Seven Sexy Sins - 7-teilige Miniserie - Naima Simone - E-Book

Seven Sexy Sins - 7-teilige Miniserie E-Book

Naima Simone

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Beschreibung

Vor fünfzehn Jahren verschwand der Manager des Black Crescent Hedgefonds aus Falling Brook in New Jersey spurlos – und nahm das Geld der einflussreichsten Familien mit. Dieser Verrat hat die sieben Erben geprägt, doch jetzt müssen sie die Sünden der Vergangenheit überwinden. Erleben Sie sieben sexy Geschichten voller Glamour und sinnlicher Leidenschaft!

DER STOLZE MILLIONÄR von NAIMA SIMONE

VERBOTENE LUST IM PARADIES von KAREN BOOTH

UNERSÄTTLICHES VERLANGEN NACH DIR von YAHRAH ST. JOHN

DER SINNLICHE PLAN DES MILLIARDÄRS von JULES BENNETT

EIN GEFÄHRLICH EROTISCHES BEGEHREN von JOSS WOOD

UNBEZÄHMBARE LEIDENSCHAFT von CAT SCHIELD

WIE EIN WILDES FEUER von JANICE MAYNARD

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Seitenzahl: 1422

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Naima Simone Karen Booth St. John Jules Bennett Joss Wood Cat Schield Janice Maynard
Seven Sexy Sins - 7-teilige Miniserie

Seven Sexy Sins - 7-teilige Miniserie

Cover

Titel

Inhalt

Der stolze Millionär

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

Verbotene Lust im Paradies

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

EPILOG

Unersättliches Verlangen nach dir

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

17. KAPITEL

EPILOG

Der sinnliche Plan des Milliardärs

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

17. KAPITEL

18. KAPITEL

Ein gefährlich erotisches Begehren

Cover

Titel

Impressum

PROLOG

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

Unzähmbare Leidenschaft

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

Wie ein wildes Feuer

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

Guide

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Contents

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.) Produktion: Christina Seeger Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2020 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Ruthless Pride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA , Band 2193 7/2021 Übersetzung: Eva Westphal

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 7/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751503747

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Wenn dein Erfolg auf harter Arbeit und Ehrlichkeit beruht, dann brauchst du dich niemals dafür zu entschuldigen.

Im Stillen wiederholte Joshua Lowell diesen Spruch von Frank Sonnenberg, der das Lieblingszitat seines Vaters gewesen war. Dann rieb Joshua sich die Schläfen und stöhnte leise. Hätte sein Vater sich doch nur an seine eigenen Regeln gehalten. Gemessen an diesem Zitat, müsste sein Vater sich für eine Menge Dinge entschuldigen – wo auch immer er gerade stecken mochte.

Erneut blickte Joshua auf die Tabellen auf seinem Schreibtisch, die die Umsätze des Black Crescent Hedgefonds aus einem Investment in eine Telekommunikationsfirma im letzten Monat zusammenfassten. Im Vergleich zum letzten Jahr warf das Investment mittlerweile gute Profite ab, und die Kunden des Hedgefonds durften eine mehr als bescheidene Rendite erwarten. Auch Black Crescent würde natürlich daran verdienen.

Doch im Gegensatz zu seinem Vater hatte Joshua weniger riskante Investitionen getätigt, hatte Geld in Aktien, Anleihen, den Rohstoffmarkt und in Immobilien angelegt. Vernon Lowell war ein Draufgänger gewesen, wenn es ums Geschäft ging, und zunächst war er mit diesen Methoden zu einem der reichsten Männer im Dreistaateneck von New York, New Jersey und Connecticut geworden. Aufgrund seiner Tatkraft und Risikobereitschaft hatte er es geschafft, seine handverlesenen Kunden dazu zu bringen, ihre Investitionen in den Fonds ebenfalls zu erhöhen. So war der Black Crescent Hedgefonds zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten geworden.

Und Vernon Lowells Kunden hatten Millionen verloren. Er hatte sie in den Ruin getrieben.

Das war der Grund dafür, dass Joshua weiterhin seinen eigenen Kurs fuhr, auch wenn seine Kritiker seine Investmentstrategie unflexibel und zu zurückhaltend fanden. Es hingen einfach zu viele Existenzen davon ab, dass Joshua die richtigen finanziellen Entscheidungen traf. Auf keinen Fall wollte er der nächste Lowell sein, der das Vertrauen dieser Menschen missbrauchte. Der sie zugrunde richtete.

Als Vernon Lowell abgetaucht war, war Joshua der Einzige aus der Familie Lowell gewesen, der übrig geblieben war. Sein Vater war verschwunden und hatte nicht nur das Geld seiner Kunden, sondern auch das Vermögen seiner Familie mitgenommen. Obwohl Joshua also am liebsten laut geschrien hätte, wie ungerecht das alles war, obwohl er seiner Trauer darüber, dass er seine eigenen Träume hatte aufgeben müssen, und seiner Scham laut Ausdruck verleihen wollte – er konnte sich keine Schwäche leisten.

Wortwörtlich.

„Josh, hast du mir überhaupt zugehört? Natürlich nicht“, stieß Haley Shaw, seine Sekretärin, aufgebracht hervor. „Vielleicht ignorierst du mich auch einfach, aber du solltest mittlerweile wissen, dass das nichts bringt. Was auch immer du gerade machst, es kann ein paar Minuten warten. Das hier ist wichtig.“ Sie klang eindringlich.

„Nicht jetzt, Haley.“ Joshua hob nicht einmal den Blick von den Tabellen.

„Tut mir wirklich leid, dass ich Sie störe“, vernahm er da eine andere Stimme – kurz angebunden, heiser, aber eindeutig weiblich. Tatsächlich klang die Frau keineswegs so, als täte es ihr leid. „Aber ich fürchte, es muss doch jetzt sein.“

Zu beiden Seiten seines Bildschirms stützten sich Hände mit schlanken, ungeschmückten Fingern auf die Tischplatte. Überrascht konnte Joshua einige Sekunden lang nichts anderes tun, als diese zarten Hände anzuschauen. Die kurzen, unlackierten Fingernägel und die blauen Adern, die sich unter der gebräunten Haut abzeichneten. Warum hatte er plötzlich das seltsame Bedürfnis, die Lippen auf die weiche Stelle direkt an ihrem Handgelenk zu legen und daran zu knabbern?

Verdammt noch mal. Das waren doch bloß Hände!

Doch obwohl er sich selbst im Geiste zurechtrief, ließ er den Blick an den Armen in der weißen Bluse hinauf nach oben zu den schmalen Schultern wandern –zum Teil verdeckt von schimmerndem hellbraunen Haar –, zum eleganten Hals und dem spitzen Kinn, das Sturheit verriet, dann zu ihrem Gesicht, das … Verdammt noch mal …

Bedächtig lehnte Joshua sich in seinem Bürostuhl zurück, darauf bedacht, sich nichts anmerken zu lassen. Er zwang sich, den kühlen und beherrschten Gesichtsausdruck aufzusetzen, der seit fünfzehn Jahren seine erste und beste Verteidigungslinie war. Aber in seinem Innern … In seinem Innern tobte die Lust wie ein Hurrikan, fest entschlossen, alles zu zerstören, was ihm in die Quere kam. Im Moment war Joshua ihm hilflos ausgeliefert, und er spürte, wie ihn dieser Sturm bis in die Grundfesten erschütterte.

In ihren dichtbewimperten silbergrauen Augen konnte er brennende Wut lesen, die sie kaum verbergen konnte. Ihre markanten Wangenknochen verliehen ihrem sonst so elfenhaften Gesicht eine entschlossene Stärke. Beim Anblick ihrer Lippen musste Joshua seine Armlehnen packen und sich daran festklammern wie ein Ertrinkender an einem Rettungsring – obwohl er nichts lieber getan hätte, als in dem Ozean zu versinken, den ein Kuss von diesen Lippen eröffnen würde. Er wollte dieser Frau zeigen, wofür ihr Mund gemacht worden war und wie sie beide das schmutzigste Vergnügen miteinander teilen konnten.

Sein wilder Herzschlag trieb ihm das Blut zwischen die Beine, und Joshua konnte an kaum etwas anderes denken als an das Verlangen, das ihn durchströmte.

Seine Reaktion auf diese Fremde, die unangekündigt in sein Büro gestürmt war, verunsicherte ihn. Finster blickte er sie an und verzog die Mundwinkel zu einem höhnischen Lächeln.

Haley seufzte schwer. „Josh, darf ich dir Sophie Armstrong vorstellen?“ Sie klang erschöpft und resigniert.

„Ich kenne keine Sophie Armstrong“, erklärte er seiner Sekretärin, hielt den Blick aber immer noch auf die Frau gerichtet, die vor ihm stand. Vielleicht weil ihm instinktiv klar war, welche Bedrohung sie für ihn darstellte. Eine Bedrohung für seinen Terminplan, für seinen Businessplan … für seine Selbstbeherrschung.

„Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, auf eine meiner E-Mails zu antworten oder ans Telefon zu gehen, dann würde Ihnen der Name vielleicht bekannt vorkommen“, gab sie aufgebracht zurück und hob eine dunkle Augenbraue. „Ich versuche schon lange, Sie zu kontaktieren, Mr. Lowell, und Sie sind jedem meiner Versuche aus dem Weg gegangen.“

Joshua runzelte die Stirn. Es stimmte schon, dass er in letzter Zeit beschäftigter gewesen war als sonst, aber er würde sich daran erinnern, wenn sie ihn angerufen hätte. „Ich gehe niemandem aus dem Weg.“ Nicht einmal dann, wenn er es sich sehnlichst wünschte. „Allerdings weiß ich es nicht zu schätzen, wenn jemand ohne Manieren oder gesunden Menschenverstand in mein Büro platzt, obwohl er weder eingeladen ist noch einen Termin hat. Aber jetzt, da Sie schon mal hier sind: Sie haben dreißig Sekunden – und das sind neunundzwanzig Sekunden mehr, als ich jedem anderen zugestehen würde –, um zu erklären, wovon, zur Hölle, Sie überhaupt sprechen.“

Andere wären bei dem eisigen Zorn in seiner Stimme vielleicht zurückgeschreckt, doch Sophie Armstrong zuckte nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen erwiderte sie seinen Blick genauso eisig. Eine Sekunde lang war Joshua überrascht. Er war nicht arrogant, aber er kannte seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht, wobei sein Reichtum ebenso zu seiner Beliebtheit beitrug wie sein gutes Aussehen. Über einen Mangel an weiblicher Aufmerksamkeit konnte er sich bestimmt nicht beklagen. Oder über einen Mangel an Sex.

Doch in den Augen dieser Frau hätte er genauso gut Quasimodo sein können, der eine Pause von seinem Glöcknerjob in Notre Dame einlegte und es sich im Hauptquartier von Black Crescent gemütlich gemacht hatte. Sophie Armstrong machte sich nichts aus ihm und setzte auch ihre eigenen Reize nicht ein, um sich irgendwelche Vorteile zu verschaffen. Nicht, dass das bei Joshua überhaupt funktioniert hätte.

Im Gegenteil, statt charmant und betörend war diese Frau streitlustig und verächtlich.

Und verdammt noch mal, das war viel heißer als jeder Flirtversuch!

Sie griff in ihre Handtasche, holte einen Stapel Papiere heraus und knallte sie auf Joshuas Schreibtisch. „Hiervon spreche ich. Von all den E-Mails, die ich Ihnen geschickt habe. Und ich kann gern mein Handy rausholen und Ihnen die Liste der Anrufe zeigen und alle Nachrichten vorspielen, die ich auf Ihre Mailbox gesprochen habe. Es sind fünfzehn. Und in jeder davon bitte ich Sie freundlich um einen zeitnahen Rückruf. Offensichtlich gab es da ein kleines Missverständnis. Ich verstehe unter ‚zeitnah‘ so viel wie ‚in den nächsten Tagen‘. Vielleicht dachten Sie, ich spreche von Wochen oder Monaten?“

Bevor er es verhindern konnte, musste Joshua schmunzeln. Er sollte sie nicht amüsant finden! Und zeigen sollte er ihr das erst recht nicht.

„Jetzt haben Sie noch fünf Sekunden“, gab er ihr zu verstehen. Mit einer Willenskraft, die er in Jahrzehnten der Verzweiflung, Erniedrigung und des Stolzes gestählt hatte, wandte Joshua den Blick von ihr ab und schaute wieder auf seinen Bildschirm. „Ich schlage vor, dass Sie das Beste daraus machen.“

Tatsächlich stieß sie einen missbilligenden Laut aus, und das Echo dieses Geräuschs drang durch seinen Körper und brachte alle Muskeln dazu, sich vor Erregung anzuspannen. Beinah hätte Joshua laut aufgestöhnt. Im Geiste sah er sie vor sich, wie sie den Kopf in den Nacken warf, ihr Haar auf seinem dunklen Bettlaken ausgebreitet, und wie kleine Schweißperlen an ihrem schlanken Hals hinabrannen.

Verdammt noch mal, er musste diese Frau aus seinem Büro herausbekommen.

„Ich nehme an, Ihr königliches Gehabe imponiert anderen, aber was mich angeht, muss ich Sie enttäuschen. Das zieht bei mir nicht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und selbst wenn alle Engel des Himmels hinabgestiegen wären, um Joshua davor zu warnen, seinen niederen Trieben nachzugeben – er hätte trotzdem nicht verhindern können, dass sein Blick auf ihre kleinen Brüste fiel, die sich unter der weißen Bluse abzeichneten. Das Schuldgefühl folgte auf dem Fuße, heiß und heftig. Joshua war nicht wie sein Vater, er begaffte Frauen nicht und behandelte sie nicht wie hübsche Gegenstände, die nur zu seinem Vergnügen da waren. Auch keine Frauen, die ihn zur Weißglut trieben, und das auf mehr als eine Art.

„Ich sage es Ihnen noch einmal – so wie in meinen letzten Nachrichten und E-Mails. Ich werde diese Story schreiben, egal ob mit Ihnen oder ohne Sie. Aber mit Ihnen wäre sie sicherlich besser.“

Story? Welche Story?

Eine ungute Vorahnung beschlich Joshua, machte sich in seiner Brust breit und hinterließ nagende Unsicherheit.

„Ich kann mich nur wiederholen“, erwiderte er, und sein ruhiger Tonfall verriet nichts von der aufkeimenden Panik, die seine Sicht verschwimmen ließ und sich wie ein Schraubstock um seinen Brustkorb legte. „Wovon sprechen Sie?“

„Von dem Jubiläumsartikel über das Fiasko mit dem Black Crescent Hedgefonds, den ich für den Falling Brook Chronicle schreibe. Und im Gegensatz zu allen anderen Artikeln, die über diese Zeit erscheinen, möchte ich in meinem Artikel ein Interview mit dem derzeitigen CEO von Black Crescent.“

Jetzt wurde Joshua wütend, sein Zorn so kristallklar und scharf, dass er damit Glas hätte schneiden können. Verschwinden Sie , wollte er sie anschreien, doch er weigerte sich, dieser Frau zu zeigen, dass sie irgendeine emotionale Reaktion in ihm auslöste. Diese Frau wollte die schlecht verheilten Wunden seiner Vergangenheit wieder aufreißen und einer neugierigen Öffentlichkeit präsentieren. Joshua hatte keine Lust, diesen Albtraum erneut zu durchleben, in dem sein Vater die Konten der Familie plünderte, seine Kunden um Millionen betrog und spurlos mit dem Geld verschwand, während er Joshua, seine Mutter und seine Brüder über die Klinge springen ließ. Das Gefühl der vorwurfsvollen Blicke auf ihm, das nicht ganz so leise Flüstern, das ihnen auf Schritt und Tritt folgte. Das erdrückende Schuldgefühl darüber, dass zehn Familien ruiniert und mittellos zurückgeblieben waren, weil sein Vater so gehandelt hatte. Der qualvolle Schmerz bei dem Gedanken daran, dass sein Vater, der Mann, der ihn geliebt und großgezogen hatte, den Joshua respektiert hatte, ihn einfach im Stich gelassen hatte.

Diese Frau hatte ja keine Ahnung, wie schwer diese Schuld und diese Verantwortung auf ihm lasteten. Wie sehr sie ihn manchmal erdrückten. Wie sehr es ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, mit diesen Gefühlen umzugehen. Als sein Vater verschwunden war, hatte er niemanden gehabt, auf den er sich verlassen konnte, während er versuchte, den geschädigten Familien ihr Geld zurückzuzahlen, damit sie ihn nicht verklagten und er auch noch das wenige verlor, das sein Vater ihm gelassen hatte. Als seine Mutter sich aus dem öffentlichen Leben von Falling Brook in New Jersey zurückgezogen hatte. Als sein Zwillingsbruder Jake nach Europa geflüchtet war, um seine Sorgen beim Backpacking zu vergessen. Als sein jüngster Bruder Oliver das College geschmissen hatte, um stattdessen jede Nacht eine andere Frau abzuschleppen, und eine Kokainsucht entwickelt hatte.

Joshua hatte die beste Ausbildung genossen – auf Drängen seines Vaters hatte er an seinem Elite-College natürlich auch Wirtschaftskurse besucht –, aber nichts hätte ihn auf diese Einsamkeit, den Schmerz und die Angst vorbereiten können, die es mit sich brachte, wenn man nicht nur für die eigene Familie, sondern auch noch für das Schicksal von zehn weiteren verantwortlich war. Bereits in jungen Jahren hatte er die schwere Entscheidung treffen müssen, seine eigenen Träume zu begraben, um die der anderen doch noch zu erfüllen.

Er war schnell erwachsen geworden. Zu schnell.

Und, verdammt noch mal, einen Artikel über seine Vergangenheit, geschrieben von einer ehrgeizigen Journalistin – ganz egal, ob diese Journalistin das Gesicht einer Elfenkönigin und den Körper eines Victoria’s-Secret-Models hatte –, konnte Joshua jetzt garantiert nicht gebrauchen. Er wollte nicht wieder an diese düsteren, verzweifelten Zeiten zurückdenken, in denen jeder Atemzug von Angst durchtränkt gewesen war.

Also sagte er: „Nein.“

Eines musste er ihr lassen: Bei dieser unverblümten Antwort zuckte sie nicht zusammen.

Stattdessen neigte sie den Kopf zur Seite, wobei ihr karamellbraunes Haar über ihre Schultern fiel, und betrachtete Joshua nachdenklich, als sei er ein Problem, das es zu lösen galt. Oder ein Gegner, den sie zu Boden ringen musste.

„Ich kann verstehen, warum Sie vielleicht anfänglich zögern, mit mir zu sprechen …“

„Oh, das können Sie verstehen, ja?“, unterbrach Joshua sie, wobei es ihm nicht gelang, den schneidenden Ton in seiner Stimme zu unterdrücken. Im Stillen fluchte er, weil er damit schon zu viel über sich verraten hatte. In den letzten fünfzehn Jahren hatte er gelernt, dass er es sich nicht leisten konnte, auch nur den Hauch einer Charakterschwäche zu zeigen, wenn er nicht wollte, dass man ihm vorwarf, er sei genau wie sein Vater. Anderen Leuten wurden Fehler verziehen, doch ihm begegnete man nicht mit derselben Höflichkeit. Die Fehltritte anderer waren privat, doch sobald Joshua einen Fehler machte, ließen sich sämtliche Print- und Onlinemedien darüber aus. Auch ihre Zeitung. „Also gab es in Ihrem Leben auch ein – wie haben Sie das ausgedrückt? – Fiasko, über das jede Zeitung im ganzen Land berichtet hat? Auch der Falling Brook Chronicle ? In dem, wenn ich mich recht erinnere, einer der beißendsten und kritischsten Artikel erschien? Na gut“, fuhr er fort, ohne ihr eine Gelegenheit zur Antwort zu geben, „da Sie das ja erlebt haben, können Sie sicherlich verstehen, warum ich dieses Gespräch hier und jetzt beende.“

„Ich habe die Artikel im Falling Brook Chronicle gelesen, und Sie haben recht. Die Berichterstattung war … sehr einseitig“, gab sie zu. In der kurzen Stille, die darauf folgte, konnte Joshua beinah hören, wie sie dachte: Aber wer will den Journalisten das verübeln? „Aber ich bin nicht wie diese Reporter. Sie kennen mich nicht, aber ich habe einen Masterabschluss in Journalismus von der Northwestern University. Während meines Studiums habe ich mich in einem Projekt engagiert, das dabei geholfen hat, einen unschuldig verurteilten Mann von einer lebenslangen Gefängnisstrafe freizusprechen. Außerdem habe ich eine Reihe von Preisen für meine Artikel und Reportagen gewonnen. Tatsächlich würde ich für den Artikel über Black Crescent gern eine andere Perspektive einnehmen und über Ihre Aktivitäten als Künstler berichten. Bei meinen Recherchen habe ich herausgefunden, dass Sie früher ein sehr talentierter Künstler …“

„Das reicht“, stieß Joshua zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, erhob sich und stützte die Hände auf die Tischplatte.

Verdammt noch mal. Der Schmerz saß in seiner Brust wie Glassplitter und flammte immer wieder neu auf.

Es war bestimmt fünfzehn Jahre her, dass ihn irgendjemand einen Künstler genannt hatte. Und genauso lange hatte er keinen Pinsel und keine Kamera mehr angerührt. Damals hatte er sich auf große Collagen spezialisiert – Werke, die auf Kriege, humanitäre Missstände und Menschenrechte aufmerksam machten. Er hatte sein Herz und seine Seele in diese Bilder gesteckt, hatte die Zeit vergessen und an nichts anderes mehr gedacht als an Fotografien, Ölfarben und alle anderen Werkstoffe, die den Gefühlen in seinem Inneren Ausdruck verleihen konnten: Metall, Zeitungen, Bücher, sogar Kleidungsstücke. Aber nachdem sein Vater verschwunden war, hatte Joshua solche kindischen Hobbys aufgegeben. So hatte Vernon seine Malerei zumindest immer genannt – ein kindisches Hobby.

Es war, als hätte er ein Stück seiner Seele amputiert. Und jetzt unterdrückte er seinen Zorn und seine Trauer, statt sie in seiner Kunst zu verarbeiten. Wenn er sie nicht länger unterdrücken konnte, dann machte er sich seine Wut zunutze, um Black Crescent voranzutreiben, noch erfolgreicher und noch profitabler zu machen. Oder er ließ sie an einem Boxsack im Fitnessstudio aus.

In der ganzen Katastrophe um den Black Crescent Fonds hatte Joshua vieles opfern müssen – seine Künstlerkarriere, seine Beziehung zu seinen Brüdern und seiner Mutter. Zurückgeblieben waren eine Menge Scham und Schuldgefühle und ein ruiniertes Familienunternehmen. Aber dafür hatte er sich nun einmal entschieden.

Alles, was ihm inmitten der verstreuten Asche dieser Katastrophe Halt gegeben hatte, waren die Bruchstücke seines Stolzes darüber gewesen, dass er die Stärke und das Rückgrat gehabt hatte, diese schweren Entscheidungen zu treffen.

Und jetzt wollte Sophie Armstrong ihm auch noch dieses letztes bisschen Würde nehmen.

Das würde sie aber nicht bekommen.

„Mr. Lowell …“, begann sie, doch Joshua schnitt ihr wieder das Wort ab.

„Ich bin sehr beschäftigt, und Sie haben schon weit mehr Zeit bekommen als die dreißig Sekunden, die ich Ihnen zugestanden habe. Sie müssen jetzt gehen“, befahl er, obwohl er wusste, dass seine Mutter die Lippen spitzen würde, wenn sie hören könnte, wie unhöflich er gerade war. Nicht, dass ihm das etwas ausmachen würde. Nicht wenn diese Frau hier vor ihm die Frechheit besaß, in einem Teil seines Lebens herumzuwühlen, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.

„Schön, dann gehe ich.“ Scheinbar gab sie nach, doch ihr Tonfall klang überhaupt nicht nachgiebig. Sie straffte die Schultern und reckte das Kinn. Obwohl sie mindestens dreißig Zentimeter kleiner war als Joshua, gelang es ihr trotzdem, ihn mit Blicken niederzustarren. „Sie können versuchen, die Vergangenheit auszulöschen, aber einige Dinge lassen sich nicht totschweigen, egal, wie sehr Sie auch versuchen, sie unter den Teppich zu kehren. Die Wahrheit kommt immer ans Licht.“

„Besonders wenn gewisse Journalisten nach Dreck graben, den sie in reißerische Schlagzeilen packen können, um ihre Verkaufszahlen zu steigern“, höhnte er.

Wütend presste sie die Lippen zusammen und funkelte ihn an. Joshua wartete unbeweglich ab, während sein Herz heftig gegen seinen Brustkorb schlug und die Anspannung sich in ihm ausbreitete.

Es war Jahr her, seit irgendjemand ihn herausgefordert hatte. Schließlich hatte er bewiesen, dass er der Sohn seines Vaters war – in finanziellen Dingen und was Rücksichtslosigkeit anging, wenn es denn sein musste. Aber Sophie Armstrong … Sie hatte die Gerüchte offenbar noch nicht gehört, denn sie starrte ihn mit hochroten Wangen an, als wollte sie ihm selbst jetzt noch am liebsten an die Kehle springen. War es anormal, dass ein Teil von ihm sich wünschte, sie würde es tun? Dass er spüren wollte, wie dieser kleine und doch so starke Körper sich gegen seinen drängte, während diese zarten und doch so fähigen Finger sich um seinen Hals legten, Druck ausübten, ihm den Atem nahmen, während er mit seinen Küssen dasselbe bei ihr versuchte?

Vielleicht war das ein bisschen ungewöhnlich. Aber auf jeden Fall verdammt schmutzig.

Und trotzdem … nur allzu lebhaft konnte Joshua sich vorstellen, wie ihr Griff fester wurde. Er wollte es. Brauchte es.

Allerdings nicht so sehr, dass er dafür seine alten, kaum verheilten Wunden aufreißen lassen würde, nur damit sie endlich ihre Schlagzeile bekam.

„Vielen Dank für Ihre Zeit, Mr. Lowell“, sagte sie schließlich, und über ihren Rückzug war Joshua etwas enttäuscht.

Verdammt noch mal, was stimmte denn nicht mit ihm? Er wollte doch, dass sie keinen Blödsinn über ihn als verkannten Künstler erzählte, sondern endlich sein Büro verließ.

Auf ihren langweiligen Absatzschuhen wirbelte sie herum und stolzierte zur Tür. Ohne einen Blick zurück ging sie. Beinah erwartete Joshua, dass sie die Tür hinter sich zuknallte, doch das leise Klicken klang weitaus bedrohlicher.

Wie ein ernsthafter Warnschuss vor seinen Bug.

2. KAPITEL

Der Skandal um Black Crescent: fünfzehn Jahre danach.

Joshua schloss die Finger so fest um die Montagsausgabe des Falling Brook Chronicle , dass er die Zeitung beinahe in Stücke riss. Sie hatte es getan. Sophie Armstrong hatte die Story veröffentlicht, hatte die schmutzigen Details und alle hässlichen Geschichten über seine Familie auf die Titelseite gebracht, als Futter für die hungrige Öffentlichkeit, die immer nach Skandalen lechzte.

Er blickte auf und starrte durch die Windschutzscheibe seines Mercedes auf das Gebäude, in dem Black Crescent seinen Firmensitz hatte. Er kannte jede Brüstung, jeden Winkel, jeden steinernen Zentimeter dieses modernen Baus, der gegen Ende der Fünfzigerjahre direkt in die Klippen gebaut worden war. Sein Vater hatte gewollt, dass der Firmensitz sich von der eher traditionellen Architektur im restlichen Falling Brook abhob, und das hatte er auch erreicht. Das Gebäude war genauso berühmt – oder berüchtigt – wie sein Besitzer.

Und mit seinem schlechten Ruf hatte Joshua es auf die Titelseite der Zeitung geschafft. Mal wieder.

Er hatte den Artikel bereits zweimal gelesen, überflog ihn aber trotzdem ein weiteres Mal. Erzählt wurde die Geschichte vom kometenhaften Aufstieg seines Vaters in der Finanzbranche, von seinem scheinbar perfekten Leben – die Hochzeit mit Eve Evans-Janson, der wohlerzogenen Tochter aus gutem Hause, deren Beziehungen Vernons Position als inoffizieller Herrscher über Falling Brook nur noch stärkten, seine drei Söhne, die eine gute Ausbildung an den besten Colleges erhalten und einen so vielversprechenden Karrierestart hingelegt hatten, der riesige Erfolg seines Unternehmens. Und dann – sein monumentaler Sturz. Millionen Dollar, die plötzlich aus dem Hedgefonds verschwanden. Der Tod seines besten Freundes Everett Reardon, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, als er versuchte, sich einer Verhaftung zu entziehen. Vernon Lowells Verschwinden.

Die zehn Familien, die Joshuas Vater bestohlen hatte, durchlebten einen Albtraum aus Insolvenz und Armut. Die Firma – oder genau genommen, Joshua selbst – erklärte sich bereit, das Vermögen der Kunden zurückzuzahlen, um eine Klage abzuwenden. Doch einige der Familien hatten sich noch immer nicht von Vernons egoistischen, unverzeihlichen Verbrechen erholt.

Als Nächstes behandelte der Artikel Joshua selbst.

Ihn, den Künstler, der als CEO in die Fußstapfen seines Vaters getreten war, um den Black Crescent Hedgefonds zu retten. Es wurde dargestellt, wie Joshua seine vielversprechende Karriere als Künstler aufgegeben hatte, um das Unternehmen vor dem Ruin zu bewahren, aber es wurde auch behauptet, er sei Vernons Schoßhündchen gewesen, von Geburt an dazu bestimmt und erzogen, sein Nachfolger zu werden. Und das war absoluter Mist. Früher hatte Joshua selbst bestimmt, welchen Weg er gehen wollte. Früher.

Im Artikel stand außerdem, dass man seit fünfzehn Jahren nichts mehr von Vernon Lowell gehört hatte, doch es ging das Gerücht, dass Vernon immer noch im Hintergrund die Fäden zog und Black Crescent leitete. Joshua fand das einfach nur lächerlich. Nachdem sein Vater verschwunden war, hatte seine Mutter mehrere Privatdetektive angeheuert, um ihn zu finden, und selbst das FBI war hinter ihm her gewesen.

Verdammt.

Joshua biss die Zähne zusammen, um ein frustriertes Stöhnen zu unterdrücken. Was musste er noch tun, um seinen Ruf wiederherzustellen? Was musste er noch alles opfern? Er war geblieben, hatte das Urteil, die Verachtung und das Misstrauen der Öffentlichkeit auf sich genommen, um die Firma wieder aufzubauen und wenigstens einen Teil des Geldes zu verdienen, das sein Vater gestohlen hatte. Er war geblieben und hatte in den letzten fünfzehn Jahren sein Bestes getan, um sein Versprechen zu erfüllen und den geschädigten Kunden ihr Geld zurückzuzahlen. Er war geblieben und hatte den Spott und die Verachtung seiner Brüder erduldet, die sich darüber lustig machten, dass er Daddys guter Junge war und in die Fußstapfen ihres Vaters trat. Er war geblieben und hatte sich um seine Mutter gekümmert, die sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatte.

Er war geblieben, obwohl er nichts lieber getan hätte, als alles aufzugeben und genau wie seine Brüder die Flucht zu ergreifen.

Aber er hatte sich nicht nach Europa abgesetzt oder süßes Vergessen in Drogen und Partys gesucht. Sein Stolz und seine Treue hatten ihn an Falling Brook gefesselt. Ohne Vater. Ohne Brüder. Ohne Freunde.

Und jetzt wagte diese Sophie Armstrong anzudeuten, er hätte all diese Jahre nicht bis zum Umfallen geschuftet? Dass sein Vater die ganze Vorarbeit geleistet hatte?

Ein Teil von ihm hoffte, was er sich niemals einzugestehen gewagt hätte. Dass Vernon mittlerweile tot war. Wenn er nur daran dachte, spürte er, wie sich heiße Scham in ihm ausbreitete. Aber es war die Wahrheit. Joshua hoffte, dass sein Vater nicht mehr am Leben war, denn wenn Vernon noch lebte … dann bedeutete das, dass er die Konten geplündert und seine Familie im Stich gelassen hatte, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Wenn Vernon nicht tot war, bedeutete das, dass der Mann, den Joshua sein Leben lang bewundert und geliebt hatte, niemals wirklich existiert hatte. Und nach allem, was Joshua in den letzten Jahren ertragen hatte, wäre das zu viel für ihn.

Sein Handy klingelte, und ein Blick auf das Display verriet, dass Oliver anrief. So kurz nachdem ihn die Schatten seiner Vergangenheit eingeholt hatten, konnte Joshua dieses Gespräch nicht gebrauchen. Die Beziehung zu seinem jüngeren Bruder war … kompliziert. Oliver lebte in Falling Brook, aber so oft, wie sie sich sahen, hätte er auch am anderen Ufer des Hudson River oder noch weiter weg wohnen könne.

Früher hatten sie einander nahegestanden. Aber das war, bevor Joshua den Platz seines Vaters eingenommen und der neue CEO von Black Crescent geworden war. An diesem Tag hatte er einen Teil des Respekts verloren, den seine Brüder Jake und Oliver für ihn empfanden.

Er schloss die Augen und atmete kurz durch. Dann nahm er das Gespräch an.

„Vermutlich hast du schon Zeitung gelesen“, sagte sein Bruder anstelle einer Begrüßung.

„Ja“, antwortete Joshua knapp. „Habe ich.“

Oliver machte ein Geräusch, das wie eine Mischung aus einem wütenden Knurren und einem traurigen Seufzen klang. „Schon wieder derselbe Mist. Warum können die Leute die Vergangenheit nicht ruhen lassen?“

„Offensichtlich weil sich daraus so gute Schlagzeilen machen lassen“, höhnte Joshua. „Wir werden’s aushalten, wie wir es immer tun.“

Die Worte hinterließen einen fahlen Geschmack in seinem Mund. Er war es so leid, Sturm um Sturm zu durchschiffen und dabei den treuen Kapitän spielen zu müssen.

Oliver stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ganz genau. So wie die Lowells das eben tun.“ Vor seinem geistigen Auge konnte Joshua sehen, wie sein Bruder sich mit der Hand durchs Haar fuhr und verächtlich grinste. „Weißt du, ob Mom den Artikel schon gesehen hat?“

„Ich glaube nicht“, antwortete Joshua. Eine weitere schwere Verantwortung, die er auf seine Schultern nehmen würde. „Ich habe Haley beauftragt, die Zeitung abzufangen, bevor sie zugestellt wird.“

Was für ein Glück, dass er Haley hatte. Sie war mehr als bloß eine Sekretärin, eher eine Art Projektmanagerin. Seine rechte Hand. Und die rechthaberische kleine Schwester, die er nie gehabt hatte.

Bei dem Skandal vor fünfzehn Jahren hatten alle Angestellten und alle Freunde sich von der Familie Lowell abgewandt. Nur Haley – die zu der Zeit ein Praktikum bei der Firma machte – war geblieben und hatte sogar auf ihr Gehalt verzichtet.

Sie konnte zwar eine ziemliche Nervensäge sein, aber sie gehörte praktisch zur Familie.

„Gut“, sagte Oliver. „Ich will mir gar nicht vorstellen, wie Mom auf diesen Artikel reagieren würde. Wahrscheinlich würde sie wieder in eine depressive Episode abstürzen.“

Joshua und seine Brüder waren sich nicht in vielen Dingen einig, aber eines verband sie: Um die angeschlagene Gesundheit ihrer Mutter zu bewahren, würden sie alles tun.

„Heute Abend schaue ich mal vorbei und sehe nach, wie es ihr geht.“

„Danke“, meinte Joshua.

„Du brauchst dich dafür nicht bedanken. Sie ist auch meine Mutter, weißt du. Bis später dann.“

Joshua legte auf und nahm wieder die Zeitung zur Hand. Ein Absatz hatte seine Aufmerksamkeit besonders erregt.

Aber ist Joshua Lowell wirklich so anders als sein Vater? Der Schein kann trügen . Wer weiß schon, welche Geheimnisse die Familie Lowell noch verbirgt?

Die Formulierung – nein, die schlecht verschleierte Drohung – sprang ihm geradezu ins Gesicht. Was, zur Hölle, sollte das heißen? Jede Leiche aus dem Keller von Black Crescent war ans Licht gezerrt, seziert und in der Öffentlichkeit ausgestellt worden. Es gab keine Geheimnisse mehr.

Woher stammten überhaupt die Fotos, die den Artikel illustrierten? Joshua musterte die Schwarzweißbilder. Einige seiner Kunstwerke waren abgebildet. Außerdem sein Vater und seine Mutter, Arm in Arm und lächelnd. Himmel, er hatte sie seit Jahren nicht mehr so lächeln sehen. Die Familie beim Weihnachtsessen. Jake und er bei der Abschlussfeier am College, Oliver zwischen ihnen. Jake und er auf dem College. Joshua betrachtete ein Foto von sich beim Malen, die Konzentration und die reine Freude, die sich auf seinem Gesicht deutlich abzeichneten. Diesen jungen, hoffnungsfrohen Mann auf dem Foto erkannte er kaum wieder.

Nun, Sophie hatte sicherlich tief graben müssen, um an diese Fotos zu kommen.

Woher hatte sie ihre Informationen? Wer hatte ihr diese Bilder gegeben?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Joshua warf die Zeitung auf den Beifahrersitz und startete den Motor.

Er würde direkt an der Quelle nachfragen.

„Guter Artikel, Sophie.“ Rob Jensen, ein Mitarbeiter des Feuilleton-Ressorts, tauchte an Sophies Arbeitsplatz auf, um ihr zu gratulieren.

„Danke, Rob“, sagte sie lächelnd.

„Das war fantastische Arbeit“, ergänzte Marie Coswell, als Rob weiterging. Sie rollte mit ihrem Bürostuhl über den Gang zu Sophies abgetrennter Bürokabine. „Aber, meine Güte.“ Sie schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf, sodass die kurzen Strähnen ihres roten Haars ihr Kinn streiften. „Du hast wirklich kein Blatt vor den Mund genommen. Machst du dir nicht ein kleines bisschen Sorgen, dass die Lowells zurückschlagen könnten? Ich meine, es ist schon wieder ein paar Jahre her, dass ihr Familienname hier nur geflüstert wurde. Mittlerweile haben sie an Einfluss gewonnen. Um nichts in der Welt würde ich mich mit einem Lowell anlegen, schon gar nicht mit Joshua Lowell. Obwohl … Warte, das nehme ich zurück.“ Grinsend hob sie die Augenbrauen. „Bei diesem Mann würde ich es auf etwas ganz anderes anlegen.“

Sophie musste lachen, obwohl ihr die unverblümte Offenheit ihrer Freundin die Röte ins Gesicht trieb. In solchen Augenblicken verfluchte sie die irische Abstammung ihres Vaters und ihre zarte Haut. Sie war achtundzwanzig und wurde immer noch rot wie ein hormongeplagter Teenager.

Übertrieben schnappte Marie nach Luft. „Warum wirst du denn so rot? Sag bloß, es ist irgendwas passiert, als du ins Büro von Mr. Groß-unglaublich-reich-und-verdammt-heiß gestürmt bist? Du hast dich darüber bisher verdächtig ausgeschwiegen.“

Sophie stöhnte. Warum musste Marie immer gleich übertreiben? Und dann auch noch in dieser Lautstärke? Sie mochte ihre Freundin wirklich sehr, aber manchmal glaubte sie, Marie sollte lieber die Klatschspalte der Zeitung übernehmen.

„Gar nichts ist passiert. Er hat meinem Stolz einen ordentlichen Dämpfer versetzt, mehr nicht.“ Unangenehm berührt zuckte sie zusammen, als sie daran dachte, wie sie in sein Büro geplatzt war. An die Konfrontation mit ihm.

Das war definitiv keiner ihrer besten Momenten gewesen. Zum Glück war die Rezeption im Erdgeschoss gerade nicht besetzt gewesen, sonst hätte Sophie es garantiert mit dem Sicherheitsdienst zu tun bekommen. Ihrer Chefin Althea Granger hätte es bestimmt nicht gefallen, wenn Sophie aus dem Gefängnis angerufen und sie darum gebeten hätte, die Kaution vorzustrecken.

Warum Joshua sie nicht hatte rausschmeißen lassen, war ihr immer noch ein Rätsel. Irgendetwas an diesem Mann ließ sie einfach nicht los.

„Sophie.“ Als hätte sie sie heraufbeschworen, tauchte Althea Granger neben Sophies Kabine auf. Mit ihrem dichten schwarzen Haar, der glatten, dunklen Haut und ihren feinen Gesichtszügen hätte sie genauso gut ein Supermodel in Rente sein können wie die Chefredakteurin der lokalen Zeitung für den exklusiven Vorort Falling Brook. Aber sie führte die Redaktion mit eiserner Hand und einem Blick für das Wesentliche und war nicht nur Sophies Mentorin, sondern auch ihr Vorbild. „Würden Sie mit mir in den Konferenzraum kommen?“

„Selbstverständlich.“ Sophie ignorierte Maries skeptischen Blick, wurde aber trotzdem nervös. Normalerweise wollte Althea in ihrem Büro mit ihr sprechen, nicht in dem Konferenzraum, der für offiziellere Zwecke vorgesehen war.

Hatte das vielleicht etwas mit ihrem Artikel zu tun? Nein, das konnte nicht sein. Althea hatte den Artikel gelesen und persönlich grünes Licht für die Veröffentlichung gegeben. Wenn ihr daran etwas nicht gefallen hätte, hätte sie genügend Gelegenheit gehabt, Kritik zu üben.

Was konnte sie dann wol… Oh, verdammt .

Abrupt blieb Sophie stehen und musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Joshua Lowell.

Er stand am Kopfende des großen Tisches, die Hände in den Taschen seines teuren marineblauen Anzugs, den Blick fest auf sie gerichtet.

Was für eine Schande, dass solche schönen hellbraunen Augen mit smaragdgrünen Einschlüssen verschwendet waren an ein so kaltes, hartes … attraktives Gesicht.

Also gut. Offensichtlich hatte sie noch nicht verarbeitet, wie unverschämt gut er aussah. Es war aber auch einfach unfair. Joshua Lowell, Millionär, CEO, Sohn einer einflussreichen, wenn auch verrufenen Familie, gebildet und niveauvoll, war vom Himmel außerdem mit einem teuflisch guten Aussehen und einem Körper gesegnet worden, der in Marmor gehauen werden sollte.

Sophie musste sich anstrengen, den Blick von seinem Gesicht loszureißen, von dem faszinierenden Kontrast zwischen seinen schönen Augen und vollen Lippen und der markanten Kinnpartie und den hohen Wangenknochen.

Verstohlen musterte sie seine breiten Schultern, die Taille und die schmalen Hüften. Er war schlank, aber muskulös. Wahrscheinlich baute er den Großteil seiner Aggressionen im Fitnessstudio ab.

Das reicht jetzt! rief Sophie sich zurecht. Was er in seiner Freizeit macht, interessiert mich nicht.

Sie zwang sich, den Raum zu betreten. Joshua Lowell mochte vielleicht aussehen, als wäre er gerade vom Olymp herabgestiegen, aber er war durch und durch ein arroganter Arsch. Und vermutlich war er hier, um entweder ihre Kündigung zu fordern oder ihr mit einer Klage zu drohen. Das sollte ein gutes Gegengewicht zu seinem tollen Aussehen darstellen.

Eigentlich.

„Sophie, bitte machen Sie die Tür hinter sich zu“, sagte Althea. Dann wandte sich die Chefredakteurin an Joshua. „Mr. Lowell, ich möchte Ihnen Sophie Armstrong vorstellen, die Redakteurin, die den Artikel für die heutige Ausgabe geschrieben hat.“

Mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem wartete Sophie darauf, dass Joshua ihrer Chefin verraten würde, dass sie einander bereits kannten. Doch nach einem scheinbar endlosen Moment hob er bloß eine blonde Augenbraue und sagte ruhig: „Miss Armstrong.“

Erleichterung durchströmte sie, und fast hätten die Knie unter ihr nachgegeben. Professionalität war Althea wichtig, und ihre Chefin hätte es überhaupt nicht gern gesehen, wenn sie herausgefunden hätte, unter welchen Umständen Sophie Joshuas Bekanntschaft gemacht hatte.

Doch im selben Augenblick keimte ein Verdacht in ihr auf. Warum hatte er Althea nichts gesagt? Was wollte er von ihr? Sie kannte ihn zwar nicht gut, doch Joshua Lowell war kein Mann, der Dinge aus reiner Herzensgüte tat. Und sie war die Journalistin, die gerade die schmutzige Wäsche seiner ganzen Familie gewaschen hatte – auf der Titelseite der Zeitung.

„Miss Granger, ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Miss Armstrong und ich einen Moment unter vier Augen sprechen könnten.“ Trotz des höflichen Tonfalls klang das nicht wie eine Bitte.

Auch Althea bemerkte das. Fragend blickte sie zu Sophie, die knapp nickte. Wie sollte sie ihrer Chefin auch erklären, dass sie nicht mit ihm allein sein wollte, ohne sich zu verraten?

„In Ordnung“, sagte Althea. „Eine Sache allerdings noch, Mr. Lowell: Ich erwarte, dass auch in meiner Abwesenheit nicht von Verleumdung und Klage gesprochen wird. Sophie hat die eindeutige Anweisung, in diesem Fall das Gespräch zu beenden. Wir würden Sie dann direkt an unsere Rechtsabteilung verweisen.“

Mit einem Lächeln, das so gar nicht zu ihrem kühlen Ton passte, ging Althea nach draußen, und Sophie war allein mit Joshua.

„Ich nehme an, Ihre Chefredakteurin weiß nichts von Ihrem kleinen Ausflug in mein Büro.“ An seinen aalglatten Tonfall hatte sie sich fast schon gewöhnt.

„Nein. Warum haben Sie ihr nichts gesagt?“

„Weil mir das im Moment keinen Nutzen bringen würde. Und außerdem …“ Seine Stimme klang auf einmal tiefer und bedrohlicher, und ein Schauer lief Sophie den Rücken hinab. „Außerdem will ich persönlich derjenige sein, der Ihnen Ärger bereitet, Miss Armstrong.“

Er hatte zwar keine Klage erwähnt, aber eine Drohung war das dennoch.

„Ich nehme an, Sie sind wegen des Zeitungsartikels hier.“ Sophie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Art von Ärger er meinte, und wechselte daher das Thema. „Warum also kommen Sie nicht zur Sache?“

Er musterte sie, und sie konnte spüren, wie es hinter seiner stoischen Fassade in ihm brodelte. Unter der Oberfläche gab es noch mehr, das er niemandem zeigen wollte, und Sophie wusste nicht, ob aus eigenem Interesse oder aus journalistischer Neugier – aber sie wollte ihm all seine dunkelsten Geheimnisse entlocken und sie ans Licht bringen.

„Natürlich, warum kommen wir nicht einfach zur Sache?“ So wie er es sagte, klang es plötzlich viel verruchter. „Ich will wissen, wie Sie an die Fotos zu dem Artikel gekommen sind.“

Sophie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Ich habe meine Quellen. Und bevor Sie wieder eine Ihrer ach so höflichen Bitten äußern, nein, ich kann sie Ihnen nicht offenlegen.“

„Sie können nicht? Oder Sie wollen nicht?“

Sie zuckte mit den Schultern. „In diesem Fall ist das ein und dasselbe.“

Wieder fixierte er sie mit einem langen, unnachgiebigen Blick. „Wissen Sie eigentlich, was Sie sind, Miss Armstrong?“, murmelte er schließlich.

„Lassen Sie mich raten. Eine Zicke? Ein Biest?“ Sophie gab sich betont gelangweilt. Das wäre nicht das erste Mal, dass ein Mann sie beleidigte, nur weil sie unnachgiebig war, zu viele Fragen stellte und nicht einfach hinter ihrem Schreibtisch saß und hübsch aussah. Journalismus, und ganz besonders investigativer Journalismus, war nichts für Frauen ohne starke Nerven und ein dickes Fell. Oftmals war „Biest“ nur ein Synonym für eine starke Frau mit eigener Meinung und Rückgrat, die sich nicht den Mund verbieten ließ.

„Nein.“ Joshua sah aus, als wäre ihm allein der Gedanke an das Wort unangenehm. „Auch wenn es Ihnen vielleicht lieber wäre, ich würde Sie beleidigen. Dann könnten Sie behaupten, ich sei ein schlechter Verlierer, der seinen angekratzten Stolz verteidigen will. Aber diesen Gefallen werde ich Ihnen nicht tun. Sie, Miss Armstrong, sind keine Zicke.“ Die Verachtung, die sich in seinem Gesicht abzeichnete, spiegelte sich jetzt auch in seinem Tonfall wider. „Sie sind ein Aasgeier, der einen Kadaver ausweidet, bis nichts mehr übrig ist als die verblichenen Knochen.“

Eigentlich sollte es Sophie egal sein, was er von ihr hielt, aber, verdammt noch mal, das hatte gesessen. Es schmerzte wie ein Messerstich tief in ihrem Innern, war sie doch überzeugt, dass Fairness und Ehrlichkeit ihre Grundsätze waren. Bei ihren Berichterstattungen wollte sie niemanden verletzen. Deshalb hatte sie zuerst ja auch persönlich mit ihm sprechen und sich seine Sicht der Dinge anhören wollen, um sicherzugehen, dass ihr Artikel nicht einseitig wurde.

Vielleicht hatte das etwas damit zu tun, dass sie ein Scheidungskind war. Sie hatte immer darauf geachtet, ihren Eltern nicht das Gefühl zu geben, sie würde ein Elternteil mehr lieben als das andere. Und als Erwachsene versuchte sie immer noch stets, zwischen zwei Konfliktparteien zu vermitteln und einen neutralen Standpunkt zu finden. Dass Joshua ihr ausgerechnet diese Werte absprach und sie an ihrem empfindlichsten Punkt angriff … das schmerzte.

„Haben Sie jemals daran gedacht, welche Konsequenzen Ihre Gier nach einer Schlagzeile auf der Titelseite haben könnte? Haben Sie sich je gefragt, was das mit mir machen würde? Oder mit meiner Familie? Meiner Mutter? Sie muss sich seit Jahren mit den Konsequenzen herumschlagen, die das Fehlverhalten ihres Mannes nach sich gezogen hat.“ Joshua klang so wütend, dass er seine eisige Beherrschung zu verlieren schien. „Sie hat bereits genug gelitten, und jetzt graben Sie diese uralten Geschichten wieder aus, damit Sie etwas zum Tratschen haben. Aber natürlich ist Ihnen nichts wichtiger als Ihr Ehrgeiz und Ihre Karriere.“

„Mein Ehrgeiz?“, presste Sophie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie ballte die Fäuste, spannte sich an, als müsste sie sich gegen ihn verteidigen. Eigentlich sollte sie ihm das nicht sagen, aber jetzt war ihr alles egal. Sie hatte nur ihren Job gemacht und sogar einen besonders fairen Artikel geschrieben, wenn man die Umstände bedachte! „Sie kennen mich überhaupt nicht, also brauchen Sie mir nicht Ihre eigenen Motive zu unterstellen. Mir ist klar, dass es Ihnen schwerfällt, diesen Artikel objektiv zu betrachten, aber glauben Sie mir, ich habe mich wirklich zurückgehalten. Ich hätte auch die ganze, ungeschminkte Wahrheit schreiben können, darüber, was für ein Mensch Sie sind. Ich bin mir sicher, dass der Held …“ Bei dem Wort verzog sie verächtlich die Lippen. „… von Black Crescent nicht sehr erfreut wäre, wenn diese Wahrheit bekannt würde.“

Joshua antwortete nicht. Er reagierte nicht einmal. Unnachgiebig durchbohrte er sie weiterhin mit seinen Blicken, doch Sophie wollte nicht nachgeben.

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Ich habe nichts Falsches getan und auch nichts, wofür ich mich schämen müsste. Ganz im Gegenteil. Ich war nie die Marionette meines Vaters, so wie Sie es darstellen, sondern ich habe einfach nur den Schaden repariert, den er angerichtet hat. Nichts weiter.“

Vermutlich merkte er gar nicht, wie angespannt, ja geradezu leidenschaftlich er klang. Sophie konnte nicht leugnen, dass er die Wahrheit sagte. Selbst wenn Vernon Lowell all die Jahre im Hintergrund die Fäden gezogen hätte, änderte das nichts an der Tatsache, dass Joshua seine vielversprechende Karriere als Künstler aufgegeben hatte, um das Familienunternehmen zu leiten. Er hatte all die Anfeindungen und das Misstrauen ertragen und die Verantwortung für Black Crescent auf seine jungen Schultern genommen. Sein Zwillingsbruder Jake hatte sich seit fünfzehn Jahren nicht mehr in Falling Brook blicken lassen, und der jüngste Bruder Oliver war in die Partyszene abgerutscht. Alles war an Joshua hängen geblieben, und er hatte seine eigenen Träume aufgegeben und diese Last auf sich genommen.

Egal, was sie von ihm persönlich hielt, dieses Opfer wusste Sophie zu respektieren.

„Alles, was ich getan habe, habe ich getan, um meine Familie zu beschützen und für sie zu sorgen. Ich sehe nicht ein, warum ich mich dafür schämen sollte.“

Diese Arroganz! Kein Anzeichen eines schlechten Gewissens. In Sophie brodelte es.

„Und so ein Spruch ausgerechnet von Ihnen!“, höhnte sie, während sie sich scheinbar entspannt an den Konferenztisch lehnte.

Er sah noch immer ungerührt aus, neigte aber fragend den Kopf zur Seite. „Was, zur Hölle, soll das denn bedeuten?“ Etwas Gefährliches blitzte in seinen Augen auf.

„Oh, ich denke, das wissen Sie sehr genau … Daddy .“

Joshua blinzelte, wandte den Blick aber nicht ab. Dass er darauf überhaupt nicht antwortete, stachelte Sophie nur noch mehr an.

„Ernsthaft?“, fauchte sie. „Sie wollen wirklich weiterhin so tun, als wüssten Sie nicht, wovon ich spreche?“ Verbittert lachte sie auf. „Sie beschützen nur den Teil der Familie, der Ihnen passt. Aber eine kleine Tochter von, sagen wir, vier Jahren würde Ihnen wohl gar nicht in den Kram passen.“

Langsam lehnte Joshua sich vor und stützte die Handflächen auf den Tisch. „Ich weiß nicht, warum Sie überzeugt sind, ich hätte ein Kind, aber ich habe keine Tochter. Das ist absurd.“ Er kniff die Augen zusammen.

Sophie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Nur weil Sie das leugnen, muss es noch lange nicht heißen, dass Sie keine Tochter haben. Egal, wie überzeugend Sie auch schauspielern.“

Er antwortete nicht, aber sein durchdringender Blick blieb fest auf sie gerichtet.

Könnte es sein …

Könnte es wirklich sein, dass er nichts von seiner Tochter weiß?

„Ich …“ Sophie unterbrach sich, atmete tief durch und begann noch einmal von vorn. „Ich behaupte das nicht leichtfertig und aus dem Nichts heraus. Ich habe sehr gute Gründe für die Annahme, dass Sie eine Tochter haben.“

„Ich weiß nicht, was das für Gründe sein sollen, und es ist mir auch egal.“ Seine Stimme klang eine Spur rauer als sonst. „Wenn Sie bei Ihrer Recherche irgendetwas über mich als Person herausgefunden hätten, dann wüssten Sie auch, wie lächerlich Ihre Anschuldigung klingt. Genau das ist es nämlich, wenn Sie behaupten, ich hätte ein Kind, um das ich mich nicht kümmern würde, Miss Armstrong: eine bösartige, unbegründete, erlogene Anschuldigung.“

Sein Tonfall hätte ihr Angst einjagen sollen. Der Anblick, wie seine eisige Fassade langsam schmolz und der Zorn mit hitziger Leidenschaft hervorbrach, hätte in Sophie absolut nichts auslösen sollen.

Sie sollte sich nicht fragen, wie es wohl aussah, wenn er ganz die Beherrschung verlor und der Leidenschaft nachgab.

Durch Sophies Adern strömte Hitze, eine unpassende und unerwünschte Begierde, die sich voller Vorfreude in ihr ausbreitete und ihr einflüsterte, für heute die Regeln Regeln sein zu lassen. Verbissen kämpfte Sophie gegen den Drang an, näher zu Joshua zu treten, herauszufinden, wie warm sich wohl sein Körper an ihrem anfühlen würde und wonach er roch. Etwas Warmes, Erdiges? Oder doch ein kühler, zurückhaltender Duft? War er Feuer oder Eis?

Sie räusperte sich und trat einen Schritt zurück.

Beherrsch dich, Sophie. Er ist nicht der Rattenfänger von Hameln, und du bist kein verängstigtes Mäuschen.

Eher würde die Hölle zufrieren und ihre Schneeberge als Eis am Stiel verkaufen, als dass Sophie Armstrong willenlos einem Mann folgte. Schon gar nicht einem Kerl, der selbst ein solcher Eiszapfen war.

„Hören Sie, ich habe meine Informationen von einer vertrauenswürdigen Quelle. Und wie Sie sich vielleicht erinnern, habe ich mehrmals versucht, mit Ihnen in Kontakt zu treten und Sie für den Artikel zu interviewen. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, auf irgendeine meiner Nachrichten zu antworten, hätte ich auch dieses Thema angesprochen. Aber dass Sie alle Interviewanfragen abgelehnt haben, hat nur dazu beigetragen, dass ich den Eindruck bekommen habe, Sie hätten etwas zu verbergen.“ Er fluchte unterdrückt, doch Sophie fuhr fort: „Ich weiß, dass Sie an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln, aber ich habe im Vorfeld dieses Artikels gründliche Recherchen über Ihre Familie angestellt. Und das Gerücht von einem unehelichen Kind ist mir wieder und wieder untergekommen.“

„Diese vertrauenswürdige Quelle“, entgegnete er, „ist das zufällig auch die Person, die Ihnen die Fotos zur Verfügung gestellt hat?“

Nach kurzem Zögern nickte Sophie.

Von allen Leuten, die sie interviewt hatte, hatte sich Zane Patterson als die hilfreichste Quelle herausgestellt. Er war eine wahre Goldgrube an Informationen. Und nichts von dem, was er zu sagen hatte, hatte ein besonders gutes Licht auf die Familie Lowell geworfen. Aber wenn sie bedachte, dass seine Familie bei dem Skandal um Black Crescent direkt betroffen gewesen war, konnte Sophie ihm seine Feindseligkeit und Verbitterung nicht verübeln. Er hatte alles verloren – finanzielle Sicherheit, sein Zuhause und schließlich sogar seine Familie. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, und Zane gab den Lowells die Schuld an allem.

Zane war nur ein Jahr jünger als Oliver Lowell, also hatten sie in der Highschool einen gemeinsamen Freundeskreis gehabt. Er konnte ihr also Informationen liefern, die sie nicht im Internet fand – schließlich wurde damals noch nicht alles in den sozialen Netzwerken geteilt. Von Zane hatte sie die Fotos, auf die Joshua so fixiert war, und er war auch der Erste, der ihr gegenüber Joshuas uneheliches Kind erwähnt hatte. Allerdings war er nicht der Einzige geblieben.

„Schön. Dann behalten Sie Ihre Geheimnisse eben für sich“, sagte Joshua, wandte sich von ihr ab und blickte auf dem Fenster. Die Zeitungsredaktion befand sich in einem älteren Backsteingebäude, zwischen einem Geschäft für Damenmode und einer Buchhandlung, und bot einen direkten Ausblick auf die Straße, die zu dieser frühen Stunde langsam zum Leben erwachte. Die Morgensonne schien auf Joshuas Gesicht, und er wirkte beinahe wie ein König, der sein kleines Reich überblickte.

Und so etwas Ähnliches war er ja auch. Ganz Falling Brook, diese abgelegene Gemeinde von knapp zweitausend Menschen, hauptsächlich Chirurgen, CEOs, ein paar bekannte Schauspieler und Profisportler, hatte zu Vernon Lowell aufgeblickt und ihn bewundert, und Lowell senior hatte diese Bewunderung nur allzu sehr genossen. Sein Sohn Joshua wirkte zwar etwas weniger wie ein Tyrann, aber niemand konnte umhin, zu bemerken, dass er eine starke Aura von Macht und Autorität besaß.

Ein Teil von Sophie wusste, dass sie von seinem großen Einfluss eingeschüchtert sein sollte. In dieser kleinen Gemeinde, wo Geld Macht bedeutete, konnte man über die Vorstellung einer unabhängigen Presse nur lachen. Wenn Joshua wollte, könnte er dafür sorgen, dass Sophie gefeuert wurde. Fristlos.

Vielleicht sollte sie also ein wenig wachsamer sein. Aber der Grund, warum sie eine Gänsehaut hatte und heiße Schauer ihren Körper durchliefen, war nicht die Angst. Es war wie ein Rausch. In der Gegenwart dieses Mannes fühlte Sophie sich so lebendig und erregt, wie sie es normalerweise nur bei der Recherche für eine richtig gute Story erlebte. Warum das so war – darüber wollte sie lieber gar nicht nachdenken.

Als er sich wieder umdrehte und diesen intensiven Blick auf sie richtete, der ihren wie magisch anzog, musste Sophie ein Keuchen unterdrücken. Sie konnte fast körperlich spüren, wie dieser Blick auf ihr ruhte.

„Sie haben recht“, verkündete Joshua.

Verwirrt blinzelte sie. Worüber hatten sie gerade gesprochen? Was meinte er? „Womit habe ich recht?“

„Sie haben mir angeboten, meine Sicht der Dinge zu schildern, und ich habe abgelehnt. Doch jetzt biete ich Ihnen eine Chance, die noch nie ein Journalist bekommen hat. Verbringen Sie einen Tag mit mir im Büro von Black Crescent. Ich zeige Ihnen, wie es in meiner Welt aussieht, und dann können Sie selbst entscheiden, ob die Gerüchte, die Sie in Ihrem Artikel verbreiten, wahr oder falsch sind. Aber vielleicht müssen Sie ja auch feststellen, dass ich einfach nur ein Geschäftsmann bin, der versucht, die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Zukunft zu gestalten.“ Er hob die Augenbrauen. „In jedem Fall geht es kaum exklusiver.“

Das ist eine Falle.

In Sophies Kopf schrillten die Alarmglocken. Wenn sie auch nur so viel Grips hatte wie eine Eintagsfliege, dann sollte sie dieses Angebot ablehnen. Aber sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass es Sophie, die Frau, war, die diese Warnung rief. Sophie, die Reporterin, konnte sich vor Ungeduld und Vorfreude auf diese einzigartige Chance kaum zurückhalten. Sie könnte eine Fortsetzung zu ihrem Artikel schreiben, und vielleicht wurde ja sogar Associated Press , eine der großen Presseagenturen in New York, auf sie aufmerksam.

Außerdem kannst du etwas mehr Zeit mit Joshua Lowell verbringen, flüsterte eine verräterische kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.

Mehr Zeit mit diesem rätselhaften, attraktiven Mann, der ein Verlangen in ihr auslöste, das sie heftig zu unterdrücken versuchte. Ein Verlangen, das, wenn Sophie nicht aufpasste, ihre Objektivität und sogar ihren Job gefährden konnte.

Das durfte sie nicht zulassen. Nichts durfte ihren Zielen und ihrer Unabhängigkeit im Weg stehen. Sophies Mutter hatte damals ihre Träume von einer Karriere als Architektin aufgegeben, um ihren Vater zu heiraten, und nach der Scheidung mittellos dagestanden, abhängig von den geringen Unterhaltszahlungen, die ihr Vater widerwillig leistete. Am Beispiel ihrer Mutter hatte Sophie vieles gelernt. Sie würde sich niemals von einem Mann abhängig machen und niemals für einen Mann ihre eigenen Bedürfnissen hintanstellen, bis nichts mehr von ihr Persönlichkeit übrig war als ein paar armselige Fetzen, die sie daran erinnerten, was sie hätte werden können.

Es brauchte nur eine Minute in Joshua Lowells Gegenwart, nur einen Blick in seine wunderschönen, tiefgründigen Augen, und Sophie wusste, dass dieser Mann ihr, ohne zu zögern, alles nehmen könnte. Und er würde es nicht bereuen.

Doch dafür müsste sie ihm zunächst eine Chance geben, und Sophie würde sich niemals auf ihn einlassen.

„Okay. Ich nehme Ihr Angebot an“, sagte sie entschlossen.

Er nickte. „Meine Sekretärin wird Ihnen einen Terminvorschlag schicken.“ Noch einmal blickte er sie finster an. „Miss Armstrong, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist kein Friedensangebot, noch nicht mal ein Waffenstillstand. Ihr Artikel stellt eine eindeutige Bedrohung für die Sicherheit und den Seelenfrieden meiner Familie dar, und das werde ich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn Sie mein Angebot ausnutzen, um Ihre Verleumdungskampagne fortzuführen, werde ich dafür sorgen, dass Sie das bereuen.“

Noch lange nachdem er gegangen war, konnte Sophie weder seine Warnung noch seinen entschlossenen Blick vergessen, sosehr sie es auch versuchte.

3. KAPITEL

Joshua parkte vor seinem Fitnessstudio. Seine Haut kribbelte überall, und das war schon seit gestern so. Seit er das Büro des Falling Brook Chronicle besucht hatte. Seit er Sophie wiedergesehen hatte.

Er raufte sich die Haare und knirschte mit den Zähnen, damit er nicht wild zu fluchen begann. Ursprünglich hatte er Sophie die Quelle für diese Fotos entlocken wollen. Stattdessen hatte sie ihm vorgeworfen, er hätte ein uneheliches Kind.

Was, zur Hölle …?

Selbst jetzt noch lief ihm ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter, wenn er daran dachte, direkt gefolgt von flammend heißem Zorn. Er hasste dieses Gefühl der Hilflosigkeit und – ja, er musste es zugeben – der Selbstzweifel.

Und er hasste Sophie dafür, dass sie diese Zweifel gesät hatte. Dass sie ihn wieder in eine Zeit zurückversetzt hatte, in der er beinah in seiner Angst ertrunken wäre, immer darauf bedacht, aufzutauchen, nach oben zu schwimmen, den nächsten Atemzug zu erhaschen.

Im Laufe der Jahre hatte es natürlich viele Gerüchte über seine Familie gegeben, ganz abgesehen von der hässlichen Wahrheit über die Machenschaften seines Vaters. Es wäre gelogen, wenn Joshua behaupten würde, diese Gerüchte hätten ihm gar nichts ausgemacht. Aber er hatte sich immer voller Stolz darauf berufen können, dass er anders war als sein Vater, dass er nicht aus Egoismus und Gier Menschen verletzte. An diesem Wissen hatte er sich festgehalten.

Bis Sophie in einem einzigen Gespräch seinem Stolz einen derart heftigen Schlag versetzt hatte, dass er brüchig geworden war wie eine gespaltene Windschutzscheibe.

Joshua hatte ganz bestimmt nicht wie ein Mönch gelebt. Er mochte Sex, aber er war immer vorsichtig. Das musste ein Mann in seiner Position und mit seinem Vermögen auch sein. Er suchte sich seine Partnerinnen sehr genau aus – Frauen, die wussten, dass er nicht auf der Suche nach einer längeren Beziehung war – und verhütete immer. Natürlich konnte dabei auch mal etwas schiefgegangen sein. Eine hundertprozentige Sicherheit gab es nicht. Aber keine seiner ehemaligen Partnerinnen hatte ihm je von einer ungeplanten Schwangerschaft oder sogar von einem Kind erzählt. Wenn eine von ihnen das getan hätte, hätte er diese Frau und das Kind niemals im Stich gelassen. Niemals .

Dass Sophie jetzt andeutete – nein, ihm sogar vorwarf –, dass er sein Kind auf diese Weise vernachlässigen könnte, sein eigen Fleisch und Blut …

Joshua stieß einen missbilligenden Laut aus, stieg aus und warf die Autotür hinter sich zu. Mit seiner Sporttasche in der Hand machte er sich auf den Weg ins Fitnessstudio, um wenigstens einen Teil von seiner Wut und Anspannung rauslassen zu können.

Nach etwa einer Stunde war sein Gesicht von einem Schweißfilm überzogen, und die Tropfen rannen ihm über Brust und Schultern. Seine Muskeln fühlten sich angenehm taub an, und er spürte, dass er an seine Grenzen gegangen war.

Er riss sich die Boxhandschuhe von den Händen und nahm einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche. Er hatte sich dieses Fitnessstudio auch deshalb ausgesucht, weil es nicht in Falling Brook lag, sondern ein paar Orte weiter, und hier keine jungen CEOs und trendigen Kleinstadtmütter ihre schicke Sportkleidung zur Schau trugen.

In dem Boxring auf der anderen Seite des Raumes trainierten echte Kämpfer, und durch das Studio drangen angestrengtes Stöhnen und harte Rockmusik. Hier kam man nicht her, um zu sehen und gesehen zu werden, sondern um an seine Grenzen zu gehen, seinen Körper zu fordern und zu formen.

Was, zur Hölle, also hatte Sophie Armstrong hier zu suchen?

Er runzelte die Stirn, während er die schlanke junge Frau dabei beobachtete, wie sie zwei dicke Taue beinah wütend immer wieder auf und ab schlug.

Obwohl es ihn ärgerte und misstrauisch machte, dass sie jetzt in seinem Stamm-Fitnessstudio auftauchte – seinem Zufluchtsort weit weg vom Büro oder seiner Wohnung –, ließ er den Blick doch bewundernd über ihre schlanke Figur gleiten, die vom lila Sport-BH und der engen schwarzen Leggins sehr vorteilhaft in Szene gesetzt wurde. Ohne ihr übliches konservatives, beinahe langweiliges Outfit konnte er genau erkennen, wie sich ihre kleinen, festen, perfekten Brüste unter dem Oberteil abzeichneten. Er befahl sich, wegzuschauen, doch sein Blick blieb unweigerlich an ihrem straffen Bauch hängen, auf dem hart verdiente Schweißperlen hingen, am sanften Schwung ihrer Hüften und trainierten Beine, die für jemanden von ihrer Größe unendlich lang erschienen.

Sie war wie eine Elfenprinzessin, die ihren goldenen Thron für einen Tag verlassen hatte und aufs staubige Schlachtfeld gezogen war. Dieser alberne Gedanke tauchte in Joshuas Kopf auf, bevor er ihn unterdrücken konnte. Solche Fantasien passten vielleicht zu dem Künstler, der er einmal gewesen war, aber nicht zu dem vernünftigen, pragmatischen Geschäftsmann, der er jetzt war. Und trotzdem … wenn er das Spiel ihrer Muskeln beobachtete, musste Joshua zugeben, dass er beeindruckt war.

Beeindruckt und sehr, sehr hart.

„Verdammt“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Schnell dachte er an niedliche Hundewelpen. Exceltabellen mit einem unausgeglichenen Haushalt.

Das Gesicht seiner Mutter, als sie Sophies Artikel gelesen hatte, verschlossen und doch so unendlich verletzt.

Ja, das half.

Das Feuer, das Sophie Armstrong in ihm entfachte, war noch lange nicht erloschen, doch jetzt war auch die Wut in Joshua erneut aufgelodert.