünscht, Ihre Mahlzeiten einnehmen können. Außerdem gibt es einen Wäscheservice, der sich um Ihre Kleidung kümmert. Im Untergeschoss befinden sich weitere Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Fitnessraum, ein Swimmingpool, eine Bibliothek, mehrere Besprechungs- und Büroräume sowie ein großer Salon mit Sitzgelegenheiten für 40 Personen.
Die Unterbringung in einer unterirdischen Anlage wie dieser wird für Sie vermutlich zu Beginn etwas ungewohnt sein, da es keine Fenster und kein Tageslicht gibt. Doch die Klimaanlage sorgt für eine angenehme Temperatur und Luftqualität, und die Beleuchtung ist so gestaltet, dass sie Ihnen das Gefühl vermittelt, in einer natürlichen Umgebung zu sein. Insgesamt bietet Ihnen diese Residenz eine sichere und komfortable Umgebung, in der Sie sich mit der Zeit immer wohler fühlen werden. Ihre Koffer werden übrigens im Laufe des Tages hier eintreffen. Dann würde ich vorschlagen, dass ich Ihnen jetzt Ihre Apartments zeige.«
Brian und ich bekamen gemeinsam eine Zweizimmerwohnung mit Küche und Badezimmer. In unserem Schlafzimmer stand ein breites Doppelbett, worüber ich mich sehr freute, denn so könnten wir nachts wieder kuscheln. Ich freute mich sehr darauf. Brian wirkte momentan zwar sehr angespannt, aber das würde sich sicherlich bald legen. Im Grunde genommen hatten wir ja hier alles, was wir in der Villa auch hatten. Die Apartments waren zwar nicht so luxuriös ausgestattet wie unsere Villa, aber es war alles recht gemütlich. Und wir konnten zusammen sein! Das war mir das Allerwichtigste. Ich freute mich sehr auf unsere gemeinsame Zeit und das Abenteuer, das vor uns lag.
Ava bekam ein fast identisches Apartment zugeteilt, das sie zusammen mit ihrem Mann beziehen würde. Dylan, Nuno und BeautyQueen bekamen ein größeres Apartment. Es verfügte über drei Schlafzimmer, die jeweils Zugang zu einem eigenen Badezimmer hatten, ein großes Wohnzimmer mit einer bequemen Sofagarnitur sowie eine moderne Küche. Nuno war begeistert davon, sich mit den anderen beiden eine Wohnung zu teilen. Dylan und BeautyQueen reagierten jedoch sichtlich irritiert über seine Begeisterung. Warum, verstand ich nicht. Nuno war doch ein lustiger und sympathischer Zeitgenosse, mit dem man sicherlich eine sehr schöne Zeit haben konnte.
Nachdem wir die Wohnungen besichtigt hatten, zeigte uns Gabriella die Gemeinschaftsräume der Residenz im Untergeschoss. Neben den Besprechungsräumen, für die wir vermutlich keine Verwendung haben würden, gab es auch einen großen Salon mit noblen Ledersesseln, die in kleinen Gruppen von jeweils drei bis vier Sesseln um flache Tische herum angeordnet waren. Der Fitnessraum war sogar besser ausgestattet als der in unserer Villa, was Dylan sicherlich freute. Ich konnte ihm jedoch seltsamerweise seine Freude nicht ansehen. Der Pool war ebenfalls größer als in der Villa und das Wasser darin viel wärmer. Ich freute mich sehr darüber, denn in diesem Pool könnte ich stundenlang mit Brian im Wasser kuscheln, ohne zu frieren. Um den Pool herum standen bequeme Liegen, genau wie in der Villa. Obwohl es keine Sonne gab, in der wir baden konnten, fand ich es hier trotzdem sehr gemütlich. Man konnte sich wirklich wohlfühlen.
Mir fiel jedoch auf, dass wir überall lückenlos von Sicherheitskameras überwacht wurden. Sogar in unseren Schlafzimmern und Badezimmern hatte ich Kameras gesehen. Das war natürlich für Nuno und mich problematisch, da wir uns nicht mehr entmaterialisieren konnten.
»Wäre es möglich, dass die Kameras in unseren Badezimmern ausgeschaltet werden?«, fragte ich Gabriella, während wir am Pool standen.
»Leider nicht«, antwortete sie. »Das ist hier Vorschrift. Die Toiletten stehen jedoch alle hinter einer Milchglaswand, wodurch man nur das Gesicht erkennen kann, wenn man auf der Toilette sitzt. Bei den Duschen ist es ähnlich. Alles unterhalb des Halses wird durch Milchglas unkenntlich gemacht. Ich entschuldige mich für diese Unannehmlichkeit, aber wie gesagt, das ist hier in der Anlage Vorschrift. Da kann ich leider nichts machen. Ich möchte Sie auch darüber informieren, dass in der gesamten Residenz hochsensible Mikrofone angebracht sind, die selbst Gespräche in Flüsterlautstärke aufzeichnen und jederzeit analysiert werden können. Außerdem gibt es in jedem Raum Bewegungsmelder, die jede kleinste Bewegung registrieren. Doch ich bin sicher, Sie werden sich schnell daran gewöhnen, denn es ist alles zu Ihrem eigenen Schutz. Außer Ihnen und mir sind nur noch Ihre Sicherheitskräfte und Servicekräfte in diesem Gebäude untergebracht, die für die Zeitdauer der Bedrohung versuchen werden, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie haben also diese gesamte Residenz fast für sich alleine und können sich hier vollkommen frei fühlen. Herzlich willkommen in Ihrem neuen Zuhause.«
»Geiler Scheiß!«, sagte Nuno begeistert. »Wer hat Lust, mit mir den Pool einzuweihen?«
»Bist du noch ganz dicht, Alter?!«, fragte ihn BeautyQueen daraufhin aufgebracht. Ich vermutete, da wir unsere Badekleidung ja noch nicht anziehen konnten, weil unsere Koffer noch nicht da waren.
»Wir sind doch hier ganz unter uns«, sagte ich deshalb. »Da können wir bestimmt auch einfach nackt in den Pool gehen, oder?«, fragte ich Gabriella.
»Natürlich, Sie können sich hier wie gesagt vollkommen frei fühlen«, bestätigte sie mit einem Lächeln.
»Sagt mal, habt ihr beiden noch alle Kugeln am Christbaum?!«, fragte BeautyQueen fassungslos Nuno und mich.
»Lasst uns jetzt bitte nicht streiten!«, sagte Ava zu BeautyQueen. »Mary versteht die Ernsthaftigkeit der Lage vermutlich noch nicht ganz. Und Richard hat vermutlich einen Schock oder so etwas. Bitte seid nachsichtig mit den beiden.«
»Wir müssen das jetzt vermutlich alle erst einmal verdauen«, meinte Brian dazu, der sich, seitdem wir den Stützpunkt betreten hatten, extrem still verhalten hatte.
»Ich finde, Richard hat recht«, meinte Dylan. »Wir sollten das Beste aus der Situation machen und uns freuen, denn wenn wir uns nicht freuen, wird es ja auch nicht besser.«
Nuno lachte daraufhin, als hätte Dylan einen guten Scherz gemacht. Ansonsten lachte jedoch niemand.
»Das ist eine sehr gute Einstellung«, meinte Gabriella mit einem Lächeln zu Dylan und wandte sich uns allen zu. »Sie werden sehen, wenn Sie sich erst einmal ein paar Tage eingelebt haben, wird das alles immer leichter. Ich werde Sie jetzt alleine lassen. Wenn Sie mich brauchen, kontaktieren Sie einfach jemanden aus dem Sicherheitsdienst oder jemanden vom Serviceteam. Ich werde dann umgehend benachrichtigt und komme sofort zu Ihnen.«
»Ich schlage vor, dass wir jetzt ebenfalls nach oben gehen und uns gemeinsam in unser Wohnzimmer setzen, um in Ruhe zu überlegen, wie wir mit der Situation umgehen wollen«, sagte Dylan. »Außerdem bekomme ich langsam Hunger.«
»Sie können sich gerne beim Serviceteam eine Pizza bestellen«, schlug Gabriella vor, die gerade im Begriff war zu gehen. »Oder, wenn Sie möchten, auch etwas Asiatisches oder irgendetwas anderes. Die Küche steht zu Ihrer freien Verfügung.«
»Ja, lasst uns bitte einfach Pizza bestellen!«, schlug Dylan vor. »Das wird uns ein wenig mehr Normalität geben.«
»Ja, vielleicht wäre das gar nicht schlecht«, pflichtete ihm Brian bei.
»Ich kann jetzt echt nichts essen, Alter«, sagte BeautyQueen und schüttelte über diesen Vorschlag den Kopf. »Ey, wie kann man überhaupt daran denken, jetzt was zu futtern?!«, fügte sie mit einem vorwurfsvollen Ton hinzu. »Als ob wir keine anderen Probleme hätten …«
Mir war nicht klar, auf welche Probleme sie anspielte, denn unsere Probleme waren ja bereits von der NSA gelöst worden. Wir waren hier sicher, waren alle zusammen und hatten alles, was man für ein gutes Leben braucht. Im Grunde genommen war hier alles genauso wie in der Villa – nur dass wir hier keine Sonne hatten. Doch so problematisch konnte das ja wohl nicht sein. Ich konnte daher weder existenzielle noch soziale Probleme erkennen, die wir jetzt hätten lösen müssen. Ich wunderte mich daher sehr über BeautyQueens Verhalten. Doch auch Dylan und Brian verhielten sich, als hätten wir irgendein Problem. Doch was sollte das sein?
»Essen ist immer gut!«, meinte Nuno begeistert. »Ich hätte sehr gerne eine Pizza. Am liebsten eine richtig große für mich ganz alleine.«
»Ihr habt echt einen rennen!«, sagte BeautyQueen kopfschüttelnd.
Wir gingen alle zusammen mit Gabriella nach oben zu unseren Apartments. Gabriella verabschiedete sich dort und sagte uns, dass sie in der Küche Bescheid sagen würde, dass wir Pizzen haben wollten. Dann gingen wir zum gemeinsamen Apartment von Nuno, Dylan und BeautyQueen. Wir setzten uns ins Wohnzimmer auf eine bequeme Sofagarnitur, die um einen niedrigen, durchsichtigen Glastisch angeordnet war. Brian und ich nahmen das Pärchensofa, Nuno setzte sich auf den Sessel und die anderen drei auf das breiteste Sofa, das Platz für drei Personen bot.
Während wir auf unser Essen warteten, versuchte ich herauszufinden, was genau das Problem sein könnte, das BeautyQueen, Brian und Dylan beschäftigte.
»Gefällt es euch hier nicht?«, fragte ich sie.
»Was heißt hier gefallen?«, erwiderte BeautyQueen kopfschüttelnd. »Ich bin einfach nicht gerne eingesperrt.«
»Was meinst du mit eingesperrt?«, fragte ich verwundert.
»Na eingesperrt!«, erwiderte sie leicht ungehalten. »Eingesperrt ist eingesperrt.«
»Es bedeutet, dass wir hier unserer Freiheit beraubt sind«, klärte mich Brian auf.
»Wir sind unserer Freiheit beraubt?!«, hakte ich verwundert nach. »Welcher Freiheit denn genau? Der Willensfreiheit, der Entscheidungsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Berufsfreiheit, der künstlerischen Freiheit, der Informationsfreiheit, der Geschlechtsidentitätsfreiheit, der wissenschaftlichen Freiheit, der Reisefreiheit …«
Dylan fing plötzlich an, schallend zu lachen. Warum, verstand ich nicht.
»Wir können hier nicht raus«, erklärte mir Brian. »Das ist die Freiheit, die wir nicht mehr haben. Und es ist unklar, ob wir jemals wieder hier rauskommen werden.«
»Sag das nicht, Alter!«, ermahnte ihn BeautyQueen panisch. »Ich kann nicht mein ganzes Leben in einem Bunker verbringen. Das halte ich nicht aus. Ich habe jetzt schon das Gefühl, dass ich hier drinnen keine Luft kriege. Ich darf gar nicht daran denken, wie tief wir hier unter der Erde sind.«
»Dann ist es die Bewegungsfreiheit, die dir fehlt?«, fragte ich verwundert, denn das gesamte Gebäude mit zwei Stockwerken stand uns ja zur freien Verfügung. Das war eigentlich Platz genug.
»Keine Ahnung«, antwortete sie aufgebracht. »Ich will einfach hier raus!«
»Aber draußen ist es doch gefährlich«, wendete ich irritiert ein.
»Und genau deshalb fühlt sie sich hier eingesperrt«, erklärte Brian. »Mir geht es ehrlich gesagt ganz ähnlich.«
»Wollt ihr das Gefühl loswerden, dass ihr hier eingesperrt seid?«, fragte ich daher. »Geht es also um ein Gefühlsziel?«
»Nein, wir wollen nicht eingesperrt sein«, antwortete Brian. »Es geht nicht um das Gefühl. Wir sind hier wirklich eingesperrt.«
»Du meinst, weil die schwere Stahltür verschlossen ist, die sich nur mit biometrischem Scan, Passwort und Schlüsselkarte öffnen lässt?«, hakte ich nach. »Da könnte Gabriella sicherlich dafür sorgen, dass diese Tür für uns geöffnet wird, wenn wir rauswollten.«
»Die werden dich nicht rauslassen«, erwiderte Brian kopfschüttelnd. »Du bist mit deiner überlegenen Intelligenz ein viel zu großes Risiko für die nationale Sicherheit, sollten dich tatsächlich ausländische Geheimdienste entführen wollen. Und diese Bedrohung scheint ja sehr real zu sein.«
»Aber diese Umstände treffen doch für euch gar nicht zu«, wendete ich, verwundert von Brians Sichtweise, ein. »Das betrifft doch nur mich. Ihr könntet alle jederzeit raus. Vielleicht nicht jetzt sofort, weil diese Wagner-Gruppe noch hinter euch her ist. Doch sobald den ausländischen Geheimdiensten klar ist, dass ich hier drin vollkommen isoliert von der Außenwelt bin, ergibt es für sie keinen Sinn mehr, euch zu entführen, um mich zu erpressen. Ich würde ja gar nichts davon mitbekommen. Denn ich vermute stark, dass die NSA mir nichts davon sagen würde, wenn ich die Sachlage richtig einschätze. Rauslassen würden sie mich ja so oder so nicht, wie du schon sagtest. Das wissen die anderen Geheimdienste ja sicherlich auch, denn die würden das garantiert genauso handhaben. Wir können aber auch sicherheitshalber Gabriella noch einmal fragen, ob diese Einschätzung korrekt ist. Doch wenn ich das richtig verstehe, besteht langfristig für euch alle gar keine Gefahr. In ein paar Tagen oder spätestens in einer Woche könnt ihr sicherlich wieder nach Hause.«
»Ich werde dich hier drin ganz bestimmt nicht alleine lassen«, sagte Brian entschieden. »Und wenn ich mein ganzes Leben mit dir hier verbringen muss.«
Am liebsten hätte ich ihn jetzt geküsst und ihm gesagt, dass ich ihn ebenfalls liebe. Es zerriss mir fast das Herz, dass ich das in diesem Moment nicht durfte. Doch hier bei der NSA musste ich meine Tarnidentität noch sorgfältiger schützen als in der Villa. Daher rationalisierte ich seine Aussage und kehrte mit nüchterner Logik zu unserem Thema zurück.
»Du fühlst dich also deshalb deiner Freiheit beraubt, weil du lieber mit mir hier drinbleiben möchtest, als alleine draußen zu sein. Diese Sichtweise führt zu einer falschen Reaktion des Freiheitsinstinkts. Du tust damit nämlich so, als hättest du keine Entscheidungsfreiheit. Aber die hast du in Wirklichkeit. Du kannst dich frei entscheiden, ob du mit mir hier drinbleibst oder alleine rausgehst.«
»Das ist keine freie Entscheidung«, widersprach Brian überzeugt. »Ich werde dich hier ganz sicher nicht alleine zurücklassen. Das ist keine Option.«
»Dann schließt du die Entscheidungsmöglichkeit kategorisch aus, dass du mich hier alleine lässt?«, hakte ich verwundert nach.
»Natürlich«, bestätigte er. »Das ist wie gesagt absolut keine Option.«
»Das ist sehr interessant«, sagte ich fasziniert. »Wenn das Großhirn bei einer Entscheidung zwischen zwei realen Möglichkeiten einfach eine kategorisch ausschließt, weil man diese Möglichkeit als so schlecht ansieht, dass man sie erst gar nicht in Betracht ziehen möchte, sieht das für das soziale Gehirn so aus, als hätte man keine Wahlmöglichkeit. Und das interpretiert es dann so, als hätte man keine Entscheidungsfreiheit. Doch das entspricht natürlich nicht den Tatsachen. In Wirklichkeit kannst du dich ja frei entscheiden, ob du mit mir hier drinbleibst oder ob du rausgehst.«
»Boah, das ist genial!«, sagte Nuno plötzlich sichtlich begeistert, noch bevor Brian auf meine Aussage reagieren konnte. »Wenn ich eine reale Entscheidungsmöglichkeit in der Außenwelt bei meinem Entscheidungsprozess von vornherein ausschließe, weil mir diese Möglichkeit in meiner Innenwelt zu wenig zusagt, kann ich mich in meiner Freiheit tatsächlich eingeschränkt fühlen. Ich kann das fühlen!«, sagte er zu mir total begeistert und offensichtlich sehr erstaunt darüber, dass er das konnte.
Mir war sofort klar, warum er so begeistert war. Offenbar begannen sich die instinktiven Programme in seinem sozialen Gehirn zu aktivieren. Das war schön für ihn, jedoch gleichzeitig auch seltsam für die anderen. Für die war es mittlerweile nachvollziehbar, dass ich mich manchmal darüber wunderte, wenn ich etwas nachempfinden konnte, da ich ja ein Savant war. Aber Nuno hatte diese Tarnidentität nicht. Ich überlegte, wie ich ihm das unauffällig klarmachen könnte. Doch erkannte ich dann in seinem Blick, dass er es soeben selbst gemerkt hatte.
»Weißt du, wie viele Menschen in eine Therapie kommen, die genau damit Probleme haben?!«, fragte er mich, um seiner Begeisterung einen nachvollziehbaren Grund zu geben. »Millionen!«, betonte er. »Doch dieses Freiheitsproblem betrifft nicht nur die Menschen, die in eine Therapie kommen. Unzählige zwischenmenschliche und gesellschaftliche Probleme bis hin zu Kriegen können entstehen, weil der Freiheitsinstinkt durch diese fatale Sichtweise fälschlicherweise aktiviert wird. Ich weiß nicht, ob dir das richtig klar ist, aber du bist hier auf etwas ganz Großes gestoßen!«, sagte er und strahlte mich an.
Ich war nun unsicher, ob er das wirklich so meinte oder ob er das nur gesagt hatte, um den anderen und der NSA einen nachvollziehbaren Grund für seine Begeisterung zu geben.
»Ihr meint, wir fühlen uns nur deshalb hier eingesperrt, weil wir unseren Freiheitsinstinkt verarschen?«, fragte Brian mich skeptisch.
»Absolut!«, antwortete Nuno enthusiastisch an meiner Stelle. Er schien gar nicht mehr zu bremsen zu sein. »Man muss einfach nur alle Wahlmöglichkeiten ausschließen, die einem zu wenig gefallen. Und wenn nur noch eine einzige übrig bleibt, hat man ja keine Wahl mehr. Und diese Sichtweise interpretiert der Freiheitsinstinkt dann so, als hätte man keine Wahlfreiheit. Das ist pure Selbstverarschung!«, sagte er voller Freude über diese Erkenntnis.
Brian sah nachdenklich aus, genauso wie Dylan und Ava. Nur BeautyQueen schüttelte den Kopf und sagte: »Das ist doch Schwachsinn! Man kann sich alles schönreden, wenn man das will. Aber Tatsache ist, dass wir hier eingesperrt sind und nicht rauskönnen.«
»Ich denke, Richard und Mary haben recht«, widersprach Brian nachdenklich. »Das ist keine Schönrederei. Es ist die Wahrheit. Wir könnten alle hier raus, wenn wir das wollten. Nur eben Mary nicht«, sagte er besorgt.
»Für mich ist das überhaupt kein Problem«, erklärte ich. »Ich habe zwar nur diese eine Möglichkeit, aber es ist ja genau die Möglichkeit, die ich auch freiwillig wählen würde. Ob andere Menschen mir dabei eine Wahl lassen oder nicht, ist aus meiner Sicht völlig unerheblich. Klar, rein vom theoretischen Prinzip her könnte ich mich hier sicherlich in meiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlen, weil ich ja nur diese eine Wahlmöglichkeit habe. Doch instinktive Prinzipien müssen in der Praxis immer auf ihre Relevanz hin überprüft werden. Es sind nur theoretische Prinzipien, die in der Steinzeit einen Überlebensvorteil boten, heutzutage aber oftmals nicht mehr. An solchen Steinzeitgefühlen sollte man sich besser nicht orientieren, wenn es um überlebensrelevante Entscheidungen geht.«
»Dann willst du lieber freiwillig hier drinbleiben, anstatt da draußen ein freies Leben zu führen?!«, fragte BeautyQueen kopfschüttelnd. »Sorry, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Aber die Option, dass ich da draußen ein freies Leben führen kann, existiert doch gar nicht«, wendete ich verwundert ein. »Ich kann doch immer nur unter real vorhandenen Möglichkeiten auswählen. Mir einfach eine schöne Möglichkeit in meiner Fantasie auszumalen und dann zu entscheiden, dass ich die gerne hätte, obwohl es diese Möglichkeit in Wirklichkeit gar nicht gibt, hat doch keinen Sinn. Damit würde ich meinen Instinkt ja noch mehr verarschen. Das wäre ja das Gleiche, als würde ich mich in meiner Freiheit eingeschränkt fühlen, weil ich nicht auf einem anderen Planeten leben kann. Oder weil Brian nicht genauso viel kuscheln oder über Gefühle reden will wie ich. Oder weil es in unserer Nation Gesetze gibt, die mir nicht gefallen und an die ich mich trotzdem halten muss. Oder weil ich auf der Autobahn im Stau stehe und keine freie Fahrt habe, die ich mir aber doch wünsche.«
»Boah, das ist so genial!«, sagte Nuno erneut total begeistert. »Wir Menschen fühlen uns in unserer Freiheit nicht nur dann eingeschränkt, wenn uns die vorhandenen Wahlmöglichkeiten nicht zusagen, sondern auch noch, weil wir uns in unserer Fantasie fiktive Wahlmöglichkeiten ausdenken können, die es in der realen Außenwelt aber gar nicht gibt. Dann kann ich mich ja sogar in meiner Freiheit eingeschränkt fühlen, wenn ich in einer Partnerschaft oder in einer Gesellschaft Kompromisse machen muss. Oder wenn andere Menschen einfach nicht das tun wollen, was ich für richtig halte. Oder weil mein Körper nicht so fit ist, dass ich einen Marathon laufen kann. Oder weil ich nicht so viele gute Gefühle habe, wie ich sie gerne hätte, oder mehr schlechte, als ich haben will. Oder weil ich arbeiten muss, um mein Geld zu verdienen, ich das Geld aber lieber einfach so kriegen würde. Das ist doch genial!«, schwärmte er begeistert. »Ich kann tatsächlich so tun, als sei ich in meiner Freiheit eingeschränkt, weil ich nicht so glücklich bin, wie ich das gerne wäre! Ich muss mir einfach nur diese fiktiven Wahlmöglichkeiten ausdenken und so tun, als seien es reale Möglichkeiten. Und schon fühle ich mich in meiner Freiheit eingeschränkt, weil mein blödes Gehirn oder die doofe Welt da draußen mich nicht so glücklich sein lässt, wie ich das gerne wäre. Das ist ja fantastisch!«
»Ey, Alter, verarsch wen anders!«, sagte BeautyQueen sichtlich beleidigt.
»Es tut mir leid. Das war wirklich nicht meine Absicht«, entschuldigte sich Nuno sichtlich irritiert von BeautyQueens Reaktion. »Mir ist nur gerade klar geworden, wie schnell es passieren kann, dass man eine fiktive Wahlmöglichkeit als real ansieht und damit seinen Freiheitsinstinkt verarscht. Das ist aus meiner Sicht wirklich eine echt wertvolle Erkenntnis. Dass man so einfach völlig irreale Sichtweisen annehmen kann, ohne es überhaupt zu merken, war mir überhaupt nicht klar. Ich wollte dich damit wirklich nicht persönlich angreifen.«
»Alles gut, Alter«, sagte BeautyQueen. »Sorry, dass ich so reagiert habe.«
»Es gibt also zwei Möglichkeiten, den Freiheitsinstinkt zu verarschen«, fasste Brian zusammen. »Man schließt bestimmte reale Wahlmöglichkeiten kategorisch aus, oder man denkt sich fiktive Wahlmöglichkeiten aus, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. So weit habe ich das kapiert. Aber wann ist denn die Freiheit tatsächlich eingeschränkt?«
»Nur, wenn man zwischen realen Wahlmöglichkeiten nicht wählen darf«, antwortete Nuno. »Wenn andere Menschen einen zu einer bestimmten Entscheidung zwingen. Und das können sie eigentlich nur mit physischer Gewalt oder mit der Androhung von Verbannung aus dem Rudel, was jedoch ebenfalls nur mit physischer Gewalt durchgesetzt werden kann.«
»Ja, aber genau so ist es doch!«, wendete BeautyQueen ein. »Die NSA hält Mary hier fest. Und das falls nötig mit Gewalt. Ich würde mich da mega eingesperrt fühlen.«
»Mit dieser Sichtweise könnte ich dieses Gefühl natürlich auch erzeugen«, sagte ich. »Doch wenn es um wirklich wichtige Entscheidungen im Leben geht, halte ich es für besser, nützlichere Sichtweisen anzunehmen. Sonst passiert es wirklich schnell, dass man seinen Instinkt verarscht und das gar nicht merkt, wie Richard schon sagte. Und die Gefühle, die man mit solchen Sichtweisen erzeugt, sind natürlich keine guten Ratgeber.«
»So wie auch Angst oftmals kein guter Ratgeber ist«, meinte Dylan.
»Ganz genau, auch bei Angstgefühlen kommt es oft vor, dass wir etwas prinzipiell als Gefahr oder Bedrohung ansehen, was aber in der Welt von heute gar keine relevante Bedrohung mehr ist. Dann ist die Angst natürlich auch kein guter Ratgeber, da die Sichtweise, die das Gefühl erzeugt, ja gar nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Daher sollte man aufpassen, dass man aus dem Vermeiden von Angstgefühlen kein Gefühlsziel macht, sonst trifft man ganz schnell fatale Entscheidungen, die einen dann tatsächlich in echte Gefahr bringen. Genauso sieht es mit dem Freiheitsgefühl aus. Auch daraus sollte man kein Gefühlsziel machen.
In meinem Fall gibt es ja tatsächlich eine überlebensrelevante Gefahr. Doch die gibt es da draußen außerhalb der Residenz und nicht hier drinnen. Hier drin gibt es nur eine angenommene Einschränkung meiner Freiheit. Würde ich jetzt aus diesem Gefühlsimpuls heraus handeln, dann würde ich die Residenz verlassen wollen und mich dabei in Lebensgefahr bringen. Man sollte daher mit solchen Gefühlen wirklich vorsichtig sein.
Dem Instinkt geht es nur ums theoretische Prinzip der Freiheitseinschränkung. In der Praxis sehe ich jedoch diesbezüglich bei meinem Aufenthalt hier in dieser Residenz gar keine Relevanz. Eigentlich gibt es hier kaum Unterschiede zur Villa. Auch dort durften wir nicht raus, wurden permanent von Kameras beobachtet, hatten einen Pool, bekamen zu essen, hatten ein Bett zum Schlafen und so weiter. Dort mussten wir sogar noch Missionen erfüllen oder Lügendetektor-Tests absolvieren. Die Show wäre ja in ein paar Tagen zu Ende gewesen, und jeder hätte nach Hause fahren müssen. Doch hier können wir weiterhin zusammenbleiben. Genau das hatten wir uns heute Nachmittag noch gewünscht. Das ist doch super!«
»Überlege dir gut, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen!«, meinte Dylan grinsend. »Dann werde ich euch gerne noch ein wenig länger auf den Sack gehen. Ich hätte ehrlich gesagt auch viel zu viel Schiss, dass ich entführt werde, wenn ich in ein paar Tagen schon nach Hause fliegen würde. Außerdem hast du recht. Wir wollten ja eigentlich gar nicht nach Hause. Wir wollten mehr Zeit miteinander verbringen. Jetzt haben wir einfach nur die Location gewechselt. Mehr ist nicht passiert. Und anderswo ist immer erstmal schön!«
»Das sehe ich genauso«, stimmte ihm Ava zu. »Ich bin im Moment echt froh, dass wir hier in Sicherheit sind. Und mein Mann kommt ja heute auch noch. Da warte ich lieber noch ein wenig länger, bis die Luft wirklich rein ist. Wer weiß, ob die ausländischen Geheimdienste wirklich so schlau sind, wie Mary das annimmt. Möglicherweise würden die uns ja trotzdem entführen. Ich betrachte das hier jetzt lieber als eine Art Urlaub. Urlaub in einem unterirdischen Atombunker der NSA! Wer kann da schon mithalten?!«
»Ich werde jedenfalls so lange hierbleiben, bis sie mich rausschmeißen«, sagte Nuno grinsend. »Mir gefällt es hier echt gut. Und Pizza kann ich auch noch so viel essen, wie ich will. Was will ich denn mehr?!«
»Ich kann zwar echt nicht nachvollziehen, wie du das alles so locker nimmst«, sagte BeautyQueen zu mir. »Aber ein paar Wochen oder auch länger verbringe ich natürlich sehr gerne mit euch hier drin. Sofern die NSA das überhaupt mitmacht. Die werden uns ja auch nicht ewig hier kostenlos beherbergen wollen.«
»Ja, das stimmt vermutlich«, meinte Nuno grinsend. »Da könnte man sich glatt wieder in seiner Freiheit eingeschränkt fühlen!«
In diesem Moment brachte ein Mann vom Küchenpersonal sechs große Pappschachteln mit Pizza zu uns ins Wohnzimmer.
»Eine schöne Tiefkühlpizza!«, sagte Dylan begeistert, nachdem er in seine Schachtel hineingeschaut hatte. »Yeah, ich freue mich!«
»Ja, das sind die besten«, pflichtete ihm Nuno bei und fing an, seine Pizza mit Genuss zu verspeisen.
Während wir alle aßen, spürte ich, wie unsere Guardian-Angels einer nach dem anderen verschwanden. Offenbar gab es derzeit keinerlei Bedrohung mehr für uns. Ich erkannte in dem Blick, den Nuno mir zuwarf, dass er es ebenfalls gespürt hatte.
Wir saßen nach der Pizza noch lange zusammen und alberten wie üblich herum. Eigentlich hätte ich gerne mit meinen Lieblingsmenschen über die nicht erfüllbaren Kriterien gesprochen, die alle Menschen als Kind während der großen Täuschung erlernt hatten, da ich in der Villa nicht mehr dazu gekommen war. Doch ich erkannte, dass sie alle nach diesem aufregenden Tag nicht mehr aufnahmefähig genug dafür waren. Daher beschloss ich, dieses Gespräch auf morgen zu verschieben.
So saßen wir also einfach zusammen, tranken Wein und sogenannte Softdrinks. Das waren kleine Flaschen mit farbigen Flüssigkeiten, die ziemlich süß schmeckten. Wir hatten beschlossen, so lange hier gemeinsam auszuharren, bis Avas Mann ankommen würde. Wir freuten uns alle sehr darauf, ihn endlich kennenzulernen, denn wir hatten schon viel von ihm gehört. Er hieß Jason, wie wir von Ava erfuhren.
Es wurde schließlich zwei Uhr nachts, als er zusammen mit unseren Koffern in der Residenz ankam. Gabriella hatte uns darüber benachrichtigt und stand mit uns am Eingang der Residenz, um ihn in Empfang zu nehmen. Das Licht in der gesamten Residenz war über Nacht stark gedämpft, aber man konnte trotzdem sehen, dass Jason ziemlich fertig aussah. Offenbar hatte ihn die Reise sehr angestrengt.
Als er die Schleuse passierte, fiel Ava ihm in die Arme und fing sofort an zu weinen. Warum sie weinte, war mir ein Rätsel. Sie hatte sich doch gewünscht, dass er zu uns kommt. Sie beruhigte sich jedoch schnell wieder, als er sie fest in den Arm nahm. Dann stellte sie uns einander vor.
»Das ist er, mein großer Schatz«, sagte sie zu uns. »Und das sind meine neuen Freunde«, sagte sie zu ihm.
»Jason«, sagte er und gab jedem von uns förmlich die Hand zur Begrüßung. »Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Sag bitte du«, korrigierte ihn Ava. »Wir sind hier alle per du.«
»Es freut mich also, euch kennenzulernen«, wiederholte er noch einmal mit einem bemühten Lächeln.
»Herzlich willkommen in unserer Residenz«, sagte Gabriella zu ihm. »Ich bin Gabriella und hier sozusagen das Mädchen für alles. Wenn Sie irgendetwas benötigen, zögern Sie bitte nicht, mich anzusprechen. Ich denke, ich überlasse Sie jetzt Ihren Freunden. Wir werden morgen noch einmal in Ruhe über alles sprechen. Sie sind jetzt bestimmt sehr müde.«
»Ja, das bin ich in der Tat«, bestätigte Jason.
»Ich glaube, das sind wir alle«, meinte Brian zu Jason. »Ich schlage vor, dass wir uns jetzt erst einmal schlafen legen und uns morgen in aller Frische richtig kennenlernen.«
»Wir haben ein nettes kleines Apartment für uns beide bekommen«, sagte Ava zu ihrem Mann. »Du wirst sehen. Es ist gar nicht so schlecht hier. Und es ist ja auch nur für ein paar Tage.«
»Ich wünsche Ihnen allen eine gute erste Nacht in Ihrem neuen Zuhause«, sagte Gabriella zu uns und zog sich zurück.
Wir nahmen unsere Koffer und rollten sie zu unseren Apartments, die alle drei direkt nebeneinanderlagen. Wir wünschten uns gegenseitig eine gute Nacht und verschwanden in unseren Wohnungen.
Ich musste dann mal ganz dringend auf die Toilette, denn ich verspürte einen sehr unangenehmen Druck in meinem Unterleib. Ich vermutete, dass es die Softdrinks waren, die jetzt irgendwie wieder rausmussten. Normalerweise hätte ich mich jetzt neu materialisiert, um das Problem zu beheben. Doch das ging ja nicht. Daher musste ich mich jetzt mit konventionellen Methoden behelfen. Ich überlegte, ob ich Brian danach fragen sollte, wie man das genau anstellt, entschied mich jedoch dagegen, da ihm diese Frage genau wie der NSA sicherlich sonderbar angemutet hätte. Nein, ich würde es selbst herausfinden müssen.
Ich wusste, dass man sich auf diese Toilette setzen musste. Und das sicherlich ohne Kleidung, damit die überschüssige Flüssigkeit ungehindert abfließen konnte. Also zog ich die Hose herunter und setzte mich hin. Im gleichen Moment entleerte sich meine Blase ganz von selbst. Und es tat unsagbar gut! Ich war begeistert. Irgendwann hörte das dann von selbst wieder auf. Ich nahm mir etwas Papier, um mich abzutrocknen, und zog meine Hose wieder hoch. Ich war sehr stolz, wie mühelos ich diese Aufgabe soeben gemeistert hatte.
Brian benutzte die Toilette nach mir auf ähnliche Weise. Bevor er ins Bett kam, wollte er noch einmal duschen und sich die Zähne putzen. Er meinte, dass ich meine Zähne auch gerne schon putzen könne, während er unter der Dusche steht. Das hatte ich bisher jedoch noch nie getan. Ich wusste nicht so recht, wie das ging. Auch hatte ich keine Zahnbürste. Bisher hatte ich mich ja einfach immer neu materialisiert, da war Körperhygiene nicht notwendig gewesen.
»Ich habe leider keine Zahnbürste«, sagte ich.
»Dann ist sie wohl in der Villa liegen geblieben«, schlussfolgerte er, während er unter der Dusche stand. »Du kannst gerne meine nehmen. In meinem Kulturbeutel sind auch noch ein paar Ersatzbürsten. Nimm dir einfach eine davon.«
Es gab nur ein Gerät in seinem Beutel, das auf mich den Anschein erweckte, als könnte man sich damit die Zähne reinigen. Tatsächlich fand ich dann auch die Ersatzbürsten, die er erwähnt hatte. Ich zog also seine Bürste von dem kleinen Gerät, das in etwa die Größe von Avas kleinem Delfin hatte, und steckte eine neue drauf. Danach betätigte ich den Schalter auf dem Gerät, woraufhin die Bürste sehr schnell zu vibrieren begann. Ich steckte sie in den Mund und bewegte sie über die Zähne. Das fühlte sich sehr lustig an. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das richtig machte, daher beschloss ich aufzuhören, bevor Brian aus seiner Dusche kam, damit ich ihm dabei zuschauen konnte, wie er dieses Gerät benutzte.
Ich erkannte schnell, dass ich es fast richtig gemacht hatte. Man musste zuvor nur noch eine weiße zähe Masse aus einer Tube auf die Bürste drücken und dann zuerst die Bürste an die Zähne halten, bevor man den Anschaltknopf drückte. Jetzt wusste ich also auch, wie man richtig Zähne putzt, und fühlte mich deshalb dem Zusammenleben mit Brian gewachsen. Es sollte keine weiteren Schwierigkeiten geben. So kompliziert war das ja alles nicht.
Während Brian seine Zähne fertig putzte, zog ich schon einmal meine Kleidung aus und legte mich ins Bett. Als er schließlich zu mir kam, lächelte ich ihn in freudiger Erwartung an.
»Na, du scheinst ja noch nicht so richtig müde zu sein«, meinte er dann.
»Ich freue mich sehr darauf, mit dir zu kuscheln«, sagte ich. »Oder Löffelchen liegen. Das ist auch sehr schön.«
»Ja, darauf freue ich mich ebenfalls sehr«, meinte er liebevoll lächelnd.
»Dann musst du aber noch deine Kleidung ausziehen«, sagte ich, denn er trug immer noch ein T-Shirt und seinen Slip.
»Das ziehe ich im Bett aus. Wegen den ganzen Kameras hier«, fügte er hinzu und schlüpfte zu mir unter die Bettdecke. »Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass wir sogar im Schlafzimmer und im Bad permanent von Kameras überwacht werden.«
»Ich denke nicht, dass wir hier rund um die Uhr von Agenten beobachtet werden. Die NSA hat sicherlich Wichtigeres zu tun. Vermutlich schauen sie nur hier rein, wenn es einen triftigen Grund dafür gibt. Wenn zum Beispiel die Bewegungsmelder, die es hier überall gibt, eine Person zu viel melden oder wenn die sensiblen Überwachungsmikrofone etwas Verdächtiges aufnehmen. Da gibt es bestimmt Computer, die solche verdächtigen Aktivitäten registrieren und dann Alarm schlagen. Ansonsten wird vermutlich alles, was wir hier tun, aufgezeichnet, aber gar nicht groß angeschaut.«
»Ja, kann gut sein«, meinte Brian, während er unter der Decke sein T-Shirt und seinen Slip auszog. »Ich fühle mich trotzdem irgendwie die ganze Zeit über beobachtet. Aber du hast sicherlich recht. Das ist bestimmt nur ein Gefühl.«
Nachdem Brian nackt war, kuschelte ich mich wieder wie gewohnt in seinen Arm und streichelte seine Brust. Und er streichelte wieder zärtlich meinen Rücken, was mir wunderschöne Schauer über die Haut jagte.
»Ich möchte, dass du weißt, dass ich auf jeden Fall immer bei dir bleiben werde«, sagte er dann nach einer Weile. »Selbst wenn sie uns für immer hier einsperren sollten. Ich lasse dich nicht alleine. Was auch immer kommen mag!«, betonte er und küsste mich auf die Stirn.
»Ich werde ebenfalls immer für dich da sein«, versprach ich. »Nichts und niemand wird mich davon abhalten können.«
»Das mit unseren Ella-Camps werden wir wohl knicken können«, meinte er. »Selbst wenn sie dich irgendwann hier rauslassen sollten, wirst du ja trotzdem weiterhin beschützt werden müssen. Die ausländischen Geheimdienste werden sicherlich auch in Zukunft jede Gelegenheit nutzen, um dich in ihre Finger zu kriegen. Und wenn es nicht die Geheimdienste sind, dann ist dein Leben durch irgendwelche Stalker, religiöse Fanatiker oder andere Irre gefährdet, die der Meinung sind, dass es niemanden auf der Welt geben sollte, der allen anderen Menschen in Sachen Intelligenz so weit überlegen ist. Wir werden nie wieder ohne den Schutz der Regierung leben können. Gewöhnliche Leibwächter werden dazu jedenfalls nicht genügen. Du musst von einer ganzen Armee beschützt werden. Alles andere ist völlig unrealistisch. Und da habe ich überhaupt keine Idee, wie wir es anstellen sollen, dass deine Erkenntnisse die Menschheit erreichen. Du könntest höchstens Bücher schreiben. Aber mehr fällt mir dazu echt nicht ein.«
»Da wird sich ganz sicher eine Lösung finden«, sagte ich und dachte an die Guardian-Angels, die jede mögliche Gefahr mühelos von uns abwenden würden. Keine Armee dieser Welt konnte es mit den Guardian-Angels aufnehmen. Doch leider musste ich das für mich behalten. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass auch die NSA davon ausgehen musste, dass es diese von Brian befürchteten Bedrohungen tatsächlich gab. Es würde wirklich schwierig für sie werden, eine sichere Möglichkeit außerhalb dieses Bunkers zu finden, wo ich den Menschen helfen könnte, ihre Innenwelt besser zu verstehen. Doch Ella würde eine Lösung finden. Ella fand immer eine Lösung.
»Komm, lass uns jetzt Löffelchen liegen und einschlafen!«, bat ich und drehte mich um, damit Brian sich hinter mich legen konnte. »Morgen ist auch noch ein Tag, an dem wir über eine Lösung nachdenken können. Ich bin sicher, wir werden eine finden.«
Ich erwachte am nächsten Morgen, als die Beleuchtung in unserer Residenz auf eine Sonnenaufgangssimulation umstellte. Es gab in unserem Schlafzimmer die Attrappen von zwei großen Fenstern. Eines geradeaus vor unserem Bett, das andere an der Wand auf meiner Bettseite. Das auf meiner Seite zeigte das Panoramabild einer ländlichen Umgebung. Man hatte den Eindruck, als würde man durch dieses Fenster aus dem ersten Stock eines Farmhauses heraus auf eine weite Wiese schauen, auf der große, runde Heuballen herumlagen. Aus dem anderen Fenster heraus schaute man aus derselben Perspektive auf ein Maisfeld. Über Nacht waren diese Bilder dunkel gewesen. Im Moment sah es gerade so aus, als würde die Morgendämmerung anbrechen. Und dann wurde die Beleuchtung an beiden Fenstern ganz allmählich immer heller. Ich spürte, wie ich mich bei diesem Anblick immer wacher fühlte. Am Ende waren die beiden Fenster strahlend hell und erleuchteten den gesamten Raum. Es war ein angenehmes Tageslicht, welches tatsächlich sehr natürlich wirkte. Ich fühlte mich wach und erfrischt und freute mich auf den kommenden Tag.
Brian erwachte ebenfalls und streckte sich. »Guten Morgen, Lieblingsmensch«, sagte er liebevoll zu mir. »Hast du gut geschlafen?«
»Ja, sehr gut. Und du?«, wollte ich wissen.
»Auch sehr gut. Wenn du bei mir bist, schlafe ich immer gut.«
»Eigentlich wollte ich ja gestern Nacht noch viel länger mit dir kuscheln. Doch scheinbar bin ich sofort eingeschlafen.«
»Dann sollten wir das Kuscheln jetzt nachholen«, meinte er lächelnd und zog mich zu sich in seinen Arm.
Plötzlich hörten wir laute Stimmen aus dem Nachbarapartment. Dort wohnten Ava und Jason.
»Ich befürchte, bei den beiden hängt der Haussegen im Moment ganz schön schief«, meinte Brian. »Ich hatte gestern Abend schon das Gefühl, dass es da mächtig kriselt.«
»Du meinst, sie haben immer noch Beziehungsprobleme?«, fragte ich verwundert. »Eigentlich war Ava der Meinung, dass sie jetzt kein Minenfeld mehr ist.«
»Das wird vermutlich auch so sein. Doch ich denke, dass es damit alleine nicht getan ist. Da hat sich im Laufe der Zeit sicherlich einiges angesammelt.«
»Und was kann man da machen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht Paartherapie. Oder du redest einfach einmal mit den beiden. Vielleicht erkennst du ja wieder irgendeinen Instinkt, der reguliert werden muss. Ich hoffe von Herzen, dass die beiden das geregelt kriegen, denn das hört sich gerade gar nicht gut an, was da nebenan vor sich geht.«
»Meinst du, ich sollte jetzt einfach einmal zu ihnen rübergehen?«
»Ich denke nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist. Vermutlich ist es auch besser, wenn du erst einmal mit Ava alleine redest. Jason kennt dich ja noch gar nicht. Der würde sich vermutlich überrumpelt fühlen, wenn du jetzt einfach bei ihnen anklopfst und fragst, wo denn genau das Problem liegt. Ich denke, dass er dich erst besser kennenlernen muss, bevor er bereit ist, mit dir zu reden. Es kann aber leider auch sein, dass das nie der Fall sein wird. Nicht alle Menschen sind bereit, über ihre Gefühle zu sprechen.«
In diesem Moment hörten wir, wie eine Zimmertür laut zugeknallt wurde und eine offensichtlich sehr wütende Ava das Apartment verließ.
»Vielleicht nutzt du die Gelegenheit und redest gleich mal mit ihr«, schlug Brian vor.
Ich stand schnell auf, holte mir frische Kleidung aus meinem Koffer und verschwand kurz im Bad, denn ich musste zuvor noch einmal dringend meine Blase entleeren. Das war aber wie schon gestern Abend schnell erledigt. Dann schlüpfte ich in das leichte Sommerkleid, das ich mir aus dem Koffer gezogen hatte. Daraufhin verließ ich eilig unser Apartment, um Ava zu suchen.
Ich vermutete, dass sie sich irgendwo im Untergeschoss befand, denn hier oben konnte ich sie nirgendwo sehen. Ich musste nicht lange suchen, denn ich hörte bereits ihre aufgebrachte Stimme, als ich die Treppe hinunterging. Sie redete offenbar mit sich selbst. Worum es bei ihren Aussagen genau ging, verstand ich nicht. Ich fand sie dann im Salon. Sie saß auf einem Ledersessel ganz hinten auf der rechten Seite des Raumes.
»Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte ich sie vorsichtig und setzte mich auf den Sessel neben ihr.
»Der kann so ein riesen Arschloch sein!«, sagte sie aufgebracht. »Was glaubt der denn, wer er ist?! Ich habe so langsam die Schnauze gestrichen voll. Das kannst du mir glauben.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich würde ihm die Luft zum Atmen nehmen mit meinem ständigen Mikrocontrolling, hat er gesagt. Er fühlt sich von mir permanent gemaßregelt und eingeengt, hat er gesagt. Ich sei nicht mehr die Frau, in die er sich verliebt habe. Und er würde sich an meiner Seite immer mehr zu einem Menschen entwickeln, der er überhaupt nicht sein will. Von mir höre er immer nur ich, ich und nochmals ich. Es ginge immer nur darum, was ich möchte, was ich brauche, was ich will. Immer nur ich, ich, ich. Was ihm wichtig wäre, sei mir völlig egal. Von mir aus kann dieses Arschloch gleich wieder nach Hause fliegen. Darauf habe ich echt keinen Bock. So eine Scheiße muss ich mir nicht geben.«
Ich wusste nicht, was ich Hilfreiches dazu sagen könnte. Offensichtlich hatten sich zwischen den beiden wirklich eine ganze Menge Probleme angesammelt, wie Brian bereits vermutet hatte. Es war klar, dass das Umwandeln eines einzelnen Gefühlsziels in ein reales Ziel da nicht ausreichen würde.
»Das tut mir so leid für dich«, sagte ich mitfühlend und nahm sie in den Arm, woraufhin sie sofort zu weinen anfing. »Es muss sehr wehtun, wenn man jemanden so sehr liebt wie du deinen Mann und der solch böse Dinge zu einem sagt. Das würde mir ganz genauso gehen.«
Ava weinte bitterlich, was mir fast das Herz zerriss. Da liebten sich zwei Menschen so sehr, und taten sie sich gegenseitig trotzdem so sehr weh. Wie konnte das sein?
»Warum sagt er denn solche Sachen?«, fragte ich deshalb ahnungslos. »Er liebt dich doch über alles, hast du mir in der Villa gesagt, als wir über seine schlechten Komplimente gesprochen haben. Meinst du, er liebt dich vielleicht doch nicht?«
»Ich weiß, dass dieser Hornochse mich liebt«, antwortete sie. »Die Liebe ist nicht unser Problem. War sie noch nie. Wir kriegen es einfach nicht hin miteinander. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Ich will nicht, dass wir uns scheiden lassen.«
»Es wird bestimmt einen anderen Weg geben. Es liegt bei euch beiden bestimmt auch wieder nur an irgendeinem Gefühlsziel, das eure Instinkte verarscht. Vielleicht sind es auch mehrere. Aber ich bin sicher, dass wir das gemeinsam in Ordnung bringen können.«
»Das hatte ich ja auch gehofft«, sagte sie und begann erneut zu weinen. »Das war ja der Grund für unseren Streit. Ich wollte, dass er mal mit dir redet über seine Probleme, die er mit mir hat. Ich habe mich ja geändert. Doch das ist bei ihm irgendwie noch gar nicht angekommen. Er hat sich dann geweigert, mit dir zu reden. Und da bin ich ausgerastet. Ich kann unsere Beziehung nicht alleine in Ordnung bringen. Er muss da auch seinen Betrag dazu beisteuern. Doch er steht auf dem Standpunkt, dass ich alleine für alle Probleme verantwortlich bin. Er gibt mir die Schuld an allem.«
»Kann es vielleicht sein, dass er sich dabei zu sehr von dir bedrängt gefühlt hat? Wir haben ja gestern über diesen Freiheitsinstinkt gesprochen. Der erzeugt ja rein aus Prinzip schon einmal solche Gefühle, auch wenn es da in der Praxis gar kein echtes Bedrängen deinerseits gibt. Doch wenn Jason ein Gefühlsziel daraus gemacht hat, sich nicht bedrängt fühlen zu wollen, wird sein Großhirn diese falsche instinktive Beurteilung nicht korrigieren. Und dann fühlt er sich ständig wegen Nichtigkeiten bedrängt. Einfach aus Prinzip. Kann das vielleicht sein?«
»Keine Ahnung«, meinte sie kopfschüttelnd. »Aber um das herauszufinden, müsste er ja wenigstens mal bereit sein, mit dir darüber zu sprechen. Doch das lehnt er kategorisch ab.«
»Brian meinte, dass Jason mich sicherlich erst einmal besser kennenlernen müsste, bevor er bereit wäre, mit mir über seine Probleme zu sprechen. Er kennt mich ja noch gar nicht so richtig. Und Freunde sind wir ja auch noch nicht. Zwischen dir und mir ist innerhalb weniger Tage eine tolle Freundschaft entstanden, da ist es sicherlich normal, dass man miteinander über seine Probleme redet. Doch bei Jason und mir ist es natürlich noch ganz anders. Vielleicht solltest du ihm einfach mehr Zeit geben und sich alles in seinem Tempo entwickeln lassen. Ich kann verstehen, dass du so schnell wie möglich deine Beziehung in Ordnung bringen möchtest, aber wenn du etwas schneller als möglich hinkriegen willst, dann kann das nur zu Problemen führen. Schneller als möglich ist eben einfach nicht möglich.«
»Kann schon sein, dass ich ihn vielleicht zu sehr gedrängt habe«, gab sie zerknirscht zu. »Vermutlich hätte ich an seiner Stelle ganz ähnlich reagiert. Ich dachte, dass meine Freunde auch seine Freunde sind. Aber du hast recht. Er kennt dich ja eigentlich noch gar nicht. Und was soll ich jetzt machen?«, fragte sie ratlos.
»Das weiß ich leider auch nicht. Mit zwischenmenschlichen Beziehungen kenne ich mich nicht aus. Aber vielleicht wäre es ein Anfang, wenn du dich erst einmal dafür entschuldigst, dass du ihn bedrängt hast«, spekulierte ich.
»Ich soll mich entschuldigen, obwohl er diese ganzen verletzenden Dinge gesagt hat?!«, fragte sie aufgebracht. »Er sollte sich erst einmal bei mir entschuldigen!«
»Und was ist, wenn er derselben Meinung ist?«, fragte ich. »Dann wird keiner den ersten Schritt machen.«
»Das werden wir ja sehen!«, sagte sie mit einem feindseligen Blick. »Ich werde ihn so lange ignorieren, bis er sich bei mir entschuldigt. Ich mache sicher nicht den ersten Schritt nach alldem, was er da eben vom Stapel gelassen hat. Wenn er denkt, dass er mich wie ein Stück Scheiße behandeln kann, dann werden wir sehen, wer den längeren Atem hat. Was der kann, kann ich schon lange!«
»Ich kann dich verstehen. Du fühlst dich sehr verletzt von ihm, und das tut jetzt sehr weh. Und es kann auch durchaus sein, dass du diesen Kampf letztendlich gewinnen wirst. Doch dieser Krieg wird niemals aufhören, solange ihr nicht beide aufhört zu kämpfen. Er kann dann nur mit einer Trennung enden. Ich denke nicht, dass es das ist, was ihr beide wollt.«
»Ich habe diesen Krieg nicht begonnen«, erwiderte sie. »Und ich will ihn auch nicht. Aber ich will mich hier auch nicht zum kompletten Deppen machen lassen. Er hat mich gedemütigt und beleidigt. Das lasse ich nicht auf mir sitzen. Er ist derjenige, der jetzt wieder auf mich zukommen muss. Nicht ich auf ihn!«
»Du kennst deinen Mann natürlich besser als ich. Ich will dir da auch nicht reinreden. Ich habe vielleicht auch eine völlig falsche Sichtweise. Für mich wäre es nicht relevant, wer den Krieg begonnen hat. Für mich wäre es viel bedeutsamer, wer ihn beendet. Denn derjenige wäre für mich eindeutig der Stärkere und Klügere. Aber wie gesagt, ich will dir da nicht reinreden. Ich habe von Partnerbeziehungen einfach keine Ahnung. Ich weiß nicht, was da richtig ist.«
»Du meinst, ich wäre die Stärkere, wenn ich jetzt den ersten Schritt machen würde?«, hakte sie irritiert nach.